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Bildungsbereich 2.6 Künstlerisch-ästhetische Bildung Stand: 14.10.2013
Autorin: Prof. Dr. Ulrike Stutz
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2.6 Künstlerisch-ästhetische Bildung
Präambel
Was verstehen wir unter künstlerisch-ästhetischer Bildung und warum ist sie
relevant?
Erfahrungen von Welt sind grundsätzlich ästhetisch1. Sie basieren auf unterschiedlichen 5
Wahrnehmungsprozessen wie Sehen, Tasten, Hören, Riechen, Schmecken und die
Empfindung der Bewegung des eigenen Körpers. Aber auch die Konstruktionen von Welt
besitzen, z.B. in Form innerer Bilder,
Klänge oder Stimmen, eine ästhetische
Dimension. Folglich sollte sich eine 10
erfahrungsbasierte Bildung von Kindern
und Jugendlichen mit dem Ziel der
"Verknüpfung von Ich und Welt" (siehe
Kapitel 1) sowohl auf kognitive als auch auf
ästhetische Prozesse beziehen. 15
Kunst stellt eine besondere Form des
ästhetischen Ausdrucks dar und verändert
sich mit dem Wandel der Zeit. Ihre ursprünglichen Bedeutungen können im Bereich des
Rituals, sowie der Vergewisserung des eigenen Selbst erkannt werden. Darauf weisen
prähistorische Höhlenmalereien hin, zu denen Jagdszenen, aber auch die ersten 20
Handabdrücke in der nordspanischen Höhle El Castillo zählen. Aufgrund ihrer
Wandlungsfähigkeit gibt Kunst Auskunft über die jeweilige Zeit, ihre Welt, Gesellschafts- und
Menschenbilder. Gleichzeitig ist sie in der Vermittlung von Idealen und Konventionen daran
beteiligt, zeittypische Darstellungs- und Wahrnehmungsformen zu prägen.
Traditionell werden Bildende Kunst (Malerei, Bildhauerei, Architektur, Zeichnung und Grafik), 25
Darstellende Kunst (Theater und Tanz), Musik und Literatur voneinander unterschieden. Im
heutigen Kunstverständnis werden Ausdrucksformen dieser Gattungen oftmals
zusammengeführt. Beispiele dafür sind die Performance-Kunst, die Rauminstallation und die
Medienkunst.
1 Alle kursiv gesetzten Begriffe werden in Kastentexten erläutert.
Ästhetisch
Der Begriff "ästhetisch" wird hier verwendet im Sinne von griech. "aisthesis", also "die sinnliche Wahrnehmung betreffend". Der Philosoph Alexander Gottlieb Baumgarten (1714-1762) formulierte eine ästhetische Theorie ("Aesthetica"), die er als Alternative zu einer Philosophie verstand, die vorrangig auf dem Logisch-Begrifflichen beruht. Ästhetik in diesem Sinne meint eine Form von Erkenntnis auf der Basis eines sinnlichen Weltzugangs. Hieran knüpft der gegenwärtige Philosoph Wolfgang Welsch an, der mit dem "Ästhetischen Denken" eine ebenfalls für die künstlerisch-ästhetische Bildung anwendbare Theorie formuliert.
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Künstlerisch-ästhetische Bildung kann sich somit auf unterschiedliche ästhetische und auch
körperlich-inszenierende performative Ausdrucksformen sowie auf die Gestaltung sozialer
Prozesse beziehen.
Das Hineinwachsen in die Gesellschaft und die Ausbildung der Persönlichkeit im Austausch
mit der Umwelt wird nicht nur durch soziale Beziehungen, sondern auch durch Bilder, 35
Architektur, Klänge und Objekte geprägt. Dabei wird der Geschmack einer Person auch von
Milieu- und Geschlechtszugehörigkeit sowie vom kulturellen Hintergrund beeinflusst. Dem
Einzelnen wird ermöglicht, sich die biografische Bedeutsamkeit dieser gestalteten Umwelt zu
vergegenwärtigen, eigene ästhetische Vorlieben und Interessen anderen mitzuteilen, diese
aber auch zu verändern. Eine Voraussetzung hierfür ist, dass unterschiedliche 40
Ausdrucksformen einbezogen und respektiert werden und sie also lebensweltbezogen ist. In
einer von Globalisierung und Migration geprägten Welt bedeutet das auch, nicht nur
monokulturell europäische, sondern vielfältige Bildwelten einzubeziehen.
Wesentlich hierfür ist zum einen die Möglichkeit, sich selbst als Individuum zum Ausdruck zu
bringen, und zum anderen sich in der aktiven Auseinandersetzung mit dem Fremden zu 45
konfrontieren. Hierzu schafft die Begegnung mit Kunst besondere Bedingungen. So können
Erfahrungen gemacht werden mit Darstellungen aus unterschiedlichen Zeiten und Kulturen
Performance Kunst Die Performance Kunst (engl. Performance Art) ist eine Kunstform, die mit Handlungen entsteht. Damit befindet sie sich an der Schnittstelle zu den darstellenden Künsten wie dem Theater, der Oper und dem Tanz. Eine Performance erfolgt als Live-Aufführung, so dass die Betrachtenden indirekt durch ihre Anwesenheit die jeweilige Aufführung beeinflussen. Der Performance liegt kein genauer Ablaufplan zugrunde, da sie auf Improvisation basiert, die im Rahmen einer zeitlich und räumlich strukturierenden Choreographie stattfindet. Performances werden oft auch mit Medien, z.B. mit Foto, Film und Video, dokumentiert, und können so in einer medialen Umsetzung auch nach der Livepräsentation betrachtet werden. Rauminstallation Mit der Rauminstallation wandelt sich die Skulptur von einer geschlossenen Form zu einem begehbaren Arrangement. In diesem sind Objekte so angeordnet, dass sie einen Bezug zum umgebenden Raum aufnehmen und teilweise auch dessen Form oder Geschichte aufgreifen. Die Betrachtenden werden bei dieser Form der Kunsterfahrung stärker physisch einbezogen und statt ein Werk distanziert zu betrachten, werden sie durch ihre Präsenz zum Teil der künstlerischen Arbeit. Medienkunst Bezeichnet künstlerische Arbeiten, die in der Regel mit elektronischen und oft digitalen Medien produziert werden. Der Begriff "Medienkunst" basiert aber nicht nur auf dieser eher eingeschränkten Verwendung des Begriffs "Medien". Er bezieht sich auch auf die kritische Auseinandersetzung mit der Wirkung, die mit diesen künstlerischen Arbeiten inhaltlich stattfindet. Indem Medienformate, wie TV-Sendungen, Websites, Videoclips und Computerspiele, aufgegriffen werden, werden ihre Inhalte und gesellschaftlichen Bedeutungen reflektiert. Der Begriff Medienkunst kann somit auch zur Anwendung kommen, wenn die künstlerische Arbeit nicht mit elektronischen Medien erstellt wurde, sie sich aber thematisch mit Medien und der Medialisierung unserer Welt auseinandersetzt.
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sowie mit ungewöhnlichen und neuen Ausdrucksformen, die in Bezug zu eigenen
Perspektiven auf die Welt gesetzt werden. Die Beschäftigung mit Kunst motiviert auch, in
kreativen und experimentellen Prozessen neue Darstellungsformen zu finden und durch 50
deren Anwendung an der Hervorbringung von Kultur selbst teil zu haben. Um diese
kulturellen Prozesse zu begünstigen ist es notwendig, Kindern und Jugendlichen
entsprechende Räume für ästhetische Erfahrungen, künstlerische Praxis und für die
Begegnung mit Kunst zur Verfügung zu stellen. Künstlerisch-ästhetische Bildung besitzt
somit auch eine sozialräumliche Dimension. 55
In der künstlerisch-ästhetische Bildung wird die Entwicklung von Selbst- und Weltbezügen
primär auf der Ebene sinnenbasierter Erfahrungen angeregt. So findet eine Stärkung des
Einzelnen durch eine Unterstützung des individuellen Ausdrucks der Kinder und
Jugendlichen und durch dessen Erweiterung statt. Die gemeinsame Reflexion ästhetischer
Produkte, wie Bilder, Assemblagen, 60
Skulpturen, Fotografien oder Videos,
durch Präsentationen und
Ausstellungen, unterstützt gleichzeitig
die Ausbildung einer reflexiven
Persönlichkeit und hiermit auch die 65
Entwicklung sozialer Kompetenzen.
Gefördert wird dies auch durch
gemeinschaftliche Arbeitsformen.
Grundsätzlich können sich die beteiligten Kinder und Jugendlichen in der künstlerisch-
ästhetischen Bildung als Personen erfahren, die in der Welt durch ästhetische und auch 70
körperliche, performativ-inszenierende Ausdruckformen in Erscheinung treten und die ihre
Umwelt zunächst auf der Basis des Sichtbaren einordnen und verstehen. Wesentlich für die
künstlerisch-ästhetische Bildung ist demnach das Wissen darum, dass die soziale Welt im
Wechselverhältnis von Wahrgenommen-Werden und Wahrnehmen entsteht. Auch
ästhetische Phänomene, wie z.B. Stadtraum- und Gebäudegestaltung, sowie das Sich-75
Selbst-Sichtbarmachen unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen, z.B. auf Plakaten, in der
Kunst und in den Medien, ist bedeutungsvoll für soziale Prozesse.
Dabei ist die Konzentration auf das sinnlich Wahrnehmbare ebenso wichtig, wie die
inhaltliche Auseinandersetzung. So werden ästhetische und praktische Zugänge zu Themen
und Fragestellungen geschaffen, die gerade Kindern und Jugendlichen oft zugänglicher sind, 80
als rein theoretische.
Assemblage Die Assemblage (frz. Zusammenfügung) stellt ein Kunstwerk dar, das sich zwischen Bild und Plastik verorten lässt. Dabei weist sie in der Regel die Form eines Reliefs auf und entspricht zugleich einer erweiterten Collage. So werden bei der Assemblage unterschiedliche dreidimensionale Gegenstände, wie z.B. Knöpfe, Teller, Holzstücke, Besteck, unverändert zusammengefügt und auf einer Grundplatte montiert. Durch die Verwendung von Alltagsgegenständen wird außerdem eine Verbindung von Kunst und Alltag geschaffen und damit ein wichtiges Motiv der modernen Kunst aufgegriffen.
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Ziel dabei ist, das sog. implizite Wissen, das dem Bewusstsein unzugänglich und
handlungsbezogen ist, mit dem bewussten, abrufbaren, theoriebezogenen, dem sog.
expliziten Wissen, zu verzahnen und somit ein sinnenbasiertes Wissen anzuregen.
Insbesondere die Kunst bietet für die Entwicklung dieses Wissens ein geeignetes 85
Erfahrungsfeld, da hier inhaltliche Fragen basierend auf ästhetischen Prozessen bearbeitet
werden.
Einzubeziehen sind in der künstlerisch-ästhetischen Bildung unterschiedliche Kunstformen
wie Malerei, Skulptur, Installation, Performance, Medienkunst, Aktions- und Konzeptkunst.
Daher kommen in der Auseinandersetzung mit Kunst sehr unterschiedliche Arbeitsformen 90
und Strategien zum Einsatz. Hierzu gehören auch körper- und sozialraumbezogene
Praxisformen wie theatrale Inszenierungen, Flashmobs und Sit-ins. Zudem können eigene
kreative Produktionen im Zusammenspiel mit Kunstrezeption stattfinden. So können Kinder
und Jugendliche kunstnahe Strategien in ihren eigenen Arbeiten anwenden und diese mit
Werken bildender Künstlerinnen und Künstler in Bezug setzen. Gerade diese Verzahnung 95
ermöglicht eine handlungsorientierte Annäherung an Kunst. Durch ihre Erfahrungs- und
Aktionskunst Die Aktionskunst kann der bildenden Kunst zugerechnet werden, allerdings wird sie durch Handlungen – Aktionen – vor einem Publikum vollzogen und überschreitet somit einen werkbezogenen Kunstbegriff. Hierbei können Objekte und räumliche Arrangements – "Environments" – entstehen, die Spuren der stattgefundenen Aktion bilden. Die Aktionskunst ist seit den 1960er Jahren in der Kunstszene präsent. Mit ihr wird allerdings auf ältere künstlerische Ausdrucksweisen zurückgegriffen, wie auf die z.T. provozierenden Ausdrucksformen der in den 1930er entwickelten Dada-Bewegung, mit der bewusst bürgerliche Konventionen übertreten wurden. Die Aktionskunst weist somit einen kritischen und grenzüberschreitenden Charakter auf. Konzeptkunst Wesentliches Element der Konzeptkunst (engl. Concept art) bildet die gedankliche Überlegung – das Konzept -, das der künstlerischen Arbeit zugrunde liegt und nicht ein fertig gestelltes Werk. Konzeptuelle Kunstwerke können unterschiedliche Gestalt annehmen, wie z.B. Varianten einer gleichbleibenden geometrischen Form oder fotografische Dokumentationen ein und desselben Ortes zu unterschiedlichen Zeiten. Andere Formen der Konzeptkunst können mit der Durchführung von geplanten Aktionen oder mit der Anfertigung von tagebuchartigen Notizen und Skizzen zu einem Thema realisiert werden. Weitere wichtige Bestandteile eines konzeptuellen Kunstwerks sind ihre – u.a. gesellschaftlichen, historischen, sozialen – Kontexte sowie die Betrachtenden. Letztere setzen durch ihre eigenen Assoziationen und Gedanken, die künstlerische Arbeit gedanklich fort.
Flashmob Flashmobs sind kurze, scheinbar zufällige Menschenansammlungen an öffentlichen Orten, die aber verdeckt geplant werden. Die Teilnehmer kennen und verabreden sich via Internet und streben ein kurzes unterhaltsames Event an. Während des Treffens führen sie eine kollektive Handlung aus, z.B. eine Kissenschlacht, plötzliches Erstarren, gemeinsames Wiederholen einer Silbe. Die Reaktionen nichteingeweihter Anwesender sind Teil der Aktion. Daher werden stets öffentliche, gut besuchte Orte ausgewählt. Der Flashmob besitzt durch seine Ereignishaftigkeit einen performativen Charakter und weist durch Improvisation, Spiel und eine fehlende Funktion der Handlung eine starke Nähe zu künstlerischen Aktionen auf, auch wenn er nicht von professionellen Künstler/innen initiiert wird.
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Subjektbezogenheit kann sie von den Beteiligten als für sie bedeutsam erfahren werden.
Des Weiteren findet eine Vermittlung von kunstgeschichtlichem und kunsttheoretischem
Wissen statt, die nachhaltig ist.
Möglich ist dies durch die Anwendung künstlerischer Strategien, wie die Verfremdung, das 100
Materialexperiment, die ästhetische Alltagserforschung etc.. Wesentlich ist es aber auch,
Ausdrucksformen der Kinder- und Jugendkultur zu ermöglichen, die durchaus Affinitäten zu
künstlerischen Bildsprachen aufweisen. Kunst kann besonders durch die Verbindung mit
eigenen ästhetischen Produktionen und Artikulationsweisen als eine Ressource erfahren
werden, die auch für eigene Darstellungsabsichten nutzbar ist. Das Eigene kann soin den 105
Kontext kultureller Ausdrucksweisen gestellt, das Individuelle mit dem Gesellschaftlichen
verknüpft werden. Kunst besitzt dann keinen ausschließenden – exklusiven - sondern einen
inklusiven Charakter und fördert die Teilhabe an gesellschaftlichen und kulturellen
Prozessen.
Welche zentralen Schwerpunkte und Bildungsaufgaben gibt es im Bildungsbereich? 110
Künstlerisch-ästhetische Bildung dient der Förderung der ästhetischen Ausdrucks- und
Wahrnehmungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen sowie ihrer Sensibilität gegenüber
ästhetischen und künstlerischen Ausdrucksformen. Damit werden sie in der Entwicklung
ihres kommunikativen Vermögens, ihrer Identitätsbildung und ihrer gesellschaftliche
Partizipation unterstützt. 115
Dies soll durch künstlerisch-ästhetische Produktion, Kunstrezeption,
Wahrnehmungsübungen und die
Wissensvermittlung über Kunst
ermöglicht werden.
Der Auseinandersetzung mit 120
Gegenwartskunst kommt eine
besondere Bedeutung zu, da sie in der
Auseinandersetzung mit aktuellen
Fragen, und vor dem Hintergrund
gegenwärtiger Ereignisse, entwickelt wird. 125
Außerdem arbeitet diese Kunst mit Verfahren der Verfremdung, der Irritation und der
Mehrdeutigkeit. Somit schafft sie eine Konfrontation mit dem Unbekannten, die
Bildungsprozesse in besonderer Weise ermöglicht. So bietet das Wahrnehmen irritierender
und verfremdeter Darstellungsweisen die Chance die Art und Weise der eigenen
Verfremdung Ein bekanntes Objekt oder Motiv wird auf eine Art und Weise dargestellt, dass es ungewohnt und oft auf den ersten Blick nicht erkennbar erscheint. Hiermit werden konventionelle Wahrnehmungen irritiert und Einordnungen in bekannte Schemata verhindert. Stattdessen findet eine bewusste, aktive Wahrnehmung statt, die zu neuen Lesarten und Deutungen führt. Es handelt sich bei der Verfremdung um eine künstlerische Strategie mit der Reflexionen und kritisches Hinterfragen angeregt werden.
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Wahrnehmung und damit der eigenen Konstruktion von Welt zu untersuchen, weil sie eine 130
eindeutige Zuordnung stört.
Finden diese Prozesse auf Basis einer handlungs- und subjektorientierten Kunstvermittlung
statt, ist es möglich Erfahrungen von Kunstwerken, die teilweise als unverständlich und elitär
empfunden werden, mit einer der wesentlichen Aufgaben von Künstlerisch-ästhetischer
Bildung zu verbinden: Kindern und Jugendlichen zu ermöglichen ihre eigenen Sichtweisen 135
und Interessen wirkungsvoll zum Ausdruck zu bringen und Kunst als Kommunikationsmittel
zu erfahren, mit dem sie Welt gestalten können. Eine solche Teilhabe bedarf, kultureller
Lernorte, wie Museen, Galerien, Gedenkstätten u.a., die als zugänglich erfahren werden.
Weiterhin sollten verfügbare und attraktive Kommunikationsmedien, wie z.B. das Internet
und das Smartphone, für die Kunstvermittlung genutzt werden. 140
Kunstwerke besitzen aber nicht nur aufgrund ihrer strukturellen Beschaffenheit eine
Relevanz für Bildungsprozesse. Als Kulturgüter stellen sie auch ein kulturelles Erbe dar und
schaffen somit Erinnerungskultur.
Wichtig ist es in der künstlerisch-ästhetischen Praxis, experimentelle Vorgehensweisen
anzuregen und damit das Erfinden von – für das Kind bzw. den Jugendlichen - neuen 145
Ausdruckformen und so eine Reproduktion von bereits geprägten Schemata und
Stereotypen zu vermeiden. Ungewohnte und wenig vorgeformte Materialien, wie Natur- und
Alltagsmaterialien, Gefundenes und Weggeworfenes, unterstützen dies durch spontane
Gestaltungen und die Integration des Zufalls. Dabei können spielerische Umgangsformen
nicht nur individuell, sondern auch in Team- und in Gruppenprozessen stattfinden. 150
Schließlich begünstigen gerade sie eine variantenreiche Gestaltung und Umwandlung
bereits gefundener Lösungen. Außerdem kann in der Gruppe auch eine Gestaltung sozialer
Prozesse als künstlerisch-ästhetischer Vorgang erfahren werden. Wichtig hierbei ist es, in
der pädagogischen Begleitung der künstlerisch-ästhetischen Produktion von Kindern und
Jugendlichen eine Balance zu finden. Diese bewegt sich zwischen einer Ermöglichung 155
individueller Vorlieben und der Herausforderung zu deren Erweiterung. Diese kann durch die
Konfrontation mit ungewohnten Darstellungen und die Anwendung unbekannter,
experimenteller Verfahren angeregt werden. Dabei kommt eine wesentliche Bedeutung der
Verknüpfung unterschiedlicher analoger und digitaler Medien zu, da die Verbindung
unterschiedlicher medialer Darstellungsformen zu kreativen Übersetzungsprozessen 160
auffordert.
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Welche individuellen und sozialen Unterschiede gibt es im Bildungsbereich, die
besonders zu beachten sind?
Künstlerisch-ästhetische Bildung lebt von der Vielfalt unterschiedlicher Ausdrucksformen und 165
steht deren Homogenisierung entgegen, die u.a. durch Klischees, Stereotype und
Kommerzialisierung begünstigt wird. In der Pädagogik entsteht diese Gefahr einer
Vereinheitlichung aber auch durch eine ästhetische Orientierung an
Geschmacksvorstellungen einer dominanten Gesellschaftsschicht, z.B. einer
bildungsbürgerlichen Erwachsenenkultur. Auch normative Festlegungen und teilweise zu 170
statische Vorstellungen von entwicklungsbedingten Gestaltungsfähigkeiten, verhindern ein
Sichtbarwerden individueller Ausdrucksformen von Kindern und Jugendlichen, sodass
Elemente aus ihrer Kultur ausgeblendet werden.
Wesentlich ist es jedoch, sie in ihrem individuellen Wahrnehmungs- und Ausdrucksvermögen
zu bestärken und eine Ausdifferenzierung ihres bereits vorhandenen ästhetischen 175
Vermögens zu ermöglichen.
Im Umgang mit Vielfalt ist es wesentlich, dass die Beteiligten nicht auf gesellschaftliche
Kategorien wie Geschlecht, Klasse, kultureller Hintergrund, Behinderung bzw.
Nichtbehinderung u.a. festgeschrieben werden. Vielmehr sollen sie sich mit ihren eigenen
Produktionen und ihren ästhetischen Vorlieben selbst verorten und sich hierbei auch selbst 180
neu kennen lernen können. Dies bedeutet, dass mit künstlerisch-ästhetischer Bildung z.B.
keine geschlechtsspezifischen Themen und Arbeitsweisen, auf Basis vermuteter und oft
auch unterstellter Interessen, vermittelt, sondern eher geschlechterreflektierende
Praxisformen angeboten werden. Traditionelle Zuordnungen, die sich u.a. durch Bilder,
Körpergesten, Kleidung vermitteln, können so wahrgenommen und hinterfragt werden. Dabei 185
kann auch auf kinder- und jugendkulturelle Praxisformen zurückgegriffen werden, die oft mit
Ironie, Persiflage und Übertreibung, Distanz zur beobachteten Umwelt, aber auch zu sich
selbst schaffen. Eine Orientierung an Vielfalt in der künstlerisch-ästhetischen Bildung
bedeutet auch, dass Ausdrucksformen mit Bezug zu unterschiedlichen Milieus Raum
gegeben wird und damit alle die Möglichkeit erhalten, sichtbar zu werden und anhand der 190
eigenen Ausdrucksweisen auch über sich selbst zu reflektieren.
Wesentlich in Bezug auf kulturelle Hintergründe ist es, Kindern und Jugendlichen die
Entwicklung kultureller Mehrfachzugehörigkeit zu ermöglichen, z.B. durch Verknüpfung
ästhetischer Ausdrucksformen von unterschiedlichen Kulturen sowie die praktische und
rezeptive Auseinandersetzung mit interkulturellen und transkulturellen Ästhetiken. Damit wird 195
eine kulturelle Identität auf der Basis von Vielfalt gestärkt, die oft gerade – aber nicht nur - für
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Kinder und Jugendliche aus Einwandererfamilien eine adäquate kulturelle Verortung
darstellen kann.
Eine weitere Voraussetzung dafür, dass künstlerisch-ästhetische Bildung eine inklusive
Qualität besitzt, ist es, keine Orientierung an einer sogenannten "Begabung" und an alters- 200
und entwicklungsspezifisch
festgeschriebenen Normen
vorzunehmen. Vielmehr ist davon
auszugehen, dass es ein
anthropologisch fundiertes 205
Grundbedürfnis ist, sich
künstlerisch-ästhetisch
auszudrücken und alle Menschen
hierzu in ihrer individuellen Weise
die Befähigung besitzen. 210
Welche bedeutsamen Aspekte sind hinsichtlich der Kooperation der Pädagogen
(untereinander, mit Eltern) zu beachten? (insbesondere in Bezug auf institutionelle
Übergänge)
Im Bereich der künstlerisch-ästhetischen Bildung besitzt die Zusammenarbeit von
unterschiedlichen Professionellen und die Einbeziehung von Eltern eine große Relevanz. 215
Schließlich umfasst eine kulturelle Bildung – zu der die künstlerisch-ästhetische Bildung
zählt - alle Lebensbereiche und lässt sich nicht auf eine institutionell verankerte Fachdisziplin
beschränken. Eine Kooperation mit langer Tradition ist die Zusammenarbeit von
Lehrer/innen im Bereich Kunst und professionellen Künstler/innen, Fotograf/innen,
Designer/innen u.a.. Kinder und Jugendliche können hiermit die lebensweltliche Relevanz 220
der künstlerisch-ästhetischen Bildung erfahren. Dabei hilft die Verzahnung künstlerischer
und pädagogischer Professionalität, Bildungspotentiale von Kunst und Kultur in besonderer
Weise produktiv zu machen. Dies gelingt dann in besonderer Weise, wenn Künstler/innen
weniger als Sachkundige für bestimmte künstlerische Techniken verstanden werden,
sondern vielmehr als Expert/innen für kreative und experimentelle Prozesse, die 225
Selbsttätigkeit in besonderer Weise herausfordern und hiermit wesentliche Bildungsinhalte
aufweisen.
Eine Vernetzung existiert aber auch zwischen Schule und außerschulischen Kinder- und
Jugendkultureinrichtungen, wie Jugendkunstschulen, museumspädagogischen- und anderen
Kultureinrichtungen. Diese sind im Rahmen der Schaffung kommunaler 230
Interkulturelle/Transkulturelle Ästhetik Während sich Interkulturalität auf die Begegnung unterschiedlicher Kulturen bezieht, beschreibt Transkulturalität übergreifende Elemente, die alle Kulturen verbinden. Kulturen werden damit nicht als in sich geschlossene Gebilde verstanden, die sich im besten Fall berühren können, sondern sie werden als ein Netzwerk gedacht, dass Überschneidungspunkte und Gemeinsamkeiten aufweist. Diese Verwandtschaften zwischen den Kulturen können in Motiven, Symbolen und Stilen erkannt werden, die in Kunstwerken, Designobjekten und Alltagsgestaltungen verwendet werden.
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Bildungslandschaften weiter auszubauen, um nicht nur auf der individuellen, sondern auch
auf der strukturellen Ebene die Bedingungen für künstlerisch-ästhetische Bildung zu
verbessern. Die aktuelle Entwicklung von Ganztagsschulen bietet hierfür einen besonders
geeigneten Rahmen, der in Zukunft intensiver zu nutzen wäre. Im Kitabereich könnten die
mit der Ganztagsschule angestrebten Ziele, zu denen u.a. zählt, nicht nur einen Lernort, 235
sondern auch einen Lebensort zu schaffen, mit der Umgestaltung zu Familienzentren
verfolgt werden. Dabei könnte die künstlerisch-ästhetische Bildung quer in allen Bereichen
ihre überfachlichen Potentiale entfalten.
Eine stärkere Einbeziehung der Eltern würde die Verknüpfung formaler (Schule), non-
formaler (Jugendkunstschule, Museum u.a.) und informeller (Familie, Freizeit) Bildung 240
unterstützen. Somit würde ein nachhaltiges, individuell bedeutsames Lernen befördert. Es
werden hiermit aber auch sozialräumliche Strukturen geschaffen, die eine
Gemeinwesenorientierung ermöglichen und dazu beitragen, dass künstlerisch-ästhetische
Bildung sich auf die Qualität des sozialen Raums, z.B. bezüglich der Kommunikation und
gegenseitigen Wahrnehmung von Bewohner/innen eines Stadtteils, auswirkt. Insbesondere 245
Künstler/innen, die im öffentlichen Raum arbeiten und soziale Prozesse als wesentliche
Elemente ihrer künstlerischen Praxis begreifen, können hierzu, z.B. als
Kunstvermittler/innen, in der Bildungsarbeit ihr Wissen und ihre Fähigkeiten einbringen.
Wesentlich ist, dass eine Atmosphäre der gegenseitigen Anerkennung und des Austauschs
die Kooperation der unterschiedlichen Professionellen und die Einbeziehung der Eltern 250
prägt. Daher ist ein gleichberechtigtes Zusammenwirken wichtig, bei dem die jeweiligen
Kompetenzen und Zuständigkeiten der Beteiligten respektiert werden.
Welche Bildungskontexte sind bedeutsam?
Künstlerisch-ästhetische Bildung findet vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Prozesse statt
und ist somit Wandlungen unterworfen. Bestimmte Inhalte, wie kunsthistorische Epochen, 255
bedeutende Kunstwerke und gestalterische Entwicklungen, können als durchgängig wichtig
erachtet werden. Dennoch finden die Auseinandersetzungen mit diesen Inhalten in jeweils
unterschiedlichen Kontexten statt. So ist es z.B. im Zeitalter der Globalisierung von Interesse
zu beobachten, welche künstlerischen und gestalterischen Strömungen weltweite
Verbreitung finden und welche Variationen hierbei entstehen. Für eine Migrationsgesellschaft 260
ist es von Bedeutung, kulturübergreifende Verknüpfungen, z.B. zwischen christlicher und
islamischer Bildsprache, zu entdecken.
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Kontexte künstlerisch-ästhetischer Bildung betreffen auch die konkrete Situation vor Ort und
vorhandene oder fehlende Infrastrukturen. So ist es insbesondere in den ländlichen
Regionen schwieriger Anknüpfungen an kulturelle Bildungsorte zu finden, wenn auch die 265
Nähe zur Natur und die Verfügbarkeit von weniger strukturierten Räumen primäre
ästhetische Erfahrungen begünstigen. Mobile Angebote, wie "Medienmobile" oder
"Kunstlabore" wären hier z.B. nötig, um kulturelle Erfahrungsräume zu den Kindern und
Jugendlichen zu bringen oder aber diese zu städtischen Einrichtungen, wie Museen,
Theatern o.ä., zu fahren. 270
Ein weiterer wichtiger Hintergrund für künstlerisch-ästhetische Bildung ist das Elternhaus.
Hier findet die primäre Sozialisation, Geschmacks- und Habitusbildung statt.
Dies sind Einflussfaktoren, die für die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen
Gesellschaftsschichten und damit für gesellschaftliche Inklusion oder Exklusion 275
verantwortlich sind. Es gilt in der künstlerisch-ästhetischen Bildung die in der Familie
erworbenen ästhetischen Orientierungen, die individuell artikuliert und erweitert werden, zu
fördern. Gleichzeitig sind, z.B. durch die Kooperation mit Kultureinrichtungen, Zugänge zur
sogenannten Hochkultur durchlässiger zu gestalten. Dabei sollte diese Beziehung von
Wechselseitigkeit geprägt und die Kooperation darauf angelegt sein, die Kultureinrichtungen 280
insofern weiter zu entwickeln, dass diese sich stärker auf Interessen und Kompetenzen von
Kindern und Jugendlichen ausrichten. Zu beachten sind auch sozioökonomische Aspekte.
So muss die Teilhabe an kulturellen Angeboten unabhängig vom ökonomischen Status
gewährleistet sein.
Einen weiteren Kontext künstlerisch-ästhetischer Bildung bilden die Medien, die 285
Rezeptionsgewohnheiten prägen. So ist die Geschwindigkeit von Bildfolgen im Film, Werbe-
und Videoclip in den letzten Jahren erheblich erhöht worden. Es bestehen
Wechselwirkungen zwischen digitalen Bildern, z.B. zwischen Computerspielen und Kino- und
Fernsehfilmen, die eine Computerspielästhetik aufgreifen oder aber digital animiert sind.
Medien schaffen außerdem ästhetische Vorbilder, an denen sich Kinder und 290
Jugendlicheorientieren, wobei oftmals Stereotypisierungen vorgenommen werden. Die
Habitus / Habitusbildung Der Habitus ist ein System von Handlungs- und Wahrnehmungsformen, das das Auftreten einer Person, seine Sprache, Kleidung, Geschmack und Lebensstil und seine Wahrnehmung von der Welt und von sich selbst prägt. Ästhetische Ausdrucksformen und sinnenbasierte Eindrücke einer Person haben somit auch eine habituelle Komponente, d.h. sie sind abhängig vom Lebensstil, von Geschmack und Gewohnheiten. Der soziale Status ist oft weniger durch ökonomische Mittel abhängig, sondern durch den Habitus und die dadurch zum Ausdruck kommende Gruppenzugehörigkeit.
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Ausrichtung an diesen Vorbildern wird auch kommerziell ausgenutzt, um Kinder und
Jugendliche als Käufer/innen zu gewinnen und möglichst langfristig zu binden. Es gilt somit
Kinder und Jugendliche zu befähigen, diese ökonomischen Interessen zu durchschauen und
zu hinterfragen. Der kritische Umgang mit ästhetischen Ausdrucksformen und hiermit 295
verbundenen Interessen ist also ebenfalls ein Bestandteil künstlerisch-ästhetischer Bildung.
Im positiven Fall können Medienvorbilder und der Einsatz digitaler Medien, z.B.
Bildbearbeitung am Computer, digitale Fotografie und digitales Video, auch Motivationen
zum eigenen Gestalten und zum kreativen Umgang mit eigenen Medienrezeptionen
schaffen. Künstlerisch-ästhetische Bildung ist also nicht "bewahrpädagogisch" ausgerichtet, 300
indem versucht wird, Kinder und Jugendliche vor "schädlichen Einflüssen" zu bewahren.
Vielmehr hilft sie Kompetenzen zur Bearbeitung und Variation auch von schematischen
Vorbildern zu entwickeln.
Eine große Bedeutung besitzt, insbesondere für Jugendliche, die Gruppe der Gleichaltrigen
– der Peers –, die sich oft durch stilistische Merkmale, etwa in der Kleidung, der Frisur, 305
verwendeten Symbolsprachen, präferierter Musik usw., also durch ästhetische
Ausdrucksformen, eine Gruppenidentität schafft. Dies gilt es zur Förderung der Ausbildung
von Identitätsbildung produktiv zu machen. Dafür sollten stilistische Orientierungen, z.B. in
Darstellungen von sich selbst und des Individuums im Kontext der Gruppe, aufgegriffen und
zugleich Möglichkeiten der distanzierten und reflektierten Weiterentwicklung geschaffen 310
werden. Dabei ist es zu ermöglichen, Gruppenzwänge, die einer individuellen Entwicklung oft
entgegenstehen, zu überwinden. So wird zudem möglichen Selbstausschlüssen, z. B. aus
von der Gruppe nicht akzeptierten Kulturangeboten, entgegengewirkt.
Einen weiteren wesentlichen Kontext künstlerisch-ästhetischer Bildung stellen Institutionen
dar, die einen Rahmen für formale (Schule) und nonformale (Jugendkunstschulen, 315
Kulturvereine; Museumspädagogik u.a.) künstlerisch-ästhetische Bildung schaffen. Sie
sollten aber auch Räume bieten für informelle ästhetische Bildungsgelegenheiten, die
spontan und selbsttätig in Freiräumen initiiert werden.
Wie verändert sich künstlerisch-ästhetische Bildung in der Entwicklung?
Die Schwerpunkte künstlerisch-ästhetischer Bildung verlagern sich in Abhängigkeit von der 320
aktuellen Entwicklung der beteiligten Kinder und Jugendlichen. Diese können jedoch nicht an
klar definierten Altersstufen festgemacht werden, sondern sie sind individuell verschieden.
Da – wie in Kapitel 1 dargelegt - im Thüringer Bildungsplan für Kinder und Jugendliche von
0-18 Jahren nicht mehr von "Phasen" ausgegangen wird, die bestimmten Altersstufen
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zugeordnet werden, ist in der folgenden Darstellung in Bezug auf basale, elementare und 325
primare Bildungsprozesse jeweils von Kindern und Jugendlichen die Rede. Damit wird auch
anerkannt, dass Kinder und Jugendliche gleichzeitig in unterschiedliche Bildungsprozesse
involviert sind z.B. in Bezug auf verschiedene Bildungsbereiche.
Basale künstlerisch-ästhetische Bildung
Sinnliche Erfahrungen sind basal für die Entwicklung ab der Geburt. Nähe und Vertrautheit 330
wird über bekannte Stimmen, Gerüche und Gesichtskonturen sowie über Hautkontakte
vermittelt. Sinneserfahrungen, wie visuelle, haptische, motorische und auditive Eindrücke,
sind wesentlich für die seelische, geistige und körperliche Entwicklung. Befindlichkeiten und
Bedürfnisse werden körpersprachlich, mit Lauten, mit Schreien und Weinen sowie später mit
den ersten Worten geäußert. Mimik und Gestik, maßgeblich die der Eltern, werden 335
wahrgenommen. Damit wird ein Grundstein für die Ausbildung des eigenen Ausdrucks
gelegt. Kinder und Jugendliche sind auf Rückmeldungen angewiesen, die sich ebenfalls
ästhetisch und körpersprachlich, z.B. über ein Lächeln, über den Klang einer Stimme und die
Wärme der Haut vermitteln. In den ersten Lebensjahren regen unterschiedlichste Materialien
und Dinge die Sinneswahrnehmung, das Ausprobieren und Weiterentwickeln der eigenen 340
Fähigkeiten an. Die Wahrnehmung des eigenen Körpers, z.B. im Spiegel, vermittelt einen
Eindruck von der eigenen Person. Somit sind ästhetische Erfahrungen wesentlich für die
Ausbildung von Identität. Räume zur Selbstentdeckung und für das eigentätige Erkunden
unterschiedlicher Dinge, wie Alltagsgegenständen, Naturmaterialien und Spielzeug, müssen
in der frühesten Kindheit durch die Eltern und weitere Bezugspersonen, wie Verwandte, 345
Tagesmütter u.a., bereit gestellt werden. Künstlerisch-ästhetische Bildung findet dann
informell und unterstützt durch eine anregende Umgebung sowie eine positive und
aufmerksame Begleitung statt. Dabei entsteht in der Auseinandersetzung mit Objekten
erstes Wissen über die Welt und, vermittelt über Reaktionen von anderen, über sich selbst.
Die Erforschung der Welt wird durch die zunehmende Entwicklung der Auge-Hand-350
Koordination und der Fähigkeiten zur Fortbewegung gefördert. Dabei werden auch räumliche
Erfahrungen erweitert.
Mit Schmieren, Kritzeln, Bauen, Umstoßen und Zerreißen greifen Kinder und Jugendliche in
die Welt ein, erleben sich selbst als deren Gestalter/in und erfahren so ihre
Selbstwirksamkeit. Hierbei sind aufmerksame Begleitung und positive Rückmeldungen durch 355
die Bezugspersonen wichtig, damit das sich früh entwickelnde Gefühl von Stolz
angesprochen und das Selbstbewusstsein gefördert wird. Außerdem unterstützen diese
dialogischen Prozesse Identitätsbildung. Diese kommunikative Funktion ästhetischen
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Handelns ist wesentlich für die basale künstlerisch-ästhetische Bildung. Weiterhin sollte eine
anregende Umgebung geschaffen werden, die gleichermaßen schützt und möglichst 360
ungehinderte Bewegung ermöglicht sowie vielfältige Materialien zum Ausprobieren zur
Verfügung stellt.
Elementare künstlerisch-ästhetische Bildung
Kinder und Jugendliche differenzieren ihre Fähigkeiten im Experimentieren, im Konstruieren
und Zeichnen weiter aus. Dazu sollen sie vielfältige Anregungen und Freiräume erhalten, die 365
ihre Assoziationsfähigkeit und ihr experimentelles Tun fördern. So wirkt ein Gestalten nach
Vorlagen oder von Dekorationen einer Anregung von Phantasietätigkeit und den
forschendem Aktivitäten entgegen, statt diese zu fördern. Kunstbetrachtung und
Naturstudien tragen hingegen dazu bei, die Entwicklung schematischer Darstellungsformen,
z.B. für Menschen, Tiere, Pflanzen und Häuser zu erweitern. Sie zeigen den Kindern 370
Variantenreichtum auf und ermutigen sie eigene Formsprachen zu entwickeln. Weiterhin ist
zu beachten, dass innerhalb dieser Prozesse parallel zum Zeichnen, Malen und Bauen,
erzählt und zunehmend die Umwelt erkundet wird. Diese wird somit immer mehr Thema
künstlerisch-ästhetischer Bildung. So können Dinge im näheren Umfeld gesammelt und
verarbeitet und Beobachtungen angestellt werden. Zudem verbinden sich Zeichnungen jetzt 375
zunehmend mit Darstellungsabsichten. Dem grafischen Ausdruck sollte aber kein
Naturalismus als Norm zu Grunde gelegt oder dieser als Kopie verstanden werden. Vielmehr
stellt er eine Transformation von Wahrnehmungseindrücken, Emotionen und Gedanken dar,
der mit Offenheit und Interesse begleitet werden sollte. Unterstützt werden sollte auch das
Assoziieren und das Experimentieren mit unterschiedlichen Materialien, z.B. durch 380
Materialkombinationen, Collagen. Die Entwicklung eines individuellen Selbstausdrucks kann
auch durch die Begegnung mit Kunst unterstützt werden, die oftmals ungewöhnliche
Darstellungen zeigt und Mehrdeutigkeit integriert. Zudem können differenzierte
Wahrnehmungen hinsichtlich Farbgebung, Komposition und gewählter Darstellungsform
gefördert werden, die das eigene Gestalten inspirieren. Dadurch wird eine Offenheit 385
gegenüber der künstlerischen Bearbeitung ernsthafter, auf das Leben bezogener Themen
und Darstellungsformen unterstützt.
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Primare künstlerisch-ästhetische Bildung
Im Zuge der Weiterentwicklung kognitiver und motorischer Fähigkeiten zeigen sich 390
zunehmend ausdifferenzierte Darstellungsabsichten in den ästhetischen Äußerungen. Es
sollte dazu ermutigt werden, eine Offenheit im Gestalten beizubehalten, eigene neue
Lösungen für ästhetische Fragen zu finden und trotz der Ausbildung von
Darstellungsschemata, diese nicht zu verfestigen. Hierbei ist die Einnahme einer
künstlerischen Perspektive, mit der Gewohntes in Frage gestellt wird, hilfreich. Kindern und 395
Jugendlichen sollen ihren individuellen Selbstausdruck – entsprechend einer eigenen
Handschrift - entwickeln und hiermit unterschiedliche Selbstäußerungen zu Beobachtungen,
Gefühlen, Ängsten, Wünschen und Aggressionen artikulieren können.
Wesentlich dabei ist der Lebensweltbezug jeder künstlerisch-ästhetischen Äußerung, der
sich u.a. durch eine zunehmende sozialräumliche Erweiterung verändert. So werden die 400
Wege, die z.B. Kinder alleine zurücklegen, weiter. Auch die Zeiten, die sie ohne die engsten
Bezugspersonen verbringen, verlängern sich. Der Schuleintritt stellt einen wesentlichen
Übergang dar, der sich auch krisenhaft gestalten kann. Dies wird beispielsweise durch
zeichnerische, malerische, fotografische Ausdrucksformen kommunizierbar. Ästhetisch
verarbeitet werden jedoch nicht nur Erlebnisse im realen, physischen Raum, sondern auch 405
Medieneindrücke, die z.B. über das Fernsehen oder auch über den Computer vermittelt
werden. Künstlerische Bearbeitungsformen, wie die Zeichnung, die Collage, die
Bildergeschichte, bieten Möglichkeiten kreativ mit Medienerlebnissen umzugehen und das
eigene Verständnis des Gesehenen, anderen mitzuteilen. Kinder und Jugendliche äußern
sich aber auch verbal zu Bildern und Medieneindrücken und in Dialogen können Gedanken 410
und Phantasien zu den eigenen Wahrnehmungen und Deutungen von Bildern ausgetauscht
werden.
Künstlerisch-ästhetische Bildung schafft Raum für eine aktive Auseinandersetzung mit der
eigenen Lebenswelt und einer Gestaltung des eigenen Lebensraums. Dies sind Ansätze, die
auch in der schulischen künstlerisch-ästhetischen Bildung, u.a. durch die partizipatorische 415
Gestaltung von Schulgebäuden und Schulhöfen, ermöglicht werden sollten. Insbesondere in
der schulischen Bildung erhält der Wissenserwerb über Kunst eine stärkere Bedeutung als
zuvor. Dabei ist immer ein komplexes, an Erfahrungen gekoppeltes, für den Einzelnen
bedeutsames Wissen zu vermitteln, das in Bezug zur eigenen ästhetischen Produktion steht.
Die Auseinandersetzung mit Kunst soll somit die Entdeckung von eigenen 420
Darstellungsfähigkeiten und die Ausbildung eines Selbstvertrauens in die eigenen
Kompetenzen unterstützen.
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Heteronom expansive künstlerisch-ästhetische Bildung
Die Experimentierfreude, die das künstlerisch-ästhetische Handeln von Kindern aufweist,
kann für Jugendliche auch durch selbstgestellte Ansprüche, gerade an die Fähigkeit zu 425
naturalistischen Darstellungen, verloren gehen. Künstlerisch-ästhetische Bildung hat dann
die Aufgabe, die Kompetenzen der Jugendlichen, die oft im Bereich der expressiven
Inszenierung, im Umgang mit technischen und digitalen Medien und in jugendkulturellen
Praxisformen liegen, zu fördern und sie in ihrer ästhetischen Kommunikation, ihrer
Befindlichkeiten und Weltsichten zu unterstützen. Insbesondere in der formalen und non-430
formalen Bildung kann das Kennenlernen von Künstler/innen und kunsthistorischen
Entwicklungen helfen, das eigene Handeln in soziale und kulturelle Kontexte zu stellen und
sich hierbei im Spiegel der anderen selbst zu entdecken. Auch in der darin zu erfahrenden
Sozialität liegt eine wesentliche Aufgabe heteronomer künstlerisch-ästhetischer Bildung.
Durch die Hinwendung zur Gruppe der Gleichaltrigen, den Peers, findet oft ein Rückzug aus 435
institutionellen Bildungsorten statt. Dies schlägt sich in den von Jugendlichen weniger
frequentierten Angeboten im Nachmittagsbereich der Ganztagsschule und der
Jugendkunstschulen nieder. Dem kann eine Einbeziehung der Peers in Angebote, die von
ihnen als attraktiv empfunden werden entgegenwirken. Eine Orientierung an den Peers
äußert sich ästhetisch und performativ z.B. durch Stilisierungen von Kleidungsstilen, Idolen 440
und verwendeten Symbol- und Körpersprachen weswegen expressive Inszenierungen – z.B.
in der Medienarbeit mit Video und Foto – zu den charakteristischen Ausdrucksformen von
Jugendlichen zählen.
Künstlerisch-ästhetischer Bildung schafft für Jugendliche Räume, um sich in selbst
gewählten Stilisierungen, mit unterschiedlichsten Materialien und Medien, zum Ausdruck zu 445
bringen und diese zu kommunizieren. Das heißt es soll ermöglicht werden mit verschiedenen
Ausdrucksformen zu spielen und durch die Variation von Stilen Befragungen und
gegebenenfalls auch Loslösungen von Gruppen sowie die Entwicklung neuer
Zugehörigkeiten zu befördern. Durch eine ästhetische Praxis können somit auch Freiräume
dafür entstehen, Abhängigkeiten von nicht immer selbst gewählten Gruppenzugehörigkeiten 450
zu überwinden. Dabei besitzen digitale Medien, wie die digitale Fotografie, die digitale
Bildbearbeitung und das digitale Video als Ausdrucksmedien eine große Bedeutung. Sie
gelten – auch durch ihre Nähe zur populären Kultur - als attraktiv und lassen Jugendliche
tendenziell ihre Kompetenzen und weniger ihre Defizite, z.B. das selbst erklärte "Nicht-
zeichnen-Können", erfahren. Die Begegnung mit Kunst und den dort repräsentierten 455
unkonventionellen Selbstdarstellungen kann zur Schaffung eigener Selbststilisierungen
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ermutigen, denen so vielleicht keine oder nur eine geringe gesellschaftliche Akzeptanz
entgegengebracht wird. Dies befördert auch die Entwicklung von Autonomie.
Autonom expansive künstlerisch-ästhetische Bildung
Die Jugendlichen gelangen nun zu eigenständigen Geschmacksurteilen und können ihre 460
ästhetische Position auch gegenüber anderslautenden Urteilen des eigenen sozialen
Umfelds besser vertreten.
Dabei trauen sie sich zunehmend, sich selbst aktiver in gesellschaftliche Prozesse
einzubringen. Damit können sie auch eine soziale Wirksamkeit von Kunst erfassen und– z.B.
durch Aktionen von Kunst im öffentlichen Raum – einsetzen. Ausgebildet werden zudem 465
eigene Präferenzen hinsichtlich Stil, z.B. in der Kleidung und bezüglich der Wohneinrichtung,
und bevorzugter Kunstrichtungen. Damit einhergeht ein wiedergewonnenes Interesse an
künstlerischen und kulturellen Aktivitäten, die auch institutionell, z.B. in Ausbildungsstätte
oder Kulturprojekt, eingebunden sein können. Relevant kann nun die Frage nach der Wahl
eines kunstbezogenen Berufs werden, so dass künstlerisch-ästhetische Aktivitäten auch vor 470
diesem Hintergrund durchgeführt werden. Hierzu zählen z.B. sogenannte "Mappenkurse",
die auf die Bewerbung für ein Studium im Bereich Kunst, Design, Fotografie o.ä. vorbereiten.
Möglich ist weiterhin, dass im Zuge von Berufsausbildung und Partnerschaft sowie durch
einen zunehmenden, von der Gesellschaft vermittelten Anspruch eines Expertentums bei der
Ausübung künstlerischer Praxisformen, kulturelle Aktivitäten zurückgedrängt und 475
aufgegeben werden. Folglich stehen diese Bildungsressourcen dann nicht mehr zur
Verfügung. Zu überlegen ist also, inwiefern künstlerisch-ästhetische Angebote auch in
Kooperation mit Kulturinstitutionen entwickelt werden können, die attraktiv für Jugendliche
sind und dazu geeignet autonome Bildungsprozesse zu entfalten.
Künstlerisch-ästhetische Bildung zeichnet sich nun durch einen besonders hohen Grad an 480
eigener Entscheidungsfreiheit, an Selbstorganisation und an der Orientierung an selbst
gesteckten Zielen aus. Eine pädagogische Begleitung schafft hierfür einen Rahmen, berät
die Beteiligten in ihrem Tun und schafft Möglichkeiten zur Selbstreflexion, u.a. durch die
öffentliche Präsentation und das Gespräch. Weiterhin sollte angestrebt werden die
Entwicklung einer eigenständigen künstlerischen Position zu fördern, womit auch – aber 485
nicht nur - eine berufsqualifizierende Intention genannt wird.
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Tabellen
Der Bezug zu Kindern und Jugendlichen in der Darstellung basaler, elementarer und primarer Bildungsprozesse wird in den Tabellen beibehalten.
Tabelle Basale künstlerisch-ästhetische Bildung
Basale Bildung
Dimensionen von Bildung
personal sozial sachlich
Entwicklungs- und Bildungs-aufgaben
Bildung aus individueller Perspektive
Kinder und Jugendliche nehmen ihre Welt und sich selbst über ihre Sinne wahr. Über Blicke und Äußerungen nehmen sie Kontakt zu ihren Bezugspersonen auf. Beim Entdecken und Erforschen ihrer Umgebung entwickeln sie Strategien, das Gesehene oder Erfahrene einzuordnen und in die Umgebung einzugreifen. Ihr Materialinteresse führt zum Spielen und Experimentieren mit allen sich anbietenden Gegenständen. Hierdurch erfahren sie, dass sie selbst in ihrer Umwelt Spuren hinterlassen können und damit ihre Selbstwirksamkeit.
Soziale Beziehungen und Austauschprozesse
Erwachsene reagieren auf Blickkontakt, Laute, Worte und Gestaltungen der Kinder und Jugendlichen und nehmen ihnen zugewandt den Dialog auf. Sie gehen auf ihre Interessen ein und regen zu ästhetischen Handlungen, wie zum gemeinsamen Betrachten und Beobachten an. Sie unterstützen auch das mimetische Verhalten, also die Nachahmung. Alle möglichen Materialien unterschiedlichster taktiler und visueller Qualität, werden in das Spiel der Kinder und Jugendlichen aufgenommen. Bilder, Bilderbücher und die räumliche wie natürliche Umgebung werden in den kommunikativen Austausch mit einbezogen.
Umweltbereiche und Umweltausschnitte
Eine anregende Umgebung, ermöglicht vielfältige Umgangsweisen mit Farben, Oberflächen, Texturen, Utensilien, Werkzeugen, etc. und damit unterschiedliche sinnliche Erfahrungen und Materialerkundungen. Dazu gehören auch das Spiel während der Nahrungsaufnahme, das Hantieren mit Alltagsgegenständen und die Möglichkeit zu vielfältiger Bewegung. Kinder und Jugendliche beschäftigen sich kontinuierlich mit Bildern, eigenen wie fremden und mit Bildern von sich selbst – z.B. als Spiegelbild. Für Bildbetrachtungen sind unterschiedliche Bilder - ereignisreiche und stille, konkrete und abstrakte, malerische und fotografische Bilder –vorhanden.
Welche Ansprüche haben Kinder und Jugendliche auf
Inhalte, Themen und Ansprüche aus individueller Perspektive
Kinder und Jugendliche haben das Recht darauf, ständig ihre Wahrnehmungs- und
Unterstützende Interaktionen und Kommunikationsformen
Erwachsene stehen in der Verantwortung, mit Kindern und Jugendlichen über ihre
Unterstützende räumliche und materielle Rahmenbedingungen
Kinder und Jugendliche haben Anspruch auf ein vielfältiges, sich ständig
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Bildung?
Darstellungsmöglichkeiten zu erweitern und zu lernen, zunehmend differenzierter zu sehen und zu beobachten. Sie müssen Gelegenheiten bekommen, im wachsendem Maße - beginnend mit dem ersten Kritzel - eigene Bilder und plastische Gebilde zu produzieren und Materialien mit Ertasten, Reißen und Zerpflücken zu erkunden. Es muss ihnen ermöglicht werden, erste Anordnungen von Dingen, wie z.B. Hineinstecken und wieder Herausholen in Behälter vorzunehmen und sie müssen darin unterstützt werden, mit diesen ästhetischen Handlungen ihre Auge-Hand-Koordination und ihre motorischen sowie damit im Zusammenhang stehende kognitive Fähigkeiten auszubilden. Es ist notwendig, ihrem Interesse mit der Veränderung der eigenen Erscheinung durch Verkleiden mit Kleidungsstücken entgegen zu kommen. Ebenso gilt es ihren Wunsch aufzugreifen, Bilder von sich selbst zu betrachten, und zu lernen sich selbst und andere hierauf zu erkennen.
Bilder und ästhetischen Handlungen zu und sprechen und diese positiv zu begleiten. Dadurch wird angeregt, dass diese sich über ihre Wahrnehmungen und damit einhergehende Empfindungen und Gedanken mitteilen und ihr Inneres dem äußerlich Wahrnehmbaren gegenüberstellen. Kinder und Jugendliche haben auch ein Recht darauf, in gemeinsamen ästhetischen Aktivitäten – wie Malaktionen –eine soziale Dynamik zu erfahren und sich als Mitglied einer Gruppe zu erleben, wozu auch das Annehmen und Geben gegenseitiger Hilfestellung gehört. Sie erhalten damit Gelegenheit, ein Arrangement zu erleben, in dem sich das mimetische Verhalten am Austausch von Ideen untereinander orientiert. Es wird damit ein Raum geschaffen, in dem eine erste basale Form von gemeinsamer Kultur, z.B. einer Kinderkultur, entstehen kann, die die Beteiligten sowohl in ihrem Selbstbewusstsein als auch in ihrem Gemeinschaftsgefühl stärkt. Die Präsentation von entstandenen Arbeiten macht diese zum Element des sozialen Lebens und vermittelt Wertschätzung.
erweiterndes Materialspektrum zum Spielen, zum Ausprobieren und zum Untersuchen im Innen- und im Außenraum. Diese Räume sollten neben ihrem auffordernden und anregenden Charakter zugleich Geborgenheit und Schutz vermitteln und ein ungestörtes Experimentieren im eigenen Rhythmus ermöglichen. Gleichzeitig sollten sie so beschaffen sein, dass gleichzeitige Aktivitäten verschiedener Kinder und Jugendlicher nebeneinander stattfinden können. Die gemeinsame Lektüre oder das Erleben von Bilderbüchern (z.B. von detailreichen „Wimmelbüchern“ neben solchen mit großen und klaren Illustrationen) werden angeboten. Das Betrachten und Besprechen von Bildern ist in den Tagesablauf eingebunden. Entstandene Bilder und Objekte werden in eigenen „Mappen“ gesammelt und mit Präsentationen gewürdigt. Damit erfahren Kinder und Jugendliche eine Anerkennung und nehmen ihre eigenen "Werke" als ein Element der Außenwelt wahr. Das Sammeln der Arbeiten ermöglicht den Erwachsenen, Entwicklungsprozesse nachzuvollziehen.
Welche konkreten Lernarrangements können angeboten werden?
Konkrete Lernangebote aus individueller Perspektive
In basalen Bildungsprozessen beobachten und lernen Kinder und Jugendliche in hergestellten Situationen, aber auch in der Beobachtung und Nachahmung alltäglicher Tätigkeiten. Sie werden hierbei
Unterstützende Interaktionen und Kommunikationsformen in konkreten Lernangeboten
Getragen von einer unterstützenden und vertrauensvollen Atmosphäre starten Kinder und Jugendliche ihre Erkundungen. Sie greifen ein, verändern, hinterlassen
Materialien und Räume für konkrete Lernangebote
Es wird ein Zugang geschaffen zu:
verschiedenen Stiften, zu unterschiedlichen Mal- und Schreibutensilien (Bleistifte, Buntstifte,
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zum Entdecken, Erforschen, Ausprobieren, Kennenlernen und, Mitmachen angeregt. Basale Bildungsprozesse leben vom Spiel mit und der Veränderung von Materialien der Alltagswelt, wie z.B. verschiedenen Papieren und Pappen zum Malen, Zerreißen und Knistern (Bunt-, Seiden-, Toiletten-, Pack- und Butterbrotpapier usw.) oder großen Pappkartons und Pappschachteln, Gummibändern, Joghurtbechern, Federn, Korken, Holzklötzen, Stöcken, Brettern, Steinen, Schneckenhäusern und Farben uvm. Geeignete Materialien können unterschiedliche ästhetische Phänomene– wie Klänge, visuelle Erscheinungen, Düfte und Tasterlebnisse – vermitteln. Schminke und Verkleidungsmaterial regen zum Spiel mit Veränderungen der eigenen Erscheinung an. Alltagsgegenstände, ob vertraut oder neu, können beim Experimentieren einbezogen werden (ausrangierte Telefone, Computertastaturen, alte Schlüsseln, Holzlöffel, Schneebesen, Becher oder Bürsten, Maßbänder, Nähgarn, Wäscheklammern, Handfeger, Taschen, Kissen, Decken, Tücher, Taschenlampen, Knöpfe usw.). Das Spiel mit dem eigenen Spiegelbild regt zum Entdecken des eigenen Körpers und des Körperausdrucks an.
Spuren und werden durch andere auf diese Veränderungen und Prozesse aufmerksam gemacht. Die Präsentation von Bildern und gestalteten Situationen weckt ihre Aufmerksamkeit. Auf Verlangen erhalten sie Hilfestellung bei neuen Handhabungen z.B. von Stiften oder formbaren Materialien. Spiele wie Verstecken, schärfen ihre Beobachtungsgabe und gehen auf die Entdeckungslust anderer ein. Verschiedene Sand- und Wasserspielmöglichkeiten nutzen sie allein und mit anderen. Sie betrachten Bilder, Fotos usw. alleine und mit anderen und tauschen sich über das Gesehene aus. Ihnen stehen Bücher zum gemeinsamen Betrachten und eine eigene „Lesezeit“ zur Verfügung Sie können den Umgang mit gefährlichen oder spitzen Gegenständen unter Aufsicht ausprobieren und dabei auf die Erklärungen von Erwachsenen und älteren Kindern und Jugendlichen vertrauen. Erwachsene vertrauen und achten darauf, dass Kinder und Jugendliche: - von sich aus einander beobachten und voneinander lernen - sich untereinander akzeptieren und verständigen.
Straßenkreide, Schiefertafel usw.)
verschiedenen formbaren Materialien wie Knete, Ton und Sand
Papieren unterschiedlicher Qualität (Packpapier, Mal- und Zeichenpapiere, Tapeten, Zeitungen, unterschiedliche Alltagspapiere wie Verpackungen, Fahrscheine, Rechnungen usw.)
unterschiedlichsten Naturmaterialien (Steine, Muscheln, Zweige, Schnecken, verschiedene Hölzer, Pflanzen, Früchte usw.)
künstlichen Materialien mit verschiedenen Eigenschaften (Stoffe, Folien usw.)
Lichtspielen, Spiegeln, Kaleidoskopen, Lupen usw.
Bilderbüchern mit phantasieanregenden, nicht-stereotypen Darstellungen, z.B. zum Thema Farbe.
Reproduktionen von Grafiken, Gemälden, Collagen, Kupferstichen, Mosaiken, Plastiken, Installationen usw.
Naturräumen, die verschiedenste Material- und Raumerfahrungen ermöglichen (Wiese, Wald, See, Meer, Strand, Ufer usw.)
urbanen Räumen, die Erkundungen und Spiel zulassen
Nischen, in denen es möglich ist, sich zurück zu ziehen.
Im Haus/in der Wohnung stehen Orte für künstlerisch-ästhetische Experimente bereit.
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Es steht Freiraum, Muße und Zeit zur Verfügung, um sich ausführlich, sowohl selbst initiiert als auch von außen angeregt mit dem Material zu beschäftigen und zu spielen.
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Tabelle Elementare künstlerisch-gestaltende Bildung
Elementare Bildung Dimensionen von Bildung
personal sozial sachlich
Entwicklungs- und Bildungs-aufgaben
Bildung aus individueller Perspektive
Im künstlerischen Gestalten spiegelt sich die Individualität der Kinder und Jugendlichen. Mit Lust und Neugier entwickeln sie ihre ästhetischen Fähigkeiten. Gesehenes und Erfahrenes wird zunehmend selbsttätig eingeordnet und interpretiert. Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, zur Veränderung, Um- oder Neugestaltungentsteht. Ausdrucksmöglichkeiten erweitern sich über das Experimentieren mit Materialien, Techniken und Medien. Die Versprachlichung von Eindrücken und das bewusstere Gestalten aus der eigenen Vorstellung heraus und aufgrund von positiven wie negativen Gefühlen, Wünschen und Ideen nehmen zu. Dabei kommt es auch zur ersten Ausbildung schematischer Darstellungen. Elementare künstlerisch-ästhetische Bildungsprozesse müssen so ausgerichtet sein, dass diese nicht stereotyp, sondern individuell und flexibel sind. Dies kann durch Naturbeobachtungen und experimentelle Vorgehensweisen sowie durch die Vermeidung von Vorlagen, die das eigene Gestalten einengen, begünstigt werden. Begegnung mit den Arbeiten von Künstler/innen sowie das Kennenlernen von Kunstwerken entwickelt in
Soziale Beziehungen und Austauschprozesse
In der Gruppe werden die unterschiedlichen Bilder und Objekte der Gruppenmitglieder betrachtet und besprochen. Sie kommentieren ihr Malen, Zeichnen, Bauen und Gestalten. Dabei stehen die Verschiedenheit der Eindrücke und Bilder und die Akzeptanz der anderen im Vordergrund. Die Schilderungen und ästhetischen Produktionen der Kinder und Jugendlichen werden grundsätzlich als gleichwertig anerkannt und erhalten von den Erwachsenen positive Rückmeldungen. Gleichzeitig lernen sie die Sichtweisen anderer kennen und Bezüge zu den eigenen Perspektiven und Darstellungen herzustellen. Im Mittelpunkt steht die Ausbildung einer komplexen Wahrnehmung und der differenzierten subjektiven Interpretation des Wahrgenommenen. Hierzu bildet das genaue Beobachten und Zuhören eine Voraussetzung. Mit künstlerisch tätigen Erwachsenen, wie Kunstpädagog/innen und Künstler/innen, finden Kinder und Jugendliche Vorbilder, die selbst in künstlerische Prozesse eintauchen und vor diesem Hintergrund die Ausdrucksformen und Arbeitsweisen der Kinder und Jugendlichen betrachten. In
Umweltbereiche und Umweltausschnitte
Für das künstlerische Gestalten stehen nach Möglichkeit großzügige Atelierräume zur Verfügung. Die darin befindlichen Materialien sind frei verwendbar. Der angebotene Platz ermöglicht Gruppenarbeit und Einzelbetreuung. Zudem steht genügend Platz zur Verfügung, um Bilder, Formen und Objekte eine Zeit lang stehen zu lassen oder in Regalen zu archivieren. Diese Erfahrung von Anerkennung fördert die Bildung von Selbstbewusstsein. Wichtig ist es auch, dass Rückzugsräume u.a. zur Betrachtung von Bilderbüchern und Bildbänden zur Verfügung stehen. Die Arbeitsräume können zu einer Ausstellungssituation umgestaltet werden. Ein großer Material-Fundus hält neben Farben auch Sperriges wie Bretter, Stöcke, Fundstücke usw. bereit. Das Malen an Staffeleien ermöglicht eine intensive ästhetische Erfahrung Dabei stehen auch transparente Materialien, die ein Spiel mit Licht-Phänomenen ermöglichen, zur Verfügung. Ebenso stehen in einer Werkstatt Werkzeuge bereit, mit denen altersgerecht Material wie z.B. Holz bearbeitet werden kann. Ein Wasserspielplatz ermöglicht, ästhetische
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elementaren Bildungsprozessen neue Potentiale. So kann entdeckt werden, dass es in der Kunst oft um ungewohnte Darstellungen geht, um Phantasievolles und Absurdes, Subjektives und Individuelles, Humorvolles oder auch Bedrohliches und nicht umschematische Darstellungen.
elementaren künstlerisch-ästhetischen Bildungsprozessen schaffen gemeinsame Produktionen wie Malaktionen in der Gruppeoder das gemeinsame Bauen von Formen und Skulpturen Räume, um das eigene Handeln, mit dem anderer zu koordinieren und in dialogische Prozesse einzutauchen. Auch können der Ausdruck und die Lesart schematischer Darstellungsformen hiermit eine Erweiterung erfahren.
Erfahrungen und Experimente mit Wasser. Für umfangreichere Projekte steht ein geeigneter Außenbereich zur Verfügung. Dieser gilt nicht nur als Arbeitsplatz zur Verfügung, sondern auch ein künstlerisch gestalteter Ort, der vielfältige Sinneserfahrungen ermöglicht.
Welche Ansprüche haben Kinder und Jugendliche auf Bildung?
Inhalte, Themen und Ansprüche aus individueller Perspektive
Zur Entwicklung des individuellen Ausdrucks, sollte alles als künstlerisches Material verwendet werden- nicht nur Farben, Papier und Pinsel. Die Arbeit mit Farben bietet den Kindern und Jugendlichen Gelegenheit, mit Farbmischungen und Farbstimmungen zu experimentieren. Dabei kann die Ausdruckskraft von Farben und ihre Wirkung auf Stimmungen ebenso ausprobiert werden wie das Beschreiben von Formen wodurch das Darstellungsrepertoire erweitert wird. Künstlerische Arbeiten im Original oder als Reproduktion können hierfür Anregungen liefern. Menschliche Darstellungen und die Umwelt werden zunehmend zum Thema ästhetischer Ausdrucksformen wie dem Zeichnen und Malen. Hierzu wird Raum gegeben, ohne Erwartungshaltungen bzgl. naturalistischer Darstellungen aufzubauen. Neben dem freien Experimentieren erlernen Kinderund Jugendliche in
Unterstützende Interaktionen und Kommunikationsformen
Ästhetische Fähigkeiten, Interessen und Wissen werden sowohl in der individuellen Praxis als auch im gemeinsamen Tun mit anderen entwickelt. Kinder und Jugendliche lernen von und mit Gleichaltrigen und Erwachsenen und setzen ihre eigenen Ausdrucksformen in Bezug zu denen der anderen. Dies kann durch Gespräche über die entstandenen Arbeiten, behandelten Themen und Prozesse sowie durch Präsentationen unterstützt werden. Im gemeinsamen Malen, Bauen, Zeichnen etc. entstehen ästhetische Dialoge, bei denen jede/r mit seinem bzw. ihrem Tun auf den Impuls des anderen eingeht. Dieses Potential kann in Gemeinschaftsaktionen aufgegriffen werden, bei denen im Prozess Gestaltungen z.B. mit Farben, t Ton, Papier und Fundstücken entstehen. Durch das Gespräch über Bilder lernen die Kinder und Jugendlichen deren Qualitäten
Unterstützende räumliche und materielle Rahmenbedingungen
Kinder und Jugendliche haben Anspruch darauf, In ihren Arbeits- und Präsentationsräumen Zeit zur Betrachtung von Bildern und Objekten in einer Atmosphäre der Konzentration Muße, Ruhe oder auch des gemeinsamen, lauten Agierens zu bekommen. Neben regelmäßigen Museumsbesuchen werden eigene Ausstellungen organisiert Künstler/innen und andere Kulturschaffende besucht oder eingeladen. Neben unterschiedlichen Materialien werden verschiedene Ausdrucksformen kennengelernt. Hierzu zählen unter anderem das großformatige Malen, das Spiel mit Licht und Schatten, die Performance sowie angrenzende Tanz- und Theaterformen einschließlich Maskenbau und Kostümierung, wozu entsprechende Räume bereitgestellt oder bestehende Räume kurzfristig umgestaltet werden sollten. In solchen Zusammenhängen werden
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elementaren künstlerisch-ästhetischen Bildungs-prozessen Techniken wie den Umgang mit Stift und Pinsel; das Schneiden mit Schere oder Messer und die Handhabung verschiedenen Werkzeuge. Erfahrungen können auch mit technischen und digitalen Medien wie Foto- und Videokamera gemacht werden. Damit können Beobachtungen der Welt festgehalten und mit anderen kommuniziert werden. In elementaren Bildungsprozessen sprechen Kinder und Jugendliche zunehmend differenzierter über Bilder. Dies bezieht sich nicht nur auf das konkret visuell Sichtbare, sondern auch auf Empfindungen, Gefühle, Fantasien, Entdeckungen, Erlebnisse und Gedanken.
zu würdigen und Bezüge zu Kunstwerken, den Ergebnissen eigener künstlerischer Betätigung oder eigenen Erfahrungen herzustellen sowie Unterschiede zu anderen Bildern zu erkennen. Durch Besuche in Museen oder von Künstler/innen in ihren Ateliers und an anderen Arbeitsorten lernen Kinder und Jugendliche Malerei, Skulptur, Fotografie, Installation, Performance und Aktion als essenzielle Beiträge zur Kultur kennen und wertschätzen. Sie erfahren außerdem Künstler und Künstlerinnen als Persönlichkeiten, die sich reflektiert mit ihrer Umwelt auseinandersetzen und professionell mit kreativen Prozessen umgehen.
Überschneidungen mit anderen Bildungsbereichen erreicht; beispielsweise mit der sprachlichen und schriftsprachlichen, mit der musikalischen, der physisch-psychischen Bildung und der Medienbildung. Bei einer experimentellen Vorgehensweise finden außerdem immer auch naturwissenschaftlich-technische sowie mathematische Bezüge Berücksichtigung. Auch hierzu sind entsprechende Materialien und Geräte wie Lupen, Mikroskope, Räder, Walzen etc. bereit zu stellen. Umweltbereiche für die elementare künstlerisch-ästhetische Bildung sind grundsätzlich darauf ausgerichtet, dem Drang zu erforschen und auszuprobieren mit unterschiedlichen Materialien zu entsprechen und sollten durchlässig sein, so dass keine stereotype Verteilungen z.B. in der Zuordnung von Materialien zu Geschlechtern begünstigt, sondern Übergänge- zwischen Geschlechterrollen ermöglicht werden.
Welche konkreten Lernarrangements können angeboten werden?
Konkrete Lernangebote aus individueller Perspektive
Kinder und Jugendliche erhalten vielfältige Gelegenheiten, z.B. dazu: - ungehindert auf Mal- und Zeichenmaterialien zuzugreifen - sich einen eigenen Arbeitsplatz einzurichten, der auch über längere Zeit Bestand hat - einen großen Materialfundus einschließlich Kunstkatalogen und Bilderbüchern zur Verfügung zu haben
Unterstützende Interaktionen und Kommunikationsformen in konkreten Lernangeboten
Gemeinsam mit anderen haben die Kinder und Jugendlichen Möglichkeiten: - auf einen permanent vorhandenen Experimentier- und Gestaltungsbereich zurückzugreifen (Mal-und Arbeitstisch, Raum für Projektarbeit drinnen und draußen) - künstlerisch Gestaltetes und kulturell Ausgeformtes zum Inhalt des
Materialien und Räume für konkrete Lernangebote
Beim Umgang mit künstlerischen Techniken und Materialien: - ist bei thematisch gebundenen Vorhaben der Themenkreis so weit gefasst, dass individuelle Arbeiten entstehen können - lernen Kinder und Jugendlicheverschiedene Ausdrucksformen kennen; beispielsweise das großformatige Malen, das Gestalten von Miniaturformaten, die Erarbeitung von
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und ihn nach eigenen Interessen und Vorlieben zu nutzen - regelmäßig fachkundige Einführungen in neue und alte Techniken sowie in die Handhabung von Werkzeugen und Medien zu erhalten, um das eigene Repertoire an Ausdrucksmöglichkeiten zu erweitern - viele unterschiedliche Materialien zu verwenden, z.B. unterschiedliche Farben (Wasser- Finger-, Plakatfarbe); verschiedene Papiere und Pappen zum Malen, Zerreißen und Kombinieren (Bunt-, Seiden- und Packpapier Plastik- und Alufolie usw.); große Pappkartons, Schachteln, und Dosen; unterschiedliche Naturmaterialien sowie Werkzeuge wie Hammer, Messer, Säge, Scheren, Bohrer und Klebstoffe, Leim und Klebeband - den Materialfundus frei und selbstbestimmt zu nutzen, d.h. die angeboten Dinge frei zu verwenden, ohne an vorgeschriebene Verwendungs- und Gebrauchszusammenhänge oder konkrete Aufgaben gebunden zu sein.
Nachdenkens und des Austauschs werden zu lassen - sich zu Situationen und Aufgaben ins Verhältnis zu setzen und Situationen selbst zu initiieren, die zur Ausdifferenzierung der eigenen künstlerischen Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsmöglichkeiten herausfordern - das bereitgestellte, selbst gesuchte oder mitgebrachte Material zu erkunden und zu bearbeiten - darüber zu sprechen, wie sie sich beim Betrachten von Bildern und anderen Kunstwerken fühlen, was sie denken und assoziieren und damit sowohl über die sichtbare Seite künstlerischen Handelns nachzudenken und zu sprechen, als auch über deren unsichtbare Seite, wie innerpsychische Prozesse.
- „Geschmacksfragen“ zu thematisieren, indem erste Erfahrungen zu themen- und materialgerechten Gestaltungsfragen diskutiert werden, zum Beispiel darüber, was als passend und unpassend, harmonisch oder störend, sicher und verstörend, s bekannt oder fremd empfunden wird.
Materialcollagen, das Erkunden und Konstruieren von Installationen, der Umgang mit digitalen Bildern sowie Farb- und Schwarz-Weiß-Fotos - sammeln Kinder und Jugendliche Primärerfahrungen, insbesondere im Umgang mit Naturmaterialien sowie interessanten und vielseitigen Alltagsgegenständen, die vertraut sind oder erst erkundet werden müssen; diese für alle ungefährlichen Alltagsgegenstände, werden zum Spielen und Experimentieren zur Verfügung gestellt - sammeln Kinder und Jugendliche Sekundärerfahrungen, indem sie sich nicht nur mit Originalen, sondern auch mit Reproduktionen in Kunstkatalogen Kunstbänden, und Bilderbüchern, auf Postern und Kunstpostkarten usw. auseinandersetzen Bei Museums- und Galeriebesuchen findet eine praktische, handlungs- und erfahrungsbasierte Kunstvermittlung statt, bei der nicht nur Werke betrachtet und besprochen, sondern auch eigene Wahrnehmungs- und Gestaltungsexperimente durchgeführt werden.
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Tabelle Primare künstlerisch-ästhetische Bildung
Primare Bildung Dimensionen von Bildung
personal sozial sachlich
Entwicklungs- und Bildungsaufgaben
Bildung aus individueller Perspektive
Kinder und Jugendliche gestalten in primaren künstlerisch-ästhetischen Bildungsprozessen im wachsenden Maße absichtsvoller und setzen sich bewusster mit ihrer Wahrnehmung und dem Wahrgenommenen auseinander. Sie entwickeln ihre individuellen Ausdruckformen weiter und in ihren Bildern dokumentieren sich ihre Fantasien und Vorstellungen. Auch Erfahrungen mit der sozialen und medialen Umwelt sowie die Erweiterung ihrer Erfahrungsräume fließen zunehmend mit in die Gestaltungen ein. Künstlerisch-ästhetische Bildung muss darauf angelegt sein, Prozesse der Aneignung von Umwelt, der Integration in die Gesellschaft und der aktiven Gestaltung der Lebenswelt zu unterstützen. Demzufolge müssen individuelle Zugänge ermöglicht werden. Um die Flexibilisierung von Wahrnehmungs- und Darstellungsformen anzuregen, sind experimentelle Arbeitsweisen wesentlich. Bedeutsam hierfür ist die handlungsorientierte Auseinandersetzung mit Kunst. Dies ermutigt dazu, eigene Sichtweisen einzunehmen und einen individuellen Ausdruck zu gestalten, da sich in den Werken von Künstler/innen auch zunächst
Soziale Beziehungen und Austauschprozesse
In der Gruppenarbeit lernen Kinder und Jugendliche, ihre eigenen Ideen zu vermitteln, sie diskutieren und sich mit anderen über gemeinsam zu bewältigende Arbeitsprozesse und -schritte abzustimmen. Dadurch erfahren sie unterschiedliche Perspektiven und den Wechsel zwischen diesen. Zur Projektarbeit gehört nicht nur die Kommunikation über gemeinsame Themenfelder sondern auch die Organisation, Konzeption und Materialbeschaffung oder der Einsatz von Medien. Hierbei werden unterschiedliche Rollen eingenommen und Verhaltensweisen und Fertigkeiten oder Fähigkeiten gezeigt, die individuelle Anerkennung finden. Durch produktive Auseinandersetzungen mit künstlerischen Techniken und Materialien wird ein gemeinsamer gestalterischer Prozess vorangetrieben, oder zum Abschluss gebracht. Entscheidend sind hierbei die Erfahrungen der Kinder und Jugendlichen während des Gestaltungsprozesses. Der Fokus liegt beim künstlerischen Gestalten somit nicht auf Arbeitsergebnissen, die normativen Vorstellungen von Erwachsenen entsprechen, sondern auf
Umweltbereiche und Umweltausschnitte
In möglichst großzügigen Atelier- und Arbeitsräumen finden Gruppenarbeit und Einzelbetreuung nebeneinander statt. Es steht ein reichhaltiges und kontinuierlich zu erweiterndes Materiallager zur Verfügung sowie Platz, um Bilder und Objekte eine Zeit lang stehen zu lassen oder zu archivieren. Die Räume sollten so umgestaltet werden können, dass auch Ausstellungssituationen entstehen und gemeinsame geräusch- und bewegungsintensive Aktionen möglich sind. Zur ruhigen und konzentrieren Beschäftigung ist eine Kunstbibliothek mit einladender Sitzgelegenheit und großem Tisch eingerichtet, Bildmaterial ist nicht monokulturel, sondern bietet Zugänge zu unterschiedlichen Kulturen. Für größere Projekte oder bildhauerische Arbeiten steht ein geeigneter Außenbereich zur Verfügung. Für kreative Medienarbeit steht ein Pool an digitalen Fotokameras und nach Möglichkeit auch Videokameras bereit, sowie Computer für Bild- und Klangbearbeitungen. Mit Kassettenrekordern und digitalen Aufnahmegeräten können die Kinder und Jugendlichen ihre auditiven Eindrücke festhalten und mit ihnen experimentieren.
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Absurdes zeigt. Auch Tabubrüche und Grenzverletzungen können in der Bildenden Kunst als produktive Elemente erfahren werden.
den Erfahrungen der Kinder und Jugendliche im Arbeitsprozess selbst. Wie auch in elementaren künstlerisch-ästhetischen Bildungsprozessen können künstlerisch Tätige Erwachsene wie Künstlerinnen und Künstler eine Vorbildfunktion einnehmen, zunehmend auch bezüglich möglicher Lebensentwürfe und Rollenmodelle.
Technische Alltagsgeräte wie Lampen, Ventilatoren und ausrangierte Schallplattenspieler regen die Kinder und Jugendlichen zum Experimentieren mit bewegten Objekten und Lichtphänomenen an. Hierzu sollte ein Fundus bereit gestellt und z.T. auch von den Kindern aus aussortierten Haushaltsgegenständen zusammengetragen werden.
Welche Ansprüche haben Kinder und Jugendliche auf Bildung?
Inhalte, Themen und Ansprüche aus individueller Perspektive
Die Ausdifferenzierungen des Ausdrucksvermögensgeht mit einer zunehmenden Reflexion von Wahrnehmungen und Darstellungen einher und bezieht sich nicht nur auf Farben und Formen, sondern auch auf das gesamte Lebensumfeld, Personen und durch Medien vermittelte Bilder. So können auch gesellschaftliche Zuschreibungen, z.B. hinsichtlich Geschlecht und/oder kultureller Zugehörigkeit, die auf der Ebene der ästhetischen Erscheinung getroffen werden, reflektiert und spielerisch erweitert werden. Im differenzierter werdenden Sprechen über Kunst, Künstler/innen und Kunstwerke lernen Kinder und Jugendliche in primaren Bildungsprozessen beobachten, betrachten, befragen, beschreiben und deuten. Sie interpretieren das Gesehene sowie Erfahrene und stellen es in einen Kontext. Kinder und Jugendliche haben den Anspruch darauf, Anregungen, Materialien und Gesprächsangebote zu erhalten, um
Unterstützende Interaktionen und Kommunikationsformen
Gemeinsam mit Gleichaltrigen und Erwachsenen werden Projekte zu künstlerischen Strategien, Künstlern und Kunst- bzw. Stilrichtungen geplant und durchgeführt Dabei lernen Gleichaltrige untereinander und gemeinsam konstruktive Kritik zu üben, Erfahrungen auszutauschen und sich mit Künstlern, Künstlerinnen und Kunstwerken auseinanderzusetzen. Kinder und Jugendliche sammeln Erfahrungen mit künstlerischen Verfahren, die Teamarbeit erfordern, wie z.B. dem Herstellen großer Bauten sowie der Aufnahme von Videos. In Projekten können Bilder, Skulpturen, Zeichnungen, Architektur etc. aus unterschiedlichen Kulturen kennen gelernt und dabei Gemeinsamkeiten und Unterschiede beobachtet werden. Kinder und Jugendliche sammeln reichhaltige Erfahrungen beim künstlerischen Gestalten allein und in der Gruppe. Das Sprechen und Diskutieren über Kunst, Künstler und Künstlerinnen begleitet das eigene Tun und lösen intensive Phasen
Unterstützende räumliche und materielle Rahmenbedingungen
Die Kinder und Jugendlichen greifen selbsttätig auf eine große Vielfalt von Medien und Materialien, Strategien und Haltungen zurück, die jedoch durch Bezugspersonen strukturiert sind. Neben Angeboten in Bildungsinstitutionen sind Angebote dieser bedeutsam. Hierzu zählen beispielsweise Projekte in Kooperation mit Museen, Galerien, , Künstler/innen und Kunstvereinen. institutionenübergreifende Projekte geben künstlerisch-ästhetischen Produktionen von Kindern und Jugendlichen durch die Präsentation der Arbeitsergebnisse und Reflexionen Öffentlichkeit. Das Sichtbarwerden im öffentlichen Raum vermittelt Anerkennung und ermöglicht Teilhabe Dies kann auch stattfinden, indem Kinder und Jugendliche in die Planung von öffentlichen Räumen wie Spielplätzen und Parks einbezogen werden. In interdisziplinären Kunst-Projekten werden ästhetische Zugänge zu anderen Bildungsbereichen wie der sprachlichen Bildung und der
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zunehmend reflektierte künstlerisch-ästhetische Prozesse individuell zu entwickeln.
des Machens ab. Medienbildung geschaffen. Räume müssen grundsätzlich so beschaffen sein, dass Zuordnungen zu Kategorien wie Geschlecht, Ethnie, Behinderung bzw. Nicht-Behinderung unterlaufen werden.
Welche konkreten Lernarrangements können angeboten werden?
Konkrete Lernangebote aus individueller Perspektive
Beim künstlerischen Gestalten werden Eindrücke neu strukturiert und führen durch Verfremdung zur Selbst- und Welterkenntnis. Um diese Prozesse zu ermöglichen, ist es notwendig , dass Kinder und Jugendliche:
die Möglichkeit haben, selbst Themen zur künstlerischen Bearbeitung zu wählen, die einen Bezug zu ihrer Lebenswelt aufweisen
mit neuen Ausdrucksformen experimentieren können, ohne auf Naturalismus oder harmonische Darstellungen festgelegt zu werden
Körperbezogenes Arbeiten und Bewegung einbeziehen können
in Kunstkatalogen, Zeitschriften, DVD’s und Videos stöbern, um sich beispielsweise auf die Spur eines „Lieblingskünstlers“ bzw. einer "Lieblingskünstlerin" oder eines „Lieblingsmotivs“ zu begeben
über diese Möglichkeiten ihren individuellen Einstieg in die Kunstgeschichte und Gegenwartskunst gewinnen
in ihrer alltäglichen Umwelt offen sind
Unterstützende Interaktionen und Kommunikationsformen in konkreten Lernangeboten
Künstlerisch-gestaltendes Handeln, gleich ob produktiver oder rezeptiver Natur, ist immer auf den Austausch mit anderen, aber auch auf das In-sich-Gehen angewiesen. Kinder und Jugendliche erfahren:
dass künstlerische Ausdrucksformen Gegenstand des Nachdenkens sind
dass Gleichaltrige und Erwachsene gemeinsam über künstlerische Arbeiten und Arbeitsprozesse diskutieren und dass sie unterschiedlicher, aber auch ähnlicher oder manchmal sogar gleicher Meinung sein können
Differenzen bzw. Übereinstimmungen zwischen eigenen ästhetischen und künstlerischen Urteilen und denen anderer
dass ihre individuelle Meinung für andere bedeutsam ist
-, dass Positionen zu künstlerischen Arbeiten und Gestaltungsprozessen etwas sehr Individuelles sind. Sie erfahren, dass die Meinung über Bilder, Plastiken, Installationen usw.
Materialien und Räume für konkrete Lernangebote
Anregende Umwelten bestärken darin, individuell künstlerisch-ästhetische Ausdrucksformen zu entwickeln. Zu diesen Umwelten gehören:
eigene Arbeitsplätze der Kinder und Jugendlichen, über die sie frei verfügen können und die als Rückzugsraum zum Arbeiten und Nachdenken geeignet sind
eine Vielfalt von Alltags- und künstlerischen Materialien, von „alten“ und „neuen“ Medien
Bücher, Zeitungen, Zeitschriften, Kunstkataloge, Sachbücher und Lexika, um Themen, Motive, Künstler/innen und Kunststile unterschiedlicher Kulturen und Epochen zu entdecken und sie zu einem individuellen Thema für sich selbst zu machen
Künstler, Künstlerinnen und andere Kulturschaffende, die eingeladen und in Projekte aktiv eingebunden werden und dadurch die sozialräumliche Dimension künstlerisch-ästhetischer Bildung erweitern
Museums- und Atelierbesuche sowie
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für die Suche nach neuen Motiven und geeigneten Gestaltungsmöglichkeiten
mit einem breiten Spektrum von Farben Stiften, Papieren und weiteren Materialien vertraut sind und sie zur Entwicklung eines eigenen künstlerischen Ausdrucks auch gebrauchen.
immer auch etwas über die Persönlichkeit desjenigen, der sich über sie äußert, mitteilt.
Beim Diskutieren über künstlerische Arbeiten anderer eine Festigung im Wissen um die eigenen Erfahrungen und Fähigkeiten im Umgang mit künstlerischen Materialien und Techniken
einen Zugewinn an Selbstvertrauen und entwickeln Stolz in dem Empfinden, dass ihnen etwas gut gelungen ist was sie zum Weitermachen motiviert
Freude und Herausforderungen bei der Gestaltung von Ausstellungen und Festen
Exkursionen an unterschiedliche und auch ungewöhnliche Orte, die regelmäßig stattfinden und mit Projekten verbunden sind
ausreichend Materialien und Apparate, z.B. optische Instrumente, für alle Mitglieder der Lerngruppe sowie technische Mittel, die medienreflexiv eingesetzt werden
genügend Raum und Gelegenheiten zum Improvisieren und Ausprobieren
Atelierräume in der Institution primarer Bildung
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Tabelle Heteronom expansive künstlerisch-ästhetische Bildung
Heteronom expansive Bildung
Dimensionen von Bildung
personal Sozial sachlich
Entwicklungs- und Bildungsaufgaben
Bildung aus individueller Perspektive
Jugendliche entwickeln individuelle Formen ästhetischen Selbstausdrucksund schaffen ästhetisch und performativ gemeinsam mit anderen eine Jugendkultur. Damit werden Identitätsbildungsprozesse unterstützt. Hierbei sind Auseinandersetzung mit eigenen Lebensfragen und Weltsichten relevant und dienen als Abgrenzungen von der Erwachsenenkultur. Wichtig sind hingegen Orientierungen an der Gleichaltrigen-Gruppe – den Peers – und die Entwicklung von Symbolen der Zugehörigkeit. Es können subversive künstlerisch-ästhetische Praxisformen geschaffen werden, die sich auch, wie z.B. beim Graffiti, an der Grenze zur Legalität bewegen und die sich– wie z.B. das Piercing oder das Tatoo an subkulturellen Praxisformen orientieren.
Soziale Beziehungen und Austauschprozesse
Bedeutsam ist die Zugehörigkeit zur Peergroup, die durch Symbole und Stilisierungen nicht nur signalisiert, sondern auch hergestellt wird. Diese ästhetischen und performativen Prozesse finden somit nicht nur individuell, sondern interaktiv und kommunikativ statt. Deswegen ist es wichtig, Gruppenprozesse als integrative Elemente dieser Bildungsprozesse zu begreifen und Gruppenarbeiten und –projekte zu ermöglichen. Gleichzeitig ist es notwendig, z.B. über das Spiel mit eigenen Symbolisierungen, die Entstehung neuer Gruppenzugehörigkeiten und hiermit auch die Erweiterung künstlerisch-ästhetischen Ausdrucks zu begünstigen. Erwachsene begleiten diese Prozesse, strukturieren, geben Impulse, stehen als Ansprechpartner/innen zur Verfügung und geben Rückmeldungen zu Schwierigkeiten und zum Gelingen.
Umweltbereiche und Umweltausschnitte
Notwendig sind nicht zu stark vorstrukturierte Räume, die aktiv mit ästhetischen Mitteln angeeignet werden können. Benötigt werden sowohl Treffpunkte als auch Rückzugsorte für künstlerisch-ästhetische Aktivitäten. Medienausstattungen unterstützen die Kompetenzen von Jugendlichen im Bereich der Medienarbeit und sprechen ihr Medieninteresse an. Die Bereitstellung eines Medienpools mit digitalen Foto- und Videokameras ermöglicht, Inszenierungsfähigkeiten anzuwenden, sich selbst zum Ausdruck zu bringen und in intuitive, ungeplante mediale Gestaltungsprozesse einzutauchen. Mit Präsentationen der entstandenen Arbeiten und Prozesse, auch in Verbindung mit Events, werden die Jugendlichen in der Öffentlichkeit sichtbar und erfahren Teilhabe.
Welche Ansprüche haben Kinder und Jugendliche auf Bildung?
Inhalte, Themen und Ansprüche aus individueller Perspektive
Jugendliche haben einen Anspruch auf Arrangements künstlerischer Bildung, die sich durch Offenheit, Zugänglichkeit und
Unterstützende Interaktionen und Kommunikationsformen
Anregungen für Neuerfahrungen können sowohl durch Gespräche in der Gruppe, als auch im individuellen Austausch mit
Unterstützende räumliche und materielle Rahmenbedingungen
Neben außergewöhnlichen Orten wie Kunst- und Kulturinstitutionen sowie Ateliers bieten alltägliche Orte vielzählige
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Partizipation auszeichnen, aber auch Anregungen dafür enthalten, neue Darstellungsformen und Arbeitsweisen auszuprobieren und sich selbst auf neue Weise zu erfahren. Zentral sind die Thematisierung des eigenen Selbst, die Entwicklung von Identität und die Beziehungen zu den Peers mit künstlerisch-ästhetischen Mitteln. Weitere wesentliche Themen betreffen erste Liebesbeziehungen, aber auch Ereignisse in der Umwelt sowie gesellschaftspolitische Fragen, die auch in der Auseinandersetzung mit Kunstwerken bearbeitet werden können. Künstlerische Tagebücher und andere Methoden regen Reflexionsprozesse an und ermöglichen Erweiterungen von gegebener Geschmacksbildung, von Einstellungen und Ausdrucksformen.
Erwachsenen entstehen, wobei wichtig ist, dass diese einen dialogischen Charakter aufweisen. Kunstaktionen – auch im öffentlichen Raum – lassen ästhetische Gruppenprozesse entstehen, die für Jugendliche attraktiv sind. Die Begegnung mit Künstler/innen können neue Lebens- und Berufsperspektiven offerieren und die Funktion alternativer Vorbilder übernehmen. Grundsätzlich muss informellen sozialen Prozessen Raum gegeben und Gelegenheiten zur Reflexion geschaffen werden. Dies ist auch notwendig, um , z.B. Ausgrenzungen von Einzelnen aus der Gruppe entgegen zu wirken.
Gelegenheiten für heteronome künstlerisch-ästhetische Bildungsprozesse, da sie starke Lebensweltbezüge aufweisen. Eine hohe Bedeutung kommt insbesondere den Orten zu, die Jugendliche selbsttätig und mit ihren Peers aufsuchen, wie z.B. die Straße, der Treffpunkt in der Stadt, die Straßenbahn etc. Dies sind Orte die Gelegenheiten für lebensweltbezogene künstlerisch-ästhetische Bildungsprozesse bieten. Ebenso können mit Aktivitäten im Internet virtuelle Orte einbezogen werden z.B. in der Verwendung von sozialen Netzwerken und Online-Plattformen. Beispiele aus der Medienkunst – z.B. der Netzkunst – stellen Strategien einer reflexiven und auch kritischen Nutzung bereit.
Welche konkreten Lernarrangements können angeboten werden?
Konkrete Lernangebote aus individueller Perspektive
Die Arrangements weisen ein hohes Identifizierungspotential auf und laden zum individualisierten Arbeiten ein.
verschiedene Angebote und Themen stehen zur Auswahl bzw. können selbst entwickelt werden. z.B.,
sich gemeinsam mit dem Freund/der Freundin und der Clique in einer Fotoinszenierung zu präsentieren
sich mit entsprechenden Vorbildern und Idolen z.B. mit Malerei, Collage und/oder Videoinszenierung zu beschäftigen
Künstlerische Auseinandersetzungen
Unterstützende Interaktionen und Kommunikationsformen in konkreten Lernangeboten
Geeignet sind
dezentrale Vermittlungsformen, wie Kleingruppen-oder Einzelarbeit,
Angebote in Gruppen mit denen jugendkulturelle Symbolisierungen, wie z.B. Graffiti oder Kleidungsstile, im gemeinsamen Handeln interaktiv hervorgebracht werden, damit diese konstruktiv aufgegriffen und auch verändert sowie Gruppenzugehörigkeiten und kritisch hinterfragt werden können,
gemeinsame Produktion von
Materialien und Räume für konkrete Lernangebote
Unterschiedliche Materialien, Medien und Anschauungsmaterialien werden zur selbsttätigen Verwendung zur Verfügung gestellt und Erwachsene sind für Beratung und Feedback präsent. Nischen für die Arbeit von Einzelnen und Kleingruppen sollten gegeben sein. Ästhetische Forschungen und damit die Erkundung der eigenen Lebenswelt und der der anderen werden angeregt durch beispielsweise
Beobachtungen und Recherchen im Stadtraum,
Planungen zur Gestaltung von Orten
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z.B. mit dem Selbstbild beschränken sich nicht auf naturalistische Wiedergaben des Gesichts, sondern, beispielsweise auch auf die Dokumentation wichtiger Gegenstände, wie z.B. das Handy, und Attribute, wie z.B. Schmuck und Tattoos. Hiermit werden Erforschungen und Befragungen des Selbst angestellt und kommuniziert.
Mit Video- und Fotoinszenierungen werden Möglichkeiten des Selbstausdrucks geschaffen und Ausdrucksformen der populären Kultur können angewendet und individuell weiterentwickelt werden. Mit dem Einsatz entsprechender Bildbearbeitungssoftware werden Medienkompetenzen der Jugendlichen aufgegriffen.
Videoclips, Plakaten, Wandmalereien
Grundsätzlich sind moralisch-ethische Normen einzuhalten, und z.B. rechtsradikalen Symbolen, menschenverachtenden Darstellungen und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit entgegen zu treten
künstlerische Aktionen wie Interventionen im Stadtraum und Partizipatorische Projekte im öffentlichen Raum mit Passanten- und Anwohnerbeteiligung,
gemeinsame künstlerische Praxis mit professionellen Künstler/innen, die auch eine Vorbildfunktion besitzen,
im öffentlichen Raum
Dokumentationen eigener alltäglicher Wege
Durch das Aufsuchen von nicht-bekannten Orten können diese in der künstlerisch-ästhetischen Praxis angeeignet und so Partizipation erfahren werden, z.B. durch
das Wahrnehmen sowie das zeichnerisch, malerisch, fotografische Darstellen,
die Begehung des Ortes und die Bewegung darin,
die plastisch-räumliche Umgestaltung.
Auch Kunstinstitutionen sollten als zugänglich erlebt werden und die unmittelbare Begegnung mit Kunst als Bildungsressource vermitteln, z.B.
Interaktive und handlungsorientierte Vermittlungsangebote,
die Möglichkeit, professionelle Kunstorte (Atelier, Galerie, …) als eigene Arbeitsräume zu nutzen
die Möglichkeit "hinter die Kulissen zu schauen" und Produktionsformen, Technik etc. kennen zu lernen
Ausstellungsinhalte, die thematisch den Interessen der Jugendlichen entsprechen
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Tabelle Autonom expansive künstlerisch-ästhetische Bildung
Autonom expansive Bildung
Dimensionen von Bildung
personal sozial sachlich
Entwicklungs- und Bildungsaufgaben
Bildung aus individueller Perspektive
Autonome künstlerisch-ästhetische Bildungsprozesse sind geprägt von der Loslösung von Elternhaus und Gruppenbindungen. Es entwickeln sich zunehmend individuelle Vorlieben und Ausdrucksformen. Individualität, und damit die Möglichkeit des Rückzugs und das Finden neuer Gleichgesinnter sind von Bedeutung. Das Kennenlernen von Künstler/innen und Kunstwerken kann für diese Bildungsprozesse produktiv sein, indem hier die Abwendung vom Konventionellen und der Mut zur Individualität beispielhaft sind. Ungewohnte künstlerische Techniken und Materialverwendungen bieten Möglichkeiten, zu neuen Ausdrucksformen zu gelangen, die den veränderten Orientierungen entsprechen. Kunst sollte als Ressource zur Entwicklung von Autonomie erfahren werden.
Soziale Beziehungen und Austauschprozesse
Soziale Beziehungen sind in autonomen Bildungsprozessen davon geprägt, das Eigene zu behaupten und Anregungen der Anderen zur Entwicklung des individuellen Ausdrucks zu nutzen. Es müssen Gelegenheiten zur Wahrnehmung der Individualität des anderen und seiner Ausdrucksformen geschaffen werden. z.B. in der gegenseitigen Präsentation von entstandenen Arbeiten und von Arbeitsprozessen, in denen der Einzelne über seine/ihre individuellen Zugangsweisen berichtet. Kommunikative künstlerisch-ästhetische Prozesse können auch in Arbeitsgruppen stattfinden. Einzelgespräche können die künstlerisch-ästhetischen Prozesse begleiten. Die Zusammenarbeit mit Künstler/innen ermöglicht es, Erwachsene als autonome Persönlichkeiten zu erleben.
Umweltbereiche und Umweltausschnitte
Geeignet sind Räume, die Möglichkeiten für individuelles Arbeiten ohne zwingenden Gruppenanschluss bieten. Individuell vereinbarte Öffnungszeiten und Zugangsformen erleichtern das selbstständige Arbeiten. Für die Beschaffung benötigter Materialien und Medien übernehmen Jugendliche zunehmend selbst Verantwortung, allerdings sollten sie durch Rat und Organisation unterstützt werden. Anregungen gehen auch von kulturellen Angeboten mit Bezug zu Jugendkunstschulen, Museen und Galerien aus, die freiwillig besucht werden. Wichtige Räume sind Kunstbibliotheken und Datenbanken, die Zugang zu Informationen bieten. Praktika und Arbeitsmöglichkeiten in Ateliers von bildenden Künstler/innen vermitteln professionelle Zugänge zu Arbeitsformen bildender Kunst.
Welche Ansprüche haben Kinder und Jugendliche auf
Inhalte, Themen und Ansprüche aus individueller Perspektive
Jugendliche haben Anspruch darauf in ihrem Interesse nach Autonomie und der
Unterstützende Interaktionen und Kommunikationsformen
Jugendlichen wird Freiraum gegeben, um selbst Kommunikationsformen zu
Unterstützende räumliche und materielle Rahmenbedingungen
Alle Umweltbereiche bieten geeignete Rahmen für autonome künstlerisch-
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Bildung?
Ausdifferenzierung ihres individuellen Ausdrucks unterstützt zu werden. Inhalte und Themen werden von den Jugendlichen selbst gewählt, und können alle Lebensbereiche oder künstlerischen Fragestellungen betreffen. Themenstellungen, die aufgrund von spezifischen institutionellen und/oder gruppenbezogenen Bedingungen gegeben werden, sind möglichst breit und offen angelegt, sodass individuelle Ausprägungen möglich sind. Es werden Möglichkeiten geschaffen, das Eigene in gesellschaftliche und kulturelle – z.B. kunsthistorische - Kontexte einzubinden. Hierzu werden Gespräche zur Kunst, Kunstbetrachtungen und handlungsorientierte Annäherungen an Kunstwerke angeboten.
gestalten und interaktive Bezüge herzustellen. Hierfür stehen genügend Zeit und räumliche Bedingungen, wie Sitzecken zur Verfügung. Das Kennenlernen von Künstler/innen und anderen Kulturschaffenden bietet die Möglichkeit, Vergleiche mit dem eigenen Vorgehen und dem Schaffen anderer vorzunehmen. Der Austausch mit Künstler/innen eröffnet Räume für eine erfahrungsbasierte diskursive Auseinandersetzung. Jugendliche erhalten Zugang zu Online-Medien, um künstlerische Interaktionen – auch im Sinne der Netzkunst und Mailart - zu initiieren, aber auch um über Kunst zu kommunizieren und um Recherchen anzustellen.
ästhetische Bildungsprozesse. Diese werden von den Jugendlichen selbst nach ihrem Interesse und dem bearbeiteten Thema gewählt. Jugendliche erfahren dabei die Möglichkeit Umwelt zu gestalten und sich anzueignen. Individuell zugängliche Atelierräume können günstige Ausgangsbedingungen für die selbst gewählten Arbeitsformen bieten. Wesentlich ist es, Präsentationsräume, z.B. im öffentlichen Raum, in Galerieräumen und anderen Ausstellungsorten zu schaffen. Eine Veröffentlichung der eigenen Arbeiten bietet die Möglichkeit, sie aus einer veränderten Perspektive zu sehen und Rückmeldungen zu erhalten.
Welche konkreten Lernarrangements können angeboten werden?
Konkrete Lernangebote aus individueller Perspektive
Es gilt vornehmlich, den jugendlichen Rahmenbedingungen für das selbstständige Erschließen eigener Themenfelder und das Eintauchen in selbstinitiierte künstlerisch-ästhetische Arbeitsprozesse zu schaffen. Werden Themenangebote formuliert, müssen diese offen für individuelle Umsetzungen und Weiterentwicklungen sein. Inhaltlich können biographische Aspekte oder Themen aus den Bereichen Politik und Gesellschaft behandelt werden. Hierzu zählen z.B.
Unterstützende Interaktionen und Kommunikationsformen in konkreten Lernangeboten
Bedeutsam sind die kompetente Unterstützung der selbst gewählten Arbeitsweisen und der positive persönliche Kontakt mit den Erwachsenen, die mit Interesse die individuellen Vorgehensweisen begleiten und flexibel auf diese reagieren können. Um eine erweiterte Reflexionsdimension zu eröffnen ist es unterstützend, wenn die Arbeitsweisen der Jugendlichen von den begleitenden Erwachsenen in übergeordnete Zusammenhänge, eingeordnet werden z.B. hinsichtlich
Materialien und Räume für konkrete Lernangebote
Ein wesentlicher Aspekt zur Gestaltung attraktiver Bildungsangebote ist die Ausstattung verfügbarer Räumlichkeiten mit frei zugänglichen Arbeitsmaterialien, wie
z.B. Gips, Leinwänden, Folien, Farben, ...,
Werkzeugen (z.B. Meißeln, Hämmern, ...)
analogen sowie digitalen Medien (Video und Fotokameras).
Bedeutsam sind auch Raumatmosphäre und Größendimension sowie die Möglichkeit sowohl im Außen- als auch im
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Auseinandersetzungen mit der Gestaltung des Stadtraums,
Migration,
Klimawandel,
Umgang mit Grenzen usw.
Möglich sind auch Angebote, die auf eine Ausbildung im künstlerisch-ästhetischen Bereich vorbereiten.
Angebote können auch darauf ausgerichtet sein, selbst gewählte Techniken weiterzuentwickeln, z.B.
im Bereich analoger oder digitaler Fotografie
Video, digitaler Schnitt
Performance, Aktionskunst
Malerei und Grafik
Skulptur.
kunstgeschichtlicher
kultureller,
gesellschaftlicher und
ökonomischer Entwicklungen
Soziale Formen, die diese Reflexionsprozesse unterstützen sind:
Gruppengespräche
Arbeitsgemeinschaften, in denen z.B. gemeinsam Ausstellungen und Events organisiert werden oder auch Projekträume geschaffen werden
Programme bei denen Jugendliche zu Museumsführer/innen für andere Jugendliche werden und dabei helfen, sich selbst als kompetente Persönlichkeit zu erfahren.
Jugendlichen lernen hierbei Selbstverantwortung und gegenseitig konstruktive Kritik zu üben.
Innenraum zu arbeiten.
Künstlerisch-ästhetische Bildung kann nicht nur in eigens dafür eingerichteten Räumen stattfinden, sondern auch
im öffentlichen Raum
im Naturraum.
in selbst gefundenen und zur künstlerisch-ästhetischen Praxis bestimmten Räumen wie der Ladenraum, die Garage, die Gartenlaube, etc.
Sie erschließt, diese Räume für künstlerische Eingriffe und Umgestaltungen z.B. durch
Erkundungen,
künstlerische Interventionen mit Grafik, Plastik, Performance etc.
Handlungsorientierte Angebote in Kunstinstitutionen verhelfen dazu, das eigene Schaffen in kulturelle Kontexte zu stellen. Geeignete Orte sind
Museen,
Galerien,
Ateliers
Künstlerische Werkstätten z.B. in den Sommerwochen ermöglichen längere Arbeitsphasen und somit intensiver in künstlerische Arbeitsprozesse einzutauchen.
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