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01: State of the Art der „Leseförderung in Südtirol“
Petra Eisenstecken
Die Leseförderung hat in Südtirol eine lange Tradition
Lesen bereichert das Leben und bietet Atempausen in einer immer hektischer
werdenden Welt; ganz abgesehen davon, stellt das Lesen eine wichtige Kulturtechnik
dar, die notwendig ist, um auch in der Medienvielfalt bestehen zu können.“
(„Leseräume – Wörterträume, der Südtiroler Lesefrühling, 2008)
In Südtirol nimmt die Leseförderung einen hohen Stellenwert ein. Seit Jahrzehnten
bemühen sich Schulen und Bibliotheken um eine Sensibilisierung der Lehrpersonen
und Bildungsverantwortlichen. Aber auch der Bevölkerung wird die Notwendigkeit
guter Lesekompetenzen immer wieder aufgezeigt.
Durch verschiedene Publikationen und Leseaktionen bzw. –projekte wurde bzw. wird
das Lesen häufig in den Mittelpunkt gerückt. Dabei ist auch die Einbeziehung
öffentlicher Medien unabdingbar, damit viele Ideen verwirklicht und eine breite Menge
an Lesebegeisterten erreicht wird.
Leseräume-Leseträume (1998)1
Diese Publikation stellt in einer Gesamtrückschau eine besonders
attraktive und erfolgreiche Aktion zur Leseförderung in Südtirol dar.
Aus der Fülle von eingegangenem Dokumentationsmaterial wurden
Projekte ausgewählt, die innovativ waren, einen besonderen Akzent
setzten oder zum Nachmachen anregten. Somit ist diese Broschüre
einerseits Dokumentation des Geschehenen und andererseits
Anregung für weitere Aktivitäten zur Leseförderung.
Lese-Rezepte (1999)2
Hierbei handelt es sich um ein Werkbuch für Pädagogen und
Bibliothekare, welche die Bibliothek als Experimentier- und
Erlebnisraum für erweitere Lernformen verstehen. Ziel des
"literaturdidaktischen Kochbuches" ist es, vor allem den bisher
vernachlässigten Bereich der Sachliteratur in spielerischer Form
Kindern und Jugendlichen nahe zu bringen. Die Rezepte bieten
genügend Freiraum für Kreativität, lassen alle Schüler einer
Klasse mitmachen, erlauben Bewegung und Gruppenarbeit und
machen den Bibliotheksbesuch zu einem "kleinen Festmenü mit
Genussgarantie". Für jede Schulstufe ist etwas dabei. Viele Fotos beschreiben Schritt
für Schritt – wie in einem Kochbuch – Vorbereitung und Durchführung der Aktionen.
Kinder machen Bücher (2004)3
2004 fand das Projekt „Kinder machen Bücher“ statt. Im
Mittelpunkt standen Geschichten, die jedes Kind in Buchform
veröffentlichen konnte.
Schritt für Schritt konnten sie erleben, wie sich aus ihren Ideen
Geschichten entwickelten und aus den Geschichten Bücher
entstanden. Dabei wurden die Schülerinnen und Schüler von
einer Lektorin und zwei Illustratorinnen angeleitet.
In dieser „Bücherwerkstatt“ sind 90 Unikate entstanden, die am
Ende des Projektes (Mai 2004) in einer Ausstellung vorgestellt
wurden.
Lesen und Lernen in der Schulbibliothek (2004)4
Diese Publikation beinhaltet eine Vielzahl von Anregungen,
wie neue Formen des Unterrichts und Lernen in der
Schulbibliothek gut und erfolgreich umgesetzt werden können.
Die Beiträge geben einen Einblick in die vielfältigen
Tätigkeiten der Schulbibliothekarinnen und Schulbibliothekare,
vom Kindergarten bis zur Oberschule. Sie stellen unter
Beweis, welch wichtigen Beitrag die multimediale
Schulbibliothek zur Unterrichts- und Schulentwicklung leisten
kann.
Die Publikation ist in drei Abschnitte unterteilt:
Im ersten geht es um die Entwicklung von Konzepten und
Leitbildern, architektonische Planung und um die Organisation
und Durchführung von Projekten für die ganze Schule.
Im zweiten Abschnitt steht die Hauptaufgabe einer jeden Bibliothek im Mittelpunkt:
Zum Lesen motivieren. Die Praxisbeispiele reichen von Märchen als Einstieg in die
Lesewelt, über die Sogwirkung kreativer Buchvorstellungen bis zum von Schülerinnen
und Schülern selbst verwalteten Lesecafè.
Der dritte Abschnitt setzt sich mit dem Lernen in der Schulbibliothek auseinander. Das
Lernen erfährt durch Suchen und Verarbeiten von Informationen und durch den
Einsatz von offenen Lernformen in der Schulbibliothek eine neue Qualität. Die vielen
Bilder und die ansprechend gestalteten Arbeitsblätter sollen die Leserinnen und Leser
zur Umsetzung der vielfältigen Ideen und Möglichkeiten anregen.
Staatliche Schulreform (2005)
Das Schuljahr 2005/2006 war in Südtirol von der Erprobung der staatlichen
Schulreform geprägt. Diese betraf besonders die Grund- und Mittelschule. Das
Grundanliegen dieser Schulreform war es, die Kinder und Jugendlichen zu befähigen,
zunehmend Verantwortung für das eigene Lernen zu befähigen, dies bewusst zu
reflektieren und mitzugestalten. Im Mittelpunkt stand nun die Individualisierung des
Lernens. Weitere Kernpunkte waren die Einführung eines Kern-, Wahlpflicht- und
Wahlbereiches sowie die individuelle Lernberatung und die Dokumentation der
Lernentwicklung.
Netzwerk Schulbibliothek (2006)5
Südtirol kann auf eine enge Kooperation zwischen Schulen,
öffentlichen Bibliotheken, Schulbibliotheken und Fachbibliotheken
stolz sein.
Insbesondere die Schulbibliotheken haben sich in den letzten
Jahren stark gewandelt und sind von einem „Bücheraufbe-
wahrungsort“ zu einer multimedialen Lese- und Lernwerkstatt
geworden.
Leseförderung und Leseerziehung sind heutzutage ohne
Schulbibliothek kaum noch vorstellbar. Das reiche und vielfältige
Angebot in den Schulbibliotheken unterstützt individuelles und differenzierendes
Lernen. In Schulbibliotheken können verschiedene Unterrichts- und Lernformen
praktiziert werden. Sie sind der geeignete Ort für fächerübergreifenden,
projektorientierten Unterricht.
Die Leseförderung und die Vermittlung der Lese-, Recherche- und Methoden-
kompetenz sind Aufgabe der gesamten Schule.
Schulbibliothekarinnen und Schulbibliothekare sind Fachexperten für die Durchführung
von Leseprojekten, für Beratungstätigkeit bei der Informationsrecherche, für Unterricht
in der Bibliothek, für den Umgang mit Medien, für Einführungsstunden in der
Bibliotheks- und Mediennutzung, für die Ausarbeitung von Bestandskonzepten.
Seit Jahren werden in Südtirol für die Arbeit in den Schulbibliotheken eigene
Schulbibliothekarinnen und Schulbibliothekare ausgebildet.
LeseForum Südtirol (2006)
Das Pädagogische Institut für die deutsche Sprachgruppe (heutige Bezeichnung
Bereich Innovation und Beratung im Deutschen Bildungsressort), das Amt für
Bibliotheken und Lesen, das Jukibuz (Jugend-Kinderbuch-Zentrum) im Südtiroler
Kulturinstitut und die Drehscheibe haben sich im Herbst 2006 zum LeseForum Südtirol
zusammengeschlossen. Dieses Forum, das heute noch besteht, versteht sich als
offene Plattform für gemeinsame Projekte und für vernetztes Handeln im Bereich der
Leseförderung.
Erstes Ziel des LeseForums Südtirol war es, ein Leseprojekt zu initiieren, um die
Südtiroler Bevölkerung zum Lesen anzuregen. Landesweit wurden Leseaktionen wie
Lesefeste auf Schlössern, Lesenächte, Lesen im Zug, lesende Dörfer… durchgeführt.
Appetit auf Lesen (2006)6
In der Broschüre „Appetit auf Lesen – 125 Ideen zum
Südtiroler Lesefrühling“ wurden verschiedene Ideen
gesammelt, um aufzuzeigen, wie das Lesen in Schulen,
Kindergärten, Bibliotheken, Jugendzentren, Gemeinden,
Seniorenheimen, Seniorenclubs, Buchhandlungen,
Bildungshäusern, Vereinen, Ämtern und Institutionen zum
Thema gemacht werden kann.
Der Südtiroler Lesefrühling (2007)7
Zehn Jahre nach dem erfolgreichen Südtiroler Lesejahr „Leseräume – Leseträume“
wurden landesweit Aktionen organisiert, um das Thema Lesen in seiner ganzen
Bandbreite zu beleuchten.
Im Frühling 2007 fand in Südtirol dieses große Leseprojekt mit über 600
Veranstaltungen statt, dessen Ziel es war, junge und alte Menschen zum Lesen zu
verlocken.
Der Südtiroler Lesefrühling hat gezeigt, dass das Lesen
in den Kindergärten, in den Schulen – ergänzt durch
außerschulische Leseangebote in den vielen öffentlichen
Bibliotheken des Landes –sowie andere Leseangebote
eine große Breitenwirkung erzielt hat.
Viele Veranstaltungen waren Gemeinschaftsprojekte
verschiedener Menschen aus unterschiedlichen
Bereichen. Dadurch entstanden neue Netzwerke, die sich
nicht nur auf Schule oder Bibliothek konzentrierten,
sondern den Blick nach außen öffneten – ganz nach dem
Motto: Lesen geht uns alle an – und dadurch eine
gemeinsame Lesehaltung erkennen ließ.
Bookstart (2007)8
Der Südtiroler Lesefrühling war gleichzeitig ein passender Anlass, das Projekt
„Bookstart“ auch in Südtirol umzusetzen. Nach intensiver Vorarbeit konnte „Bookstart
– Babys lieben Bücher“ der Öffentlichkeit vorgestellt werden.
Was steckt hinter dieser Initiative?
In Großbritannien startete 1992 die
Aktion Bookstart mit Buch-
geschenken an Familien und
wurde begleitend evaluiert. Es
zeigte sich, dass die Haltung zu
Büchern und zum Lesen in den
Bookstart-Familien verändert hatte.
Als diese Babys später die Schule besuchten, zeigten die Bookstart-Kinder bessere
Leistungen sowohl in der Lese- und Sprachentwicklung als auch in der
schreibtechnischen, mathematischen und sozialen Entwicklung.
Diese Erfahrungen überzeugten auch Südtirol. Alle Väter und Mütter von Babys, die
nach dem 1. Jänner 2007 in Südtirol geboren wurden, hatten nun die Möglichkeit, an
diesem Projekt teilzunehmen.
Diese Aktion wird heute noch von der Autonomen Provinz Bozen/Südtirol gefördert
und finanziell unterstützt. Das erste Buchpaket (zwei Bilderbücher, ein Leseleitfaden
und eine Broschüre mit Leseempfehlungen) erhalten die Familien, wenn das Baby
sechs Monate alt ist. Das zweite Buchpaket erreicht die Familie, wenn ihr Kind 18
Monate alt ist.
Das Projekt hat in Südtirol großen Anklang gefunden. Bereits im ersten Jahr (2007)
nahmen über 75% aller Familien mit einem Neugeborenen an der Aktion teil. Bisher
haben in Südtirol mehr als 30.000 Familien dieses kostenlose Projekt genutzt. Partner
dieses Projektes sind die Geburtsabteilungen der Krankenhäuser, die Bibliotheken, die
Mütterberatungsstellen, die Kinderarztpraxen, die Tagesmütter, die Kindertagesstätten
und Kinderhorte, die Eltern-Kind-Zentren und andere Einrichtungen.
Lernwelten.net (2008)9
In dieser Publikation geht es in erster Linie um die Vermittlung der
Lernkompetenz in der Schulbibliothek. Es wird aufgezeigt, wie die
Vermittlung der Lesekompetenz und der Umgang mit Medien der
multimedialen Schulbibliothek verknüpft werden kann, damit die
Schülerinnen und Schüler eigenverantwortliches Arbeiten und
Lernen zunehmend in die eigene Hand nehmen.
Gibt es einen besseren Ort in der Schule, Lesekompetenz zu
fördern, sich Informationen zu beschaffen, sie zu verarbeiten und
zu präsentieren, als die multimediale Schulbibliothek? Lesen und
Lernen gehören untrennbar zusammen, denn: Nur wer gut lesen kann, kann auch gut
lernen. Eine professionell betreute Schulbibliothek ist der ideale Ort zum Aufbau von
Lernkompetenzen. Die Schulbibliothek, verstanden als Lese-, Lern- und
Informationszentrum, kann ein geeigneter Raum für die Entwicklung verschiedenster
Kompetenzen sein. Mit dieser praxisorientierten Handreichung wird der Aufbau von
Lernkompetenz gefördert und unterstützt: Fachkompetenz, Methodenkompetenz
(Lese-, Informations-, Recherche-, Medienkompetenz), Sozialkompetenz (Team- und
Kommunikationskompetenz) sowie persönliche Kompetenz. Das vorliegende Werk ist
in sechs Bausteine gegliedert: mit zahlreichen Übungen können Schülerinnen und
Schüler Lernkompetenzen aufbauen und einüben. Für jeden Baustein steht nach einer
kurzen Einführung mit einer übersichtlichen Mindmap eine Anleitung zu den
verschiedenen Aufgabenstellungen mit dem jeweiligen Zeitbedarf zur Verfügung.
Besonders hilfreich sind die vielen Arbeits- und Informationsblätter, welche teils direkt,
teils nach einer Anpassung an die Situation der jeweiligen Schulbibliothek für den
Unterricht übernommen werden können. Die Bausteine sind entweder allen Fächern
oder einzelnen Fächerkombinationen wie Mathematik/Physik bzw. Biologie
zugeordnet, können aber problemlos auch für andere Fächer umgearbeitet werden. Baustein 1: Einführung in die multimediale Schulbibliothek (Buch, Aufbau der Bibliothek, OPAC,
Ausleihe, Einführung ins Internet…)
Baustein 2: Sensibilisierung für das Thema „Lernen“ (Lerntypen, Lernstrategien, Lernberatung…)
Baustein 3: Recherchieren in den Medien der multimedialen Schulbibliothek (Lexika, OPAC, Internet,
Suchmaschinen…)
Baustein 4: Arbeitstechniken (Lesetechniken, Markieren, Exzerpieren, Strukturieren…)
Baustein 5: Gestalten und Visualisieren (Symbole, Tabellen, Diagramme, Heftseiten, Folien,
Lernplakate…)
Baustein 6: Vortragen und Präsentieren (freies Vortragen, themenzentrierter Vortrag, Rhetorik…)
Rahmenrichtlinien (2009)10
Die Rahmenrichtlinien sind mit dem Schuljahr 2009/2010
erstmals in Kraft getreten. Seitdem ersetzen sie die Lehrpläne
der Grund- und Mittelschule und bilden den verbindlichen
Bezugsrahmen für die Erstellung des Curriculums der Schule im
Hinblick auf jedes einzelne Fach und die fächerübergreifenden
Lernbereiche.
Vor Inkrafttreten wurden diese Rahmenrichtlinien vier Jahre
flächendeckend erprobt und aufgrund der Rückmeldungen
laufend überarbeitet. An der Ausarbeitung haben sich zahlreiche
Lehrpersonen, Beraterinnen und Berater des damaligen
Pädagogischen Instituts (heutige Bezeichnung Bereich Innovation und Beratung),
Inspektorinnen und Inspektoren des Deutschen Schulamtes beteiligt.
Die Rahmenrichtlinien sind das Ergebnis eines dialogischen Erarbeitungsprozesses, in
den unterschiedliche Expertisen, Kompetenzen und Erfahrungen eingeflossen sind.
Auch der Landesschulrat sowie der Oberste Schulrat in Rom haben die
Rahmenrichtlinien positiv begutachtet. Die Richtlinien knüpfen an europäische und
internationale Entwicklungen an. Sie sind auf ein Lernen nach Kompetenzen
ausgerichtet und schaffen Kontinuität in der Bildungsarbeit von der Grund- bis zur
Mittelschule. Dabei spiegeln sie ein neues Verständnis von Lernen wider. Im
Mittelpunkt aller Bildungstätigkeiten stehen die Kinder und Jugendlichen in ihrer
Einzigartigkeit und in ihrer Beziehung zu anderen und zur Mitwelt. Die
Individualisierung und die Personalisierung des Lernens spielen in diesem
Zusammenhang eine bedeutsame Rolle.
Diese Rahmenrichtlinien ermöglichen einen kohärenten Bildungsweg von der ersten
Klasse der Grundschule bis zur dritten Klasse der Mittelschule. Sie legen Wert auf
Kontinuität zwischen den verschiedenen Bildungsstufen und schaffen Anknüpfbarkeit
zu den Rahmenrichtlinien des Kindergartens und jenen des Pflichtbienniums der
Oberschule.
Die autonomen Südtiroler Schulen haben die Aufgabe, auf der Grundlage dieser
verpflichtenden Vorgaben ihr pädagogisches Konzept und ihr Bildungsangebot
selbstverantwortlich durch die curriculare Planung zu erarbeiten und sicherzustellen,
dass alle Kinder und Jugendlichen in allen Ortschaften vergleichbare Bildungschancen
vorfinden.
Die Schulen erhalten durch die Rahmenrichtlinien einen Orientierungsrahmen, der
einerseits die zu erreichenden Bildungs- und Kompetenzziele vorgibt, andererseits
aber genügend Freiraum lässt für die Gestaltung eines Bildungsangebotes, das den
Bedürfnissen vor Ort gerecht wird. Dadurch wird sichergestellt, dass alle Kinder und
Jugendlichen im Sinne der Chancengerechtigkeit die grundlegenden Fähigkeiten
erwerben, die sie brauchen, um in einer immer komplexer werdenden Welt ihr Leben
eigenverantwortlich und erfolgreich zu gestalten und am sozialen, kulturellen und
gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.
Die Rahmenrichtlinien erfordern bei ihrer Umsetzung in die Praxis von den Schulen
ein hohes Maß an fachlicher und organisatorischer Professionalität: Aufgabe der
Schule ist es, durch die curriculare Planung die eigene Bildungsarbeit so zu gestalten
und Lernprozesse und Lernumgebungen zu schaffen, die es den Schülerinnen und
Schülern ermöglichen, auch auf individuellen Lernwegen die verbindlich vorgegebe-
nen Kompetenzziele zu erreichen.
Organisatorische Richtlinien
Gliederung der Unterstufe
Die achtjährige Unterstufe umfasst die fünfjährige Grundschule und die dreijährige
Mittelschule.
Sie gliedert sich in folgende didaktische Abschnitte:
Triennium: 1. Klasse, 2. Klasse und 3. Klasse
Biennium: 4. Klasse und 5. Klasse
Biennium: 1. Klasse und 2. Klasse Mittelschule
Monoennium: 3. Klasse Mittelschule
Die Einteilung in didaktische Abschnitte legt die Zeiträume fest, in denen die
Schülerinnen und Schüler die verbindlichen vorgegebenen Fertigkeiten und
Fähigkeiten, Haltungen und Kenntnisse erreichen. Innerhalb dieser didaktischen
Abschnitte hat die Schule die Möglichkeit, individuelle mehrjährige Lernprozesse bei
der curricularen Planung zu berücksichtigen.
Unterrichtszeit in der Unterstufe
Um die Wahrnehmung des Bildungsrechts und der Bildungspflicht zu gewährleisten,
fördern die Schulen im Rahmen ihrer Autonomie in Anwendung des Landesgesetzes
vom 29. Juni 2000 Nr. 12 und des Landesgesetzes vom 16. Juli 2008 Nr. 5 die
Individualisierung und die Personalisierung des Lernens der Schülerinnen und
Schüler.
Die Schulen definieren ein differenziertes und flexibles Curriculum mit dem Ziel,
Bildungswege zu verwirklichen, die den Bildungsbedürfnissen und Neigungen jeder
Schülerin und jedes Schülers entsprechen.
Gliederung des Curriculums
Die verpflichtende Unterrichtszeit umfasst die für alle Schülerinnen und Schüler
verbindliche Grundquote und die der Schule vorbehaltene Pflichtquote. Zusätzlich
haben die Schülerinnen und Schüler das Recht, Wahlangebote der Schule in
Anspruch zu nehmen.
Die Erstellung des Stundenplans und die zeitliche Verteilung der Unterrichtszeit
während des Schuljahres fallen in die organisatorische Autonomie der Schule. Die
Schule orientiert sich dabei an der Belastbarkeit, den Lernrhythmen und den
Arbeitsweisen der Schülerinnen und Schüler. Sie sorgt für eine ausgewogene
Verteilung der Unterrichtsstunden auf die Unterrichtswoche sowie auf Vormittage und
Nachmittage.
Zielsetzungen
Die verbindliche Grundquote hat die Erreichung der allgemeinen Bildungsziele und
den Erwerb der grundlegenden Kompetenzen durch die Schülerinnen und Schüler in
den einzelnen Fächern sowie in den fächerübergreifenden Lernbereichen zum Ziel.
Die der Schule vorbehaltene Pflichtquote dient der Vertiefung des verpflichtenden
curricularen Unterrichts, dem Aufholen von Lernrückständen, der Begabungs- und
Begabtenförderung und gewährleistet durch Wahlmöglichkeit für die Schülerinnen und
Schüler in besonderem Maße die Individualisierung und Personalisierung des
Lernens. Die Zielsetzungen der Pflichtquote der Schule können auch durch die
Bildung von Gruppen von Schülerinnen und Schülern aus verschiedenen Klassen
verwirklicht werden.
Der Wahlbereich trägt den Interessen, Neigungen und Bedürfnissen der Schülerinnen
und Schüler Rechnung und ergänzt das verpflichtende Unterrichtsangebot der Schule.
Unterrichtszeit in der Grundschule
Die verpflichtende Unterrichtszeit (verbindliche Grundquote und die der Schule
vorbehaltene Pflichtquote) umfasst ein Mindestjahresstundenkontingent von 850
Stunden in der ersten und von 918 Stunden in der zweiten bis zur fünften Klasse.
Unter Berücksichtigung der vorhandenen Ressourcen gewährleistet die Schule zudem
jeder Schülerin und jedem Schüler das Recht, im Wahlbereich Angebote im Ausmaß
von mindestens 34 bis maximal 102 Stunden in Anspruch zu nehmen.
Im Fach Deutsch sieht das Jahresstundenkontingent der verpflichtenden Grundquote
folgendermaßen aus:
Verbindliche
Grundquote
1.
Klasse
2.
Klasse
3.
Klasse
4.
Klasse
5.
Klasse
Fünfjahres-
stunden-
kontingent
Deutsch 204 170 170 136 136 816
Die Jahresunterrichtszeit der Schülerinnen und Schüler wird in Stunden zu 60 Minuten
berechnet, umfasst nicht die Pausen und gliedert sich nach dem geltenden
Schulkalender (derzeit 35 Schulwochen – ohne Ferienzeiten).
Möglichkeit von Verschiebungen der autonomen Schulen
Die Jahresstundenkontingente der einzelnen Fächer können innerhalb der fünf
Grundschuljahre als flexibel betrachtet werden, sodass Verschiebungen möglich sind.
Dabei ist zu gewährleisten, dass alle Fächer und fächerübergreifenden Lernbereiche
der fachlichen Richtlinien jährlich angeboten werden. Verbindlich sind das
Gesamtjahresstundenkontingent von 850 Stunden (für die 1. Klasse) und 915 Stunden
(für die zweite bis fünfte Klasse), sowie die Fünfjahresstundenkontingente der
einzelnen Fächer.
Zeitliche Ausmaße der Flexibilität der autonomen Schulen
Um curriculare Schwerpunktsetzungen, die Profilbildung der Schule und innovative
didaktische Vorhaben im Sprachenlernen zu realisieren, können die autonomen
Schulen die Jahresstundenkontingente der einzelnen Fächer und Tätigkeiten der
verpflichtenden Unterrichtszeit im Ausmaß von maximal 20 Prozent reduzieren.
Das Bildungsangebot der Schule muss so gestaltet sein, dass allen Schülerinnen und
Schülern das Erreichen aller Kompetenzen der fachlichen Richtlinien ermöglicht wird.
Schulcurriculum
Ausgehend von den Rahmenrichtlinien arbeitet jede Schule ein eigenes
Schulcurriculum aus, das sich unter anderem aus den einzelnen Fachcurricula
zusammensetzt.
In Anlehnung an das schulinterne Curriculum arbeitet der Klassenrat, der für die
Umsetzung verantwortlich ist, ein schülerbezogenes Curriculum aus. Dabei können
die Schülerinnen und Schüler ihre Begabungen im Unterricht einsetzen und
Lernschwache gezielt gefördert werden. Den Schülerinnen und Schülern sollen Wege
der Eigenverantwortung und Reflexion des eigenen Lernprozesses aufgezeigt werden.
Fachcurriculum – Didaktische Handreichungen11
Damit jede Schule ihre eigenen Fachcurricula erstellen kann, wurden für die einzelnen
Fächer „Didaktische Handreichungen“ ausgearbeitet, aus denen die Fachgruppen eine
Auswahl treffen können.
Südtirols Schulbibliotheken12
Die Rahmenrichtlinien für die Grund- und Mittelschule enthalten zahlreiche Hinweise
und Anknüpfungspunkte wie Südtirols Schulbibliotheken in den Lern- und
Unterrichtsprozess einbezogen werden können. Von besonderer Bedeutung ist in
diesem Zusammenhang, dass die Schulbibliothek im Schulprogramm verankert und
im didaktischen Gesamtkonzept der Schule integriert ist. Es folgt eine exemplarische
Auswahl zu den Fächern Deutsch, Italienisch, Geografie und Mathematik.
Deutsch: Umgang mit Texten/Lesen
1.Klasse Grundschule
Aufbau von Lesemotivation durch breites Buchangebot und andere Medien, häufiges
Vorlesen, Aufbau von Sinnerwartung, Nutzung der Bibliothek, freies Betrachten von
Büchern, Lesen zu zweit…
2. und 3. Klasse Grundschule
Ausbau der Lesemotivation durch vielfältigen Umgang mit Bilderbüchern,
Sachbüchern, erzählenden Büchern, Zeitschriften; freie Lesezeiten; Verbesserung der
Lesefertigkeit und Texterschließung…
4. und 5. Klasse Grundschule
Bibliothek als Lern- und Arbeitsraum: Orientierungshilfen im Buch- und
Medienangebot, Buchpräsentationen; Gestaltung von Leseerfahrungen mit
verschiedenen Ausdrucksmitteln; Informationsentnahme; das Markieren oder Notieren
wesentlicher Aussagen; Verarbeitung von Informationen…
1.und 2. Klasse Mittelschule
Eigene und unterschiedliche Lesebedürfnisse erkennen, Lektüre auswählen, sich
damit auseinandersetzen und Erfahrungen austauschen; die Bibliothek/Mediathek als
Ort des Lesens und Lernens nutzen, Zugang zu unterschiedlichen Texten finden;
verschiedene Lesetechniken und Lesestrategien beim stillen und lauten Lesen;
Strategien beim Erschließen von Texten (Visualisierung, Markieren, Randnotizen);
Erkundung der persönlichen Leseerfahrungen, Freude am Lesen…
3. Klasse Mittelschule
Altersgemäße Texte für die Erweiterung des eigenen Erfahrungshorizontes nutzen;
Strategien des stillen Lesens verfeinern. Belletristik und Sachbuch, Zeitschriften und
audiovisuelle Medien, Enzyklopädien und Internet als Quelle persönlicher
Bereicherung…
Italienisch:
Mittelschule
Beschreibende, erzählende, darlegende, normative Texte und Nachschlagewerke;
Lesestrategien, die dem Ziel und der Textsorte gerecht werden und auch Lesefreude
entwickeln; Informationen und Erklärungen in Sachtexten und Nachschlagewerken zu
Themen von persönlichem Interesse erfassen; beschreibende, erzählende,
darlegende, informierende (persönliche Mitteilungen, Notizen und Briefe…),
argumentative und normative Texte, Lexikonartikel und Webseiten…
Geografie
Mittelschule
Ein geografisches Thema und/oder ein Gebiet mit Hilfe verschiedener Instrumente
(Karten verschiedener Art, statistische Daten, Grafiken, Fotos, spezifische Texte,
Tageszeitungen und Periodika, Fernsehen, audiovisuelle Medien, Internet)
analysieren…
Mathematik
Grundschule
Daten aus verschiedenen Medien sammeln…
Mittelschule
Aus Sachtexten und anderen Darstellungen der Lebenswirklichkeit die relevanten
Informationen entnehmen. Überlegungen, Lösungswege bzw. Ergebnisse
dokumentieren, verständlich darstellen und präsentieren, auch unter Nutzung
geeigneter Medien…
Kompetenztests (2010)13
Im Mai 2010 beteiligten sich Südtirols Grundschulen erstmals flächendeckend an den
Vergleichsarbeiten (VerA 3). Die verpflichtende Teilnahme hatte der damalige
Landebeirat für Evaluation im September 2008 entschieden. Seitdem wird jedes Jahr
im Mai in den 3. Grundschulklassen dieser standarisierte Test, in Südtirol als
„Kompetenztests“ bekannt, durchgeführt. Im darauffolgenden Herbst werden, durch
die Evaluationsstelle für die deutsche Schule, die landesweiten Ergebnisse im
„Landesbericht Südtirol“ veröffentlicht und der Bildungswelt vorgestellt. Die Analyse
der Ergebnisse soll Impulse für die Verbesserung des Schulwesens bezwecken.
Diese Kompetenztests sind ein länderübergreifendes Projekt, an dem sich in
Deutschland alle Bundesländer, die deutschsprachige Gemeinde Belgiens und
Südtirol beteiligen. Die wissenschaftliche Projektleitung liegt bei IQB (Institut für
Qualitätsentwicklung im Bildungswesen) in Berlin. Die Datenauswertung übernimmt
die Universität Jena.
Die Teilbereiche die bei den Kompetenztests überprüft werden:
Lesen – mit Texten und Medien umgehen (wird jedes Jahr überprüft)
Der zweite Teilbereich wechselt jedes Jahr und wird aus folgenden ausgewählt:
Schreiben und Rechtschreiben
Sprache und Sprachgebrauch
Sprechen und Zuhören
Was zeigen uns die Ergebnisse im Einzelnen auf?
2010 - Grundschule:
Klassengröße: Der Einfluss der Klassengröße auf die Schülerleistungen ist ein
international viel diskutierter Aspekt, von dem neben didaktisch-organisatorischen
auch wirtschaftliche und politische Entscheidungen abhängen können. Es ist zunächst
festzustellen, dass es keineswegs geklärt ist, wie viele Schülerinnen und Schüler in
einer Klasse sind, wenn diese als groß bezeichnet wird. Das wird in jedem Bildungs-
system unterschiedlich betrachtet und hängt mit den rechtlichen Gegebenheiten der
Klassenbildung zusammen.
Die durchschnittliche Klassengröße von 11,51 in den deutschen Schulen in Südtirol ist
klein und wird durch die vielen kleinen Klassen in den Grundschulen mit
Abteilungsunterricht bestimmt, wobei diese häufig mit anderen Klassen zu
übergreifenden Verbänden zusammengefasst sind. Zwei Drittel der 347 beteiligten
Klassen haben eine Größe von 8 und 21 Schülerinnen und Schülern. Daraus folgt
nicht, dass in kleineren Klassen bessere Ergebnisse erzielt wurden.
Zu Hause gesprochene Sprache: Die Schülerinnen und Schüler wurden befragt,
welche Landessprache zu Hause gesprochen wird. Die Angaben wurden in Relationen
zu den in den Tests erreichten Punktezahlen gesetzt. Das Ergebnis dieser Analyse
kann Auskunft darüber geben, welchen Einfluss der sprachliche Hintergrund auf den
Erwerb von fachlichen Kompetenzen ausübt. Der überwiegende Teil der Schülerinnen
und Schüler der Grundschule spricht zu Hause Deutsch. Der Einfluss der zu Hause
gesprochenen Sprache ist am stärksten im Leseverständnis gegeben, wo der
Leistungsabfall der Schülerinnen und Schüler, die zu Hause nicht Deutsch bzw. noch
eine andere Sprache sprechen, gegenüber den ausschließlich Deutsch sprechenden
Schülerinnen und Schüler am deutlichsten ist.
Lesen: Im Jahr 2010 haben die Schülerinnen und Schüler der 3. Klasse 56% der
Aufgaben richtig gelöst. Deutlich bessere Ergebnisse erzielten sie damals im Bereich
der Rechtschreibung, dort lag der Durchschnitt bei 66%.
Es wurde sichtbar, dass die Mädchen insgesamt bessere Leistungen im
Leseverständnis als die Buben erbrachten. Bei den Buben ragten hingegen einzelne
Spitzenleistungen in auffälliger Anzahl hervor.
Es gab deutlich mehr Schulen, in denen die Gesamtleistung im Lesen bei den
Mädchen im Schnitt höher war, als bei den Buben.
(Hilpold, Franz und Hölzl, Bernhard: Kompetenztests 2010 – Landesbericht Südtirol)
2011 - Grundschule:
Unter den Schülerinnen und Schüler, die am Test teilnahmen, hatten 2,54% eine
diagnostizierte Lese- oder Rechtschreibschwäche. Sie erzielten deutlich niedrigere
Ergebnisse.
In der 3. Klasse Grundschule sind insgesamt nur sehr geringe Leistungsunterschiede
zwischen Schülerinnen und Schülern erkennbar. Zwar sind die Mädchen im Lesen und
im Schreiben besser und in Mathematik nicht ganz so gut wie die Buben, doch liegen
die Unterschiede im Dezimalbereich. In der Grundschule ergeben sich nur geringe
Unterschiede zwischen den Geschlechtern.
Lesen: In diesem Jahr lag die Höhe der richtig gelösten Aufgaben im Grundschul-
bereich bei 68%, das heißt deutlich höher als im Vorjahr.
(Hilpold, Franz und Hölzl, Bernhard: Kompetenztests 2011 – Landesbericht Südtirol)
2012 - Grundschule:
Beim Kompetenztest handelt es sich um eine Vollerhebung. Deshalb nehmen
grundsätzlich alle Schülerinnen und Schüler daran teil. Ausgenommen sind
Schülerinnen und Schüler, die nach dem Urteil der Lehrpersonen aufgrund von
Beeinträchtigungen nicht in der Lage sind, die Testaufgaben ohne Hilfe zu bewältigen.
Schülerinnen und Schüler mit Lese- und Rechtschreibschwächen, Rechenschwächen,
Aufmerksamkeitsdefiziten und anderen Teilleistungsstörungen nahmen am Test teil
und wurden bei der Berechnung des Klassen- wie auch des Landesdurchschnitts nicht
besonders berücksichtigt. Die Tests der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass die
Ergebnisse der Schülerinnen und Schüler mit Teilleistungsschwächen keinen
bemerkenswerten Einfluss auf den Gesamtdurchschnitt haben.
Lesen: Wiederum konnten 68,35% aller Schülerinnen und Schüler der dritten Klasse
Grundschule die Aufgaben richtig lösen. Das Ergebnis entsprach demselben des
Vorjahres. Auch in diesem Jahr wurde ersichtlich, dass die Mädchen im sprachlichen
Bereich bessere Ergebnisse erzielten, während die Buben im mathematischen
Bereich.
(Hölzl, Bernhard: Kompetenztest 2012 – Landesbericht Südtirol, Ergebnisse der
Grundschule)
2013 – Grundschule:
Aufgrund eines Personalwechsels an der Evaluationsstelle, welche für die Erstellung
des Landesberichtes verantwortlich ist, liegt im Landesbericht 2013 leider nur ein
Gesamtergebnis für Deutsch vor, die Leseergebnisse wurden nicht getrennt erhoben.
(Hölzl, Bernhard und Ortler, Udo: Kompetenztest 2013 – Landesbericht Südtirol,
Ergebnisse der Grundschulen und Mittelschulen)
2014 – Grundschule:
Auch der Landesbericht 2014 ist nur in einer schmalen Form und in einer sehr
allgemeinen Ausführung erschienen.
Lesen: Der Durchschnitt der richtig gelösten Aufgaben lag bei den Schülerinnen und
Schülern der dritten Klasse Grundschule in diesem Jahr bei 64,81%. Es ist ein leichter
Rückgang erkennbar.
(Ortler, Udo: Kompetenztest 2014 – Landesbericht Südtirol, Ergebnisse der
Grundschulen und Mittelschulen)
2015 – Grundschule:
Auch in diesem Jahr wurde kein sehr ausführlicher Landesbericht erstellt.
Lesen: Dieses Jahr wurde der durchschnittliche Anteil der richtig gelösten Aufgaben
im Lesebereich wieder erhoben, er liegt bei 70%.
(Kompetenztests – Landesbericht Südtirol 2015, VerA 3 für die Grundschule, VerA 6
für die Mittelschule)
Leseförderung an den deutschen Schulen Südtirols (seit 2011)
An Südtirols Schulen wird im Bereich der Leseförderung viel unternommen. Lange Zeit
wurde der Schwerpunkt auf die Lesemotivation gelegt. Allerdings wurde in Südtirol
festgestellt, dass etlichen Schülerinnen und Schülern noch die nötigen
Voraussetzungen fehlen, um genau, schnell und Sinn erfassend zu lesen.
Deshalb organisiert der Bereich Innovation und Beratung seit Mai 2011 jährlich die
Kursfolge „Leseförderung leseschwacher Schülerinnen und Schüler“. Interessierte
Lehrpersonen der Grund- und Mittelschule lernen in dieser zweijährigen Ausbildung
Diagnoseverfahren (in pädagogischer Sicht) kennen, erarbeiten Fördermaßnahmen
und führen Lesetrainings durch, um Lesefertigkeiten, Lesegeläufigkeit und
Lesestrategien bei Schülerinnen und Schülern auszubauen. Die Lehrpersonen werden
dazu befähigt, Beratung und Begleitung für Kolleginnen und Kollegen und für
betroffene Schülereltern zu übernehmen und Fördermaßnahmen auf Sprengelebene
anzubieten. Bisher wurden 99 Lesetrainerinnen und Lesetrainer ausgebildet. Die 4.
Gruppe schließt im November 2016 ab.
Im August 2016 wurde mit der 5. Auflage dieser Kursfolge gestartet. Auch dieses Mal
war die Anzahl der Interessierten sehr groß, sodass wiederum über 40 Lehrpersonen
auf die Warteliste gesetzt werden mussten.
Südtirol investiert in die Leseerziehung (seit 2012)
Die Ergebnisse der Kompetenztests in der Grund- und Mittelschule, die Invalisi-Tests
am Ende der 3. Klasse Mittelschule (Staatsabschlussprüfung) und die Pisa-Tests
zeigten auf, dass in Südtirol 16% aller Schülerinnen und Schülern am Ende der
Pflichtschulzeit nicht Kompetenzstufe 2 erreichen. Um dem entgegenzuwirken und die
Zahl der leseschwachen Schülerinnen und Schüler zu reduzieren, setzte Südtirol im
Schuljahr 2012/13 erste Maßnahmen. In jenem Jahr wurde erstmals das Schweizer
Trainingsprogramm „Lesen. Das Training“ an 2.000 Schülerinnen und Schülern von
der 1. Klasse bis zur 8. Klasse erprobt.
Die Rückmeldungen der Lehrpersonen, welche sich bereit erklärt hatten, diese
Materialien konsequent im Unterricht einzusetzen, waren positiv und überzeugend.
Seit dem Schuljahr 2013/14 arbeiten nun in Südtirol jährlich ungefähr 3.500 - 3.800
Schülerinnen und Schüler der 2. Klasse Grundschule mit dem Trainingsprogramm
„Lesen. Das Training“. Um den Einsatz dieser Materialien zu ermöglichen, werden die
deutschsprachigen Schulen Südtirols beim Ankauf dieser Trainingshefte vom Bereich
Innovation und Beratung und dem Amt für Schulfürsorge finanziell unterstützt.
Ein gezieltes Lesetraining ist erforderlich (seit 2012)
Es ist wichtig, dass die Schule den Leselernprozess der Kinder von Anfang an
fachgerecht und unterstützend begleitet. Die Lesefertigkeiten müssen trainiert und
gefestigt werden.
Das schnelle Erfassen und Verstehen von Zeichen und Buchstaben, Wörtern und
Sätzen sowie die Verknüpfung von Satzfolgen fällt in den Bereich der Lesefertigkeiten.
Je besser ein Kind die Lesetechnik beherrscht, desto automatischer verläuft das Erlesen
von Texten und es kann sich besser auf den Inhalt eines Textes konzentrieren.
Je flüssiger ein Kind einen Text liest, umso schneller kann es sich durch einen Text
hindurch arbeiten, wobei auf das Sinnverständnis geachtet werden muss. Dies
bezeichnet man als Leseflüssigkeit, bekannt auch unter dem Begriff „Fluency“.
Allmählich entwickelt das Kind Arbeitsroutinen, so genannte Lesestrategien, wie es an
Texte herantritt und mit diesen umgeht. Je älter ein Kind wird, desto anspruchsvoller
werden auch die Texte und desto genauere Techniken benötigt es.
Wer sich um Leseförderung bemüht, darf das Gut-Lesen nicht außer Acht lassen und
nicht nur einseitig Akzente im Bereich der Lesemotivation setzen. Seit den 90er Jahren
des 20. Jahrhunderts sind Konzepte zur Leseanimation sehr populär. Auch bei uns in
Südtirol hat dieser Bereich in den letzten Jahren einen großen Stellenwert
eingenommen. Der offene, interessensgeleitete Vielleser-Unterricht rückte jahrelang in
den Mittelpunkt der Leseförderung. Doch es ist zu wenig, wenn Schülerinnen und
Schüler einzig und alleine durch tolle Projekte wie Lesenächte, Lesewettbewerbe oder
Autorenbegegnungen zum Lesen motiviert werden. Es muss gleichzeitig eine stabile
Lesehaltung aufgebaut werden. Zu lange stand die Förderung der Lesemotivation im
Vordergrund und wurde mit Leseförderung gleichgesetzt. Doch gezielte Leseförderung
ist weit mehr. Der Fokus muss nach dem abgeschlossenen Lese- und Schreiblehrgang
durch strukturierte Fertigkeitsübungen vermehrt auf das Lesenkönnen der Kinder
liegen. Nach einem gelungenen Schriftspracherwerb ist die Entwicklung der
Lesekompetenz keineswegs abgeschlossen. Je mehr ein Kind liest, desto besser
entwickelt es seine Lesetechnik. Tägliches Training ist notwendig und muss schon bei
den Kleinen ansetzen. Das korrekte Erlernen der Lesefertigkeiten ist erforderlich, denn
sie bilden die Basis der späteren Lesekompetenzen. Leseschwache Kinder meiden das
Lesen, wenn es mit großem Aufwand verbunden ist.
Lesen. Das Training14
Vielen Schülerinnen und Schülern fehlen trotz eines abgeschlossenen Leselehrgangs
oft noch die Voraussetzungen, um Texte genau, angemessen schnell und Sinn
verstehend lesen zu können. „Lesen. Das Training“ fördert systematisch und gezielt
Lesefertigkeiten, Lesegeläufigkeit und Lesestrategien.
Mit „Lesen. Das Training“ werden die Teilbereiche des Lesens eingeübt, die nötig sind,
um sowohl verstehend als auch mit Genuss lesen zu können. Es kann im regulären
Klassenunterricht eingesetzt werden, eignet sich aber auch für individualisierenden
(Einzel-)Förderunterricht. Das Trainingsprogramm richtet sich an die Schülerinnen und
Schüler der 2. Klasse Grundschule und wird in der 3. Klasse fortgeführt. Es wurde
vom Zentrum Lesen unter der Mitwirkung von Prof. Gerd Kruse der Pädagogischen
Hochschule – Fachhochschule NW-Schweiz entwickelt und beinhaltet
- strukturierte Fertigkeitsübungen, um das Lesenkönnen der Kinder (nach dem
Lese- und Schreiblehrgang) zu festigen,
- automatisiertes, genaues und flüssiges Lesens durch wiederholte Leseübungen
am gleichen Text,
- einen problemlösenden und sinnkonstruierenden Umgang mit Texten.
In erster Linie richtet es sich an leseschwache
Schülerinnen und Schüler, wird aber auch von
guten Leserinnen und Lesern gerne ausgeführt.
Das Trainingsprogramm umfasst vier Schülerhefte.
Das grüne Heft (Trainingsteil 1 – Lesefertigkeiten)
beinhaltet Übungen zum schnellen Erkennen von
Buchstaben, Wörtern und Sätzen und Übungen
zum Verstehen von kurzen Texten.
Die beiden blauen Hefte (Trainingsteil 2 –
Lesegeläufigkeit) gelten als Brücke zwischen
Lesetraining und Lesestrategie und befassen sich
mit dem flüssigen, deutlichen und genauen Lesen
in einem angemessenen Tempo. In diesem
Trainingsteil arbeiten die Kinder zu zweit in so genannten Lesetandems. Bevor mit
dem eigentlichen Vorlesen begonnen wird, lesen beide gemeinsam laut die Wörter der
Vorübung. Der Sinn dieses Chorlesens liegt darin, dass die Kinder lesen und
gleichzeitig die Wörter hören. Erst dann beginnt das laute Vorlesen des eigentlichen
Textes. Im Protokollheft werden die Lesefehler festgehalten. Gleichzeitig wird die
Lesezeit gestoppt. Es geht nicht um schnelles Lesen, sondern so nahe wie möglich an
die vorgegebene Richtzeit zu gelangen, denn flüssiges Lesen heißt genaues Lesen.
Im orangen Heft werden Lesestrategien erklärt und eingeübt. Damit wird erst in der 3.
Klasse begonnen. Hier erlernt das Kind die ersten vier wichtigsten Strategien, um
Texte besser zu verstehen.
Büchermärz (2013)15
Im Büchermärz 2013 drehte sich alles ums Vorlesen. Bibliotheken, Kindergärten,
Schulen, Buchhandlungen und alle Interessierten waren eingeladen, Initiativen zum
Vorlesen zu planen und durchzuführen, z.B. Vorlesestunden in Bibliotheken,
Vorlesepatenschaften, Vorleseolympiaden, Vorlesegeschenke der Schülerinnen und
Schüler in Altersheimen, auf öffentlichen Plätzen oder an ungewohnten Orten.
Für die Veranstaltungen im Büchermärz gab es einen eigenen Online-Kalender, in
dem die Bibliotheken, Kindergärten, Schulen, Buchhandlungen, Verlage, Museen usw.
ihre geplanten Veranstaltungen eintragen konnten.
Neben den traditionellen und überaus beliebten
Vorlesestunden in Schulen und Bibliotheken hatten auch
unkonventionelle „Vorleseereignisse“ an überraschenden
Örtlichkeiten stattgefunden. Aber auch im privaten Raum
sollte das Vorlesen intensiviert werden – ohne weiteres
ließe sich eine Geburtstagsfeier zur Vorlesefeier
aufwerten.
Alle Vorleserinnen und Vorleser – Kinder und
Erwachsene, Mütter, Väter, Tanten, Onkels,
Geschwister, Bibliothekarinnen und Bibliothekare, alle die
vorlasen – konnten an einem Gewinnspiel teilnehmen
und tolle Preise gewinnen, wenn sie ihre Vorleseaktion
auf der genannten Webseite beim Gewinnspiel
angemeldet hatten.
Der Aufruf zum Vorlesen durch die Aktion Büchermärz war ein Riesenerfolg. Mehr als
400 Veranstaltungen haben in der Zeit vom 1. bis 31. März 2013 in ganz Südtirol
stattgefunden.
Dabei waren der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Schon die Orte, an denen Vorlese-
Aktionen stattgefunden haben, waren sehr originell: in Burgen und in Schlössern, in
einem Kloster, in einem Forstgarten, im ganzen Dorf, in der Kinderstation eines
Krankenhauses, an den Dorfbrunnen und auf den Parkbänken, in Museen,
Altersheimen und Buchhandlungen und nicht zuletzt in Bibliotheken, Schulen,
Kindergärten und Eltern-Kind-Zentren in ganz Südtirol. Auch inhaltlich gab es eine
Vielfalt, die ihresgleichen suchte: es gab Lesefrühstücke und Lesematinees,
Lesecafés, kulinarische Lesereisen, Lesenächte, Lesekinos und Lesetheater,
Vorlesekränzchen, einen Büchermarathon, mehrere Bücherrallyes und eine bärige
Lesewanderung. Schülerinnen und Schüler, haben ihre kreativ gestalteten
Schriftstücke vorgelesen und an Passanten verschenkt, außerdem gab es eine „For-
Boys-Only-Veranstaltung“ und „Gitschngschichtn im März“. Neben Autorinnen und
Autoren, professionellen Vorleserinnen und Vorlesern, Mamis, Papis, Omas und Opas
haben auch Bürgermeister und Väter vorgelesen und VIPs wie Denise Karbon und
Norbert Rier.
Das Organisatorenteam des Büchermärz, das LeseForum Südtirol (Amt für
Bibliotheken und Lesen, Bereich Innovation und Beratung, Jukibuz im Südtiroler
Kulturinstitut und die Drehscheibe) freuten sich über die große Beteiligung. Mit dieser
Aktion war es gelungen, das Vorlesen neu zu beleben, viel Aufmerksamkeit darauf zu
lenken und zu veranschaulichen, dass Vorlesen und die Beschäftigung mit Büchern
für alle Bevölkerungsschichten von großer Bedeutung ist.
Mit dem Büchermärz hat sich Südtirol am Vorlesejahr „Reading Aloud – Reading
Together“ beteiligt. Diese Aktion wurde vom europäischen Netzwerk für
Leseförderung EU READ ins Leben gerufen.
Literaturverzeichnis: 1 Leseräume-Leseträume (1998)
https://www.blikk.it/forum/lly.php?bn=leseblikk_books&mode=mlb_a&lang=de&key=1282564391 2 Lese-Rezepte (1999)
https://www.blikk.it/forum/lly.php?bn=leseblikk_books&mode=mlb_a&lang=de&key=1282563884 3 Kinder machen Bücher (2004)
https://www.blikk.it/forum/lly.php?bn=leseblikk_books&mode=mlb_a&lang=de&key=1282556736 4 Lesen und Lernen in der Schulbibliothek (2004)
https://www.blikk.it/forum/lly.php?bn=leseblikk_books&mode=mlb_a&lang=de&key=1282719860 5 Netzwerk Schulbibliothek (2006)
https://www.blikk.it/forum/lly.php?bn=leseblikk_books&mode=mlb_a&lang=de&key=1282555928 6 Appetit auf Lesen (2006)
https://www.blikk.it/forum/lly.php?bn=leseblikk_books&mode=mlb_a&lang=de&key=1282556228 7 Der Südtiroler Lesefrühling (2007)
https://www.blikk.it/forum/lly.php?bn=leseblikk_books&mode=mlb_a&lang=de&key=1282556228 8 Bookstart (2007)
http://www.provinz.bz.it/familie-soziales-gemeinschaft/familie/bookstart.asp 9 Lernwelten.net (2008)
https://www.blikk.it/forum/lly.php?bn=leseblikk_books&mode=mlb_a&lang=de&key=1282557035 10 Rahmenrichtlinien (2009)
http://www.bildung.suedtirol.it/files/4313/7706/6525/druckfassung_rahmenrichtlinien_gs-ms-dt09.pdf 11 Didaktische Handreichungen
http://www.schule.suedtirol.it/lasis/handreichung/deutsch.htm 12 Südtirols Schulbibliotheken
www.schule.suedtirol.it/blikk/angebote/schulegestalten/se_suedtirol/ses9005.htm 13 Kompetenztests
http://www.provinz.bz.it/evaluationsstelle-deutschsprachiges-bildungssystem/kompetenztest.asp 14 Lesen. Das Training
http://www.vpmonline.de/index.php/lesetraining_GS/rubrik/lesetraining_GS 15 Büchermärz 2013
http://www.biblio.at/blog/?p=581
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