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© Carl Hanser Verlag, München Kunststoffe 11/2014
58 SPRITZGIESSEN Prozessregelung
Produktion von Radhaus
schalen mit adaptiver Prozess
führung bei KTW in
Weißenburg (Bild: KTW)
Für jeden Schuss der richtige Umschaltpunkt
Die adaptive Prozessführung APC von KraussMaffei sorgt für robuste Spritzgießprozesse
Auch hochpräzise Spritzgießprozesse unterliegen verschiedenen Störeffekten wie Chargenschwankungen,
Pausenzeiten, Rezyklat- und Farbeinmischungen. Durch den neuartigen Ansatz einer adaptiven Prozessfüh-
rung ist es möglich, noch im Einspritzvorgang automatisch auf Schwankungen zu reagieren. Im Ergebnis sind
weniger Benutzereingriffe notwendig – der Prozess kann schneller angefahren werden und wird robuster
gegenüber störenden Effekten.
Spritzgießmaschinen erreichen heute eine hohe Präzision in den Bewegungen sämtlicher Achsen. Insbesondere die
Schneckenbewegung im Einspritzvorgang ist präzise geregelt und zeichnet sich durch eine hohe Reproduzierbarkeit aus [1]. Konventionelle Ansätze zur Stabi lisierung der Prozesskonstanz basieren vornehmlich auf der Regelung von Maschinengrößen wie Temperaturen, Positionen und Drücken. In der Einspritzpha-se wird die Schneckenvorlaufgeschwindigkeit und in der Nach-druckphase der Schmelzedruck konstant gehalten.
Die Erfahrung zeigt jedoch, dass Spritzgießmaschinen auch bei exakt reproduzierten Einspritz- und Nachdruckphasen nicht immer qualitativ gleiche Formteile produzieren [2]. Es existiert da-her eine Vielzahl von Ansätzen, mit denen sich das Spritzgießen
auf der Basis von Prozessgrößen regeln lässt. In modellbasierten Ansätzen werden dazu Qualitäts- mit Prozessgrößen korreliert, um eine Regelung bestimmter Qualitätsattribute zu erzielen [3–5].
Weitere spezielle Prozessstrategien nutzen Prozessgrößen aus den Spritz- oder Werkzeuginnendruckverläufen, da diese mit zahl-reichen Qualitätsattributen wie Formteilgewicht, Morphologie und Füllgrad korrelieren. Mithilfe von Kenngrößen [6] lässt sich dabei bei-spielsweise auf die Fließfähigkeit der Schmelze schließen, um bei einer Veränderung im Prozess Einstellparameter (Umschaltposition, Einspritz-, Nachdruck- oder Temperaturprofile) in der Maschinen-steuerung nachzuführen [7–9] oder Heißkanaltemperaturen [10, 11] anzupassen. Auch der Verlauf der Druckkurve selbst lässt sich beein-flussen, um in den Prozess einzugreifen [12–14].
[FAHRZEUGBAU] [MEDIZINTECHNIK] [VERPACKUNG] [ELEKTRO & ELEKTRONIK] [BAU] [KONSUMGÜTER] [FREIZEIT & SPORT] [OPTIK]
© Carl Hanser Verlag, München. Der Nachdruck, auch auszugsweise, ist nicht gestattet und muss beim Verlag gesondert beauftragt werden.
Kunststoffe 11/2014 www.kunststoffe.de
Prozessregelung SPRITZGIESSEN 59
Nahezu alle am Markt vorhandenen Systeme und Methoden kommen dazu nicht ohne Sensorik, Schnittstellen oder zusätzli-che Hardware aus. Daneben ist der Aufwand zum Einrichten, Be-trieb und zur Wartung nicht unerheblich, sodass dieser oftmals in einem ungünstigen Verhältnis zum gewonnenen Nutzen steht. APC, ein neu entwickeltes System zur Prozessführung der KraussMaffei Technologies GmbH, München, verfolgt hingegen einen bedienerfreundlichen Ansatz, der auf die Verwendung externer Hardware und Sensorik verzichtet und ein aufwendi-ges Einrichten oder „Teachen“, wie es bei modellbasierten Ansät-zen oder Versuchsplänen notwendig ist, erübrigt.
Adaptive Prozessführung: Funktion und Wirkungsweise
Zunächst wird die Viskosität der Kunststoffschmelze über eine Kennzahl in der Einspritzphase bestimmt. Die enge Korrelation zwi-schen der Einspritzarbeit und dem Fülldruck auf der einen und der tatsächlichen Verarbeitungsviskosität auf der anderen Seite bildet dazu die Grundlage [15]. Versteht man die Spritzgießmaschine als Messinstrument, so kann über Prozessparameter wie Einspritzarbeit oder Fließzahl die Fließfähigkeit im jeweiligen Zyklus bestimmt wer-den. Dieser Vorgang lässt sich mit der Viskositätsmessung in einem Kapillarrheometer vergleichen, nur dass anstelle der Kapillare das Spritzgießwerkzeug als Fließwiderstand verwendet wird.
Wird das Integral des Einspritzdrucks über der Einspritzzeit gebildet, spricht man im Allgemeinen von einer Fließzahl (Glei-
chung 1) [16]. Die Verwendung der Einspritzarbeit oder einer Fließzahl als Kriterium für das Umschalten von der Einspritz- auf die Nachdruckphase ist Stand der Technik [17], findet allerdings sehr selten Anwendung, da sich diverse Prozesseinflüsse im Massedruckverlauf überlagern.
Um eine Fließzahl sinnvoll nutzen zu können, gilt es, den In-tegrationsbereich (Messintervall) so zu wählen, dass dy namische Effekte in der verdrängten Schmelzesäule zwischen Schnecken-spitze und Fließfront im Werkzeug sich nicht negativ auf die Messung des Fließwiderstands auswirken (Bild 1). Damit Unter-schiede im Schließverhalten der Rückströmsperre keinen nega-tiven Einfluss auf das Druckintegral haben, ist es notwendig, den
Bild 1. Der Druckverlauf in der Einspritzphase ändert sich mit der Vis
kosität des zu verarbeitenden Rohstoffs. Ein Anstieg der Viskosität zeigt
sich in einem höheren Druckbedarf innerhalb der Grenzen MIPos1 und
MIPos2 (Bild: KraussMaffei)
Messbereich auf Basis der Posi tion des Schließzeitpunkts der Rückströmsperre zu verschieben. Dies kann zum Beispiel durch eine Analyse des Druckanstiegs zu Beginn der Formfüllung er-folgen. Verschiebt sich der Druckanstieg (Bild 2), muss das Mess-intervall (MI) entsprechend angepasst werden:
(1)
Aufgrund des strukturviskosen Verhaltens thermoplastischer Kunststoffschmelzen hat die Einspritzgeschwindigkeit einen enormen Einfluss auf die Viskosität. Aus diesem Grund wird die Fließzahl auf das Maß der Einspritzgeschwindigkeit normiert. Dieser Viskositätsindex (VI) wird im Folgenden als normierte ag-gregierte Kenngröße zur Charakterisierung der Schmelzequalität verwendet. Untersuchungen mit verschiedenen Polymertypen und entsprechend abweichenden Eigenschaften haben außer-dem gezeigt, dass weitere Parameter wie z. B. die Kompressibili-tät der Schmelze korrigiert werden müssen.
Eine Integration des Druckverlaufs über die gesamte Phase der Formfüllung bildet den Füllindex (FI), der die aktive Formfül-lung vom Anstieg der Druckkurve (s = CP) bis zum Umschalt-punkt (s = COP) beschreibt (Gleichung 2).
(2)
Das Schließen der Rückströmsperre und damit verbundene Leckage(unterschiede) haben bei einem positionsabhängigen Umschaltverfahren immer eine Änderung des in die Kavität
MI = p(t )dtt ( s=MIpOS1 )
t ( s=MIpOS 2 )∫
FI = p(t )dtt ( s=CP )
t ( s=COP )
∫ =MPV ∗VI
Zeit
MIPos1 MIPos2
Mas
sedr
uck
»
© Kunststoffe
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© Carl Hanser Verlag, München Kunststoffe 11/2014
60 SPRITZGIESSEN Prozessregelung
drängte Volumen schmelzeflüssigen Kunststoffs bei der aktuell gegebenen Fließfähigkeit und ist ein virtuelles Maß für das ein-gespritzte Volumen (Gleichung 3):
(3)
Durch Umstellen der Gleichung kann der Zielwert vom FI be-stimmt werden, um die Kavität gegen den Fließwiderstand bei aktuell gemessener Schmelzequalität und einem festen Refe-renz wert für das MPV (Molded Part Volume) bis zu einem defi-nierten Maß zu füllen. Der Einspritzvorgang wird an der Position beendet, an der FI dem Zielwert entspricht. Der Referenzwert sowie die weiteren Werte werden nach Aktivierung der adapti-
MPV = FIVI
Bild 3. Massedruck und Schneckenposition für die Einspritz und Nach
druck phase. Der Viskositätsindex (VI) wird abhängig vom Schließverhal
ten der Rückströmsperre im Bereich s = MIPos1 bis s = MIPos2 gebildet. Der
Füllindex (FI) beschreibt die volumetrische Füllung der Kavität und wird
im Bereich von s = CP (Closing Point) bis s = COP (Change Over Point)
genommen (Bild: KraussMaffei)
p s vMI FI
Zeit t
1000
bar
800
700
600
500
400
300
200
100
0
80
70
60
50
40
30
20
10
0
COP
1
Mas
sedr
uck
p
Schn
ecke
npos
ition
s [m
m],
Schn
ecke
nges
chw
indi
gkei
t v [m
m/s
]
2 3 s 4
MIPos2
CP
MIPos1
© Kunststoffe
eingebrachten Volumens zur Folge. Wird abhängig vom Ein-spritz- oder Werkzeuginnendruck umgeschaltet, resultiert aus einem abweichenden Verhalten der Rückström sperre nicht zwangsläufig ein anderes Volumen in der Kavität. Bei Änderun-gen in der Viskosität der Schmelze führt jedoch auch eine druck-abhängige Umschaltung nicht mehr zu zufriedenstellenden Er-gebnissen.
Nachdruckhöhe im laufenden Zyklus korrigiert
APC bedient sich verschiedener charakterisierender Prozessgrö-ßen. Füll- und Viskositätsindex (FI/VI) werden zunächst in ein Ver-hältnis zueinander gesetzt. Dieses Verhältnis beschreibt das ver-
PraxisnutzenMit APC steht dem Anwender eine leistungsstarke Funktion für eine adaptive Prozessführung zur Verfügung, mit der die Maschine noch im Einspritzvorgang automatisch auf Schwankungen reagieren kann. APC passt den Umschaltpunkt und das Nachdruckprofil in jedem Zyklus automatisch an und sorgt somit dafür, dass weniger Schwankungen in den Qualitätsmerkmalen des Bauteils auftreten. Im Ergebnis führt dies zu einer höheren Qualitätskonstanz und zu geringeren Aus schuss raten.Auch schwierig zu verarbeitende Chargen, wie Gemische oder Materialien mit hohem Rezyklatanteil, lassen sich so zu konstant hochwertigen Bauteilen verarbeiten. APC erlaubt eine einfache Bedienung und ein schnelleres (Wieder)Anfahren der Maschine. In Summe können Verarbeiter dadurch auch ihre Energiekosten senken.
Die AutorenDr.-Ing. Reinhard Schiffers ist Leiter Maschinentechnologie der KraussMaffei Technologies GmbH, München.Stefan Kruppa ist als Entwicklungsingenieur im Bereich Maschinentechnologie bei KraussMaffei tätig.Stefan Moser ist als Entwicklungsingenieur im Bereich Maschinentechnologie bei KraussMaffei tätig.
DankDer Dank der Autoren gilt der
W KH Foliotec GmbH, Sparneck, W KTW Kunststofftechnik Weißenburg GmbH & Co. KG,
Weißenburg, und W Röchling SGT Spritzgießtechnik GmbH, Weidenberg,
für die Gelegenheit zu eingehenden Feldtests und die dabei gewährte personelle und materielle Unterstützung.
ServiceLiteratur & Digitalversion
B Das Literaturverzeichnis und ein PDF des Artikels finden Sie unter www.kunststoffe.de/918336
English Version B Read the English version of the article
in our magazine Kunststoffe international or at www.kunststoffe-international.com
p AMI Ap BMI B
Zeit t [s]
pRefPos2pRefPos1
Mas
sedr
uck
p [b
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Bild 2. Verschiebung des Messintervalls MI, damit eine präzise Mes
sung, trotz ungleichmäßigen Schließens der Rückströmsperre, gewähr
leistet ist (Bild: KraussMaffei)
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SPRITZGIESSEN 61
ven Prozessregelung auf Basis eines laufenden Prozesses extra-hiert und gespeichert.
Auf diese Weise kann die volumetrische Füllung der Kavität mit aktivierter Regelung im weiteren Produktionsverlauf kons-tant gehalten werden. Der Umschaltpunkt wird online im lau-fenden Einspritzvorgang individuell bestimmt und somit das eingebrachte Volumen der Kunststoffschmelze von Zyklus zu Zyklus konstant gehalten.
Ist die Kavität jeweils bis zum gewünschten Grad gefüllt, be-ginnt das Nachdrücken von Schmelze, um die thermische Schwindung, bedingt durch die Abnahme des spezifischen Vo-lumens beim Abkühlen, zu kompensieren. Abhängig vom ver-wendeten Kunststoff, von der Geometrie der Kavität und von den Prozessparametern kann über die schmelzeflüssige Seele des Formteils der Nachdruck wirken. Generell gilt, je höher der Nachdruck gewählt ist und je länger dieser wirken kann, desto mehr Formmasse gelangt in die Kavität. Auch hier setzt APC an und korrigiert im laufenden Zyklus die Nachdruckhöhe entspre-chend den oben angeführten Größen (Bild 3).
Sinkt beispielsweise die Viskosität im Vergleich zum Aus-gangszustand auf ein geringeres Niveau, so wird weniger Ein-spritzdruck benötigt, um die Werkzeugkavität gegen den Fließ-widerstand zu füllen. Zur korrekten volumetrischen Füllung der Kavität genügt ein geringerer Füllindex, sodass zu einem frühe-ren Zeitpunkt umgeschaltet wird. Die Nachdruckhöhe wird ent-sprechend den Abweichungen in der statischen Druckübertra-gung ebenfalls reduziert.
Gesteigerte Prozess- und Produktqualität
Bei der Produktion einer Zweikomponenten-Radioblende (Bild 4) der KH Foliotec GmbH, Sparneck, kommt das APC-System auf einer Spritzgießmaschine des Typs CXZ 500-2000/750 (Her-steller: KraussMaffei) mit Drehtisch und Doppelkavität zum Einsatz. Eine eingelegte Folie wird dabei von einer Klar- und
anschließend von einer Trägerkomponente hinterspritzt. Die Fließeigenschaften beider Kunststoffschmelzen werden über den Viskositätsindex gemessen und im Produktionsverlauf dokumentiert.
Prinzipbedingt gibt es bei Mehrkomponenten-Anwendun-gen Unterschiede in den Werkzeugabmaßen, da keine Kavität exakt gleich ist. Außerdem beeinflussen die hinterspritzte Folie und die zuerst eingespritzte Klarkomponente den Einspritzvor-gang der Trägerkomponente. Die tatsächlichen Verhältnisse im Werkzeug sind nicht bekannt, allerdings können Änderungen auch ohne Sensoren im Werkzeug über die verschiedenen Pro-zessgrößen gut detektiert werden. Anhand der gemessenen Da-ten wird noch im Schuss der Umschaltpunkt mitsamt dem Ein-spritzprofil und (wenn vorhanden) den Kaskadenöffnungspunk-ten angepasst. Da sich aufgrund unterschiedlicher Schwindung im Formteil auch dessen Dimensionen und Gewicht verändern, wird das gesamte Nachdruckprofil ebenfalls angepasst. »
Bild 4. Bei der Produktion dieser ZweikomponentenRadioblende hat
sich die APCFunktion bewährt (Bild: KH Foliotec)
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62 SPRITZGIESSEN Prozessregelung
Pausen- und Maschinenstillständen veränderte Schmelzezu-stand korrigiert werden. Der Bediener der Spritzgießmaschine musste bisher vor dem Anfahren den Staudruck senken, den Umschaltpunkt herabsetzen und sich wieder langsam an die ur-sprünglichen Werte herantasten.
Neben dem Zeitverlust fällt beim Anfahren der Produktions-linie ein nicht unerheblicher Anteil an Ausschussteilen an. Ein Umschalten mit APC bezieht den Anstieg im Druckverlauf mit ein und verhindert ein Überspritzen oder Unterfüllen der Kavitä-ten schon ab dem ersten Produktionszyklus (Bild 6).
Hoher Rezyklatanteil ohne Störung
Die Röchling SGT Spritzgießtechnik GmbH, Weidenberg, fertigt aus einem PPA auf einer vollelektrischen Spritzgießmaschine AX 100-380 eine Zündspulenabdeckung für einen OEM. Die Formfüllung wird vornehmlich über eine Phase mit hoher Einspritzgeschwindigkeit erreicht, da die dünnwandigen Formteile in den acht Kavitäten schnell erstarren. Dies macht den Prozess anfällig für Änderungen im Rohstoff. Eine Prozessführung mit APC verbessert die Prozess-konstanz bei den gegebenen Maschineneinstellungen, da in allen Versuchen ein Unterfüllen bzw. Überspritzen verhindert wird. Die Standardabweichung des Formteilgewichts kann selbst bei einem Rezyklatanteil von 100 % deutlich verringert werden.
24
23
22
21
20
19
18
mm
150,1
150,0
149,9
149,8
149,7
149,6
149,5
149,4
149,3
g
0 500 1000 1500 2000 2500
Um
scha
ltpos
ition
s
Form
teilg
ewic
ht m
Zyklus
24h (APC aus) 24h (APC an)
mUmschaltpositiongleitender Mittelwert für müber 10 Zyklen
Bild 5. Spritzgießproduktion von 2KRadioblenden mit konventioneller und adaptiver
Prozessführung für jeweils 24 Stunden. Aufgetragen sind das Formteilgewicht (m) und die
Umschaltposition über die Produktions zyk len (Bild: KH Foliotec)
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Für einen objektiven Test wurden die Formteilgewichte stündlich aufgezeichnet und über einen Zeitraum von jeweils 24 Stunden miteinander verglichen (Bild 5). Das Ergebnis ist eine deutliche Verbesserung der Prozessstabilität. Bei aktiviertem APC wurde der Umschaltpunkt um bis zu 2 mm und das Nach-druckprofil um bis zu 6 % angepasst. Die Schussgewichtskons-tanz wurde somit über die gesamte Produktionsdauer, aber auch von Schuss zu Schuss verbessert.
Beschleunigte Anfahrprozesse
Die KTW Kunststofftechnik Weißenburg GmbH & Co. KG ist Tier-1-Zulieferer der Fahrzeugindustrie und beliefert zahlreiche Premiumanbieter mit hochwertigen Produkten. Darunter befin-den sich neben Dekorelementen im Ex- und Interieur-Bereich auch Radhausschalen, die das Unternehmen für nahezu alle deutschen OEM herstellt (Titelbild).
Diese werden u. a. auf einer Spritzgießmaschine des Typs MX 2300-1200 (KraussMaffei) produziert. Dabei erkennt APC auto-matisch ein unterschiedliches Füllverhalten, das aus verschiede-nen Materialchargen, Umgebungsbedingungen oder Verhält-nissen im Werkzeug resultiert, und korrigiert es durch Anpas-sung von Umschaltpunkt und Nachdruck. Durch Messung und Adaption der Pro zess parameter im selben Schuss kann der bei
mavg
= mittleres Formteilgewicht, mmin
= niedrigstes Formteilgewicht, m
max = höchstes Formteilgewicht,
σm
= Standardabweichung des Formteilgewichts
ohne APC mit APC
mavg
= 149,83 g mavg
= 149,79 g
mmin
= 149,41 g mmin
= 149,74 g
mmax
= 150,02 g mmax
= 149,88 g
σm
= 0,16 g σm
= 0,03 g
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Prozessregelung SPRITZGIESSEN 63
Dies zeigt sich, wenn man den Verlauf der Schneckenposi-tion bei adaptiver und konventioneller Prozessführung über ca. 50 nacheinander durchgeführte Spritzgießzyklen betrachtet (Bild 7). Beim Umschalten mit fester Position wird unterschiedlich viel Material in die Kavität eingebracht, da sich die Fließfähigkeit der Schmelze ändert. Die Folge sind unterschiedliche Einfrier- und Kristallisationsvorgänge, die streuende Orientierungen und damit streuende mechanische Eigenschaften bewirken. Mit APC wird an unterschiedlichen Schneckenpositionen auf Nachdruck umgeschaltet – es resultiert ein uniformer Schneckenhub im Nachdruck.
In der laufenden Produktion ist es entscheidend, dass die einmal festgelegte Qualität eines Formteils konstant und zuver-lässig eingehalten wird. Die stets zu erwartenden Schwankun-gen der Schmelzeviskosität bewirken also keinen Unterschied im Füllgrad. Damit verringern sich Maßabweichungen ebenso wie
sich die Reproduzierbarkeit von Eigenspannungen im Formteil verbessert.
Fazit
In einem Feldtestprogramm, u. a. in Zusammenarbeit mit den Verarbeitern KH Foliotec, Röchling und KTW, wurde die von KraussMaffei entwickelte und patentierte adaptive Prozessfüh-rung in mehreren Anwendungen mit verschiedenen Materialien und Maschinen umfangreich getestet. Die Ergebnisse belegen den Nutzen dieser Art der Prozessregelung. Damit bietet die APC-Funktion großes Potenzial, die Prozessrobustheit beim Spritzgießen zu erhöhen. Die neue Maschinenfunktion ist für sämtliche Baureihen und Maschinengrößen erhältlich und lässt sich für die Steuerungsgenerationen MC5 und MC6 einfach nachrüsten. W
Bild 7. Schnecken
positionen und
Werkzeuginnen
druckverläufe der
Spritzgießzyklen
für Umschalten bei
fixer Position (A+C)
und adaptiver
Prozessführung
(B+D). Bedingt
durch Änderungen
in der Viskosität
der Schmelze, wird
im konventionel
len Ansatz in der
kurzen Nachdruck
phase ein unter
schiedlicher
Schneckenweg
zurückgelegt. Der
Werkzeuginnen
druck schwankt
ebenfalls deutlich
(Bild: KraussMaffei)
Zeit
1200
bar
800
600
400
200
01,5
Wer
kzeu
ginn
endr
uck
2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 s 4,5Zeit
1200
bar
800
600
400
200
01,5
Wer
kzeu
ginn
endr
uck
2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 s 4,5
Zeit
A) B)
C) D)
10
9
8
7
6
5
4
10
9
8
7
6
5
4
mm mm
2,0
Schn
ecke
npos
ition
s 4,02,5 3,0 3,5 2,0 s 4,02,5 3,0 3,5Zeit
Schn
ecke
npos
ition
© Kunststoffe
Bild 6. Manuelles Anfahren (links): Der Umschalt
punkt wird weit zurückgenommen und in fünf
Schüssen an den SollWert herangeführt, um ein
Überspritzen zu vermeiden. Die unterfüllten Teile
der Startphase verlangsamen den Anfahrprozess.
Anfahren mit aktivierter APC (rechts): Durch die
OnlineMessung wird der Umschaltpunkt nur so
weit wie nötig zurückgenommen. Im ersten
Schuss führen Effekte wie z. B. ein ausgekühltes
Werkzeug zu einer Unterfüllung. Die Anfahrpha
se wurde von ca. 6 auf 1 min re duziert und der
AnfahrAusschuss (1 statt 5 Fehlerteile) dabei um
80 % gesenkt (Bild: KraussMaffei)
Zeit [min]
140
mm
100
80
60
40
20
000:00:00
Um
scha
ltpos
ition
00:02:53 00:05:46 00:08:38Zeit [min]
140
mm
100
80
60
40
20
000:00:00
Um
scha
ltpos
ition
00:02:53 00:05:46 00:08:38
GutteileAusschuss
GutteileAusschuss
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