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Dreieich : COPARGO© – 2012
ISBN 978-3-9814827-0-6 Auflage 1. Jahr 2012 © 2012 by COPARGO®, D-63303 Dreieich www.copargo.de Alle Rechte vorbehalten. Bei der Zusammenstellung von Texten und Abbil-dungen wurde mit größter Sorgfalt vorgegangen. Trotzdem können Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden. Herausgeber und Autoren können für fehlerhafte Angaben und deren Folgen weder eine juristische Verant-wortung noch irgendeine Haftung übernehmen. Für Verbesserungsvor-schläge und Hinweise auf Fehler ist der Herausgeber dankbar. Dieses Werk ist einschließlich aller seiner Teile urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheber-rechts wird ohne Zustimmung von COPARGO® gerichtlich verfolgt. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmung und die Einspeicherung in elektronische Systeme, sowie die weitere Verarbeitung. Eine gewerbliche Nutzung der in diesem Produkt gezeigten Modelle und Arbeiten ist nicht zulässig. PRINCE2® is a registered trade mark of the Cabinet Office MSP®, MoP™ and P3O® are registered trade marks of the Cabinet Office in the United Kingdom and other countries The Swirl™ logo is a Trade Mark of the Cabinet Office Dieses Werk basiert auf dem offiziellen Handbuch von PRINCE2: Erfolgrei-che Projekte managen mit PRINCE2. Druck und Bindung: Alinea Digitaldruck GmbH Königsbrücker Straße 96 01099 Dresden Printed in Germany
Inhaltsverzeichnis
Einleitung .................................................................................. 1
Wie es dazu kam ....................................................................... 3
Die Vorbereitung ...................................................................... 7
To-do-Liste für die Vorbereitung .................................................... 7
Die 7 Grundprinzipien .................................................................. 16
Der erste Workshop ............................................................... 22
Der Vertrag - Die Regeln fürs Projekt ..................................... 29
Die Übersicht ................................................................................ 29
Die 7 Themen ............................................................................... 32
Der Planungsworkshop ................................................................ 45
Der Projektplan ............................................................................ 51
Die richtige Anpassung ist das A&O ............................................. 58
Wer lenkt, der trägt Verantwortung ...................................... 62
Smaragdschule ....................................................................... 67
Sollen wir tatsächlich ins Habachtal fahren? ......................... 74
Letzte Instruktionen vor dem Aufstieg ................................... 76
Aufbruch ins Habachtal .......................................................... 84
Das Camp ................................................................................ 86
Die erste Woche im Tal .......................................................... 88
Wer findet den ersten Stein? ................................................. 93
5 Euro und keinen Cent mehr! ............................................... 98
Quadrat 65............................................................................ 103
Phasenende .......................................................................... 106
Fundort 2 .............................................................................. 108
Charly in Frankfurt ................................................................ 114
1
Einleitung
Liebe Leserin, lieber Leser,
Sie haben sich dazu entschlossen herauszufinden, was PRINCE2 ist,
was PRINCE2 kann oder wie man sich das Wissen zu dieser Projekt-
managementmethode am effektivsten erwirbt. Zu dieser Entschei-
dung möchte ich Ihnen erst einmal gratulieren, denn PRINCE2 ist ein
einfach zu erlernendes und sinnvolles Werkzeug und das möchte ich
Ihnen gerne auf den folgenden Seiten veranschaulichen.
Sie halten hier ein Werk in Ihren Händen, mit dessen Hilfe ich Ihnen
einen ersten spielerischen Zugang zur Thematik PRINCE2 ermögli-
chen möchte. So habe ich mich, basierend auf meiner Erfahrung als
Trainer, bewusst nur auf die wesentlichen Aspekte konzentriert und
einige Details gezielt weggelassen – mehr Details erfahren Sie in
unseren Schulungen.
Die hier erzählte Geschichte basiert auf unseren Erfahrungen im
Bereich Projektmanagement. Als Beratungs- und Schulungsunter-
nehmen für PRINCE2 und andere Best Practice Methoden der OGC
dürfen wir jeden Tag erfahren, welchen Wert ein gesundes Maß an
Methode hat. Diesen Schatz möchte ich gerne mit Ihnen teilen.
An dieser Stelle möchte ich einen besonderer Dank aussprechen an:
Charly, der bereit war, seine persönlichen Erfahrungen mit
mir zu teilen
James, der mit seinem prüfenden Blick dem Ganzen die nö-
tige Qualität verliehen hat
die Keller GmbH für die großzügige Bereitstellung der Do-
kumente zu diesem Projekt.
2
Ich freue mich auf ein gegenseitiges Kennenlernen, vielleicht schon
auf unserer nächsten PRINCE2 Schulung.
Ihr Bernhard Armbruster
Trainer und Berater für Projektmanagement
Anmerkung: Die wichtigsten Begriffe der PRINCE2 Terminologie
wurden fett markiert.
3
Wie es dazu kam
Im Süden eines Vororts von Wien liegt das Traditionsunternehmen
Keller GmbH, Europas älteste und einzige größere, noch verbliebene
Edelsteinschleiferei, gegründet im Jahre 1723. 250 Mitarbeiter,
massive finanzielle Schwierigkeiten und kaum Aussicht auf eine
Verbesserung der Auftragslage - das war die aktuelle Situation der
Keller GmbH. Markus Keller, der Eigentümer des Unternehmens,
der vor 25 Jahren das Unternehmen übernommen hatte, sah sich
machtlos gegenüber den schwindenden Aufträgen: "Früher sind sie
alle zu uns gekommen, um ihre Edelsteine zu schleifen. Heute wird
das direkt an den Fundorten in Indien, Sri Lanka und Brasilien ge-
macht - die können einfach billiger arbeiten." Er hatte bisher nicht
viel Glück in seinem Leben. Bisher - denn er stand gerade auf dem
Dachboden seines Hauses und untersuchte den Inhalt einer alten,
halb verrotteten Holzkiste. Er stieß dabei auf eine handgemalte
Karte. Sein Großvater, soviel wusste er, hatte schon immer davon
gesprochen, dass er eines Tages seine Steine selbst abbauen wolle,
er wüsste auch schon wo. Damals war aber so viel zu tun und ein-
fach kein Bedarf an selbst gesuchten Edelsteinen, so dass er es im-
mer weiter hinausgeschoben hatte. Hier stand nun Markus Keller
vor der Kiste seines Großvaters und studierte diese Karte. Sie war
etwa 2 Meter breit und 3 Meter lang. Er breitete sie auf dem Boden
aus und versuchte die Schrift seines Großvaters zu entziffern: Links
oben in der Ecke stand in schnörkeliger Schrift "Habachtal". Durch
die Mitte der Karte verlief eine blau geschlängelte Linie und auf der
rechten Seite der Linie waren zwei grüne Kreuze eingezeichnet,
versehen mit den römischen Ziffern I und II. Er stöberte weiter in
der Kiste und entdeckte zwei Beutelchen mit denselben römischen
Zeichen. Die Säckchen waren schon ziemlich alt und vergilbt, aus
Stoff, der schon viele schwarze Flecken hatte. Er öffnete vorsichtig
4
das erste Säckchen und stieß auf graue, verklebte Watte. Er wollte
das Säckchen schon wieder zurück in die Kiste werfen, als er mit
seinen Fingern etwas Hartes am Boden des Beutelchens spürte. Es
war nicht hell genug auf dem Dachboden, um genau zu erkennen,
was es für Klümpchen waren, die er da entdeckt hatte. Er ging hin-
aus ans Sonnenlicht. Langsam breitete er den Inhalt der Säckchen
auf seinem Gartentisch aus. Er war sich noch nicht sicher, was er
vom Inhalt der Säckchen halten sollte, aber langsam beschlich ihn
das Gefühl, dass der heutige Dienstag, der 1. Februar sein Glückstag
würde: 28 grüne Edelsteine befanden sich in den beiden Säckchen.
Es verschlug ihm fast den Atem: Feinste Smaragdedelsteine, teilwei-
se klar, teilweise mit einigen Einschlüssen, aber in der Summe si-
cherlich mit einem Wert von über 50.000€. Er musste sich setzen.
Seine Gedanken drehten sich im Kopf. Er dachte an seinen Großva-
ter, an seinen Vater, an das Unternehmen, an die viele Arbeit, die
seine Familie bisher in diese Firma gesteckt hatte und dass es im
Moment eher so aussah, als müsse er innerhalb der nächsten 6
Monate 30% seiner Mitarbeiter entlassen, weil es einfach nicht
genug Aufträge gab. Plötzlich kam ihm eine Idee: „Warum sollte ich
nicht das tun, was mein Großvater eigentlich immer tun wollte?
Warum sollte ich sein Werk nicht zu Ende bringen? Wenn diese
beiden Stellen tatsächlich die Orte sind, von denen er immer ge-
sprochen hatte, dann sollten wir einfach mal dort hinfahren, um zu
prüfen ob sich der Aufbau einer Smaragdmine lohnt.“
Er lief sofort zu seinem Finanzleiter Thomas Goldbart. Der hatte ihm
in den letzten schwierigen Monaten stets treu zur Seite gestanden.
Markus Keller erzählte ihm von seiner Entdeckung. Goldbart war
sehr skeptisch: „Ein völlig neuer Bereich, wir haben doch keine Ah-
nung von diesem Geschäft und wer soll das alles machen? Ich
möchte daran erinnern, dass in der Vergangenheit viele unserer
5
derartigen Experimente in die Hose gegangen sind!“, schimpfte
Goldbart. Aber nachdem ihm sein Chef den Vorschlag gemacht
hatte, das Ganze durch professionelle Unterstützung begleiten zu
lassen, beruhigte er sich und willigte ein. Herr Keller beauftragte
ihn:
"Bring' mir ein paar wertvolle Smaragde und stelle fest, ob es sich lohnt eine Mine dort aufzubauen. Und außerdem möchte ich, dass du Mr. PRINCE mit ins Boot holst. Ich habe ihn neulich auf einer Messe kennengelernt und der Kerl hat mich total beeindruckt. Er soll euch dabei helfen, damit nichts schief geht. Dieses Projekt ist unsere letzte Chance!"
Als Folge dieser Unterredung trug Herr Goldbart die Verantwortung
für dieses Experiment. Er hatte von Herrn Keller das Mandat für
dieses Projekte bekommen und fungierte somit ab sofort als Auf-
traggeber in diesem Projekt.
Herr Goldbart hatte nicht viel Ahnung von Edelsteinen und kannte
sich ebenso wenig mit der Leitung eines derartigen Unterfangens
aus. Er besprach die Sache erst einmal mit Charly. Charly war seit 10
Jahren im Unternehmen und derzeit als Projektmanager, vorwie-
gend im IT-Bereich, tätig. Dieser war erst einmal irritiert: „Was?
Wieso ich? Ich hab‘ doch keine Ahnung vom „Steineklopfen“! Ich
bin Programmierer und kein Goldschürfer!“ Aber in der Keller
GmbH hatte kein Mitarbeiter wirklich Ahnung vom „Steineklopfen“,
– es war für alle ein völlig neues Geschäftsfeld. Was ihn aber beson-
ders wurmte, war die Auflage, dass er zusammen mit Mr. PRINCE
arbeiten sollte: „Mr. PRINCE! Was für ein bekloppter Name, der
glaubt wohl, er sei etwas Besseres! Das ist bestimmt so eine Prin-
zessin! Mann-Oh-Mann, ich such mir nen‘ anderen Job! Die Prinzes-
sin will mir erklären, wie man Steine klopft? Ne, ne, ne, ich mach’
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mir die Finger nicht dreckig, das soll der schön selber machen!“ Da
aber niemand sonst die Aufgabe übernehmen konnte und das Pro-
jekt möglicherweise die letzte Chance für die Keller GmbH war, aus
den roten Zahlen zu kommen, willigte Charly schließlich doch noch
ein.
7
Die Vorbereitung
To-do-Liste für die Vorbereitung
Mr. PRINCE war Berater für Projektmanagement und hatte schon
viele Projektmanager und Unternehmen auf ihrem Weg zum erfolg-
reichen Projektmanagement unterstützt. Er erklärte sich bereit,
dieses Projekt zu begleiten und insbesondere Charly als Coach zur
Seite zu stehen. Mr. PRINCE schlug vor, dass er zu Beginn mehrmals
nach Wien kommen würde, um dann im späteren Verlauf des Pro-
jekts jeden Freitag ein Telefonat mit Charly zu führen. Außerdem
erwähnte er, dass er nach einem Regelwerk, nach einem Rahmen-
werk für das Projektmanagement, arbeitete, welches sich PRINCE2
nannte.
Sie vereinbarten ein erstes Telefoncoaching, in welchem Mr. PRINCE
Charly eine Übersicht geben wollte, was vor dem eigentlichen Pro-
jekt alles geklärt werden sollte.
In der Zwischenzeit kümmerte sich Charly um den Abschluss einiger
anderer Projekte, damit sie ihn während des Starts des neuen Pro-
jektes möglichst wenig störten. Eine Woche später kam dann die
erste Telefonsitzung mit Mr. PRINCE. Charly hatte sich im Voraus
etwas schlau gemacht, was dieses „ominöse“ PRINCE2 bedeutete
und was der Unterschied zwischen dieser Projektmanagementme-
thode und anderen Methoden war. Er selbst hatte vor vielen Jahren
bereits eine Projektmanagementschulung besucht. Dort lernte er
z.B. wie man einen Plan erstellt, wie man korrekte Schätzungen
macht oder wie man das Controlling innerhalb eines Projekts einzu-
richten hat: Alles hilfreiches Wissen für ihn als Projektmanager,
welches er ständig anwendete, aber trotzdem scheiterten sehr viele
Projekte bei der Keller GmbH. Er war sich sicher, dass es nicht an
8
ihm lag. Die meisten Projekte bei der Keller GmbH scheiterten da-
ran, dass die Anforderungen nicht klar genug definiert waren, dass
die Fachabteilungen keine Lust hatten, mitzumachen oder dass sich
einfach kein Mensch für die Sachen verantwortlich fühlte. Es war
ziemlich frustrierend für Charly, immer wieder Verzögerungen mel-
den zu müssen, für die er gar nichts konnte, aber trotzdem eins auf
den Deckel bekam: „Schlecht gemanagt“ hieß es dann oft. Für sich
hatte er schon lange beschlossen, das Unternehmen schnellstmög-
lich zu verlassen. Man munkelte ja ohnehin, dass es mit der Keller
GmbH nicht mehr lange gut gehen würde, also wollte er möglichst
frühzeitig den Absprung schaffen. Bisher hatte er noch keine Be-
werbungen geschrieben, aber das lag einzig und allein daran, dass
er bis heute einfach keine Zeit dazu gefunden hatte.
Mittwochnachmittag um 15 Uhr hatte Charly dann sein erstes Tele-
foncoaching mit Mr. PRINCE. Charly war zwar immer noch etwas
zurückhaltend, was Mr. PRINCE betraf, aber nachdem er im Internet
etwas über PRINCE2 gelesen hatte, wollte er zumindest mal bei der
ersten Telefonsitzung prüfen, was Mr. PRINCE auf dem Kasten hat-
te. Um besser beurteilen zu können, ob das alles auch verwendbar
für ihn sei, beschloss Charly, fleißig mitzuschreiben.
Mr. PRINCE kam gleich zur Sache:
„Wir befinden uns ja noch vor dem eigentlichen Projekt und sollten
hier nun Informationen sammeln, anhand derer entschieden wer-
den kann, ob sich eine detaillierte Planung dieses Projekts über-
haupt lohnt. Nach PRINCE2 teilen wir die Arbeit, die wir in das Pro-
jektmanagement stecken, in 7 Prozesse auf. Jeder Prozess wiede-
rum besteht aus mehreren einzelnen Aktivitäten, die wir auszufüh-
ren haben. Der erste Prozess nennt sich Vorbereiten eines Projekts.
„Sage mir wie Dein Projekt beginnt und ich sage Dir wie es endet.“
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Gemäß diesem Zitat legen wir also an dieser Stelle die Grundlagen,
um ein erfolgreiches Ende zu erreichen. Dieser Prozess beinhaltet 6
Aktivitäten, die wie folgt abgearbeitet werden sollten:
1. Ein Auftraggeber, also jemand mit Budgetverantwortung, be-
kommt das Mandat, also die Verantwortung für dieses Projekt
und dieser ernennt einen Projektmanager - das ist ja bereits
geschehen: Herr Goldbart ist der Auftraggeber und Sie sind
Projektmanager.
2. Was macht ein Projektmanager, sobald er ein neues Projekt
bekommt? Er macht sich schlau! Der Projektmanager sammelt
vorhandene Erfahrungen, z.B. von ähnlichen Projekten aus
dem eigenen Unternehmen oder recherchiert im Internet oder
setzt sich in Ihrem Fall z.B. mal mit einem Geologieprofessor
an der Uni zusammen und fragt ihn um Rat, was man bei ei-
nem derartigen Vorhaben alles berücksichtigen sollte.
3. Es wird ein Projektmanagementteam entworfen, welches zu-
nächst aus den folgenden Rollen zusammengesetzt ist:
a. Den Auftraggeber und den Projektmanager haben wir ja
bereits.
b. Ein oder mehrere Benutzervertreter, die das Ergebnis
des Projekts am Ende abnehmen können und in diesem
Falle z.B. definieren können, wie denn die Edelsteine be-
schaffen sein müssen.
c. Ein oder mehrere Lieferantenvertreter, die erkennen
können, ob das ganze Projekt machbar, d.h. umsetzbar
ist. Diese stellen im späteren Verlauf Teammanager zur
Verfügung, welche dann die auszuführenden Arbeiten
verantworten. In unserem Projekt könnte das z.B. ein
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Bergbauunternehmen oder ein Geologisches Institut
sein, das wir anheuern, um in dieses Tal zu fahren und
nach Steinen zu suchen. Diese Lieferanten könnten auch
intern aus der Keller GmbH stammen. Wichtig ist nur,
dass sie alle gemeinsam von mindestens einer Person in
der Rolle des Lieferantenvertreters in unserem Projekt-
managementteam auf höchster Ebene vertreten wer-
den.
d. Der Auftraggeber, die Benutzervertreter und die Liefe-
rantenvertreter bilden zusammen den Lenkungsaus-
schuss.“
„Stopp!“, an dieser Stelle hakte Charly ein. Denn was ein Lenkungs-
ausschuss ist, das war ihm nicht so ganz klar. Außerdem wollte er
wissen, wo er denn die ganzen wertvollen Informationen sammeln
solle, die er in den nächsten Wochen im Rahmen dieses Projekts
bekommen würde. Den Inhalt des Gespräches eben hatte er sich
einfach auf ein Schmierpapier geschrieben, aber das könne da ja
nicht stehenbleiben.
Mr. PRINCE antwortete darauf: "Der Lenkungsausschuss ist das
höchste Entscheidungsgremium innerhalb des Projekts. Der Chef in
diesem Gremium ist der Auftraggeber, in unserem Falle also Herr
Goldbart. Herr Goldbart wiederum muss selbst dafür Sorge tragen,
dass alle seine Entscheidungen im Rahmen der ihm von Herrn Keller
gewährten Befugnisse (Toleranzen) liegen.
Was Ihre Frage mit dem Schmierzettel betrifft, so ist das ganz ein-
fach: bei PRINCE2 nennen wir diesen Zettel Projekttagebuch. Ob
das nun mehrere Zettel oder Post-its sind, die wild über den
Schreibtisch verteilt sind oder ein schönes Buch oder ein Dokument
auf Ihrem Laptop, das überlasse ich Ihnen. Das Projekttagebuch ist
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also das erste „Managementprodukt“ in unserem Projekt. Mana-
gementprodukte sind im Unterschied zu Spezialistenprodukten
während des Projekts wichtig, um das Projekt zu managen. Sie wer-
den (fast alle) am Ende des Projekts archiviert und sollten daher
nach dem Grundsatz „so wenig wie möglich, so viel wie nötig“ ver-
wendet werden. Diese Managementprodukte werden entweder in
Form von Dokumenten geführt oder als Teil eines Prozesses mit
einer Projektmanagement-Software abgebildet. Die Anzahl der
notwendigen Managementprodukte variiert sehr stark (zwischen 3
und 26) und ist unternehmens- und projektabhängig. Wenn Sie mal
einen Blick in ein komplettes Set an Dokumenten für ein sehr gro-
ßes Projekt werfen möchten, dann empfehle ich Ihnen unsere Web-
site.1 Bitte vergessen Sie dabei aber niemals, dass wir das für unser
Projekt stark reduzieren und etwa bei 8 Dokumenten landen wer-
den. Auch der Inhalt der einzelnen Managementprodukte muss an
die Bedürfnisse des Unternehmens, dessen Sprache und teilweise
sogar an jedes einzelne Projekt angepasst werden. Mehr dazu wer-
de ich Ihnen in der nächsten Phase verraten.
Ach und noch was: Wenn Ihnen in den nächsten Wochen irgendet-
was unklar ist, dürfen Sie mich jederzeit anrufen unter der Nummer
+49(0)6103 2002 110 oder Sie schauen mal in das Lexikon auf unse-
re Website."2
Mr. PRINCE fuhr mit den Erklärungen der 6 Aktivitäten zum Vorbe-
reiten eines Projekts fort: „Nachdem wir also Erfahrungen gesam-
melt und das Projektmanagementteam zusammengestellt haben,
kommen wir zur nächsten, zur vierten Aktivität, die eine besonders
1 www.gruenes-gold.copargo.de -- Templates
2 www.gruenes-gold.copargo.de -- Lexikon
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große Bedeutung hat. Wenn wir hier Fehler machen, dann wird
nicht der richtige Output erstellt und wir bekommen nicht den Nut-
zen, den wir uns von unserem Projekt erhoffen.
4. Erstellung eines Business Case-Entwurfs und klare Definition
des Projektumfangs. Im Einzelnen bedeutet das:
a. Business Case-Entwurf – ein paar wichtige Abschnitte
daraus sind z.B.:
i. Wie hoch werden voraussichtlich die Kosten sein,
wenn Sie eine Expedition in das Habachtal schicken,
um zu prüfen ob es dort größere Smaragdvorkommen
gibt und ob sich der Aufbau einer Mine lohnt? Wie
hoch sind die Vorbereitungs- und Managementkosten
für diese Expedition und entstehen bei diesem Projekt
Folgekosten zum Beispiel durch die anschließende
Weiterverarbeitung der Edelsteine?
ii. Welcher erwartete Nutzen steht diesen geschätzten
Kosten gegenüber? Natürlich wäre es schön, wenn wir
sofort in Euro umrechnen könnten, wie hoch die er-
warteten zusätzlichen Einnahmen durch die Tour ins
Habachtal wären. In Ihrem Fall könnten Sie vielleicht
die zu erwartenden gesammelten Smaragde ansetzen.
Und vielleicht finden Sie ja einen Abnehmer für etwa-
ige Nebenprodukte, wie z.B. Kartenmaterial und Bo-
denproben, letztlich aber geht es bei unserem Projekt
wohl vor allem um eine Entscheidungsgrundlage für
den potentiellen Aufbau einer Mine. Welchen Wert,
welchen Nutzen hat diese Entscheidung für Sie? Diese
Frage wird umso spannender, sobald Sie mehrere Pro-
jekte miteinander vergleichen. Bei den Kosten und
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dem Nutzen wird hier noch nicht erwartet, dass die
Zahlen zu 100% stimmen: es geht um eine erste grobe
Schätzung.
iii. Welche negativen Nebeneffekte werden durch die
Ausführung dieses Projekts definitiv eintreten? So
könnte ich mir vorstellen, dass dieses Projekt gerade
bei einer derartig spontanen Entscheidung seitens
Herrn Keller andere Projekte verdrängt hat. Und wie
sieht es aus mit Risiken bezüglich des Projekts? Ha-
ben Sie bereits an dieser Stelle welche erkannt?
b. Parallel zum Business Case-Entwurf kümmern wir uns
um den Projektumfang:
i. Das Mandat lautete: „Bring‘ mir ein paar wertvolle
Smaragde und stelle fest, ob es sich lohnt eine Mine
dort aufzubauen.“ Was ist damit jetzt konkret ge-
meint? Was gehört jetzt genau zum Umfang dieses
Projektes? Sollen hier nur ein Paar Edelsteine gesucht
werden oder gehört auch die chemische Analyse tie-
ferer Bodenschichten zum Umfang des Projektes? Au-
ßerdem wird festgelegt, was definitiv nicht zum Pro-
jektumfang gehört. Ich könnte mir vorstellen, dass
zum Beispiel die Weiterverarbeitung der Edelsteine
oder der Bau einer Mine hier landen werden.
ii. Diese Einigung zum Umfang des Projektes halten wir
in einer Art groben Projektspezifikation fest. Bei
PRINCE2 nennen wir diese Produktbeschreibung des
Projektendprodukts. Hier wird definiert, welche ein-
zelnen Ergebnisse erwartet werden und festgelegt,
wie die Abnahme erfolgt. Außerdem werden zwei
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Dinge manifestiert: Zum Einen die Wünsche und Er-
wartungen des Kunden (Kundenqualitätserwartun-
gen) und zum Anderen die dazugehörigen klaren,
messbaren Projektabnahmekriterien. Idealerweise
gibt es jeweils eine eindeutige Verbindung zwischen
den Erwartungen und den Abnahmekriterien. Ein Bei-
spiel hierfür wäre: „ein paar wertvolle Smaragde“ als
Erwartung und die Übersetzung in Abnahmekriterien:
„30 Smaragde der Güteklasse C bis D“.
5. Kosten, Nutzen und Umfang sind nun geklärt und wir stellen
uns die Frage, wie dieses Projekt konkret umgesetzt werden
könnte, wie also der Projektlösungsansatz für dieses Projekt
auszusehen hat. Bei unserem Projekt sollten wir an dieser Stel-
le klären, ob z.B. Mitarbeiter der Keller GmbH in die Berge fah-
ren werden oder ob wir ein anderes Unternehmen damit be-
auftragen. Nun wird all das, was bisher an Dokumenten er-
stellt wurde, in einen großen Umschlag gesteckt. Diesen Um-
schlag nennen wir Projektbeschreibung.
6. Zum Schluss machen Sie einen Vorschlag, wie die anschlie-
ßende Planungsphase, auch Initiierungsphase genannt, ablau-
fen soll. Wie gedenken Sie z.B. herauszufinden, welche einzel-
nen Bausteinchen Sie für dieses Projekt benötigen? Wen brau-
chen Sie für diese Planungsarbeit und wie lange wird die Pla-
nung voraussichtlich dauern?
Wenn Sie damit fertig sind, gehen Sie mit diesem Umschlag, also
der Projektbeschreibung und dem Initiierungsphasenplan zum
Lenkungsausschuss und lassen diesen darüber entscheiden, ob es
sich überhaupt lohnt, Geld für die Planung dieses Projekts auszuge-
ben.“
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Charly merkte an, dass es sich besonders bei den letzten Punkten
nach viel Schreibarbeit anhöre. Und Mr. PRINCE antwortete: „Rich-
tig, hier sollten Dinge schriftlich festgehalten werden. Dass man
diese Schreibarbeit aber auf ein Minimum, z.B. auf eine einzige
PowerPoint-Folie, reduzieren kann, möchte ich Ihnen gerne persön-
lich zeigen, sobald wir unseren ersten Workshop machen.“
Noch eine Frage hatte Charly bevor er starten konnte: "Bisher habe
ich wohl eher nach der Methode „Ärmel hochkrempeln und los
geht’s“ gearbeitet. Ich sehe ja mittlerweile ein, dass es seine Vortei-
le hat, wenn man nach so einem Rahmen fürs Projektmanagement
arbeitet. Besonders das mit dem Projektmanagementteam gefällt
mir gut. Wenn ich mich jetzt aber auf dieses Abenteuer einlasse,
gibt es dabei irgendwelche grundsätzlichen Regeln, die mich dabei
unterstützen können, ohne dass ich schon alle Details über PRINCE2
wissen muss?"
Mr. PRINCE antwortete darauf: "Zu Ihrer ersten Anmerkung mit
dem „Ärmel hochkrempeln“: PRINCE2 ist entstanden aus den Erfah-
rungen vieler Projektmanager, die alle ursprünglich vielleicht auch
nach diesem Motto gearbeitet haben. Doch dann begann man da-
mit, Ideen und Erfahrungen zusammenzutragen, wie es eben noch
besser gehen könnte. PRINCE2 ist daher eine Best Practice Metho-
de, also eine Methode, die von Menschen aus der Projektpraxis
entwickelt wurde und fortwährend weiterentwickelt wird.“
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Die 7 Grundprinzipien
„Zu Ihrer Frage nach den grundsätzlichen Regeln: Natürlich gibt es
die! Wir arbeiten bei PRINCE2 nach 7 Grundprinzipien, auf denen
die gesamte Methode basiert. Wenn Sie sich an diese Prinzipien
halten, dann dürfte nicht mehr allzu viel schief gehen. Alles weitere,
was es über diese Prinzipien hinaus gibt, ist lediglich der Ansatz,
diesen Prinzipien Leben zu geben, also dem Projektmanagement-
team konkrete Umsetzungsempfehlungen an die Hand zu geben.
Diese 7 Grundprinzipien sind die folgenden:
1. Fortlaufende geschäftliche Rechtfertigung: Das Projekt muss
sich über die gesamte Projektlaufzeit hinweg lohnen. Wenn es
sich nicht mehr lohnt, dann muss etwas geändert werden, so
dass es sich wieder lohnt oder das Projekt wird abgebrochen.
Stellen Sie sich vor, Ihr Projekt wird auf einmal doppelt so teu-
er wie geplant oder Herr Goldbart erfährt, dass ein anderes
Unternehmen bereits einen Antrag für den Abbau von Sma-
ragden im Habachtal eingereicht hat. In beiden Fällen muss
schleunigst entschieden werden, wie und ob es weitergehen
soll, denn es besteht die Gefahr, dass der ursprünglich aufge-
stellte Business Case nicht mehr valide ist.
2. Lernen aus Erfahrungen: Man muss das Rad nicht neu erfin-
den. Holen Sie sich die notwendigen Informationen von ande-
ren Mitarbeitern aus dem Unternehmen oder betrachten Sie
Ihre eigenen Erfahrungen genauer. Hinzu kommt: Menschen
machen Fehler - Sie werden auch Fehler machen - das ist völlig
normal! Aber Fehler zweimal machen oder Fehler zu begehen,
die andere zuvor schon begangen haben, ist einfach unklug.
17
3. Definierte Rollen und Verantwortlichkeiten: Wir verteilen die
Aufgaben für das Projektmanagement auf mehrere Schultern
und jeder muss klar wissen, was sein Job ist. Herr Goldbart ist
der Boss im Projekt. Sie sind für das Management verantwort-
lich. Ein anderer Mitarbeiter trägt z.B. die Verantwortung für
die Spezifikation der Produkte. Ihr Lieferant verrät Ihnen, ob
die ausgedachte Lösung umsetzbar ist und stellt Ihnen Team-
manager zur Verfügung, mit denen Sie das Projekt stemmen
werden.
4. Steuern über Managementphasen: Wir teilen das Projekt in
mehrere Phasen auf und setzen uns zu den sich ergebenden
Phasenübergängen zusammen, um dann zu entscheiden, ob
sich das Projekt noch lohnt. Es könnte durchaus Sinn machen,
zuerst einmal jemanden ins Habachtal zu schicken und die Inf-
rastruktur vorzubereiten, um dann in einem zweiten Schritt
nach den Steinen zu suchen. Das wären bereits zwei Phasen.
Ich vermute allerdings, dass wir noch mehr sinnvolle Soll-
bruchstellen finden werden, zu denen erneut entschieden
werden sollte, ob sich dieses Projekt überhaupt noch rentiert.
5. Steuern nach dem Ausnahmeprinzip: Es muss nicht jeder in al-
le Entscheidungen eingebunden werden. Wir arbeiten effizien-
ter, indem wir Entscheidungen delegieren. Jede Manage-
mentebene legt Spielräume für die darunter gelegene Ebene
fest. PRINCE2 nennt diese Spielräume Toleranzen. Herr Gold-
bart hat von Herrn Keller z.B. 100.000 € für das gesamte Pro-
jekt bekommen. Wenn dieser Betrag voraussichtlich nicht aus-
reichen sollte, dann muss Herr Goldbart sich an Herrn Keller
wenden. Sie als Projektmanager bekommen zum Beispiel
15.000€ mit einem Spielraum von 2.000€ für die erste Ausfüh-
rungsphase und müssen sich mit Herrn Goldbart verständi-
18
gen, sobald Sie diese Toleranzen reißen sollten. Und wenn Sie
einen Teammanager beschäftigen, dann bekommt dieser viel-
leicht einen Betrag von 2.000€, um den Transport aller Mate-
rialien ins Habachtal zu übernehmen. Wenn er zum Beispiel
300€ mehr benötigen sollte, muss er sich umgehend bei Ihnen
melden. Wir vergeben also Toleranzen bzw. Spielräume und
müssen erst eingebunden werden, wenn diese Spielräume
nicht ausreichen sollten. Das Ganze erleichtert Ihnen die Ar-
beit, weil Sie den Lenkungsausschuss nicht wegen jeder Klei-
nigkeit ansprechen müssen. Das spart kostbare Zeit auf beiden
Seiten. Außerdem werden Sie feststellen, dass dieses zusätzli-
che Maß an Freiheit auf der einen Seite zwar mehr Eigenver-
antwortung bedeutet, aber auf der anderen Seite enorm mo-
tivierend wirken kann.
6. Produktorientierung: Wir arbeiten bei PRINCE2 ergebnisorien-
tiert und unterteilen das Endergebnis, welches wir im Rahmen
unseres Projekts erstellen, in mehrere Einzelprodukte. Je nach
gefordertem Detaillierungsgrad sprechen wir hier über 5, 10,
100 oder gar 1000 verschiedene Produkte, die in der Summe
das Projektendprodukt ergeben. Für unser Projekt könnte
man zum Beispiel eine Aufteilung in drei Produkte vornehmen:
1. gesammelte Smaragde, 2. untersuchter Boden und 3. er-
stelltes Kartenmaterial. Möglicherweise werden wir aber auch
feststellen, dass noch deutlich mehr Produkte benötigt wer-
den, um dieses Projekt sinnvoll planen zu können.
7. Anpassen an die Projektumgebung: Jedes Projekt ist anders,
jede Projektumgebung ist anders und befindet sich in einem
unterschiedlichen Grad der Professionalität. Wie man ein Pro-
jekt managt, muss in jedem Unternehmen und zumindest
19
teilweise bei jedem Projekt neu definiert werden - also auch,
wie genau PRINCE2 in Ihrem Projekt angewendet werden soll.
Nach unserem ersten Workshop werde ich Ihnen hierzu ein
paar Beispiele geben.“
Das war erst einmal genug für Charly. Doch Mr. PRINCE wollte noch
eine Sache von ihm wissen: "Womit beginnen Sie morgen früh?"
Charly musste eine Weile nachdenken und schaute dann auf seine
Notizen. Er schlug vor, dass er sich erst einmal im Internet etwas
schlau machen würde. Außerdem wolle er sich in der Firma Keller
umhören, ob jemand bereits ein ähnliches Projekt gemacht hatte.
Und die Idee mit dem Geologieprofessor wollte er auch angehen.
Dann beabsichtigte er, gemeinsam mit Herrn Goldbart die Leute
zusammenzutrommeln, welche das Projektmanagementteam bil-
den sollten. Mr. PRINCE war damit einverstanden und bot an vor-
beizukommen, sobald das Team zusammengestellt sein würde. Er
erklärte sich bereit, den Workshop zu moderieren, in welchem ge-
meinsam mit allen Teammitgliedern die dann noch fehlenden Akti-
vitäten bearbeitet würden.
Im Anschluss an das Gespräch kam Mr. PRINCE noch eine Idee:
"Sicherlich freut sich Charly, wenn er eine Übersicht über all das
bekommt, was in den nächsten Wochen so passieren wird." Er
schickte ihm eine E-Mail mit dem folgenden Inhalt:
20
Hi Charly,
im Anschluss an unser Gespräch möchte ich Ihnen einen Überblick
über all das geben, was ich Ihnen in den nächsten Wochen erzählen
werde. Dass wir bei PRINCE2 nach Grundprinzipien arbeiten, habe
ich ja schon erwähnt und den ersten von 7 Prozessen (Vorbereiten
eines Projekts) habe ich Ihnen ebenfalls vorgestellt. Wie die weiteren
Prozesse lauten und wie sie zusammenhängen, dazu bekommen Sie
etwas bei unserem nächsten Treffen. Zu den beiden genannten Bau-
steinen (Grundprinzipien und Prozesse) werden noch zwei weitere
Elemente hinzukommen: die 7 Themen und die Anpassung an die
Projektumgebung. Ich schicke Ihnen hier mal ein Bildchen, welches
Sie am besten ausdrucken und neben das Telefon legen, dann wissen
Sie immer wo wir uns gerade befinden.
Mit freundlichen Grüßen
Mr. PRINCE
Und im Anhang befand sich das folgende Bild:
21
Bas
ed o
n C
abin
et O
ffic
e P
RIN
CE2
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22
Der erste Workshop
Fast eine Woche war seit dem letzten Telefonat vergangen. Es war viel
passiert in der Zwischenzeit. Charly hatte telefoniert, recherchiert und
mit seinen Kollegen gesprochen. Alles stand unter dem Fokus: Wissen
sammeln - wie könnte so ein Projekt laufen und wer hat schon mal
etwas Ähnliches gemacht. Außerdem hatte er ein langes Gespräch mit
Professor Dr. Stein vom Geo-Institut in Wien und konnte dort die fol-
genden Dinge herausfinden:
1. Es ist grundsätzlich sehr gut möglich, dass es im Habachtal größe-
re Smaragdvorkommen gibt.
2. Es gab bereits ein anderes Unternehmen, das mit der gleichen
Idee 3 Jahre zuvor keinen Erfolg hatte. Allerdings befand sich der
Grabungsort 2 Kilometer weiter talabwärts.
3. Es gibt 5 Studenten am Geo-Institut, die gerne bei diesem Projekt
mitmachen würden.
4. Dr. Stein empfiehlt eine Zusammenarbeit mit ÖsiTreck, einem Un-
ternehmen, welches Bergführungen, Expeditionen und derglei-
chen anbietet.
Der erste Workshop sollte am Dienstag stattfinden. Charly hatte dafür 5
Personen eingeladen, die nach seiner Einschätzung wichtige Stakehol-
der waren, also ein wichtiges Interesse an diesem Projekt haben und
voraussichtlich sogar eine Rolle im Projektmanagementteam einneh-
men werden. Seine Teilnehmerliste sah wie folgt aus:
1. Thomas Goldbart, benannter Auftraggeber.
2. Frau Schleifer - Abteilungsleiterin im Edelsteinschliff - wird die
Edelsteine später abnehmen, designierte Benutzervertreterin.
23
3. Klaus Berger - Firma ÖsiTreck. Er oder sein Sohn werden voraus-
sichtlich die Touren führen, dann wohl Lieferantenvertreter.
4. Professor Dr. Stein vom Geo Institut - möchte Studenten mitschi-
cken für die Edelsteinsuche, Bodenmessungen und Anfertigung
von Kartenmaterial, damit ein weiterer möglicher Lieferantenver-
treter.
5. Charly, benannter Projektmanager.
6. Mr. PRINCE.
Mr. PRINCE hatte sich ja bereit erklärt diesen Workshop zu moderieren.
In seiner Ansprache lud er die Teilnehmer dazu ein, alle wichtigen In-
formationen beizusteuern, die für die Entscheidung, ob es sich lohnt,
die Planung des Projekts zu starten, wichtig waren. Er warf mit dem
Beamer eine Darstellung mit der Überschrift Projektbeschreibung –
PRINCE2 Blue Sheet an die Wand. Gemeinsam mit den Teilnehmern
füllte er während des Workshops Zug um Zug alle Abschnitte aus. Er
erwähnte, dass es sich hierbei um eine Spezialität seines Hauses hand-
le, wie mit dem Prozess Vorbereiten eines Projekts umgegangen würde
- also eine Anpassung der PRINCE2 Methode speziell für kleinere Pro-
jekte.
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25
Es wurde viel diskutiert: über mögliche Risiken, über den tatsächlichen
Umfang und die Abnahmekriterien - aber am Ende waren alle Beteilig-
ten mit dem folgenden Ergebnis einverstanden:
Projektname: Grünes Gold im Habachtal
Projektstart & Projektende: nächste Woche - Dauer 10 Wochen
Hintergrund des Projekts: schwierige Unternehmenslage, gefun-
dene Karte auf dem Dachboden
Projektziele: neue Geschäftsgrundlage erkunden
Umfang: mindestens 40 gesammelte Smaragde, erkundschaftete
Gegend und Bodenproben
Abgrenzung des Projekts: Reinigung und Weiterverarbeitung der
Steine, Analyse der Bodenproben (wird anschließend separat an
der Uni gemacht), Aufbau einer Mine
Qualitätserwartungen: wertvolle Steine, saubere Bodenproben,
exakt gezeichnetes Kartenmaterial.
Projektabnahmekriterien: die 40 Steine müssen jeweils mindes-
tens 2 Karat haben und der Güteklasse C-D entsprechen (siehe
Qualitätshandbuch der Keller GmbH). Für die Bodenproben sind
jeweils separate Behälter zu verwenden.
Projektlösungsansatz: Max Berger (Sohn des Inhabers von
ÖsiTreck) wird mit weiteren Helfern von ÖsiTreck insgesamt 5
Studenten von Prof. Dr. Stein in die Berge begleiten. Die Studen-
tengruppe wird dort unter der Leitung von Günther
(Geologiestudent im 8. Semester) Gesteinsproben sammeln, nach
Smaragden suchen und detailliertes Kartenmaterial über die bei-
den Orte anfertigen.
26
Organisation: die Teilnehmer stimmen ihren vorgeschlagenen Rol-
len auf der Teilnehmerliste zu. Als zukünftige Teammanager
kommen noch hinzu: Günther für das Geo-Team und Max Berger
für das Team von ÖsiTreck.
Schnittstellen:
o Analyselabor der Uni
o Abteilung Edelsteinschliff der Keller GmbH
Nutzen:
o Erwartete Einnahmen durch den direkten Verkauf der ge-
fundenen Edelsteine (ca. 100.000€)
o Ermöglichte Entscheidung bezüglich des Aufbaus einer Mine
im Habachtal.
Kosten: ca 50.000€ - (Professor Stein muss noch mit seinen Stu-
denten über die genaue Entlohnung sprechen.)
Risiken:
o Steinschlag könnte die Teammitglieder verletzen.
o Starker Regen könnte das Wasser im Bach so stark ansteigen
lassen, dass ein Arbeiten unmöglich wird.
Annahmen:
o Keine anderen Sammler waren in der Zwischenzeit an genau
diesem Ort.
o Es wurde bisher keine Lizenz für den Bau einer Mine an ge-
nau diesem Ort beantragt oder vergeben.
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o Es gibt keine (bau-)rechtlichen Hindernisse für den Bau einer
Mine
Charly hatte ja bereits bei der Einladung der Gäste jeweils angespro-
chen, welche Rolle er Teilnehmern im Falle eines tatsächlichen Projekt-
starts zuteilen würde. Mr. PRINCE fragte also nun, ob alle Beteiligten
mit ihren Rollen einverstanden wären. Nach ein paar kleineren Rück-
fragen gab es dann eine Bestätigung von allen Beteiligten und er fuhr
fort: „Damit ist der Lenkungsausschuss dieses Projekts gebildet und ich
möchte Sie gleich an dieser Stelle um Ihre erste Entscheidung bitten:
Lohnt es sich auf Basis der erarbeiteten Projektinformationen, das Pro-
jekt zu starten und eine Planungsphase freizugeben?"
Nach 10-minütiger Diskussion unter Leitung des Auftraggebers Herrn
Goldbart konnte man sich darauf einigen, dass die Aussichten auf ein
profitables Projekt zwar nur teilweise gegeben sind, man aber zumin-
dest eine weitere detailliertere Planung freigeben möchte. Bis Ende
nächster Woche erwarte man vom Projektmanager einen Plan, wie das
Ganze genau ablaufen solle. Damit war nach PRINCE2 die Initiierungs-
phase freigegeben.
Charly stimmte zu und äußerte den Wunsch, dass er zeitweise gemein-
sam mit Max, Günther und Frau Schleifer die Planung durchführen
möchte. Dem Wunsch wurde stattgegeben. Charly beschlich langsam
das Gefühl, dass Mr. PRINCE doch den ein oder anderen guten Tipp für
ihn hatte. Noch nie zuvor hatte er einen Projektstart erlebt, der derart
strukturiert und schnell war: An einem einzigen Nachmittag wurden
alle wichtigen Dinge erarbeitet und sogar gleich die nächste Stufe, die
nächste Phase des Projekts, freigegeben. Das Ganze verlief so reibungs-
los, dass es fast schon unglaubwürdig wirkte. Das lag wohl auch am
Interesse der Teilnehmer im Workshop: Er hatte noch nie ein Projekt
gesehen, bei dem von Anfang an so viel Engagement kam, insbesonde-
28
re von Seiten der Fachabteilung. Voller Spannung erwartete Charly nun,
wie das Projekt weiter gehen würde.
Er verabredete sich mit Mr. PRINCE für den nächsten Morgen.
29
Der Vertrag - Die Regeln fürs Projekt
Die Übersicht
Am nächsten Morgen trafen sich Mr. PRINCE und Charly zu einem ge-
meinsamen Frühstück in einem Wiener Café. Während des Frühstücks
gab Mr. PRINCE Charly einen Ausblick, was in der nächsten Woche alles
zu tun sei. In den Notizen von Charly konnte man über dieses Gespräch
Folgendes finden:
Wir haben eine Woche Zeit für den Prozess „Initiieren“. In diesem
Prozess werden die Regeln für das Projekt definiert, der Projekt-
plan erstellt und der Business Case detailliert. Im Einzelnen:
a. 4 Managementstrategien erstellen, um Regeln für den Um-
gang mit: 1. Risiken, 2. Qualität, 3. Konfiguration und 4.
Kommunikation zu definieren
b. Projektsteuerungsmittel einrichten: Wie teilen wir das Pro-
jekt in separate Phasen auf und wie gestalten wir das Con-
trolling und die Berichterstattung?
c. Projektplan erstellen: eine Übersicht über das ganze Projekt
schaffen
d. Business Case verfeinern: aktualisierte Informationen aus
dem Projektplan einfügen. Schätzungen müssen jetzt ge-
nauer sein.
e. Projektleitdokumentation zusammenstellen: alles in einen
noch größeren Umschlag stecken. Das ist dann der Vertrag
zwischen Lenkungsausschuss und Projektmanager
30
7 Themen, die uns im Verlaufe des gesamten Projekts begleiten
werden:
a. Business Case
b. Organisation
c. Qualität
d. Pläne
e. Risiken
f. Änderungen
g. Fortschritt
6 Dimensionen, zu denen Toleranzen definiert werden sollten
und die im Projektverlauf gesteuert werden müssen:
a. Kosten
b. Zeitrahmen
c. Qualität
d. Umfang
e. Risiko
f. Nutzen
Anpassung an die Projektumgebung ist das A&O, damit das Pro-
jektmanagement funktioniert. Denn kleine Projekte brauchen
weniger Papierkram als große Projekte.
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Nachdem Charly angemerkt hatte, dass ihm das viel zu kurz und theo-
retisch war, erklärte sich Mr. PRINCE dazu bereit, den restlichen Tag mit
ihm zu verbringen. So konnte er ihm die einzelnen Themen erörtern,
Tipps geben, was alles bezüglich dieser Themen geregelt werden sollte
und wie er in der nächsten Woche beim Planungsworkshop mit Frau
Schleifer und den beiden Teammanagern verfahren könnte.
Sie bezahlten ihre Rechnung im Café und gingen zurück ins Büro.
32
Die 7 Themen
Zurück bei der Keller GmbH, machten es sich Charly und Mr. PRINCE im
Besprechungsraum „Diamant“ gemütlich und Mr. PRINCE begann sofort
mit einer Erklärung zu den 7 Themen:
"Die Themen bei PRINCE2 sind Wissensgebiete, welche wir im Laufe
unseres Projekts immer wieder berühren. Mit ihrer Hilfe erwecken wir
die Grundprinzipien zum Leben. Zu diesen Themen sollten wir genau
jetzt, also während des Prozess Initiieren, festlegen wie, also nach
welchen Regeln, wir in unserem Projekt vorgehen wollen. Aber erst mal
zur Bedeutung der einzelnen Themen:
1. Business Case: In diesem Thema behandeln wir die Frage "Wa-
rum" wir das Projekt starten. Lohnt sich das Projekt überhaupt?
Sie erkennen vielleicht, dass wir hiermit, das Grundprinzip der
fortlaufenden geschäftlichen Rechtfertigung umsetzen. Diese ge-
schäftliche Rechtfertigung halten wir in einem Managementpro-
dukt fest, z.B. in Form eines Worddokuments, welches den glei-
chen Namen Business Case trägt. Die ersten Informationen für
dieses Managementprodukt haben wir ja bereits in unserer Pro-
jektbeschreibung gesammelt. Im Prozess „Initiieren“ geht es nun
darum, insbesondere die Informationen für die geschätzten Kos-
ten und den erwarteten Nutzen zu verfeinern. Wir wollen also
jetzt einen detaillierten Business Case erstellen, auf welchem un-
ser gesamtes Projekt später basieren wird. Wir brauchen also spä-
testens jetzt eine verlässliche Schätzung, wie hoch zum Beispiel
die Kosten für die Studenten sein werden, die für uns ins Habach-
tal fahren werden. Ich werde mit Ihnen später anhand eines
Templates durchgehen, welche Aspekte hierbei wirklich relevant
sind. Sicherlich werden Sie mir zustimmen, dass das pure Nennen
eines erwarteten Nutzens keinen starken, verbindlichen Charak-
33
ter hat. Um hier Klarheit bei der Verantwortung und Verbindlich-
keit für den Nutzen und somit letztendlich den Erfolg für das gan-
ze Projekt zu schaffen, ist es ratsam, zusätzlich einen Nutzenrevi-
sionsplan zu erstellen. In diesem Plan wird definiert, wann (zu-
meist erst nach dem Projekt) was genau gemessen werden muss,
um festzustellen, ob dieses Projekt letztlich wirklich erfolgreich
war und in der Praxis umgesetzt wurde. Der Nutzenrevisionsplan
lebt also als einziges Dokument auch nach dem Projekt noch wei-
ter (man könnte es als das „Testament“ des Projekts bezeichnen)
und ermöglicht dem Unternehmen oder dem Programm die Beur-
teilung, ob die vom Benutzervertreter versprochenen Nutzen
auch wirklich erreicht werden konnten.
2. Organisation: Hier geht es um die Frage "Wer" sind denn eigent-
lich die Akteure in diesem Projekt und „Was“ ist ihre jeweilige
Verantwortung. Ebenso zählt die gesamte Kommunikation zwi-
schen dem Projekt und der Projektumgebung mit dazu. Die Rege-
lungen bezüglich der Kommunikation beschreiben wir in der
Kommunikationsmanagementstrategie - auch ein Management-
produkt, welches aber im Falle unseres Projekts sehr klein ausfal-
len dürfte. Wenn dann mal ein größeres Projekt bei Ihnen an-
steht, dann empfehle ich Ihnen dringend, vorher einen komplet-
ten PRINCE2-Kurs bei uns zu besuchen: Dort werden wir mehr auf
die inhaltlichen Details der einzelnen Managementprodukte ein-
gehen. Was die Rollen in unserem Projekt betrifft, so haben wir
die meisten ja bereits angesprochen. Die Rollen, die Sie noch
nicht kennen sind:
a. die Projektsicherung: Personen, welche vom Lenkungsaus-
schuss den Auftrag bekommen, sicherzustellen, dass das
Projekt entsprechend des vereinbarten Rahmens vorgeht.
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Ich selbst bin z.B. der Teil der Unternehmenssicherung, das
ist die Projektsicherung der Unternehmensseite. Ich bin also
von Herrn Goldbart beauftragt, Sie zu unterstützen und ihn
über eventuelle Schwierigkeiten zu informieren.
b. Änderungsausschuss: Es wird sicherlich im Verlaufe des Pro-
jekts zu Änderungswünschen kommen, über welche dann
der Lenkungsausschuss zu entscheiden hat. Wenn dieser
damit aber überfordert ist oder einfach keine Zeit hat, dann
darf er diese Aufgabe an einen Ausschuss delegieren. Ich
gehe aber davon aus, dass unser Lenkungsausschuss das
selbst erledigen kann.
c. Projektunterstützung: Gerade in großen Projekten gibt es
enorm viel Schreibarbeit, Telefoniererei, Aktualisierungen
von Dokumenten etc. Wenn der Projektmanager das nicht
mehr alleine schafft, dann stellt man ihm jemanden an die
Seite, der das für ihn übernimmt. Ich gehe aber davon aus,
dass Sie das in Ihrem Projekt selbst übernehmen werden.
Mr. PRINCE stand von seinem Platz auf und ging zur gegenüberliegen-
den Anrichte. Dort stand eine Weinflasche, kunstvoll verziert, mit einer
Schleife versehen und einem Zettelchen mit der Aufschrift: „Für unse-
ren Jubilar“. Er nahm die Flasche in die Hand und las vor: „Blauburgun-
der, Weingut Klosterneuburg, Qualitätswein“. Er fuhr mit seiner Erläu-
terung zu den Themen fort:
3. „Was ist denn ein Qualitätswein? Schmeckt der Wein besser als
anderer Wein? Wenn ich in den Laden gehe und einen Wein mit
der Aufschrift „Qualitätswein“ kaufe, habe ich dann immer den
richtigen Wein für mich? Was macht denn einen wirklich guten
Wein aus? Sie werden schnell erkennen, dass die Antwort massiv
davon abhängt, wem Sie diese Frage stellen. Ich persönlich trinke
35
z.B. ausschließlich lieblichen Wein wie z.B. Gewürztraminer, Eis-
wein oder andere Dessertweine. Für mich hat also die Qualität
von Wein etwas mit dem Geschmack zu tun und weniger mit der
Marke, dem Preis, dem Image, der Mode etc.. „Fitness for
purpose“ lautet hier das Zauberwort in Englisch: wir brauchen
etwas, das genau das leistet, was es soll. Wenn wir uns also mit
dem Thema Qualität befassen, stellen wir immer die Frage "Was
ist hier eigentlich gefordert, um die Erwartungen des Kunden zu
erfüllen?“
Qualität wird zuerst geplant, dann umgesetzt, geprüft und zum
Schluss hoffentlich auch abgenommen. Die ersten Schritte haben
wir in unserem Projekt ja bereits unternommen: in der Projektbe-
schreibung haben wir festgehalten, dass die Steine der Kategorie
C-D entsprechen müssen. Ob das ausreicht als Kriterium, um am
Ende wertvolle Steine zu haben? Ich vermute, dass Sie nächste
Woche im Workshop noch bessere Kriterien finden werden, um
am Ende tatsächlich auch wertvolle Steine zu bekommen - das
werden Sie dann in den einzelnen Produktbeschreibungen näher
betrachten. Im Rahmen der Initiierung sollten wir aber auf jeden
Fall noch die Qualitätsmanagementstrategie erstellen. Hierin le-
gen wir die zu berücksichtigenden Qualitätsstandards für unser
Projekt fest. Ein Beispiel wären Verweise auf die Richtlinien der
Keller GmbH, z.B. für die Sortierung, Prüfung & Bewertung der
Smaragd-Edelsteine.
4. Pläne: In diesem Thema geht es darum, unserem Projekt eine
Struktur zu geben und eine Übersicht zu schaffen. Hierzu werden
wir nächste Woche einen Workshop machen. Dort werden wir mit
der sogenannten Produktbasierten Planung beginnen. Das heißt,
wir planen unser Projekt und setzten uns dabei die Brille der Pro-
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duktorientierung auf. Wir sind also zu diesem Zeitpunkt immer
darauf bedacht, die Formulierungen der Produkte so zu wählen,
dass wir das benennen, was wir nach getaner Arbeit auch tatsäch-
lich „in den Händen haben“ (z.B. „verschickter Newsletter“ anstel-
le von „Newsletter schreiben“). Das Vorgehen hierbei ist ganz
simpel:
a. Sie haben ja in der Projektbeschreibung bereits Informatio-
nen darüber, was das Projekt alles beinhalten soll, also den
Umfang des Projekts. In unserem Fall ist dies beschrieben in
einem Kapitel der Projektbeschreibung. In größeren Projek-
ten separiert man das und bezeichnet es dann als Produkt-
beschreibung des Projektendprodukts.
b. Nächste Woche werden wir als erstes die Teilnehmer darum
bitten, vom großen Gesamtprodukt ausgehend, darzustel-
len, aus welchen einzelnen Bausteinchen, also Produkten,
das Projekt besteht. Die drei Produkte „gesammelte Edel-
steine“, „erkundete Gegend“ und „Bodenproben“ kennen
wir ja bereits. Sicherlich werden wir diese nächste Woche im
Workshop noch etwas stärker aufteilen und zum Beispiel
Zwischenprodukte hinzufügen. Das was dann entsteht,
nennt sich Produktstrukturplan: eine einfache Übersicht
über alle zu erstellenden Bausteine in unserem Projekt. Das
funktioniert am besten, indem wir die einzelnen Produkte
z.B. auf Post-Its schreiben.
c. Als nächstes sammeln wir dann Informationen zu den ein-
zelnen Produkten. Zu jedem Produkt muss klar sein, was
damit gemeint ist. Zum Beispiel „erkundete Gegend“: Was
verstehen Sie darunter? Sind das letztendlich auf Papier ge-
zeichnete Landkarten oder einfach nur Fotos der Gegend?
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Diese Produktbeschreibungen formulieren wir entweder di-
rekt auf den Post-Its, indem wir Notizen hinzufügen oder
wenn's komplexer wird, schreiben wir es auf ein separates
Blatt.
d. Jetzt wird idealerweise das bisher Erreichte fotografiert.
Denn wir wollen die Post-Its im nächsten Schritt neu anord-
nen. Wir wollen ihnen eine Reihenfolge geben: wir erstellen
ein Produktflussdiagramm. Das geschieht, indem wir die
Produkte neu sortieren und zwar ausgerichtet an der sinn-
vollsten Reihenfolge bei der Erstellung. Welche Produkte
sollten als erstes, als zweites, als letztes oder parallel erstellt
werden? Das sind die Leitfragen hierbei. Außerdem werden
Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Produkten aufge-
zeigt. Damit erkennen wir, welche Produkte auf andere
Produkte „warten“ müssen.
Es kann durchaus sein, dass wir bei der Planung diesen oben beschrie-
benen Weg der Produktbasierten Planung mehrmals gehen müssen,
weil wir am Ende feststellen, dass etwas vergessen wurde - aber genau
deswegen macht man diesen Planungsworkshop: besser zweimal pla-
nen, als das ganze Projekt zweimal machen! Der große Vorteil eines
produktbasierten Planungsansatzes ist, dass der tatsächliche Umfang
des Projekts wesentlich besser eingeschätzt werden kann und zwar zu
einem Zeitpunkt, an dem noch nicht allzu viel Geld in die tatsächliche
Ausführung des Projekts investiert wurde.
Sobald wir mit der Produktbasierten Planung fertig sind, kommen die
restlichen Aktivitäten der Planung:
Wir erfragen, welche Aktivitäten zur Erstellung des jewei-
ligen Produkts notwendig sind und welche Abhängigkei-
ten zwischen diesen Aktivitäten bestehen.
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Wir erstellen mit den Teilnehmern Schätzungen zur benö-
tigten Zeit und zu den erwarteten Kosten.
Wir bringen alle Aktivitäten in eine zeitliche Reihenfolge.
Und zum Schluss packen wir alles in eine optisch saubere
Form, z.B. in ein Excel-, PowerPoint-, Visio-, MS-Project-
Dokument oder ein großes Papier hier in unserem Be-
sprechungsraum.“
Als Charly begann mit den Augen zu rollen, ergänzte Mr. PRINCE: „Sie
brauchen keine Sorge zu haben. Ich bin gerne bereit, nächste Woche
den Planungsworkshop zu moderieren.“
Mr. PRINCE stand wieder auf und schaute aus dem Fenster. Die Sonne
schien ihm ins Gesicht und vom Dach tropfte das Wasser auf den da-
runterliegenden Parkplatz. An einer Ecke im Schatten eines Holzstapels
war noch ein letzter großer Schneehaufen geblieben. Mr. PRINCE blick-
te in die Ferne auf die Berge, die allesamt noch weiß bedeckte Spitzen
hatten.
Zurück am Platz fuhr er fort: „Kommen wir zum nächsten Thema, zu
den Risiken:
5. Bei Risiken geht es immer um Unsicherheiten. Stellen Sie sich
einmal vor, Sie kommen in 2-3 Wochen ins Habachtal und die
Schneeschmelze ist in vollem Gange. Sie dürfen keine der Brücken
im Tal überqueren, weil sie aufgrund des hohen Wasserstandes
alle gesperrt sind. Was würde das für Sie, für Ihr Projekt bedeu-
ten? Fällt Ihnen aus heutiger Sicht etwas dazu ein, wie man die-
sem Szenario vorbeugend begegnen könnte?
Wir versuchen bei PRINCE2 Risiken immer proaktiv zu begegnen.
Bedrohungen und Chancen wollen wir früh erkennen und über
deren Behandlung entscheiden, bevor die Unsicherheit eingetre-
39
ten ist. Hierzu erstellen wir am besten heute noch eine Risikoma-
nagementstrategie, also ein paar Sätze, in denen wir Regeln defi-
nieren, wie mit Risiken in unserem Projekt proaktiv umgegangen
werden sollte. Hoffen wir mal, dass der Lenkungsausschuss darin
ebenfalls einen Sinn erkennt und uns dieses Dokument, gemein-
sam mit der Projektleitdokumentation und den anderen Mana-
gementstrategien, freigibt. Bei großen Projekten erstellen wir au-
ßerdem für das Handling der erkannten Risiken ein Risikoregister.
In unserem Fall machen wir das einfach in Ihrem Projekttage-
buch.
6. Änderungen: Irgendwann kommt in Ihrem Projekt bestimmt je-
mand auf die Idee, dass man vielleicht auch nach anderen Dingen
im Habachtal suchen sollte, wie z.B. Gold. Es gibt wohl kaum ein
Projekt ohne Änderungen an Inhalt oder Umfang während des
Projektverlaufs. Unabhängig davon, ob es einen positiven oder
negativen Auslöser hat: Irgendwas kommt doch immer wieder da-
zwischen! Das ist teilweise ärgerlich und kann selbst bei der bes-
ten Planung nie vollständig vermieden werden. Bei PRINCE2 ha-
ben wir einen Mechanismus, um ein Chaos, welches diese Verän-
derungen verursachen kann, zu vermeiden. Das Regelwerk hierzu
nennt sich Konfigurationsmanagementstrategie. Hierin beschrei-
ben wir einerseits z.B. wie die Produkte nummeriert, versioniert,
archiviert, gelagert werden und wie wir eine Übersicht über alle
Produkte schaffen. Andererseits wird festgehalten, wie mit Offe-
nen Punkten und Änderungen umzugehen ist. Auch an dieser
Stelle schlage ich vor, dass Sie Offene Punkte anstatt in einem
Register Offener Punkte einfach in Ihrem Projekttagebuch füh-
ren. Fürs erste einigen wir uns am besten darauf, dass Sie alle
Dinge, die Ihnen Stress & Kopfschmerzen bereiten, in Ihr Tage-
buch schreiben. Im Anschluss erkläre ich Ihnen dann an Ihren ei-
40
genen Beispielen, wie Offene Punkte am besten behandelt wer-
den können.
7. Das letzte Thema ist der Fortschritt. Wo stehen wir eigentlich ge-
rade in unserem Projekt und weiß jeder wo wir stehen? Wie er-
fährt der Lenkungsausschuss über den Fortschritt des Projekts?
Macht es - angesichts der aktuellen Situation - überhaupt Sinn,
dieses Projekt weiterzuverfolgen? Ab wann müssen wir eigentlich
eskalieren? Das sind die zentralen Fragen des Themas Fortschritt.
Es geht also um Berichtswesen, Vergabe von Toleranzen und Es-
kalationswege. Z.B. bekommen Sie als Projektmanager Toleranzen
zugesprochen, innerhalb derer Sie sich bewegen dürfen. Für die
aktuelle Phase haben Sie maximal eine Woche Zeit. Das ist Ihr
Spielraum und wenn Sie merken, dass das nicht ausreicht, dann
müssen Sie das sofort melden. Die Zeit, die Sie für diese Phase
bekommen haben, ist eine der 6 Dimensionen, die es im Projekt
im Auge zu behalten gilt. Für alle 6 Dimensionen können auf den
drei Managementebenen (1. Liefern, 2. Managen, 3. Lenken) in
unserem Projekt in unterschiedlicher Ausprägung Toleranzen ver-
geben werden. Also hat auch der Lenkungsausschuss Toleranzen
von der Keller GmbH bekommen und sobald Sie die ersten Ar-
beitspakete an Max und Günther verteilen, sollten Sie auch klar
deren Spielräume definieren. Diese drei Ebenen beschreiben wir
übrigens mit den Begriffen Lenken, Managen und Liefern. Was
den Punkt des Berichtswesens betrifft, so ist ein klar geregelter
Informationsfluss zwischen diesen Ebenen nötig und zwar von un-
ten nach oben. Max und Günther erstellen einen Teamstatusbe-
richt und Sie selbst werden dem Lenkungsausschuss in festgeleg-
ten Abständen einen Projektstatusbericht erstellen müssen. Das
Intervall müssen Sie mit ihnen selbst abklären und ob das Ganze
per Mail, Post oder Telefon passieren soll, ebenfalls."
41
Nach dieser ausführlichen Erklärung konnte sich Charly schon wesent-
lich besser vorstellen, wohin die Reise gehen wird: "Man schafft einen
Rahmen, um dem Zufall weniger Möglichkeiten zu geben, dazwischen
zu funken“, fasste er das soeben Gelernte zusammen. Charly hatte
noch viele Fragen bezüglich der einzelnen Themen. Insbesondere das
Thema Änderungen und Qualität war ihm noch etwas schleierhaft. Der
Tag verging wie im Flug. Sie hatten den ganzen Tag zusammengesessen
und neben den Dingen für das aktuelle Projekt auch die allgemein Situ-
ation des Unternehmens besprochen. Mr. PRINCE bot an, dass er zum
Ende des Projekts ein paar Empfehlungen machen würde, was man
insbesondere im Bereich Projektmanagement relativ zügig ändern
könnte, um möglichst schnell auch bei anderen Projekten eine Verbes-
serung zu erzielen.
Bei Charly begann mittlerweile der Magen zu knurren. Er war sich nicht
sicher, was dieser piekfeine Mr. PRINCE in seinem schwarzen Anzug
wohl am liebsten essen würde. Wenn es nach Charly ginge, dann wäre
jetzt eine Pizza angesagt. Er fragte vorsichtig Mr. PRINCE nach seinem
Lieblingsgericht. Die Antwort kam sehr schnell: "Pizza Hawaii!“ – Mr.
PRINCE hatte also wohl auch Hunger und dass Charly nun Aussicht auf
eine leckere Pizza mit viel Käse und extra Thunfisch hatte, lies seine
Laune schlagartig steigen. Sie standen auf und verließen den Bespre-
chungsraum, um sich auf den Weg zum Italiener zu machen. Charly
tapste durch die Straßen und grübelte über Risiken, Business Case,
Änderungen, Offene Punkte, Projekttagebuch und seine Pizza. Er war
derart in Gedanken versunken, dass er fast vergessen hatte, dass er mit
Mr. PRINCE zum Italiener wollte.
Während des Essens wurde kaum gesprochen. Charly war mit seiner
Pizza beschäftigt und musste viel über das heute Gelernte nachdenken,
über seine Zukunft bei der Keller GmbH und über seine Lebenssituation
42
hier in Österreich. Der Italiener war zu seinem Stammlokal geworden.
Es war einer der wenigen Orte, an denen er sich hier in Wien wirklich
Zuhause fühlte. Vor 10 Jahren war er hierhergekommen. Charly war
gebürtiger Hamburger.
Während Charly so vor sich hin kaute und sinnierte, wurde es plötzlich
laut am Nachbartisch. Ein betrunkener Mann, groß wie ein Schrank,
pöbelte die Dame am Nachbartisch hinter ihm an und ließ sich von der
herbeigeeilten Kellnerin kaum davon abbringen, das gesamte Lokal
auseinanderzunehmen. Erst nachdem die Kellnerin ihn mit den Worten
bearbeitet hatte „Wenns di jetzn nou weider spuilst, foats
Zahnbürschdl morgn ins Leere“, verließ er murrend das Lokal. „Diese
Sprache!“ schoss es Charly durch den Kopf. Er drehte sich um und war
etwas irritiert. Charly war schon öfter hier gewesen, doch diese Kellne-
rin schien neu zu sein. Schwarze Haare, knallrote Ohrringe und mit
einem stolzen, aufrechten Gang schlängelte sie sich durchs Lokal. Nein,
diese Frau hatte er wirklich noch nie gesehen.
Nachdem sie beide ihre Pizza vertilgt hatten, kam Mr. PRINCE nochmal
aufs Projekt zu sprechen: "Wir befinden uns ja seit gestern im Prozess
Initiieren. Das heißt, dass wir uns als erstes um sinnvolle Regeln für
unser Projekt kümmern sollten. Wir sollten also am besten noch heute
gemeinsam Ideen für die 4 Managementstrategien sammeln. Was die
restlichen Aktivitäten dieses Prozesses betrifft, so würde ich vorschla-
gen, dass ich Ihnen ein paar Tipps gebe, wie Sie eigenständig den Work-
shop nächste Woche vorbereiten können und dann erledigen wir diese
Aktivitäten gemeinsam im Rahmen des Planungsworkshops.“
Charly war mit diesem Vorschlag einverstanden und Mr. PRINCE zog ein
Blatt Papier aus seiner Mappe. Gemeinsam sammelten sie nun Ideen
zum Inhalt der 4 Managementstrategien. Für die Qualitätsmanage-
mentstrategie einigte man sich z.B. darauf, dass es grundlegend wichtig
43
sei, die Teststandards der Keller GmbH einzuhalten, da insbesondere
bei Smaragden die Unterscheidung zwischen echten und falschen Edel-
steinen in der Vergangenheit zu Problemen geführt hatte. Bezüglich der
Risiken schlug Mr. PRINCE vor, dass Charly mit Hilfe seiner Teammana-
ger zumindest einmal im Anschluss an den Planungsworkshop alle bis-
her bekannten Risiken bewerten und Behandlungsmaßnahmen bzw.
Präventivmaßnahmen dazu vorschlagen solle.
Sie diskutierten noch eine Weile über die Wahrscheinlichkeit, dass der
Lenkungsausschuss den vorgeschlagenen Risikoworkshop tatsächlich
als sinnvoll erachten würde und kamen dann aber lediglich auf die
gemeinsame Einsicht, dass man nun zum Bier übergehen dürfe.
Sie saßen noch eine ganze Weile zusammen und es wurde mehr als nur
ein Bierchen. Sie sprachen über Charlys Situation hier in Österreich,
über den Arbeitsmarkt in Deutschland und über die Chancen der Keller
GmbH, aus dieser aktuellen Situation wieder herauszukommen. Ir-
gendwann zwischen dem 2. und 3. Bierchen bot Charly dann Mr. PRIN-
CE das „Du“ an und man unterhielt sich noch bis spät in die Nacht über
Österreich und die allgemeine wirtschaftliche Lage in diesem Land,
über österreichische Frauen, über die absurdesten Besonderheiten der
österreichischen Sprache und über die Frage, ob Charly in der Lage sei
100 Meter in den Schuhen der neuen Kellnerin zu laufen ohne sich
dabei einen Knöchel zu brechen.
Auf dem Nachhauseweg war Charly schon wesentlich positiver ge-
stimmt als die Tage zuvor – und das lag nicht nur an seinen 3 Bierchen.
Charly erkannte für sich eine Perspektive: Er hatte wieder mehr Hoff-
nung, dass es weitergehen könnte für ihn in Wien. Er erkannte seine
Chance, seinen Teil dazu beizutragen, dass es mit der Keller GmbH
wieder bergauf ginge. Charly hatte an diesem Abend begriffen, dass
44
Mr. PRINCE für ihn und für die Zukunft der Keller GmbH noch wichtig
werden könnte.
Die restliche Woche kümmerte sich Charly um seine verbliebenen Pro-
jekte.
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Der Planungsworkshop
Den nächsten Montag startete Charly mit der Planung der kommenden
Woche. Initiierung stand auf der Agenda. Er telefonierte mehrmals mit
Mr. PRINCE - pardon mit James, sie wollten sich ja ab sofort duzen - um
abzuklären, welche Vorbereitungen für den Workshop nötig waren.
Charly versuchte einen gemeinsamen Termin mit Frau Schleifer, Gün-
ther, Max und James zu koordinieren. Das Ergebnis: Mittwoch, den
23.2. um 13:00 Uhr. Er reservierte den Besprechungsraum „Großglock-
ner“. Er besorgte Metaplanwände, Post-Its und Flip-Charts und ließ sich
von James nochmal genau erklären, was inhaltlich alles in diesem
Workshop stattzufinden habe. In der Zwischenzeit hatte Charly eben-
falls Zeit gefunden, ein Organigramm des Projektmanagementteams zu
erstellen.
46
Le
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Projektmanagementteam
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47
Der Mittwochmittag kam und es wurde im Planungsworkshop fleißig
zusammengetragen, was dieses Projekt an einzelnen Produkten bein-
halten sollte. Mit der Moderation von James wurde ein Produktstruk-
turplan erstellt und anschließend der Zweck, Inhalt und die Ergebnis-
form der jeweiligen Produkte beschrieben.
48
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49
Im weiteren Verlauf nahm James die Post-Its von der Wand und bat die
Teilnehmer die Kärtchen in eine Reihenfolge zu bringen. Das Ergebnis
war das Produktflussdiagramm. Außerdem schätzte man zu jedem
Produkt, wie lange es dauern würde und was es etwa kosten würde, es
herzustellen. Charly hatte also genügend Informationen gesammelt um
für den Lenkungsausschuss bis Ende der Woche einen Projektplan
anfertigen zu können.
Die Ergebnisse des Planungsworkshops hatte Charly anschließend auf
seinem Computer nochmals aufgearbeitet.
50
Produktflussdiagramm - Habachtal
Grünes Gold
Gesammelte
Edelsteine am Ort 1
Gesammelte
Edelsteine am Ort 2
Geschulte Studenten
Vorbereiteter
Grabungsort 1
Vorbereiteter
Grabungsort 2
Abgefüllte
Bodenproben
Definierte Stellen für
Bodenproben
Gezogene
Bodenproben
Fertiges
Kartenmaterial
Vermessenes &
gerastertes Gelände
Vorbereitete
InfrastrukturGesicherter Ort
51
Der Projektplan
Am nächsten Morgen trafen sich Charly und James in Charlys Büro. Der
Vormittag stand bei ihnen ganz im Zeichen des Projektplans: einmal
eine Übersicht über das gesamte Projekt schaffen. Auf Basis der beiden
bisher erstellten Übersichten aus der Produktbasierten Planung, brach-
ten sie die wichtigsten zu erstellenden Produkte in eine zeitliche Abfol-
ge und summierten die voraussichtlichen Kosten. Dann überlegten sie
gemeinsam, wie man dieses Projekt in sinnvolle Scheibchen schneiden
könnte und welche Produkte dazu gehörten.
Sie einigten sich auf folgende Aufteilung:
1. Ausführungsphase
geschulte Studenten
gesicherter Ort
vorbereitete Infrastruktur
2. Ausführungsphase
vermessenes & gerastertes Gelände
definierte Stellen für Bodenproben
gezogene Bodenproben
vorbereiteter Grabungsort 1
fertiges Kartenmaterial
abgefüllte Bodenproben
gesammelte Edelsteine am Ort 1
52
letzte Ausführungsphase
vorbereiteter Grabungsort 2
gesammelte Edelsteine am Ort 2
James gab noch ein paar Erläuterungen zum Unterschied zwischen
einem Phasenplan und einem Projektplan: "Der Projektplan ist die
Übersicht über das ganze Projekt. Hier sind die wichtigsten Produkte,
die Kosten und die geschätzte Zeit für das gesamte Projekt aufgeführt.
Auch die Toleranzen finden wir darin und zwar die Toleranzen, die der
Lenkungsausschuss vom Unternehmen für dieses Projekt bekommen
hat. Der Projektplan wird in der Initiierungsphase erstellt. Im Unter-
schied dazu gibt es den Phasenplan. Er ist quasi wie ein Zoom in einen
Abschnitt des Projektplans und zwar genau für eine Phase. Hier wird
möglichst detailliert betrachtet, was genau erstellt werden soll, zu wel-
chen Kosten und in welchem Zeitrahmen. Wir arbeiten bei PRINCE2
also mit verschiedenen Planungshorizonten. Du wirst mir sicherlich
zustimmen, dass du die Kosten für die Arbeiten am 2. Ort wesentlich
besser schätzen kannst, nachdem du schon Erfahrungen mit der Suche
am 1. Ort sammeln konntest. Der Phasenplan wird immer zum Ende
einer Phase für die darauf folgende Phase erstellt.
Wir benötigen also auch für die kommende Phase einen Phasenplan. Im
Phasenplan stehen die Toleranzen, die du als Projektmanager für deine
Arbeit benötigst. Hier solltest du kluge Vorschläge machen, damit du
den Plan auf der einen Seite noch abgesegnet bekommst und auf der
anderen Seite nicht am nächsten Tag schon eine Überschreitung der
Toleranzen melden musst. Angesichts der Größe unseres Projekts wür-
de ich vorschlagen, dass wir schon für die morgige Sitzung des Len-
kungsausschusses einen Phasenplan erstellen, dann können sie im Falle
einer Freigabe des Projekts gleich über die Freigabe der nächsten Pha-
53
se abstimmen. Bei großen Projekten geht das natürlich nicht, da müss-
ten wir erst mal die Freigabe des Projekts abwarten."
Gemeinsam erledigten sie also die bis dahin noch ausstehenden Aktivi-
täten der Initiierungsphase. Hierbei vervollständigten sie den Projekt-
plan, verfeinerten den Business Case und erstellten den nächsten Pha-
senplan. Der Projektplan sah nun folgendermaßen aus:
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55
Anschließend bat er James, nochmal näher den Zusammenhang der
einzelnen Prozesse zu erläutern. Charly hatte mittlerweile so viel über
Prozesse und Phasen gehört, dass er irgendwie den Überblick verloren
hatte. James schnappte sich ein großes Blatt Papier und malte fünf
senkrechte schwarze Linien darauf. „Voraussichtlich wird in unserem
Projekt der Lenkungsausschuss fünfmal zusammentreffen, um eine
Freigabe zu erteilen. Diese Entscheidungen erfolgen im Prozess Lenken
eines Projekts“, erklärte er und zeichnete fünf rote Rauten jeweils auf
die Spitze der schwarzen Linie. „Bis auf einen Prozess befinden sich alle
weiteren Prozesse zwischen diesen Entscheidungen. Die einzige Aus-
nahme kennst du ja schon. Das ist der Prozess Vorbereiten eines Pro-
jekts, er findet vor dem eigentlichen Projekt statt. Das war bei uns am
Dienstag letzter Woche, als wir unseren ersten Workshop hatten. Im
Anschluss an die Vorbereitung hat ja in unserem Falle direkt der Len-
kungsausschuss getagt und beschlossen, dass die Initiierung freigege-
ben werden sollte. Wir stehen heute also noch immer in der Initiie-
rungsphase und zwar im Prozess Initiieren.“ Sie diskutierten noch eine
ganze Weile und James malte Stück für Stück alle zu durchlaufenden
Prozesse für das Habachtal-Projekt auf sein großes Papier. Anschlie-
ßend ergänzten sie das Schaubild durch die zu erstellenden Pläne und
ordneten jeden Prozess einer Managementebene zu. Gegen Mittag
hängten sie dann ihr gemeinsames buntes Werk in Charlys Büro an die
Wand:
56
Projekt-mandat
Die Phasen & Prozesse eines PRINCE2 Projekts
Lenk
en
Lenken Lenken
Vorbereiten eines Projekts
Managen eines Phasenübergangs
Initiieren eines Projekts
Steuern einer Phase
Phasenplan Phasenplan
Man
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•Projektbeschreibung•Projektdefinition•Entwurf des BC•Produktbeschreibung des Projektendproduktes•Projektlösungsansatz•Struktur PM Team •Rollenbeschreibung
•Initiierungsphasenplan
•Projektleitdokumentation•Teile aus Projektbeschreibung:
•Projektlösungsansatz•Projektdefinition•Struktur PM Team •Rollenbeschreibung•Business Case
•4 x Strategien•Projektsteuerungsmittel•Projektplan inkl. PPEP•Anpassung
•Phasenplan für 1. Ausführungsphase
Managen der Produktlieferung
Teamplan
Managen eines Phasenübergangs
57
LenkenLenkenLenken
Managen eines Phasenübergangs
Steuern einer Phase
Phasenplan
Steuern einer Phase
Phasenplan
Abschließen eines Projekts
Managen der Produktlieferung
Teamplan
Lief
ernManagen der
Produktlieferung
Teamplan
Based on Cabinet Office PRINCE2 material. Reproduced under licence from the Cabinet Office
58
Die richtige Anpassung ist das A&O
Nach einer großen Portion Geselchtes mit Kraut und Knödeln aus
der Kellerschen Kantine machten sich Charly und James wieder an
die Fortführung ihrer Projektinitiierung. „Für den Prozess Initiieren
haben wir ja schon fast alles fertig“, startete James. „Was jetzt noch
fehlt ist die Projektleitdokumentation. Du erinnerst dich vielleicht
noch an die Projektbeschreibung. Das war ja mehr oder weniger ein
Kuvert, in das wir alles aus dem Prozess „Vorbereiten“ hineinge-
steckt haben. Dieses Kuvert wird nun nicht mehr ausreichen: Wir
brauchen eine „Mappe“ und diese Mappe nennen wir Projektleit-
dokumentation.
Was muss alles in diese Mappe? Na alles, was wir bisher für den
Lenkungsausschuss erstellt haben. Wir schauen also nochmal in
unser Kuvert, ob es brauchbaren Inhalt gibt. Wir fügen unsere 4
Managementstrategien hinzu, der aktualisierte Business Case
kommt mit rein sowie der Projektplan. Außerdem ist das Organi-
gramm nötig und die dazugehörigen Rollenbeschreibungen. Zum
Schluss fügen wir einen Hinweis mit hinzu, wie wir PRINCE2 in un-
serem Falle angepasst haben. Die richtige Anpassung der PRINCE2
Methode ist elementar wichtig, um eine Akzeptanz der methodi-
schen Vorgehensweise zu erreichen. Wenn der Projektmanager hier
einen Fehler begeht, dann wird er üblicherweise fortgejagt mit
Worten wie z.B. „Papiertiger, Dokumentenwahnsinn, unnötiger
Bürokratismus“, oder aber auch „viel zu leichtgewichtig“ und so
weiter. In unserem Falle habe ich selbst darauf geachtet, dass dir
Derartiges nicht passieren wird und habe die Anpassung bereits
vorgenommen, indem ich dir in bestimmten Situationen nur ausge-
suchte Werkzeuge an die Hand gegeben habe. WANN man WAS
genau anpassen kann, darf bzw. sollte, dazu machen wir mal besser
59
einen Workshop mit allen Projektmanagern bei euch im Hause und
zwar am besten, sobald du selbst eine komplette PRINCE2-Schulung
besucht hast. Ich möchte dir hier nur mal eine kurze Übersicht ge-
ben, was bisher in unserem Projekt angepasst wurde und wo wir im
weiteren Verlauf gegebenenfalls methodische Anpassung betreiben
sollten:
Wir haben ja ein relativ kleines Projekt und daher schlage ich vor,
dass wir möglichst wenige separate Managementprodukte erstel-
len sollten, d.h. wir packen einfach mehrere Dinge in einem Doku-
ment zusammen. Bezüglich der Managementprodukte sähe die
Anpassung dann folgendermaßen aus:
1. Die Projektbeschreibung hatten wir ja als einzelne Power-
Point-Folie aufgelegt und diese Folie selbst enthielt wiederum
zusammengefasst z.B. die Produktbeschreibung des Projekt-
endprodukts und den Entwurf des Business Case.
2. Woran wir gerade arbeiten ist die große Mappe, die Projekt-
leitdokumentation. Dort stecken wir den detaillierten Busi-
ness Case, den Projektplan, die einzelnen Produktbeschrei-
bungen, das Organigramm, Teile der Projektbeschreibung, die
4 Managementstrategien und die Anpassung, die wir hier ge-
rade besprechen, hinein. In unserem Fall vermute ich mal,
dass die „große Mappe“ nicht allzu groß werden dürfte. Wir
könnten z.B. alles gemeinsam in einem einzigen Word-
Dokument verwalten.
3. Du wirst in irgendeiner Weise mit deinen Teammanagern Ver-
einbarungen für die Dinge treffen müssen, die sie im Rahmen
unseres Projekts erstellen sollen. Das machst du am besten in
sogenannten Arbeitspaketen.
60
4. Projektstatusberichte werden wir definitiv brauchen. Es dürf-
te sicherlich ausreichen, wenn du hierzu einfach jeden zweiten
Freitag eine E-Mail an den Lenkungsausschuss verschickst. Ich
kann dir ein paar Hinweise geben, was grundsätzlich der Inhalt
dieser E-Mails sein sollte. Aber letzten Endes musst du das mit
dem Lenkungsausschuss selbst ausdiskutieren.
5. Teamstatusberichte - vielleicht ist es am geschicktesten, wenn
Günther und Max dir einmal pro Woche per Telefon berichten,
wie's gerade läuft.
6. Phasenpläne - kennst du ja schon.
7. Phasenabschlussberichte – da schreibst du einfach rein, wie
die vergangene Phase gelaufen ist
8. Und dein Projekttagebuch: Hier kommt alles rein, was dir als
Projektmanager im Laufe des Projekts an Unerwartetem über
den Weg läuft: Offene Punkte, Risiken, Änderungsanträge
etc....
Du siehst also, dass wir in unserem Falle mit 8 verschiedenen Do-
kumentationssätzen auskommen. Das geht auch noch minimalisti-
scher: 4 oder sogar lediglich 3 Dokumentationssätze können unter
Umständen in einem sehr kleinen Projekt schon ausreichen. Bei
großen Projekten empfiehlt PRINCE2 hingegen die Verwendung von
bis zu 26 Managementprodukten.
Grundsätzlich gilt für das Anpassen: Die 7 Grundprinzipien werden
nicht angefasst und die Anpassung bezieht sich letztendlich immer
auf die Ausprägung der Themen und Prozesse.
61
Bezüglich des Themas Organisation haben wir ja bereits die ersten
Anpassungen getätigt:
1. Du übernimmst als Projektmanager auch die Rolle der Pro-
jektunterstützung. Du bist also für jegliche administrative
Arbeit selbst verantwortlich und trägst somit „zwei Hüte“
2. Der Lenkungsausschuss muss selbst über Änderungen ent-
scheiden: es gibt derzeit also keinen Änderungsausschuss.
3. Und wenn du z.B. selbst ins Habachtal fahren und direkt
Aufgaben vor Ort übernehmen würdest, dann wäre das
auch eine Anpassung: Du würdest zeitweise den Hut eines
Teammanagers aufsetzen."
Nachdem sie die Anpassung von PRINCE2 noch etwas diskutiert
hatten, druckten sie alle bisher erstellten Dokumente aus, steckten
sie in eine knallrote Mappe und machten sich an die Erstellung des
Phasenplans für die erste Ausführungsphase. Drei Produkte sollten
in der nächsten Woche erstellt werden: geschulte Studenten, gesi-
cherter Ort und vorbereitete Infrastruktur. Charly hatte von Max,
Günther und Frau Schleifer bereits Vorschläge erhalten, wie diese
Dinge ablaufen könnten, so wurde z.B. vorgeschlagen, dass man die
Schulung der Studenten in Form von 3 Abendveranstaltungen durch
Professor Stein und Frau Schleifer erreichen könnte. Vollständig
fertig wurden sie allerdings nicht mit dem Phasenplan: es fehlten
noch detailliertere Informationen zur Sicherung des Ortes und zur
vorbereiteten Infrastruktur. Max hatte zwar gesagt, dass er genau
wüsste, was zu tun sei, aber auch das musste nochmal festgehalten
werden. Max war leider nicht mehr per Telefon zu erreichen: es war
bereits 19:00 Uhr. Man verschob also die Arbeit auf den nächsten
Morgen.
62
Wer lenkt, der trägt Verantwortung
Am nächsten Tag sollte ein erneutes Treffen des Lenkungsausschus-
ses stattfinden. Es war der Freitag am Ende einer anstrengenden
Woche. Charly hatte viel gearbeitet, geplant organisiert und viel
Neues gelernt. Auf 16:00 Uhr war der Termin für die Sitzung ange-
setzt. Es war bereits 15:30 und Charly wurde nervös. Er hatte den
ganzen Morgen noch an seinem Phasenplan für die nächste Phase
gearbeitet und anschließend nochmals einen Blick auf den Business
Case geworfen. Nach der Planung am Mittwoch würden sich die
Kosten für das gesamte Projekt auf etwa 110.000€ belaufen. Das
war mehr als doppelt so viel, wie in der ursprünglichen Projektbe-
schreibung veranschlagt wurde und beim Vergleich der Kosten mit
dem erwarteten Nutzen sah es ebenfalls schlecht aus: 110.000€ auf
der einen Seite und ein erwarteter Nutzen von 100.000€ auf der
anderen Seite. Er hatte Herrn Goldbart bereits am Morgen über
dieses Missverhältnis informiert. Goldbart hatte diese Information
kommentarlos entgegengenommen. Charly wusste also nicht, wo er
stand: „Wird es weitergehen? Brechen wir das Projekt ab, bevor wir
überhaupt damit begonnen haben?“, geisterte es durch seinen
Kopf. Er war sich jetzt schon sicher, dass es in einer halben Stunde
ein Fiasko geben würde: „Das Projekt lohnt sich doch gar nicht“,
hörte er schon Herrn Goldbart schimpfen.
Auf dem Weg zum Besprechungsraum traf er James, der ihn erst
mal beruhigen musste: „Weißt du Charly, dass das Projekt jetzt auf
einmal doppelt so teuer ist wie ursprünglich angedacht, liegt nicht
an dir. Die ursprünglichen Schätzungen waren einfach ungenau,
deswegen gehen wir ja in unterschiedlichen Planungsschritten vor,
um die Genauigkeit Stück für Stück zu erhöhen. Es ist besser, wir
sprechen heute schon von 110.000€ oder sogar noch mehr, wenn
63
du die Toleranzen dazu gibst, als dass wir im Laufe des Projekts
feststellen, dass die Kosten explodieren. Du hast deinen Job ge-
macht und jetzt müssen andere entscheiden, ob sich das noch
lohnt.“
Die Sitzung begann. Charly stellte vor, was sie bisher in der Planung
alles erreicht hatten und sprach auch die Differenz zwischen Kosten
und erwartetem Nutzen an. Erstaunlicherweise bekam er von Gold-
bart als Antwort nur, dass es sich hierbei um ein strategisches Pro-
jekt handle und außerdem der potentielle Aufbau einer Mine einen
zusätzlichen Nutzen darstelle, der bei dieser Gegenüberstellung
nicht berücksichtigt wurde. Was den Kostenrahmen von 110.000€
betreffe, so habe er von Herrn Keller die Befugnis bekommen, bis zu
einer Grenze von 150.000€ selbst über die Ausführung des Projekts
entscheiden zu dürfen. Damit hatte Charly nicht gerechnet. Charly
notierte sich „110.000€ +40.000€“, um später im Projektplan nach-
zutragen, dass es Projekttoleranzen in Höhe von 40.000€ gab.
Sie sprachen mit dem Lenkungsausschuss die relevanten Inhalte der
Projektleitdokumentation durch und der Lenkungsausschuss war
nahezu mit allen Punkten einverstanden. Zwei Beanstandungen gab
es allerdings:
1. Herr Goldbart hielt den vorgeschlagenen Umgang mit Risiken
für völlig überdimensioniert. Man einigte sich auf eine zu-
sammengeschrumpfte Version der Risikomanagementstrate-
gie mit dem folgenden Wortlaut: „Wenn jemand ein Risiko er-
kennt, hat er das unverzüglich an den Projektmanager zu mel-
den.“ Charly und James waren zwar sehr unglücklich mit die-
ser Anpassung, aber der Auftraggeber hatte das letzte Wort.
2. Es wurde bei der Planung vergessen, dass es im Habachtal kei-
ne Verpflegungsmöglichkeiten gab. Max war bei der Planung
64
davon ausgegangen, dass die Studenten sich selbst versorgen
würden, Professor Stein machte allerdings zur Bedingung, dass
alle Studenten jeden Tag voll verpflegt würden und zwar in-
klusive einer warmen Mahlzeit am Abend. Also nahm man
noch zwei zusätzliche Produkte für die zweite und dritte Aus-
führungsphase mit auf: verpflegte Studenten.
Charly hatte noch keine Ahnung, wie das Problem mit der Verpfle-
gung in der konkreten Umsetzung gelöst werden könnte, aber man
sagte ihm, dass er das mit Max und Günther besprechen solle.
Unter Berücksichtigung dieser Änderung entschied man sich dazu,
das Projekt als Ganzes freizugeben. Sowohl seitens der Benutzer-
und Lieferantenvertreter als auch seitens Herrn Goldbarts wurden
alle Bedenken beseitigt und das Projekt als lohnend betrachtet.
Nachdem der Lenkungsausschuss also in der letzten Sitzung die
Initiierung freigegeben hatte, wurde hiermit nun die Projektfreiga-
be erteilt. Damit Charly aber starten konnte, musste er zuerst noch
die Freigabe der nächsten Phase erreichen. Er legte hierzu seinen
erstellten Phasenplan vor. Dieser wurde glücklicherweise ohne
Beanstandung abgesegnet. Charly durfte also starten. Er hatte ma-
ximal eine Woche und 12.000€ (+1.000€) zur Verfügung.
Noch am gleichen Abend sprach er mit Günther über die Ausbildung
seiner Kommilitonen. Günther erklärte sich bereit, dafür zu sorgen,
dass bis Donnerstag nächster Woche die angedachten drei Sitzun-
gen mit Professor Stein und Frau Schleifer stattfänden. Als maxima-
le Kostenobergrenze bekam er 2.000€ für die Dozenten und das
Unterrichtsmaterial. James hatte mit einem Ohr zugehört und er-
klärte Charly, dass er in der PRINCE2-Sprache gerade ein Arbeitspa-
ket mit Günther vereinbart hatte. Ein Arbeitspaket, welches die
Erstellung des Produkts „geschulte Studenten“ und die Vereinba-
65
rung „bis Donnerstag“ und „maximal 2.000€“ beinhaltete. Charly
hatte aber erst mal genug von PRINCE2: „Bei uns gibt es keine Ar-
beitspakete, bei uns heißt so was Auftrag!“ James hatte verstanden:
Es war Zeit für‘s Wochenende. Sie verabschiedeten sich und legten
einen Telefontermin für die darauffolgende Woche fest. Charly ging
nach Hause und James setzte sich in seinen Flieger zurück nach
Frankfurt.
Auf seinem Heimweg im Flugzeug schrieb er Charly noch eine E-
Mail:
Hi Charly,
ich wollte dir nur noch sagen, dass du recht hast. Bleib einfach bei
deinem Begriff „Auftrag“. Die Begriffe bei PRINCE2 sind teilweise
sehr abgehoben. Man hat versucht, eine allgemeingültige Methode
zu gestalten. Was dabei allerdings teilweise auf der Strecke geblie-
ben ist, sind einfache kurze Bezeichnungen für die jeweiligen Begrif-
fe in der PRINCE2-Sprache. Aber auch dafür haben wir eine Lösung:
Die Anpassung von PRINCE2 ermöglicht, dass man bewährte Begrif-
fe nicht durch neue ersetzt, sondern eine Art Mapping-Tabelle im
Unternehmen erstellt, in welcher die PRINCE2 Begriffe den Unter-
nehmensbegriffen gegenübergestellt werden.
Außerdem möchte ich dir an dieser Stelle nochmals eine detaillierte-
re Übersicht über die Prozesse und Aktivitäten in einem PRINCE2
Projekt zur Verfügung stellen. Es gibt ja insgesamt 7 Prozesse und
jeder Prozess besteht aus mehreren Aktivitäten, welche innerhalb
des jeweiligen Prozesses ausgeführt werden. Die Grafik kannst du dir
auf unserer Homepage3 einfach downloaden und ausdrucken, am
3 www.gruenes-gold.copargo.de -- Prozessmodell
66
besten im DIN-A3-Format. Wenn du’s noch größer möchtest, dann
kannst du das bei meiner Sekretärin als DIN-A0 bekommen. Oder du
geduldest dich noch bis zu deiner PRINCE2 Foundation Schulung.
Dort bekommen alle Teilnehmer dieses Prozessmodell als Geschenk
für eine bestandene Prüfung.
Gruß,
James
67
Smaragdschule
Günther hatte alle Hände voll damit zu tun, für seine Kommilitonen,
den Professor und Frau Schleifer drei gemeinsame Termine zu fin-
den. Am Ende gab es doch nur eine gemeinsame Sitzung: Sie saßen
den ganzen Mittwoch von 8:00 bis 20:00 Uhr mit Professor Stein
zusammen und bekamen abends Besuch von Frau Schleifer. Es gab
viel zu lernen über besondere Gesteinsschichten und Formationen,
in welchen besonders viele Smaragde vorkommen könnten. Typi-
sche andere, den Smaragd üblicherweise begleitende Materialien,
wurden durchgesprochen. Auch die methodische Vorgehensweise
für das vorsichtige, nach dem Rasterprinzip ausgelegte Verfahren
für die schrittweise Untersuchung der Gesteinsschichten, wurde
erörtert. Frau Schleifer übernahm dann den Part der Qualitätsan-
forderungen an die zu sammelnden Smaragdsteine: typische Erken-
nungsmerkmale und typische Verwechslungsfehler mit anderen,
ähnlichen Steinen.
Charly hatte direkt am Montag mit Max besprochen, dass er mit
den Produkten „gesicherter Ort“ und „vorbereitete Infrastruktur“
beginnen möge und er dafür maximal 5.000€ und bis Donnerstag
Zeit hätte. Max gab sogleich zu bedenken, dass Donnerstag knapp
würde und Charly gewährte ihm bis maximal Freitagvormittag. Das
war Charlys maximaler Spielraum, da er nachmittags bereits die
nächste Sitzung mit dem Lenkungsausschuss haben würde und dann
über den weiteren Verlauf des Projekts entschieden werden sollte.
Charly vereinbarte außerdem mit Günther und Max, dass sie ihm
am Mittwoch per Telefon berichten sollten. James hatte ihm dazu
geraten, diese Regelungen zu den Teamstatusberichten noch mit in
die vereinbarten Arbeitspakete zu nehmen.
68
Günther und Max hatten ihre Aufgaben und Charly hatte den Rest
der Woche Zeit für andere Dinge. Da waren zum einen noch andere
Projekte, die nach ihm verlangten und zum anderen hatte er noch
eine Sache, die ihm Bauchschmerzen bereitete: Die Verpflegung der
Studenten im Habachtal. Günther hatte ihm versichert, dass seine
Kommilitonen grundsätzlich nicht sonderlich anspruchsvoll seien.
„Wenn es große Portionen sind und wir abends noch ein Fläschchen
Wein dazu bekommen, hast du 5 neue Freunde!“ klang es Charly
noch in den Ohren.
Charly war bisher davon ausgegangen, dass Günther und Max allei-
ne in die Berge fahren würden und er selbst höchstens ein oder
zweimal vorbeischauen würde. Zu groß war seine Belastung durch
andere Projekte in seiner Abteilung, als dass er sich eine komplette
Teilnahme auch als ausführende Kraft in diesem Projekt hätte leis-
ten können. Das änderte sich aber schlagartig, als er erfuhr, dass
Herr Goldbart große Sorge hatte Günther und Max alleine in die
Berge fahren zu lassen. „Dieses strategisch extrem bedeutsame
Projekt dürfen wir nicht zwei jungen Draufgängern überlassen!“,
waren seine Worte. Herr Goldbart wünschte sich einen Ansprech-
partner und „Aufpasser“ direkt vor Ort. Diesen Umstand nutze Char-
ly und schlug vor, dass er selbst bereit sei mitzufahren und neben
seiner Tätigkeit als Projektmanager zusätzlich auch die Verpflegung
der Teilnehmer verantworten wolle. Nebenbei wolle er sich dann
per Mail und Telefon um seine anderen Projekte kümmern.
Charly wollte also als Koch mit ins Habachtal reisen und dafür sor-
gen, dass die Mannschaft in den Bergen etwas Leckeres zu essen
bekommen würde. Er war kein Profikoch, aber nach dem Gespräch
mit Herrn Goldbart, nach Rücksprache mit seinem Leiter in der Pro-
jektmanagementabteilung und nach Rücksprache mit Günther be-
69
züglich der Essgewohnheiten und Ansprüche, hatte er so die Lösung
für den letzten fehlenden Baustein für die nächste Phase gefunden.
Während also Max die Infrastruktur aufbaute und Günther sich über
Smaragde schlau machte, konnte Charly beruhigt die nächste Phase
planen. Das folgende Bild entstand im Rahmen seiner Planung für
die nächste Phase:
70
Phasenplan – 2. Ausführungsphase - Habachtal
vermessenes & gerastertes
Gelände
definierte Stellen für
Bodenproben
fertiges Kartenmaterial
gezogene Bodenproben
vorbereiteter Grabungsort 1
abgefüllte Bodenproben
Gesammelte Edelsteine am Ort 1
5 Wochen (maximal 6 Wochen)
60.000€ (+10.000€)
8.4
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15:0
0 -
LA S
itzung
Verpflegtes Team
Gesicherter Ort, betreutes Team & funktionierende Infrastruktur
1.4
. Pro
jekts
tatu
sbericht
6.
April
Phasenabschlu
ssbericht
und n
euen P
hasenpla
n a
n
LA v
ers
chic
kt
18.3
. Pro
jekts
tatu
sbericht
4.3
. LA S
itzung
Milestone: 1. Smaragdfund bis 25.3.
t
71
Die oberen Aufgaben würden wohl von Günther erledigt werden
und der untere Part von Charly und Max. Was die genauen Details
betraf, so musste noch mit Max und Günther Rücksprache gehalten
werden: Charly hatte bisher lediglich eine grobe Beschreibung der
einzelnen Produkte für diese Phase, die noch aus dem Planungs-
workshop für den Projektplan stammten. An dieser Stelle, das hatte
ihm James geraten, müsse eindeutig sein, was eigentlich zum Bei-
spiel mit dem Produkt „vermessenes & gerastertes Gelände“ ge-
meint ist. Charly musste also mit Hilfe seiner beiden Teammanager
und Frau Schleifer Produktbeschreibungen erstellen, welche dann
im Rahmen der für Freitag angesetzten Lenkungsausschusssitzung
freigegeben werden könnten.
Mittwochabend bekam Charly dann eine Meldung von Günther und
Max. Günther klang fix und fertig am Telefon: Er hatte den ganzen
Tag mit seinen Kommilitonen gebüffelt. Grundsätzlich lief aber alles
nach Plan: Sie hatten sich einen Tag lang intensiv mit dem Thema
Smaragdsuche beschäftigt und jeder Teilnehmer hatte noch eine
kleine Lektüre mit nach Hause bekommen. Max‘ Meldung bereitete
Charly allerdings etwas Bauchschmerzen: Er meldete, dass der Bach
gerade sehr viel Wasser hatte und deshalb ein Brücke im Tal ge-
sperrt war. Sie mussten die letzten 5 Kilometer das gesamte Mate-
rial von Hand zu der Stelle hinauftragen, an der Max das Lager auf-
stellen wollte. Unter den derzeitigen Umständen sah Max keine
Chance, das Lager bis Freitag fertig zu haben: Er schätzte, dass es
hierdurch zu einer Verzögerung von mindestens einer Woche kom-
men würde. Sein Vorschlag war: Für zusätzliche 2000€ einen Hub-
schrauber für einen halben Tag buchen und das ganze Material am
Donnerstagnachmittag nach oben schaffen und den Freitag dann für
die restlichen Aufbauarbeiten nutzen.
72
Charly war sich unsicher, was er tun sollte. Er rief James an und
fragte um Rat. Seine Antwort: „Wir haben uns bisher kaum um
Risiken gekümmert, sonst wäre dieses Malheur vielleicht nicht ganz
so unerwartet gekommen. Ich schlage vor, dass wir doch nochmal
zu Herrn Goldbart gehen und beantragen, dass wir so schnell wie
möglich einen Risikoworkshop durchführen, um auf weitere derarti-
ge Situationen besser vorbereitet zu sein. Wir hatten das ja schon
einmal dem Lenkungsausschuss gegenüber erwähnt, aber dies wur-
de aus Kostengründen abgelehnt. Was deinen konkreten Fall be-
trifft, so ist die Lage eindeutig. Du hast hier kein Risiko mehr mit
Eintrittswahrscheinlichkeit und potentieller Auswirkung, sondern
ein eingetretenes Risiko, also einen Offenen Punkt, denn du musst
dich jetzt sofort darum kümmern. Wir kennen bei PRINCE2 drei
Arten von Offenen Punkten.
Bei der ersten Art sprechen wir von einem Änderungsantrag
und meinen damit angestrebte Veränderungen des Umfangs
oder Inhalts des Projektes bzw. des Projektendprodukts. Z.B.
wenn Frau Schleifer kommen würde und darum bitten würde,
zusätzlich nach Diamanten zu suchen.
Bei der zweiten Art sprechen wir von einer Spezifikationsab-
weichung und meinen damit Produkte, die anders erstellt
wurden als es gefordert war. Das „Kind ist hier also in den
Brunnen gefallen“ und wir müssen entscheiden, wie wir damit
umgehen. Z.B. wenn wir am Ende der ersten Phase die Steine
bei Frau Schleifer abgeben und sie feststellen sollte, dass kei-
ner der Steine ein echter Smaragd ist. Diese ersten beiden Ar-
ten Offener Punkte müssen formal behandelt werden und
zwar über eine Abstimmung mit dem Änderungsausschuss,
der in unserem Projekt durch den Lenkungsausschuss reprä-
sentiert wird.
73
Die dritte Art eines Offenen Punktes nennen wir Problem /
Anliegen. Hierzu zählen wir alles, was wir zu den beiden obe-
ren nicht eindeutig zuordnen können. Der Umgang mit Prob-
lemen und Anliegen gestaltet sich so, dass du als Projektma-
nager erst einmal prüfen musst, ob du befugt bist, diesen
Punkt alleine zu lösen. Wenn du also das Problem innerhalb
deiner Phasentoleranzen lösen kannst, dann darfst du das
tun.“
Charly rechnete also: 12.000€ hatte er als Budget für diese Phase
und eine zusätzliche Toleranz von 1.000€. Bisher hatte er 10.500€
für Günther, Max, Mr. PRINCE und seine eigenen Kosten fürs Pro-
jektmanagement ausgegeben bzw. eingeplant. Zuzüglich der 2000€
für den Hubschrauber wären das Kosten von 12.500€ - also 500€
über seinem Budget, aber noch innerhalb seiner Phasentoleranzen.
Charly gewährte Max‘ also die zusätzlichen 2000€. Somit blieben
Charly noch 500€ der ihm gewährten Toleranzen für die aktuelle
Phase. Tatsächlich ging Max‘ Plan auf: der Hubschrauber brachte
das komplette Material ins Lager am oberen Ende des Habachtals
und Max erledigte seine Aufgaben bis Freitagmittag.
74
Sollen wir tatsächlich ins Habachtal fahren?
Freitagnachmittag, es war der 4. März um 14:00 Uhr, traf sich der
Lenkungsausschuss, um über den weiteren Verlauf des Projektes zu
entscheiden. James hatte angeboten, die Sitzung dieses Mal ge-
meinsam mit Charly zu moderieren. Die Agenda sah folgenderma-
ßen aus:
1. Zusammenfassung der vergangenen Woche (Phasenab-
schlussbericht)
2. Aktueller Status:
a. Der Business Case – lohnt es sich noch? Gab es Än-
derungen?
b. Projektplan – wo stehen wir? Passt das?
c. Risiken – Gesamtbetrachtung der Risiken
3. Nächste Phase – nächster Phasenplan
Der Rückblick verlief ohne Anmerkungen seitens des Lenkungsaus-
schusses. Der Business Case und der Projektplan wurden ebenfalls
abgenickt. Die Situation der Risiken führte allerdings zu vielen Rück-
fragen. Insbesondere Herr Goldbart war enttäuscht, dass das Risiko
des Hochwassers zwar im Voraus erkannt wurde, allerdings keine
präventiven Maßnahmen ergriffen wurden. Herr Goldbart ließ sich
nur dadurch beruhigen, dass James vorschlug, direkt am Montag
einen Risikoworkshop durchzuführen. So könnten alle potentiellen
Risiken mit Günther, Max und Charly analysiert und wenn notwen-
dig, geeignete Maßnahmen gefunden und ergriffen werden. Der
nächste Phasenplan musste also etwas angepasst werden, wurde
aber am Ende dennoch freigegeben. Charly hatte also die Freigabe
für die nächste Phase bekommen und durfte nun mit Günther und
Max ins Habachtal fahren. Abfahrt sollte am darauffolgenden Mitt-
woch, dem 9. März sein. In der Zwischenzeit musste Charly den
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Risikoworkshop vorbereiten und außerdem waren noch Essen,
Schlafsäcke, Gummistiefel, Wein, Süßigkeiten und vieles mehr zu
organisieren. Da der Risikoworkshop die Planung etwas durchei-
nandergebracht hatte, bot James an, die Dinge, die er mit Charly
noch zu tun hatte, am Wochenende zu erledigen. Es ging darum, für
Charly klar zu definieren, welche Aufgaben er in seiner Funktion als
Projektmanager während der Zeit im Habachtal zu erledigen hätte.
76
Letzte Instruktionen vor dem Aufstieg
James hatte Charly schon viele Dinge beigebracht und bisher war
auch kaum etwas schiefgegangen. Um allerdings in der Lage zu sein,
die nächste Phase komplett ohne James zu managen, trafen sich
James und Charly nochmal in ihrem schönen Café im Herzen Wiens,
um alle potenziellen Stolpersteine der folgenden 5 Wochen zu be-
sprechen. Es ging insbesondere um die drei Prozesse Steuern einer
Phase, Managen der Produktlieferung und Managen eines Pha-
senübergangs. Nachdem sie beide einen Milchkaffee bestellt hat-
ten, gab James einen Einblick in diese drei Prozesse:
„Die beiden Prozesse Steuern einer Phase und Managen der Pro-
duktlieferung beschreiben gewissermaßen das Herz eines Projek-
tes: Hier werden Arbeitspakete vergeben und Produkte erstellt. In
den Prozess Steuern einer Phase gelangst du als Projektmanager
sobald der Lenkungsausschuss die Phase freigegeben hat. Seit ges-
tern Abend befindest du dich also in diesem Prozess. Als nächstes
solltest du nun Arbeitspakete freigeben für deine Teammanager. In
diesen Arbeitspaketen klärst du, wie viel Zeit und Geld der Team-
manager bekommt, welche Produkte er erstellen muss, also den
Umfang des Arbeitspaktes und was es sonst noch zu berücksichti-
gen gilt bei der Ausführung dieses Arbeitspaketes. Beispiele für
Letzteres wären: wann und wie ein Teamstatusbericht zu liefern ist,
wann und wie neue Risiken und Offene Punkte gemeldet werden
sollten etc. Angehängt an das Arbeitspaket befinden sich dann die
Produktbeschreibungen, in denen es ja insbesondere um Quali-
tätsaspekte geht. Wir haben damit also für den Teammanager für 5
der 6 Dimensionen Klarheit geschaffen. Der Teammanager kann
dann, sobald ihr euch einig geworden seid, mit seiner Arbeit begin-
nen. Den aktuellen Status dieses Arbeitspaketes erfährst du dann
77
über Teamstatusberichte. Bei euch könnte ich mir z.B. vorstellen,
dass dies über eine Lagebesprechung nach dem Abendessen statt-
finden könnte. Sobald der Teammanager mit seinem Arbeitspaket
fertig ist, also seine Produkte erstellt hat, dafür gesorgt hat, dass sie
getestet und abgenommen wurden, z.B. von der Benutzerseite,
wirst du als Projektmanager von ihm eine Meldung darüber be-
kommen. Anschließend wirst du ihn nach einer Prüfung der forma-
len Dinge von seiner Verantwortung entlasten. Das sind mal die
wichtigsten Dinge in diesem Prozess. Hinzu kommen Aktivitäten, die
anfallen, wenn ein neuer Offener Punkt auftaucht, wenn neue Risi-
ken erkannt werden, wenn du das Ganze wegen Überschreitung der
Toleranzen/Spielräume eskalieren musst oder wenn du einen Pro-
jektstatusbericht erstellen musst. Der Prozess Steuern einer Phase
beinhaltet nahezu alle Tätigkeiten, welche du als Projektmanager
während einer laufenden Phase zu erledigen hast.
Parallel hierzu werden deine Teammanager ihre Produkte erstellen.
Diesen gleichzeitig ablaufenden Prozess nennen wir Managen der
Produktlieferung. In diesem Prozess werden Arbeitspakete ange-
nommen, ausgeführt und wieder abgeliefert. Hier ist
Spezialistenwissen gefordert und hier werden wohl 80 – 95% der
Aufwände für das Projekt verbraucht. Hier wird Qualität erstellt,
getestet und abgenommen. Mit diesem Prozess haben wir auch
eine geregelte Schnittstelle zwischen einer PRINCE2-Welt und einer
anderen Welt geschaffen. Wenn das also gefordert ist, dann kann
das Arbeitspaket als formvollendeter rechtskräftiger Vertrag zwi-
schen dem Projektmanager und einem externen Lieferanten, also
einem Teammanager, gestaltet sein.“
Charly hatte mittlerweile seinen Kaffee leer getrunken und bestellte
sich einen weiteren Drink. Diesmal gab es Schoki mit Schuss. Es war
78
der 5. März, draußen schneite es leicht und es war kalt. Eigentlich
denkbar ungünstig, wo sie doch am Mittwoch in die Berge wollten.
Im Café lief leise Musik und am Nachbartisch unterhielten sich zwei
ältere Herren über das Wetter. „Oida naechste Wochn kumt die Sun
wieda zruck und wiad uns den Buckl warma!“ schnappte Charly auf
und hoffte darauf, dass seine Interpretation der beiden Herren
korrekt war und dass sie auch tatsächlich wahr werden würde, denn
ohne besseres Wetter würde sich das Projekt definitiv verschieben.
James fuhr mit seiner Erläuterung zu den nächsten anstehenden
Prozessen fort:
„Sobald sich die Phase dem Ende nähert, also absehbar ist, dass es
nur noch wenige Tage dauern wird, bis die Suche am 1. Grabungsort
beendet werden kann, beginnst du mit der Planung für die nächste
Phase. Managen eines Phasenübergangs nennt sich dieser Prozess.
Du beginnst mit der Erstellung des Phasenplans für die nächste
Phase. In unserem Falle ist dies die letzte Ausführungsphase, in
welcher einerseits angedacht ist, am 2. Grabungsort nach Edelstei-
nen zu suchen und andererseits das Projekt einen sauberen Ab-
schluss bekommen soll. Nach dem Erstellen des neuen Phasenplans
aktualisierst du den Projektplan und den Business Case, indem du
z.B. die tatsächlichen Zeiten und Kosten einträgst. Zum Schluss
schreibst du einen Phasenabschlussbericht, in welchem du auf die
vergangene Phase, die aktuelle Situation, insbesondere Risiken,
Fortschritt und momentane Kosten sowie einen Ausblick auf die
nächste Phase eingehst. Du sammelst also alle wichtigen Informati-
onen, um dem Lenkungsausschuss am 8. April eine Grundlage für
die Entscheidung zu bieten, ob sich das Projekt nach wie vor lohnt
und ob auch am 2. Grabungsort nach Edelsteinen gesucht werden
sollte.“
79
Charly nippte an seiner Schoki und schaute aus dem Fenster. Die
Gardinen des Cafés verdeckten ihm die klare Sicht, aber dahinter
konnte er erkennen, wie große, lange Eiszapfen vom Restaurant auf
der gegenüberliegenden Straßenseite von der Dachrinne herabhin-
gen. Darunter liefen Passanten. Plötzlich schrie eine Frau. Sie hüpfe
auf der anderen Straßenseite hin und her wie ein aufgescheuchtes
Huhn. Vor ihr lag ihre Tasche und daneben verstreut, einzelne oran-
gene Möhren, teilweise in kleine Stücke zerbrochen, neben faust-
großen Eisstücken. „Risikobehandlung“ dachte sich Charly und bat
James nochmal etwas konkreter die Themen Qualität und Risiken
anzusprechen, insbesondere da er ja am Montag den Risikowork-
shop halten solle und James zu diesem Zeitpunkt bereits in einem
Hamburger Unternehmen eine Schulung halten würde.
„Weißt du, Charly“, begann James, „mit dem Thema Risiken ist es in
der Realität eine etwas traurige Angelegenheit. Man kümmert sich
meistens erst um dieses Thema, wenn etwas passiert ist oder offen-
sichtlich fast passiert wäre. Bei PRINCE2 gibt es dahingegen die klare
Empfehlung, sich um Risiken zu kümmern, bevor sie eingetreten
sind. Außerdem sind bei PRINCE2 Risiken nicht per se negativ.
PRINCE2 unterscheidet zwischen Bedrohungen und Chancen, wel-
che beide im Rahmen der Risikoanalyse betrachtet werden sollten.
Der optimale Weg für den Umgang mit Risiken sieht wie folgt aus:
1. Identifizieren:
a. Man stellt sich zuerst die Frage: In welchem Kontext be-
finden wir uns und was sind die Regeln, nach denen das
Thema Risiken in diesem Projekt behandelt werden soll.
Das Ergebnis davon tragen wir in die Risikomanage-
mentstrategie ein.
80
b. Dann kommen wir zur Frage: Welche konkreten Risiken
gibt es für dieses Projekt? Das wird wohl eine deiner
Hauptaufgaben sein für deinen Workshop.
2. Bewerten: Wir müssen nun die Eintrittsnähe, Wahrschein-
lichkeit und Auswirkung jedes einzelnen Risikos einschätzen,
um die jeweilige Bedeutung des Risikos zu ermitteln. Anschlie-
ßend betrachten wir die Summe aller Risiken, um beurteilen
zu können, wie hoch die Risikobelastung des Projektes insge-
samt ist. Das ist besonders dann nützlich, wenn wir mehrere
Projekte miteinander vergleichen müssen.
3. Planen: Hier geht es um präventive Maßnahmen, die ergriffen
werden oder das bewusste Bekenntnis zum Eingehen eines Ri-
sikos. Als mögliche präventive Behandlungen von Risiken
kennt PRINCE2 die folgenden Kategorien:“
James zog ein Blatt Papier aus seiner Tasche und malte das folgende
Bild:
Behandlung von
Bedrohungen
Behandlung von
Chancen
Vermeiden: komplett vermeiden (ist
daher nur selten möglich)
Ergreifen
Reduzieren: hierzu zählen die häufigsten
Dinge, die uns als Präventivmaßnahmen
spontan einfallen.
Steigern
Eventualfall: der Plan B reduziert nur die
Auswirkung
Übertragen: zum Beispiel in Form einer
Versicherung
Teilen: z.B. über Bonus-Malus-Regelung im Vertrag
Akzeptieren: Ich lebe mit dem Risiko Ablehnen
Based on Cabinet Office PRINCE2 material. Reproduced under licence from the Cabinet Office
81
James gab Charly zu jedem Punkt eine kurze Erklärung mit einem
Beispiel und fuhr fort. „Sobald wir zu jedem Risiko geplant haben,
wie wir damit umgehen sollen, kommen wir zum nächsten Punkt:
4. Implementieren: Hierbei werden die geplanten Maßnahmen
ergriffen und die Effektivität der Maßnahme wird überprüft.
5. Kommunizieren: Du musst dafür sorgen, dass alle Personen,
die über die jeweiligen Risiken Bescheid wissen sollten, konti-
nuierlich genügend Informationen bekommen, z.B. über dei-
nen Projektstatusbericht.
Diese Punkte „Identifizieren, Bewerten, Planen, Implementieren
und Kommunizieren“ bilden zusammen das von PRINCE2 vorge-
schlagene Risikomanagementverfahren.
Sicherlich wird dir aufgefallen sein, dass die Behandlungsmaßnah-
men größtenteils mit zusätzlichen Kosten verbunden sind. Bei grö-
ßeren Projekten würde man hierzu einen Teil des Projektbudgets als
Risikobudget deklarieren, welches ausschließlich dazu dient, diese
präventiven Maßnahmen zu finanzieren.“
Sie saßen noch eine ganze Weile im Café und unterhielten sich über
sinnvolle Möglichkeiten, die Wahrscheinlichkeit und Auswirkung
von Risiken zu bewerten, sowie allgemein über typische Bedrohun-
gen bei Projekten der Keller GmbH. Charly hatte mitgeschrieben
und besaß am Ende ein komplettes Din-A4 Blatt mit möglichen
Risiken, aufgeteilt in verschiedene Risikokategorien. Diese wollte er
am Montag als Checkliste in seinem Workshop einsetzen.
Mittlerweile war es bereits 17:00 Uhr. Charly bekam langsam Hun-
ger und blätterte in der Speisekarte des Cafés: „Schinken-Käseplatte
& Salat“ brummte Charly vor sich hin. Er hatte Hunger, aber ganz
bestimmt nicht auf so etwas. Sie bezahlten und wechselten in das
82
Restaurant „Zum Schwarzen Bären“ auf der anderen Straßenseite,
auf dem Weg stets mit einem Auge die Dachrinne im Blick. Im Res-
taurant bestellten sie sich jeweils ein ordentliches Schnitzel. Dazu
tranken sie ein Gläschen Wein – Charly einen Blauburgunder und
James einen Gewürztraminer.
Nach dem Essen besprachen sie das Thema Qualität. Charly hatte ja
bereits in seinen Produktbeschreibungen genau definiert, welche
Qualitätskriterien jeweils galten, nach welcher Qualitätsprüfme-
thode das jeweilige Produkt getestet werden sollte und wer für
jedes Produkt der Ersteller, Prüfer und Abnahmeberechtigte sein
sollte. Was ihm allerdings noch fehlte war der Zeitbezug. “WANN
passiert eigentlich WAS in punkto Qualität?“ lautete Charlys Frage.
James‘ Antwort darauf: „Bei großen Projekten mit vielen, mögli-
cherweise parallel stattfindenden Tests ist dringend ein Qualitäts-
register nötig – also eine Übersicht über alle geplanten, aber auch
der stattgefundenen Qualitätsaktivitäten. Dazu gehören geplante
Tests, erledigte Tests (erfolgreiche und fehlgeschlagene), sowie
Produktabnahmen. In deinem Falle wirst du wahrscheinlich nicht
besonders viele verschiedene Tests und Prüfer haben – der Fokus
wird wohl sogar auf einer einzigen Person und einem einzigen Pro-
dukt liegen. Soweit ich das richtig verstanden habe, wird Herr Fuchs
aus der Abteilung von Frau Schleifer alle Smaragde überprüfen. Ihr
solltet euch in den nächsten Tagen noch einig werden, wie oft eine
Überprüfung stattzufinden hat. Ich empfehle aber dringend mindes-
tens zwei Tests der Edelsteine in dieser Phase. Den ersten Test,
sobald ihr die ersten Steine gefunden habt und einen weiteren zum
Ende der Phase. So kannst du rechtzeitig sicherstellen, dass ihr nicht
in eine völlig falsche Richtung lauft.“
83
Sie saßen noch lange im Restaurant und es wurde wieder spät, sehr
spät. Am nächsten Morgen hatte Charly große Mühe aus dem Bett
zu kommen. Sein Glück: Es war Sonntag.
Montagmorgen stand also der Risiko-Workshop an und Charly iden-
tifizierte mit Günther, Max, Frau Schleifer und Herrn Goldbart ins-
gesamt 12 Risiken. Es waren alle ausschließlich Bedrohungen. Charly
entschied sich, 10 der 12 Risiken zu akzeptieren und bei 2 Risiken
eine Reduzierung der Eintrittswahrscheinlichkeit zu initiieren. Das
erste der beiden bedeutsameren Risiken war die Lawinengefahr.
Max erwähnte, dass auf der Bergkuppe immer noch sehr viel
Schnee lag und es nicht unwahrscheinlich sei, dass sich daraus eine
Lawine bilden könnte. Max bekam den Auftrag, nach einer geeigne-
ten Lösung zu suchen. Das zweite Risiko war das kalte Wetter und
die dadurch gefährdete Gesundheit der Bewohner im Bergcamp.
Charly besprach seine Überlegungen mit Herrn Goldbart. 4 Stunden
später überreichte ihm Goldbart ein Kuvert mit 5000€ aus dem
Projektbudget und der Bemerkung: „Sorg’ dafür, dass hier keiner
krank wird und dass es keine Lawinen gibt!“. Charly telefonierte
sofort mit Herrn Berger von der Firma ÖsiTreck. Er empfahl die
Verwendung guter Schlafsäcke und die Isolation des Schlafzeltes mit
besonderer reflektierender Aluminiumfolie. Charly ging noch am
gleichen Tag in einen Trekkingshop in Wien und machte sich unter
anderem schlau bezüglich kälteresistenter Schlafsäcke. Am Ende des
Tages hatte er 7 ultraisolierte Schlafsäcke, aluminiumbeschichtete
Isomatten, 7 Paar Stulpen, spezielle wärmereflektierende Folie, eine
große Kiste mit Vitamintabletten, 2 Kisten frisches Obst, eine ganze
Kiste voller gefütterter Arbeitshandschuhe und einen großen Kasten
Medizin und Verbandszeug.
84
Aufbruch ins Habachtal
9. März. Es war ein Tag, der Charly für immer im Gedächtnis bleiben
wird. Es hatte eigentlich nichts mit dem Projekt zu tun. Naja, gewis-
sermaßen schon, da dieser Tag ohne dieses Projekt niemals so ver-
laufen wäre. Die Koffer waren gepackt, die Werkzeuge von Günther
und seinem Team gerichtet und Charly hatte das ganze Auto voll mit
Proviant. 5 Wochen, so lautete der Plan, wollten sie in der nächsten
Phase in den Bergen verbringen und Charly hatte sich vorgenom-
men, maximal einmal pro Woche ins Tal zu gehen, um Nachschub zu
besorgen. Charly saß also in seinem Auto, ein älterer VW Passat,
früher mal weiß lackiert, und wartete auf Instruktionen von Gün-
ther. Günther selbst konnte nur zwei zusätzliche Personen mitneh-
men, so musste Charly also auch noch zwei Studenten abholen.
Man verabredete sich vor der Pizzeria Romantica – Charlys Lieb-
lingsitaliener. Dort angekommen, stiegen sofort Florian und Moritz
zu Charly ins Auto. Florian, mit seinen langen blonden Haaren, ei-
nem dicken Wollpullover und massiven Bergstiefeln, machte auf
den ersten Blick eher einen zurückhaltenden Eindruck. Moritz dage-
gen, mit seinen kurzen Haaren und Turnschuhen, strapazierte mit
seinem ständig aktiven Mundwerk schon nach 5 Minuten die Ge-
duld von Charly. Moritz war Geologie- und Chemiestudent und
musste sofort eine Geschichte loswerden, wie er bei seinem Prakti-
kum vor einem Jahr in einer kolumbianischen Smaragdmine von 6
maskierten Männern mit Macheten überfallen wurde. Charly war
noch nie außerhalb von Europa gewesen und das war wohl auch gut
so, dachte er sich nach dieser Geschichte.
Über Anton wusste Charly noch nicht viel. Er saß bereits im Auto
von Günther. Was man aber jetzt schon erkennen konnte war, dass
er ein Technikfreak war: Drei Werkzeugkoffer hatte er extra dabei,
85
angeblich eigene Spezialanfertigungen für die Edelsteinsuche. Und
Anton schien ein Heißblüter zu sein: er war doch tatsächlich in kur-
zer Hose gekommen – klar, mit langen dicken roten Wollsocken,
aber der Anblick fröstelte Charly.
Es war Günther, der nun das Ganze in die Hand nahm. Sie warteten
noch auf die Nummer 5 der Studententruppe, sie warteten auf
Giulia. Charly war irritiert, als er realisierte, dass eine Frau mit auf
die Tour fahren würde, aber warum eigentlich nicht. Sie warteten
also vor der Pizzeria auf Giulia. Wo auch immer Giulia steckte, Gün-
ther fand sie nicht. Man beschloss, dass Charly mit Florian und Mo-
ritz schon mal losfahren und zusammen mit Max, der ja bereits im
Camp war, die Küche einrichten solle. Charly startete seinen Motor
und das Radio spielte “I'm on the highway to hell….” Als er den Hof
verließ, sah er im Rückspiegel noch, wie Günther mit der Wirtin der
Pizzeria im Eingang stand und offensichtlich fragte, ob sie seine
Kommilitonin Giulia gesehen habe. Durch das Fenster der Pizzeria
sah Charly eine Frau mit längeren Haaren huschen. „War wohl die
neue Bedienung von neulich“ dachte sich Charly und bog um die
Ecke. “I'm on the highway to hell” kam es wieder aus dem Radio.
Charly stellte das Radio lauter und öffnete das Fenster. Es roch nach
Abenteuer. Draußen zwitscherten die Vögel. Der alte Mann im Café
hatte recht gehabt, tatsächlich war übers Wochenende der Frühling
gekommen.
86
Das Camp
Nach fünfstündiger Fahrt kamen sie in einer kleinen Ortschaft na-
mens Bramberg an. Im Bramberger Supermarkt wurden noch ein
paar Süßigkeiten besorgt und Charly fuhr in die nächste Ortschaft
nach Schönbach. Max hatte mit einem Bauern vereinbart, dass sie
ihre Autos dort bei ihm vor der Scheune parken könnten. Max war-
tete bereits auf sie. Er hatte noch ein paar Besorgungen gemacht
und trug ein großes Rad echten Pinzgauer Käse unter dem Arm. Sie
packten die erste Hälfte des Proviants in ihre Rucksäcke und mach-
ten sich auf den 5 Kilometer langen Fußmarsch durchs Habachtal zu
ihrem Camp.
Nachdem sie über eine provisorische Fußgängerbrücke die Habach
überquert hatten, ging es auf einer Schotterpiste das Tal hinauf.
Rechts und links vom Weg befanden sich viele kleinere Bäume, die
sich an den steil aufstrebenden Hängen des Habachtals versuchten
festzuhalten. Wie eine Drohkulisse ragten darüber die Gesteins-
massen rechts und links in den Himmel. Am oberen Ende der Berg-
kette lagen noch die letzten Schneereste und links von der Schot-
terpiste toste das Wasser das Tal hinab. Die Schneeschmelze war in
vollem Gange. Ganze 2 Stunden gingen sie den Berg hinauf, bis sich
das Tal auf einmal öffnete und sie eine große grünbraune Wiese vor
sich fanden. In der Mitte der Wiese standen eine alte, halb zusam-
mengefallene Hütte und nebendran zwei große, flache, schwarze
Zelte. Wären nicht die steilen Hänge gewesen, so hätte man sicher-
lich erwartet, dass sogleich Dschingis Khan hinter einem der Zelte
hervor springt. Dem war allerdings nicht so. Es war Klaus Berger, der
mit einer Handvoll frischem Brennholz in der Jurte verschwand.
Charly, Florian und Moritz begannen sofort damit, ihre Vorräte im
Küchenzelt zu verstauen und Charly setzte einen Topf Wasser auf:
87
Spaghetti Bolognese stand auf der Speisekarte für den ersten
Abend.
Zwei Stunden später, es wurde schon fast dunkel, kamen Günther,
Giulia und Anton das Tal hinauf gewandert. Charly war gerade dabei
die Sauce abzuschmecken, als er Giulia das erste Mal sah: „Schwar-
ze lange Haare, knallrote Ohrringe“, schoss es Charly durch den
Kopf. Hier war sie wieder. Es war doch tatsächlich die Kellnerin, die
er neulich mit James das erste Mal gesehen hatte. „Was hatte sie
mit dieser Pizzeria zu tun? Und warum ist ausgerechnet sie hier
heute mit dabei?“ Das passte einfach alles nicht zusammen für
Charly. „Hey Amigo! Was gibt’s da zu glotzen? Ich hab‘ Hunger!“,
waren ihre ersten Worte zu Charly. Das war zu viel für Charly. Diese
Frau machte ihn völlig fertig. Er nahm die Töpfe von der Kochstelle
und ging erst einmal ein paar Minuten spazieren in Richtung Fluss.
Er stand am Wasser und rief in die Fluten: „Bin ich ein Zwerg oder
was?“ Beängstigend oder eher faszinierend - Charly war sich zu-
nehmend unsicherer, was er von dieser Frau halten sollte.
Zurück am Zelt verteilte Charly das Essen und verhielt sich für den
Rest des Abends schweigsam. Für ihn waren das einfach zu viele
Eindrücke auf einmal. Die anderen feierten noch eine ganze Weile,
tranken ein paar Gläschen Wein und erzählten sich lustige Geschich-
ten. Charly wollte einfach nur ins Bett. Er ging ins andere Zelt, brei-
tete seine Spezialisomatte auf den von Max ausgebreiteten Holz-
platten aus und verkroch sich in seinen Schlafsack.
88
Die erste Woche im Tal
Es war eine kalte Nacht. Charly war nur einmal kurz aufgewacht, als
sich die anderen ebenfalls in ihre Schlafsäcke verkrochen. Gegen
7:00 Uhr wachte Charly auf. Er war topfit, machte sich einen Kaffee
und holte seinen Laptop heraus, um seine Emails zu checken. Es gab
aber keinen UMTS-Empfang. Er schaute auf sein Handy: kein Netz
verfügbar. Er steckte seinen Laptop in die Tasche und lief eine Vier-
telstunde auf den nächsten Hügel. Aber auch hier gab es keinen
Empfang. So hatte Charly sich das nicht vorgestellt. Er schaute in
seinen Projektordner und öffnete den Phasenplan. „Das sind die zu
erledigenden Dinge für diese Phase“ sinnierte er vor sich hin. „Von
den anderen benötigt wohl niemand einen Internetzugang, aber ich
muss doch erreichbar sein für die anderen Projekte!“ Er machte in
seinem Projekttagebuch einen Eintrag: „Problem: kein UMTS Netz,
kein Handynetz – verflixt noch mal, ich brauche hier Internet!“
Auf dem Rückweg traf er Max, der gerade Feuerholz anschleppte
und ihm den Tipp gab, dass man beim Bauern im Dorf unten für
einen Euro pro Stunde ins Internet könne. Für Charly keine wirklich
kluge Lösung. Er müsste also jeden Tag einmal runter und wieder
rauf laufen.
Der nächste Vormittag stand noch ganz im Zeichen der Vorberei-
tungen. Sie liefen mehrmals ins Tal hinunter, bis sie die restlichen
Messgeräte und den kompletten Proviant im Lager hatten. Charly
hatte die Gelegenheit zudem für ein Telefonat mit Herrn Goldbart
und seinem Vorgesetzten aus der Projektmanagementabteilung
genutzt. Sie vereinbarten, dass seine anderen Projekte in den
nächsten 5 Wochen von einem Kollegen übernommen würden, so
dass Charly seine Emails nur zweimal pro Woche checken müsse
und er sich in seiner verbleibenden Zeit als Handlanger im Team von
89
Günther nützlich machen solle. Charly musste also doch nach Stei-
nen buddeln. Nachdem er sich zu Beginn des Projektes gegen jegli-
che Ideen in diese Richtung gesträubt hatte, war er mittlerweile gar
nicht mehr so sehr abgeneigt. Die anderen hatten ihn irgendwie
angesteckt. Es war wie ein Fieber: Jeder wollte den ersten großen
Smaragd finden. Zuvor musste aber, so sah es der Phasenplan vor,
die Gegend genauestens kartographiert werden. Und jetzt verstand
Charly auch, warum Giulia mit dabei war. Sie war Geologie- und
Geographiestudentin, spezialisiert auf die Bereiche Mineralogie und
Kartographie. Von ihr waren die ganzen bunten Stangen und Mess-
geräte, die Charly mühevoll den Berg hinaufgeschleppt hatte.
Donnerstagnachmittag und Freitagvormittag ging es dann um Ge-
ländevermessung, Definition von sinnvollen Stellen für die Boden-
proben und Vorbereitung für die Grabungen am ersten Ort. Charly
hatte von Herrn Keller die Karte seines Großvaters mitbekommen
und sie versuchten nun so genau wie möglich die ursprünglichen
beiden Stellen zu identifizieren.
Sobald die Orte identifiziert waren, konnte Max einen weiteren
Hubschrauber bestellen. Dieses Mal allerdings mit einer anderen
Aufgabe: kontrollierte Sprengung der potentiell gefährlichen
Schneefelder oberhalb der Grabungsorte. Nach dieser erfolgreichen
Aktion hatte Charly noch 500€ in seinem Risikobudget-Kuvert.
Bis Freitag hatten sie dann zwei etwa 100 mal 100 Meter große
Felder abgesteckt, welche sie als die markierten Orte des Großva-
ters identifizierten. Die Felder wiederum waren jeweils aufgeteilt in
100 kleine, durch rot-weißes Absperrband markierte, Quadrate.
Man wollte systematisch von innen nach außen zuerst die Oberflä-
che absuchen. Später sollte dann mit Hilfe des Presslufthammers
und der anderen mitgebrachten Werkzeugen bis zu einer Tiefe von
90
1 Meter die daruntergelegenen Bodenschichten untersucht werden.
Jedes Feld bekam ein oranges Schild mit einer Zahl zwischen 1 und
100. Die Zählung erfolgte schneckenförmig von innen nach außen.
Freitagabend - Max, Günther und Charly standen vor ihrem bunten
Feld und betrachteten das Werk der vergangenen Tage. Sie hatten
mit Antons Hilfe einen Teil des Baches durch eine Rinne am Rande
ihres Feldes vorbeigeleitet. So konnten über eine Reihe von Bretter-
rinnen und Sieben die Gesteinsschichten vom Schmutz befreit wer-
den. In der Mitte, im Quadrat 1, standen zwei Schubkarren, der
einsatzbereite Presslufthammer und dazugehörige Generator, sowie
drei Schaufeln und ein doppelreihiger Spezialrechen von Anton.
Sie waren stolz auf ihr Werk: Günther hatte eigentlich damit ge-
rechnet, dass sie zwei Tage länger bräuchten für die Vorbereitun-
gen. Günther schaute auf seinen Teamplan und grinste: „Am Mon-
tag kann‘s losgehen.“
91
91 92 93 94 95 96 97 98 99 100
90 57 58 59 60 61 62 63 64 65
89 56 31 32 33 34 35 36 37 66
88 55 30 13 14 15 16 17 38 67
87 54 29 12 3 4 5 18 39 68
86 53 28 11 2 1 6 19 40 69
85 52 27 10 9 8 7 20 41 70
84 51 26 25 24 23 22 21 42 71
83 50 49 48 47 46 45 44 43 72
82 81 80 79 78 77 76 75 74 73
N
Wa
sse
rrin
ne
Wasch- &
Siebanlage
Ziel: 5 Felder pro Tag
Teamplan – Smaragdsuche Ort 1
W1
W2
W3
W4
Legende:
W = Woche
92
Das musste gefeiert werde. Dieses Mal war Charly voll dabei. Die
frische Luft und das körperliche Arbeiten hatten ihn irgendwie in
eine Feierlaune versetzt, die er so gar nicht von sich kannte. Florian
zückte seine Gitarre, Moritz & Giulia erzählten einen Witz nach dem
anderen und sie alberten und tranken die ganze Nacht. Sie tranken
fast sämtliche Weinvorräte auf, die Charly eigentlich für die vollen 5
Wochen angedacht hatte.
Am nächsten Morgen beschlossen sie, nach einem ausgiebigen
Katerfrühstück, gemeinsam nach Bramberg in den Supermarkt zu
wandern, um ihre Gemüse-, Fleisch- und Weinvorräte wieder aufzu-
füllen.
Das Wochenende verging wie im Flug: Am Samstag waren alle so
müde, dass sich jeder schon um 20:00 Uhr im Schlafsack verkroch
und am Sonntag war Wandertag. Max hatte vorgeschlagen eine
Tour zum Kratzenbergsee zu unternehmen.
93
Wer findet den ersten Stein?
Montagmorgen gegen 7:00 Uhr wurden alle von markerschüttern-
den, dröhnenden Hammerschlägen geweckt. Charly und Günther
eilten aus dem Zelt und trauten ihren Augen nicht: Anton stand in T-
Shirt und kurzer Hose inmitten des bunten Feldes und bearbeitete
wie besessen mit seinem Presslufthammer einen größeren herum-
liegenden Felsbrocken. Günther eilte zu ihm rüber, stellte den Ge-
nerator aus und brüllte ihn an, er solle doch gefälligst Rücksicht
nehmen auf die, die noch schlafen und außerdem habe er noch gar
keine Anweisung bekommen wie der genaue Plan für die Suche
nach den Edelsteinen sei. Das hatte gesessen. Günther hatte sein
Team wieder unter Kontrolle und es gab erst mal ein ordentliches
Frühstück.
Die folgenden Tage wurde systematisch die Oberfläche der ersten
Quadrate untersucht. Anschließend durften Anton, Moritz und
Charly tiefer in den Boden buddeln.
Montag, Dienstag und Mittwoch waren nicht sonderlich erfolgreich.
Zwar wurde der ein oder andere grüne Stein gefunden, aber entwe-
der waren sie viel zu klein, um sicher zu sagen, worum es sich han-
delte oder aber es war eindeutig ein anderes Gestein. Bis Donners-
tagmittag hatten sie also ohne Erfolg gesucht. Sie waren mittlerwei-
le im Quadrat 24 angelangt, als Günther plötzlich einen Jubelschrei
los lies. Er hatte den ersten größeren Smaragd gefunden. So groß
wie ein Daumennagel lag der milchig-grüne Klumpen auf seiner
Hand. Er hatte den ersten gefunden! Bei der weiteren Suche im
Quadrat 24 wurden noch 8 weitere Smaragde entdeckt. Am Frei-
tagmittag gingen Günther und Charly zum Bauern ins Dorf, um zu
telefonieren und Emails abzurufen. Günther vereinbarte einen Ter-
min mit Herrn Fuchs, um noch am Samstag die Steine wie verein-
94
bart testen zu lassen. Charly schrieb seinen Projektstatusbericht,
denn es waren mittlerweile 2 Wochen seit der letzten Sitzung des
Lenkungsausschusses vergangen. Er schaute in seine Emails und
fand eine Nachricht von James:
Hi Charly,
na, wie ist es dir bisher dort oben ergangen? Mit dem Wetter habt
ihr ja nochmal Glück gehabt. Habe gestern mit Herrn Goldbart tele-
foniert und er ist schon ganz gespannt auf deinen ersten Bericht aus
den Bergen. Dachte mir, du könntest vielleicht eine Vorlage gebrau-
chen für den Projektstatusbericht. Hab’ dir eine Vorlage angehängt
mit ein paar zusätzlichen Erklärungen dazu. Wenn du dazu noch
Fragen hast, freue ich mich natürlich auch über einen Anruf. Hier
nochmal meine Telefonnummer: 49(0)6103 2002 110
Gruß James
Charly schaute sich die angehängte Worddatei an und ging die Ab-
schnitte Punkt für Punkt durch. Keine 5 Minuten später hatte er
seinen ersten Bericht fertig. Er verschickte eine E-Mail mit dem
folgenden Inhalt an Herrn Goldbart, Frau Schleifer, Professor Stein
und James:
95
Projektstatusbericht
Datum: 18. März
Berichts-
zeitraum:
4. - 18. März --- 1. Bericht der 2. Ausführungsphase
Status-
übersicht:
Alles verläuft nach Plan. Konnten die Vorbereitung zwei Tage schneller als gedacht abwickeln und haben gestern die ersten 9 Smaragde gefunden.
Aktueller
Berichts-
zeitraum:
Geo-Team
Günther macht einen guten Job, hat seine Leute gut im Griff und konnte die ersten drei Produkte fertigstellen:
1. vermessenes & gerastertes Gelände 2. definierte Stellen für die Bodenproben 3. vorbereiteter Grabungsort 1
Montag dieser Woche hatten wir mit der Suche nach Smaragden begonnen und gestern dann endlich die ersten 9 daumennagelgroßen Steine entdeckt. Ursprünglich war angedacht, auch mit den Boden-proben zu starten. Haben wir nach Rücksprache mit Günther und seinem Team auf nächste Woche verschoben.
Infrastruk-
tur
Was die Infrastruktur betrifft, so ist alles bestens. Max macht ebenfalls einen guten Job und konnte auch dafür sorgen, dass wir keine Lawinenüberra-schung bekommen. Ein Hubschrauber hat die kontrollierte Sprengung eines gefährlichen Schneefeldes ausgelöst. Die Rechnung hierfür wird Herr Fuchs mitbringen. Der Pilot wollte kein Bar-geld, daher die Bitte an Herrn Goldbart, die Zah-lung dieser Rechnung zu veranlassen.
Verpfle-
gung
Zum Thema Verpflegung: Es hat sich bisher keiner beschwert, scheint also alles in Ordnung zu sein. Allerdings hatte ich die benötigte Menge an Provi-ant völlig falsch eingeschätzt. Wir brauchen ca 500€ mehr als ursprünglich dafür veranschlagt.
96
Nächster
Berichts-
zeitraum:
In den nächsten beiden Wochen geht es mit der Suche nach Edelsteinen weiter und wir werden mit den ersten Bodenproben beginnen. Der für 25.3. angesetzte Meilenstein wurde ja bereits gestern Abend erreicht. Außerdem werden wir morgen Besuch von Herrn Fuchs zur Prüfung der ersten 9 Steine bekommen.
Status der
Projekt-
und
Phasento-
leranzen:
Wir haben bisher ca 20.000€ für diese Phase ver-braucht (inklusive Personalkosten und exklusive Risikobehandlungen). Die entstandenen Mehrkos-ten für Verpflegung konnten durch die gewonne-nen zwei Tage bei der Vorbereitung ausgeglichen werden. Zeitlich sind wir also etwa 2 Tage schnel-ler als gedacht und bezüglich der Kosten gehe ich derzeit davon aus, dass die veranschlagten 60.000€ voll ausreichen werden.
Ände-
rungs-
anträge
keine vorhanden
Wichtigste
Offene
Punkte
und Risi-
ken:
keine Offenen Punkte vorhanden. Risiken sind alle unter Kontrolle: Lawinengefahr laut Max nicht mehr relevant & die Gesundheit der Camp Bewohner ist bestens. Die angewendeten Maßnahmen scheinen also gegriffen zu haben. Nach der Lawinenaktion befinden sich noch 500€ im Risikobudget.
Erfah-
rungsberic
ht:
Nicht in allen Ecken Österreichs gibt es UMTS oder Handyempfang - sollte bei zukünftigen ähnlichen Projekten berücksichtigt werden.
Zusätzli-
che Infos:
Bauer Alois aus Schönbach hat sich bereit erklärt Telefonate für uns entgegenzunehmen. Im Notfall wäre er sogar bereit, seinen Sohn zu uns hoch zu schicken. Telefonnummer: 06566-5899648
97
Anschließend wanderten Charly und Günther zum Supermarkt, um
ein paar Besorgungen für die abendliche Überraschungsparty zu
machen.
98
5 Euro und keinen Cent mehr!
Am nächsten Tag, etwa gegen 14:00 Uhr, die ersten Leute kamen
gerade aus ihren Schlafsäcken gekrochen, stand Herr Fuchs plötzlich
da. „Dürfte ich mal die Steine sehen?“, waren seine ersten Worte.
Günther war noch ziemlich verschlafen und trottete ins andere Zelt,
um seine Schätze zu holen. Er gab sie Herrn Fuchs in die Hand. Die-
ser hatte ein kleines Köfferchen mit Pinsel, Fläschchen mit Reini-
gungsflüssigkeiten und ein kleines Minileuchtkästchen auf welches
er die ganzen Steine legte und erst mal gründlich reinigte. „Mhmm,
h-h-h-h!“, räusperte er sich nach einigen Minuten Stille. „Ich geb‘ dir
für jeden Stein 5 Euro. 5 Euro und keinen Cent mehr!“ Günther
verstand die Welt nicht mehr. Er war doch so stolz, dass er die ers-
ten Smaragde gefunden hatte. Dann auch noch so große, nahezu
ohne Einschlüsse, ohne Risse, ohne Makel. Und jetzt wollte ihm
Herr Fuchs erklären, dass alles umsonst gewesen war? „Schau mal
her“, fuhr Herr Fuchs fort, „ich habe von Herrn Keller einen Stein als
Muster mitbekommen. So sehen wertvolle Smaragde aus.“ Und er
legte den Stein von Großvater Keller neben die Steine von Günther
und es war sofort klar, was falsch war: milchig, trübes Grün gegen
das glasklare Grün des Steins von Herrn Keller. Herr Fuchs hielt den
kleinen etwa 3 Millimeter großen Stein von Herrn Keller ans Licht
und ergänzte: „Wenn dieser Stein noch ein bisschen leuchtender
wäre, dann könnte man dafür höhere Preise erzielen als für einen
Diamanten. Smaragde sind die teuersten Steine der Welt. Ich habe
noch einen Ratschlag für euch: Beim Untersuchen der Steine von
Herrn Keller ist mir aufgefallen, dass einige Steine in einem Glim-
merschiefer steckten. Sucht nach Glimmerschiefer und ihr werdet
Smaragde finden.“ Das waren seine letzten Worte bevor er sich
wieder davon machte.
99
Es wurde ein trauriges Wochenende. Günther hatte sich so sehr
über die gefundenen Steine gefreut und dann diese Enttäuschung.
Der Samstag war damit erledigt und am Sonntag regnete es. Gün-
ther und sein Team saßen im Zelt und überlegten, was nun zu tun
sei. Günther war sauer. Er konnte es einfach nicht begreifen, dass
Frau Schleifer sie nicht darüber unterrichtet hatte, dass nur durch-
sichtige, leuchtende Steine brauchbar waren. Das mit dem Glim-
merschiefer wurde auch als Idee betrachtet, allerdings hatte bisher
keiner auch nur einen einzigen Glimmerschiefer gesehen. Man ent-
schied sich dafür, genau so weiter zu machen wie bisher: Quadrat
für Quadrat sollte das Feld weiter untersucht werden. Einzige Ände-
rung: Florian sollte jedes Quadrat grob nach Glimmerschiefer unter-
suchen und eine Bodenprobe jeweils in der Mitte des Quadrates
nehmen. Sobald er damit am ersten Fundort fertig sei, solle er zum
800 Meter entfernten zweiten Fundort gehen und ebenfalls Proben
ziehen.
Montagmorgen ging es also wieder an die Arbeit. Anton begann mit
seinem Presslufthammer Quadrat 32 zu bearbeiten. Moritz half ihm
dabei mit Schaufel, Schubkarre und Sieb. Günther, Giulia und Charly
untersuchten Zentimeter für Zentimeter die Oberfläche von Quad-
rat 34 und Florian lief mit Erdbohrer und Eimer zum Quadrat 100.
Irgendwie hatte heute keiner Lust zu arbeiten. Zu allem Übel wurde
Günther nach dem Mittagessen so schlecht, dass er sich erst mal ins
Zelt verkroch. Günther war am nächsten Morgen wieder fit. Giulia
hingegen, die bereits am Abend über ein Kratzen im Hals geklagt
hatte, blieb mit Fieber im Bett liegen.
Das Risiko war nun doch eingetreten. Charly war sich nicht ganz
sicher, wer jetzt eigentlich welche Verantwortung zu tragen hatte.
Günther meinte jedenfalls, dass sie, was die Untersuchung des Fel-
100
des betraf, sehr gut in der Zeit lägen und somit auch ein mehrtägi-
ger Ausfall Giulias zu keinen Zeitverzögerungen führen dürfte. Er bat
allerdings Charly darum, sich um Giulia zu kümmern. Giulia hatte
hohes Fieber und Charly und Günther schlugen vor, dass man sie
per Hubschrauber ins Tal zu einem Arzt fliegen wolle. Giulia wollte
aber partout nicht ihr Zelt verlassen, also beschloss Charly ins Dorf
zu eilen und einen Arzt um Rat zu fragen. Gegen Nachmittag kam
Charly mit einer Tüte voller Medizin, frischem Obst und Gemüse
und speziellem Erkältungstee zurück ins Camp. Er hatte einen Arzt
gefunden, der ihm ein paar Tipps und die entsprechende Medizin
gegen Erkältung gab. Charly hatte noch nie in seinem Leben einen
kranken Menschen versorgt. Zudem fühlte er sich immer noch et-
was unsicher, sobald er Giulia gegenüberstand. Ihrem losen Mund-
werk, ihrer flapsigen Art, ihrer Schlagfertigkeit war er einfach nicht
gewachsen. Insgeheim bewunderte er sie aber. Charly kochte also
Tee, gab ihr Medizin, genauso wie es der Arzt verordnet hatte und
fragte Giulia, was er sonst noch für sie tun könne. Sie bat ihn, ein-
fach eine Weile bei ihr zu bleiben, damit sie nicht so alleine sei. Sie
unterhielten sich ein bisschen über Hamburg, über Italien und
Giulias Eltern. Giulia hatte großen Stress mit ihrem Vater. Das sei
auch der Hauptgrund, warum sie kaum in der Pizzeria ihrer Eltern
anzutreffen war. Außerdem hasste sie die Pizzeria, das ganze Ambi-
ente, die Ausstattung bis hin zur Fassade; alles war ihr zu altmodisch
und verstaubt.
Giulia war drei volle Tage krank und Charly tat alles, um sie bei Lau-
ne zu halten. Am vierten Tag konnte sie wieder gemeinsam mit den
anderen essen und ab dem fünften Tag war sie wieder fit. Es war
mittlerweile wieder Wochenende. Charly hatte bereits am Freitag
eine kurze E-Mail an Herrn Goldbart geschrieben, dass bisher leider
doch noch kein wertvoller Smaragd gefunden wurde. Man sei aber
101
auf dem besten Wege dorthin, da Florian in Quadrat 83 Glimmer-
schiefer, einen typischen Begleiter des Smaragdes, gefunden hatte.
Den angesetzten Meilenstein hatten sie damit nicht geschafft.
Es war Samstagvormittag, als Florian plötzlich zurück ins Camp eilte.
Er hatte außerhalb ihres Suchfeldes auf eigene Faust zwischen den
Steinen herumgewühlt und war dabei auf etwas Besonderes gesto-
ßen. Florian, der Chemiker, wie sie ihn immer nannten, da er neben
Mineralogie auch Chemie studierte, hatte einen bläulich schim-
mernden, wunderschönen Edelstein gefunden. Es war ein sechs-
eckiger bleistiftstarker, ca. 3 Zentimeter langer Aquamarin. Sams-
tagmittag nach dem Essen hielt er hierzu eine kleine Rede: „Aqua-
marine und Smaragde sind Geschwister. Sie sind Variationen ein
und derselben ursprünglichen Zusammensetzung. Sie zählen zur
Gruppe des Silicat-Minerals Beryll und unterscheiden sich jeweils
nur durch das Vorhandensein eines zusätzlichen Elementes, wie z.B.
Titan im Falle des Aquamarins, welches ihm diese schöne bläuliche
Färbung verleiht. Smaragd dagegen enthält kein Titan, sondern z.B.
Chrom und erhält dadurch eine grüne Färbung. Aquamarine sind
nahezu genauso wertvoll wie Smaragde. Warum suchen wir nicht
einfach nach Aquamarinen anstelle von Smaragden? “
Diese Frage war wohl an Charly gerichtet. In seinem Projektauftrag
stand ausdrücklich, dass es um Smaragde ging. Aber wenn es mög-
lich sein sollte, durch einen minimalen Zusatzaufwand auch Aqua-
marine zu finden, dann wäre das möglicherweise eine Chance für
dieses Projekt. Nach Rücksprache mit Günther und Florian einigte
man sich darauf, dass man Steine mit einem blauen Schimmer in
Zukunft ebenfalls mit in die nähere Betrachtung ziehen wolle, so-
fern sie bei der Suche nach Smaragden gefunden würden. Es sollten
allerdings keine zusätzlichen Anstrengungen dafür unternommen
102
werden, also keine gezielte Suche außerhalb des Feldes stattfinden.
Florian wurde allerdings gestattet, in seiner Freizeit nach Herzens-
lust die Gegend außerhalb des Feldes zu inspizieren.
103
Quadrat 65
Es begann eine neue Woche. Es war Montag. Fünf Tage noch bis
zum nächsten Projektstatusbericht. Mit jedem Tag schwand Charlys
Hoffnung, dass er am Freitag einen positiven Bericht abliefern könn-
te. Es mussten Smaragde gefunden werden und zwar so schnell wie
möglich. Günther schaute sich sicherheitshalber nochmal die Karte
von Großvater Keller an, aber es gab keinen Zweifel, die markierte
Stelle war mitten in ihrem Feld. Montag, Dienstag, Mittwoch gab es
keine Ergebnisse. Der Donnerstag kam. Sie hatten bisher stets ge-
nau nach Günthers Plan gearbeitet: jeden Tag 5 Quadrate. Für Don-
nerstag standen also die Quadrate 65-70 an. Charly hatte am Mor-
gen die Oberfläche des Quadrats 65 abgesucht und war nun mit
Anton dabei in tieferen Schichten zu suchen. Es war sehr mühsam,
da sie nahezu puren Fels als Untergrund hatten. Charly hatte bereits
in den letzten Tagen immer mal wieder unter Anleitung mit dem
Presslufthammer gearbeitet. So war er auch an diesem Morgen
damit beschäftigt, sich durch den Stein zu hämmern. Es war müh-
sam. Nur langsam, Stück für Stück, lösten sich die einzelnen Splitter
vom Fels und sprangen zur Seite. Es war gegen 11 Uhr als Charly
plötzlich auf weicheres Gestein traf. Er traf auf eine Schicht grau-
silbrigen Glimmerschiefers. Vorsichtig befreite er die Glimmerschie-
ferschicht vom übrigen Gestein. Er hatte mittlerweile eine Fläche
von ca. 1 m² reinen Glimmerschiefers vor sich, als er damit begann,
den Schiefer mit einer Brechstange in Stücke zu spalten. Er hob das
erste größere Stück vom Boden auf und drehte es um: Drei grüne,
sechseckige Stifte steckten im Schiefer. Er hob sie ans Licht. Sie
leuchteten! Sie leuchteten wie ein grünes Feuer. Er hatte das grüne
Gold gefunden. Charly ließ einen Schrei los. Alle eilten zu ihm und
wollten sehen, was passiert war. Jeder wollte die Steine mal selbst
ans Licht halten. Sie waren alle außer sich vor Glück, sie tanzten,
104
lagen sich in den Armen und Giulia gab Charly vor lauter Freude
einen Kuss auf die Backe. Heute war ein Feiertag und Charly war der
Held. Florian und Moritz standen am Rand von Charlys Grube und
grölten ihr frisch improvisiertes Liedchen ins Tal: „Das ist die perfek-
te Stelle, das ist der perfekte Tag…“
An diesem Donnerstag wurde nur ein Quadrat bearbeitet: Quadrat
65. Sie drehten jeden Stein um, sie gruben bis zu 2 Meter in die
Tiefe und siebten jede Schaufel, die dieses Quadrat verließ. Am
Ende des Tages hatten sie zusätzlich zu Charlys Edelsteinen 14 wei-
tere Smaragde, einer schöner als der andere.
Am nächsten Morgen, es war der 1. April, ging Charly sofort zu Bau-
er Alois um seinen Bericht zu verschicken. Es waren gute Nachrich-
ten, die er überbringen konnte. Er berichtete über die am Vortag
gefundenen Smaragde und auch über den gefundenen Aquamarin.
Anschließend ging er einkaufen und auf dem Rückweg schaute er
nochmal bei Alois vorbei. Herr Goldbart hatte in der Zwischenzeit
angerufen und um Rückruf gebeten. Das Ergebnis des Telefonats:
Goldbart, Fuchs und Schleifer wollten gerne am Samstag zu Besuch
kommen.
Samstagnachmittag gegen 15:00 Uhr kamen Herr Goldbart, Frau
Schleifer und Herr Fuchs das Tal hinaufgewandert. Frau Schleifer
hatte Kuchen dabei und Herr Fuchs sein schon bekanntes kleines
Köfferchen. Während Herr Fuchs mit Günther die Steine prüfte,
wollten die anderen erst einmal Quadrat 65 besichtigen. Nach 5
Minuten gesellte sich Herr Fuchs ebenfalls zu ihnen. Die fragenden
Blicke von Frau Schleifer und Herrn Goldbart erwiderte er lediglich
mit einem Brummen und leichten Nicken.
Bei Kaffee und Kuchen kamen sie nochmals auf den Aquamarin zu
sprechen. Frau Schleifer drängte darauf, man möge doch ebenfalls
105
den Fundort dieses Steines etwas näher betrachten. Charly erwider-
te, dass dies aber bisher so nicht im Plan vorgesehen war und es
sich somit definitiv um eine Änderung des Umfangs handelte, er
also in einem solchen Falle zusätzlich Geld und Zeit benötigte. Man
einigte sich darauf, dass Charly eine Woche und 10.000€ für eine
Untersuchung der Aquamarinfundstelle zusätzlich bekommen soll-
te. Nachdem Frau Schleifer die Steine ebenfalls untersucht und
abgenommen hatte, fand die Übergabe der gesammelten Schätze
statt und die Besucher machten sich auf den Weg nach Hause. An-
schließend notierte sich Charly die Regelungen zu diesem Ände-
rungsantrag in seinem Tagebuch und passte seinen Phasenplan und
den Projektplan dementsprechend an.
106
Phasenende
Die verbleibenden zwei Wochen konzentrierte man sich zuerst auf
das Gelände um Quadrat 65. Auch außerhalb ihres Feldes, am Ran-
de von Charlys Quadrat, fand man noch einige schöne Steine. In der
letzten Woche stand dann die Aquamarinfundstelle auf dem Plan.
Es war mittlerweile Donnerstag, der 14. April. Am Freitag sollte die
nächste Lenkungsausschusssitzung stattfinden. Das Resultat, das sie
bisher vorweisen konnten: 32 Smaragde, 3 Aquamarinsteine, Kar-
tenmaterial und Bodenproben, jeweils für den Fundort Nr. 1 und Nr.
2.
Günther sah keinen Sinn mehr darin, noch weitere Tage an diesem
Ort zu verbringen. Ohne größere Maschinen könne man hier nichts
Sinnvolles mehr erreichen. Sie beschlossen die Heimreise. Sie pack-
ten ihre Sachen zusammen, übergaben Max die Verantwortung fürs
Camp und machten sich auf den Weg hinunter ins Tal. Charly, Flo-
rian und Giulia im weißen Passat und Günther mit den anderen in
seinem blauen Ford, fuhren zurück nach Wien. Charly hatte in der
letzten Woche bereits damit begonnen die nächste Phase zu pla-
nen. Er war mit Günther und Max zum 800 Meter entfernten 2.
Fundort gegangen, um eine Schätzung von ihnen zu bekommen,
was den Aufwand betraf. Sie kamen auf 3 Wochen und eine Summe
von 35.000€. Möglicher Starttermin sollte der kommende Dienstag
sein.
Während Charly also am Freitag in der Lenkungsausschusssitzung
saß, waren die anderen damit beschäftigt, ihre Wäsche zu waschen
und ihre Familien zu besuchen. Das Ergebnis der Sitzung war ein-
deutig: weitermachen so schnell wie möglich! Noch am selben
Abend ging Charly zu seiner Pizzeria. Giulia war ebenfalls da und sie
setzte sich kurz zu ihm. Ihr war anzusehen, dass ihr nicht ganz wohl
107
dabei war, sich vor ihren Eltern mit einem fremden Mann zu unter-
halten. Aber sie war einfach zu neugierig. Sie wollte unbedingt wis-
sen, ob es weiterging.
108
Fundort 2
Am 19. April, es war Dienstagmorgen gegen 7:30 Uhr, zogen sie
wieder los in die Berge. Der zweite Fundort gestaltete sich als einfa-
cher zu durchsuchen, da es weniger massiver Fels, als vielmehr eine
Geröllhalde war. Sie hatten schon am ersten Tag Erfolg und fanden
in den folgenden drei Wochen insgesamt 20 Smaragde.
In der letzten Woche ging Charly mehrmals zu Bauer Alois. Er berei-
tete sich innerlich darauf vor, dass er bald wieder in seine alten
Projekte zurückgehen würde und er hatte eine kleine Streitigkeit
mit Herrn Fuchs und Frau Schleifer zu klären. Sie bestätigten ihm
zwar, dass die gefundenen Steine den Qualitätskriterien entsprä-
chen, allerdings nicht den erwarteten Nutzen erbringen würden.
Charly müsse statt der ursprünglich geforderten 40 mindestens 70
solcher Steine finden, um die 100.000€ erwarteten Nutzen zu schaf-
fen. Charly machte das ganz schön zu schaffen, hatten sie doch das
geforderte Maß schon überschritten. Sie hatten 52 Smaragde und 3
Aquamarinsteine und alle genau in der geforderten Qualität. Ihm
war einfach nicht klar, was er falsch gemacht hatte. Er holte sich Rat
bei James. Er bat ihn darum, in diesem Konflikt zu vermitteln und
ihm außerdem Tipps für den Abschluss des Projektes zu geben.
James‘ Antwort darauf: „Du hast einen sehr guten Job gemacht
Charly. Du hast genau die Qualität und den Umfang geliefert, wie es
gefordert war. Du hast dich an die Zeit- und an die Kostenvorgaben
gehalten und die Risiken hattest du auch im Griff. Was den Nutzen
betrifft, so trägst du hierfür keine direkte Verantwortung. Den Nut-
zen erzielt man, indem man den Output des Projektes weiterverar-
beitet, anwendet. Hierdurch entsteht erst mal eine Veränderung,
man hat ein erstes Ergebnis. Und wenn dieses Ergebnis zu einer
messbaren positiven Größe wird, dann sprechen wir von einem
109
Nutzen. Zum Beispiel wird ein Ergebnis sein, dass die Steine weiter-
verarbeitet und zum Verkauf angeboten werden können. Der er-
wartete Nutzen daraus liegt bei 100.000€. Außerdem könnte ein
weiteres Ergebnis sein, dass Herr Keller aufgrund der belastbaren
Informationen, die er nun hat, entscheiden kann ob es sich lohnt
eine Mine aufzubauen. Als erwarteter Nutzen darf hier ein Teil der
zukünftigen Gewinne einer aufgebauten Smaragdmine angerechnet
werden. Die Verantwortung für den Nutzen trägst allerdings nicht
du als Projektmanager, sondern Frau Schleifer und Herr Goldbart.
Frau Schleifer hat definiert, wie ein einzelner Stein beschaffen sein
muss, um schließlich die erwarteten 100.000€ als Nutzen in der
Summe zu erreichen. Sie hat hier offensichtlich einen Fehler ge-
macht und Herr Goldbart trägt die Gesamtverantwortung für dieses
Projekt und somit auch für den Nutzen. Ich werde morgen mit Herrn
Goldbart telefonieren und ihm die Sachlage dazu erläutern. Keine
Sorge, das kriegen wir hin.
Was deine Frage bezüglich des Abschlusses betrifft, so gilt Folgen-
des: du befindest dich mittlerweile im Prozess Abschließen eines
Projektes. In diesem Prozess empfiehlt PRINCE2 die folgende Rei-
henfolge einzuhalten:
1. Planmäßigen Abschluss vorbereiten: Du prüfst, ob wirklich al-
les Geforderte für dieses Projekt erledigt wurde.
2. Produkte übergeben: Wenn ich mich richtig erinnere, so be-
kommt Frau Schleifer alle Steine. Das Kartenmaterial und die
Bodenproben - da schaust du nochmal in den jeweiligen Pro-
duktbeschreibung nach, wer hier der Abnahmeberechtigte ist.
3. Projekt bewerten: Wie gut war eure Leistung? Und wie gut
war das methodische Vorgehen? Was waren deine Erfahrun-
gen?
110
4. Projektabschluss empfehlen: Erstelle einen Projektabschluss-
bericht, schaue in der Kommunikationsmanagementstrategie,
wer diesen Bericht bekommen sollte und erstelle einen Ent-
wurf für den Lenkungsausschuss, wie dieser den Abschluss des
Projektes im Unternehmen bekanntgeben sollte.
Das war’s dann auch schon für dich. Nun musst du warten, ob der
Lenkungsausschuss damit einverstanden ist, das Projekt zu schlie-
ßen.
Als ersten Anhaltspunkt für deinen Abschlussbericht habe ich dir
eine Datei angehängt. Schau mal rein und passe sie deinen Wün-
schen entsprechend an. Wenn dir also noch etwas Zusätzliches
einfällt oder du etwas Überflüssiges entdeckst, nur zu! Ach, bevor
ich es vergesse: Herr Goldbart hat mit deinem Abteilungsleiter ge-
sprochen. Du darfst eine 2-tägige PRINCE2 Schulung bei uns ma-
chen. Wenn du magst, schon nächste Woche am Mittwoch. Ich
werde diese Schulung selbst halten und würde mich freuen wenn
du dabei bist! Falls der Termin nicht klappen sollte, schau mal auf
unserer Internetseite4, welcher Termin für dich passt.
Im Anhang der E-Mail fand Charly eine Datei mit dem folgenden
Inhalt:
4 www.gruenes-gold.copargo.de -- Kalender
111
Projektabschlussbericht
Bericht des Projektmanagers:
Zusammenfassung für das Management
Bewertung des Business Case:
Ist der Business Case aufgegangen? Wurde bisher bereits ein Nutzen erzielt? Gab es Abweichungen beim Business Case?
Bewertung der Projektziele:
Wie gut wurden die Ziele erreicht? (Kosten, Zeit, Umfang, Risiko, Nutzen & Qualität) Und wenn du das Projektmanagement be-trachtest, was würdest du nächstes Mal anders machen?
Bewertung der Leistung des Teams:
Wie war die Zusammenarbeit mit Max und Günther?
Bewertung der Produkte:
Einschätzung der Verwendbarkeit für erwar-teten Nutzen. Z.B.: können die Steine wei-terverarbeitet werden?
Qualitäts-dokumentation:
Wie sind die Prüfungen & Tests verlaufen?
Produktabnahme-dokumentation:
Welche Produkte wurden abgenommen?
Spezifikations-abweichungen:
Gab es Beanstandungen, Mängel?
Übergabe des Projektend-produkts:
Finale Übergabe erfolgt? Wer? Wann?
Zusammenstellung aller Empfehlun-gen für Folgeakti-onen:
Offene Punkte und Risiken: Geh zum Len-kungsausschuss und erfrage, wer die Ver-antwortung für welchen ausstehenden Punkt übernehmen kann. Dein Ziel muss hier sein, die gesamte Verantwortung für dieses Projekte abzugeben.
Erfahrungsbericht: Was war gut & was war schlecht? Was sollte an wen weitergegeben werden? Das gilt für die fachlichen Aspekte des Projektes wie für die methodischen Erfahrungen.
112
Charly verstand an dieser Stelle, dass er den Bericht erst nach der
Rückkehr nach Wien würde abschicken können, da die vollständige
Abnahme noch nicht erfolgt war.
Es kam der letzte Tag im Camp. Es war der 11. Mai und sie waren
mittlerweile volle drei Wochen am 2. Fundort zugange gewesen.
Das gesamte Werkzeug hatten sie bereits in Kisten verstaut, die
Zelte waren abgebaut und Max wartete nur noch auf den Hub-
schrauber. Man hatte sich darauf geeinigt, dass Max den Rücktrans-
port der Werkzeuge und Gesteinsproben nach Wien regeln würde
und Günther mit seinem Team so nur noch mit privatem Gepäck
reisen musste. Er war merkwürdig, dieser letzte Tag. Schon beim
Frühstück fiel auf, dass kaum jemand redete oder alberte. Gegen
Mittag verabschiedete man sich dann von Max, bedankte sich für
die gute Zusammenarbeit und machte sich auf den Weg ins Tal. Es
wurde geschwiegen. Moritz, der sonst keine Minute ruhig sein
konnte, hatte nichts mehr zu sagen und Giulia, die sonst ebenfalls
gerne ihre Meinung kundtat, verzog sich ans Ende der Schlange und
wollte scheinbar einfach nur alleine sein. Irgendwie war jeder in
Gedanken versunken. Auch Charly wurde nachdenklich: „Was wa-
ren das für Wochen hier oben! Irgendwie war es doch eine coole
Zeit. Schade, dass es vorbei ist.“
Sie kamen bei ihren Autos an, sprachen noch ein paar Worte mit
Bauer Alois und verstauten ihre Sachen im Auto. Florian legte sich
auf Charlys Rückbank und döste. Giulia band einen kleinen grünen
Stofffetzen an Charlys Autoantenne und setzte sich neben Charly
auf den Beifahrersitz. Sie fuhren los. Charly legte seine Lieblings-CD
ein und es ertönte das Lied Tagtraum von Schiller. Das grüne Fähn-
chen zappelte im Wind. Giulia streckte ihre Hand aus dem Fenster
113
und atmete die frische Frühlingsluft ein. Charlys Projekt war erfolg-
reich.
Für den nächsten Morgen hatte Charly einen Termin mit Frau
Schleifer und Herrn Goldbart vereinbart. Sie waren bereit das Pro-
jekt als Ganzes abzunehmen. Am späten Nachmittag fand dann
schließlich die letzte Sitzung des Lenkungsausschuss statt. Neben
dem Aufnehmen wichtiger Erfahrungen, die in diesem Projekt ge-
sammelt werden konnten und der Präsentation des Projektab-
schlussberichtes (Charly hatte ihn am Vorabend bereits per E-Mail
verschickt) wurde das Projekt offiziell für beendet erklärt und Charly
von all seinen Aufgaben in diesem Projekt befreit. Die noch ausste-
henden Offenen Punkte / Arbeiten (Reinigung der Werkzeuge und
Rückgabe des ausgeliehenen Presslufthammers) wurden nach Rück-
sprache mit Frau Schleifer von ihrem Team übernommen (Empfeh-
lungen für Folgeaktionen). Am Abend kamen dann Max & Günther
mit seinen Studenten dazu, um auch von ihrer Seite nochmal die
Lessons Learned zu erfahren und aufzunehmen. Herr Goldbart hielt
zum Abschluss noch eine kurze Rede. Er war sichtlich zufrieden mit
dem Projekt, zumal er bereits von Herrn Keller erfahren hatte, dass
die Chancen derzeit sehr gut stünden, dass es bald eine Mine im
Habachtal geben würde. Er bedankte sich bei Charly, seinem Men-
tor James, den fleißigen Studenten und Max für ihren erfolgreichen
Einsatz. Anschließend machte Herr Goldbart den Vorschlag noch am
gleichen Abend eine spontane Feier zu veranstalten. Allerdings
wisse er nicht, ob er so schnell ein geeignetes Lokal finden könne.
Dieses Problem löste Giulia und so feierten sie bis in die Morgen-
stunden in der Pizzeria ihrer Eltern den erfolgreichen Projektab-
schluss.
114
Charly in Frankfurt
Liebe Leserin, lieber Leser,
mittlerweile sind schon einige Jahre vergangen, seit mein Kollege
James die Firma Keller GmbH und den Projektmanager Charly bei
ihrem Projekt im Habachtal betreut hatte. Es ist viel passiert in der
Zwischenzeit: Die Keller GmbH ist mittlerweile zu einem florieren-
den Unternehmen mit weltweit über 500 festen und mindestens
doppelt so vielen temporären Mitarbeitern angewachsen. Aktuell
laufen verschiedenste Projekte in Südafrika, Kolumbien und Brasi-
len. Dieses Mal geht es um Diamanten und ein erstes Experiment
mit Gold. Aus der einstmals verstaubten Edelsteinschleiferei ist ein
Imperium für den Abbau und die Verarbeitung von Edelsteinen
geworden.
James war im gleichen Sommer noch etliche Male in Wien gewesen.
Herr Keller war derart überzeugt von seiner Arbeit, dass er ihn ge-
beten hatte, mit seinen Kollegen gemeinsam die komplette Projekt-
landschaft der Keller GmbH auf ein neues Niveau zu heben. Bei
diesem Projekt brachte James vier weitere Kollegen mit. Das Team
bestand somit aus:
James PRINCE – der Profi für’s Projektmanagement
Samantha MSP® – Spezialistin für Programme, strategische
Großprojekte & Transformational Change! 5
Phil MoP™ – Er ist das Genie für Portfoliomanagement –
welche Projekte sind die wichtigsten für Sie? Er weiß die
Antwort darauf.
5 MSP®, MoP™ and P3O® are registered trade marks of the Cabinet Office
in the United Kingdom and other countries
115
Marion P3O® – unser Talent für Portfolio, Programm- und
Projekt-Offices.
Jack Scan – er sagt Ihnen, wo Sie mit Ihrem Projektmana-
gement heute stehen und wohin Sie in Zukunft gehen soll-
ten.
Herr Phil MoP übernahm von unserer Seite die Leitung für dieses
Vorhaben. In enger Zusammenarbeit mit Herrn Keller entrümpelte
er im ersten Schritt die Projektlandschaft. Von den ursprünglich 152
identifizierten Projekten entpuppten sich
80 Initiativen, die als einfache Aufgaben ohne den kom-
pletten Aufbau eines Projektmanagements direkt in der Li-
nie geregelt werden konnten. Mehr als die Hälfte dieser
Initiativen wurden allerdings eingefroren, da der Link zur
Unternehmensstrategie nicht erkennbar war.
30 ohne Bezug zur Unternehmensstrategie oder mit einem
negativen Business Case.
32, die zwar wichtig, aber nicht dringend waren.
und nur 10 als besonders wichtige, dringende und loh-
nenswerte Vorhaben.
Gemeinsam mit den Mitarbeitern der Keller GmbH wurde ein kur-
zes, knackiges Handbuch für das Projektmanagement erstellt. Es
wurden praktikable Tools für die Projektarbeit entwickelt und die
Mitarbeiter darin geschult. Alles basierte auf den vorhandenen
Prozessen der Keller GmbH, den frisch gemachten Erfahrungen von
Charly und den Empfehlungen und Erfahrungen des Beraterteams.
Es hatte sich viel verändert seit jenem Herbst. Die Umstellung war
sicherlich nicht immer leicht gewesen, aber am Ende waren alle
Beteiligten froh, diesen Weg gegangen zu sein. Auf die Frage, wel-
116
ches denn die gravierendste Folge dieser Veränderung gewesen sei,
antwortete Charly: „Die Leute haben wieder Spaß an der Projektar-
beit!“
------------------------------------------------------------------------------------------
Diese Frage hatten wir Charly vor drei Monaten gestellt. Er war in
den letzten Jahren des Öfteren bei uns in Frankfurt gewesen und
hatte Kurse zu PRINCE2®, MoP™, MSP® und P3O® besucht. Vor drei
Monaten kam er an einem Samstagmittag erneut zu uns. Dieses Mal
war es allerdings ein anderer Grund, der ihn zu uns führte und au-
ßerdem kam er in Begleitung seiner Freundin. Seine Bitte war:
„Schreib das auf, was wir erlebt haben. Ich möchte, dass andere
verstehen, dass Glück nicht einfach so kommt, sondern, dass man
etwas dafür tun muss. Das gilt fürs Projektmanagement, genauso
wie fürs ganze Leben. Man muss die Dinge in die Hand nehmen,
sonst laufen sie davon. Man muss Rahmenbedingungen schaffen,
damit man sich wohl fühlt – und das gilt gerade auch für Projekte.
Ich möchte, dass alle Welt dies erfährt und daher wünsche ich mir,
dass du mir hilfst, unsere Geschichte aufzuschreiben.“
Diese Frage war ursprünglich an James PRINCE gerichtet. James bat
mich darum, ihn hierbei zu unterstützen. So kam es also, dass wir
beide an diesem Wochenende mit Charly und seiner Freundin zu-
sammen saßen und mit ihnen gemeinsam versuchten, die Geschich-
te dieses Projektes zu rekonstruieren. Wir haben uns anschließend
noch dreimal mit Charly in Wien getroffen. Das letzte Treffen fand
in der Pizzeria Romantica statt. Er wollte uns unbedingt sein Werk
der vergangenen Woche präsentieren: Er hatte die Fassade der
kompletten Pizzeria neu gestrichen.
Das Ergebnis unserer gemeinsamen Treffen halten Sie gerade in
Ihren Händen.
117
Gründlich, wie Mr. PRINCE nun mal ist, hatte er im Nachgang noch
ein paar Verbesserungsvorschläge für die nächsten Projekte bei der
Keller GmbH. Wir möchten Ihnen diese Anmerkungen natürlich
nicht vorenthalten:
Dieses Projekt ist nicht immer perfekt gelaufen, so hätte
man z.B. den Lenkungsausschuss besser auf seine Aufga-
ben vorbereiten sollen.
Das Habachtal-Projekt war ein sehr kleines Projekt und
somit nur teilweise repräsentativ für ein typisches PRINCE2
Projekt. Bei größeren Projekten braucht man bis zu 26
Werkzeuge, um das Projekt in Zaum zu halten.
Risiken sollten früher betrachtet werden. Diese Aussage
würde sicherlich zum heutigen Zeitpunkt auch von Herrn
Goldbart bestätigt werden!
Prof. Steins Rolle ging im Verlaufe des Projektes etwas un-
ter.
Charly war Teammanager und zugleich Projektmanager
und zusätzlich noch ausführende Kraft gewesen. So eine
Konstellation kann zu Konflikten und schlaflosen Nächten
führen.
Dass Giulia vor Günther die Information von Charly be-
kommen hatte, dass auch der 2. Standort untersucht wird,
hätte zu einem Konflikt führen können. Man sollte also
stets darauf achten, dass ein korrekter Umgang mit den
Steuerungsebenen bzw. Berichtswegen eingehalten wird.
Wurde anschließend eine Smaragdmine im Habachtal gebaut? Wel-
ches waren Charlys Folgeprojekte? Wie hat die Integration von
PRINCE2 bei der Keller GmbH funktioniert und was waren die Stol-
118
persteine? Was ist eigentlich MoP und MSP? Wie kommt diese
Story bei Ihnen an? Kritik? Weitere Ideen?
Für die Klärung dieser Fragen und für Ihr Feedback freuen wir uns
über eine Rückmeldung per Telefon oder E-Mail:
+49(0)6103 2002 110 oder b.armbruster@copargo.de
In diesem Sinne wünschen wir Ihnen eine erfolgreiche Schatzsuche
mit PRINCE2!
Ihr Bernhard Armbruster und James PRINCE
Danksagung Wir möchten uns an dieser Stelle bei all denjenigen bedanken, die
uns tatkräftig bei der Erstellung dieses Werkes unterstützt haben:
Jeannette Eggert: Korrektur und inspirierende Vorschläge
Valentina Förderer: Korrektur und Design
Maria Grob: Korrektur
Andreas Ellenberger: fachliche Überprüfung
Oliver Buhr: fachliche Überprüfung und Management der
Publikation
Natalie Ott: Grafik, Struktur, Cover
Alle unsere Kursteilnehmer: Feedback & Motivation
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