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Analyse und Bewertung von Geruchsstoffen in Gießereien
Heinrich Otto: Hüttenwerk bei Nacht, Radierung (ca. 1920)
Abschlussarbeit
Postgradualstudium Toxikologie
der Universität Leipzig
Dipl.-Chem. Christine Rissom
Freiberg, 09.02.2005
Abschlussarbeit PGS Toxikologie
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung 3
2 Geruchsinn und Geruchsstoffe 5
2.1 Anatomie und Funktionsweise 5
2.2 Eigenschaften von Geruchsstoffen 8
3 Analytik von Gerüchen 11
3.1 Analytische Messverfahren 11
3.2 Sensorische Geruchsmessungen 12
3.3 GC-MS-Sniff-Analyse 17
4 Allgemeine Grenzwerte und gesetzliche Regelungen für Gerüche 18
5 Gerüche in Gießereien 21
5.1 Geruchsquellen in Gießereien 21
5.2 Analyse von Geruchsstoffen in Gießereien (Beispiele) 23
5.3 Einschätzung der Toxizität verschiedener (Geruchs-)Stoffe 29
5.3.1 Benzol, Toluol, Xylol (BTX), Styrol, Phenol und polyzyklische aromatische
Kohlenwasserstoffe (PAK) 29
5.3.2 Nitrosamine 32
5.3.3 Diisocyanate 34
5.3.4 Formaldehyd 35
5.3.5 Isopropanol 35
5.3.6 Methylformiat 36
5.3.7 Isophoron 36
6 Zusammenfassung und zukünftige Entwicklungen 37
Literaturverzeichnis 41
Tabellenverzeichnis 43
Abbildungsverzeichnis 43
Eidesstattliche Erklärung 44
Danksagung 45
2
Abschlussarbeit PGS Toxikologie
1 Einleitung
Im Jahr 2004 wurde der Nobelpreis für Medizin/Physiologie Linda Buck (Seattle,
USA) und Richard Axel (New York, USA) verliehen. Sie erforschten eine
Genfamilie, zusammengesetzt aus etwa 1000 Genen, die zu einer großen Anzahl
von Geruchsrezeptoren führen. Ihre Untersuchungen erstreckten sich von der mo-
lekularen Ebene der Geruchsrezeptoren bis zur Organisation von Riechzellen [1].
Auch im täglichen Leben spielen Gerüche eine nicht unwesentliche Rolle. Ob im
Haushalt, Hof, Garten oder im beruflichen Umfeld - durch Gerüche erfasst der
Mensch seine Umwelt und kontrolliert zum Beispiel den Zustand seiner Nahrung.
Gerüche rufen Reaktionen hervor: ein angenehmer Geruch kann stimulieren, ein
fremdartiger oder unangenehmer Geruch führt zu Nervosität oder weckt den
Fluchtinstinkt. Ständiger schlechter Geruch kann nachweislich zu seelischen und
körperlichen Problemen führen (z.B. Sick Building Syndrome).
Mit der vorliegenden Arbeit soll zuerst ein Überblick in die Kenntnisse zum
menschlichen Geruchsinn gegeben werden, wobei auf Anatomie, Eigenschaften
und Funktionsweise des Geruchsinns eingegangen wird.
Die Sensibilität des Menschen gegenüber Geruchsstoffen ist im Vergleich zum
Hund relativ gering. Trotzdem ist der menschliche Geruchsinn gegenüber allen
Methoden der Geruchsanalytik überlegen. Möglichkeiten zur Analytik von
Geruchsstoffen bzw. Gerüchen werden erläutert, ihre jeweiligen Vor- und
Nachteile verdeutlicht.
Vor allem die als unangenehm empfundenen Gerüche veranlassten den
Menschen, Verfahren und Methoden zu entwickeln, diese Gerüche zu messen
und beseitigen zu können. Im Vordergrund stehen dabei industriell verursachte
Gerüche, wie in Tabelle 1 veranschaulicht wird:
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Abschlussarbeit PGS Toxikologie
Tabelle 1: Wirtschaftsbereiche und typische Geruchsquellen [2]
Wirtschaftsbereich Geruchsquelle Lebens-
und Genussmittelpro-duktion
Ölmühlen, Tabakverarbeitung, Schlachthöfe, Fischverarbeitung, Räuchereien...
Landwirtschaft Tierproduktion, Düngung, Silierung, Tierfutterher-stellung
Gaststätten und Verpfle-gungseinrichtungen Großküchen, Imbisseinrichtungen
Gebrauchsgüterindustrie Lackierereien, Gerbereien, Gießereien,
chemische Produktion, pharmazeutische Produktion, Gummiverarbeitung
Abfall- und Entsorgungs-wirtschaft
Kanalisation, Kläranlagen, Kompostierung, Tierkör-perbeseitigung, Deponien, Toiletten
Hauptaugenmerk soll in dieser Arbeit auf Geruchsquellen in Gießereien gelegt
werden. Die geographische Nähe der Gießereibetriebe zu Wohngebieten und die
damit verbundenen Gerüche sowie das gestiegene Umweltbewusstsein der
Bevölkerung gebieten es der Industrie, sich mit der Geruchsproblematik
auseinanderzusetzen. Bei der Fertigung von Gussteilen fallen etwa 310.000 m³/h
gasförmiger Emissionen aus den Einsatzstoffen an [3]: aus organischen Bindern
(~47.000 t/a) und Kohlenstoffträgern (~130.000 t/a) sowie aus gasförmigen
Aminen (~700 t/a). Das Ergründen der Quellen der Gerüche und der Möglichkeiten
zur Vermeidung bzw. Reduktion lästiger Gerüche stehen heutzutage bei den
Gießereibetrieben im Mittelpunkt der Forschungen. Dabei spielen auch arbeits-
und umweltschutzrelevante Fragestellungen eine große Rolle.
In dieser Arbeit werden u.a. Geruchsquellen im Herstellungsprozess von
Gussstücken gezeigt, d.h. bei welchen Vorgängen und unter welchen
Bedingungen werden Stoffe frei, die geruchlich erfassbar sind. Welche Stoffe
(Stoffklassen) werden frei und mit welchen Methoden sind Geruchsstoffe
erfassbar? Des weiteren soll auf die Frage, wie ihre toxikologische Wirkung auf
den Menschen am Arbeitsplatz einzuschätzen ist, eingegangen werden.
Daraus abgeleitet werden Maßnahmen zur Geruchsvermeidung bzw. zum Arbeits-
und Umweltschutz unter Beachtung der jeweils geltenden gesetzlichen
Regelungen.
4
Abschlussarbeit PGS Toxikologie
2 Geruchsinn und Geruchsstoffe
2.1 Anatomie und Funktionsweise
Die Nase ist der äußerste Abschnitt der oberen Atemwege. Sie erwärmt,
befeuchtet und filtert die eingeatmete Luft und enthält die für das Riechen
notwendigen Geruchsrezeptoren. Das Naseninnere ist die Nasenhöhle, deren
Dach vom Siebbein und Keilbein gebildet wird. Der Gaumen ist der Boden der
Nasenhöhle und trennt sie von der Mundhöhle. Die Nasenhöhle ist innen mit einer
stark durchbluteten Schleimhaut ausgekleidet, die wässrigen Schleim aus Drüsen
absondert. Der Schleim befeuchtet die einströmende Luft und filtert Verunrei-
nigungen und Bakterien heraus. Winzige haarähnliche Zilien (Flimmerepithel) auf
dieser Schleimhaut bewegen sich rhythmisch hin und her und befördern den
schmutzbefrachteten Schleim rachenwärts, so dass er geschluckt und im Magen
mit verdaut wird. Das Epithel, welches sich näher am Naseneingang befindet, ist
für die Respiration zuständig (respiratorisches Epithel).
An der Oberseite der Nasenhöhle liegt das Riechfeld (Regio olfactoria, Abb. 1), ein
etwa briefmarkengroßes Schleimhautareal (olfaktorisches Epithel) mit 10 bis 25
Millionen Riechepithelzellen, die Millionen von Gerüchen registrieren können. Die
Riechepithelzellen sind Chemorezeptoren, die die in der Atemluft enthaltenen und
im Schleim gelösten Substanzen erfassen können.
Abbildung 1: Lage des Riechfeldes (Regio olfactoria)
Der Reizmechanismus der Rezeptoren ist noch nicht im einzelnen bekannt.
Verschiedene Theorien werden und wurden diskutiert. Einige Beachtung fand zum
Beispiel die stereochemische Geruchstheorie nach AMOORE [4], die heute schon
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Abschlussarbeit PGS Toxikologie
veraltet ist. Auf deren Grundlage werden Gerüche durch ihre stereochemischen
Besonderheiten in sieben Grundgerüche eingeteilt (Tab. 2). Alle anderen Gerüche
sind durch verschiedenartige Mischungen dieser Grundgerüche herstellbar. Sechs
verschiedene Arten von Rezeptoren werden vermutet und zwar je einer für die fünf
Grundgerüche und einer für den beißenden bzw. faulen Geruch.
Tabelle 2: Grundgerüche nach der stereochemischen Geruchstheorie nach AMOORE [4]
Grundgeruch Geruchstoff Beispiel kampferähnlich Campher Mottengift moschusartig Pentadecanolaceton Engelwurz
blumenduftartig Phenylethylmethylethylkarbinol Rosenduft mentholartig Menthone Minze
ätherisch Ethylendichlorid Trockenreinigungsmittel beißend Ameisensäure Weinessig
faul Butylmercaptan faules Ei
Angenommen wird, dass die in den Geruchstoffstrukturen enthaltenen
funktionellen Gruppen mit den Rezeptorzellen eine Verbindung eingehen und
dadurch zur Wirkung kommen. Nach einer anderen Theorie von HENNING [5] gibt
es sechs verschiedene Grundgerüche, aus denen sich alle Gerüche zusammen-
setzen lassen. Die folgende Darstellung soll dies verdeutlichen:
Abbildung 2: Geruchseinteilung nach HENNING (Geruchs-Prisma) [5]
Jedoch gibt es bisher noch kein Modell, mit dem der Geruch eines bestimmten
Moleküls vorhergesagt werden kann.
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Abschlussarbeit PGS Toxikologie
Bei einer Erregung durch Gerüche werden Nervenimpulse über Fasern des
Riechnerves (Nervus olfactorius) zu den beiden Riechkolben (Bulbus olfactorius
dexter / sinister) an der Basis des Stirnhirns geleitet. Von dort zieht die Riechbahn
zur primären Riechrinde (Cortex olfactorius). Die Riechbahn gehört zum
limbischen System, in dem Gefühle und Erinnerungen verarbeitet werden. Das
primäre Riechzentrum nimmt Gerüche bewusst wahr. Informationen über Gerüche
werden zum Teil auch an andere Teile des limbischen Systems weitergeleitet, so
dass unbewusste Reaktionen auf Gerüche hervorgerufen und ein „Geruchsbild“
erzeugt wird. So gibt es sowohl in der Anatomie als auch in der Physiologie einen
starken Zusammenhang zwischen olfaktorischem und trigeminalem System
(Nervus trigeminus – für Fühlen zuständig). Gerüche rufen Gefühle hervor. Minze
hat zum Beispiel einen etwas fruchtigen Geruch. Gleichzeitig wird ein gewisser
Kühlungs- oder Erfrischungseffekt hervorgerufen, der trigeminal bedingt ist [6].
Folgendes Schema zeigt den Verlauf der Geruchswahrnehmung:
EMPFINDUNG Geruchseindruck
INTERPRETATION Gehirn
WAHRNEHMUNG Riechschleimhaut
REIZ Geruchstoff
Abbildung 3: Schema der Geruchswahrnehmung
Eine Erhöhung der Anzahl von Geruchstoffmolekülen in der Luft führt zu einer
vermehrten Reizung der Rezeptorzellen und damit zu einer stärkeren Geruchs-
wahrnehmung. Um Gerüche gezielt wahrzunehmen und erkennen zu können, ist
es notwendig, den Riechvorgang zu intensivieren. Das heißt, der Geruchstoff
muss den Rezeptoren konzentrierter angeboten werden, was der Mensch durch
verstärktes Einatmen („Schnüffeln“) realisiert. Eine Reizung wird reduziert bzw.
vermieden, indem die Geruchstoffzufuhr unterbrochen wird z.B. manuell durch
Schließen der Nase oder durch „Verdünnen“ beim Fächeln oder Lüften).
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Abschlussarbeit PGS Toxikologie
2.2 Eigenschaften von Geruchsstoffen
Geruchsstoffe müssen spezielle Eigenschaften haben, um als solche erkannt zu
werden. Einige sind in Abb. 4 gezeigt:
Flüchtigkeit Wasser- und Fettlöslichkeit Geruchsstoffe geringes Molekulargewicht Struktur
funktionelle Gruppen
Abbildung 4: Eigenschaften von Geruchsstoffen
Allen Geruchsstoffen ist gleich, dass sie eine gewisse Flüchtigkeit besitzen. Für
eine ausreichende Flüchtigkeit ist ein Molekulargewicht von <350 Dalton günstig.
Einen wesentlichen Einfluss haben funktionelle Gruppen. Um von der
wasserhaltigen Riechschleimhaut absorbiert zu werden und die lipidhaltige
Membran des Riechepithels zu durchdringen, müssen die Geruchsstoffe wasser-
und fettlöslich sein (hydro- und lipophil). Die qualitative Wirkung der Geruchsstoffe
kann von der chemischen Struktur und den funktionellen Gruppen abhängig sein.
Interessant ist hierbei, dass strukturell unterschiedliche Verbindungen fast
identische Geruchsempfindungen hervorrufen können [7]. Campher, Hexachlor-
ethan, Hexachlorbenzol und Octachlornaphthalin (siehe Abb. 5) haben trotz unter-
schiedlicher Strukturen einen ausgeprägten Camphergeruch. Die geruchliche Ver-
wandtschaft wird mit einer ähnlichen räumlichen Geometrie begründet.
Campher Hexachlorethan
Hexachlorbenzol Octachlornaphthalin
Abbildung 5: Strukturformeln von Campher, Hexachlorethan, Hexachlorbenzol, Octachlornaphthalin strukturell verschieden – ähnlicher Geruch [7]
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Abschlussarbeit PGS Toxikologie
Strukturell ähnliche Stoffe können hingegen geruchsspezifisch sehr unterschied-
lich wirken, so ist iso-Vanillin im Gegensatz zu Vanillin fast geruchlos (Abb. 6).
Vanillin Iso-Vanillin
Abbildung 6: Strukturformeln von Vanillin, iso-Vanillin strukturell ähnlich – verschiedener Geruch [7]
Es lassen sich keine einheitlichen physikalisch-chemischen Merkmale festlegen,
die mit der Geruchswirkung eines Stoffes korrelieren. Qualitätsänderungen sind
schon durch geringe Veränderungen in der Struktur möglich. Geruchsqualitäten
lassen sich unter anderem nach ihren funktionellen Gruppen einteilen:
Tabelle 3: Geruchsqualitäten in Abhängigkeit funktioneller Gruppen [2]
Geruchseindruck Funktionelle Gruppe Stoffgruppe
-OH Alkohole -OR Ether
-CHO Aldehyde -COR Ketone
-COOR Ester -CN Cyanverbindungen
angenehm
-NO2 Nitroverbindungen -SH Mercaptane -SR Thioether
-CSR Thioketone -NC Nitrile
unangenehm
-NH2 Amine
Unangenehme Gerüche (z.B. bei biologischen Abbauprozessen) können bei
anderen Reaktionsbedingungen oder veränderten Prozessabläufen zu angeneh-
men Geruchsempfindungen (fruchtig-aromatisch) führen.
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Abschlussarbeit PGS Toxikologie
Zwischen wahrgenommener Geruchstärke und Geruchstoffkonzentration besteht
kein linearer Zusammenhang. Die wahrgenommene Geruchstärke (Empfindungs-
stärke) ist abhängig vom dekadischen Logarithmus der Geruchstoffkonzentration:
⋅=
G
PGW c
cKI ,log Weber-Fechner-Gleichung
I Geruchsintensität KW Weber-Fechner-Konstante cG,P Konzentration des Geruchsreizes der Probe cG Konzentration des Bezugsreizes (hier: Geruchschwellenkonzentration, defi-nitionsgemäß 1 Geruchseinheit GE/m³) Mit zunehmender Geruchstoffkonzentration kann sich die wahrgenommene
Geruchsqualität verändern. Geruchsstoffe, die in geringen Dosen als angenehm
empfunden werden, können in hohen Dosen als Belästigung wahrgenommen
werden. Auch ein Verschwinden des Geruchs ist möglich (Beispiel: H2S).
Allgemein kann zusammengefasst werden, dass die menschliche Olfaktion
insgesamt sehr kompliziert und längst nicht lückenlos untersucht ist. Es existieren
zu viele Gerüche, die durch eine Vielzahl von Stoffen hervorgerufen werden, um
sie nach Mustern aus „einfachen“ Grundgerüchen herstellen und ihre Wirkung
untersuchen zu können. Hinzu kommt, dass im Laufe des Lebens erlernt wird, wie
man auf verschiedene Gerüche reagiert, was eine Analyse von Gerüchen sowie
eine objektive Bewertung mithilfe von Testpersonen erschwert.
10
Abschlussarbeit PGS Toxikologie
3 Analytik von Gerüchen
In der Praxis finden für die Geruchsanalytik vor allem (gas-)analytische und
sensorische Methoden Anwendung.
3.1 Analytische Messverfahren
Die analytischen Messverfahren sind sehr vielfältig und liefern Aussagen zu
Stoffart und -konzentration. Mögliche Verfahren sind [2]:
FID (Flammen-Ionisations-Detektor):
Organisch gebundene Kohlenstoff-Atome werden in einer Wasserstoff-Flamme
ionisiert. Dabei erfolgt eine kontinuierliche Registrierung der zeitlichen Konzentra-
tionsverteilung des Gesamt-Kohlenstoff-Gehalts im Abluftstrom.
Kieselgelverfahren:
Die Abluft wird durch ein mit Kieselgel gefülltes Sorptionsröhrchen geleitet.
Organische Verbindungen werden dabei am Kieselgel adsorbiert. Die Desorption
erfolgt im Sauerstoff-Strom bei erhöhter Temperatur, so dass organische Verbin-
dungen zu CO2 verbrennen. Die Bestimmung erfolgt dann messanalytisch oder
coulometrisch. Es handelt sich um ein diskontinuierliches Verfahren, bei dem nur
Momentanwerte erhalten werden.
Direktanzeigende Prüfröhrchen:
Diese werden für eine Vielzahl von Stoffen angeboten. Sie eignen sich für
Kurzzeitmessungen. Die Analysen sind jedoch nicht immer stoffspezifisch. Die
Gefahr von Querempfindlichkeiten und damit größeren Fehlern besteht. Vorteilhaft
ist die einfache Handhabung sowie der kurzfristige direkte Zugriff auf das
Messergebnis. Das Prinzip besteht in der Durchleitung eines definierten Luft-
stroms durch sorptionsaktive Reagenzien. Anhand einer bestimmten Farbreaktion
ist das Ergebnis vom Tester einzuschätzen.
Gaschromatographie:
Es handelt sich um ein diskontinuierliches Verfahren, bei dem die Komponenten
eines Stoff-/Gasgemischs vereinzelt werden. Auftretende Konzentrationsschwan-
kungen im Abluftstrom werden jedoch nicht erfasst. Ein Gaschromatograph
besteht aus der Trenneinheit und dem Detektor. Die Trennung eines Stoff-
gemischs erfolgt in einer beheizten Säule/Kapillare, die innen mit polarisiertem
Material beschichtet ist. Ein Trägergas transportiert das zu trennende Stoff-
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Abschlussarbeit PGS Toxikologie
gemisch über die Säule. Getrennt werden die Komponenten nach ihrer unter-
schiedlichen polaren Affinität, nach der sie aus der Säule austreten und detektiert
werden. Günstig ist zum Beispiel eine Kopplung mit einem Massenspektrometer
(GC-MS).
Tragbare Detektoren:
Diese existieren für einige anorganische Stoffe (z.B. CO, CO2, H2S), mit denen
man direkt an der Emissionsquelle messen kann. Durchgeführt werden können
kontinuierliche Vor-Ort-Messungen und die Daten sind rasch verfügbar.
3.2 Sensorische Geruchsmessungen [2]
Bei sensorischen Geruchsmessungen fungiert im Allgemeinen die menschliche
Nase als Detektor. Man spricht dabei von Olfaktometrie. Verwendete Geräte sind
Olfaktometer mit dem in Abb. 7 gezeigten Aufbau.
Abbildung 7: Prinzipieller Aufbau eines Olfaktometers [2]
Folgende Parameter lassen sich aus den Messungen ableiten:
- Geruchstoffkonzentration,
- Geruchsart/ Qualität/ Charakteristik,
- Intensität des Geruchs,
- hedonische Geruchswirkung,
- Dauer und Häufigkeit der Geruchseinwirkung,
- Geruchsbelästigung.
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Abschlussarbeit PGS Toxikologie
Da die Durchführung mit einem Probandenkollektiv (Testpersonen) erfolgt, muss
eine Objektivierung der subjektiven Komponente einer Messung/Aussage erzielt
werden. Bezüglich des Probandenkollektivs ist zu beachten, dass stets mehrere
Testpersonen an der Geruchsmessung teilnehmen. Sie sollen einen „normal“
ausgeprägten Geruchsinn haben (Normosmie). Die Prüfung auf Normosmie kann
mit Screeningtests erfolgen. Dabei werden den Testpersonen verschiedene stan-
dardisierte Riechstifte angeboten. Die Probanden müssen angeben: „es riecht“
oder „es riecht nicht“. Genauer lässt sich mit SDI-Tests der Geruchsinn der
Probanden und ihre subjektive Wahrnehmung einschätzen (Standard in
Deutschland, Österreich und Schweiz). Auch hier erfolgt der Test mit Riechstiften
(Sniffin’ Sticks). Untersucht werden dabei die Geruchsschwelle, die Unterschei-
dungsmöglichkeit (Diskrimination) und mögliche Identifikation von verschiedenen
Geruchsproben (Schwelle – Diskrimination - Identifikation = SDI). Die Testgruppe
soll des weiteren repräsentativ (Alter, Geschlecht...) zusammengesetzt sein. Der
Geruchsinn soll während der Messung unbeeinflusst sein (kein Parfum, Alkohol,
Mahlzeiten, Rauchen; Probanden gesund). Wichtig ist außerdem das Messumfeld
(d.h. neutrale Raumluft, klimatisiert).
Die Bestimmung der Geruchstoffkonzentration erfolgt, indem eine geruchlich zu
beurteilende Probe mit geruchsneutraler synthetischer Luft bis zur
Wahrnehmungsschwelle verdünnt und dann den Testpersonen angeboten wird.
Die Wahrnehmungsschwelle oder auch Geruchsschwelle wird in mehreren
Messreihen bestimmt, wobei die einzelnen Aussagen der Probanden in einer
Gaußverteilung erfasst werden. Üblicherweise wird dazu der Z50-Wert genutzt.
Dieser beinhaltet nur eine physiologische Wahrnehmung ohne subjektive
Bewertung des Geruchs (es riecht nach...). Der Z50-Wert stellt die Verdünnung
einer Geruchsprobe dar, bei der 50 % der Darreichungen keinen Geruchseindruck
(„ich rieche nichts“) und 50 % einen Geruchseindruck („ich rieche etwas“)
hinterlassen. Die so ermittelte Geruchsstoffkonzentration entspricht der
Wahrnehmungsschwelle und ist definiert mit 1 GE/m³ (GE = Geruchseinheit). Die
Geruchsstärke ist umso größer, je mehr man die Geruchsprobe zum Einstellen der
Geruchsschwelle verdünnen muss.
Werte, die dazu dienen, die Streubreite der Probandenantworten abzuschätzen,
sind der Z16- und der Z84-Wert. Z16 kennzeichnet die Geruchsstoffkonzentration,
13
Abschlussarbeit PGS Toxikologie
bei der 16 % der dargereichten Geruchsproben zu einem Geruchseindruck führen
(Ansprechgrenze). Z84 ist entsprechend die Konzentration, bei der 84 % einen
Geruchseindruck hinterlassen. Mit diesen Werten ist es möglich, Geruchsstoffe mit
eng- oder weitgespreizter Geruchsschwelle zu unterscheiden. So lassen sich für
Stoffe mit enggespreizter Geruchsschwelle wie z.B. Aceton bei Unterschreiten des
Z50-Wertes Geruchsbelästigungen vermeiden.
Wichtig für jede Messung ist eine entsprechende Kalibrierung. Dazu können die
Testpersonen durch Referenzmessungen mit Standardproben (H2S, Butanol)
geprüft werden. Schwefelwasserstoff bietet sich v.a. deshalb an, weil er der am
meisten untersuchte Geruchsstoff ist. Als Referenzgeruchsschwellenwert wird
eine Konzentration von 3 µg/m³ angegeben.
Die verbal durch die Probanden beschriebene Geruchsempfindung (Geruchsart/
Geruchsqualität) dient zur Beurteilung von Emissionen und Immissionen. Gerüche
können zum Beispiel beschrieben werden als: eklig, beißend, faulig, süßlich, riecht
nach... Je besser die Testpersonen den Geruch beschreiben können, umso
besser gelingt es, den Geruch einer bestimmten Emissionsquelle zuzuordnen.
Eine Klassifizierung der Geruchsempfindung ist kompliziert und erfolgt in der
Praxis durch Vergleich mit bekannten oder als Referenz dienenden Proben
(Grundgerüche, siehe Tab. 2). Wesentlich komplexer ist die Beurteilung von
Geruchsstoffgemischen, bei denen sich unter Umständen die Einzelkomponenten
beeinflussen können (Addition, Kompensation der Geruchswirkung) oder
wechselwirken (Synergismus).
Eine Skala von 0...6 dient zur Charakterisierung der Geruchsintensität, wobei 0 –
kein Geruch, 1 – sehr schwacher Geruch,... und 6 - extrem starker Geruch
bedeutet. Die Untersuchungen zur Geruchsintensität erfolgen, im Gegensatz zur
Bestimmung der Geruchstoffkonzentration, im überschwelligen Bereich.
Gerüche lassen sich nicht nur nach stark und schwach beurteilen, sondern auch
als angenehm oder unangenehm. Die Untersuchung dieser „hedonischen
Wirkung“ wird ebenfalls im überschwelligen Bereich durchgeführt. Die
Testpersonen beschreiben hierbei ihre persönlichen Empfindungen, welche durch
14
Abschlussarbeit PGS Toxikologie
den Geruchsstoff selbst, die Geruchsstoffkonzentration und die individuellen
Erfahrungen (Erziehung, Lebensumfeld...) beeinflusst werden.
Generell ist zu berücksichtigen, dass in regelmäßigen Abständen der Geruchsinn
der Testpersonen mit geruchsneutraler Luft regeneriert werden sollte. Der
Geruchsinn ist individuell unterschiedlich, kann sich sogar innerhalb eines
Menschenlebens durch physische und psychische Einflüsse ändern. Diese
Faktoren sind zu beachten, um Fehlinterpretationen in den Messungen zu
vermeiden.
Nicht nur Olfaktometer mit einem „menschlichen Detektor“ können eingesetzt
werden. Auch sogenannte „Elektronische Nasen“ (elektronische Olfaktometer)
finden zunehmend Anwendung. Eine elektronische Nase ist „…ein Instrument,
welches eine Anordnung von elektronischen (Gas-)Sensoren mit einer begrenzten
Selektivität gekoppelt mit einer geeigneten Mustererkennung umfasst und
imstande ist, einfache und komplexe Gerüche zu identifizieren...“ [8]. Es wurden
zahlreiche schnell reagierende (Chemo-)Sensoren entwickelt, die auf unterschied-
lichen chemischen und physikalischen Prinzipien beruhen. Eingesetzt werden zum
Beispiel leitfähigkeitssensitive Materialien (dotierte Metalloxide oder leitfähige
Polymere) oder Sensoren, die die direkte Masse- oder Dichteänderung bei der
Sorption eines Gases in eine sensitive Substanz detektieren (Schwingquarze oder
akustische Oberflächenwellensensoren (Surface Acustic Waves, SAW)). Ein
Vorteil der genutzten Sensoren ist, dass sie Querempfindlichkeiten aufweisen.
Durch geschickte Kombination von verschiedenen Sensoren, die z.B. eine ganze
Stoffgruppe detektieren, verbunden mit einer Mustererkennung, ist es möglich
Gerüche zu „lernen“ und wiederzuerkennen. Unter Verwendung neuronaler Netze
erfolgt dann eine Auswertung dieser Sensorsignale im Verhältnis zueinander und
zum Nullwert. Eine weitere Methode der Datenauswertung ist die Hauptkompo-
nentenanalyse, bei der auch die einzelnen Gerüche im Verhältnis betrachtet
werden, aber hinsichtlich des Abstandes der Geruchsproben. Problematisch
erweist sich jedoch die Querempfindlichkeit gegenüber geruchlosen Substanzen
(Methan, Sauerstoff) oder auch zur Luftfeuchte. Das erschwert die Auswertung
von Gerüchen bei Prozessen mit stark wechselnden Parametern.
15
Abschlussarbeit PGS Toxikologie
In folgender Tabelle sind die verschiedenen Sensortypen gegenübergestellt:
Tabelle 4: Vergleich von Sensortypen [9]
Sensortyp Funktions-weise
Feuchte-empfindlichkeit
Temperatur-empfindlich-keit
Empfindlichkeiten im Vergleich
SAW: surface acustic waves (akustische Oberflächen-wellen)
Laufzeit und Amplitude von Schall im Sorbens
sorbens-abhängig mittel-hoch
hoch, 15-20 % Schwankung bei 5 °C
Grenze bei 1 ppm Benzol, Stickstoff- und Schwefel-verbindun-gen besser als MOS
MOS: metal oxide semi-conductor (Metalloxid-Halbleiter)
Leitfähigkeit hoch gering NOx>0,1 ppm, NH4>20 ppm, Alkohole
>20 ppm
CPS: conducting polymer sensors (leitfähiges Polymer)
Leitfähigkeit polymer-abhängig hoch-mittel
hoch
Widerstands-änderung von 0,2 % bei 1000 ppm Methanol, 5,5 % 1000 ppm 1-Pentanol, Unterschei-dung von 10 und 40 ppt Trichloranisol
QMB: quarz micro balance (Quartz-Mikrowaage)
Masse eines Sorbens durch Frequenz-änderung
sorbens-abhängig mittel-hoch
hoch
Bei 500 ppm C2Cl4 50 Hz Frequenzän-derung, 500 ppm Aceton 10 Hz bei 10 MHz
Weiterhin ist anzumerken, dass beim MOS im Probengas Sauerstoff vorhanden
sein muss, wodurch sich eine starke Abhängigkeit vom Sauerstoffpartialdruck
ergibt. Die Sensoren lassen sich in unterschiedlich großen Arrays anordnen.
Eine weitere Art von Sensoren sind kalorimetrische Sensoren, bei denen bei der
Wechselwirkung von Geruchskomponenten mit der Rezeptorschicht die ausge-
tauschte Wärme als Temperaturänderung erfasst und in ein geeignetes elektroni-
sches Signal übersetzt wird.
Bei der Probenahme müssen definierte Bedingungen am Sensorarray eingehalten
werden. Dazu sind je nach Sensortyp Einrichtungen zur Thermostatierung, Be-
16
Abschlussarbeit PGS Toxikologie
feuchtung, Druck- und Volumenregelung notwendig. Wichtig ist, dass die Probeluft
nicht mit störenden Aerosolen und Partikeln belastet ist (vorgeschaltetes
Adsorbens). Drei Probezuführungstechniken werden generell unterschieden: die
statische und dynamische Headspacemessung einer Feststoff- oder Flüssigkeits-
probe und die kontinuierliche Geruchsmessung eines Gasstromes.
Bei der statischen Headspacemessung wird der Gasraum der festen oder
flüssigen Probe dem elektronischen Olfaktometer nach Thermostatierung zuge-
führt oder das Geruchssensorarray wird in das Vorlagengefäß abgesenkt.
Die dynamische Headspacemessung besteht in der Über- oder Durchströmung
der Probe mit anschließender Messung im kontinuierlich arbeitenden Olfakto-
meter. Die VDI-Richtlinie DIN EN 13725 beschreibt die empfohlene Bestimmung
von Geruchsstoffkonzentrationen mittels dynamischer Olfaktometrie [10].
Bei der kontinuierlichen Geruchsmessung wird z.B. das Sensorarray durchgehend
mit dem Probegas beaufschlagt. Zum Abgleich des Drifts der Sensoren oder
schnellem Wechsel der Probengaszusammensetzung wird die Anordnung in Ab-
ständen mit Inertgas, Raumluft oder gereinigter Luft gespült.
In der Vergangenheit stand vor allem die Wiedererkennung von Gerüchen im
Vordergrund und weniger eine Konzentrationsermittlung. Jedoch führen Fort-
schritte in der Datenauswertung und in Techniken zur Anreicherung von geringen
Stoffkonzentrationen dazu, dass eine Konzentrationsermittlung sowie Kalibrierung
der Sensoren zukünftig möglich erscheint.
3.3 GC-MS-Sniff-Analyse
Eine Kombination aus analytischer und sensorischer Methode stellt die GC-MS-
Sniff-Analyse dar [11]. Bei diesem noch jungen Verfahren gilt es nicht nur, die
Bestandteile zu identifizieren, sondern auch eine geruchstechnische Erfassung
der Stoffe zu erzielen. Es werden Gasproben durch Absorberröhrchen geleitet und
Stoffe mit Molekulargewichten von mehr als 40 AMU (Atomare Masseneinheiten)
zurückgehalten. Am Einlasssystem des GC-MS-Sniff-Analysators werden die
Stoffe schlagartig verdampft und im Gaschromatographen aufgetrennt. Der
Gasstrom wird geteilt, wobei ein Teil dem Analysator zugeführt wird, der andere
wird einem Probanden zum Riechen dargeboten. Die Testperson bewertet jede
Substanz geruchlich (Geruchsintensität). Die Zuordnung der Peaks zu einer
Substanz erfolgt durch das Massenspektrometer mithilfe einer Spektrenbibliothek.
17
Abschlussarbeit PGS Toxikologie
Das Massenspektrometer und der Sniffdetektor sind synchronisiert, so dass ein
mit einem Olfaktogramm gekoppeltes Chromatogramm entsteht. Jedem Peak
(Stoff) wird eine bestimmte Geruchsintensität zugeordnet (siehe Abb. 9). Die
Methode ist recht aufwendig und es bestehen Unsicherheiten bezüglich der
Subjektivität der Geruchsbewertung, weshalb Wiederholungsmessungen
notwendig werden.
4 Allgemeine Grenzwerte und gesetzliche Regelungen für Gerüche
Das Auftreten von Gerüchen ist laut Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG)
nur eine „erhebliche Belästigung“ aber keine Gefahr [12]. Das Gesetz erfordert
nicht die Vorlage von Ergebnissen aus toxikologischen Prüfungen, jedoch ist es
auf diese angewiesen. Verboten oder in ihrer Verwendung beschränkt werden
Stoffe, die als gefährlich erkannt oder vermutet werden. Außerdem wird geregelt,
inwieweit Emissionen zu begrenzen und Sicherheitsauflagen notwendig sind.
Auch aus der für die Praxis bedeutsamen, jedoch keiner Rechtsnorm entspre-
chenden TA Luft (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft [13]) ergeben
sich keine spezifischen Anforderungen an die Immissionsminderung für Gerüche.
Zur Zeit werden auch bundesländerspezifische Varianten der Geruchsimmissions-
schutzrichtlinie (GIRL) verwendet. Die GIRL treffen keine Regelungen zur Emis-
sionsbegrenzung. Es wird festgelegt, was als „erheblich belästigender Geruch“ zu
betrachten ist. Außerdem wird von einer Wahrnehmungshäufigkeit und nicht von
Konzentrationen ausgegangen. Die Richtlinien werden als Verwaltungsvorschrift
genutzt, sind aber keine normkonkretisierenden Verfahrensvorschriften im Sinne
des BImSchG.
Von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurden schon 1987 Grenzwerte zur
Vermeidung von Geruchsbelästigungen empfohlen, was in folgender Tabelle
dargestellt ist:
18
Abschlussarbeit PGS Toxikologie
Tabelle 5: Grenzwertfestlegungen der WHO (1987) als Halbstundenmittelwerte (Angaben in g/m³) [14]
Substanz Wahrnehmungs-schwelle
Erkennungs-schwelle Grenzwert
Schwefelkohlenstoff - - 20
Schwefelwasserstoff 0,2-2 0,6-6 7
Styrene 70 210-280 70
Tetrachlorethylen 8000 24000-32000 8000
Toluol 1000 10000 1000
Geruchsschwellenwerte für einzelne Stoffe sind in folgender Tabelle gezeigt.
Tabelle 6: Geruchsschwellenwerte einzelner Stoffe [15]
Stoff mL/m³ (ppm) mg/m³
Aceton 20,0 48,0
Benzol 5,0 16,2
Dimethylamin 0,05 0,09
Formaldehyd 0,1 0,1
o-, m-, p-Kresol 0,001 0,004
Morpholin 0,01 0,04
Phenol 0,05 0,2
Schwefelwasserstoff 0,002 0,003
Toluol 2,0 7,6
2,4-Toluylendiisocyanat 2,0 14,4
Triethylamin 0,09 0,4
Trimethylamin 0,0002 0,0005
1,3,5-Trimethylbenzol 0,4 2,0
19
Abschlussarbeit PGS Toxikologie
In welchem Umfang Immissionen von Geruchsstoffen die Gesundheit beeinträch-
tigen, ist trotz vieler Untersuchungen immer noch nicht vollständig geklärt. Es
existieren nur wenige Expositions-Wirkungsstudien, so dass eine Festlegung von
Grenzwerten erschwert wird.
Grundlage der Beurteilung von Gasen und Dämpfen am (Gießerei-) Arbeitsplatz
sind die für die verschiedenen Stoffe aufgestellten MAK-Werte. Sie gelten jedoch
im Allgemeinen nur für die Einwirkung des reinen Stoffes und nicht für Gemische,
für die es bisher keine arbeitsmedizinisch-toxikologisch begründeten Grenzwerte
gibt. Üblicherweise wird aber für Gemische eine additive Wirkung unterstellt,
sofern nicht (in Einzelfällen) Kenntnisse über Kombinationswirkungen bestehen.
Oftmals erfolgt auch eine Beurteilung über die Konzentrationen von formstoffspe-
zifischen Leitkomponenten und deren MAK-Werten [16]. Folgende MAK-Werte
werden auf der Grundlage der EG-Richtlinie 67/548/EWG, der TRGS 900
(Luftgrenzwerte am Arbeitsplatz), der TRGS 905 (Verzeichnis krebserzeugender,
erbgutverändernder oder fortpflanzungsgefährdender Stoffe) angegeben:
Tabelle 7: Auswahl von MAK-Werten und TRK-Werten [17,18]
Stoff mL/m³ (ppm) mg/m³ Aceton 500 1200 Benzol 1 3,2 (TRK) Benzo(a)pyren - 0,002 (TRK) Dimethylamin 2 3,7 Diphenylmethan-4,4’-diisocyanat 0,005 0,05
Formaldehyd 0,5 0,62 Furfurylalkohol 10 41 o-, m-, p-Kresol 5 22 Verschiedene N-Nitrosamine - 0,001 Phenol 5 19 2-Propanol 200 500 Schwefelwasserstoff 10 14 Styrol 20 86 Toluol 50 190
20
Abschlussarbeit PGS Toxikologie
5 Gerüche in Gießereien
5.1 Geruchsquellen in Gießereien
In Gießereien gibt es, wie in vielen produzierenden Betrieben, verschiedenste
Geruchsquellen, die sich je nach verwendeten Verfahren und Produktionsleistun-
gen unterscheiden können. Folgende Verfahrensschritte bzw. Abteilungen sind
besonders von Gerüchen betroffen [12]: Schrottvorwärmung, Schmelzöfen (Kupol-
und Induktionsöfen), Schmelzebehandlung zur Entschwefelung, Kernfertigung
(v.a. bei Cold-Box-Kernfertigung), Kerntrocknung, Gieß- und Kühlstrecken in
Sandgießereien, Sandaufbereitung, Kokillengießanlagen und Lackiererei.
Folgende Tabelle zeigt die wichtigsten Geruchsquellen in Sandgießereien und ihre
jeweiligen Ursachen:
Tabelle 8: Geruchsemissionen in Sandgießereien und ihre Ursachen [12]
Geruchsquellen Ursachen
Schmelzbetrieb
Natürliche Koksbestandteile wie Schwefel sowie Schrottverunreinigungen; bei Schrotten aus der mechanischen Bear-beitung auch Schneidhilfsstoffe und Schmiermittel; bei der Schmelzebehandlung auch Sekun-därstoffe, die sich nach Zutritt von Luft-feuchte zur Schlacke bilden
Kernmacherei Riechende Einsatzstoffe wie Harz-Mono-mere, Katalysatoren, Lösemittel
Gieß- und Kühlstrecken Verschwelung von Trennmitteln/ Formhilfs-stoffen/ Bindemitteln bei Kontakt mit heis-sem Metall
Sandaufbereitung Verdunstung von Verschwelungsstoffen, die in der Form kondensieren
Lackiererei Lösemittel
Wasseraufbereitung von Nasswäschern
Bakterielle Abbauprodukte; Verdunstung ausgewaschener Stoffe
Als bedeutendste Geruchsquellen werden sowohl die Kühl- und Ausleerstrecken
sowie der Schmelzbetrieb angesehen. Man kann des Weiteren zwischen Quellen,
die reine Chemikalien freisetzen (Lösemittel in Lackiererei) und solchen, bei denen
Geruchsstoffe als Folge einer chemischen Reaktion entstehen (Kupolofen oder
21
Abschlussarbeit PGS Toxikologie
Gießstrecke), unterscheiden. Die Freisetzung von den letztgenannten Geruchs-
stoffen, die vor allem als komplexe Gemische anfallen, ist aus der Sicht des
Umwelt- und Arbeitsschutzes von großem Interesse. Die Geruchsbeiträge jedes
einzelnen Verfahrensschrittes getrennt zu bestimmen, ist in den seltensten Fällen
möglich, da die Abluft der verschiedenen Schritte meistens gesammelt wird. Diese
Abgasmischung wird dann über Staubfilter, Nasswäscher oder auch ungefiltert
entsorgt.
Die Entstehung der Gießgase als Geruchsträger zeigt eine gewisse Abhängigkeit
von der Temperaturverteilung in der Gussform während und nach dem Guss-
vorgang. In oder an der Form enthaltene organische Stoffe und thermisch instabile
anorganische Stoffe zersetzen sich bei den hohen Gießtemperaturen (über
1500 °C). Verantwortlich für die Geruchsbildung sind:
- organische Polymerbinder des Kerns,
- Styropor-Schaumkörper bei Anwendung des Vollformgießverfahrens,
- organische Bestandteile in tongebundenem Sand (Glanzkohlenstoffbildner
und Kernreste),
- Formtrennmittel (i.d.R. als Aerosol eingespritzt),
- exothermer Speiser,
- Zerfallsförderer und Additive,
- Schlichten (Form- oder Kernüberzugsstoffe zur Glättung der porösen Ober-
fläche), wenn sie nicht rein mineralisch sind.
Die jeweiligen Bestandteile des Gießgases weisen ihre eigene Emissions-
charakteristik auf. Die poröse Sandform wirkt für die entstehenden Gase als eine
Art Trennsäule, ähnlich der in der Chromatographie, wodurch die Emission der
Gase „geregelt“ wird. Die Spaltung der Stoffe ist bei niedrigeren Temperaturen
(z.B. beim Abkühlen) unvollständig, woraus größere Molekülbruchstücke der
Stoffe im Gießgas resultieren.
Welche Geruchsstoffe entstehen, hängt also nicht nur von der Temperatur oder
Temperaturverteilung in der Form (während und nach dem Gießen) sowie der
Zusammensetzung des Binders ab, sondern auch von der eingebrachten
thermischen Energie, der Kontaktzeit des heißen Gussteils mit der Form, der
Geometrie des Gussteils und von weiteren Faktoren.
22
Abschlussarbeit PGS Toxikologie
5.2 Analyse von Geruchsstoffen in Gießereien (Beispiele)
Schon in den frühen 1980er Jahren wurden umfangreiche Messungen von Gasen
und Dämpfen an Gießereiarbeitsplätzen durchgeführt [16]. Dabei wurden ver-
schiedene Verfahren und Formstoffmischungen sowie unterschiedliche Abschnitte
im Prozess der Gussstückherstellung untersucht. Die quasi-kontinuierliche
Analyse der Gase und Dämpfe erfolgte durch Prozess-Gaschromatographen.
Einzelne Bestandteile wie CO, CO2, H2, NH3, CH4 und weitere Kohlenwasserstoffe
wurden mittels Infrarotspektroskopie bestimmt. Nitrose Gase ließen sich durch
Chemilumineszenz messen.
In [11] wurden Geruchsmessungen in Abhängigkeit von der Art des verwendeten
Bindertyps dargestellt. Abbildung 8 zeigt einen Vergleich bezüglich des Geruchs
zwischen den Bindern.
Abbildung 8: Vergleich verschiedener Bindersysteme bezüglich ihrer
Geruchsfreisetzung [11]
Bei Verwendung von reinem Wasserglas oder Sand ist kaum mit einer
Geruchsfreisetzung zu rechnen. Nutzt man bentonitgebundenen Sand, wird ein
Glanzkohlenstoffbildner benötigt. Dessen Aufgabe ist es, für eine reduzierende
Atmosphäre zu sorgen. Er ist für die Oberflächengüte des Gussstückes wichtig
und zerfällt unter thermischer Belastung vorwiegend zu Glanzkohle (= α-
Pyrokohlenstoff), H2, Ruß, CO2, aber auch in aromatische Kohlenwasserstoffe wie
Benzol, Toluol usw. Dadurch werden Gerüche freigesetzt. Der gezeigte Resol-
CO2-Harz weist einen starken Geruch auf, obwohl dieser Binderharz aufgrund
23
Abschlussarbeit PGS Toxikologie
seiner Geruchsfreiheit eingesetzt wird. Dies zeigt, dass viele weitere Faktoren
Einfluss auf die thermische Zersetzung haben müssen wie z.B. Wassergehalte,
Lösemittelreste, Vernetzungsgrad der Polymere u.a.
Am Beginn der dargestellten Untersuchungen zur Geruchsstofferkennung und
Komponentenbestimmung wurde die Geruchsfreisetzung auf das Entstehen von
SO2, H2S, Formaldehyd, Phenol, Amin, Furfurol, Isophoron zurückgeführt. Sind
diese Stoffe Teile des Ausgangsmaterials, wäre eine Substitution denkbar
gewesen, wenn die Eigenschaften der verwendeten Binder, Kerne oder Formen
sich nicht zum Negativen wenden. In den meisten Fällen entstehen die Stoffe aber
erst im Verlauf der thermischen Beanspruchung, so dass nur versucht werden
kann, den Entstehungsmechanismus zu steuern oder die Stoffe in geeigneter
Form abzufangen.
Nach umfangreichen Untersuchungen mit der GC-MS-Sniff-Methode konnten z.B.
im Gießgas des oben erwähnten Resolbinders als Geruchsträger identifiziert
werden: Ethinylbenzol, Benzofuran, Trimethylbenzol (Mesitylen), Kresol, Xylenol,
C4-Alkylbenzol und C5-Alkylbenzol. Abbildung 9 zeigt ein für viele Phenolharze
typisches Chromatogramm/Olfaktogramm. Die Zahl der detektierten Stoffe beträgt
40 bis 140. Hauptgeruchsträger sind dabei die Aromaten mit 7 bis 11 C-Atomen,
vor allem diejenigen mit Methyl-, Ethyl-, Ethenyl-Gruppen oder einem zweiten
aromatischen Ring. Alle Geruchsstoffe, die sich wahrnehmen lassen, besitzen
Molekulargewichte zwischen 100 und 300 Dalton.
24
Abschlussarbeit PGS Toxikologie
Abbildung 9: GC-MS-Sniff-Analyse: Chromatogramm und zugehöriges Olfaktogramm [11]
Weitere Bindersysteme wurden in der genannten Arbeit untersucht. Im Allgemeinen entstehen zum einen Stoffe, die sich aus organischen Materialien bei hohen Temperaturen und unter reduzierender Atmosphäre bilden und anderer-seits Stoffe, die ein ganz bestimmtes Harz charakterisieren. Insgesamt wurden etwa 330 Pyrolyseprodukte identifiziert. Die wichtigsten Stoffe sind in der folgen-den Tabelle zusammengefasst:
Tabelle 9: Übersicht über die wichtigsten Vertreter von identifizierten Pyrolyseprodukten [11]
aus:
entstehen:
Phenolharz warmhärtend
Polyurethan-Cold-Box
kalthärtend
Maskenform-stoff
(Novolak) warmhärtend
Furanharz kalthärtend
Trialkylamine - DMEA TMA -
Alkene und Diene
Hepten-Iso Octen
Dodecen
Hexen Hexadien
Hepten-Iso Dodecen 1,3-Butadien
Alkylbenzole Ethylbenzol Xylol-Isomer
Tetramethyl-benzole
Dimethylpropyl-benzol
Ethylbenzol Xylol-Isomer
Mesitylen
Ethylbenzol Xylol-Isomer
Ethyl-2-methylbenzol
Mesitylen
Aromatische Nitrile - Benzonitril -
25
Abschlussarbeit PGS Toxikologie
Tabelle 9 (Fortsetzung): Übersicht über die wichtigsten Vertreter von identifizierten Pyrolyseprodukten [11]
aus:
entstehen:
Phenolharz warmhärtend
Polyurethan-Cold-Box
kalthärtend
Maskenform-stoff
(Novolak) warmhärtend
Furanharz kalthärtend
Isophoron - + - (+)
Phenol und Alkylphenole Phenol
Phenol o-Kresol
Phenol o-Kresol
Cumarone Methylcumaron-Isomer Cumaron
Cumaron Methylcumaron-
Isomer
Indene
Inden 2,3-Dihydro-5-
methyl-1-H-inden
1-Methyl-1-H-inden
2,3-Dihydro-5-methyl-1-H-
inden
1-Methyl-1-H-inden
Inden Dimethylinden 1-Methyl-1-H-
inden
Azulen Naphthalin
Methyl-naphthaline
Naphthalin (Azulen)
Naphthalin Methylnaphtha-
lin (Azulen)
Styrol Alkylstyrole
Styrol
Cold-Box-Binder, die die am meisten verwendeten Bindersysteme stellen, beruhen
auf flüssigen, organischen Zweistoffsystemen, die einerseits aus lösungsmittel-
haltigen Phenolharzen (Benzoletherharze) und andererseits aus Polyisocyanaten
bestehen. Die Komponenten werden etwa 1:1 vermischt und in aromatischen
Lösungsmitteln gelöst (Lösungsmittel-Gehalt: 33-35 %). Die Aushärtung der Form-
stoffmischung erfolgt durch Begasung mit einem Katalysatornebel (Triethylamin
[TEA], Dimethylethylamin [DMEA]). Durch Polyaddition entsteht das Polyurethan,
das für die Bindungseigenschaften des Kerns verantwortlich ist [19]. An diesem
Beispiel wird deutlich, dass kaum Einzelkomponenten zu finden sein werden, die
für Geruchsentwicklungen verantwortlich sind.
In [20] wird auf Untersuchungen zu Gerüchen, welche mittels Elektronischer Nase
detektiert werden, eingegangen. Vorzüge, die für die Verwendung dieser Analytik
in der Gießereiindustrie sprechen, sind z.B. kostengünstigere und objektivere
Geruchsmessungen (im Gegensatz zu rein olfaktometrischen Messungen), Fest-
26
Abschlussarbeit PGS Toxikologie
stellung der Entstehungsquellen und damit verbundener möglicher Geruchs-
reduzierung am Arbeitsplatz und in der Umgebung von Gießereien. Nicht nur
Gießereiindustrie, sondern auch Zulieferer und Bindemittelhersteller profitieren
von diesen Ergebnissen. So können Bindemittel und Zusatzstoffe optimiert
werden, und es ergeben sich marktwirtschaftliche Vorteile durch den resultieren-
den Einsatz geruchsärmerer Stoffe. Des Weiteren ist es damit möglich, auf
Vorgaben durch den Gesetzgeber schnell zu reagieren. Weitere Nutznießer sind
wissenschaftliche Einrichtungen, die oft mit der Gießereiindustrie zusammenarbei-
ten. Sie erhoffen sich Grundlagenkenntnisse zur Geruchsentstehung und die Ent-
wicklung einfacher, industriell anwendbarer Geruchsmesssysteme.
In den Versuchen mit der Elektronischen Nase wurden verschiedene
Bindersysteme getestet. Aus den Ergebnissen resultierte eine eindeutige und
reproduzierbare Möglichkeit, zwischen den untersuchten Bindern mittels Elektroni-
scher Nase zu unterscheiden.
Auch in [3] wird eine Elektronische Nase zur Ermittlung von Geruchsbildnern
verwendet. Untersucht wurden hier ebenfalls verschiedene Bindersysteme bzw.
Formverfahren:
- Anorganisches Verfahren: Wasserglas-CO2 und
- Organische Verfahren: Wasserglas-Ester, Polyurethan (PUR)-Cold-Box und
Furankaltharz.
Verglichen werden die Ergebnisse mit gaschromatographischen Analysen.
Danach weist das Wasserglas-CO2-Verfahren sowohl die geringste Gas- als auch
Geruchsentwicklung auf. Beim Wasserglas-Ester-Verfahren entstehen geringe
Mengen an Benzol, Toluol, Naphthalin und Inden. Das PUR-Cold-Box-System
wies im Vergleich zum Furankaltharzsystem die höhere Gasemission, das
breiteste Spektrum an Emissionskomponenten und die höchste Häufigkeit von
Verbindungen auf. Mithilfe der Elektronischen Nase war eine Trennung der
Formstoffsysteme nach ihren Geruchsbildnern möglich (Abb. 10).
27
Abschlussarbeit PGS Toxikologie
Abbildung 10: Von verschiedenen Sensoren ermittelte Geruchswertdaten [3]
Die wasserglasgebundenen Systeme sind auf der linken Seite, die organisch
gebunden Systeme auf der rechten Seite im Diagramm zu finden. Der
angegebene Geruchswert ist das arithmetische Mittel aller von den Sensoren
ermittelten Werte. Er ist vom verwendeten Sensor abhängig, d.h. er kann nur zum
Vergleich von Geruchsbildnern desselben Sensors dienen. Es zeigt sich, dass die
wasserglasgebundenen Systeme geruchlich vorteilhafter als die rein organischen
Formstoffsysteme sind.
Zusammenfassend wird deutlich, dass im Allgemeinen in den Gießgasen kaum
Ausgangsstoffe gefunden werden, sondern hauptsächlich durch thermische
Zersetzung entstandene. Verschiedene Kriterien für eine Geruchsbildung sind
neben der Binderart und der jeweiligen Temperaturstabilität der Produkte zu
beachten. Eine Vielzahl von Stoffen entsteht, wobei ein Großteil geruchlich
bedeutend ist (vor allem alkylierte Aromaten). Es ist zu beachten, dass das
Auftreten von Gerüchen nicht generell mit dem Auftreten von Schadstoffen und
damit einer Gesundheitsgefahr für Gießereiarbeiter verbunden ist. Ein mögliches
Risiko für gesundheitliche Folgen kann jedoch bestehen.
28
Abschlussarbeit PGS Toxikologie
5.3 Einschätzung der Toxizität verschiedener (Geruchs-)Stoffe [22]
In den folgenden Abschnitten soll nur auf einige wichtige Stoffe oder Stoffgruppen
aus Tabelle 9 eingegangen werden.
5.3.1 Benzol, Toluol, Xylol (BTX), Styrol, Phenol und polyzyklische aromatische
Kohlenwasserstoffe (PAK)
BTX und PAKs entstehen bei der Pyrolyse organischen Materials unter
Sauerstoffmangel und bei hohen Temperaturen. Für das Auftreten von Benzol und
PAKs, insbesondere Benzo(a)pyren, welches als Leitkomponente anerkannt ist
[21], sind u.a. dem Formsand zugesetzte Kohlenstoffträger (Steinkohlenpuder,
Petrolharz, Polystyrol, Polyethylen, Stärke, Sägemehl, Torf) und evtl. Kunstharz-
bindemittel (Phenol-, Furan-, Amino- und Alkydharze) verantwortlich. Um die
Schadstoffbildung zu verringern, sollte die Menge des C-Trägers so gering wie
gießereitechnisch möglich gewählt werden.
Am Gießereiarbeitsplatz erfolgt die Aufnahme von Benzol vorwiegend inhalativ.
Die Resorption ist abhängig von Ventilationsparametern (Atemminutenvolumen)
und der individuellen Aufnahmekapazität (Biotransformation, Fettgewebe). Die
Resorption folgt einer Sättigungskinetik, die durch den inhalativen Anteil bestimmt
wird. Die Geruchsschwelle liegt bei 16 mg/m³ Luft.
Die Verteilung des Benzols hängt wegen seiner Lipophilie vom Lipidgehalt der
Organe und des Gewebes ab. Die Biotransformation des Benzols in der Leber
erfolgt mithilfe Cytochrom-P450-abhängiger Enzyme durch Addition eines Sauer-
stoffatoms an den Aromaten. Postuliert wird ein Epoxid, welches sich nach
Aufnahme hoher Dosen Benzol hauptsächlich in Phenol umwandelt. Ein geringer
Teil dieses Epoxids wird in Dihydrodiol und Catechol überführt. Weitere
hydroxylierte Metaboliten können gebildet werden, die wiederum in der Leber und
im roten Knochenmark in Glucuronide und Sulfatkonjugate umgewandelt werden.
Zentraldepressorische Störungen stehen bei einer akuten Benzolvergiftung im
Vordergrund (Müdigkeit, Schwindel, Schweißausbrüche, Rauschzustände, Kopf-
schmerzen, Konzentrationsschwäche). Die chronische Aufnahme von Benzol führt
zu einer Beeinflussung des hämatopoetischen Systems (Erythropoese, Thrombo-
poese, Leukopoese). Myeloprolifertative Veränderungen können zu malignen
29
Abschlussarbeit PGS Toxikologie
Erkrankungen führen d.h. zur akuten myeloischen Leukämie. Aus diesem Grund
wurde Benzol als Kanzerogen eingestuft.
Toluol wird zu 40 bis 60 % aus der eingeatmeten Luft resorbiert. Wie Benzol wird
die Verteilung im Körper durch den Lipidgehalt des Gewebes und der Organe
bestimmt. Die metabolische Umwandlung erfolgt ebenfalls in der Leber, jedoch
hemmt Toluol den Metabolismus von Benzol und Xylol. Bei der Biotransformation
erfolgt zuerst eine Oxidation der Methylgruppe bzw. des Ringes (zu Kresol) durch
mikrosomale Cytochrom-P450-abhängige Monooxygenasen. Die Bildung von
Benzoesäure erfolgt stufenweise. Abgeschlossen wird die Metabolisierung durch
Konjugation mit Glycin (80 % des resorbierten Toluols wird so metabolisiert) oder
Glucuronsäure. Nur rund 1 % des Toluols wird am Ring zu Kresol hydroxyliert. Der
Rest wird unverändert ausgeschieden (Lunge).
Leber- und Herzfunktionsstörungen sowie Knochenmarksschädigungen oder
Blutbildveränderungen können nach chronischer, inhalativer Aufnahme auftreten.
Jedoch lässt sich die toxikologische Wirkung von Toluol nur schwer abgrenzen, da
häufig gleichzeitig Benzol auftritt, dessen Wirkung die von Toluol überlagern kann.
Xylol, dessen Geruchsschwelle bei 4 mg/m3 liegt, wird ebenso wie andere Alkyl-
benzole in lipidhaltigen Organen und Geweben angereichert (Nebennieren, Kno-
chenmark, ZNS, Milz, Fettgewebe). Auch hier erfolgt eine Oxidation der Methyl-
gruppe und anschließende Konjugation mit Glycin (Methylhippursäure). Nur ein
geringer Anteil wird am Ring hydroxyliert und konjugiert mit Glucuronsäure. Die
Elimination erfolgt über die Lunge (unverändertes Xylol) und die Nieren (als
Metaboliten). Die Wirkung nach chronischer Einwirkung ähnelt der von Benzol und
Toluol.
Styrol (Geruchschwelle 0,21-0,33 mg/m³) wird hauptsächlich mit der Atemluft
aufgenommen. In Gegenwart von Luftsauerstoff reagiert gasförmiges Styrol zu
Aldehyden, Ketonen und Benzoesäure. Das gemeinsame Auftreten wird als
unangenehmer Geruch wahrgenommen. Styrol wird in fetthaltigem Gewebe
angereichert. Bedeutend ist die Oxidation von Styrol zum Epoxid durch
Cytochrom-P450-Monooxygenasen. Es entstehen die L- und D-Enantiomere von
7,8-Styroloxid, die in Gegenwart verschiedener Enzyme zu weiteren Metaboliten,
u.a. der Mandelsäure, reagieren. Die Ausscheidung erfolgt über die Nieren.
30
Abschlussarbeit PGS Toxikologie
Phenol wird hauptsächlich über die Haut resorbiert. Akute Vergiftungen gehen mit
lokalen Effekten, zentralnervösen Symptomen und Stauungen der Organe einher.
Länger andauernde Exposition beeinflusst das Nervensystem und führt zu
Dermatitis. Die Elimination erfolgt über die Niere durch Phenolsulfat und –glucuro-
nid als Metaboliten. Hydrolyseprodukte mit genotoxischem Potential treten auf,
jedoch nur in geringer Konzentration (Hydrochinon, Catechol, Benzochinon).
Umwandlungsprodukte der polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe sind
Dihydrodiole, die enzymatisch gebildet werden. Die Leitsubstanz Benzo(a)pyren
wird in verschiedene Arenoxide umgewandelt, die reaktive Vorstufen von
Phenolen und Dihydrodiolen sind. Kanzerogenitätsstudien zeigten, dass das 7,8-
Oxid und das 7,8-Dihydrodiol proximale Kanzerogene und das 7,8-Diol-9,10-
epoxid ein starkes Mutagen und ultimales Kanzerogen darstellen.
Auffallend ist, dass nur solche PAKs kanzerogene Wirkung aufweisen können, die
eine sogenannte Bay-Region besitzen, d.h. eine Einbuchtung im Ringsystem
durch einen angulären Benzolring. An dieser Stelle kann epoxidiert werden.
Die durch Cytochrom-P450-abhängige Monooxygenasen katalysierte metaboli-
sche Umwandlung entspricht der Phase 1 der Biotransformation und stellt eine
Bioaktivierung der PAKs dar. Eine Inaktivierung der hierbei entstehenden Epoxide
in weniger reaktive vizinale Diole erfolgt durch die Epoxid-Hydrase. Es erfolgt
außerdem durch GSH S-Transferasen, Sulfotransferasen und UDP-Glucuronosyl-
transferasen eine Konjugation mit GSH bzw. eine Umwandlung phenolischer
Metaboliten in Sulfate und Glucuronide. Diese Prozesse zählen zur Phase 2 der
Biotransformation und stärken die Elimination nukleophiler und elektrophiler Um-
wandlungsprodukte.
Im Allgemeinen führen größere Mengen von PAKs zur Beeinträchtigung von
Organen und Geweben mit hoher Mitoserate (v.a. hämatopoetisches System).
PAKs haben im Mehrstufenmodell der Kanzerogenese die Bedeutung von
Initiatoren. Bestimmend für die kanzerogene oder initiierende Potenz der PAKs ist
die Aktivität und Substratspezifität des Cytochrom-P450-abhängigen Monooxyge-
nase-Systems der verschiedenen Organe. Mit der Bay-Region-Theorie ist eine
Einschätzung der Kanzerogenität der PAKs möglich, jedoch sind quantitative
Aussagen über Biotransformationen oder Bioaktivitäten nicht möglich. Zu beach-
ten ist nämlich ebenso die jeweilige Affinität zum katalytischen System P450.
31
Abschlussarbeit PGS Toxikologie
Benzo(a)pyren ist demnach ein schwaches Kanzerogen, weil es zwar über eine
Bay-Region verfügt, aber eine geringe Affinität zum katalytischen System hat.
In [23] wurden drei Eisengießerei-typische Dämpfe, die von verschiedenen Binder-
systemen stammten, vergleichend in einer In vivo - In vitro - Studie bezüglich ihrer
potentiellen Kanzerogenität untersucht. In den Dämpfen wurden mittels GC/MS
diverse polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe gefunden. Die Untersu-
chungen setzten sich aus den folgenden zwei Teilgebieten zusammen:
- einer zwei Jahre dauernden chronischen In vivo - Studie an Ratten unter
Verwendung eines intrabronchialen Implantats, um pathologische Veräde-
rungen im Bronchialepithel zu untersuchen und
- die Entwicklung und Verwendung einer Zahl von Kurzzeit - In vitro - Assays
zur Beurteilung bezüglich Zytotoxizität und der potentiellen Genotoxizität
der Dämpfe auf kultivierte Tracheal-epitheliale Zellen von Kaninchen.
Die enthaltenen PAKs erwiesen sich als schwach kanzerogen oder führten zu
pathologischen Veränderungen, welche die Bronchien anfälliger machten, Krebs
durch die Einwirkung weiterer Faktoren zu entwickeln. Aus den Ergebnissen
konnte geschlussfolgert werden, dass sowohl In vitro - als auch In vivo - Tests
notwendig sind, um derartig komplexe Mischungen von Dämpfen bezüglich ihrer
Toxizität zu beurteilen.
Die TRGS 551 (Teer und andere Pyrolyseprodukte aus organischem Material [24])
enthält Hinweise zur Beurteilung von Arbeitsplätzen, an denen durch Pyrolyse-
prozesse PAKs entstehen können oder mit denen umgegangen wird, sowie
geeignete Schutzmaßnahmen.
5.3.2 Nitrosamine
Ebenfalls im Gießbereich entstehen durch Pyrolyse Nitrosamine, die inhalativ von
Gießereiarbeitern aufgenommen werden können. Des Weiteren lassen sich N-
Nitrosamine vor allem dann nachweisen, wenn Gießbereich und Kernmacherei/
Formerei nicht räumlich getrennt sind oder tertiäre Amine bei den Kernherstel-
lungs- und Formverfahren als Katalysatoren eingesetzt werden. Der Anwender
aminhaltiger Kern- und Formbindemittel hat sicherzustellen, dass nur schwer- oder
nicht-nitrosierbare Amine verwendet werden.
32
Abschlussarbeit PGS Toxikologie
Als Nitrosierungsmittel werden sowohl Nitrat und Nitrit als auch die Stickoxide NO,
NO2 sowie N2O2 diskutiert. Viele Stoffe wie z.B. Formaldehyd katalysieren eine
Nitrosierung. Außerdem spielen verschiedene Faktoren wie Temperatur, Luft-
feuchte, Oberflächeneigenschaften und eventuell auftretende Aerosole und deren
Korngröße eine wichtige Rolle (TRGS 552, [25]).
In Gießereien wurden u.a. N-Nitrosodiethylamin (NDEA), N-Nitrosodimethylamin
(NDMA) und N-Nitrosomorpholin (NMOR) nachgewiesen. Zu beachten ist nicht
nur die exogene Bildung von N-Nitrosoverbindungen sondern auch endogene
Belastungen. Darunter versteht man die im Körper stattfindende Bildung von N-
Nitrosaminen durch die Reaktion nitrosierbarer Precursoren (Amine, Amide,
Aminosäuren) mit nitrosierenden Agenzien (Nitrit, Stickoxide). Bestimmte Bakte-
rien können die Bildung von N-Nitrosaminen katalysieren. Gefährdet sind v.a.
Arbeitnehmer mit chronischer Gastritis und Magengeschwüren.
In den Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) und durch die Technischen
Richtkonzentrationen (TRK) in Zusammenhang mit der Gefahrstoffverordnung
werden die maximal zulässigen Konzentrationen am Arbeitsplatz und die
Handhabung von N-Nitrosaminen festgelegt. Für krebserzeugende N-Nitrosamine,
zu denen u.a. NDEA, NDMA und NMOR zählen, wird die TRGS 552 „N-
Nitrosamine“ angewendet [25]. Für die genannten Stoffe gelten die nach der
TRGS 900 festgelegten TRK von 1 bzw. 2,5 µg/m³ in Abhängigkeit vom Arbeits-
bzw. Produktionsbereich [17].
Die meisten N-Nitrosamine werden sehr effizient in der Leberpassage
metabolisiert (First pass). NDMA in kleinen Dosen wird beim First pass vollständig
in der Leber verstoffwechselt. Bei höheren Dosen ist die metabolische Aktivität
gesättigt und NDMA wird systemisch verteilt, wodurch sich nach höheren Einzel-
dosen auftretende Nierentumore erklären lassen. Aufgrund der effizienten Metabo-
lisierung ist die systemische Blut-Clearance für kurzkettige N-Dialkylnitrosamine
sehr hoch. Eine Plasmabindung ist bei diesen Verbindungen nicht feststellbar.
Die Schädigung der DNA ist die Hauptursache für die kanzerogene Wirkung der
N-Nitrosoverbindungen. N-Nitrosamine sind Präkanzerogene, die durch Cyto-
chrom-P450-Monooxygenase (CYP) vermittelte α-C-Hydroxylierung metabolisch
aktiviert werden. Verschiedene Cytochrom-P450-Enzyme sind unterschiedlich
33
Abschlussarbeit PGS Toxikologie
stark metabolisch aktiv gegenüber einzelnen N-Nitrosaminen. Dabei spielen auch
diverse Isoenzyme eine Rolle.
Ein Vergleich der biologischen Wirksamkeit verschiedener N-Nitrosamine ergibt,
dass die Stoffe, bei denen der metabolische Angriff an die α-Position erschwert ist,
ein bedeutend geringeres kanzerogenes Potential besitzen.
Das durch die Hydroxylierung gebildete proximale Kanzerogen N-Nitrosoalkyl-α-
hydroxyalkylamin ist instabil und zerfällt unter Freisetzung des entsprechenden
Aldehyds. Entstehende Alkyldiazohydroxide oder -diazotate oder entsprechende
Diazoniumionen können aufgrund ihrer alkylierenden Wirkung auf DNA, RNA oder
Proteine einwirken und stellen daher ultimate Kanzerogene dar.
Eine Vergiftung durch N-Nitrosamine äußert sich durch Kachexie (Auszehrung)
und oftmals Ikterus (Gelbsucht). Nach dem Tod können schwere Parenchym-
schäden der Leber mit Nekrosen und Verfettung festgestellt werden. Zudem treten
meistens hämorrhagische Lungenödeme auf.
Für symmetrische N-Nitrosamine (NDMA; NDEA) stellt die Leber das
Hauptzielorgan dar. Zyklische wie NMOR zeigen hingegen keine einheitliche
Organspezifität, sondern induzieren ein breites Spektrum von Tumoren in
verschiedenen Geweben.
Der Einsatz von tertiären Aminen bei der Kern- und Formherstellung wird
demnach als problematisch eingeschätzt. Folglich sollten andere Hilfsstoffe oder
Methoden geschaffen werden, um eine Exposition gegenüber entstehenden N-
Nitrosaminen am Gießereiarbeitsplatz zu vermeiden.
5.3.3 Diisocyanate
Diisocyanate sind im Schmelzbetrieb und in der Kernmacherei der Gießerei
anzutreffen. Wichtige Vertreter der Diisocyanate sind Diphenylmethan-4,4’-
diisocyanat (MDI) und Toluylendiisocyanat (TDI). Sie sind Ausgangsstoffe zur
Herstellung von Polyurethanen. Letztere werden z.B. als Systemkomponente bei
Cold-Box-Bindern verwendet.
Diisocyanate weisen eine hohe Reaktivität ihrer NCO-Gruppe auf, was auch für
ihre toxikologische Wirkung von Bedeutung ist. Vertreter dieser Stoffgruppe sind
inhaliert sehr giftig. Vor allem der Respirationstrakt wird gereizt. Bei länger
andauernder oder massiver Exposition am Arbeitsplatz treten Störungen der
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Abschlussarbeit PGS Toxikologie
Lungenfunktion und Asthma auf. „Isocyanat-Asthma“ beruht auf einer Hyperreagi-
bilität der Bronchien und z.T. dem gleichzeitigen Auftreten bestimmter Antikörper.
Im Tierversuch zeigten sich nach chronischer Inhalation von MDI-Präpolymer
(enthält ca. 50 % MDI-Monomer) Lungenadenome, deren Ursache in der
chronischen Reizung des Lungengewebes liegt.
In [26] wurden in einer Studie Arbeitnehmer einer Stahlgießerei, die MDI am
Arbeitsplatz ausgesetzt waren, bezüglich möglicher Reaktionen (Asthmasymp-
tome, Antikörperausschüttung) im Vergleich zu nicht exponierten Personen unter-
sucht. Es zeigte sich, dass sowohl MDI-spezifisch Immunglobulin G (IgG) aufzufin-
den war, als auch eine durch Immunglobulin E (IgE) vermittelte respiratorische
Sensibilisierung bei den Exponierten erfolgte.
5.3.4 Formaldehyd
Der Stoff fällt durch seinen stechenden Geruch auf, der ab 0,06 bis 0,22 mg/m³
wahrgenommen wird. Die Schleimhäute von Auge und Atemtrakt werden gereizt,
sodass es zu Tränenfluss, Husten und Atemnot kommen kann. Mutagene Aktivität
zeigte sich in In vitro - Versuchen. Bei der Ratte bewirkte eine chronische Exposi-
tion Tumore an den Schleimhäuten der Nasen- und Nasennebenhöhlen. Vermutet
wird ein Zusammenhang zwischen der lokalen Reizwirkung und der Tumorbildung.
Auf den Menschen ist eine direkte Übertragung dieser Befunde aufgrund der
physiologischen Unterschiede Tier-Mensch nicht möglich. Sicher belegt werden
kann die Kanzerogenität des Formaldehyds beim Menschen nicht. Es kann jedoch
nach längerfristiger Exposition zu Beeinträchtigungen des Gedächtnisses, der
Konzentrationsfähigkeit und des Schlafverhaltens kommen.
5.3.5 Isopropanol
Isopropanol ist ein flüchtiger Alkohol, der schon in relativ geringen Konzentratio-
nen gerochen werden kann (Geruchsschwelle 7,5 mg/m³). Der Stoff kommt in
Kernmachereien von Gießereien in den Lösungen vor, mit denen die Kerne vor
dem Formen benetzt werden (Schlichten).
Hauptmetabolit ist Aceton, der vor allem über die Lunge und zum kleineren Teil
über die Nieren ausgeschieden wird (Eliminationshalbwertszeit ca. 22 h). Die Bio-
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Abschlussarbeit PGS Toxikologie
transformation erfolgt über die Alkoholdehydrogenase, jedoch ist deren Aktivität
gegenüber Isopropanol um ca. 90 % geringer als gegenüber Ethanol.
Symptome ähnlich einer Intoxikation infolge Acetoninhalation (Übelkeit und Kopf-
schmerzen) treten bei erhöhter Exposition auf. Beschrieben werden auch
neurologische Befunde wie Gedächtnisschwierigkeiten, Reaktionszeitverzögerung
und Gleichgewichtsstörungen.
Eine Studie an Schweizer Gießereiarbeitern zu neurologischen Verhaltens-
änderungen wird in [27] beschrieben. Die Analyse von Isopropanol in der Umge-
bungsluft erfolgte mittels FT-IR-Spektroskopie bzw. GC-MS; im Urin durch Head -
Space - Gaschromatographie. Anhand verschiedener neurologischer Tests (Reak-
tionszeit usw.) konnten jedoch keine neurologischen Verhaltensänderungen
gefunden werden.
5.3.6 Methylformiat
In o.g. Studie [27] wurde des weiteren Methylformiat auf mögliche Einwirkungen
auf neurologische Befunde untersucht. Der Stoff wird gießereitechnisch als Kataly-
sator im Härteprozess von Bindern verwendet.
Er wird rasch in Methanol und Ameisensäure umgewandelt. Der größte Teil von
Methanol wird innerhalb weniger Stunden über Lunge und Nieren ausgeschieden.
Der Rest wird zu Ameisensäure metabolisiert.
Auch im Falle des Methylformiats wurden keine akuten neurologischen Effekte
festgestellt.
5.3.7 Isophoron
Isophoron (3,5,5-Trimethyl-2-cyclohexen-1-on) wird als Lösemittel u.a. für Vinyl-
harze (PVC-Pasten), Klebstoffe und in Lacken verwendet [28]. Es handelt sich um
eine Flüssigkeit mit pfefferminzartigem Geruch und einer Geruchsschwelle von
0,2 mg/m³ (ppm).
Isophoron wird sowohl oral, inhalativ als auch dermal resorbiert. Ein Teil wird
unverändert über die Atemluft ausgeschieden. Im Tierversuch wurden nach
perolarer Applikation oxidative Metaboliten im Urin nachgewiesen. Hinzu kommen
Glucuronide und auch Glutathion-Konjugate, die gebildet werden. Akute inhalative
Expositionen bei Versuchstieren führten zu Reizungen der Schleimhäute. Aus den
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Abschlussarbeit PGS Toxikologie
Tierversuchen und Erfahrungen an Arbeitsplätzen ergab sich kein sensibilisieren-
des Potential. Prüfungen auf Genotoxizität und DNA-Bindung in vivo verliefen
negativ. Bei Ratten und Mäusen zeigten sich nach oraler Gabe von Isophoron
jedoch vor allem bei Männchen erhöhte Inzidenzen von Nierentumoren und auch
Präputialdrüsenkarzinomen. Dies scheint jedoch auf für männliche Ratten spezifi-
sche, nicht-genotoxische Mechanismen zurückzuführen zu sein.
Isophoron ist als krebserzeugend der Kategorie 3 eingestuft. Das bedeutet, eine
krebserregende Wirkung auf den Menschen ist möglich, jedoch existieren nicht
genügend Informationen für eine Beurteilung. Anhaltspunkte aus Tierversuchen
reichen aber nicht aus, den Stoff in eine höhere Kategorie einzustufen. Der MAK-
Wert liegt bei 2 ppm.
6 Zusammenfassung und zukünftige Entwicklungen
Moderne Gießereien müssen sich heutzutage mit dem Thema „Geruch“ intensiv
auseinandersetzen. Dabei geht es nicht nur darum, in benachbarten
Wohngebieten für den Schutz der Anwohner zu sorgen. Im Vordergrund steht der
Gießereiarbeiter, der in direktem Kontakt mit Geruchsstoffen steht. Hauptquellen
für auftretende Gerüche in Gießereien sind Formanlagen und Gießstrecken. Die
dabei auftretenden, mit verschiedenen Methoden detektierbaren Stoffgemische
bestehen aus einer Vielzahl von Verbindungen, die sowohl Ausgangsstoffe sein
können, aber auch erst während der Form- und Gießvorgänge entstehen.
Verschiedene Faktoren beeinflussen dies. Die wichtigsten Stoffklassen sind
polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, N-Nitrosamine, Alkohole und
Aldehyde sowie Diisocyanate.
Aus den verschiedenen Untersuchungen lassen sich einige Schlussfolgerungen
für die zu erzielende Verringerung von Gerüchen an Formanlagen und
Gießstrecken ziehen, wie folgende allgemeine Übersicht verdeutlicht.
37
Abschlussarbeit PGS Toxikologie
Abbildung 11: Möglichkeiten zur Geruchsminderung und Geruchsbeseitigung in Gießereien [3]
Beispielsweise ist es hilfreich, ein „Emissionskataster“ zu erstellen, um mögliche
Quellen einer Geruchsfreisetzung zu erkennen und dort eine Geruchsverminde-
rung einzuleiten. Vor allem die Einführung von geruchstechnisch optimierten Mate-
rialien (Bindern) anstelle von teuren Abluftreinigungsanlagen ist zu empfehlen
(Primärmaßnahmen). Günstig wirkt sich ein möglichst langes Abbrennen der
Gießgase aus, was einer Nachverbrennung gleich kommt. Dadurch wird ein
großer Teil der Geruchsstoffe in geruchloses CO2 und Wasser umgewandelt.
Weiterhin wird eine Geruchsminderung erzielt durch Abluftreinigung (Sekundär-
maßnahmen: Aktivkohleverfahren, Abgaswäsche, biologische Abgasreinigung).
Die anfallenden großen Abluftströme führen jedoch zu hohen Kosten und auch der
Wirkungsgrad ist nur gering. Den höchsten Reinigungsgrad erreichen
Nachverbrennungsanlagen, die jedoch aufgrund zusätzlicher CO2 -Emissionen für
die Umwelt nachteilig sind.
Welches Verfahren auch verwendet wird, ratsam ist, es im „kleinen Maßstab“ zu
erproben.
In der Forschung und Entwicklung befinden sich derzeit geruchsreduzierte Binder
sowie Untersuchungen zu Formstoffkomponenten und einer möglichen Einfluss-
nahme auf die Geruchsstoffbildung.
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Abschlussarbeit PGS Toxikologie
Zum Beispiel entwickeln verschiedene Unternehmen neue Binder [29]:
- Hüttenes-Albertus International LLC: Verwendung von Biodiesel: Methyl-
ester zur Vermeidung der Emission durch aromatische Lösungsmittel
(Benzol-, Toluol-, Xylol-Konzentration ↓);
- General Motors: Binder auf Proteinbasis aus recycelfähigem natürlichen
Materialien u.a.
In den vergangenen Jahren gab es zahlreiche Weiterentwicklungen, wie am
Beispiel des seit nunmehr 30 Jahren etablierten Cold-Box-Verfahrens gezeigt
werden soll (Tab. 10):
Tabelle 10: Chronologische umweltrelevante Weiterentwicklung der neuen Cold- Box-Generationen [30]
1. Generation: Austausch der aromatischen Lösungsmittel durch Rapsölme-thylester und dadurch Minderung der Schadstoffemission bei
der Kernherstellung und nach dem Abgießen (BTX)
2. Generation: Einsatz von modifizierten Fettsäuremethylestern mit dem Ziel der Reduzierung der Rauchentwicklung bei der Kerntrocknung und nach dem Abgießen im Vergleich zur ersten Generation
3. Generation: Reduzierung des freien Phenolgehaltes der Harzkomponente mit dem Ziel einer Verbesserung des Deponieverhaltens des Altsandes und weitere Verbesserung der Schadstoffemission
4. Generation: Einsatz von Lösemitteln auf Silikatbasis mit dem Ziel einer
Reduzierung von Geruchsemissionen, Rauchentwicklung und Kondensatbildung nach dem Abgießen
Zu erkennen ist der Einfluss der verwendeten Lösungsmittel auf Schadstoff- und
Geruchsstoffemission. Bereits die Systeme der ersten und zweiten Generation
weisen eine bedeutende Reduzierung der Schadstoffemission nach dem
Abgießen auf. Vor allem die Phenolgehalte konnten drastisch reduziert werden.
Die Suche nach geeigneten geruchsneutralen Stoffen führt zu Lösungsmitteln aus
der Familie der Kieselsäureester, ähnlich wie im geruchstechnisch positiv zu
bewertenden Wasserglasverfahren. Die Materialien besitzen einen ausgeprägten
anorganischen, silikatischen Charakter. Sie werden bei thermischer Belastung
zum Teil in amorphes SiO2 umgewandelt, was geruchsneutral ist. Seit über zehn
Jahren ist dementsprechend das Cordis-Verfahren bekannt. Es basiert auf einem
modifizierten Natriumsilikat und ist eines der umweltfreundlichsten, rauch- und
geruchsärmsten Bindemittel.
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Abschlussarbeit PGS Toxikologie
Insgesamt wird derzeit intensiv an der Entwicklung umweltfreundlicherer,
geruchsneutraler Bindemittel gearbeitet. Außerdem steht v.a. in der Forschung im
Mittelpunkt, welche Mechanismen für das Entstehen verschiedener (Geruchs-
bzw. Schad-) Stoffe im Verlaufe des Gießprozesses verantwortlich sind und wie
sich diese gezielt beeinflussen lassen.
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Abschlussarbeit PGS Toxikologie
Literaturverzeichnis
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Abschlussarbeit PGS Toxikologie
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[30] www.huettenes-albertus.de/Reduzierung_derGeruchsemissio.geruchsarmecb_syste.0.html
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Abschlussarbeit PGS Toxikologie
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Wirtschaftsbereiche und typische Geruchsquellen 4
Tabelle 2: Grundgerüche nach der stereochemischen Geruchstheorie nach AMOORE 6
Tabelle 3: Geruchsqualitäten in Abhängigkeit funktioneller Gruppen 9
Tabelle 4: Vergleich von Sensortypen 16
Tabelle 5: Grenzwertfestlegungen der WHO (1987) als Halbstundenmittelwerte (Angaben in g/m³) 19
Tabelle 6: Geruchsschwellenwerte einzelner Stoffe 19
Tabelle 7: Auswahl von MAK-Werten und TRK-Werten 20
Tabelle 8: Geruchsemissionen in Sandgießereien und ihre Ursachen 21
Tabelle 9: Übersicht über die wichtigsten Vertreter von identifizierten Pyrolyseprodukten 25
Tabelle 10: Chronologische umweltrelevante Weiterentwicklung der neuen Cold-Box-Generationen 39
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Lage des Riechfeldes (Regio olfactoria) 5
Abbildung 2: Geruchseinteilung nach HENNING (Geruchs-Prisma) 6
Abbildung 3: Schema der Geruchswahrnehmung 7
Abbildung 4: Eigenschaften von Geruchsstoffen 8
Abbildung 5: Strukturformeln von Campher, Hexachlorethan, Hexachlorbenzol, Octachlornaphthalin strukturell verschieden – ähnlicher Geruch 8
Abbildung 6: Strukturformeln von Vanillin, iso-Vanillin strukturell ähnlich – verschiedener Geruch 9
Abbildung 7: Prinzipieller Aufbau eines Olfaktometers 12
Abbildung 8: Vergleich verschiedener Bindersysteme bezüglich ihrer Geruchsfreisetzung 23
Abbildung 9: GC-MS-Sniff-Analyse: Chromatogramm und zugehöriges Olfaktogramm 25
Abbildung 10: Von verschiedenen Sensoren ermittelte Geruchswertdaten 28
Abbildung 11: Möglichkeiten zur Geruchsminderung und -beseitigung in Gießereien 38
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Eidesstattliche Erklärung
Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig verfasst und
keine anderen, als die angegebenen Hilfsmittel verwendet habe. Die aus fremden
Quellen direkt oder indirekt übernommenen Gedanken sind als solche kenntlich
gemacht.
Freiberg, 09.02.2005 Unterschrift
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Abschlussarbeit PGS Toxikologie
Danksagung
Bei Prof. Dr. W. Voigt (Technische Universität Bergakademie Freiberg, Institut für
Anorganische Chemie) möchte ich mich bedanken, dass er mir die Möglichkeit
gab, neben meiner Promotion an dem Postgradualstudium Toxikologie der
Universität Leipzig teilzunehmen.
Prof. Dr. T. Hummel (Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der Technischen
Universität Dresden, Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde,
Abteilung Olfaktologie und Gustologie) danke ich für seine Anregungen und Kritik.
Micha, meiner Familie und Jana Schneider: Danke fürs Korrekturlesen und die
Unterstützung, zahlreichen Diskussionen und konstruktiven Beiträge.
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