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Kulturgeschichtliche Einführung und systemlinguistische Analyse
Präsentation von Katja Winkler und Christine RadtkiUniversität zu KölnEinführung in das AltitalienischeSS 2010Dozent: PD. Dr. Andreas Michel
I.1 thematische Relevanz
I.1.1 Das Altflorentinische und seine Beziehung zum modernen Italienisch
I.1.2 Das Altflorentinische und seine heutige Lesbarkeit
I.2 Der Siegeszug des Florentinischen: Gründe für die Durchsetzung der florentinischen Varietät nach Durante
I.2.1 geographisch-sprachtypologische Faktoren
I.2.2 wirtschaftlich-pragmatische Faktoren
I.2.3 literarisch-kulturelle Faktoren
II.1 sprachliche Ausgangssituation zur Zeit der Tre Corone
II.2 Darstellung sprachlicher Besonderheiten des Altflorentinischen (eine Auswahl)II.2.1 MorphologieII.2.2 SyntaxII.2.3 Phonographematik
I.1.1 Das Altflorentinische und seine Beziehung zum modernen ItalienischDie heutige italienische Nationalsprache beruht auf
der florentinischen Varietät des Italienischen, die sich im 13. und 14. Jh. entwickelt hat, und sich in den Werken der sogenannten „Tre Corone“ manifestiert
Während sich in Frankreich und Spanien die jeweiligen Regionalsprachen Franzisch bzw. Kastilisch vergleichsweise früh zu Schrift- und Literatursprachen entwickelt haben, dauert die endgültige Festschreibung der florentinischen Varietät bis zur Schaffung des Nationalstaates 1861
I.1.2 das Altflorentinische und seine heutige Lesbarkeit
Normierung des Altflorentinischen des 13. und 14. Jh. durch Grammatiker und Lexikographen im 16. Jh.: eine zu jenem Zeitpunkt bereits archaische Sprache - die der großen Trecentisten - wird zur Norm erhoben
Dynamisiernde Tendenzen werden unterbunden, sprachliche Neuerungen werden von der einmal kodifizierten Schriftsprache ferngehalten das Altflorentinische ist noch heute lesbar
Daher: keine dreiteilige Periodisierung in eine alte, eine mittlere und eine moderne Phase
1.2.1 geographisch-sprachtypologische Faktoren
das Toskanische als Bindeglied zwischen den Dialektgebieten Nord- und Süditaliens
Nach Durante: „[…] caratteri relativamente conservativi del toscano, che precostituirebbero in questo dialetto, e specialmente nel fiorentino, il mediatore ideale tra nord, centro e sud della penisola, e altresì il successore più idoneo del latino per raffinità strutturale.“ (Durante 1981, S. 104)
I.2.2 wirtschaftlich – pragmatische Faktoren
Macht der Kaufleute und deren SpracheBedeutung der Stadt Florenz als
internationale Handelsmetropole
1.2.3 literarisch-kulturelle Faktoren
Entstehung bedeutender Werke im 13. und 14. Jh.
zunächst die Westtoskanischen Städte als Vorreiter der Verbreitung des volgare
im 13. Jh. Beginn der Entwicklung einer kunstvollen Lyrik
1.2.3.1 Die Dichtung des dolce stil novo
Vertreter: Guido Cavalcanti, Dino Frescobaldi, Cino da Pistoia, der junge Dante Alighieri
Fortführung der Liebeslyrik derScuola SicilianaScuola Toscana
Thematik: geändertes Konzept der adligen Liebe
1.2.3.2 Le Tre Corone
Dante Alighieri (1265-1321)verfasst im volgare die Vita Nuova (1294), das
Convivio (1304-07) und die Divina Commedia (1306-1321)
Francesco Petrarca (1304-1374)Hauptwerk im volgare: Canzoniere (lat. Titel Rerum
vulgarium fragmenta, verfasst und überarbeitet von 1335 bis zu seinem Tode)
Giovanni Boccaccio (1313-1375)setzt der Prosa im volgare die Krone auf mit seinem
Werk Decameron (1349-1353)
II.1 sprachliche Situation zur Zeit der Tre Corone
Polymorphie
II.2.1 Morphologie
II.2.1.1 Verbalflexion
a) 1. Plural Präsens Ind.
Standit.: -iamo -iamo als innovative Variante im 13. Jdt (Duecento) tritt in
Konkurrenz mit –emo und - imo
Bsp.: avemo (<lat. habemus)
II.2.1.1 Verbalflexion
b) Passato Remoto regulär 3. PluralStandit.: -arono, -erono, -irono vs. altflorentinisch: -aro, -ero, -iro
Bsp.: andaro
Passato Remoto irregulär 3. Plural
Perfektivstamm + -enoz.B. avere ebbeno ( alternativ zu ebbero<lat. habuerunt) z.B. dire disseno
II.2.1.1 Verbalflexion
Passato remoto irregulär 3. Singular
z.B. fareStandit. fece vs. altflorent. fe/ fene
II.2.1.1 Verbalflexion
c) Erste Singular Imperfekt Indikativ Standit.: -o vs. altflorentinisch –a
Bsp.: io amava
II.2.1.2 Der bestimmte männliche Artikel
Die heute verbindliche Distribution: lo und gli vor st +Konsonant sowie vor z, j, x, ps bzw. vor Vokal
(im Singular mit Elision), in allen anderen Fällen il bzw i il cane, I cani lo zio/ lo psicologo, gli zii etc. L´albero, gli alberi
II.2.1.2 Der bestimmte männliche Artikel
Im Altflorentinischen: Lo ist die ursprünglich gängige Form, il dagegen distributiv
beschränkt: Il nur nach Vokal Il durfte NICHT am Satzanfang stehen
II.2.1.2 Der bestimmte männliche Artikel
Allmählich gewinnt il Autonomie und verdrängt lo aus seiner ursprünglichen Distribution.
→ lo dagegen zurückgedrängt auf: vor s + Konsonant Am Satzanfang Nach r, z.B. per lo più
II.2.1.3 Die Personalpronomina der 3. Ps. Sg. und Pl.
Standit. lui , lei, loro vs. altflorentinisch egli (eglino/ ellino) (neben lui, lei, loro)
egli: konnte auch für loro stehen eglino: egli + Pluralmorphem –no aus der Verbalflexion
loro: im Obliquus bereits vorher die dominanteste Variante. Lui, lei: Kommen im Trecento als Innovationen für den
Nominativ als Alternativen zu egli und ella auf.
Beispiel aus Boccaccios Decamerone: “ …e parmi intendere che egli abbiano provato…”
II.2.2 Syntax
II.2.2.1Nachstellung (Enklise) von Pronomina
Tobler -Mussafia-Gesetz: Die unbetonten Personalpronomina (sowie die Partikel vi und
ci) mussten an das Verb angehängt werden: Am Satzanfang Nach den Konjunktionen e und ma Nach vorangehendem Nebensatz
Beispiel aus Boccaccios Decamerone: …e, con lieto viso salutatigli, loro la lor disposizione fè manifesta e
pregogli per parte di tutte che con puro e fretallevole animo attener lor compania si dovessero disporre.
II.2.2.1Nachstellung (Enklise) von Pronomina
Enklise der Possessivpronomina z.B. mogliama vs. standit. mia moglie
II.2.2.2 Parahypotaxe
Koordinierung eines übergeordneten Satzes und eines vorangehenden untergeordneten Satzes mit den Konjunktionen e oder si.
Bsp. Aus Dantes Vita Nova
…sedendo io pensoso in alcuna parte, ed io mi sentio cominciare un tremuoto nel cuore.
II.2.2.3 Kausale Nebensätze
Zusätzliche kausale Konjunktionen neben perché und poiché:
accioché con ció sia cosa che imperciò che per cagione che però che ecc.
II.2.2.4 latinisierende Syntax
z.B. AcI
Bsp. aus Boccaccios Decamerone: „I giovanni si credettero primieramente essere beffati, ma poi che videro che da dovero parlava la donna, rispuosero lietamente sé essere apparecchiati.“
II.2.3 Phonographematik
II.2.3.1 Schwächung des intervokalischen [–v-] z.B. dee, deono vs. standit. deve, devono
II.2.3.2 Prosthese von i- vor s + Konsonant z.B. iscambio vs. standit. scambio
Bibliographie:
Durante, M.: Dal latino all‘italiano moderno, saggio di storia linguistica e culturale, Bologna 1981
Marazzini, C.: La storia della lingua italiana attraverso i testi, Bologna 2006
Ders.: Breve storia della lingua italiana, Bologna 2004
Michel, A.: Einführung in das Altitalienische, Tübingen 1997
Ders.: Italienische Sprachgeschichte, Hamburg 2005
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