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EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 19.6.2019
SWD(2019) 283 final
ARBEITSUNTERLAGE DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN
EU-Politikrahmen für die Straßenverkehrssicherheit im Zeitraum 2021 bis 2030 –
Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“
1
Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen EU-Politikrahmen für die Straßenverkehrssicherheit im Zeitraum 2021 bis
2030 –
Nächste Schritte auf dem Weg zur „Vision Null Straßenverkehrstote“
1. Einleitung
Mit dem Paket „Europa in Bewegung“ hat die Europäische Kommission im Mai 2018 einen
neuen Ansatz für die Straßenverkehrssicherheit in der EU auf den Weg gebracht1, wozu auch
ein mittelfristiger Strategischer Aktionsplan2 gehört. In dieser Arbeitsunterlage soll
dargestellt werden, wie die neue Politik in konkrete Maßnahmen umgesetzt wird.
Die Zahl der weltweit in Straßenverkehrsunfällen getöteten Menschen steigt weiter an. Allein
im Jahr 2016 lag sie, laut dem Globalen Statusbericht der Weltgesundheitsorganisation zur
Verkehrssicherheit („Global Status Report on Road Safety”)3, bei 1,35 Millionen. Das
bedeutet, dass auf der ganzen Welt mehr Menschen durch Unfälle im Straßenverkehr sterben
als infolge von HIV/AIDS, Tuberkulose oder Durchfallerkrankungen. Zudem sind Unfälle im
Straßenverkehr mittlerweile weltweit die häufigste Todesursache bei Kindern und jungen
Menschen im Alter zwischen 5 und 29 Jahren.
Im weltweiten Vergleich schneidet Europa noch relativ gut ab, dank entschlossener
Maßnahmen auf EU-, nationaler, regionaler und lokaler Ebene. Im Zeitraum 2001 bis 2010
sank die Anzahl der in der EU im Straßenverkehr tödlich Verunglückten um 43 % und
zwischen 2010 und 2018 um weitere 21 %. Trotzdem waren im Jahr 2018 auf den Straßen
der EU weitere 25 100 Menschen ums Leben gekommen und ca. 135 000 wurden schwer
verletzt4. Das ist ein nicht hinnehmbarer und unnötig hoher menschlicher und sozialer Preis
für unsere Mobilität. Beziffert man den Schaden rein finanziell, so verursachen Unfälle im
Straßenverkehr in der EU schätzungsweise, laut einer neuer Studie, jährliche Kosten von etwa
280 Mrd. EUR, was ca. 2 % des BIP5 entspricht.
Des Weiteren stagnierte in den letzten Jahren der Fortschritt bei der Verringerung der EU-
weiten Zahl der Straßenverkehrstoten. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass das aktuelle
mittelfristige Ziel der EU, nämlich die Halbierung der Zahl der Straßenverkehrstoten
zwischen 2010 und 20206, noch erreicht wird. Noch weniger Fortschritte sind bei der
Vermeidung von schweren Verletzungen erzielt worden.7
In manchen erfolgreichen Ländern ist die Zahl der Verkehrstoten in den letzten Jahren sogar
wieder gestiegen. Zwar sind gewisse Schwankungen zu erwarten, insbesondere bei kleinen
1 Europäische Kommission (2018), Mitteilung „Europa in Bewegung - Nachhaltige Mobilität für Europa: sicher, vernetzt und umweltfreundlich“ COM(2018) 293 final.
2 Anhang I zur Mitteilung (https://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2018/DE/COM-2018-293-F1-DE-ANNEX-1-PART-1.PDF).
3 Weltgesundheitsorganisation (2018), “Global Status Report on Road Safety”: https://www.who.int/violence_injury_prevention/road_safety_status/2018/en/.
4 Europäische Kommission (4. April 2019) Veröffentlichung der vorläufigen Statistiken 2018 zur Sicherheit im Straßenverkehr:
http://europa.eu/rapid/press-release_IP-19-1951_de.htm. 5 Europäische Kommission (2019), Handbook on the External Costs of Transport
(https://ec.europa.eu/transport/themes/sustainable/studies/sustainable_en).
6 Europäische Kommission (2010), Mitteilung: „Ein europäischer Raum der Straßenverkehrssicherheit: Leitlinien für die Politik im Bereich der Straßenverkehrssicherheit 2011-2020“ (KOM(2010) 389 endgültig).
7 Während die Zahl der tödlichen Unfälle zwischen 2010 und 2017 um 20 % zurückgegangen ist (laut Fallzahlen der Polizei), verringerte
sich die Zahl der schweren Verletzungen im gleichen Zeitraum nur um etwa 5 %.
2
absoluten Zahlen bzw. Stichprobengrößen, jedoch bedürfen diese Fälle einer weiteren
Analyse auf nationaler und auf EU-Ebene, wobei auch untersucht werden muss, ob es
Veränderungen bei den Unfallarten oder den betroffenen Verkehrsteilnehmergruppen gegeben
hat, um auf neue Entwicklungen schnell, durch wirksame Maßnahmen reagieren zu können.
Abbildung 1: Entwicklung der tödlichen Unfälle im Straßenverkehr und Ziele für 2001-2020
Die EU hat ihr ambitioniertes langfristiges Ziel bekräftigt, bis zum Jahr 2050 so weit wie
möglich an die Zahl von Null Straßenverkehrstoten heranzurücken8 („Vision Null“). Durch
die Annahme der Erklärung von Valletta zur Straßenverkehrssicherheit9 in die
Schlussfolgerungen des Rates im März 2017, haben sich die Verkehrsminister der EU
außerdem erstmalig zum Ziel gesetzt, die Zahl der schweren Verletzungen infolge von
Verkehrsunfällen in der EU bis 2030 gegenüber dem Ausgangswert von 2020 zu halbieren.
Um sich diesen Zielen zu nähern, sieht die Mitteilung „Europa in Bewegung“ einen neuen
Ansatz vor.
Vor allem muss sich die Mentalität hinsichtlich der „Vision Null“ stärker als bisher
durchsetzen, sowohl in den Reihen der politischen Entscheidungsträger als auch in der breiten
Gesellschaft. Unfälle im Straßenverkehr „töten leise“ insofern, dass sie von der Öffentlichkeit
häufig kaum wahrgenommen werden, obwohl alleine in Europa jede Woche insgesamt
ca. 500 Menschen sterben, was der Anzahl der Passagiere in einem Jumbojet entspricht. In der
Luftfahrt nehmen wir Todesopfer nicht einfach hin, und wir sollten dies auch im
Straßenverkehr nicht länger tun. Die Prämisse, dass der Verlust von Leben grundsätzlich nicht
akzeptabel ist, muss sich in sämtlichen Entscheidungen zum Thema Straßenverkehrssicherheit
niederschlagen.
8 Europäische Kommission (2011), Weißbuch „Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum – Hin zu einem
wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem“ KOM(2011) 144 endg. 9 Rat der Europäischen Union (2017), Schlussfolgerungen des Rates zur Straßenverkehrssicherheit - zur Unterstützung der Erklärung von
Valletta vom März 2017 (Valletta, 28. und 29. März 2017), 9994/17 http://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-9994-2017-
INIT/de/pdf.
54 000
25,100
31 500
10 000
20 000
30 000
40 000
50 000
60 000
2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020
Straßenverkehrstote in der EU
EU-Zielwert für 2020Quelle: CARE (EU-Datenbank über
3
Zweitens müssen wir auf EU-Ebene ein „Safe-System“ schaffen. Dies wird im folgenden
Kapitel 3 näher erläutert. Kernelemente sind dabei sichere Fahrzeuge, eine sichere
Infrastruktur, sichere Straßennutzung (angepasste Geschwindigkeit, keine Fahrten unter
Alkoholeinfluss, Anlegen von Sicherheitsgurten und Helmtragen) sowie bessere Versorgung
nach einem Unfall; alles längst bekannte und wichtige Faktoren im Rahmen des Safe-System-
Ansatzes.
Drittens müssen wir bereit sein, neuen Trends entgegenzuwirken, z. B. dem zunehmenden
Phänomen der Ablenkung durch Mobilgeräte während der Fahrt. Einige technische
Fortschritte, vor allem in den Bereichen Konnektivität und Automatisierung, werden in
Zukunft neue Chancen für die Straßenverkehrssicherheit eröffnen, indem die Auswirkungen
menschlichen Versagens möglicherweise verringert werden können. Selbst die besten
Maschinen sind jedoch noch nicht annähernd so gut wie menschliche Fahrer, und zumindest
in der Übergangsphase werden neue Risiken entstehen, z. B. durch das Vorhandensein von
Fahrzeugen mit ganz unterschiedlichen Graden an Automatisierung und Vernetzung, die sich
im gemischten Verkehr gemeinsam mit „herkömmlichen“ Fahrzeugen und gefährdeten
Verkehrsteilnehmern wie Motorradfahrer, Fahrradfahrer und Fußgänger bewegen.
Automatisierung, Sharing Economy (z. B. Carsharing- und Mietfahrrad-Angebote) sowie die
ständige Weiterentwicklung neuer Formen der persönlichen Mobilität (z. B. Elektroscooter,
zumindest im Jahr 2019) bieten ebenfalls neue Möglichkeiten, die steigende
Verkehrsbelastung in urbanen Räumen zu bewältigen. Aber auch bei diesen zweifellos
spannenden und umweltfreundlicheren Verkehrsalternativen müssen wir für die Sicherheit
sorgen. In Städten lassen sich die Synergien zwischen Sicherheits- und
Nachhaltigkeitsmaßnahmen besonders gut entwickeln: Geht in einer Stadt beispielsweise
die Pkw-Nutzung zurück und sind sicherere Wege für Fußgänger und Radfahrer vorhanden,
führt dies zu geringeren CO2-Emissionen, einer besseren Luftqualität und weniger Staus, was
letztendlich dazu beiträgt, dass die Bevölkerung insgesamt aktiver und gesünder lebt. Zu
ähnlichen Synergien kommt es, wenn sichere und kostengünstige Mobilität für alle
Mitglieder der Gesellschaft bereitgestellt wird, insbesondere für Menschen mit
Behinderungen und für den wachsenden Anteil älterer Menschen. Nicht zuletzt wird zurzeit
mehr auf die geschlechterspezifischen Aspekte der Straßenverkehrssicherheit geachtet (z. B.
wird für einen neuen Crashtest mit Schwerpunkt auf Gurtsystemen, die ab 2022 verwendet
werden sollen, auch ein weiblicher Crashtest-Dummy eingesetzt).
Wie bisher wird die Kommission bei Bedarf gesetzgeberisch eingreifen. Wir werden diese
Bemühungen gemeinsam mit allen Interessenträgern durch intensivere und kooperative
Maßnahmen zur Entwicklung einer starken europäischen Politik im Bereich
Straßenverkehrssicherheit ergänzen und wir setzen bei der Vorbereitung und Erprobung neuer
Lösungen auf Forschung und Innovation.
Schließlich sollen diese Überlegungen auf EU-Ebene auch als Beitrag zur globalen Debatte
über Straßenverkehrssicherheit dienen, da wir uns an einem entscheidenden Wendepunkt
im von den VN erklärten „Jahrzehnt der Verkehrssicherheit“ 2010-2020 befinden und die
Vorbereitungen für die 3. weltweite Ministerkonferenz über die Sicherheit im Straßenverkehr,
die am 19. und 20. Februar 2020 in Stockholm stattfinden wird, bereits auf Hochtouren
laufen. Es geht dabei nicht nur um die Erstellung eines neuen Rahmens und neuer Ziele zur
Vermeidung von tödlichen Unfällen bzw. zur Verletzungsprävention auf den Straßen der Welt
in den kommenden zehn Jahren, sondern um die weitere Verankerung der
Straßenverkehrssicherheit in den Zielen für nachhaltige Entwicklung.
4
2. Beurteilung der EU-Leitlinien für die Politik im Bereich der Straßenverkehrssicherheit 2011-2020
Die „Leitlinien für die Politik im Bereich der Straßenverkehrssicherheit 2011-2020“10
bildeten in diesem gesamten Jahrzehnt den Rahmen für Maßnahmen auf EU-Ebene beim
Thema Straßenverkehrssicherheit; dabei wurde berücksichtigt, dass sich EU und
Mitgliedstaaten die Zuständigkeit für die Politik im Bereich der
Straßenverkehrssicherheit teilen. In den Leitlinien für die Politik wurde das strategische
Ziel festgelegt, die Zahl der Straßenverkehrstoten zwischen 2010 und 2020 um 50 % zu
reduzieren; außerdem werden Maßnahmen in sieben Schwerpunktbereichen vorangetrieben
(Ausbildung und Schulung von Fahrzeugführern, Durchsetzung von Verkehrsregeln, mehr
Sicherheit in der Straßeninfrastruktur, sicherere Fahrzeuge, moderne Technologien,
Versorgung von Verletzten und Hilfe im Notfall, gefährdete Verkehrsteilnehmer).
Im Jahr 2015 kam eine Zwischenbeurteilung11
zu dem Schluss, dass sich die Anstrengungen
der EU beim Thema Straßenverkehrssicherheit grundsätzlich auf einem guten Weg befinden.
Maßnahmen auf EU-Ebene stellten sich als wertsteigernd heraus und haben wahrscheinlich
Veränderungen beschleunigt, insbesondere in Mitgliedstaaten mit relativ geringer Sicherheit
im Straßenverkehr. Weitere Anstrengungen waren zum Erreichen des strategischen Ziels
erforderlich, denn eine Reihe von Maßnahmen mussten noch abgeschlossen oder nachbereitet
werden. Die Maßnahmen auf der Ebene der Mitgliedstaaten hatten das höchste Potenzial zu
schnellen Verbesserungen, z. B. durch eine bessere Durchsetzung von Verkehrsregeln,
insbesondere bei Verstößen aufgrund überhöhter Geschwindigkeit. Man stellte fest, dass die
Zahl der schweren Verletzungen nicht so schnell abnahm wie die Zahl der
Straßenverkehrstoten (teilweise deshalb, weil manche Todesfälle z. B. durch die
Fahrzeugsicherheit und eine bessere Versorgung nach einem Unfall verhindert werden
konnten, was sich dann in der Statistik über Schwerverletzte niederschlägt) und schlug in der
Beurteilung vor, dass ein spezifisches Reduktionsziel für die Zahl der schweren Verletzungen
das bereits vorhandene Ziel im Hinblick auf die Vermeidung von Straßenverkehrstoten
ergänzen könnte. Es wurde außerdem empfohlen, ein besonderes Augenmerk auf Maßnahmen
zum Schutz gefährdeter Verkehrsteilnehmer zu richten sowie die Kohärenz mit anderen
Politikzielen sicherzustellen, insbesondere im Hinblick auf Umweltschutz, Wirtschaft,
Gesundheit und Soziales.
Mit einer Anfang 201812
vorgelegten Fachstudie wurde diese Zwischenbeurteilung auf den
neuesten Stand gebracht und es wurden die während des gesamten Strategiezeitraums
durchgeführten Aktivitäten analysiert. Es wurde auf die erwarteten Auswirkungen der EU-
Initiativen über Bremsassistenzsysteme und ABS für Motorräder, auf die
grenzüberschreitende Verfolgung von Verkehrsdelikten sowie auf das automatisierte
Notrufsystem eCall näher eingegangen. Es wurde jedoch ebenfalls darauf hingewiesen, dass
viele Maßnahmen immer noch laufen und sehr wahrscheinlich vor 2020 keine größeren
Auswirkungen zeigen werden, und dass die Umsetzung auf der Ebene der Mitgliedstaaten
variabel verlief. Als Fazit wurde in der Studie festgestellt, dass erheblicher Spielraum für die
weitere Entwicklung der Ziele der EU für die Straßenverkehrssicherheit bestehe sowie eine
10 Europäische Kommission (2010), Mitteilung: „Ein europäischer Raum der Straßenverkehrssicherheit: Leitlinien für die Politik im Bereich
der Straßenverkehrssicherheit 2011-2020“ (KOM(2010) 389 endgültig).
11 Europäische Kommission (2015), Interim evaluation of the Policy orientations on road safety 2011-2020, https://ec.europa.eu/transport/road_safety/sites/roadsafety/files/pdf/interim_eval_2011_2020/interim_eval.pdf.
12 Jeanne Breen Consulting (2018), Studie „Preparatory work for an EU road safety strategy 2020-2030“,
https://publications.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/bd17c6de-6549-11e8-ab9c-01aa75ed71a1.
5
evidenzbasierte Strategie als Teil eines gesamten Safe-System-Ansatzes. Empfohlen wurden
darin ein verschärfter Fokus auf Prävention und Minimierung von Todesfällen und schweren
Verletzungen, ein inklusiver Durchführungsrahmen und eine Erweiterung des
Anwendungsbereichs zwecks Abstimmung mit anderen gesellschaftlichen Zielen zum
Kapazitätsausbau und Investition in die Straßenverkehrssicherheit. Ebenfalls empfohlen wird
die Festlegung von neuen Zwischenzielen auf dem Weg zur „Vision Null“ und die Benennung
einer Reihe von wesentlichen Leistungsindikatoren (KPI) zur Beurteilung der
Straßenverkehrssicherheit auf europäischer Ebene, die in direktem Zusammenhang mit der
Vermeidung von Todesfällen und schweren Verletzungen stehen und die
Interventionsstrategie und Durchführung von Maßnahmen ermöglichen.
3. Der Safe-System-Ansatz auf EU-Ebene
Angesichts der oben beschriebenen Sachverhalte hat sich die Kommission dafür entschieden,
ihren Politikrahmen für die Straßenverkehrssicherheit im Zeitraum 2021 bis 2030 auf
die Grundlage des Safe-System-Ansatzes zu stellen. Dieser Ansatz, der sich aus bewährten
europäischen Methoden ableitet und nun auch global von der Weltgesundheitsorganisation
empfohlen wird, schlägt eine neue Richtung im Bereich Straßenverkehrssicherheit vor, wobei
der Schwerpunkt auf der Vermeidung von Todesfällen und schweren Verletzungen liegt.
3.1 Das Safe-System
Nach dem „Safe-System“-Ansatz gelten Todesfälle und schwere Verletzungen bei
Straßenverkehrsunfällen nicht als zwangsläufiger Preis der Mobilität. Unfälle wird es zwar
weiterhin geben, doch Todesfälle und schwere Verletzungen sind größtenteils
vermeidbar. Ziel des Safe-System-Ansatzes ist ein flexibleres Straßenverkehrssystem.
Innerhalb des Systems wird anerkannt, dass Menschen Fehler machen, und es werden
mehrschichtige, kombinierte Maßnahmen gefördert, mit denen verhindert werden soll, dass
Menschen infolge dieser Fehler ums Leben kommen, wobei die körperliche Problematik
berücksichtigt wird. Eine bessere Fahrzeugkonstruktion, eine optimierte Straßeninfrastruktur
und geringere Tempolimits sind Beispiele für Maßnahmen zur Verringerung der Folgen von
Verkehrsunfällen. Insgesamt entsteht durch diese Maßnahmen ein mehrschichtiges
Schutzsystem, bei dem selbst bei Versagen eines Elements eine weitere
Sicherheitsvorkehrung den schlimmsten Unfallausgang abwendet. Bestandteil dieses Ansatzes
sind sektor- und fachbereichsübergreifende Maßnahmen und ein zielorientiertes Management,
einschließlich zeitlich definierter Ziele und Leistungskontrolle.
3.2 Ziele und Leistungskontrolle
Alle Arbeiten am Safe-System basieren auf einem Leistungsrahmen mit einer Hierarchie von
Zielen. Durch die Mitteilung „Europa in Bewegung – Nachhaltige Mobilität für Europa:
sicher, vernetzt und umweltfreundlich“13
vom Mai 2018 wurde das langfristige Ziel der EU
13 Europäische Kommission (2018), Mitteilung „Europa in Bewegung - Nachhaltige Mobilität für Europa: sicher, vernetzt und
umweltfreundlich“ COM(2018) 293 final.
6
bestätigt, bis zum Jahr 2050 möglichst nahe an die Zahl von Null Straßenverkehrstoten
heranzurücken; zusätzlich wurde selbiges Ziel für die Zahl schwerer Verletzungen
ausgegeben. Es wurden außerdem neue Zwischenziele vorgeschlagen, und zwar eine
Reduzierung der Zahl der Straßenverkehrstoten um 50 % zwischen 2020 und 2030 sowie eine
Verringerung der Zahl schwerer Verletzungen um 50 % im selben Zeitraum, was den
Empfehlungen der Erklärung von Valletta entspricht.
Zur Fortschrittsmessung dienen als grundlegendste und wichtigste Indikatoren
selbstverständlich die Kennzahlen hinsichtlich Todesfälle und Fälle schwerer Verletzungen,
die auch zukünftig aufmerksam überwacht werden. Da der Safe-System-Ansatz jedoch darauf
beruht, dass ein sehr viel klareres Verständnis der verschiedenen Aspekte gewonnen wird,
welche die Sicherheit insgesamt beeinflussen, hat die Kommission in enger Zusammenarbeit
mit Fachleuten aus den Mitgliedstaaten eine erste Reihe wesentlicher Leistungsindikatoren
erarbeitet (siehe Kapitel 4 und Anhang 1), die im Laufe der Zeit vervollständigt und
weiterentwickelt werden sollen.
Das Melden der notwendigen Daten an die Kommission durch die Mitgliedstaaten erfolgt auf
freiwilliger Basis. Der Erfolg dieser Maßnahme hängt also von der rückhaltlosen Teilnahme
der Mitgliedstaaten ab, so wie sie von den Verkehrsministern der EU in der Erklärung von
Valletta zum Ausdruck gebracht wurde. Tatsächlich verwendet eine Reihe von
Mitgliedstaaten bereits einige oder alle dieser Indikatoren für nationale Maßnahmen. Zwecks
einer leichteren Umsetzung werden verschiedene Optionen für bestimmte Indikatoren
bereitgestellt. Bei bereits vorhandenen, sehr stark abweichenden nationalen Ansätzen wollen
wir die bewährten nationalen Methoden beibehalten; darum wird die Entscheidung über die
genaue Methodik den Mitgliedstaaten überlassen, wobei jedoch das Ziel der Erhebung
miteinander vergleichbarer Daten berücksichtigt werden muss. Darüber hinaus gewährt die
Kommission den Mitgliedstaaten finanzielle Unterstützung um die Arbeit an Methodik
und Messungen zu fördern.14
Die erste KPI-Liste ist nur der Ausgangspunkt. Es handelt sich um ein „lebendiges“
Verfahren: die Arbeit an der Weiterentwicklung der Indikatoren wird fortgesetzt und es
werden im Laufe der Zeit zusätzliche Indikatoren aufgenommen.
Abbildung 2: Hierarchie der Safe-System-Ergebnisse auf EU-Ebene
Langfristiges Ziel Null Straßenverkehrstote und
schwere Verletzungen bis 2050
Zwischenziele 50 % weniger Todesfälle und schwere Verletzungen
zwischen 2020 und 2030
Ergebnisbezogene Zwischenziele
auf der Grundlage von wesentlichen Leistungsindikatoren im direkten Zusammenhang
mit der Verringerung von Todesfällen und schweren Verletzungen
14 Dazu hat der Ausschuss der Infrastrukturfazilität „Connecting Europe“ Finanzmittel von bis zu 5 Mio. EUR für programmunterstützende
Maßnahmen bewilligt.
7
3.3 Gemeinsame Verantwortung
Die Erfahrung hat gezeigt, dass sämtliche Akteure in ihrer jeweiligen Rolle koordiniert
handeln müssen, wenn der Safe-System-Ansatz funktionieren soll. Öffentliche Behörden in
sämtlichen Sektoren, die mit den Zielen der Straßenverkehrssicherheit in Verbindung stehen,
unter anderem in den Bereichen Verkehr und Infrastruktur, Umwelt, Bildung, Polizei,
Gesundheitswesen, Justiz und Tourismus müssen auf allen Ebenen eng zusammenarbeiten.
Darüber hinaus spielen sämtliche Interessenträger eine wichtige Rolle: Die Industrie (z. B.
Versicherungsgesellschaften), Nutzerverbände, NRO, Schulen, Forschungseinrichtungen
u. v. m.
Gleiches gilt natürlich auch für einen Safe-System-Ansatz auf EU-Ebene. Die Umsetzung des
Rahmens wird von der hochrangigen Gruppe für die Straßenverkehrssicherheit
beaufsichtigt, einer Gruppe, die sich aus hochrangigen Vertretern aus den jeweiligen
nationalen Regierungen zusammensetzt; ihre Rolle wurde insofern erweitert, dass sie auch die
strategische Beratung und häufige Rückmeldungen auf der Grundlage von überarbeiteten,
transparenten Arbeitsmethoden einschließt. Interessenträger können nun an einer Sitzung der
Gruppe pro Jahr teilnehmen. Darüber hinaus plant die Kommission, alle zwei Jahre
Ergebniskonferenzen abzuhalten (siehe Kapitel 6).
Zur Umsetzung des Rahmens sowie zukünftiger, daraus abgeleiteten Politikinitiativen erfolgt
ferner eine systematischere Koordination auf oberster Führungsebene durch die Kommission,
welche alle Generaldirektionen in Straßenverkehrssicherheits-relevante Maßnahmen
miteinbezieht.
Um die verschiedenen Arbeitsfelder zusammenzuführen und die Straßenverkehrssicherheit
sowohl in der EU als auch weltweit zu verbessern, hat der EU-Kommissar für Verkehr einen
europäischen Koordinator für Straßenverkehrssicherheit und zugehörige Aspekte
nachhaltiger Mobilität benannt.
In ihrer Mitteilung „Europa in Bewegung“ ruft die Kommission außerdem zu freiwilligen
Selbstverpflichtungen aus allen Sektoren auf, die ebenso ambitioniert sind wie die EU. Als
Beispiele werden genannt: mögliche Initiativen von Fahrzeugherstellern (z. B. bei der
Entwicklung und Vermarktung neuer Fahrzeugmodelle), Versicherern (z. B. durch eine
veränderte Prämienstruktur), dem Bildungssektor (z. B. Aufnahme der
Straßenverkehrssicherheit in die regulären Lehrpläne), Fahrschulen (z. B. Aus- und
Weiterbildung von Fahrzeug- und Motorradführern im Hinblick auf neue
Sicherheitsmerkmale und -funktionen von Fahrzeugen), Verkehrsunternehmen,
Berufskraftfahrern, Autovermietungen und anderen Unternehmen (z. B. durch Schaffung
einer Unternehmenskultur, die Sicherheit in den Vordergrund stellt) sowie Städten (z. B.
durch öffentliche Auftragsvergabe).
Als Reaktion auf diesen Aufruf hat ein Bündnis aus Fahrzeugherstellern, Kfz-Zulieferern
und Automobilclubs bereits eine Erklärung unterzeichnet15
, als Beitrag zur „Vision Null“
bis 2050; damit verpflichten sie sich unter anderem zur Durchführung von gezielten
Aufklärungskampagnen und von Forschungsprogrammen zur schnelleren Marktreife von
Technologien sowie zur Aufklärung von Fahrzeugführern über die effektive Nutzung von
fahrzeugbezogenen Sicherheitstechnologien.
15 https://www.acea.be/press-releases/article/broad-road-safety-coalition-commits-to-work-towards-zero-traffic-fatalities
8
Die Kommission wird solchen Selbstverpflichtungen als Teil der Europäischen Charta für
Straßenverkehrssicherheit16
– der weltweit größten zivilgesellschaftlichen Plattform für
Straßenverkehrssicherheit, die gerade neu gestaltet wird – Sichtbarkeit verleihen.
In Zusammenarbeit mit dem Europäischen Rat für Verkehrssicherheit hat die Kommission
außerdem das Programm „EU Road Safety Exchange“ ins Leben gerufen, das sich als
Kapazitätsaufbau- und Twinning-Maßnahme zunächst auf sechs EU-Mitgliedstaaten17
konzentriert, mit dem vorrangigen Ziel die Straßenverkehrssicherheit zu verbessern;
ermöglicht wurde das Programm durch ein Pilotprojekt des Europäischen Parlaments.
3.4 EU-Finanzierung
EU-Finanzierung ist ein wichtiger Hebel im Hinblick auf die Entwicklung zukünftiger
Lösungen und das schnellere Erreichen von Ergebnissen im Bereich
Straßenverkehrssicherheit in der gesamten EU, insbesondere in den Ländern, in denen beim
Thema Straßenverkehrssicherheit Nachholbedarf besteht. Die EU-Rahmenprogramme für
Forschung und Innovation dienen dazu, Probleme der Straßenverkehrssicherheit zu lösen, und
Forschungsprojekte leisten bereits einen signifikanten Beitrag zur Ausgestaltung neuer
Lösungen18
. Schon relativ kleine Investitionsvorhaben können einen großen Unterschied
ausmachen, wie die Nationale Autobahngesellschaft der Slowakei erst kürzlich gezeigt hat:
Sie modernisierte eine Autobahnstrecke von 327 km Länge mithilfe eines aus kostengünstigen
Maßnahmen bestehenden Programms. Durch die Ausgaben in Höhe von 40 Mio. EUR
können in den nächsten 20 Jahren voraussichtlich etwa 355 Todesfälle und schwere
Verletzungen verhindert werden19
.
16 http://erscharter.eu/node_de
17 Die teilnehmenden Mitgliedstaaten sind Rumänien, Bulgarien, Portugal, Griechenland, Polen und Litauen.
18 Zwischen 2002 und 2017 wurden etwa 172 Mrd. EUR für Forschung und Innovation im Bereich Straßenverkehrssicherheit ausgegeben. Eine umfassende Liste von Projekten und Ergebnissen ist im TRIMIS-Bericht über Verkehrssicherheit verfügbar:
https://trimis.ec.europa.eu/content/trip-research-theme-analysis-report-transport-safety.
19 https://www.eurorap.org/portfolio-items/before-and-after-study-of-motorway-upgrading-in-slovakia-2016/
Die Kommission
- hat in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten eine Liste der wesentlichen
Leistungsindikatoren erstellt, die mit den angestrebten Ergebnissen verknüpft
werden sollen;
- hat das Mandat der hochrangigen Gruppe für die Straßenverkehrssicherheit
erweitert, um strategische Beratung und häufige Rückmeldungen einzubeziehen;
- hat einen Europäischen Koordinator für Straßenverkehrssicherheit und zugehörige
Aspekte nachhaltiger Mobilität benannt; und
- wird die Auszeichnung „sichere Stadt“ (Safe City) einführen.
Innerhalb des Zeitrahmens wird die Kommission sich proaktiv mit den Mitgliedstaaten
und allen Interessenträgern in Verbindung setzen, um die Fortschritte zu überwachen und
zu beschleunigen, beispielsweise durch halbjährlich stattfindende Ergebniskonferenzen
und die Förderung freiwilliger Verpflichtungen, vor allem im Zusammenhang mit der
Europäischen Charta für Straßenverkehrssicherheit.
9
Verschiedene Finanzierungslösungen sind bereits vorhanden, z. B. regionale Fonds
(Europäischer Fonds für regionale Entwicklung – EFRE, Kohäsionsfonds) und die Fazilität
„Connecting Europe“. Bis jetzt wurden diese Möglichkeiten jedoch nur in begrenztem
Umfang genutzt. Die Bekanntheit der verschiedenen Instrumente ist gering, was durch die
Komplexität der Finanzierungsumgebung noch verschärft wird. Langfristig wird es wichtig
sein, Stabilität und Kohärenz der Finanzierungslösungen für die Nachrüstung von
Infrastrukturen, andere Maßnahmen zur Erhöhung der Straßenverkehrssicherheit und den
Kapazitätsaufbau zu bieten.
Im März 2019 starteten die Kommission und die Europäische Investitionsbank (EIB) als erste
konkrete Initiative die „Safer Transport Platform“, eine zentrale Anlaufstelle für
Investitionen in die Straßenverkehrssicherheit unter der Leitung der Europäischen Plattform
für Investitionsberatung (EIAH)20
. Zu den besonderen Aufgaben der Plattform gehören die
Aufklärung von potenziellen Empfängern über bestehende Finanzierungsmittel und -
instrumente durch maßgeschneiderte technische Beratung und Unterstützung bei
Investitionsvorschlägen sowie die Nachverfolgung von Programmen und die Ermittlung des
weiteren Investitionsbedarfs im Bereich Straßenverkehrssicherheit.
Darüber hinaus haben sich die Mitgesetzgeber der EU darauf verständigt, Maßnahmen zur
Straßenverkehrssicherheit eindeutiger in künftigen Instrumente (investEU-Programm21
und
die Verordnung zur Fazilität „Connecting Europe“ 2) einzubinden. Die Kommission hat
außerdem vorgeschlagen, die Straßenverkehrssicherheit als Voraussetzung in die
gemeinsamen Vorschriften für regionale Fonds aufzunehmen (dies ist zum Zeitpunkt der
Abfassung dieses Textes Gegenstand von Verhandlungen).
Finanzmittel werden auch für die weitere Forschung unter dem neuen Forschungs- und
Innovationsprogramm „Horizont Europa“ bereitgestellt (z. B. weitere Forschung über den
sicheren Übergang zur automatisierten Mobilität, über Fahrzeug- und Infrastruktursicherheit
bzw. über neue Technologien für die Erkennung von Drogen).
20 https://www.eib.org/de/press/all/2019-088-safer-transport-platform-eib-and-european-commission-join-forces-to-support-investments-in-
transport-safety-with-special-focus-on-roads
21 https://ec.europa.eu/commission/publications/investeu-programme_de
10
4. Wichtigste Interventionsbereiche und Fortschrittsmessung
Das Prinzip des zielorientierten Managements stellt einen deutlich definierten
Aktionsschwerpunkt dar. Die Kommission wird die Verbreitung von Wissen und bewährten
Methoden fördern und sich bei Bedarf mit Empfehlungen und/oder gesetzgeberischen
Maßnahmen beteiligen.
Auf der Grundlage von Empfehlungen führender Experten und nach ausgiebigen
Konsultationen der Interessenträger wurden im Rahmen der Mitteilung „Europa in
Bewegung“ und eines strategischen Maßnahmenplans eine Reihe von Themen benannt, die
bei der Bewältigung der größten Probleme für die Straßenverkehrssicherheit eine Rolle
spielen, nämlich: 1) Sicherheit der Infrastruktur, 2) Fahrzeugsicherheit, 3) sichere Teilnahme
am Straßenverkehr, auch im Hinblick auf überhöhte Geschwindigkeit, Alkohol und andere
Rauschmittel, Ablenkung und Verwendung von Schutzeinrichtungen, 4) Hilfe im Notfall.
Entscheidende horizontale Aspekte, die innerhalb sämtlicher Themen eine Rolle spielen, sind
Rechtsdurchsetzung und Ausbildung bzw. Schulung.
4.1 Infrastruktur: sichere Straßen und Gehwege
Hinsichtlich Freigabe und Finanzierung hat die Kommission
- neue Maßnahmen zur Unterstützung des Kapazitätsaufbaus auf der Ebene der
Mitgliedstaaten erarbeitet, z. B. in Bezug auf Safe-System-Strategien (Methoden zur
KPI-Messung) und im Rahmen eines Twinning-Programms (EU Road Safety
Exchange);
- weitere Anreize geschaffen, um die finanzielle Unterstützung der EU aus den
europäischen Struktur- und Investitionsfonds für die Nachrüstung von
Infrastrukturen zu nutzen, vor allem in Mitgliedstaaten mit vergleichsweise
schlechter Bilanz bei der Straßenverkehrssicherheit; sie empfiehlt des Weiteren die
Nutzung der Fazilität „Connecting Europe“ (CEF);
- in Zusammenarbeit mit der Europäischen Investitionsbank die „Safer Transport
Platform“ eingerichtet;
- die Finanzhilfe für Maßnahmen zur Straßenverkehrssicherheit (z. B. auch die
gemeinsame, grenzüberschreitende Verfolgung von Verkehrsdelikten in
Zusammenarbeit zwischen Polizeibehörden und in internationaler Zusammenarbeit)
im nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen optimiert und verstärkt, unter
Berücksichtigung der Komplementarität der verschiedenen
Finanzierungsinstrumente; und
- die für die Entwicklung und Umsetzung von Safe-System-Strategien notwendige
Forschung und Innovation verstärkt, insbesondere im Kontext des neuen EU-
Forschungs- und Entwicklungsprogramms „Horizont Europa“.
11
Die Straßeninfrastruktur sowie der Nahbereich der Straße stellen bei mehr als 30 % der
Unfälle einen beitragenden Faktor dar.22
Durchdachte und gut instand gehaltene Straßen
können die Wahrscheinlichkeit von Unfällen im Straßenverkehr verringern; gleichzeitig
können flexiblere Straßen (nach dem Safe-System-Prinzip konzipierte Straßen, z. B. mit
Sicherheitsbarrieren in der Mitte, die verhindern, dass Fahrfehler zu schwerwiegenden
Konsequenzen führen) die Schwere von Unfällen reduzieren.
Die systematische Kartierung von Risiken und Sicherheitstraining, also proaktive
Maßnahmen in Ergänzung zu der eher traditionellen reaktiven Analyse von Stellen mit hohen
Unfallkonzentrationen („Unfall-Hotspots“), stellen nützliche Tools bei der Bewertung der
Sicherheit und Qualität des Straßennetzes und zur zielgerichteten Zuweisung von
Investitionen dar. Das Europäische Programm zur Straßenbewertung (EuroRAP), ein
internationaler gemeinnütziger Zusammenschluss von Automobilclubs,
Straßenverkehrsbehörden und Forschern, hat bereits Bewertungen von Straßen in vielen EU-
Mitgliedstaaten durchgeführt. Im Rahmen dieser Programme werden für Straßen und
Straßenabschnitte Sicherheitsbewertungen zwischen 1 und 5 Sternen vergeben. Einige
Mitgliedstaaten haben ihre eigene Bewertungsmethodik entwickelt.
In einer kürzlich vereinbarten Revision der Sicherheitsvorschriften für die EU-Infrastruktur23
,
hat die EU die Kartierung von Risiken und die Sicherheitsbewertung von Straßen des
strategischen Transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V), Autobahnen und
Hauptverkehrsstraßen bewilligt, ohne eine bestimmte Methodik vorzuschreiben. Die
Kommission wird dennoch eng mit Sachverständigen aus den Mitgliedstaaten an der
Vereinbarung einer gemeinsamen Methodik zusammenarbeiten.
Darüber hinaus ebnen die überarbeiteten Vorschriften den Weg zu einem höheren Grad der
Automatisierung in Fahrzeugen; zu diesem Zweck wurde mit der Erarbeitung von
Spezifikationen für Straßenverkehrszeichen und Markierungen begonnen, auch
hinsichtlich Aufstellungsort, Sichtbarkeit und Rückstrahlleistung. Dies ist bereits heute für die
Funktion von Fahrerassistenzsystemen wie Intelligenten Geschwindigkeitsassistenten (bei
Verkehrszeichen mit zulässiger Höchstgeschwindigkeit) und Spurhalteassistenten (bei
Straßenmarkierungen) wichtig und wird mit wachsendem Automatisierungsgrad stetig erhöht.
Laut der Folgenabschätzung der Kommission, können diese neuen Vorschriften bis
2030 potenziell das Leben von bis zu 3200 Menschen retten und 20 700 schwere
Verletzungen vermeiden.
22 Danish Road Traffic Accident Investigation Board (2014), „Why do road traffic accidents happen?“; Elvik, Hove et al (2012), „The Handbook of Road Safety Measures“.
23 Revision der Richtlinie 2008/96/EG über ein Sicherheitsmanagement für die Straßenverkehrsinfrastruktur (noch nicht veröffentlicht):
http://europa.eu/rapid/press-release_MEX-19-1377_en.htm.
12
Ein KPI für die Straßeninfrastruktur sollte den Sicherheitszustand eines Straßennetzes
unabhängig vom Verhalten der Straßenverkehrsteilnehmer und der Fahrzeugtechnik zeigen.
Im Vorgriff auf die unter neuen EU-Vorschriften verpflichtende netzwerkweite
Sicherheitsbewertung (wobei mit der Fertigstellung einer ersten kompletten Beurteilung Ende
2024 gerechnet wird) und in Ermangelung einer gemeinsam vereinbarten
Bewertungsmethodik, hat sich ein solcher Indikator als schwer definierbar erwiesen; es sind
weitere Schritte zu seiner Ausgestaltung erforderlich.
Die Dienste der Kommission werden mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um einen
Infrastruktur-Indikator auf der folgenden Grundlage festzulegen:
Der Indikator wird auf einer Netzbewertung oder einer Beurteilungsmethodik beruhen und die
zurückgelegte Strecke24
oder einen anderen Näherungswert für die auftretende Belastung
berücksichtigen. Dies wird in gerade laufenden Arbeiten auf Sachverständigenebene
untersucht; letztendlich wird die netzwerkweite Sicherheitsbewertung unter den neuen
Sicherheitsvorschriften für die EU-Infrastruktur ausschlaggebend sein.
4.2 Sichere Fahrzeuge
Die EU hatte in den letzten Jahrzehnten besonders an der Verbesserung der
Fahrzeugsicherheit mitgewirkt, dank fortlaufender Anpassungen der Verordnung über die
allgemeine Sicherheit von Kraftfahrzeugen25
und der Verordnung über den Schutz von
24 Viele Mitgliedstaaten haben noch keine Daten über „zurückgelegte Strecken“ erhoben. Das Statistische Amt der EU (Eurostat) arbeitet derzeit an der Erhebung solcher Daten.
25 Verordnung (EG) Nr. 661/2009 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen, Kraftfahrzeuganhängern und von Systemen, Bauteilen
und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge hinsichtlich ihrer allgemeinen Sicherheit.
KPI für Infrastruktur:
Anteil in Prozent der zurückgelegten Strecke auf Straßen mit einer Sicherheitsbewertung
über einem vereinbarten Schwellenwert.
Im Hinblick auf die Sicherheit der Infrastruktur ergreift die Kommission folgende
Maßnahmen:
- Einsetzen einer Sachverständigengruppe, deren Aufgabe es sein wird, einen
Rahmen für die Einstufung der Straßen auszuarbeiten, der
Geschwindigkeitsbeschränkungen besser mit der Straßenplanung und -gestaltung
abgleicht, in Einklang mit dem „Safe System“-Ansatz;
- Erleichtern des Austauschs von Erfahrungen mit den Methoden des „Safe System“
zwischen Fachleuten (z. B. dem Forum der europäischen
Straßenverkehrssicherheitsauditoren);
- Veröffentlichung der Ergebnisse der netzwerkweiten Sicherheitsbewertung, die von
den Mitgliedstaaten bis Ende 2024 gemäß der überarbeiteten Richtlinie über ein
Sicherheitsmanagement für die Straßenverkehrsinfrastruktur der EU durchgeführt
wird; und
- Analyse der Notwendigkeit weiterer Forschung und Innovation im Bereich
Infrastruktursicherheit, z. B. Erforschung neuer Technologien für die Überwachung
des Infrastrukturzustands.
Während des gesamten Zeitraums will die Kommission mögliche weitere EU-Maßnahmen
benennen, z. B. die Festlegung spezifischer Sicherheitsziele für Straßen des TEN-V-Netzes in der
nächsten Revision der TEN-V-Leitlinien.
13
Fußgängern26
, die verpflichtende und unabdingbare sicherheitstechnische Anforderungen für
in der EU vertriebene Fahrzeuge enthalten. Innovationen in der Fahrzeugtechnik können
dabei helfen, sowohl die Schwere als auch die Wahrscheinlichkeit von Unfällen zu
minimieren, und zwar einerseits durch passive Sicherheitsvorkehrungen wie Sicherheitsgurte,
Airbags und das Aufprallenergieaufnahmevermögen von Fahrzeugen, durch das die Insassen
bei einer unvermeidbaren Kollision geschützt werden, und andererseits durch aktive
Sicherheitsmaßnahmen wie Notbremsassistenzsysteme, intelligente
Geschwindigkeitsassistenten, Fahrdynamik-Regelung und Spurhaltewarnsysteme, die
verhindern sollen, dass es überhaupt zu einem Unfall kommt.
Es sollte jedoch ebenfalls erwähnt werden, dass neben den strengen Gesetzen über die
Fahrzeugsicherheit in der EU, die Fahrzeughersteller des Weiteren dazu gefördert wurden,
Fahrzeuge noch sicherer zu machen und mit modernen Sicherheitstechnologien nach dem
Stand der Technik auszurüsten, durch Programme zur Bewertung und Einschätzung von
Neufahrzeugen für den Verbraucherschutz, wie diese vom Europäischen Programm zur
Bewertung von Neufahrzeugen (Euro NCAP) durchgeführt werden. Das Euro NCAP, das
von Automobilclubs, Forschungseinrichtungen und Verkehrsbehörden betrieben wird, stellt
ein nützliches Mittel zur Bewertung der gesamten Sicherheit eines Fahrzeuges dar; dabei ist
eine gute Korrelation zwischen den durch Euro NCAP ermittelten Testergebnissen und den
Erkenntnissen der Unfälle festzustellen. Die Forschung hat gezeigt, dass bei Fahrzeugen, die
von Euro NCAP mit 5 Sternen bewertet wurden, ein um 68 % geringeres Risiko tödlicher
Verletzungen und ein um 23 % geringeres Risiko von Schwerverletzungen besteht als bei mit
2 Sternen bewerteten Fahrzeugen27
.
Die Überarbeitung der Verordnung über die allgemeine Sicherheit von Kraftfahrzeugen
im Frühjahr 201928
, mit der eine Reihe neuer fortschrittlicher Sicherheitssysteme
obligatorisch eingeführt werden (z. B. intelligente Geschwindigkeitsassistenten,
Spurhaltesysteme für den Notfall, Anforderungen bezüglich des direkten Sichtfelds von
Bussen und Lastkraftwagen) rettet nach vorsichtigen Schätzungen bis 2030 das Leben von
mindestens 7300 Menschen und verhindert 38 900 schwere Verletzungen; dementsprechend
werden bis 2037 voraussichtlich 25 000 tödliche Unfälle und 140 000 schwere Verletzungen
verhindert. Diese Verordnung leistet außerdem einen Beitrag zur Unfallanalyse, da sämtliche
Neufahrzeuge mit Ereignisdatenspeicher ausgerüstet werden müssen.
Es ist unbedingt zu unterstreichen, dass die Industrie ihre Pflicht erfüllen muss, dem
Verbraucher sichere Produkte anzubieten und im Problemfall bei Bedarf Abhilfemaßnahmen
zu ergreifen.29 Da Sicherheitsprobleme häufig nach der Markteinführung auftreten, ist die
regelmäßige technische Überwachung für den Schutz des Verbrauchers während der
gesamten Lebensdauer der Fahrzeuge von großer Bedeutung.
26 Verordnung (EG) Nr. 78/2009 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen im Hinblick auf den Schutz von Fußgängern und anderen
ungeschützten Verkehrsteilnehmern.
27 Kullgren, Lie, Tingvall (2010), Comparison between Euro NCAP test results and real-world crash data, Traffic Injury Prevention, 2010 Dec 11(6):587-93; zitiert in Jeanne Breen Consulting (2018), Studie „Preparatory work for an EU road safety strategy 2020-2030“,
https://publications.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/bd17c6de-6549-11e8-ab9c-01aa75ed71a1. Die Aussagekraft der in der
Studie ermittelten Ergebnisse bleibt bestehen, obwohl sich die Euro NCAP-Bewertungen zwischenzeitlich geändert haben. 28 http://europa.eu/rapid/press-release_IP-19-1793_de.htm
29 In den letzten drei Jahren sind mehr als 400 relevante Meldungen pro Jahr im Schnellwarnsystem RAPEX eingegangen:
http://81.247.254.96/QvAJAXZfc/opendoc.htm?document=Rapid_Alert_System_statistics.qvw&host=QVS@vsrv1463&anonymous=true.
14
Fahrzeugbeschaffung stellt ebenfalls eine interessante Möglichkeit dar, die
Straßenverkehrssicherheit positiv zu beeinflussen. Dies gilt sowohl für private Eigentümer
großer Fuhrparks und für Unternehmen, die Logistikdienstleistungen benötigen, als auch für
das öffentliche Auftragswesen. Die EU erforscht derzeit, wie sie Initiativen zur Verbesserung
der Sicherheit von Fuhrparks im Kontext der „Safer Transport Platform“ (siehe vorheriges
Kapitel 3.4) finanziell unterstützen kann.
Erhebliche Investitionen fließen derzeit in die Entwicklung vernetzter und automatisierter
Fahrzeuge und ihrer Interaktion mit anderen Straßennutzern sowie mit der digitalen und
physischen Straßeninfrastruktur. Eine spezifische EU-Strategie zur vernetzten und
automatisierten Mobilität wurde als Teil des „dritten Mobilitätspakets“ verabschiedet30.
Diese Entwicklungen bieten ein immenses Potenzial bei der Reduzierung und letztendlich bei
der völligen Eliminierung von Fahrfehlern, schaffen jedoch auch neue Herausforderungen,
z. B. bei den Themen Cybersicherheit und Interaktion mit „herkömmlichen“ Fahrzeugen
sowie mit anderen Verkehrsteilnehmern.
30 Europäische Kommission (2018), Mitteilung „Auf dem Weg zur automatisierten Mobilität: eine EU-Strategie für die Mobilität der
Zukunft“, KOM/2018/283 endg.
Im Hinblick auf die Fahrzeugsicherheit ergreift die Kommission folgende Maßnahmen:
- untersucht, ob die nachträgliche Ausrüstung der bestehenden Fahrzeugflotte (vor
allem Busse und Lastkraftwagen) mit fortschrittlichen Fahrerassistenzsystemen
machbar und kosteneffizient ist;
- Zusammenarbeit mit Mitgliedstaaten, Interessenträgern und der UN-
Wirtschaftskommission für Europa (UNECE) an den Durchführungsbestimmungen
für die neue Verordnung über die allgemeine Sicherheit von Kraftfahrzeugen;
- Zusammenarbeit mit Mitgliedstaaten zwecks Schaffung der notwendigen
Voraussetzungen für das ordnungsgemäße Funktionieren des übersteuerbaren
intelligenten Geschwindigkeitsassistenten gemäß der überarbeiteten Verordnung
über die allgemeine Sicherheit von Kraftfahrzeugen, auch z. B. im Hinblick auf die
Verfügbarkeit von Geschwindigkeitsbegrenzungen in digitalem Format. In Zukunft
ist auch über die Machbarkeit und Akzeptabilität von nicht-übersteuerbaren
Geschwindigkeitsassistenten nachzudenken; und
- Ermutigen der Mitgliedstaaten, unter Beibehaltung des Wettbewerbs im
Binnenmarkt nationale Anreize zu schaffen, um die Einführung bewährter
Technologien durch eine breite Palette von Maßnahmen zu beschleunigen, zu
denen auch die Auftragsvergabe, Strategien für sicheres Reisen, steuerliche und
Versicherungsanreize zählen.
Die Kommission wird den Bedarf an weiteren Maßnahmen bewerten, die unter anderem
die Vorschriften für die Prüfung der Haftung von Altreifen, den Rechtsrahmen für die
technische Überwachung von Kraftfahrzeugen – einschließlich Maßnahmen zur
Bekämpfung potenzieller unbefugter Eingriffe durch Eigentümer/Halter – und die
Tatsache, dass Sicherheitserwägungen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge in der EU
mehr im Vordergrund stehen sollten, betreffen.
15
Die neue Verordnung über die allgemeine Sicherheit von Kraftfahrzeugen bietet nun als
weltweit erster Rechtsakt dieser Art einen klaren Rechtsrahmen für die Zulassung von
automatisierten/vernetzten Fahrzeugen. Da die neue Verordnung erst ab 2022 für
automatisierte Fahrzeuge gilt, haben die Dienste der Kommission gemeinsam mit den
Mitgliedstaaten für die Zwischenzeit geltende Leitlinien für solche Fahrzeuge entwickelt.31
Die Kommission ist außerdem dabei, ein EU-Portal für die Koordination groß angelegter
Tests und vorbereitender Maßnahmen zur Entwicklung automatisierter/vernetzter Mobilität
einzurichten, die auch zur Behandlung von Themen verwendet werden könnte, die die
Sicherheit im Straßenverkehr betreffen. Die Ergebnisse dieser Arbeit werden in die
Europäische Partnerschaft für den sicheren und automatisierten Straßenverkehr einfließen,
welche im Rahmen des strategischen Planungsprozesses des zukünftigen Forschungs- und
Innovationsprogramms „Horizont Europa“ als Priorität benannt wurde.
In Anbetracht der Komplexität automatisierter Fahrfunktionen, benötigen die Behörden der
Mitgliedstaaten Zugriff auf die fahrzeuginternen Daten, um die Haftung im Schadensfall
bestimmen zu können. Des Weiteren ist zu erörtern, inwieweit das Erfassen anonymisierter
Daten über die Sicherheitsbilanz automatisierter Technologien reguliert werden muss, um die
Forschung und Entwicklung im Bereich der Straßenverkehrssicherheit zu ermöglichen. Dazu
gehören wichtige Aspekte des Datenzugriffs und des Datenschutzes. Ein weiterer Faktor sind
die immer komplexer werdenden Mensch-Maschine Schnittstellen (MMI). Schulung und
Qualifizierung müssen unbedingt angepasst werden, damit Fahrzeugführer die automatisierten
Fahrzeuge, die in den nächsten Jahren auf den Markt kommen, bedienen können.
31 https://ec.europa.eu/growth/content/guidelines-exemption-procedure-eu-approval-automated-vehicles_en
16
Nach Gesprächen mit Sachverständigen aus den Mitgliedstaaten werden die
Kommissionsdienststellen Daten für KPI über Fahrzeugsicherheit auf der Grundlage der Euro
NCAP-Bewertungen erheben.
Im Hinblick auf die Vorbereitung auf vernetzte und automatisierte Mobilität ergreift
die Kommission folgende Maßnahmen:
- Umsetzung der EU-Strategie über die automatisierte/vernetzte Mobilität;
- Einführung von Spezifikationen für kooperative intelligente Verkehrssysteme
(delegierter Rechtsakt im Rahmen der Richtlinie über intelligente
Verkehrssysteme), einschließlich der Kommunikation zwischen Fahrzeugen bzw.
zwischen Fahrzeugen und Infrastrukturen
(https://ec.europa.eu/transport/themes/its/news/2019-03-13-c-its_en); und
- enge Zusammenarbeit mit den Interessenträgern, um einen Prozess zur
Entwicklung eines Verhaltenskodex für den Übergang zu höheren
Automatisierungsgraden einzuleiten, damit gewährleistet ist, dass Anforderungen
und Verfahren der Straßenverkehrssicherheit (gemischter Verkehr, Interaktion mit
anderen Straßenverkehrsteilnehmern, Übergabe der Steuerung, Verlust von
Fähigkeiten, Kolonnen, Shuttles usw.) in vollem Umfang Rechnung tragen, indem
vor allem sichergestellt wird, dass die nationalen Verkehrsvorschriften kohärent
sind und nicht in Widerspruch zu den EU-Kraftfahrzeugvorschriften stehen.
Im Rahmenzeitraum wird die Kommission den Bedarf an weiteren ergänzenden
Maßnahmen ermitteln, beispielsweise die Förderung der Harmonisierung der in
Fahrzeugen eingebauten Mensch-Maschine-Schnittstellen, um sicherzustellen, dass alle
Fahrer und Verkehrsteilnehmer mit Fahrzeugen interagieren können, ohne dass ihre
Sicherheit gefährdet wird, und den Zugriff auf Fahrzeugdaten zu regeln. Die Kommission
wird bewerten, ob die Rechtsvorschriften für den Führerschein, die technische
Überwachung, die Ausbildung von Berufskraftfahrern und die Lenkzeit überarbeitet
werden müssen, um Entwicklungen im Bereich der kooperativen, vernetzten und
autonomen Mobilität Rechnung zu tragen.
Des Weiteren wird die Kommission Anreize und Fördermaßnahmen für Forschung und
Entwicklung im Rahmen des neuen EU-Forschungs- und Entwicklungsprogramms
„Horizont Europa“ schaffen; dabei soll es vor allem um die Interaktion zwischen Mensch
und Technologie und insbesondere um Mensch-Maschine-Schnittstellen sowie den
sicheren Übergang zur Automatisierung gehen, wobei Rechtsdurchsetzung und Sicherheit,
die weitere Entwicklung der passiven Sicherheit für automatisierte Fahrzeuge sowie die
Ausfallsicherheit kritischer Fahrzeugkomponenten berücksichtigt werden sollen.
KPI für Fahrzeugsicherheit:
Anteil der neuen Personenkraftwagen mit einer Euro NCAP-Bewertung, die bei bzw. über
einem festgelegten Schwellenwert, z. B. 4 Sterne, liegt (soll genauer festgelegt werden).
17
Gemäß Absprache mit Sachverständigen aus den Mitgliedstaaten, wäre ein Indikator, der das
Alter der Flotte berücksichtigt, vor allem in der Übergangszeit von Nutzen. Die
Kommissionsdienststellen werden weiter mit Sachverständigen aus den Mitgliedstaaten
zusammenarbeiten um die Verwendung von Daten aus der technischen Überwachung als
Basis für einen anderen ergänzenden Indikator zu erörtern.
4.3 Sichere Straßennutzung
Die sichere Teilnahme am Straßenverkehr (angepasste Geschwindigkeit, Fahren ohne
Einfluss von Alkohol und anderen Rauschmitteln, Anlegen von Sicherheitsgurten,
Verwendung von Kinderrückhaltesystemen, Helmtragen) ist die dritte Säule bei der
Prävention und Minimierung von tödlichen Unfällen und schweren Verletzungen bei
Kollisionen. Im Zusammenhang mit diesen Themen spielt der menschliche Faktor bei der
Straßenverkehrssicherheit eine entscheidende Rolle und die Kommission wird eng mit den
Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, da diese Angelegenheiten bisher immer auf nationaler
Ebene behandelt wurden. Die Schwerpunktsetzung auf die allgemeine Ausbildung und
Aufklärung hat sich im Allgemeinen als weniger wirksam erwiesen und spielt in modernen
Safe-System-Ansätzen eine untergeordnete Rolle. Viel wichtiger sind dagegen die
Ausstellung von Fahrerlaubnissen, zielgerichtete Schulung und Bewusstseinsschärfung,
ergänzt durch strenge und dauerhafte Einhaltungs- und Durchsetzungsregelungen, wenn es
um die Fähigkeit und Bereitschaft der Straßenverkehrsteilnehmer zur sicheren Straßen-
und Fahrzeugnutzung geht.
Die EU-Richtlinie über den Führerschein32
, welche ein harmonisiertes EU-Modell für
Führerscheine und Mindestanforderungen für die Ausstellung einer Fahrerlaubnis vorsieht, ist
eines der greifbarsten und bekanntesten Instrumente der EU-Politik im Bereich der
Straßenverkehrssicherheit. Gemeinsam mit der kürzlich modernisierten Richtlinie über die
Aus- und Weiterbildung von Berufskraftfahrern33
, bildet einen Rahmen für die
Führerscheinausstellung und Fahrerschulung, der fortlaufend an neue Entwicklungen in der
Fahrzeug- und Infrastrukturtechnologie angepasst werden muss.
Vorschriften wie Geschwindigkeits- und Alkoholgrenzwerte sowie die Rechtsdurchsetzung
liegen in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, obwohl die Verantwortung für das Festlegen
von Höchstgeschwindigkeiten auf anderen Straßen als Autobahnen und auf innerstädtischen
Straßen häufig den Regionen oder Gemeinden überlassen wird. Eine wichtige EU-
Komponente kann jedoch auch hier zum Tragen kommen: die EU hat Rechtsvorschriften
ausgearbeitet, mit denen die Verfolgung von Verkehrssündern, die in einem anderen
Mitgliedstaat gegen Verkehrsregeln verstoßen haben, erleichtert wird. Nicht gebietsansässige
Fahrer tragen zu 5 % des Verkehrsaufkommens bei, sind jedoch für 15 % der Verkehrsdelikte
verantwortlich. Die derzeit geltende Gesetzgebung34
über die grenzüberschreitende
Durchsetzung bei der Ahndung von Verkehrsdelikten, die sich mit den schwersten Vergehen
wie überhöhte Geschwindigkeit, Überfahren roter Ampeln, Fahren ohne Sicherheitsgurte und
Fahren unter Alkoholeinfluss auseinandersetzt, beschränkt sich lediglich auf den
Informationsaustausch zwischen den Behörden über im Ausland begangene Verkehrsdelikte.
Die Kommissionsdienststellen prüfen derzeit, wie diese Verfahren effektiver gestaltet werden
32 Richtlinie 2006/126/EG des Rates über den Führerschein.
33 Richtlinie 2003/59/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2003 über die Grundqualifikation und Weiterbildung der
Fahrer bestimmter Kraftfahrzeuge für den Güter- oder Personenkraftverkehr und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates und der Richtlinie 91/439/EWG des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 76/914/EWG des Rates, ABl. L 226 vom 10.9.2003.
34 Richtlinie (EU) 2015/413 zur Erleichterung des grenzüberschreitenden Austauschs von Informationen über die Straßenverkehrssicherheit
gefährdende Verkehrsdelikte.
18
könnten. Eine weitere zu untersuchende Frage ist, ob die gegenseitige Anerkennung des
Entzugs von Fahrerlaubnissen und der Strafpunkte (sofern ein Punktesystem vorhanden ist)
zwischen verschiedenen Ländern machbar ist und einen Mehrwert erzeugt.
4.3.1 Sichere Geschwindigkeit
Etwa ein Drittel der tödlichen Unfälle werden (zu einem Teil) durch überhöhte oder
unangepasste Geschwindigkeit verursacht35
. Forschungsergebnisse zeigen, dass das Risiko,
in einen Unfall verwickelt zu werden, beim Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit um das
12,8-fache höher liegt als beim Fahren mit angepasster Geschwindigkeit36
. Unfälle bei hoher
Geschwindigkeit verursachen zudem weitaus schwerere Schäden als Unfälle bei niedrigeren
Geschwindigkeiten. Auf der Grundlage von Forschungsergebnissen37
hat der Europäische Rat
für Verkehrssicherheit (ETSC) errechnet, dass auf sämtlichen Straßen der EU jedes Jahr mehr
als 2200 tödliche Unfälle verhindert werden könnten, wenn die Durchschnittsgeschwindigkeit
lediglich 1 km/h niedriger läge.
Vergleiche darüber, in welchem Umfang die Höchstgeschwindigkeiten in den verschiedenen
Mitgliedstaaten eingehalten werden, lassen sich nicht leicht anstellen; doch angesichts der
Bedeutung der Einhaltung von Höchstgeschwindigkeiten und auf der Grundlage der
Ergebnisse der Arbeit mit Sachverständigen aus den Mitgliedstaaten, werden die
Kommissionsdienststellen Daten für einen Geschwindigkeits-KPI erheben, der auf objektiven
Beobachtungen beruhen soll.
4.3.2 Fahren im nüchternen Zustand (Alkohol und andere Rauschmittel)
Das Problem der Trunkenheit im Straßenverkehr lässt sich nur schwer beziffern (Die
Methoden der Datenerhebung unterscheiden sich stark voneinander), es kann jedoch
realistisch angenommen werden, dass Alkohol bei etwa 25 % aller tödlichen Unfälle eine
Rolle spielt38
.
Die Größenordnung des Einflusses von Drogen lässt sich noch schwerer feststellen, da es
keine harmonisierten Testmethoden gibt und noch keine systematische Datenerhebung
stattfindet. Es wurde jedoch gezeigt, dass das Fahren unter dem Einfluss mancher
35 OECD/ECMT (2006): Geschwindigkeitsmanagement.
36 Dingus et al (2016): Driver crash risk factors and prevalence evaluation using naturalistic driving data.
37 Elvik et al. (2019): Elvik R, Vadeby A, Hels T und van Schagen I (2019) Updated estimates of the relationship between speed and road safety at the aggregate and individual levels.
38 Unfälle mit tödlichem Ausgang, bei denen mindestens eine beteiligte Partei unter Alkoholeinfluss stand; Europäische Kommission
(2014), Study on the prevention of drink-driving by the use of alcohol interlock devices Final Report.
KPI für Geschwindigkeit:
Prozentualer Anteil der Fahrzeuge, die ohne Überschreiten der zulässigen
Höchstgeschwindigkeit fahren.
19
verschreibungspflichtiger Medikamente und illegalen Drogen das Unfallrisiko um einen
Faktor zwischen 2 und 7 erhöhen kann39
.
Derzeit empfiehlt die Kommission eine maximal zulässige Blutalkoholkonzentration
(BAK) von 0,5 % für den Großteil der Autofahrer40
. Einige Mitgliedstaaten und Verbände,
die sich für die Sicherheit im Straßenverkehr einsetzen, fordern eine Überarbeitung dieses
Grenzwertes sowie eine stärkere Harmonisierung, möglicherweise mit Sonderregelungen für
bestimmte Risikogruppen wie Berufskraftfahrer oder Fahranfänger.
Es wurde allgemein vereinbart, dass ein KPI über das Fahren unter Drogeneinfluss sehr
wichtig, jedoch noch nicht realisierbar ist. Weiterer Handlungsbedarf besteht noch bei
Drogentestverfahren aufgrund der sehr unterschiedlichen (sowohl legalen als auch illegalen)
psychoaktiven Substanzen, die erkannt werden müssen. In Bezug auf die Kosten gibt es
ebenfalls noch unbeantwortete Fragen; zudem gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den
Praktiken in den einzelnen Mitgliedstaaten. Es wird in diesem Bereich weiter gearbeitet, einen
KPI hat die Kommission in dieser Phase aber noch nicht festgelegt.
Ein KPI für das Fahren unter Alkoholeinfluss erscheint machbarer, es sind jedoch noch immer
große Unterschiede in der Methodologie vorhanden. Ein KPI auf der Grundlage von
stichprobenartigen Blutalkoholkontrollen ist die bevorzugte Option, da man allgemein davon
ausgeht, auf diese Weise ein genaues Bild der Situation zu erhalten. Da stichprobenartige
Blutalkoholkontrollen jedoch kostspielig sind und in einigen Mitgliedstaaten nicht erlaubt
sind, gelten die Ergebnisse aus Atemalkoholtests als nächstbeste Option. Falls aus objektiven
Gründen keine dieser beiden Optionen machbar sein sollte, sind Daten aus Selbstauskünften
im Rahmen anonymer Umfragen möglicherweise ebenfalls akzeptabel.
4.3.3 Vermeiden von Ablenkungen beim Fahren
Es werden immer mehr Belege dafür gefunden, dass Ablenkungen beim Fahren,
insbesondere durch Mobilgeräte wie Smartphones, aber auch durch im Fahrzeug integrierte
elektronische Systeme, Unfälle zu einem erheblichen Teil mitverursachen.
Forschungsergebnisse machen deutlich, dass sich das Unfallrisiko beim Wählen von
Telefonnummern um das 12,2-fache und beim Schreiben von Textnachrichten um das 6,1-
fache erhöht41
. Es wurde festgestellt, dass Ablenkung bei 10 bis 30 % der Unfälle im
Straßenverkehr ein mitverursachender Faktor war, und spanische Behörden haben gemeldet,
dass Ablenkungen im Jahr 2017 den größten Risikofaktor darstellten, und zwar noch vor den
Faktoren überhöhte Geschwindigkeit und Alkoholeinfluss42
. Es ist jedoch weitere Forschung
über die Größenordnung des Problems (und Lösungsansätze) notwendig. Erste Schritte
39 Final report of DRUID project (2012) (http://www.emcdda.europa.eu/publications/thematic-papers/druid_en). 40 Empfehlung der Kommission vom 17. Januar 2001 über die maximal zulässige Blutalkoholkonzentration (BAK) bei Kraftfahrern.
41 Dingus et al (2016): Driver crash risk factors and prevalence evaluation using naturalistic driving data.
42 http://www.dgt.es/Galerias/prensa/2018/09/NP-campana-de-distracciones.pdf
KPI für das Fahren im nüchternen Zustand:
Prozentualer Anteil der Fahrer innerhalb des gesetzlich zugelassenen Grenzwertes für die
Blutalkoholkonzentration (BAK).
20
werden bereits eingeleitet. Auf technischer Ebene werden mit der überarbeiteten Verordnung
über die allgemeine Sicherheit von Kraftfahrzeugen Technologien zur Müdigkeitsdetektion
und zur Warnung vor Ablenkung eingeführt, welche die Aufmerksamkeit des Fahrers
überwachen und ihn bei Bedarf warnen. Diese Systeme sollen zur Pflichtausstattung von
Fahrzeugen werden.
Da die zunehmende Nutzung von Mobilgeräten, hauptsächlich Smartphones und
insbesondere die Nutzung von Apps zum Versenden von Textnachrichten zu einem starken
Anstieg von ablenkungsbedingten Unfällen geführt hat, wurde die Nutzung eines tragbaren
Geräts oder Handys während der Fahrt als einfaches und messbares Kriterium gewählt, um
das Problem der Ablenkung von Fahrern zum Zweck der Festlegung eines KPI beurteilen zu
können43
.
4.3.4 Nutzung von Sicherheitsgurten, Kinderrückhaltesystemen und
Schutzausrüstung
Eine Schätzung anhand von Daten aus der europäischen Datenbank CARE44
ergab, dass
bereits jetzt in der EU jedes Jahr etwa 5700 Menschenleben durch Sicherheitsgurte und
Kinderrückhaltesysteme gerettet werden und dass weiteren ca. 2800 Menschen das Leben
gerettet werden könnte, wenn alle Fahrzeuginsassen immer angeschnallt wären. In
Reisebussen besteht nach bereits geltendem EU-Recht45
Anschnallpflicht; Studien zeigen
jedoch, dass die Vorschriften kaum beachtet werden46
.
Durch die Helmpflicht für Motorrad- und Mopedfahrer kann die Zahl tödlicher Verletzungen
erheblich reduziert werden. Würden 100 % der Zweiradfahrer einen Helm tragen, könnte dies
schätzungsweise 206 Menschen pro Jahr das Leben retten47
.
In den Mitgliedstaaten und in der allgemeinen Debatte herrschen unterschiedliche Meinungen
darüber, ob das Tragen eines Helms für Radfahrer Pflicht sein sollte. Einige
Mitgliedstaaten haben eine Helmpflicht für Kinder eingeführt. Für die Wirksamkeit von
Helmen gibt es belastbare Belege: Die Forschung hat gezeigt, dass Helme die Zahl der
schweren und tödlichen Kopfverletzungen um etwa drei Viertel reduzieren können (65 %
weniger Todesfälle und 69 % weniger schwere Kopfverletzungen)48
.
Die folgenden beiden KPI werden in diesem Bereich verwendet:
43 Eine negative Formulierung (Prozentualer Anteil der Fahrer, die KEIN tragbares Gerät oder Handy benutzen) wurde gewählt, damit es
nicht zu verwirrenden Resultaten in der Gegenüberstellung mit anderen Indikatoren kommt.
44 https://ec.europa.eu/transport/road_safety/specialist/statistics_de 45 Richtlinie 2003/20/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Gurtanlegepflicht in Kraftfahrzeugen mit
einem Gewicht von weniger als 3,5 Tonnen.
46 Fundación MAPFRE (2017), Bericht über die Verwendung von Sicherheitsgurten in Bussen (nur in spanischer Sprache), https://www.fundacionmapfre.org/documentacion/publico/i18n/consulta/registro.cmd?id=159788.
47 Jeanne Breen Consulting (2018).
48 Olivier, Creighton (2016), Bicycle helmets and helmet use: a systematic review and meta-analysis, International Journal of Epidemiology.
KPI für Fahrerablenkung:
Prozentualer Anteil der Fahrer, die kein tragbares Gerät oder Handy benutzen.
21
5.3.5 Neue Mobilitätsformen und demografischer Wandel
Bei den Mobilitätsformen sind tiefgreifende Veränderungen im Gange. Immer mehr
Menschen entscheiden sich für das Fahrrad (wozu auch E-Bikes zählen) oder gehen zu Fuß,
sei es aus Gründen des Umweltschutzes oder um selbst gesund und fit zu bleiben. Das
bedeutet aber auch, dass eine größere Anzahl gefährdeter und ungeschützter
Verkehrsteilnehmer auf den Straßen unterwegs ist. Stärkere politische Maßnahmen zur
Förderung aktiver Mobilität können insbesondere in urbanen Räumen einen großen Beitrag
zur Reduzierung von CO2-Emissionen, zur Verbesserung der Luftqualität und zur
Verringerung der Verkehrsbelastung leisten. Solche Maßnahmen, die Anreize für alternative
Mobilitätsformen schaffen, müssen jedoch auch den Sicherheitsaspekt systematisch
berücksichtigen.
Die gemeinschaftliche Nutzung von Verkehrsmitteln (Carsharing oder Bicycle-Sharing)
erweitert die Mobilitätsoptionen und wirkt sich positiv auf die Umwelt aus, insbesondere
durch den verstärkten Fokus von Carsharing-Anbietern auf Elektrofahrzeuge. Es sind jedoch
noch Probleme zu bewältigen: Carsharing-Fahrzeuge sind möglicherweise mit
Sicherheitsfunktionen ausgestattet, mit denen Fahrer nicht vertraut sind. Welche
Auswirkungen dies auf die Sicherheit hat, muss noch festgestellt werden. Inwieweit die
Angebote von bestimmten Nutzergruppen (hauptsächlich Familien) angenommen werden,
hängt auch davon ab, ob die Fahrzeuge mit Kinderrückhaltesystemen ausgestattet sind.
Umgekehrt können Carsharing-Flotten, die neuer und besser gewartet sind als der
durchschnittliche private Pkw, einen Beitrag zur Sicherheit im Straßenverkehr leisten.
Eine neue Herausforderung stellt insbesondere in urbanen Umgebungen die Verbreitung von
„Free Floating“-Angeboten für (elektrisch betriebene und konventionelle) Fahrräder und
Elektroroller dar, wobei die Nutzer die Räder und E-Scooter nach Gebrauch an jedem
beliebigen Ort abstellen können. Während dies den Mobilitätsmix in Städten bereichert, sollen
Mitgliedstaaten und Gemeinden derzeit die richtige Basis für eine Nutzung finden, die
innovative Formen urbaner Mobilität fördert, jedoch gleichzeitig Sicherheit gewährleistet. Es
gibt in diesem Bereich derzeit keine konkrete EU-Initiative; die Kommission fördert jedoch
den Erfahrungsaustausch zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten und prüft wie ein
sicherer Rahmen für die Nutzung dieser Angebote gewährleistet werden kann.
Der demografische Wandel führt dazu, dass ein wachsender Anteil älterer Menschen sichere
Mobilitätsformen benötigt. Die sichere Mobilität muss inklusiv gestaltet werden, sodass auch
die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen berücksichtigt werden.
KPI für Schutzausrüstung:
Prozentualer Anteil der Fahrer von motorisierten Zweirädern und Fahrrädern, die einen
Sturzhelm tragen.
KPI für die Verwendung von Sicherheitsgurten und Kinderrückhaltesystemen:
Prozentualer Anteil der Fahrzeuginsassen, die Sicherheitsgurte oder
Kinderrückhaltesysteme korrekt anlegen.
22
Nicht zuletzt ist die Sicherheit am Arbeitsplatz ein wichtiger Aspekt, der insbesondere für
Spediteure und andere Transportunternehmen von Bedeutung ist.
Hinsichtlich der sicheren Teilnahme am Straßenverkehr ergreift die Kommission
folgende Maßnahmen:
- Vorantreiben der Aktualisierung der UNECE-Regelung, wodurch Gurtwarner für
alle Sitzplätze in Personenkraftwagen und Lieferwagen sowie auf sämtlichen
Vordersitzen in Lkw und Bussen verbindlich vorgeschrieben werden;
- Bewertung von Optionen zur Verbesserung der Wirksamkeit der Richtlinie über
den grenzüberschreitenden Austausch von Informationen über
Straßenverkehrsdelikte auf der Grundlage einer 2016 durchgeführten Evaluierung;
- Prüfen einer möglichen Überarbeitung der europäischen Richtlinie über den
Führerschein und einer möglichen Gesetzgebungsinitiative über die gegenseitige
Anerkennung des Entzugs der Fahrerlaubnis;
- Erörtern wie die EU-Empfehlung zur zulässigen Blutalkoholkonzentration
verschärft werden kann, z. B. durch die Empfehlung strengerer Grenzwerte für
Berufskraftfahrer und/oder Fahranfänger und Leitlinien für die Verwendung von
Alkohol-Wegfahrsperren.
Die Kommission wird außerdem im Rahmen des künftigen Forschungs- und
Innovationsprogramms „Horizont Europa“ die Forschung im Hinblick auf die
Entwicklung von Prüfmethoden und kostengünstigeren Instrumenten zum Aufspüren von
Drogen sowie die automatische Bewertung der Fahrtüchtigkeit und die Vermeidung von
Unaufmerksamkeit, auch aufgrund von Ablenkung durch im Fahrzeug eingebaute
elektronische Systeme, fördern und unterstützen. Sie wird bewerten, ob individuelle
elektronische Gurtwarner in Reisebussen verbindlich vorgeschrieben werden sollten und
ob mit der Industrie ein Kodex bewährter Verfahren ausgearbeitet werden sollte, um
sicherzustellen, dass Informationssysteme und Telefone in Fahrzeugen so gestaltet sind,
dass sie sicher genutzt werden können. Die Kommission wird den Bedarf an weiteren
Maßnahmen ermitteln, beispielsweise in Bezug auf die Festlegung und Anwendung des
Begriffs der „sicheren Geschwindigkeit“; Schutzausrüstung für Zweiradfahrer, z. B.
Fahrradhelme und Schutzkleidung für Motorradfahrer; und/oder stufenweise Erteilung der
Fahrerlaubnis für Fahranfänger.
Darüber hinaus wird die Kommission Aspekte der Straßenverkehrssicherheit im Rahmen
der Mobilitätsplanung in Städten, der Sicherheit am Arbeitsplatz, der Fahrtauglichkeit und
neuer Geschäftsmodelle in der Personenbeförderung prüfen. Unter dem künftigen EU-
Rahmenprogramm für Forschung und Innovation „Horizont Europa“ wird die
Kommission außerdem Anreize für Forschung und Innovation schaffen und diese Bereiche
mit dem Ziel fördern, das Fachwissen auf dem Gebiet der Straßenverkehrssicherheit zu
erweitern, z. B. auch hinsichtlich neuer Mobilitätsformen und sozialer Veränderungen.
23
4.4 Schnelle und wirksame Notfalleinsätze
Etwa 50 % der Todesfälle nach Zusammenstößen im Straßenverkehr treten innerhalb von
Minuten am Unfallort oder auf dem Weg zum Krankenhaus ein. Bei Patienten, die in ein
Krankenhaus gebracht werden, tritt der Tod in 15 % der Sterbefälle innerhalb der ersten vier
Stunden nach dem Unfall und in 35 % der Sterbefälle nach mehr als vier Stunden ein49
. Unter
der Versorgung nach einem Unfall bzw. Traumamanagement versteht man die medizinische
Erstversorgung nach einem Unfall, wobei diese am Unfallort, auf dem Weg in ein
medizinisches Versorgungszentrum oder auch nachfolgend geleistet werden kann. Durch
wirksame Versorgung nach einem Unfall, einschließlich des raschen Transports zur
geeigneten Einrichtung durch qualifiziertes Personal, werden Verletzungsfolgen verringert.
Forschungsergebnisse zeigen, dass eine Verkürzung des Zeitraums zwischen dem Unfall und
der Ankunft in der Notaufnahme von 25 auf 15 Minuten die Zahl der Todesfälle um ein
Drittel50
verringern könnte und dass die systematisierte Schulung von Rettungsdiensten und
Ambulanzteams die Zeit für die Bergung in einem Pkw oder Lkw eingeschlossener Insassen
um 40-50 % verringern könnte51
.
In diesem Kontext überwacht die Kommission die Auswirkungen der Einführung von eCall52,
dem automatisierten Notruf bei einem Unfall, sehr genau.
Als Ergebnis der fachlichen Zusammenarbeit zwischen den Kommissionsdienststellen und
Sachverständigen aus den Mitgliedstaaten, werden die folgenden KPI verwendet:
49 Europäische Kommission (2018), ERSO Synthesis on post-impact care.
50 Sánchez-Mangas, García-Ferrer, de Juan, Arroyo (2010), The probability of death in road traffic accidents. How important is a quick medical response? Accident Analysis and Prevention 42 (2010) 1048.
51 Europäische Kommission (2018), ERSO Synthesis on post-impact care.
52 https://ec.europa.eu/transport/themes/its/road/action_plan/ecall_en
Hinsichtlich der wirksamen Versorgung nach einem Unfall ergreift die Kommission
folgende Maßnahmen:
- Bewertung der Auswirkungen von eCall und die mögliche Ausweitung auf andere
Fahrzeugkategorien (Lastkraftwagen, Kraftomnibusse, Krafträder und
landwirtschaftliche Zugmaschinen);
- Erleichterung engerer Kontakte zwischen den für die Straßenverkehrssicherheit
zuständigen Behörden und dem Gesundheitssektor, um den weiteren praktischen
und Forschungsbedarf zu bewerten (z. B. Verbesserung der Diagnose am Unfallort
sowie der Kommunikationssysteme und Standards für Rettungsdienste; weitere
Entwicklung von Rettungsverfahren; sicherstellen, dass Verletzungen von
qualifizierten Personen in geeigneten medizinischen Einrichtungen behandelt
werden; rascherer Transport von Verletzten in die Notaufnahme oder die
schnellere Bereitstellung medizinischer Hilfe am Unfallort, z. B. durch Drohnen).
24
5. Das weltweite Gesamtbild und die Rolle der EU
Die EU hat die sichersten Straßen der Welt mit nur 2 % der schätzungsweise 1,35 Millionen
Straßenverkehrstoten weltweit. Obwohl noch viel zu tun bleibt, muss in der Rückschau
betrachtet werden, in welchen Bereichen Initiativen auf allen Ebenen in den letzten
Jahrzehnten die größte Wirkung hatten und wo die in Europa gesammelten Erfahrungen in
anderen Teilen der Welt den größten Nutzen entfalten könnten. Dazu gehört auch der für die
Straßenverkehrssicherheit in der EU gewählte Management-Ansatz sowie die Wahl von KPI
und entsprechenden Messverfahren.
Der Fokus der Kommission richtet sich tendenziell auf die unmittelbaren Nachbarländer,
insbesondere auf die Länder des westlichen Balkans und der östlichen Partnerschaft. Beide
Regionen haben 2018 die Erklärungen zur Straßenverkehrssicherheit unterzeichnet und die
EU unterstützt sie bei ihrer Einführung. Wir sind uns jedoch unserer globalen Rolle in
zunehmendem Maße bewusst. Die Sicherheit im Straßenverkehr in eines der Felder, die für
eine intensivierte Zusammenarbeit mit dem afrikanischen Kontinent ausgewählt wurden,
im Rahmen einer gemeinsamen verkehrspolitischen Taskforce der EU und Afrika53, die von
der Europäischen Kommission und der Kommission der Afrikanischen Union organisiert
wurde. Drei Sitzungen des Ergebnisbereichs Straßenverkehrssicherheit finden 2019 statt, von
denen konkrete Empfehlungen für eine weitere Kooperation erwartet werden. Im Einklang
mit der Konnektivitätsstrategie EU-Asien fördert die Kommission die Sicherheit im
Straßenverkehr durch Weitergabe bewährter Verfahren und geeigneter Lösungen zur
Verringerung der Zahl tödlicher Unfälle und Verletzungen im Rahmen ihres Engagements im
Verbund mit asiatischen Ländern54. Bereits 2019 fand eine enge Zusammenarbeit mit den
ASEAN-Ländern durch das Projekt E-READI55 statt.
Die EU beteiligt sich am neu geschaffenen Fonds für Verkehrssicherheit der Vereinten
Nationen und ist mit einem Sitz im zugehörigen Beratungsausschuss vertreten.
Zur Betrachtung der Rolle der EU beim Thema Sicherheit im Straßenverkehr gehört darüber
hinaus die Bewertung ihrer Rolle gegenüber den Vereinten Nationen und insbesondere der
Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UNECE). Wenn es um die
Regulierung von Fahrzeugen geht, spricht die EU bereits mit einer Stimme (Weltforum für
die Harmonisierung der Regelungen für Kraftfahrzeuge, Arbeitsgruppe 29), ist Vertragspartei
zweier Vereinbarungen über die Regulierung von Fahrzeugen56
und war sehr aktiv bei der
Einrichtung einer eigenen Arbeitsgruppe für automatisierte und vernetzte Fahrzeuge
(Arbeitsgruppe für automatisierte/autonome und vernetzte Fahrzeuge, GRVA). Es ist zu
bewerten, wie die Rolle der EU verstärkt werden könnte, insbesondere da eine potenzielle
Änderung der Übereinkommen von Wien und Genf über den Straßenverkehr im Hinblick auf
53 https://ec.europa.eu/transport/modes/air/news/2019-01-24-africa-europe-alliance_en
54 https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/joint_communication_-_connecting_europe_and_asia_-_building_blocks_for_an_eu_strategy_2018-09-19.pdf
55 https://ec.europa.eu/europeaid/enhanced-regional-eu-asean-dialogue-instrument-e-readi-action-document_en
56 Siehe Entscheidungen des Rates 97/836/EG und 2000/125/EG.
KPI für die wirksame Versorgung nach einem Unfall:
Verstrichene Zeit in Minuten und Sekunden zwischen dem Notruf nach einer Kollision mit
Personenschäden und der Ankunft der Rettungsdienste am Unfallort.
25
die Entwicklung der Automatisierung derzeit im Global Forum for Road Traffic Safety
(Globales Forum für Straßenverkehrssicherheit – AG1) der UNECE zur Diskussion steht.
Die weltweite Ministerkonferenz zum Thema Sicherheit im Straßenverkehr, die im
Februar 2020 in Stockholm stattfindet, bietet eine wichtige Chance, im Hinblick auf das
laufende „UN-Jahrzehnt der Verkehrssicherheit“ Bilanz zu ziehen und Leitlinien für die
kommenden 10 Jahre sowie globale Zielsetzungen zu entwickeln. Im Rahmen der Ziele für
nachhaltige Entwicklung (SDG) will man mit dem SDG-Ziel 3.6 die Zahl der
Straßenverkehrstoten und schweren Verletzungen bis 2020 halbieren; gleichzeitig sieht das
SDG-Ziel 11.2 eine Schwerpunktsetzung auf sichere und nachhaltige Verkehrssysteme für
alle im urbanen Kontext vor. Dazu soll die Sicherheit im Straßenverkehr verbessert werden,
wobei speziellen Gruppen wie Kindern und gefährdeten Verkehrsteilnehmern besondere
Aufmerksamkeit zuteilwird.
In Anbetracht der Größenordnung, welche die Probleme im Bereich der
Straßenverkehrssicherheit weltweit einnehmen, ist global ein neues, ehrgeiziges mittelfristiges
Ziel erforderlich. Eine weitere entscheidende Frage wird sein, wie sich die Ziele im Bereich
Straßenverkehrssicherheit mit anderen Entwicklungszielen verbinden lassen, insbesondere bei
den Themen Nachhaltigkeit und Gesundheit, um nur zwei Beispiele zu nennen.
Hinsichtlich der Aktivitäten zur Förderung der Straßenverkehrssicherheit außerhalb
der EU ergreift die Kommission folgende Maßnahmen:
Sie beteiligt sich am neu geschaffenen Treuhandfonds für Straßenverkehrssicherheit
der Vereinten Nationen und ist mit einem Sitz im Beratungsausschuss vertreten;
- sie ist gemeinsam mit der Kommission der Afrikanischen Union Mitorganisatorin
des Ergebnisbereichs Straßenverkehrssicherheit in der verkehrspolitischen Taskforce
der EU und Afrika;
- die Zusammenarbeit im Bereich der Straßenverkehrssicherheit mit den EU-
Nachbarn, insbesondere den Westbalkan und den Ländern der östlichen
Partnerschaft, wird weiter ausgebaut, gestützt auf die Erklärungen zur
Straßenverkehrssicherheit, die 2018 verabschiedet wurden, vor allem durch den
Austausch bewährter Verfahren und Unterstützung des Kapazitätsaufbaus;
- Einsatz für die Weiterentwicklung der UNECE–Regelungen für Kraftfahrzeuge bei
entsprechender Erfordernis durch die neue Verordnung über die allgemeine
Sicherheit von Kraftfahrzeugen;
- die Kommission prüft, wie die Koordinierung der Verkehrsvorschriften (Genfer
Abkommen und Wiener Übereinkommen der VN), auch auf EU-Ebene, gestärkt
werden kann, damit die Verkehrsvorschriften auf harmonisierte Weise an die
kooperative, vernetzte und autonome Mobilität angepasst werden können; und
- sie analysiert, welche Forschungs- und Innovationsbemühungen im kommenden EU-
Rahmenprogramm für Forschung und Innovation „Horizont Europa“ zur drastischen
Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit außerhalb der EU und insbesondere in
Entwicklungsländern beitragen können.
26
6. Überwachung und Überprüfung
Die ersten acht oben beschriebenen KPI bilden gemeinsam mit den Ergebnisindikatoren
(Straßenverkehrstote und schwere Verletzungen) die Basis für die Überwachung des
Fortschritts bei der gemeinsamen Arbeit für die Sicherheit im Straßenverkehr auf EU-Ebene
sowie auf Mitgliedstaaten-, Regionen- und lokale Ebene. Im Jahr 2020 werden auch die
Mitgliedstaaten mit der Datenerhebung beginnen können; dieses Jahr wird dann als Referenz
für die Werte der Indikatoren dienen. Im selben Jahr (2020) wird die Kommission die Daten
gemeinsam mit Sachverständigen aus den Mitgliedstaaten analysieren und im Jahr 2021
Bericht erstatten. Die Arbeiten zur Stärkung der bestehenden KPI und zur Entwicklung
zusätzlicher KPI werden ebenfalls weitergehen.
Im nächsten Schritt wird die Kommission außerdem mit den Mitgliedstaaten an
ergebnisbezogenen Zielen auf der Grundlage der Indikatoren arbeiten, soweit dies möglich
ist. Bei diesen Arbeiten muss berücksichtigt werden, dass Ergebnisse bei abweichenden
nationalen Vorschriften (z. B. unterschiedliche Grenzwerte für die Blutalkoholkonzentration
oder Helmpflicht für Radfahrer) nicht miteinander vergleichbar sind.
Die Fortschritte werden in erster Linie in der hochrangigen Gruppe für die
Straßenverkehrssicherheit überwacht. Die Kommission hat damit begonnen, eine Sitzung
der Gruppe pro Jahr für Interessenträger zu öffnen, um die Transparenz und Inklusivität der
Arbeit der Gruppe zu gewährleisten und so weit wie möglich von Rückmeldungen über ihre
Entscheidungen zu profitieren.
Darüber hinaus wird die Kommission alle zwei Jahre eine Ergebniskonferenz organisieren,
an der die Öffentlichkeit und private Interessenträger teilnehmen können, und welche die
Chance bietet, über das Erreichte Bilanz zu ziehen und Teilnehmern ein Forum zur Analyse
und zum Austausch bereitzustellen.
27
ANHANG: Liste der KPI und zugrundeliegende Methodik
Indikator Begriffsbestimmung
1 Geschwindigkeit Prozentualer Anteil der Fahrzeuge, die ohne Überschreiten der
zulässigen Höchstgeschwindigkeit fahren
2 Sicherheitsgurte Prozentualer Anteil der Fahrzeuginsassen, die Sicherheitsgurte oder
Kinderrückhaltesysteme korrekt anlegen
3 Schutzausrüstung Prozentualer Anteil der Fahrer von zweirädrigen Kraftfahrzeugen
und Fahrrädern, die einen Sturzhelm tragen
4 Alkohol Prozentualer Anteil der Fahrer innerhalb des gesetzlich zugelassenen
Grenzwertes für die Blutalkoholkonzentration (BAK)
5 Ablenkung Prozentualer Anteil der Fahrer, die KEIN tragbares Gerät oder
Handy benutzen
6 Fahrzeugsicherheit
Anteil der neuen Personenkraftwagen mit einer Euro NCAP-
Sicherheitsbewertung, die mindestens über einem festgelegten
Schwellenwert liegt*
7 Infrastruktur Anteil in Prozent der zurückgelegten Strecke auf Straßen mit einer
Sicherheitsbewertung über einem vereinbarten Schwellenwert*
8
Wirksame
Versorgung nach
einem Unfall
Verstrichene Zeit in Minuten und Sekunden zwischen dem Notruf
nach einer Kollision mit Personenschäden und der Ankunft der
Rettungsdienste am Unfallort
* Für diesen KPI sind ergänzende Definitionen vorgesehen.
28
Allgemeine Überlegungen
Die nachfolgend beschriebenen methodischen Überlegungen gelten für alle Indikatoren:
Geografische Reichweite: Grundsätzlich sollte der Indikator für das gesamte Gebiet des
Mitgliedstaates repräsentativ sein. Ausnahmen (z. B. bei Inseln) sollten präzise definiert und
der Kommission durch die Mitgliedstaaten mitgeteilt werden.
Stichprobenauswahl: Falls der Wert des Indikators im Stichprobenverfahren ermittelt wird,
können die Mitgliedstaaten die Methodologie der Probenahme selbst definieren. Auf lange
Sicht wäre es natürlich hilfreich, wenn die Mitgliedstaaten in Kooperation mit der
Kommission gemeinsame Grundlagen für Stichprobenverfahren ausarbeiteten. In der
Zwischenzeit sollten die Verfahren auf bewährte statistische Techniken zurückgreifen, die
zuverlässige und repräsentative Ergebnisse liefern. Beispiel:
o Die Stichprobenwahl sollte soweit wie möglich zufällig erfolgen (über die genaue
Methodologie würden weiterhin die Mitgliedstaaten entscheiden)
o Stichprobenumfang: Die Mitgliedstaaten entscheiden über die benötigte Größe.
o Falls das Aggregationsverfahren eingesetzt wird, sollten die Ergebnisse möglichst
nach zurückgelegter Wegstrecke gewichtet werden.
Zusammenhang zwischen den Indikatoren und Verkehrsregeln:
Es ist zu erwähnen, dass sich manche Indikatoren auf Verhaltensweisen beziehen, die durch
das Straßenverkehrsrecht geregelt sind, wobei die Gesetzeslage in manchen Fällen je nach
Mitgliedstaat unterschiedlich ist. Die Grenzwerte für die Blutalkoholkonzentration (BAK) sind
z. B. unterschiedlich, was bei der Betrachtung der Ergebnisse berücksichtigt werden sollte.
Die Nutzung von Fahrradhelmen ist ein ähnlicher Fall, da im Allgemeinen – außer in einigen
Fällen für Kinder – keine Helmpflicht besteht. Andere Bereiche, z. B. die über die
Mindestanforderungen für die Typgenehmigung hinausgehende Sicherheitsbewertung von
Fahrzeugen, stehen nicht mit gesetzlichen Pflichten im Zusammenhang.
In sämtlichen Fällen wird den Indikatorergebnissen ein Hinweis zur Methodik beigefügt, um
Unklarheiten zu vermeiden.
29
KPI 1. Wesentlicher Leistungsindikator für Geschwindigkeit
Hintergrund
Überhöhte Geschwindigkeit wird regelmäßig als eine der häufigsten Unfallursachen genannt; sie ist
mit der Eintrittswahrscheinlichkeit und der Schwere von Kollisionen verbunden.
Begriffsbestimmung
Prozentualer Anteil der Fahrzeuge, die ohne Überschreiten der zulässigen
Höchstgeschwindigkeit fahren.
Methodik
Methodische Aspekte
Aspekt Methodische Mindestanforderungen
Erfassung von
Straßenkategorien
Der Indikator sollte Autobahnen, Bundesstraßen/Landstraßen und
innerstädtische Straßen erfassen. Die Ergebnisse sollten in drei
verschiedenen Straßenkategorien getrennt dargestellt werden.
Fahrzeugart Der Indikator sollte mindestens Personenkraftwagen (Pkw) erfassen.
Busse und Lieferwagen (leicht [unter 3,5 t] und schwer [über 3,5 t])
sowie zweirädrige Kraftfahrzeuge sind in der ersten Phase optional
(Die Ergebnisse sollten wenn möglich nach Fahrzeugtyp getrennt
dargestellt werden).
Messstelle Die Mitgliedstaaten entscheiden über die Messstandorte; die
Messungen sollten jedoch nicht in der Nähe von fest installierten oder
mobilen Überwachungskameras/Blitzern erfolgen. Die Wahl der
Messstandorte sollte möglichst nach dem Zufallsprinzip und mit dem
Ziel erfolgen, eine möglichst objektive und repräsentative Stichprobe
zu erhalten.
Uhrzeit Alle Mitgliedstaaten sollten die Daten für den Indikator tagsüber und
in frei fließendem Verkehr erfassen; der Nacht-Indikator sollte
aufgrund der höheren Kosten optional sein. Die Ergebnisse sollten
nach Tag und Nacht getrennt dargestellt werden.
Wochentag Messungen sind dienstags, mittwochs oder donnerstags durchzuführen.
Messungen an Wochenenden sind möglich, aber optional; die
Ergebnisse sind dann ebenfalls getrennt darzustellen.
Monat Messungen sind vorzugsweise zum Ende des Frühjahrs und/oder im
Frühherbst durchzuführen.
Wetter Messungen sollten nicht bei schlechten Wetterverhältnissen (z. B. bei
Starkregen, Schnee, Glatteis, starkem Wind oder Nebel) durchgeführt
werden. Die Mitgliedstaaten legen in dieser Hinsicht
30
Methodische Aspekte
Aspekt Methodische Mindestanforderungen
Ausschlusskriterien fest und melden die tatsächlichen Bedingungen
gemeinsam mit den Daten.
Toleranzen Keine (über die Messtoleranz des Geräts hinausgehende) Toleranz,
d. h. die aufgezeichneten Werte sollten den vom Instrument
angezeigten Messwerten entsprechen.
31
KPI 2. Wesentlicher Leistungsindikator für die Verwendung von Sicherheitsgurten und
Kinderrückhaltesystemen
Hintergrund
Die Verwendung von Sicherheitsgurten und Kinderrückhaltesystemen ist ein unabdingbares Element
passiver Sicherheit. Ein signifikanter Anteil der tödlich oder schwer verletzten Fahrzeuginsassen
waren nicht angeschnallt oder verwendeten Kinderrückhaltesysteme falsch oder gar nicht.
Definition des KPI für Sicherheitsgurte und Kinderrückhaltesysteme
Prozentualer Anteil der Fahrzeuginsassen, die Sicherheitsgurte oder
Kinderrückhaltesysteme korrekt verwenden.
Methodik
Methodische Aspekte
Aspekt Methodische Mindestanforderungen
Verfahren der Datenerhebung Direkte Beobachtung (gegebenenfalls mit
Kameras).
Erfassung von Straßenkategorien Der Indikator sollte Autobahnen,
Bundesstraßen/Landstraßen und innerstädtische
Straßen erfassen. Die Ergebnisse können je nach
Verfügbarkeit nach den drei verschiedenen
Straßenkategorien getrennt dargestellt werden.
Fahrzeugart Der Indikator sollte mindestens
Personenkraftwagen erfassen und soweit
möglich Lieferwagen (Ergebnisse sind separat
darzustellen).
Vorder- und Rücksitze Für Personenkraftwagen sollten die Ergebnisse
nach Vorder- und Rücksitzen getrennt
dargestellt werden.
Sicherheitsgurte/Kinderrückhaltesysteme Zwischen Sicherheitsgurten und
Kinderrückhaltesystemen ist in der
Datenerhebung zu unterscheiden.
Messstelle Zufällige Stichprobe (Über die Methodik
entscheiden die Mitgliedstaaten).
Uhrzeit Die Beobachtungen sind bei Tageslicht
durchzuführen.
Wochentag Getrennte Beobachtungen an Wochentagen und
Wochenenden; Daten sind separat darzustellen.
32
Methodische Aspekte
Aspekt Methodische Mindestanforderungen
Monat Spätes Frühjahr, Anfang Herbst.
33
KPI 3. Wesentlicher Leistungsindikator für die Verwendung von Schutzausrüstung
Hintergrund
Das Tragen eines Sturzhelms wird häufig als unverzichtbare passive Sicherheitsmaßnahme für Fahrer
von zweirädrigen Kraftfahrzeugen (für die Helmpflicht besteht) und für Fahrradfahrer genannt.
Definition des KPI für Schutzausrüstung
Prozentualer Anteil der Fahrer von zweirädrigen Kraftfahrzeugen und Fahrrädern, die
einen Sturzhelm tragen.
Methodik
Methodische Aspekte
Aspekt Methodische Mindestanforderungen
Verfahren der
Datenerhebung
Direkte Beobachtung (gegebenenfalls mit Kameras).
Erfassung von
Straßenkategorien
Der Indikator sollte Autobahnen, Bundesstraßen/Landstraßen
und innerstädtische Straßen erfassen. Die Ergebnisse könnten
nach den drei verschiedenen Straßenkategorien getrennt
dargestellt werden.
Fahrzeugart Der Indikator sollte Fahrer (und Mitfahrer) von zweirädrigen
Kraftfahrzeugen (Motorräder und Mopeds) und Fahrradfahrer
(einschließlich E-Bike-Fahrer) erfassen.
Die Ergebnisse sollten nach Fahrer und Mitfahrer
aufgeschlüsselt werden. Die Ergebnisse für Fahrräder sollten
getrennt dargestellt werden. Daten für Kinder sollten (falls
vorhanden) getrennt dargestellt werden, damit gegebenenfalls
gesetzliche Vorschriften berücksichtigt werden können.
Messstelle Zufällige Stichprobe (Über die Methodologie entscheiden die
Mitgliedstaaten).
Uhrzeit Die Beobachtungen sind bei Tageslicht durchzuführen.
Wochentag Getrennte Beobachtungen an Wochentagen und Wochenenden;
Daten sind separat darzustellen.
Monat Spätes Frühjahr, Anfang Herbst.
Ergänzende Anmerkung: Den Ergebnissen für Fahrräder ist ein Hinweis beizufügen, aus dem die
gesetzlichen Vorschriften über das Tragen von Helmen (bzw. das Fehlen solcher Vorschriften)
hervorgeht.
34
KPI 4. Wesentlicher Leistungsindikator für das Fahren unter Alkoholeinfluss
Hintergrund
Das Fahren unter Alkoholeinfluss wird häufig als Hauptunfallursache genannt.
Definition des KPI für Alkohol
Prozentualer Anteil der Fahrer innerhalb des gesetzlich zugelassenen Grenzwertes für
die Blutalkoholkonzentration (BAK).
Methodik
Methodische Aspekte
Aspekt Methodische Mindestanforderungen
Verfahren der
Datenerhebung
Stichprobenartige Atemalkoholtests.
Falls keine Stichproben möglich sind:
Ergebnisse von Atemalkoholtests aus
Durchsetzungsmaßnahmen (auch wenn diese keinen
Stichprobencharakter haben) und / oder
Selbstauskünfte über das eigene Verhalten – im Rahmen
von anonymen Umfragen.
Erfassung von
Straßenkategorien
Autobahnen, Bundesstraßen/Landstraßen und innerstädtische
Straßen sind zu erfassen.
Fahrzeugart Mindestens Personenkraftwagen; falls möglich Lieferwagen,
Busse und Motorräder (Ergebnisse nach Fahrzeugtyp
aufgeschlüsselt).
Messstelle Zufällige Stichprobe (Über die Methodologie entscheiden die
Mitgliedstaaten).
Uhrzeit Beliebige Zeit für die Stichproben (nicht maßgeblich für
Selbstauskünfte).
Wochentag Getrennte Ergebnisse für Wochentage und Wochenenden.
Monat Spätes Frühjahr, Anfang Herbst.
Toleranzen Messgerätefehler.
Probenahmemethoden Zufällige Stichprobe (Über die Methodologie entscheiden die
Mitgliedstaaten).
Probenumfang Die Mitgliedstaaten können entscheiden.
35
Ergänzende Anmerkung: Den Ergebnissen sollte ein Hinweis beigefügt werden, in dem die geltenden
Rechtsvorschriften erläutert werden, z. B. maximal zulässige Blutalkoholkonzentration (BAK).
36
KPI 5. Wesentlicher Leistungsindikator für Ablenkung von Fahrern durch tragbare
Geräte
Hintergrund
Ablenkungen beim Fahren nehmen in ihrer Bedeutung als Unfallursache aufgrund der vermehrten
Nutzung von Mobilgeräten und hauptsächlich Smartphones zu. In den letzten Jahren hat sich das
bestehende Problem der während der Fahrt getätigten Telefonanrufe durch die weit verbreitete
Nutzung von Apps zum Versenden von Textnachrichten noch verschärft. Deshalb wird die
Verwendung eines tragbaren Mobilgeräts beim Fahren als Näherungswert zur Beurteilung des
Problems der Ablenkung beim Fahren vorgeschlagen.
Definition des KPI für Ablenkung beim Fahren
Prozentualer Anteil der Fahrer, die KEIN tragbares Gerät oder Handy benutzen.
Methodik
Methodische Aspekte
Aspekt Methodische Mindestanforderungen
Verfahren der
Datenerhebung
Direkte Beobachtung durch geschulte Beobachter am
Straßenrand oder aus fahrenden Fahrzeugen. Andere
Alternativen könnten gegebenenfalls verwendet werden, z. B.
automatische Erkennung. Von Mitgliedstaaten zu entscheiden.
Erfassung von
Straßenkategorien
Der Indikator sollte Autobahnen, Bundesstraßen/Landstraßen
und innerstädtische Straßen erfassen. Die Ergebnisse können
nach den drei verschiedenen Straßenkategorien getrennt
dargestellt werden.
Fahrzeugart/Nutzerart mindestens Pkw, Lieferwagen, Busse.
Andere Nutzerarten wenn möglich (aufgeschlüsselt nach
Nutzerart).
Messstelle Zufällige Stichprobe (Über die Methodologie entscheiden die
Mitgliedstaaten).
Uhrzeit Die Beobachtungen sind bei Tageslicht durchzuführen.
37
KPI 6: Wesentlicher Leistungsindikator für Fahrzeugsicherheit
Hintergrund
Die aktive und passive Fahrzeugsicherheit stellt ein entscheidendes Element der
Straßenverkehrssicherheit dar. Fahrzeugtechnik kann dabei helfen, sowohl die
Eintrittswahrscheinlichkeit als auch die Schwere von Unfällen durch folgende Maßnahmen zu
verhindern:
Passive Sicherheitseinrichtungen wie Sicherheitsgurte, Airbags und
Aufprallenergieaufnahmevermögen von Fahrzeugen sowie
aktive Sicherheitseinrichtungen wie ABS, ESC, Notbremsassistenzsysteme, intelligente
Geschwindigkeitsassistenten oder Spurhaltewarnsysteme.
Definition des KPI für Fahrzeugsicherheit:
Prozentualer Anteil der neuen Personenkraftwagen mit einer Euro NCAP-Bewertung,
die mindestens über einem festgelegten Schwellenwert (z. B. 4 Sterne) liegt.
Um die Bewertung einfacher vornehmen zu können, haben die Kommissionsdienststellen eine
Zusammenarbeit mit Euro NCAP angestrebt. Die Verantwortlichen des Programms haben sich dazu
bereit erklärt, Hilfestellung beim Bewertungsvorgang für Neufahrzeuge zu leisten. Es ist geplant, die
zusätzlich benötigten fachlichen Arbeiten in weiteren Sitzungen der CARE-Gruppe durchzuführen.
Methodik
Methodische Aspekte
Aspekt Gemeinsame Vorschläge
Fahrzeugart Personenkraftwagen für den Indikator auf der Grundlage der
NCAP-Sicherheitsbewertung.
Ergänzende KPI für die Fahrzeugflotte
Eine Mitgliedstaaten argumentieren, dass die Bewertung nicht für alle Fahrzeuge verfügbar ist, nicht
einmal für Neuzulassungen, und dass die eigenen Behörden nicht in der Lage seien, auf der Grundlage
von Zulassungsdaten jedem Fahrzeug eine EuroNCAP-Bewertung zuzuweisen.
Um diese Schwierigkeiten zu bewältigen, werden zwei ergänzende KPI auf der Grundlage des Alters
der Flotte und aus Daten der technischen Überwachung vorgeschlagen. Die Einzelheiten dieses KPI
werden gemeinsam mit Sachverständigen in der CARE-Gruppe festgelegt.
38
KPI 7: Wesentlicher Leistungsindikator für Infrastruktursicherheit
Hintergrund
Straßenanordnung, (Signal-)Gestaltung und Wartung sind Aspekte der Infrastruktur, welche die
Straßenverkehrssicherheit bestimmen.
Ein Indikator für die Sicherheit der Straßeninfrastruktur soll eine quantitative Darstellung der
Sicherheit eines Straßennetzes liefern, wobei diese unabhängig ist vom Verhalten der
Verkehrsteilnehmer oder der Fahrzeugtechnik. Weitere Arbeiten sind jedoch zur Ausgestaltung des
Indikators notwendig.
Definition des KPI für Infrastruktur
Die Dienste der Kommission werden mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um einen
Infrastruktur-Indikator auf der folgenden Grundlage festzulegen:
Anteil in Prozent der zurückgelegten Strecke auf Straßen mit einer
Sicherheitsbewertung über einem vereinbarten Schwellenwert (noch zu definieren)
Die Methode der Bewertung obliegt bis zu einer Vereinbarung über den Schwellenwert den
Mitgliedstaaten.
Dieser Indikator ist jedoch technisch anspruchsvoll. Vielen Mitgliedstaaten stehen die Daten über die
zurückgelegte Wegstrecke noch nicht zu Verfügung, weshalb als erster (und notwendiger) Schritt
vorgeschlagen wird, die Daten für den Anteil der Straßennetzlänge zu erheben, die hinsichtlich der
Sicherheit über dem vereinbarten Schwellenwert liegt.
Vorübergehend kann eine vereinfachte Version des KPI verwendet werden, sofern keine
Bewertungsmethode zur Verfügung steht. Seine Definition lautet:
Prozentualer Anteil der zurückgelegten Wegstrecke auf Straßen, auf denen entweder der
Gegenverkehr (durch eine Barriere oder Freiräume) getrennt geführt wird oder auf denen eine
zulässige Höchstgeschwindigkeit von maximal xx km/h gilt (Höchstgeschwindigkeit nach
Maßgabe der MS) im Verhältnis zur zurückgelegten Gesamtwegstrecke.
Die Arbeit mit Sachverständigen in der CARE-Sachverständigengruppe oder in einer anderen
geeigneten Form wird fortgesetzt, um die Verfahren für die Datenerhebung und die
Bewertungsmethode zu definieren.
In der ersten Phase könnten innerstädtische Bereiche von den Mitgliedstaaten außen vorgelassen
werden, um die Komplexität dieses KPI insgesamt zu reduzieren; dennoch sollten wir die
Infrastrukturfrage für urbane Räume in Zukunft nicht ausklammern.
39
KPI 8: Wesentlicher Leistungsindikator für die wirksame Versorgung nach einem
Unfall
Hintergrund
Unter der Versorgung nach einem Unfall bzw. Traumamanagement versteht man die medizinische
Erstversorgung nach einem Unfall, wobei diese am Unfallort, auf dem Weg in ein medizinisches
Versorgungszentrum oder auch nachfolgend geleistet werden kann. Die verstrichene Zeit zwischen
dem Unfall und der medizinischen Erstversorgung sowie die Qualität dieser Erstbehandlung wird
häufig als entscheidend bei der Minimierung der Unfallauswirkungen angesehen.
Definition des KPI für die wirksame Versorgung nach einem Unfall:
Verstrichene Zeit in Minuten und Sekunden zwischen dem Notruf nach einer Kollision
mit Personenschäden und der Ankunft der Rettungsdienste am Unfallort (auf das
95. Perzentil genau).
Methodik
Methodische Aspekte
Aspekt Methodische Mindestanforderungen
Verfahren der
Datenerhebung
Stichprobe der Antworten auf Notrufe, bei denen es zum
Eingreifen der Rettungsdienste am Unfallort nach einem
Verkehrsunfall mit Personenschäden kommt.
Erfassung von
Straßenkategorien
Alle Straßen – jedoch könnten die Daten gegebenenfalls
getrennt nach Autobahnen, Bundesstraßen/Landstraßen und
innerstädtischen Straßen getrennt dargestellt werden.
Art des Unfalls Mit Fahrzeugbeteiligung und Personenschäden.
Messstelle Zufällige Stichprobe (Über die Methodologie entscheiden die
Mitgliedstaaten).
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