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1. Einleitung zum Forschungsstand1
Als Hugo Koch und Josef Stiglmayr Ende des 19. Jahrhunderts unabhängig
voneinander den Nachweis über die direkte literarische Abhängigkeit des Corpus'
Dionysiacum2 vom Neuplatoniker Proklos liefern konnten, markierten sie damit eine
für die moderne Rezeptionsgeschichte der vier Traktate und zehn Briefe konstitutiv
gewordene Zäsur.3 Ausgehend von den termini post und ante quem der Abfassung,
die Stiglmayr wenig später mit dem Erlassjahr des Henotikons 482 und der frühesten
Benutzung der Schriften im angehenden 6. Jahrhundert identifizierte, dominierten
seither vor allem zwei Fragestellungen das Interesse der Forschungsdiskussion.4
Erstens wurde nun konsequenterweise in einer historisch-kritisch geleiteten
Untersuchung nach dem realen Urherber der Schriften, respektive seines unmittel-
baren religiokulturellen Umfelds gefahndet. Zweites erneuerte und intensivierte sich
daran anschließend die Frage nach der geistigen Heimat, bzw. der ideengeschicht-
lichen Verortung des Autors.5
Was den Untersuchungsfortgang der erstgenannten Fragestellung anbelangt,
ist bereits seit geraumer Zeit eine ambivalente Sachlage zu konstatieren. Ein
konsensfähiger Vorschlag zur Klärung der Autorenfrage scheint bis auf weiteres –
z.B. den Fund unbekannter oder bisher übersehener Beweisdokumente – wenig
wahrscheinlich.6 Dabei herrscht alles andere als Hypothesenmangel. Im Gegenteil ist
1 Literaturangaben werden an der Stelle ihrer Ersterwähnung ausführlich angegeben, ab dem zweiten Mal kürze ich sie ab (Autor: Titel, Erscheinungsjahr).
2 Im Folgenden kürze ich das Corpus Dionysiacum mit den beiden Anfangsbuchstaben CD ab. 3 Beide Autoren stützen sich in ihrer Analyse auf einen literarischen Vergleich des vierten Kapitels
der ,De divinis nominibus’ mit der proklischen Schrift ,De malorum subsistentia’. Siehe: Schäfer, Christian: Unde Malum. Die Frage nach dem Woher des Bösen bei Plotin, Augustinus und Dionysius, Würzburg 2002, S.401.
4 Stiglmayr widmet sich insbesondere einer ausführlichen Erörterung der Bedeutung des von Kaiser Zenon erlassenen Henotikons für das CD. Den Verfasser selbst verortet er in einer das Henotikon unterstützenden Mittelpartei zwischen Mia- und Dyophysiten. Siehe dazu: Stiglmayr, Josef: Das Aufkommen der Pseudo-Dionysischen Schriften und ihr Eindringen in die christliche Literatur bis zum Laterankonzil 649. Ein zweiter Beitrag zur Dionysiuos-Frage von Professor Josef Stiglmayr, in: IV. Jahresbericht des öffentlichen Privatgymnasiums an der Stella matutina zu Feldkirch, Feldkirch 1895, S.39-45.
5 Bereits auf dem Religionsgespräch von 532 in Konstantinopel wurden erste Zweifel an der Authentizität der Schriften laut. Später hatte Lorenzo Valla vermutet, dass es sich eher um einen neuplatonisch beeinflussten Autoren der Spätantike als um den in der Apostelgeschichte erwähnten Dionysius vom Areopag handelt. Allerdings gelang es weder ihm, noch Erasmus von Rotterdam, der eben jene Bedenken wenig später erneuern und für ein größeres Publikum multiplizieren sollte, eindeutige Beweise für diese These zu erbringen. Siehe dazu: Ritter, Adolf M.: Pseudo-Dionysius Areopagita. Über die Mystische Theologie und Briefe, Bibliothek der griechischen Literatur, Bd.40, Stuttgart 1994, S.5-6. Außerdem: Suchla, Beate R: Dionysius Areopagita. Leben – Werk – Wirkung, Freiburg im Breisgau 2008, S.20.
6 Zur Verfasserfrage siehe Ibid. S.25. Außerdem: Beierwaltes, Walter: Platonismus im Christentum, Philosophische Abhandlungen, Bd. 73, Frankfurt am Main 1998, S.45. Und ausführlich: Ritter, Adolf M.: Über die Mystische Theologie und Briefe, 1994, S.8-19.
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es gerade die schier unüberschaubare Fülle an sich gegenseitig disqualifizierenden,
jedoch bis dato in keinem Fall triftigen Identifizierungsversuchen, die eine wissen-
schaftliche Einigung in der Autorenfrage in den Bereich gut gemeinter Wunschvor-
stellungen rückt.
Auf der anderen Seite lassen sich mittlerweile eine ganze Reihe Indizien
anführen, die für „(West-)Syrien oder aber syrische Kreise in der Reichshauptstadt
Konstantinopel als Heimat des CD“7 sprechen. Schon Stiglmayr hat im Rahmen
seiner rezeptionsgeschichtlichen Untersuchungen auf den Syrer Severus von
Antiochien als ersten nachweisbaren Benutzer der Schriften aufmerksam gemacht.8
Beachtlich zeitnah zum Abfassungstermin ist auch die Übersetzung des CD ins
Syrische anzusetzen, da der Tod des Übersetzers, Sergius von Reshaina, bereits in
das Jahr 536 datiert.9 Neben diesen indirekten, werkemanenten Zeugen deutet
insbesondere auch ein umfangreicher Bestand spezifischen Lokalkolorits auf den
christlich-syrischen Ursprung der Schriften hin.10 Genauer gesagt, weisen die
liturgischen Ausführungen der Schrift ,De ecclesiastica hierarchia’ große
Ähnlichkeiten zum syrisch-antiochenischen Ritus auf, wobei vor allem die präzisen
Beschreibungen der Taufwasserepiklese und der Myronweihe hervorzuheben sind.11
Darüber hinaus entspricht auch der zitierte Bibeltext am ehesten einer syrischen
Version der Heiligen Schrift.12 Wenn die exakte Identität des Autors also auch
weiterhin als ungeklärt gelten muss, oder jedenfalls keine der bislang veröffent-
lichten Verfasserhypothesen weithin zu überzeugen vermochte, so kann doch
zumindest der christlich-religiokulturelle Kontext, aus dessen Tradition das CD
schöpft, cum grano salis auf ein syrisch geprägtes Milieu eingeengt werden.13
Von den Forschungsergebnissen zum religiokulturellen Umfeld des CD führt
7 Siehe: Ibid. S. 9, Z.18-19.8 Genau genommen hatte Stiglmayr noch für Andreas von Cäsarea in Kappadokien als ersten
Zeugen des CD plädiert. Severus von Antiochien behandelt er erst als zweiten nachweisbaren Rezipienten. Allerdings handelt es sich neueren Forschungsergebnissen nach schlicht um eine Fehldatierung im Bezug auf Andreas von Cäsarea, dessen Lebenszeit viel wahrscheinlicher in die zweite Hälfte des 6. Jahrhunderts zu datieren ist (563-614). Siehe: Fitschen, Klaus: Messalianismus und Antimessalianismus. Ein Beispiel ostkirchlicher Ketzergeschichte, Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte, Bd.71, Göttingen 1998, S.266. Vgl. dazu: Stiglmayr, Josef: Das Aufkommen der Pseudo-Dionysischen Schriften, 1895, S.45-47.
9 Zu Sergius von Reshaina siehe: Ibid. S.55-57. Außerdem: Ritter, Adolf M.: Über die Mystische Theologie und Briefe, 1994, S.10. Und: Suchla, Beate R: Dionysius Areopagita, 2008, S.22; 67.
10 Siehe dazu: Ritter, Adolf M.: Über die Mystische Theologie und Briefe, 1994, S.10.11 Ibid.12 Ibid.13 Dementgegen hat sich Suchla zuletzt dafür ausgesprochen, das CD in Caesarea (Palaestinae) zu
verorten. Vgl.: Suchla, Beate R: Dionysius Areopagita, 2008, S.22; 30.
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die Darstellung des Diskussionsstandes nahtlos zur Frage nach der geistigen Heimat
des Verfassers, der zweiten forschungsbestimmenden Fragestellung also, die sich in
der Sukzession Kochs und Stiglmayrs entwickelt, bzw. intensiviert hatte.14 Hinter der
Frage nach der ideengeschichtlichen Verortung des Autors verbirgt sich, wenn man
so will, die „Gretchenfrage“ der Dionysforschung. Zur Beantwortung der Frage
orientieren sich die Interpreten jeweils mehr oder weniger explizit an der
Leitdifferenz (Neu-)Platonismus/Christentum.
Vor dem Hintergrund der Leitdifferenz lässt sich Johann Wolfgang von
Goethes berühmt gewordene Bekenntnisfrage, „nun sag, wie hast du's mit der
Religion“15, im Bezug auf den unbekannten Verfasser – der aufgrund seiner
Abwesenheit freilich von einer Version seines Textes vertreten werden muss –
folgendermaßen umformulieren: Wie genau ist das Mengenverhältnis von pagan-
philosophischen Traditionsanteilen vornehmlich neuplatonischer Provenienz und
„genuin christlichen“16 Traditionsanteilen innerhalb des CD bemessen? Welche
Anteile überwiegen am Ende? Auf welcher Seite der Unterscheidung war der
spätantike „Ideenexperimentator“ mit seinem Versuch verblieben, auf der christ-
lichen oder der neuplatonischen? Welcher geistigen Tradition ist er letztlich selbst
zuzuordnen?
Doch egal, ob nun mit Bernhard Brons17 eher kritisch, oder mit Andrew
Louth18 und Paul Rorem19 überwiegend positiv über den Status des Korpus' als einem
genuin christlichen Zeugnis geurteilt wird, in beiden Fällen bleibt ein schaler
Beigeschmack.20 Zum einen bringen sich beide Seiten in die aus theologischer Sicht
problematische Position eines Richters über die Rechtgläubigkeit des unbekannten
Autors. Zum anderen muten sich beide Seiten zusätzlich die methodisch gesehen
14 Siehe oben: S.1, Anm.3. 15 Siehe: Goethe, Joahann W.: Faust. Der Tragödie Erster Teil, Stuttgart 2000, S.100, Z.3.16 Zur Wendung des „genuin Christlichen“ siehe: Beierwaltes, Walter: Platonismus im Christentum,
1998, S.77.17 Brons skeptische Haltung dem CD gegenüber offenbart sich in Diagnosen wie z.B.: „Auch darin
vermag Dionys Kirche und Theologie wider Willen einen Dienst zu tun, daß sich an ihm als einem Modellfall aufzeigen läßt, wie leicht soteriologisches Interesse in „love of approbation“ und darum die Verkündigung von Gericht und Gnade in Christus in die geringfügig modifizierte Übernahme einer gerade gängigen Weltanschauung umschlagen können.“ Siehe: Brons, Bernhard: Gott und die Seienden. Untersuchungen zum Verhältnis von neuplatonischer Metaphysik und christlicher Tradition bei Dionysius Areopagita, Göttingen 1976, S.329, Z. 29-34.
18 Louth urteilt sinngemäß, der Verfasser des CD sei kein Neuplatoniker, sondern ein Christ. Siehe: Louth, Andrew: Denys the Areopagite, Outstanding Christian Thinkers, London 1989, S.32.
19 Ähnlich sieht das auch Rorem. Siehe: Rorem, Paul: Biblical and Liturgical Symbols within the Pseudo-Dionysian Synthesis, Studies and Texts, Bd. 71, Toronto 1984, S.5.
20 Für eine ausführliche Darstellung der Debatte siehe: Ritter, Adolf M.: Über die Mystische Theologie und Briefe, 1994, S.19-31.
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schier unlösbare Aufgabe zu, ein definitorisch trennscharfes Instrumentarium zu
entwickeln, mit Hilfe dessen sich diagnostizieren ließe, an welchem neuralgischen
Punkt genau christliche Theologie beginnt, sich in Uneigentlichkeit aufzulösen.
Der umgekehrten Problematik dagegen unterliegt Walter Beierwaltes' um
Vermittlung bemühtes Votum, „Dionysius: Christianus simulque vere Platonicus“21.
Hier wird implizit eine Differenz eingeführt und dann durch die Bestimmung
„simulque vere“ wieder aufgehoben – was mir zwar ehrenwert, jedoch nicht sinnvoll
erscheint. Beierwaltes dürfte es wohl in erster Linie darum gehen, sich allgemein für
eine Vereinbarkeit von Theologie und Philosophie auszusprechen, worin ihm
sicherlich zuzustimmen ist. Allerdings geht diese Vereinbarkeit nicht bis zu einer
Entsprechung von Platonismus und Christentum. Wer sich also im Bezug auf das CD
der Wesensfrage stellt, muss sich wohl oder übel für eine der beiden Seiten entschei-
den.
Angesichts der Tatsache aber, dass der Autor sich selbst unmissverständlich
zum Christentum bekannte22 und seine Schriften – was werkimmanent durch die
fingierte Adressatenschaft und werkemanent durch die früheste Rezeptions-
geschichte belegt ist – ausschließlich an christliche Empfängerkreise richtete, sollte
sich die Frage in meinen Augen ohnehin erübrigen. Der Text spricht in dieser
Hinsicht für sich, er bedarf weder eines Advokaten, noch eines Anklägers.
2. Vorhaben:
Eine in der Forschung bislang weit weniger intensiv bearbeitete Fragestellung
widmet sich der Erörterung der Pseudonymität des Werkes und der dahinter
verborgenen autorspezifischen Agenda. Weshalb gerade diesbezüglich ein vergleichs-
weise geringes Interesse herrscht, ist besonders vor dem Hintergrund der weit
aussichtsreicheren Faktenlage schwer einzusehen. Nicht nur gibt der Autor selbst
Hinweise zum motivatorischen Hintergrund seiner Schriften, auch die relative
Sicherheit ihrer historischen und religiokulturellen Verortung macht eine erfolgreiche
Bearbeitung der Frage deutlich realistischer.
Mit der Intention, einen Beitrag zu dieser bisher eher verhaltenen Diskussion
21 Siehe: Ibid. S.84, Z.30. Vgl. dazu: Brief VII 1080 A f. B.22 Im VII. Brief (Ep. VII 1081 Cf.) bekennt sich der Verfasser in einer expliziten Abkehr von der
paganen Philosophie zum Christentum als der wahren Religion. Dort heißt es: „Vielleicht hält er es nicht für unter seiner Würde, in Sanftmut die Wahrheit unserer Religion in Erfahrung zu bringen, (jene Wahrheit), die alle Weisheit übertrifft.“ Zur Übersetzung siehe: Ritter, Adolf M.: Über die Mystische Theologie und Briefe, 1994, S.96, Z.25-27.
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zu leisten, werde ich daher in der vorliegenden Arbeit eine ausführliche
Untersuchung der Pseudonymität und der mit ihr auf das Engste verknüpften Agenda
des CD vorlegen. Im Rahmen meines Vorhabens nehme ich zunächst zum aktuellen
Diskussionsstand Stellung. Daran anschließend erfolgt eine insbesondere diskurs-
theoretisch interessierte Einordnung der Schriften in ihren religions- und kulturge-
schichtlichen Entstehungskontext. Vorbereitet durch die Rekontextualisierung will
ich in einem die Untersuchung abschließenden Schritt zeigen, welche exakte
Motivation der Pseudonymität des CD zugrunde liegt und welches „Kalkül“ der
unbekannte Verfasser mit der herkunftsmäßigen Chiffrierung seines Werkes ver-
folgte. Diesbezüglich werde ich zwischen einem Mindest- und einem Optimalziel
unterscheiden.
3. Zum Diskussionsstand der Pseudonymität des CD
„In der Tatsache aber, dass der echte Verfasser seinem Werk den Namen des Apostelschülers Dionysios vom Areopag vorsetzte, erblicken einige einen groben Betrug; andere urtheilen über das Factum milder, indem sie billigerweise an das literarische Gebahren jener alten Zeit nicht den modernen Maßstab anlegen.“23
Das obenstehende Zitat aus Joseph Stiglmayrs Untersuchungen zur Rezep-
tionsgeschichte des CD eignet sich noch über 100 Jahre nach seiner Abfassung als
pointierte Zusammenfassung einer im Rahmen der wissenschaftlichen Diskussion
des Werkes verbreiteten Tendenz zum „milden“ Urteil bezüglich der Pseudonymität.
Dennoch – und hier fällt der antithetische Duktus des Zitats mit der schematischen
Auffassung einiger zeitgenössischer Interpreten zusammen – scheint mir die
angebotene Leitdifferenz zwischen dem „literarischen Gebahren jener alten Zeit“,
dessen Berücksichtigung quasi automatisch zu einer milden Beurteilung veranlasse,
und unserem „modernen Maßstab“ zu holzschnittartig und der Revision bedürftig.
Richtig ist zunächst, dass es bei einer Untersuchung der Pseudonymität der
Schriften weder um eine krude, inquisitorische Polemik gegen den unbekannten
Autor, noch um eine inkriminierende Fundamentalkritik am Text gehen kann, die
sich das Faktum der inszenierten Apostelschülerschaft zum Anlass nähme, das
gesamte Werk als „grobe Fälschung“ abzutun, und damit, bildlich gesprochen, das
Kind mit dem Bade ausschüttete. Beinahe selbstredend muss ebenfalls die Gefahr
eines anachronistisch verstiegenen Maßstabs zur Beurteilung der Pseudonymität im
Blick behalten werden. Auf der anderen Seite ist aber auch ein mildes Urteil, wie es
23 Siehe: Stiglmayr, Josef: Das Aufkommen der Pseudo-Dionysischen Schriften, 1895, S.5, Z.2-7.
5
offensichtlich schon Stiglmayr favorisierte, nur dann auch (sach-)gerecht und
wissenschaftlich redlich, wenn es mit direktem Bezug auf das Selbstverständnis des
realen Autors und/oder den Kontext der Abfassung der Schriften, z.B. ein empirisch
nachvollziehbares Konzept antiker Autorenschaft, plausibel gemacht werden kann.
Halbwahrheiten und scheinbare Allgemeinplätze, wie bspw. die Überzeugung, die
hellenistische Antike entbehre eines dem modernen Verständnis vergleichbaren
Konzepts von Autorenschaft und geistigem Eigentum, tragen denn auch im
Zusammenhang der Pseudonymität des CD wenig bis gar nichts zur Klärung des
konkreten Ursprungs bei.24
Um nun von der Ebene allgemein gehaltener Anmerkungen in medias res zu
gehen, bieten sich Beate R. Suchla und Charles M. Stang als die beiden – soweit ich
sehen kann – aktuellsten Vertreter eines „milden“ Urteils an. In ihren Interpretations-
vorschlägen wenden sich die beiden Autoren auf ganz unterschiedliche Art und
Weise gegen die These einer bewussten Verschleierung der realen Verfasserschaft
und meinen, ihr Urteil jeweils aus dem „literarischen Gebahren der alten Zeit“
begründen zu können.
3.1. Beate R. Suchlas Hypothese eines ,impliziten Autors’
In ihrer 2008 erschienen Monographie ,Dionysius Areopagita. Leben – Werk
– Wirkung’ trägt Beate R. Suchla erstmals die Hypothese vor, der verwendete
Vorname Dionysius, der allein im VII. Brief des Korpus' begegnet, „entspräche einer
literarischen Figur, die die Aufgabe habe, als impliziter apostolischer Autor zu
wirken“25. Hinter der autoritativen Strahlkraft dieses impliziten Autors sei der reale
Verfasser schon bald ins geschichtliche Dunkel unbehelligter Anonymität ausge-
blendet worden. Weiter beurteilt Suchla die suggerierte Apostolizität der Schriften,
als das „autortypische“26 und in diesem Sinne „legitime literarische Programm eines
philosophisch und theologisch gebildeten Christen um 500 herum“27. Im selben Zuge
weist sie ausdrücklich das Konzept der Pseudonymität als unzutreffend zurück mit
24 Laut Wolfgang Speyer ist doch anzunehmen, dass die antike griechische Welt ein Konzept von geistigem Eigentum kannte, wenn dieses freilich noch nicht juristisch und damit allgemein verbindlich fixiert war. Siehe: Speyer, Wofgang: Frühes Christentum im antiken Strahlungsfeld. Ausgewählte Aufsätze I, Wissenschaftliche Studien zum Neuen Testament, Bd. 50, Tübingen 1989, S.23ff.
25 Siehe: Suchla, Beate R.: Dionysius Areopagita, 2008, S.18, Z.6-8.26 Zum Begriff des „autortypischen Programms“ siehe: Ibid. S.18, Z. 8; S.20, Z.10.27 Ibid. S.18, Z.2-4.
6
der Begründung, die fiktive Identität sei „keine Lüge und keine Deckung“28.
Ebenso detail-, wie aufschlussreich gelingt Suchla in diesem Zusammenhang
die Verknüpfung ihrer Hypothese mit einer Erläuterung der Entstehungssituation der
Schriften, durch die sich eine funktionale und zeitgeschichtlich kontextualisierte
Relation des fiktiven Rahmens mit der intentio auctoris ergibt. So diene die
Einführung der literarischen Figur des Areopagiten gewissermaßen als diploma-
tischer Kunstgriff, um im Anschein apostolischer Autorität „eine irenische
Überbrückung“29 des schmalen, jedoch umso tieferen Grabens zwischen der
„natürlichen Theologie der Griechen und der christlichen philosophischen
Theologie“30 zu lancieren. Was die Beurteilung der funktionalen Dimension des
Pseudonyms in Verbindung mit dem literarischen Programm des CD angeht, ist
Suchla unbedingt zuzustimmen.
Auf welchem gedanklichen Wege die Autorin jedoch zu der Auffassung
gelangte, die Verwendung der persona des Areopagiten entspräche einem dem
damaligen Verständnis nach legitimen Unternehmen und gerade nicht der Einführung
eines Pseudonyms – im Sinne der bewussten Verschleierung der realen Identität, die
Suchla offensichtlich ex negativo auch dem damaligen „literarischen Gebahren“
entsprechend für illegitim hält – scheint widersprüchlich und vermag selbst nach
eingehender Betrachtung nicht einzuleuchten. Eine notwendige Ergänzung bildet an
dieser Stelle Suchlas Hinweis, sich in ihrem Verständnis des Konzepts der impliziten
Autorenschaft an der Arbeit des Neutestamentlers Thomas Söding zu orientieren.31
Überraschender Weise aber enthält Södings eigene begriffliche Erläuterung der
impliziten Autorenschaft weder eine antagonistische Abgrenzung, noch eine sonstig
geartete Kontrastierung dem Terminus der Pseudonymität gegenüber – mehr noch:
Södings Nomenklatur enthält den Begriff der Pseudonymität nicht einmal!32 Sehr
wohl aber ordnet Söding dem Phänomen eines impliziten Autors den Terminus der
Pseudepigraphie positiv zu, was letztlich gerade einer Gegenposition zu Suchla
gleichkommt.33 Immerhin verhalten sich die beiden Termini, Pseudonymität und
(primäre) Pseudepigraphie, zueinander weitgehend synonym.34
28 Ibid. S.20, Z.3.29 Ibid. S.35, Z.22.30 Ibid. S.35 S.23-24.31 Ibid. S.18 unten, Anmerkung 12. 32 Vgl.: Söding, Thomas: Wege der Schriftauslegung. Methodenbuch zum Neuen Testament,
Freiburg im Breisgau 1998, S.47; 107; 147; 238.33 Ibid. S.107.34 Ich folge an dieser Stelle der begrifflichen Erläuterung der beiden Termini durch den Artikel Petr
7
Der Vollständigkeit halber sei auch das einzige echte, sich jedoch auf den
Umfang eines Satzes beschränkende Argument genannt, das Suchla zur Plausibili-
sierung ihrer Hypothese bietet. Namentlich besteht das Argument in der Folgerung,
wenn der Autor seitenweise seinen Zeitgenossen Proklos zitiere35, bzw. para-
phrasiere, unterminiere dieses Vorgehen geradezu den Versuch einer systematischen
Verdunklung seiner aktuellen Bezüge.36 Interessanterweise widerspricht Suchla an
dieser Stelle ihren eigenen Ausführungen aus dem Jahr 1995, denen zufolge der
unbekannte Autor das gesamte Werk hindurch „seine christliche Rechtfertigungs-
pflicht unterlassen und darüber hinaus seine Abhängigkeit vom Platonismus [womit
Suchla auch hier vor allem auf das Exzerpieren proklischer Schriften abhebt]
verschleiert habe.“37 Woher Suchlas Sinneswandel rührt, bleibt mangels schlüssiger
Erklärungen ihr Geheimnis. Ihr Argument jedenfalls vermag nicht zu überzeugen.
Hätte der Verfasser seine aktuellen Bezüge nicht vertuschen wollen, so hätte er
Proklos auch beim Namen nennen können. Stattdessen scheint er seine wortwört-
liche, wie gedankliche Abhängigkeit vom proklischen System auf narrativer Ebene
durch die Einführung des enigmatischen Hierotheus', in Form einer sowohl
personifizierten, als auch mystifizierten, literarischen Spiegelung zu verarbeiten.38
Letztlich – und dieser Aspekt ist entscheidend – unterminiert Suchla mit dem
genannten Argument sogar ihre eigene Hypothese, insofern sie doch Eingangs
angenommen hatte, dass es das literarische Programm des Verfassers vorsah, durch
Pokornýs in der Theologischen Realenzyklopädie. Im übrigen ist auch Pokorný davon überzeugt, dass die irrationale Identifizierung mit dem angeblichen Verfasser nur begrenzt zur Rechtfertigung der Pseudepigraphie dienen kann. Siehe: Pokorný, Petr: Pseudepigraphie I., in: Müller, Gerhard (Hrsg.): Theologische Realenzyklopädie, in 36 Bdn., Bd. 27, Politik/ Politologie – Publizistik/ Presse, Berlin 1997, S.645-655.
35 Suchla spricht hier explizit von der Zitation der proklischen Schrift De malorum subsistentia durch das CD, genauer in De divinis nominibus IV 18 - IV 35. Siehe: Suchla, Beate R.: Dionysius Areopagita, 2008, S.20.
36 Ibid. S.20.37 Siehe: Suchla, Beate R.: Verteidigung eines platonischen Denkmodells einer christlichen Welt. Die
philosophie- und theologiegeschichtliche Bedeutung des Scholienwerks des Johannes von Skythopolis zu den areopagitischen Schriften, in: Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen I. Philologisch-Historische Klasse, Jg. 1995, Nr.1, Göttingen 1995, S.11, Z.22-23.
38 Mit Bezug auf die persona des Hierotheus' vertrete ich die These einer chiffrierten Hommage an Proklos, der entweder ein direkter Lehrer, oder aber in schriftlicher Form eine herausragende Inspirationsquelle für den unbekannten Verfassers war. Schon aufgrund der enormen Fülle an wörtlichen und gedanklichen Anleihen beim proklischen System ist diese Interpretation naheliegend. Laut Suchla hat der unbekannte Verfasser an nicht weniger als 722 Stellen Proklos entweder zitiert, paraphrasiert, oder gedanklich übernommen. Möglich wäre auch die Hypothese eines bereits „proklisch-neuplatonisch“ gebildeten christlich-mystischen Lehrers, den der Autor auf narrativer Ebene in der fiktiven Figur des Hierotheus' gewürdigt hat. Dass er sich aber veranlasst sah, diesen Einfluss verbergen und mystifizieren zu müssen, spricht eher für erstere Annahme, eine mehr oder weniger direkte Abhängigkeit. Zur Abhängigkeit des CD von Proklos siehe: Suchla, Beate R.: Dionysius Areopagita, 2008, S.59.
8
die Inanspruchnahme der Identität eines Apostelschülers und der damit einher-
gehenden Rückdatierung der Schriften in das 1. Jahrhundert deren Autorität und
Ansehen zu erhöhen.39
Einzig die supplementäre Prämisse einer „irrationalen Inspiration“40 des
realen Autors könnte Suchla helfen, ihr mildes Urteil zu plausibilisieren. Aber auch
dergestalt müsste sie ihre auf der Zweckrationalität der intentio auctoris fußende
Argumentation zur Kontextgebundenheit der Autorfiktion aufgeben.
Abschließend scheint hier in der Tat ein mildes, aber eben nicht (sach-)ge-
rechtes Urteil als Ausgangspunkt und agens der Argumentation gedient zu haben.
Jedenfalls konnte Suchla ihre Hypothese zur Legitimität der literarischen Figur als
einer Form impliziter Autorenschaft in Abgrenzung zum Terminus der Pseudo-
nymität nicht als von „modernen Maßstäben“ abweichendes „literarisches Gebahren
jener alten Zeit“ verständlich machen. Kaum zu überschätzender Verdienst ihrer
Arbeit ist jedoch der Vorschlag, den Entstehungszusammenhang und die Grund-
intention der Schriften aus einer eingehenden Untersuchung des geistes- und kultur-
geschichtlichen Kontextes zu rekonstruieren.
3.2. Charles M. Stangs Hypothese der irrationalen Inspiration
Anders als Suchla, deren Konzept der impliziten Autorenschaft mehr einer
interpretatorischen Spitzfindigkeit mit apologetischer Schlagseite gleicht, die sich
jedoch nicht weiter auf ihre Rezeption der Schriften auswirkt, verspricht Charles M.
Stang in seinem Aufsatz ,Dionys, Paul and the Significance of the Pseudonym’,
vermittels einer Re-Interpretation der Pseudonymität des CD einen neuen Zugang
zum gesamten Textmaterial zu erschließen.
Schon der programmatische Titel des von Stang im Jahr 2009 mitherausge-
gebenen Sammelbandes ,Re-thinking Dionysius the Areopagite’, in dessen Rahmen
der Aufsatz veröffentlicht wurde, deutet unmissverständlich auf ein „aufklärerisches“
Sendungsbewusstsein hin. Stang und seine Co-Autoren möchten nichts weniger, als
einen Paradigmenwechsel innerhalb der Dionysius-Forschung einläuten.
Indes, Stangs Ausgangsüberlegung ist nicht grundsätzlich neu und klang
ihrem Wesen nach bereits im vorletzten Paragraph der Besprechung von Suchlas
39 Vgl. hierzu oben: S.6.40 Das Konzept der durch Traum, bzw. Ekstase induzierten, irrationalen Pseudonymität entnehme ich
dem Artikel Pseudonymität I von Peter Gerlitz in der Theologischen Realenzyklopädie. Siehe: Gerlitz, Peter: Pseudonymität I, in: Müller, Gerhard (Hrsg.): Theologische Realenzyklopädie, in 36 Bdn., Bd. 27, Politik/ Politologie – Publizistik/ Presse, Berlin 1997, S.661.
9
Hypothese an.41 In seinem Aufsatz geht es dem Kirchenhistoriker im Kern darum zu
demonstrieren, „that the very practice of writing under a pseudonym may be integral
to the ascetic and mystical enterprise described in the CD, the unknowing of both
God and self“42. Im Mittelpunkt seines Interpretationsvorschlags steht also die
Annahme einer irrationalen Inspiration des Autors, der den Akt schriftlicher
Produktion selbst als Teilbereich einer rituellen Frömmigkeitspraxis mystisch-
kontemplativer Gottverähnlichung verstanden habe.
Den steilen Aufstieg zum Gipfel seiner Hypothese unternimmt Stang in drei
Etappen: Erstens geht er von der Prämisse aus, der Autor schreibe „under the name
of Dionysius the Areopagite in order to suggest that […] he will effect a new
rapprochement between the wisdom of pagan Athens and the revelation of God in
Christ“43. Im Hintergrund jener interpretatio sui stehe durchgehend Paulus' Areopag-
rede nach Apg 17, aus der heraus sich der unbekannte Verfasser konsequent selbst
deute. Zur Gänze sei das Korpus daher sinngemäß als imitatio Pauli44 zu lesen, sein
gesamtes inhaltliches Programm auf die theologischen Grundsätze der paulinischen
Tradition reduzibel.
Zweitens vertrete der Verfasser des CD eine „apophatic anthropology“45,
derzufolge der Weg zum wahren Menschsein allein über eine Frömmigkeitspraxis
der kompromisslosen Selbstnegation zu beschreiten sei. Am Endpunkt jenes Weges
vollziehe sich im Praktizierenden eine unio mystica, die, wie bereits zitiert, von
Stang als „the unknowing of both God and self”46 gefasst wird. Imitatio Pauli sei
diese Frömmigkeitspraxis nun deshalb, weil der Autor Paulus von Gal 2,20 aus als
„exemplary ecstatic lover“47 verstehe, der den Weg der Selbstverneinung als erster
Mensch in voller Konsequenz beschritten habe.
Drittens und letztens ermögliche das Konzept der „apophatic anthropology“48
41 Siehe oben: S.9, Anm.38.42 Siehe: Stang, Charles M.: Dionys, Paul and the Significance of the Pseudonym, in: Coakley, Sarah
– Stang, Charles M.: Re-Thinking Dionysius the Areopagite, Oxford 2009, S.18, Z.29-31.43 Ibid. S.12, Z.2-4.44 Stang gebraucht den Ausdruck der „imitatio Pauli“ zwar nicht explizit, jedoch impliziert er ihn
sinngemäß, wenn er immer wieder betont, dass aus der Sicht des unbekannten Verfassers alle seine Hauptüberzeugungen auf Aussagen der paulinischen Literatur reduzibel seien. Siehe: Ibid. S.14-15. In apologetischer Absicht hat schon Johannes von Skythopolis in seinem Scholienwerk eine solche Lesart vorgeschlagen, die jedoch, wie sich im weiteren Verlauf der Arbeit zeigen wird, aus werkimmanenten Gründen zu kurz greift. Siehe dazu ausführlich: Suchla, Beate R.: Verteidigung eines platonischen Denkmodells einer christlichen Welt, 1995.
45 Stang, Charles M.: Dionys, Paul and the Significance of the Pseudonym, 2009, S.18.46 Ibid. S.12.47 Ibid. S.18.48 Ibid. S.18.
10
schließlich eine Deutung der Pseudonymität, die zu einer Gesamtdeutung des CD
auszuweiten sei: Die schriftliche Produktion des unbekannten Verfassers erscheine
von hier aus betrachtet selbst als Teilbereich jener mystisch-ekstatischen Frömmig-
keitspraxis kompromissloser Selbst-Apophatik. Im wahrsten Sinne des Wortes selbst-
vergessen, in vollkommener Dissoziation von seiner eigentlichen Identität, habe der
reale Autor sein Alter-Ego, Dionysius, gewissermaßen die Feder führen lassen.
Bleibt die Frage, wie genau es zur Fremdidentifikation des Verfassers mit
Dionysius dem Areopagiten gekommen ist; oder anders formuliert: Wie erklärt sich
der Ursprung der pseudonymen Verfasserschaft, wenn bislang lediglich von einer
„apophatic anthropology”, also einer Frömmigkeitspraxis der konsequenten Selbst-
negation, als hypothetischem Hintergrund der schriftlichen Aktivität des unbekannten
Autors die Rede war? Zur Klärung dieser Frage verweist Stang auf die nicht
unerhebliche Zusatzannahme eines vermeintlich „peculiar understanding of time and
writing in the late antique Christian East“49. Dieses trete pointiert in der
Überzeugung zu Tage, „that historical time can be collapsed such that the apostolic
past and the present enjoy 'contemporaneity,' and that writing is a means by which to
collapse that distance [...]“50. Jenem Konzept von „time travel“51 folgend hätten sich
Autoren im Kontext ihrer Schreibpraxis letztlich als die in die Gegenwart ausge-
dehnte Verlängerung „of the personality of the ancient authority“52 erfahren.
Als Aufweis der übergreifenden Gültigkeit und der dadurch ermöglichten,
interpretatorischen Übertragbarkeit seines Konzepts führt Stang exemplarisch das,
seiner Ansicht nach analoge schriftstellerische Selbstverständnis Johannes Chrysos-
tomos' und des anonymen Verfassers der Thekla-Hagiographie aus dem 5.
Jahrhundert an. Ersterer pflegte, folge man seinem theologisch-schriftstellerischen
und homiletischen Selbstverständnis, sich Paulus zum Helfer seiner Verkündigungs-
arbeit anzurufen, wobei er den Apostel jeweils im Gebet bat, ihm während des
Schreibens, bzw. Predigens bei, oder sogar inne zu wohnen.53 Letzterer dagegen
schildere als 31. Wunder der Thekla, dass ihm die Heilige selbst, während er ihre
Wunder niederschrieb, erschienen sei, um ihn zu bestärken.54 Im Falle des Verfassers
49 Ibid. S.20 Z.42-43.50 Ibid. S.20 Z.45 – S.21 Z.2.51 Ibid. S.20.52 Ibid. S.21 Z.4.53 Ibid. S.20.54 Dadurch taucht der Verfasser der Hagiographie selbst auf der Seite der von ihm schriftlich fixierten
Wunderberichte auf – es entsteht gewissermaßen ein Bild im Bild, die literarische Figur einer mise en abyme.
11
des CD trete freilich nun an die Stelle des „verschwindenden“ Selbst des Autors sein
Alter-Ego, der von Paulus zur Konversion bewegte Athener Aristokrat Dionysius.
So klar und strukturiert Stang seine Hypothese auch vorträgt, sind dennoch
im Bezug auf alle ihre drei Teilbereiche jeweils sachliche Schwächen zu benennen,
die es am Ende schwer bis unmöglich machen, dem Kirchenhistoriker zuzustimmen.
Schon im Hinblick auf den ersten Teil seiner Hypothese lässt sich feststellen, dass
Stang zu generalisierenden Interpretationen neigt, die nicht selten einer gewaltsamen
Simplizifierung des durch den Text Gesagten gleichkommen.
Mitnichten ist es damit getan, die interpretatio sui des unbekannten Verfassers
von Apg 17 aus als imitatio Pauli zu formulieren und – damit nicht genug – zu
fordern, das gesamte CD von diesem Vorverständnis her zu lesen. Zwar ist die Wahl
des Pseudonyms und damit untrennbar verbunden die programmatische Bedeutung
von Apg 17 konstitutiv für den fiktiven Rahmen des CD. Ganz ohne Zweifel fand der
Verfasser in der Personaltradition des Areopagiten, eines aus der hellenistisch-
paganen Kultursphäre stammenden Christen also, ein idealtypisches role-model für
seine philosophisch-theologische Agenda. Jedoch greift die von Stang im Anschluss
daran implizierte Denkfigur der imitatio Pauli als umfassende Interpretationsfolie für
das CD aus (mindestens) zwei Gründen zu kurz:
Zum einen stellt der Verfasser den spezifischen, von Paulus divergierenden
Geistes- und Gesinnungswandel des Dionysius' ganz bewusst heraus. Der Aristokrat
Dionysius aus Athen wird zum „Vatermörder“55, wie der Autor dies in seinem VII.
Brief dem Sophisten Apollophanes in den Mund legt. Indem er sich dem Christentum
zuwendet, bricht er bis zu einem gewissen Punkt mit dem religiös-weltanschaulichen
Erbe der hellenistischen Kultursphäre und verrät damit die ihm „patrilineal“
überantwortete Verpflichtung zu dessen unbedingter Bewahrung. Er wird – wenn
man so will – zu einem traditor!56 Paulus von Tarsus, der in seinem „ersten Leben“
bekanntlich Pharisäer war, ging als bekehrter Christ mit missionarischem Eifer auf
Heiden in der römisch-hellenistischen Welt zu, um sie zur Konversion zu bewegen.
Die kritische Frage nach der Bedeutung seiner jüdischen Abstammung hat sich
Paulus zwar bspw. in Phil 3,4-13 gestellt, für den unbekannten Verfasser des CD
dagegen spielte diese Tatsache offenbar keine erwähnenswerte Rolle – er interes-
55 Ep. VII 1080 Af., B. Zur Übersetzung siehe: Ritter, Adolf M.: Über die Mystische Theologie und Briefe, 1994, S.94.
56 Insbesondere geht es hier natürlich um den Neuplatonismus und dessen Erbe, das durch das CD an das Christentum „ausgeliefert und verraten“ wird.
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sierte sich allein für Paulus als christlichen Apostel.57 Die Denkfigur des
„Vatermörders“ geht somit eben gerade nicht im Paulusbild des CD auf! Mit der
Wahl des Pseudonyms bringt der Verfasser sich und sein philosophisch-theologisches
Programm zwar gezielt in die Nähe der paulinischen Tradition, zugleich aber setzt er
sich auch von ihr ab. Insbesondere durch die Nicht-Thematisierung des Saulus
(Paulus' jüdischer Vergangenheit) stellt der Text einen Kontrast zwischen Paulus und
dem Areopagiten her.
Zum anderen begnügt sich der unbekannte Verfasser ausdrücklich nicht allein
mit einer fiktiv inszenierten Paulus-Schülerschaft. Im Gegenteil zieht er im III.
Kapitel der ,De divinis nominibus’ nicht zuletzt auch den bereits erwähnten
Hierotheus, den er expressis verbis als seinen zweiten wichtigen Lehrer neben Paulus
bezeichnet, mit durch das literarische „Epochenportal“ in die legendarische Urzeit
des Christentums; und wird im weiteren Verlauf nicht müde, ihn als einen alle
anderen apostolischen Theologen – darunter Petrus und der Herrenbruder Jakobus –
an ekstatischer Virtuosität überragenden Mystagogen und Hymnendichter zu feiern.58
Auch sei an den fiktiven X. Brief des Korpus' erinnert, der an den Evangelisten
Johannes in seinem Exil auf der Insel Patmos adressiert ist.59 Obgleich der Verfasser
im Bezug auf Johannes nicht wie angesichts Paulus' und des Hierotheus' von einer
ausdrücklichen Schülerschaft spricht, betont er durch die Fiktion einer engen und
vertrauten Beziehung zwischen seinem literarischen Alter-Ego und dem Evangelisten
eine unüberhörbar tiefe, theologische Verbundenheit mit dem „hell leuchtenden
Lichtstrahl“60 der johanneischen Tradition. Auf diese Weise gelingt es dem Autor sein
eigenes philosophisch-theologisches Denken geschickt mit der johanneischen
Tradition zu verweben, wodurch sich erstens der religiöse Autoritäts- und
57 Eine Parallelisierung schließt sich hier auch deswegen aus, da Paulus seine Herkunft im 3. Kapitel des Philipperbrief mit drastischen Worten für nichtig erklärt, während das CD (Ep. VII. Cf.) sehr wohl die Weisheit der Hellenen zu schätzten weiß, solange sie dazu genutzt wird, „die Wahrheit unserer Religion [des Christentums] in Erfahrung zu bringen“. Diesem Geist verpflichtet ist eine antiintellektualistische „Torheitsrhetorik“, wie sie Paulus in 1.Kor 1,18-31entwickelt, undenkbar für das CD. Siehe dazu: Ibid. S.96, Z.26. Vgl. auch: Phil 3,4-13; und 1.Kor 1,18-31.
58 Der Abschnitt der „Hierotheusfeier“ findet sich in DN 681 A-C. Zur Übersetzung siehe: Suchla, Beate R.: Pseudo-Dionysius Areopgaita. Die Namen Gottes, Bibliothek der griechischen Literatur, Bd.26, Stuttgart 1988, S.39-41.59 Insofern sich der Autor auf die Version der Lebensgeschichte des Evangelisten Johannes, der in der
Antike in der Regel mit dem Verfasser der Offenbarung identifiziert wurde, bezieht, wie sie auch Eusebius von Caesarea in seiner Kirchengeschichte überliefert, ist der X. Brief zudem als ein vaticinium ex eventu konstruiert, da er die Rückkehr des Evangelisten aus seinem Exil auf der Insel Patmos in prophetischer Rede vorwegnimmt.
60 Zur Wendung des „hell leuchtenden Lichtstrahls“ siehe Ritters Übersetzung von Ep. X 1120,1: Ritter, Adolf M.: Über die Mystische Theologie und Briefe, 1994, S.117, Z.31.
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Symbolwert seiner Schriften erhöht und diese zweitens als systemisch abge-
schlossene Summe der prominentesten neutestamentlichen Theologien – und eben
nicht ausschließlich der paulinischen – lesbar werden sollten.61 Obendrein hebt der
unbekannte Autor in seinem berühmten Kurztraktat ,De mystica theologia’
ausdrücklich Mose nach Exodus 20,21 als Prototyp und lehrreiches Vorbild für die
Ausübung der von ihm beschriebenen mystisch-kontemplativen Frömmigkeitspraxis
hervor und wählt sich damit nicht allein Paulus als „exemplary ecstatic lover“.
Um es kurz zu machen: Das Pseudonym des Areopagiten dient dem Verfasser
– worin Stang prinzipiell beizupflichten ist – zur idealtypischen Rückprojektion
seines Programmes in die konstitutive „Gründungszeit“ des Christentums. Sicher
spielt das Konzept der imitatio Pauli dabei eine prominente Rolle – worauf an
späterer Stelle noch einzugehen sein wird. Dafür spricht allein schon das
mengenmäßige Übergewicht an Zitaten der Proto-/Deuteropaulinen und nicht zuletzt
auch die fingierte Adressierung der vier Hauptschriften an Timotheus. Nichtsdesto-
weniger sind es am Ende jedoch werkimmanente Entgegensetzungen, an denen
Stangs Vorschlag scheitert, das Programm des CD insgesamt auf eine von Apg 17
ausgehende philosophisch-theologische Elaboration und Re-Interpretation der
paulinischen Tradition eng zu führen. Schon der erste Teil seiner Hypothese scheint
mir so betrachtet auf einer tendenziösen Interpretation zu basieren.
Auch was die prononcierte Annahme einer ausgearbeiteten „apophatic
anthropology“ für das CD anbetrifft, die den zweiten Teil und zugleich das Herzstück
von Stangs Pseudonymitätshypothese ausmacht, ist zumindest vorsichtige Zurück-
haltung angebracht. Der Sache nach ist Stang gewiss Recht zu geben, wenn er
feststellt, dass die unio mystica als Höhepunkt der im CD begegnenden Ausführ-
ungen zur kontemplativen Frömmigkeitspraxis immer auch den ekstatischen Moment
völliger Selbstverneinung mit in sich schließt. Jedoch findet sich dieser Teilaspekt
der mystischen Versenkung an keiner Stelle des Korpus' zu einer spekulativen
Anthropologie extrapoliert, wie Stang sie voraussetzt. Die Absage an das eigene
Selbst bildet vielmehr den konsequenten letzten Schritt des apophatischen Aufstiegs
zur Einung, der den praktizierenden Mystagogen in einem sukzessiven Ablösungs-
prozess seines intentionalen Bewusstseins von der Sinnenwelt über die Sphäre der
61 An dieser Stelle stimme ich mit Suchlas Diagnose überein, wonach der Autor des CD angeregt durch die intensive Auseinandersetzung mit dem Neuplatonismus – und hier prominent der proklischen Philosophie – eine abgeschlossene und vor allem gedanklich konsistente „summa theologia et philosophia perennis“ vorlegen wollte. Siehe: Suchla, Bettina R.: Dionysius Areopagita, 2008, S.33-35.
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intelligibilia bis in das „überlichte Dunkel“62 des Einen führt.
Im Gegensatz zu Stangs überdehnt wirkender „apophatic anthropology“ hätte
der Versuch, eine in sich geschlossene, normative Anthropologie des wahren
Menschseins aus dem CD zu extrahieren, meiner Ansicht nach die komplementäre
Relation dreier Aspekte zu berücksichtigen: 1. den ethischen Aspekt der
Vervollkommnung durch asketischen Lebenswandel und rigoros praktizierte
Nächstenliebe;63 2. den gnoseologischen Aspekt fortschreitenden philosophisch-
theologischen Wissens- und Erkenntniserwerbs durch Schrift(en)studium und
Reflexion;64 3. den mystisch-ekstatischen Aspekt einer sowohl gemeinschafts-
bezogenen, theurgisch-gottesdienstlichen, als auch individuell kontemplativen
Frömmigkeitspraxis.65
Unter dem Strich erscheint mir daher auch Stangs Konzept der „apophatic
anthropology“, das sich exklusiv auf den mystisch-ekstatischen Aspekt des wahren
Menschseins kapriziert, als eine überspitzte Simplifizierung des Textes.
Schwerer noch im Bezug auf die Plausibilität seiner Hypothese – und damit
komme ich zur Besprechung ihres dritten und letzten Teils – wiegt allerdings das
Fehlen jedwedes Hinweises im CD auf eine direkte konzeptuelle Verbindung der
schriftstellerischen Aktivität des unbekannten Autors mit Elementen der von ihm
illustrierten mystisch-ekstatischen Frömmigkeitspraxis.
An keiner Stelle der Schriften thematisiert der unbekannte Autor überhaupt
den distinkten Akt des Schreibens! Den Prozess schriftlicher Produktion als
Teilbereich philosophisch-theologischer Wissensvermittlung gedeutet, ließe sich
dieser viel eher im Bereich der Ethik des CD verorten. In diese Richtung weist
zumindest die präzise Rechtfertigung des philosophisch-theologischen Selbstver-
ständnisses des Autors im III. Kapitel der De divinis nominibus.66 Hier wird deutlich,
dass es dem Verfasser mit Blick auf die Grundintention seiner Schriften darum geht,
anderen Christen, die in der kirchlichen Hierarchie unter ihm stehen und
dementsprechend erkenntnismäßig weiter vom Einen entfernt sind, durch den
62 Zur Formulierung des „überlichten Dunkels” in der ,De Mystica Theologia’ 1025,2 siehe: Ritter, Adolf M.: Über die Mystische Theologie und Briefe, 1994, S.76, Z.25.
63 Der ethische Aspekt begegnet vor allem im Briefkorpus. 64 Der gnoseologische Aspekt entfällt weitgehend auf die ,De divinis nominibus’.65 Der mystisch-ekstatische Aspekt trennt sich in den gemeinschaftlichen Bereich der Liturgie, des
gottesdienstlichen Rituals und der theurgischen Praxis nach ,De ecclesiastica hierarchia’auf und den individuell-kontemplativen Bereich der Versenkung, wie er in ,De mystica theologia’ entfaltet wird.
66 Besonders interessant sind diesbezüglich die Stellen: DN 681 B f.; 684 B f.; C f. Zur Übersetzung siehe: Suchla,Beate R.: Die Namen Gottes, 1988, S.39-41.
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Transfer seines Wissens dabei zu helfen, das ihnen jeweils mögliche Maß an
Gotteserkenntnis zu erlangen. Die schriftstellerische Tätigkeit des Autors kann
demzufolge als „Liebesdienst“ an seinen Nächsten, in diesem Fall seinen Adressaten,
interpretiert werden. Als eine Form gelebter Nächstenliebe ist die schriftstellerische
Tätigkeit ihrerseits wiederum eingebettet in das umfangreiche ethische Programm
eines an Vervollkommnung orientierten asketischen Lebenswandels, wie es Suchla
beispielhaft für das CD herausgearbeitet hat.67
Weiterhin seiner verkürzenden Lesart der im CD entfalteten Anforderungen
an das wahre Menschsein verpflichtet ordnet Stang den Prozess schriftlicher
Produktion somit schlicht dem falschen anthropologischen Aspekt zu. Der Schreibakt
ist nicht etwa dem mystisch-ekstatischen Aspekt der Versenkung zuzurechnen,
sondern er fällt in den Bereich des ethischen Aspekts frommer Devotion im Dienst
am Nächsten.
Wie sollte dem praktizierenden Mystagogen im Rahmen seiner schriftlichen
Tätigkeit überhaupt auch nur die Ablösung von der Sinnenwelt gelingen – ganz zu
schweigen von der Stillung seiner Gedanken? Das Schreiben ist allem voran
immerhin auch eine handwerkliche Tätigkeit, ein Akt intentionalen Bewusstseins
also, der als Mindestvoraussetzung zwei offene, auf ein zuhandenes Blatt und die
federführende Hand fixierte Augen für sich reklamiert. Mit anderen Worten: der
Mystagoge würde sich mit einiger Wahrscheinlichkeit davor hüten, den Versuch zu
unternehmen, seiner Ekstase gewissermaßen entgegen schreiben zu wollen – und
vom aktuellen Widerfahrnis einer Ekstase her zu schreiben, fehlten ihm schlicht die
Worte.68
Allenfalls assoziativen Ursprungs scheint schließlich auch das Konzept eines
„peculiar understanding of time and writing in the late antique Christian East“, das
Stang, wie oben beschrieben, als Zusatzannahme für die Plausibilisierung seiner
Hypothese angeführt hatte. Abgesehen davon, dass zwei Beispiele sicherlich nicht
ausreichen, um den extensiven Deutungsanspruch eines literaturtheoretischen
Konzepts ausreichend zu fundieren, ergeben sich zudem weder materialiter noch
formaliter echte Parallelen von Johannes Chrysostomos einerseits und dem
anonymen Verfasser der Thekla-Hagiographie anderseits zur Pseudonymität des CD.
67 Siehe: Suchla, Beate R.: Dionysius Areopagita, 2008, S.119-128. 68 Ich spiele hier auf die Unsagbarkeit des mystischen Geschehens der Einung, bzw. dem
Anteilnehmen am Einen an, wie es innerhalb des CD in ,De mystica theologia’ seinen prägnantesten Ausdruck findet.
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Weder bittet der unbekannte Autor des Korpus' um die hilfespendende
Einwohnung eines Apostels, bzw. in seinem konkreten Falle die eines Apostel-
schülers, noch berichtet er davon, dass ihm beim Schreiben während einer „waking
vision“69 ein(e) Heilige(r) begegnete. Im Gegenteil ist es der unbekannte Verfasser
selbst, der die narrativen Anstrengungen einer „Zeitreise“ auf sich nimmt, wobei ihm
die „Personalakte“ des Dionysius' vom Areopag als idealtypische, historisch-
historisierende Vorlage für die strategische Rückdatierung seines philosophisch-
theologischen Programmes in die Heiligkeitssphäre der apostolische Ära dient. So
sehr sich Stang auch bemüht, seine Pseudonymitätshypothese auf das genuine
„literarischen Gebahren“ spätantiker christlicher Schriftsteller zurückzuführen, seine
Anstrengungen können letztlich nicht überzeugen.
Insgesamt beurteilt, scheinen mir am Ende alle drei Teile von Stangs
Hypothese als ausgesprochen wenig hilfreich, um die philosophisch-theologische
Grundintention des unbekannten Autors angemessen wahrzunehmen, geschweige
denn, um die grundlegenden Motive hinter der Pseudonymität der Schriften auf eine
nachvollziehbare Art und Weise einholbar zu machen. Ferner scheitert Stang in
meinen Augen zugleich mit seinem Anspruch, eine schlüssige Re-Interpretation des
CD liefern zu wollen, wie es sein Aufsatz, aber vor allem auch der programmatische
Titel des von ihm mit herausgegebenen Sammelbandes suggerieren möchten.
Besonders die weitgehende religions- und kulturgeschichtliche Kontextvergessenheit
ist als ein deutliches Defizit seines Unternehmens zu benennen.
3.3. Fazit zum Diskussionsstand
Den zurückliegenden Abschnitt der Arbeit resümierend bleibt nun festzu-
halten: Weder Suchla noch Stang können ihr „mildes“ Urteil – will heißen ihre
jeweilige Apologie des Korpus' bezüglich eines Verdachts der Vorspiegelung falscher
Tatsachen – auf das Selbstverständnis des Autors, oder ein zumindest milieuweise
„normalverteiltes“ Autorenverständnis „jener alten Zeiten“ gründen.
In Abgrenzung zu beiden Autoren halte ich es nicht nur für sinnvoll, sondern
für einzig angemessen, im Hinblick auf den motivatorischen Hauptgrund für die
Pseudonymität von einer bewussten Verdunklung der realen Entstehungshinter-
gründe zu sprechen. Weiter bin ich davon überzeugt, dass es unter der Voraussetzung
einer strikten Reduktion des Erkenntnisinteresses allein auf die Beantwortung der die
69 Stang, Charles M.: Dionys, Paul and the Significance of the Pseudonym, 2009, S.20.
17
Pseudonymität betreffenden Warum-Frage hinreicht, den mittels der suggerierten
Autorenschaft des Areopagiten gestifteten Autoritätswert des Korpus' und damit eng
verknüpft den erhofften Schutz vor Zensur, oder gar persönlichen Repressalien gegen
den Autor selbst stark zu machen. Allerdings – an dieser Stelle ist Suchla Recht zu
geben – verrät die exakte Wahl des Pseudonyms in Verbindung mit der besonders
durch das Briefkorpus geleisteten, fiktiven Rahmung der Schriften in der Tat weit
mehr über den exakten Entstehungszusammenhang und das spezifisch-inhaltliche
Programm des Autors.
Im Folgenden möchte ich daher Suchlas Vorschlag einer durch den
zeitgeschichtlichen Kontext informierten Lesart der Motivation des Werkes zu einer
diskurstheoretisch geleiteten Rekonstruktion der Entstehungsumstände des CD
ausarbeiten. Nur von hier aus, so meine ich, also ausgehend von einer Vergegen-
wärtigung der historischen Lebenswelt des Autors, konkreter des entsprechenden
religiokulturellen Makrokontextes und seiner diskurstheoretischen Fundamental-
dimension, erschließt sich dem heutigen Interpreten ein gangbarer Weg hin zu einem
tiefenscharfen Verständnis der Agenda und der mit ihr untrennbar gekoppelten
pseudonymen Form des Schriftenkorpus.
4. Religions- und kulturgeschichtliche Rekontextualisierung
Wie bereits der zu Beginn der Arbeit erfolgte Hinweis auf die wissenschaft-
lich favorisierte Beheimatung der Schriften im syrischen Raum nahelegt, hat sich ein
Rekonstruktionsversuch der Entstehungssituation des CD vor allem auf den Osten
des Reiches zu konzentrieren. Im Mittelpunkt der religions- und kulturgeschicht-
lichen Rekontextualisierung stehen dabei die wesentlichsten religions- und bildungs-
politischen Maßnahmen der frühbyzantinischen Potentaten, sowie deren mittel- und
unmittelbare Auswirkungen.
Die Gründe dafür, weshalb ich die religiokulturelle Rekontextualisierung der
Schriften aus dem Blickwinkel kaiserlicher Maßnahmen entwerfen werde, sind
schlicht pragmatischer Natur: Zunächst einmal gingen die maßgeblichen kirchen-
und bildungspolitischen Entscheidungen in letzter Konsequenz jeweils von den
Kaisern aus. Ferner lässt sich aus dieser Perspektive die diskurstheoretisch
begründete Fundamentalproblematik am besten darstellen, deren Verständnis sowohl
für die Interpretation des Programmes als auch der Pseudonymität des CD von hoher
Bedeutung ist: Die Rede ist von der prekären Situation, theologisch-dogmatisch
18
verkapselte Wahrheitsfragen – wohl oder übel – auf dem Wege politischer Diskurse,
also durch Konsens- bzw. Kompromissentscheide klären zu sollen; oder aber ihre
Entscheidung gar gewaltsam durchsetzten zu müssen.
Zunächst empfiehlt es sich der Übersichtlichkeit halber, die angesprochenen
religions- und bildungspolitischen Maßnahmen grob in zwei unterschiedliche
Kategorien zu gliedern: Erstens handelt es sich um jene spezifisch inner-christlichen,
also kirchenpolitisch gerichteten Maßnahmen, worunter autoritative Ein- und
Übergriffe „profaner“ Macht in ekklesiale Angelegenheiten auf der einen und
theologisch-dogmatische Kontroversen auf der anderen Seite zu verstehen sind; und
zweitens um jene religions- und bildungspolitischen Maßnahmen des herrschaft-
lichen Souveräns, die an die Anhänger und Repräsentanten dezidiert paganer, nicht-
christlicher Kulte, Religionen und philosophisch-weltanschaulicher Lehren adressiert
waren. Sinnvoll und ihrem Gegenstand angemessen ist eine solche Einteilung, da sie
sich an den jeweiligen Auffassungen der Herrscher orientieren kann, die ebenfalls
von zwei klar differenzierbaren Adressatengruppen ausgingen.
Dass sich nichtsdestoweniger eine eindeutige Unterscheidung zwischen
christlich orthodoxer und heterodoxer, bzw. pagan-häretisierender Gesinnung nicht
überzeitlich markieren lässt und insofern immer wieder um die „korrekte“ Setzung
der Grenzmarkierungen gerungen werden muss, wird sich im weiteren Verlauf der
Darstellungen als eine zweite, diskurstheoretisch begründete Voraussetzung zum
Verständnis der Pseudonymität herausstellen.
Der historischen Fragestellung, ob die religions- und bildungspolitischen
Maßnahmen der Staatsoberhäupter von Konstantin an jeweils als Resultat
individueller Glaubensüberzeugung, mithin eines frommen Sendungsbewusstseins,
oder demgegenüber als Resultat eines instrumentalen, von machtpolitischen
Interessen geleiteten Kalküls zu beschreiben sind, kann sich im Rahmen dieser
Untersuchung guten Gewissens enthalten werden. Die Arbeit muss sich nicht an der
methodisch gesehen unmöglichen Möglichkeit, „to make a window into men's
souls“70 abarbeiten, wie sie bereits vor über zweihundert Jahren von Edward Gibbon
in seiner ,History of Decline and Fall of the Roman Empire’71 pointiert formuliert
70 Siehe dazu: Straub, Johannes: Gibbons Konstantin-Bild, in: ders. Regeneratio Imperii. Aufsätze über Roms Kaisertum und Reich im Spiegel der heidnischen und christlichen Publizistik, Bd. 2, Darmstadt 1986, S.271.
71 Gibbon, Edward: The History of the Decline and the Fall of the Roman Empire, 6 Bde., London 1776-1788, hrsg. v. J. B. Bury, 7 Bde., London 1900.
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worden ist.72 Im gegenwärtigen Zusammenhang reicht die heuristische Annahme,
dass jeder Machthaber, der sich für die voranschreitende Etablierung des
Christentums als römische Staatsreligion eingesetzt hat, in Handlungs-Einstellungs-
Konsistenz auch auf die Wirkmächtigkeit der christlichen Religion vertraut hat – ob
aus machtpragmatischen Gründen oder aus einem frommen Sendungsbewusstsein
heraus. Darüber hinaus wird die Darstellung, wie allgemein üblich, stets unter der
methodischen Prämisse, etsi deus non daretur, erfolgen.
4.1. Die kirchenpolitischen Maßnahmen der Kaiser73
Als erste Kategorie stehen nun die wichtigsten kirchenpolitischen Maßnah-
men im Blickfeld der Untersuchung. Während der ersten beiden Jahrhunderte seit
Konstantins Sieg über Licinius im Jahre 324, durch die dem nominellen Augustus
des Westens faktisch die Alleinherrschaft über das gesamte Reichsgebiet zukam,
gelangte das Christentum sukzessive in die Rolle der neuen römischen Staatsreligion.
Der Religionspolitik des großen Flaviers folgend, hofften auch die Augusti nach
Konstantin, über die Förderung einer gesinnungsmäßig christlich geprägten
Sozialstruktur den salus rei publicae, das Heil des Reiches, seinen innenpolitischen
Frieden, und damit die Voraussetzung für imperiale Stärke und Stabilität
sicherzustellen.74
An dieser sich allmählich durchsetzenden, epochemachenden Kulturwende
konnte letztlich auch die kurze Periode so genannter heidnischer Restauration unter
Kaiser Julian in den Jahren 361-363 nichts ändern.75 Als gescheitertes Experiment
war das religionspolitische Reformprogramm des als Apostaten in die Geschichte
eingegangenen letzten flavischen Augusten eher noch der abschließende Aufweis für
die Unumkehrbarkeit der in Gang gesetzten religiokulturellen Makrodynamik.
Doch die voranschreitende christlich codierte „Symbolmonopolisierung“76
des Reiches war für die spätantiken Herrscher von Anfang an ein zweischneidiges
72 Siehe dazu auch: Lehmeier, Eva – Gottlieb, Gunther: Kaiser Konstantin und die Kirche, in: von Schlange-Schöningen, Heinrich (Hrsg.): Konstantin und das Christentum. Neue Wege der Forschung, Darmstadt 2007, S.150-171.
73 Soweit es den historischen Aspekt meiner Darstellung betrifft, halte ich mich im Folgenden aus pragmatischen Gründen überwiegend an: Hauschild, Wolf-Dieter: Lehrbuch der Kirchen- und Dogmengeschichte. Alte Kirche und Mittelalter, Bd.1, Gütersloh 32007, S.177-203.
74 Siehe dazu: Lehmeier, Eva – Gottlieb, Gunther: Kaiser Konstantin und die Kirche, 2007, S.150.75 Zu Kaiser Julian siehe: Rosen, Klaus: Julian. Kaiser, Gott und Christenhasser, Stuttgart 2006, S.
226-344.76 Zum Konzept des Symbolmonopols siehe: Berger, Peter L. – Luckmann, Thomas: Die
gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie, Frankfurt am Main 2009, S.130ff.
20
Schwert. Auf der einen Seite eignete sich das Christentum als missionarische
Offenbarungs-, Schrift- und Bekenntnisreligion hervorragend dazu, eine über
symbolische Vermittlung konstituierte, intersubjektive Fundamentalwirklichkeit zu
objektivieren; und auf diese Weise in einem beständig an ethnischer und kultureller
Diversität gewinnendem Weltreich die Genese einer einheitsstiftenden Gesellschafts-
mentalität und eines sozialen Zusammengehörigkeitsgefühls zu fördern.77
Auf der anderen Seite aber hing die Stabilität des Reiches – und damit die
Souveränität seiner Herrscher – nun gleichzeitig auch an theologisch-dogmatischen
Streitfragen in all ihrer sprachlichen und gedanklichen Diffizilität. So sehr also die
Herrscher mit dem Christentum auf eine über lange Zeiträume hinweg autonom
herangewachsene und sich überregional selbstorganisierende Formation sozialer
Netzwerke als Entlastungsgaranten ihrer Innenpolitik bauen konnten, so sehr standen
sie letztlich auch in der Gefahr, sich auf eine Religion zu stützen, die – zumal unter
erhöhtem Kohärenzdruck – drohte, sich an intern be-, bzw. entstehenden
Deutungsdifferenzen auseinander zu dividieren.78 Jederzeit konnte die religiös
induzierte concordia des Staates ausgelöst von theologischen oder ekklesialen
Streitigkeiten in discordia umschlagen, konnte das Heil(s)mittel zum Gift werden.
Wie ein Damoklesschwert hing die potentielle Gefahr eines kirchlichen Schismas
über dem Reich und bedrohte dessen Einheit von innen her.
Sollte deshalb sinnvollerweise an der Idee einer kohärenten, ihrer Aufgabe
mächtigen, christlichen Staatsreligion festgehalten werden, mussten die Herrscher in
der Lage sein, von staatlicher Seite her auf die Sphäre kirchlicher Entscheidungs-
findung einzuwirken. Wenn sich daher mit der Ablösung der alten Staatsreligion
durch das Christentum das Verantwortungsbewusstsein der Kaiser für die Pflege der
vera religio keinesfalls grundlegend geändert hatte, so ergab sich dennoch eine wich-
tige Neuerung für die Religionspolitik seit Konstantin: Christliche Herrscher konnten
ihre religions-politischen Maßnahmen nicht länger auf die ihrer Person qua kaiser-
licher Titulatur zuerkannte priesterlich-sakrale Autorität eines pontifex maximus
stützen.79
77 Zur Konstruktion einer intersubjektiv verbindlichen Wirklichkeit über symbolische Vermittlung siehe: Ibid.
78 Mit dem Konzept des Christentums als einer sich überregional selbstorganisierenden Formation sozialer Netzwerke spiele ich auf Niklas Luhmanns systemtheoretische Grundlegung der Religionssoziologie an. Siehe dazu: Luhmann, Niklas: Die Religion der Gesellschaft, Frankfurt am Main 2002.
79 Wenngleich erst Theodosius I. den Titel des pontifex maximus ganz ablegte. Siehe dazu: Hauschild, Wolf-Dieter: Alte Kirche und Mittelalter, 2007, S.156.
21
Als Bedingung der Möglichkeit, trotz dieses Verlusts an Sakralität wirkungs-
voll für die Verfügbarmachung einer weitgehend homogenen, christlichen
Staatsreligion einzutreten, war deshalb eine geeignete staatlich-institutionelle
Handhabe notwendig, die es den Kaisern erlaubte, teils mediierend, teils steuernd
Einfluss auf die höchsten Ebenen theologischer und ekklesialer Entscheidungs-
findung zu gewinnen. Die maßgeblichen Vorkehrungen zur Etablierung eines solchen
kirchenpolitischen Instrumentariums, das den Kaisern auf institutionellen Umwegen
den Wiedereintritt in die Situation aktiver Einflussnahme auf inner-religiöse
Entscheidungsprozesse ermöglichen sollte, hatte bereits Konstantin getroffen.
In diesen Zusammenhang fällt allen voran die Weiterentwicklung regionaler
und überregionaler Bischofsversammlungen zu ökumenischen Kirchenkonzilien. Als
jurisdiktive Letztinstanzen sollten Reichssynoden sowohl in dogmatisch-theolo-
gischen, als auch in kirchenpraktischen Fragen allerhöchste Autorität und damit
katholische Geltung besitzen. Wenn man so will, lassen sich ökumenische
Kirchenkonzilien als kaiserlich-ekkesiale „Spitzendiskurse“ klassifizieren, die ge-
wissermaßen „sub specie aeternitatis“ über den orthodoxen Glauben zu entscheiden
hatten.80
Sowohl die Einberufung als auch die Ausrichtung dieser Spitzendiskurse
oblagen dem Kaiser. Unter seiner Aufsicht, respektive der seiner Legaten, sollte eine
repräsentative Auswahl an Bischöfen verbindliche „Standards“ für die Lehre, die
Praxis und die Organisation der Kirche festlegen. Zumeist erfolgte die Entschei-
dungsfindung dabei direkt über einen Vorschlagsentwurf aus den Reihen des Kaisers
und seiner theologischen Berater, der in der Folge durchsetzungsfähig gemacht
wurde. Die Ergebnissicherung der Reichssynoden sollte über eine Politik systema-
tischer Repression gewährleistet werden, Kritiker und Abweichler wurden im
Normalfall durch Exilierung und Lehrverbot bestraft.
Verbunden mit der sich verändernden religionspolitischen Situation,
unterlagen nun allerdings kirchliche Strukturen vermehrt einem Prozess der
Institutionalisierung, Hierarchisierung und Politisierung. So erfuhr z.B. die gesell-
schaftliche Bedeutung des Episkopats eine nachhaltige und folgenreiche Aufwertung.
Gerade in den Metropolen des Reiches wurde der Bischofsstuhl zu einem profilierten
und mit allen Mitteln umkämpften Amt von hohem gesellschaftlichen Status und
80 Ich orientiere mich maßgeblich am Diskursbegriff von Michel Foucault, wie er ihn in seiner Inauguralvorlesung am Collège de France entwickelt hat. Siehe: Foucault, Michel: Die Ordnung des Diskurses. Mit einem Essay von Ralf Konersmann, Frankfurt am Main 112010, S.9-49.
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einer politischen Geltung, die weit über die Grenzen der Kirche hinaus reichte.
Außerdem griff die Politisierung auch auf das sich herausbildende Mönchstum über,
womit in der Folge nicht selten gewaltförmige Exzesse einhergingen. Insbesondere
aber auch die Bestimmung der internen Hierarchieverhältnisse unter den
Patriarchaten wurde in diesen Transformationsprozess hineingerissen – mit irrever-
siblen Folgen für die Kircheneinheit. Immer mehr geriet die seit Jahrhunderten
ausstehende Klärung der Frage nach der dogmatisch-theologischen Deutungshoheit,
zu einem erbitterten Kampf um die innerkirchliche Vormachtstellung und damit um
reichsweiten Einfluss und politisches Prestige. In der Folge eigneten sich
theologische Streitfragen immer zugleich auch als – mehr oder weniger günstige –
Gelegenheiten, um die kircheninterne „Hackordnung“ der Patriarchate auszufechten.
Symptomatisch standen selbst lokale oder regionale Auseinandersetzungen in der
Gefahr, sich zu reichsweiten Kontroversen auszuwachsen, sobald die beteiligten
Parteien an verschiedene Patriarchen appellierten.
Da sich die ekklesialen Machtkämpfe der Patriarchate im Rahmen dog-
matisch-theologischer Kontroversen mit der Entscheidung über Wahrheitsfragen
verschränkten, entstanden regelmäßig dilemmatische Situationen, die es den Kaisern
im Rahmen ökumenischer Kirchenkonzile nur in Ausnahmefällen erlaubten,
einheitsstiftend oder zumindest deeskalierend zwischen den beteiligten Parteien zu
vermitteln. Denn ließen sie sich von einer der Parteien überzeugen und engagierten
sich – in der Regel vorentscheidend – für deren Position, so fühlten sich jeweils die
Vertreter der „unterlegenen“ Parteien übergangen, ihrer theologischen Autorität
beraubt und um die Wahrheit gebracht. Versuchten die Kaiser hingegen einen
theologischen Kompromiss zwischen den vorgebrachten Positionen zu erzielen,
sahen sich tendenziell die Vertreter aller beteiligten Parteien um die Wahrheit
betrogen und dies aus einem diskurstheoretisch gut nachvollziehbaren Grund heraus:
Wahrheitsfragen, zumal des Glaubens, entziehen sich per definitionem einer Klärung
durch Kompromissentscheid!81 Die christliche Religion jedenfalls, die sich bekan-
ntermaßen seit neutestamentlicher Zeit vorwiegend auf das Wahrheitskriterium des
81 Peter Janich verweist auf die unterschiedliche Konstitution religiöser und säkularer Diskurse. Ich stimme mit ihm darin überein, dass genuin religiöse Diskurse zumeist auf dem Prinzip von Autoritätswahrheiten basieren. Ein Blick auf die Fülle der neutestamentlichen Pseudepigraphen, sowie die Idee der apostolischen Sukzession genügt, um diese These zumindest für das antike Christentum zu bestätigen. Siehe dazu: Janich, Peter: Was ist Wahrheit? Eine philosophische Einführung, München 32005, S.58.
23
argumentum ad verecundiam82, des personenabhängigen Autoritätsbeweises, als
Ordnungsprinzip ihrer zahlreichen theologischen und glaubenspraktischen Diskurse
stütze, ließ sich nicht auf Dauer durch kompromissorientierte Kommunikations-
prozeduren zu einer orthodoxen Einheit verschweißen. Das zeigt der Blick in die
Geschichte deutlich.
Im Gegenteil standen Konzilien eher in der Gefahr, Differenzbestände zu
konsolidieren und damit zentrifugale Dynamiken zu intensivieren, als zu helfen, den
diskursiven Raum der Orthodoxie letztgültig und vor allem konsensfähig abzu-
stecken. Schließlich brachte es die unmittelbare Konfrontationssituation der
Konzilien mit sich, dass die sich zwischen den beteiligten Parteien dialektisch83
herausbildenden, bekenntnismäßigen „Grenzverläufe“ in größtmöglicher Deutlich-
keit hervortreten konnten, was wiederum positive Verstärkungs- und Polarisations-
effekte für jeweils gruppenintern stattfindende Sondierungs- und Identitätsbildungs-
prozesse nach sich ziehen musste.84
Noch weniger geeignet, auf längere Sicht ekklesialen Frieden zu stiften,
waren freilich von kaiserlicher Seite oktroyierte Entscheidungen. Ebenso wenig
trugen begleitend eingeleitete Sanktionsmethoden, wie Zwangsexilierung und
Lehrverbot, die den oft zähneknirschend akzeptierten Kompromissen, respektive von
kaiserlicher Seite erzwungenen Autoritativentscheidungen, flächendeckend zur
Durchsetzung verhelfen sollten, zum Gelingen dauerhafter Orthodoxie und
Kircheneinheit bei. Mögen solche Prozeduren kurz nach einem Konzil mitunter auch
die vordergründige Katholizität der Entscheidungen bewirkt haben, unter der
82 Wenngleich hier strikt im Sinne der sprachanalytischen Tradition der angelsächsischen Philosophie die Definition des argumentum ad verecundiam im Artikel zu „informal fallacies“ verhandelt wird, siehe: Audi, Robert (Hrsg.): The Cambridge Dictionary of Philosophy, Cambridge 22009, S.433-434.
83 Mit dem Konzept einer dialektischen Entwicklung der verschiedenen theologischen Positionen und „Parteien“ rekurriere ich auf die Wissenssoziologie Peter L. Bergers und Thomas Luckmanns, sowie auf George H. Meads sozialpsychologische Identitätstheorie. Sowohl die Überlegungen Berger/Luckmanns in ,Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit’ – im Anschluss an die Anthropologie des frühen Karl Marx – als auch Meads Leitgedanken in ,Geist – Identität – Gesellschaft’ bauen auf Friedrich Hegels Konzept von (sozialer) Dialektik auf, wie dieser es in seiner ,Phänomenologie des Geistes’ am Beispiel der Herr-Knecht-Relation entwickelt hatte. Siehe dazu: Jörisson, Benjamin: George Herbert Mead: Geist, Identität und Gesellschaft aus der Perspektive des Sozialbehaviorismus, in: Jörisson, Benjamin – Zirfas, Jörg (Hrsg.): Schlüsselwerke der Identitätsforschung, Wiesbaden 2010, S.87-108. Außerdem: Berger, Peter L. – Luckmann, Thomas: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit, 2009, S.1-20.
84 Vom sozialpsychologischen Standpunkt aus beurteilt handelt es sich hier um das mittlerweile gut dokumentierte und allgemein anerkannte Phänomen der gruppendynamischen Verstärkung, bzw. Polarisation, das während gruppenbasierten Entscheidungsprozessen von hoher Bedeutung ist. So ließ sich unter anderem nachweisen, dass die in einer Gruppensituation gefällten Entscheidungen in der Regel extremer ausfallen als die Entscheidungen einzelner Probanden vor der Gruppenphase. Siehe: Sader, Manfred: Psychologie der Gruppe, München 92008, S.17.
24
Oberfläche brodelten die konkurrierenden Machtansprüche der unterschiedlichen
Parteien meist weiter.
Wo allerdings den kirchenpolitischen Maßnahmen der Kaiser während der
trinitarischen Kontroversen des 4. Jahrhunderts immerhin noch ein relativer Erfolg
beschieden war und sich durch die mit großem Nachdruck geführte Konzilienpolitik
immer wieder eine weitgehende Einheit der Kirchentümer herzustellen ließ,
scheiterte das „Unternehmen Staatskirche“ im 5./6. Jahrhundert, also gerade zu
Lebzeiten des Autors des CD, zusehends. Zumal im griechischen Osten des Reiches,
wo – abgesehen vom donatistischen Schisma in Nordafrika – theologischer Konsens
in den entscheidenden dogmatischen Fragen durchgehend schwerer zu haben war als
im lateinischen Westen, hatte die kaiserliche Kirchenpolitik nun zu einem
erheblichen Teil kontraproduktive Auswirkungen auf die Kircheneinheit.
Ein Datum von entscheidender Bedeutung bildet in diesem Zusammenhang
das vierte ökumenische Reichskonzil, das im Jahre 451 vom oströmischen Kaiser
Markian und seiner Frau Pulcheria nach Chalkedon in Bithynien einberufen wurde.
Ziel des größten und bestdokumentiertesten Konzils der Alten Kirche war es, die
bestehenden christologischen Streitigkeiten zwischen Miaphysiten und Dyophysiten
zu beenden, die sich in den zurückliegenden Jahrzehnten sukzessive zu einer ernsten
Bedrohung der kirchlichen Einheit und des innenpolitischen Frieden des Reiches
zugespitzt hatten.
Ausgelöst durch den Nestorianischen Streit der Jahre 428-431 hatten sich die
bis dato unter der Oberfläche einer scheinbaren, dogmatischen Kircheneinheit
verborgen, christologischen Meinungsverschiedenheiten erstmals zu einer offenen
Auseinandersetzung von ökumenischen Ausmaßen aufgeschaukelt. Besonders brisant
war diese Entwicklung, da hier – wie schon im Arianischen Streit ein Jahrhundert
zuvor – dogmatisch-theologischen Meinungsverschiedenheiten mit erbittert
geführten innerkirchlichen Machtkämpfen zu einem schwer durchsichtigen Problem-
komplex verschränkt waren.
Weder die von Kaiser Theodosius II. initiierte, jedoch desaströs gescheiterte
Reichssynode von Ephesus im Jahre 431, noch die zwei Jahre später folgende
Unionsformel von 433, die ebenfalls einen reichsoffiziell sanktionierten Schlicht-
ungsversuch darstellte, vermochten die Hitze der Kontroverse erfolgreich
abzukühlen. Faktisch herrschte seit 431 beständig ein tiefschneidender Dissens
zwischen Miaphysiten und Dyophysiten, dessen völlige Eskalation nur mit Mühe
25
zurückgehalten werden konnte. Von einer dogmatischen und darauf gründend einer
ekklesialen Einheit des Reiches konnte seither jedenfalls nur noch eingeschränkt die
Rede sein.
Unmittelbar vor Chalkedon verschärfte sich die Situation nun ein weiteres
Mal. War der bestehende Dissens der beiden Parteien, inklusive der jeweils implizit
mitverhandelten Machtansprüche der Patriarchate, für beinahe 20 Jahre weitgehend
unter der Oberfläche des Tagesgeschäftes verborgen geblieben, so brach dieser im
Eutychianischen Streit der Jahre 448-451 erneut offen und noch dazu in qualitativ
gesteigerter Form hervor.
Steigerung erfuhr das einheitsgefährdende Konfliktpotenzial der Kontroverse
dabei insbesondere durch die sich im Vergleich zum Nestorianischen Streit verän-
dernde Rolle Roms. Anders als während des Nestorianischen Streits, in dessen
Rahmen der römische Bischof lediglich als Allianzpartner Alexandrias aufgetreten
war, um sich gegen Konstantinopels Ansprüche als gleichrangige Appellationsinstanz
zu behaupten, bildete Rom nun eine eigenständige Größe, die sowohl für eine eigene
theologische Konzeption einstand, sowie expliziten Anspruch auf das inner-
kirchliche Jurisdiktionsprimat erhob. Letzteres wurde erheblich von der Ratlosigkeit
Theodosius' II. begünstigt, der sich selbst an die Autorität des römischen Bischofs
gewandt hatte.
Nicht weniger als die Wiederherstellung der Kircheneinheit und damit
untrennbar verknüpft die Bewahrung des inneren Friedens des Reiches standen
demnach im Fokus der Zielsetzung, als direkt nach dem Tod Theodosius' II. im Juli
des Jahres 450 seine Schwester, die neue Kaiserin Pulcheria und ihr Ehemann Kaiser
Markian die notwendigen Vorbereitungen für eine Reichssynode trafen. Erreicht
werden sollte dieses Ziel über die Zurückweisung der als häretisch aufgefassten
Extreme des radikal dyophysitischen Nestorianismus auf der einen und des radikal
miaphysitischen Eutychianismus auf der anderen Seite.
Auf den ersten Blick mochte das Ergebnis der Synode durchaus noch nach
einem gelungenen Kompromiss, einer dogmatischen Ausgleichshandlung zwischen
den jeweils gemäßigten Anhängern des Miaphysitismus und des Dyophysitismus
aussehen. Genauer betrachtet enthielt die 27 Glieder umfassenden Lehrformel des
Chalkedonese allerdings unter dem Anschein diplomatischer Ausgeglichenheit eine
klare dyophysitische Konzession der kaiserlichen Kommission an die Adresse Roms,
die damit die Kompromissbereitschaft der vor allem in Westsyrien, Palästina und
26
Ägypten zahlenmäßig dominierenden Miaphysiten dramatisch überschätzt hatte.
Nachdem die machtpolitische Souveränität des westlichen Reichsteils in den
letzten Jahrzehnten zunehmend an Stabilität verlor, hoffte das Kaiserpaar Pulcheria
und Markian ihren Einfluss im Westen über kirchliche Strukturen weiterhin aufrecht
erhalten zu können und wollte deshalb auf keinen Fall ein Schisma mit der
Westkirche und deren profiliertem Oberhaupt, dem Bischof von Rom, riskieren. Das
Resultat war katastrophal. Letztlich gelang es weder, zwischen den dogmatisch
zerstrittenen Parteien zu vermitteln, noch eine Regelung des theologischen und
ekklesialen Jurisdiktionsverhältnisse der Patriarchate zu etablieren. Trotz seiner
später für die orthodoxe, katholische und auch evangelische Kirche konstitutiv
Bedeutung, manifestiert das Chalkedonese nicht zuletzt auch eine dogmatisierte
Problemanzeige, ein Symbol der bis heute unauflöslich gebliebenen Differenz
zwischen Miaphysiten und Dyophysiten.
Trotz dem Einsatz des üblichen Unterdrückungsinstrumentariums gegen die
Abweichler war es Kaiser Markian und seinen Nachfolgern nicht mehr möglich, eine
übergreifende Kircheneinheit zu realisieren. Zwar approbierte der Westen die
Beschlüsse der Reichssynode bis auf das 28. Glied der Lehrformel, das Konstan-
tinopel als gleichrangige Appellationsinstanz vorsah, einspruchslos, im Osten aber
provozierte das Chalkedonese auf Dauer schismatische Verhältnisse.
In der Folge mussten sich die Regenten des Ostens jeweils zu dieser
innerkirchlichen Disharmonie verhalten und befanden sich damit in vielerlei Hinsicht
in einer kirchenpolitischen Zwickmühle. Dass die zerbrochene kirchliche Einheit in
der Tat auch staatspolitischen Sprengstoff barg, wird besonders im Bezug auf die
Usurpation des Basiliscus deutlich, der sich im Jahr 475 gegen Kaiser Zenon erhoben
hatte. Sein vorübergehender Erfolg begründete sich nicht zuletzt auf der durch ihn
vertretenen Rücknahme des Chalkedonese, die ihm die Unterstützung der zahl-
reichen und, wie gesagt, in machen Teilen des Ostreiches dominierenden Anhänger
des Miaphysitismus sicherte.
Im Jahr 482 sah sich Kaiser Zenon schließlich nach wiedererlangter
Herrschaft endgültig dazu gezwungen, den Miaphysiten entgegenzukommen, um
seine Herrschaft für die Folgezeit zu sichern. Deshalb erklärte er das Henotikon, eine
vom konstantinopolitanischen Patriarchen Acacius formulierte Einigungsformel zum
Reichsgesetz. Auch diese kirchenpolitische Maßnahme offenbarte nur die dilem-
matische Situation der Machthaber. Zwar sicherte das Henotikon dem Kaiser die
27
innenpolitisch dringlich nötige Unterstützung der Miaphysiten, durch deren
Profilierung sich auf der anderen Seite aber wiederum der Widerstand der Verfechter
des Chalkedonese konsolidierte und im Jahr 484 schließlich sogar zur formalen
Aufkündigung der Kircheneinheit durch den römischen Bischof Felix III. führte. Das
nach dem konstantinopolitanischen Patriarchen benannte Acacianische Schisma
zwischen Ost- und Westkirche hatte weit über den Tod Kaiser Zenons bis ins Jahr
518 Bestand.
Erst die von Justin I. begonnene und von seinem Neffen Justinian erfolgreich
weitergeführte und erweiterte Restaurationspolitik erreichte zumindest wieder eine
vorübergehende Verständigung mit der Westkirche. Unter dem Vorzeichen des Neo-
chalkedonismus, der die Erweiterung des Chalkedonese durch die theopaschitische
Formel „einer aus der Trinität ist inkarniert und hat im Fleisch gelitten“85 vorsah,
revidierte Justin I. das Henotikon, das nach heftigen Widerständen des konstantino-
politanischen Kirchenvolkes unhaltbar geworden war.
Machtpragmatisch gesehen war diese Maßnahme fruchtbarer Boden für
Justinians wenige Jahre später folgende Rückeroberungspolitik des Westen. Der
römische Bischof Hormisdas hatte sich 518 der neuen dogmatischen Sprachregelung
unter der Bedingung der posthumen Verdammung der Kaiser Zenon und Anastasios
I., den Unterstützern des Henotikons, sowie der Bekräftigung der Bekenntnisformel
gegen Nestorianismus und Eutychianismus angeschlossen und ermöglichte mit
diesem diplomatischen Zug die Wiederherstellung der Kircheneinheit.
Durchsetzen ließ sich der klar anti-miapysitisch gerichtete Erneuerungskurs
allerdings nur unter Rückgriff auf rigorose Unterdrückungs- und Verfolgungs-
maßnahmen von reichsoffizieller Seite durch einen Kaiser, der sich selbst als Gottes
Repräsentant auf Erden und damit zur autoritativen Entscheidung theologisch-
dogmatischer Wahrheitsfragen berufen sah. Systematisch wurden miaphysitische
Bischöfe und Kleriker abgesetzt, verfolgt und exiliert.
Als die jedoch die miaphysitische „Partei“ Konstantinopels Kaiser Justinian
während des Nikaia-Aufstandes im Jahr 532 ihre Loyalität zusicherte, lenkte dieser
ein und lud noch im selben Jahr zu einem Religionsgespräch nach Konstantinopel,
das eine Duldung des Miaphysitismus zum Ergebnis hatte – wenn dieser Kompro-
miss auch nur für überschaubare Zeit Geltung besaß. Da eben zu jenem Anlass das
85 Zu dieser Übersetzung siehe wiederum: Hauschild, Wolf-Dieter: Alte Kirche und Mittelalter, 2007, S.201.
28
CD erstmals Gegenstand öffentlicher Diskussion wurde und dieses Datum demnach
mit Sicherheit nach dem terminus ad quem der Abfassung der Schriften einzuordnen
ist, kann eine Darstellung der imperialen Kirchenpolitik an dieser Stelle verbleiben.
Insgesamt gesehen bestätigt sich, was ich zu Beginn der Untersuchungen des
religiokulturellen Makrokontextes bereits angedeutet hatte: Den Kaisern standen
keine suffizienten, ihrer Aufgabe adäquaten, politischen Mittel zur Verfügung, um
der fortschreitenden dogmatisch-theologischen Entfremdungsdynamik innerhalb des
Christentums – insbesondere zwischen den Extrema des Miaphysitismus und
Dyophysitismus – effektiv entgegenwirken zu können. Mit dem Verzicht auf das den
altrömischen Imperatoren qua kaiserlicher Titulatur anvertraute Amt des pontifex
maximus erlitten die christlichen Augusti einen Verlust an Sakralität, der sich in
kirchenpolitischen Belangen nicht vollständig kompensieren ließ. Erschwerend kam
die zunehmende Politisierung der christlichen Religion hinzu, die den notwenig
gewordenen, diskursiven Entscheid über glaubensbasierte Wahrheitsfragen nach und
nach zu einem mit allen Mitteln ausgetragenen Kampf der Patriarchate um die
gesamtkirchliche Vormachtstellung zuspitzte. In konstruktiver Aufnahme der
diskurstheoretischen Gedanken Michel Foucaults liegt es meiner Ansicht nach nahe,
diesbezüglich von einer in der Tat unentwirrbaren Verstrickung von menschlichem
Wahrheitsstreben und dem „allzumenschlichen“ Willen zur Macht zu sprechen, die
den diskursiven Raum der Orthodoxie regelmäßig in die Arena eines erbitterten
„Kirchenkampfes“ verwandelte.86 Der unbekannte Autor sah sich also mit der
prekären Situation eines „herrenlos“ gewordenen und sich zunehmend entzweienden
Diskurses konfrontiert, in den hinein er sein Werk verfasste musste.
4.2. Die religions- und bildungspolitische Maßnahmen der Kaiser
Im Zuge der christlichen Symbolmonopolisierung des Reiches gesellte sich –
wie bereits zu Beginn dieses Abschnitts festgehalten – neben die kirchenpolitische
Aktivität der Kaiser ein zweiter, wechselseitig bedingter Bereich der Religions- und
Bildungspolitik. Er betraf den Umgang mit Anhängern und Repräsentanten paganer
Kulte, Religionen und philosophisch-weltanschaulicher Lehren.
Soweit die Kaiser diesem Aufgabenbereich gemäß einer überwiegend
repressiven oder gar radikal anti-paganen Gesinnung begegneten – was ab Ende des
86 Zu Foucaults Konzept des „wahren Diskurses“, der „seit den Griechen“ eine unauflösbare Verschränkung des „Willens zur Wahrheit“ mit dem menschlichen Streben nach Macht darstellt, siehe: Foucault, Michel: Die Ordnung des Diskurses, 2010, S.16-17.
29
5. Jahrhunderts die vorherrschende Haltung der Kaiser zu treffen scheint – erwiesen
sich die entsprechenden religions- und bildungspolitischen Maßnahmen im
Gegensatz zur stets problembehafteten Kirchenpolitik als weitgehend zielführend
und effektiv:87 Im Rahmen eines bis weit ins 6. Jahrhundert währenden, langsamen
aber stetigen Christianisierungsprozesses wurden bekennende Heiden beinahe restlos
aus führenden Positionen in Politik, Bildung und Militär verdrängt, oder zur Kon-
version gezwungen.88
In diesem Zusammenhang sei exemplarisch die vita des alexandrinischen
Philosophen Horapollon erwähnt, der unter dem Eindruck der im Jahr 484 von
Kaiser Zenon initiierten Heidenverfolgung gezwungenermaßen zum Christentum
übertrat und abata, heidnische Kultplätze, verriet.89 Ähnlich wie Horapollon dürfte es
wohl vielen gesellschaftlich profilierten Heiden ergangen sein.
Ferner wurden im Rahmen der kaiserlichen Religionspolitik explizit-pagane
Kulturanteile, wie etwa nicht-christlicher Kulte, Religionen und philosophisch-
weltanschauliche Lehren entweder bis zur Bedeutungslosigkeit marginalisiert und
schließlich ganz verdrängt, oder aber sie gingen im Kontext der interpretatio
christiana in einer Vielzahl an christlich übergeprägten Synkretismen auf.90
Dergestalt wurde seinerseits aber auch das Christentum in einem synchron
verlaufenden Prozess der Inkulturation durch die von ihm assimilierte pagane Kultur
von innen heraus „hellenisiert“.
Trotzdem – oder gerade auch deshalb – ließ sich auch im Bezug auf das
pagane Erbe des Christentums der diskursive Raum der Orthodoxie nie eindeutig und
für alle Zeiten gültig festlegen und gegen Häresien abgrenzen. Dabei setzte sich in
der Unsicherheit der Unterscheidung von Orthodoxie und paganisierender Häresie
lediglich die prinzipielle Unschärfe der Grenzmarkierung zwischen christlicher und
römisch-hellenistischer Kultursphäre fort. Kategorisch zu trennen waren beide
87 Wenn sich die Ausführungen hier auch meist auf die Reichshauptstadt Konstantinopel konzentrieren, bietet Heinrich Schlange-Schöningen dennoch nützliche Hinweise zum Thema der Christianisierung des Bildungswesens. Siehe: Schlange-Schöningen, Heinrich: Kaisertum und Bildungswesen im spätantiken Konstantinopel, Historia Einzelschriften 94, Stuttgart 1995, S.141ff.
88 Ibid. S.141; 148.89 Ibid. S.153.90 Hervorzuheben ist die erste intensive „Welle“ dezidiert anti-paganer Religionspolitik durch
Theodosius I., in dessen Regierungszeit unter anderem die Zerstörung des Serapeums in Alexandria, die Schließung heidnischer Orakelstätten (z.B. Delphi), das Verbot der eleusinischen Mysterien, ebenso wie das Ende der Olympischen Spiele der Antike fällt. Sein Enkel Theodosius II. befielt 426 gar die Zerstörung aller heidnischen Tempel im Osten. Siehe: Hauschild, Wolf-Dieter: Alte Kirche und Mittelalter, 2007, S.156-157.
30
Sphären schon allein deshalb nicht, weil sich das Christentum bereits von seinen
frühesten Anfängen an maßgeblich im römisch-hellenistischen Mittelmeerraum
entwickelt und ausgebreitet hatte.
Als theoretisches Fundament einer solchen, makroskopisch angelegten
Geschichtsbetrachtung ist noch immer Adolf von Harnacks These zur „Helleni-
sierung des Christentums“91 hilfreich; wenn diese auch ihres normativen Gewandes
entkleidet, d.h. in ihrem „neureformatorischen“ Anspruch entschärft werden muss
und über die Grenzen der Dogmenkritik hinweg für eine allgemein kulturgeschicht-
liche Perspektive fruchtbar zu machen ist. Ohne dabei die jüdische „Volksfrömmig-
keit“ als religiöse Matrix des Christentums in Zweifel ziehen zu wollen, ist in diesem
Sinne Matthias Lutz-Bachmann recht zu geben, wenn er in seinem Aufsatz ,Helleni-
sierung des Christentums?’ konstatiert: „Schon das Judentum der Zeit Jesu sei, wie
auch die Schriften des Neuen Testaments zeigen, nachhaltig durch die geistige
Signatur des hellenistischen Zeitalters bestimmt.“92
Zwischen den Extrema der christlichen Orthodoxie auf der einen Seite und
möglichen paganisierenden Häresien auf der anderen Seite bestand so zu allen Zeiten
eine Art diskursiver Graubereich, ein Grenzstreifen, geistiges „Kulturland“, dessen
Zugehörigkeit, bzw. Zuschreibung, sich gekoppelt an die Transformationsdynamik
des Zeitgeistes stets verändern konnte. Dass sich gerade intellektuelle Christen dieses
religiokulturellen Graubereichs nur allzu bewusst waren, beweist nicht zuletzt der
berühmt gewordene Traumbericht des Hieronymus', der sich angeblich in einem
Nachtgesicht Gottes höchstrichterlicher Anklage ausgesetzt sah, er sei kein Christ,
sondern vielmehr ein Ciceronianer.93
Unter keinen Umständen wollten sich christliche Theologen auf der dem
diskursiven Raum christlicher Orthodoxie abgewandten Seite, also auf dem als
häretisch gebrandmarkten „Hoheitsgebiet“ der heidnischen Kultursphäre verortet
91 Von Harnack schreibt exemplarisch: „Das Einströhmen des Griechentums, des griechischen Geistes, und die Verbindung des Evangeliums mit ihm ist die größte Thatsache der Kirchengeschichte des 2. Jahrhunderts und sie setzt sich, grundlegend vollzogen, in den folgenden Jahrhunderten fort.“ Siehe: von Harnack, Adolf: Das Wesen des Christentums. Sechzehn Vorlesungen vor Studierenden aller Fakultäten im Wintersemester 1899/1900 an der Universität Berlin, hrsg. v. Claus-Dieter Osthövener, Tübingen 2005, S.115, Z.30-33.
92 Lutz-Bachmann, Matthias: Hellenisierung des Christentums, in: Colpe, Carsten – Honnefelder, Ludger – Lutz-Bachmann, Matthias (Hrsg.): Spätantike und Christentum: Beiträge zur Religions- und Geistesgeschichte der griechisch-römischen Kultur und Zivilisation der Kaiserzeit, München 1992, S.83, Z.27-29.
93 Siehe: Müller, Roman: Sprachbewusstsein und Sprachkonvention im lateinischen Schrifttum der Antike, Zetemata – Monographien zur Klassischen Altertumswissenschaft, Heft III., München, 2001, S.71-72.
31
wissen. Schmerzlich waren einige sich dennoch im Klaren darüber, wie unleugbar
nahe sie diesem mit manchen ihrer Gedanken, Überzeugungen und insbesondere
ihrer intellektuellen Vorlieben standen.
Dergestalt perpetuierte sich Tertullians neuralgische Frage, „was nun Athen
mit Jerusalem zu schaffen habe, was die Akademie mit der Kirche, was die Häretiker
mit den Christen“94, zu einer stets virulenten Bekenntnisfrage, an der sich jede Zeit
abzuarbeiten hatte.
Was nun die Religionspolitik der Kaiser zu Lebenszeiten des unbekannten
Verfassers angeht, so zeichnete sich diese durch eine mit unvermindertem Nachdruck
geführte Reinigungs- und Abgrenzungsstrategie aus, deren erklärtes Ziel die
Verwirklichung der totalen christlich-codierten Symbolmonopolisierung des oströ-
mischen Territoriums war. Auf der einen Seite traten dadurch die Grenzmarkierungen
zwischen christlicher und paganer Wirklichkeitssphäre immer deutlicher hervor. Auf
der anderen Seite unterlag der eben beschriebene geistig-kulturelle Graubereich
einem nachhaltigen Schrumpfungsprozess.
Besonders anschaulich – wenn auch einige Jahre nach der Abfassung des CD
– offenbart sich diese Tendenz Mitte des 6. Jahrhunderts an der posthumen
Anathematisierung des Origenes' und der im selben Zuge erfolgenden Vernichtung
eines Großteils seiner Schriften. Kaiser Justinian I., der persönlich in diesem
„Häresieprozess“ auf der Seite der Richter auftrat, lässt sich aus seinem ,Edictum
contra Origenem’ mit den richtungsweisenden Worten zitieren: „Was nämlich
anderes als das durch Platon Gesagte, der den Unsinn der Griechen verbreitete, legte
Origenes vor?“95 An diesem Beispiel zeigt sich nunmehr, dass sich der Grenzstreifen
zwischen christlicher Orthodoxie und paganisierender Häresie mitunter auch zu
Ungunsten des gesamten Werkes eines der über Jahrhunderte hinweg einfluss-
reichsten Theologen verschieben konnte.
Auch war es gerade einmal ein gutes Jahrzehnt her, als Kaiser Justinian I.
angetrieben von einem anti-paganen furor im Jahr 529 ein striktes Lehrverbot für
Damaskios, den letzten „diadochos Platons“96, und die übrigen Philosophen der
94 Siehe: Honnefelder, Ludger: Christliche Theologie als „wahre Philosophie“, in: Colpe, Carsten – Honnefelder, Ludger – Lutz-Bachmann, Matthias (Hrsg.): Spätantike und Christentum: Beiträge zur Religions- und Geistesgeschichte der griechisch-römischen Kultur und Zivilisation der Kaiserzeit, München 1992, S.55, Z.1-3.
95 Suchla, Beate R.: Verteidigung eines platonischen Denkmodells einer christlichen Welt, 1995, S.13, Z.12-13.
96 Beierwaltes gebraucht die Bezeichnung des „diadochos Platons“ für Proklos, für den sich ja das Cognomen „diadochos“ nachweisen lässt. Versteht man den Begriff synonym zum Scholarch (der
32
Akademie ausgesprochen hatte – was faktisch das endgültige Aus für Athens
traditionsreichste „Bildungsanstalt“ bedeutete. Nicht umsonst projizierte Justinian I.
seinen anti-hellenistischen furor auch auf die Akademie, war es doch die
neuplatonische „Vereinigungs- und Erlösungsphilosophie,“97 die besonders in
Intellektuellenkreisen eine ernstzunehmende Konkurrenz für das ihr gedanklich
nahestehende christlich-theologische Lehrgebäude darstellte.98
Auf der anderen Seite war vielleicht gerade auch eine Mischung aus
intellektuellem Respekt und geistiger Wahlverwandtschaft von Seiten gebildeter
Christen dafür verantwortlich, dass die Akademie bis ins 6. Jahrhundert hinein relativ
unbehelligt blieb. Schon Augustin hatte in seiner Schrift ,De vera religione’ (IV 7,23)
über zeitgenössische Neuplatoniker durchaus anerkennend bemerkt, „sie bräuchten
nur wenige Worte und Ansichten zu ändern, um selbst Christen zu werden (paucis
mutatis verbis atque sententiis Christiani fierent), wie es denn auch die meisten
Platoniker der jüngeren Zeit getan hätten.“99
Bis zuletzt aber tat sich die Akademie selbst – ungeachtet der damit
verbundenen Gefahren – durch eine erklärtermaßen kritische Haltung gegenüber dem
Christentum hervor.100 Für Zeitgenossen dürfte es daher kaum mehr Wunder
genommen haben, dass sich ein christlicher Kaiser, der sich offenbar für den
legitimen „Mandatar“ Gottes auf Erden hielt, in dieser Sache provoziert sah, ein
Zeichen rigoroser Nicht-Duldung zu setzten.
Abschließend gesprochen kündigte sich also zu Lebzeiten des Autors der
aeropagitischen Schriften ein Übergang der christlichen Symbolmonopolisierung in
ihre letzte und entscheidende Phase an. Der knapp 200 Jahre währende
„Kulturkampf“ konzentrierte sich nunmehr auf die vollständige Ersetzung der
heidnischen Intelligenz101 durch Christen.102 Derart wurde die religiokulturelle
Athener Akademie), so kann man Damaskios den letzten „diadochos Platons“ nennen. Vgl. dazu: Beierwaltes, Walter: Procliana. Spätantikes Denken und seine Spuren, Frankfurt am Main 2007, S.9, Z.1.
97 Zum Terminus der Vereinigungsphilosophie siehe: Heinrich, Dieter: Hegel im Kontext. Mit einem Nachwort zur Neuauflage, Frankfurt am Main 2010, S.19. Die Bezeichnung der Erlösungsphilosophie stammt von Suchla. Siehe: Suchla, Bettina R.: Dionysius Areopagita, 2008, S. 33-35.
98 Ibid.99 Zitiert nach: Schupp, Franz: Geschichte der Philosophie im Überblick Bd.2. Christliche Antike und
Mittelalter, Leipzig 2003, S.63, Z.20-22.100 Suchla spricht sogar von einer „traditionell christenfeindlichen” Haltung der Akademie. Siehe:
Suchla, Beate R.: Dionysius Areopagita, 2008, S.24, Z.16.101 Ich verwende die Kollektivbezeichnung der gesellschaftlichen Intelligenz in einem neutralen,
nicht-marxistischen Sinne.102 Heinrich Schlange-Schöningen rechnet in seiner Studie über die kaiserliche Bildungspolitik im
33
Grenzmarkierung unweigerlich auf Kosten der Anschlussfähigkeit genuin pagan-
philosophischer Einflüsse an die diskursive Sphäre der Orthodoxie verschoben und
durch ein komplexes Raster an Verbots- und Ausschlussprozeduren konserviert.103
5. Das Pseudonym und die autorspezifische Agenda des CD
5.1. Das Minimalziel des Autors
Vor dem eben skizzierten Hintergrund der religiokulturellen Zeitgeschichte
lässt sich nun die exakte Agenda und die mit ihr untrennbar verwobene
Pseudonymität des Schriftenkorpus' entfalten.
Schon die reine Tatsache der Pseudonymität des Werkes weist unmissver-
ständlich auf die durch den unbekannten Autor selbst diagnostizierte, bzw.
antizipierte Verortung seiner philosophisch-theologischen Gedankenwelt im hochge-
ladenen Spannungsfeld eines „Kulturkampfes“ zwischen dem prosperierenden
Christentum und einer im ausgehenden 5. Jahrhundert bereits im Absterben
begriffenen paganen Religions- und Bildungskultur. Und in der Tat: das CD fällt
exakt in eben jenen noch nicht abschließend definierten, kulturellen „Grenzstreifen“
und war damit, wie beschrieben, unmittelbar von dessen fortschreitender Schrum-
pfung bedroht. Jederzeit konnte die geistig-religiöse Heimat des Autors den
Abgrenzungs-, Tabuisierungs- und Ausschlussprozeduren des orthodoxen Diskurses
anheimfallen – wenn ihr dieses Schicksal nicht (insgeheim) schon zuteil geworden
war.
Was daher das Minimalziel der Agenda des CD angeht, so war dem Autor
daran gelegen, speziell (neu-)platonisch präfigurierte Gedankenstrukturen und
Glaubenspraktiken – die neben der christlichen Tradition zu den inkommensurablen
Konstituenten seiner reichhaltigen, religiokulturellen Lebenswelt zählten – im
christlichen Mainstream-Diskurs zu platzieren und so in einer historischen Situation
existentieller Bedrängung vor der Marginalisierung zu bewahren, oder gar zu
rehabilitieren.
spätantiken Konstantinopel bereits für das ausgehende 5. Jahrhundert damit, dass zumindest in Konstantinopel alle offiziell anerkannten Lehrstühle mit Christen besetzt waren. Das eingangs genannte Beispiel des während der Heidenverfolgung am Ende des 5. Jahrhunderts zum Christentum konvertierten alexandrinischen Philosophen Horapollon weist jedoch auf die induktive Erweiterbarkeit der konstantinopolitanischen Zustände zu einer umfassenderen Tendenz hin: An der Schwelle des 5. zum 6. Jahrhundert steht die heidnische Intelligenz im Osten des Reiches kurz vor ihrer restlosen Ablösung durch Christen. Siehe dazu: Schlange-Schöningen, Heinrich: Kaisertum und Bildungswesen im spätantiken Konstantinopel, 1995, S.141.
103 Zum begrifflichen Instrumentarium der Verbots- und Ausschlussprozeduren und ihrer Anordnung in einem komplexen Raster siehe: Foucault, Michel: Die Ordnung des Diskurses, 2010, S.11-12.
34
Demzufolge diente dem unbekannten Verfasser sien Pseudonym als eine Art
Trojanisches Pferd, eine Larve unter der er heterodoxes/häretisierendes104
Gedankengut – das er vorher anonymisiert oder seinerseits wie im Falle der
,Theologischen Grundlehren’ des mysteriösen Hierotheus chiffriert hatte –
unbemerkt zwischen den Kontroll- und Selektionsmechanismen des orthodoxen
Diskurses hindurch schleusen konnte. Gelänge ihm sein ambitioniertes
„Rückdatierungsprojekt“, erreichte also der unter Zuhilfenahme fiktiver Apostolizität
beanspruchte Heiligkeitsstatus seiner Schriften katholische Geltung, würde die
gesamte platonische Tradition seit dem ersten Jahrhundert nach Christus als
depravierende Rezeptionsgeschichte der wahren christlichen Lehre einholbar, wie der
Autor sie im CD vorgelegt hatte.
In die Richtung eines kontrafaktischen, intertextuellen Abhängigkeitsverhält-
nisses der proklischen Philosophie vom CD sollte jedenfalls wenig später schon
Johannes Philoponos als einer der ersten Kommentatoren der areopagitischen
Schriften argumentieren, wobei er sich in seiner Interpretation auf die Selbstaussage
des VII. Briefes verlassen konnte.105
Weshalb aber lancierte der Verfasser sein Werk ausgerechnet unter dem
Pseudonym des Athener Ratsherrn Dionysius Areopagita? Wodurch wurde seine
Wahl begünstigt? Drei Aspekte lassen sich nennen: Erstens bot sich die
„Personalakte“ des Areopagiten dem Autor rein pragmatisch gesehen als ein beinahe
„unbeschriebenes Blatt“ an, das er nach Belieben ausfüllen, interpretieren und
(be-)deuten konnte. Anders formuliert: Die hinsichtlich der realen Existenz des
Areopagiten herrschende Informationsarmut gewährte dem Verfasser größtmöglichen
Spielraum, um eine partielle Neu-, bzw. Uminszenierung der christlichen Urge-
schichte zu entwerfen. Was zu Lebzeiten des Verfasser über Dionysius bekannt war,
beschränkte sich auf die Nachricht seiner Bekehrung durch Paulus, wie sie in der
104 Aus der Sicht des Verfassers des CD beurteilt, handelte es sich freilich keinesfalls um heterodoxes, bzw. häretisierendes Gedankengut, sondern um Gedankengut, von dem er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit annehmen konnte, dass es im diskursiven Raum der Orthodoxie keine Zustimmung finden würde, solange er es unchiffriert kommunizierte.
105 Zu seiner Apologie veranlasst wurde Johannes Philoponos durch die Synode von Konstantinopel auf der die Abhängigkeit des CD von Proklos vermutlich zum ersten Mal ins Gerede gekommen war. Siehe dazu: Suchla, Beate R.: Verteidigung eines platonischen Denkmodells einer christlichen Welt, 1995, S.11-12. Weiter ist anzunehmen, dass sich Johannes Philoponos an die rechtfertigende Haltung des VII. Briefes (Ep. VII. 1080 Bf.) anlehnt, in dem es heißt: „Es sind Heiden, die sich in unfairer Weise der göttlichen Gaben als Waffen wider das Göttliche bedienen, indem sie nämlich die Weisheit, (die doch) von Gott (kommt), zu dem Versuch benutzen, die Ehrfurcht gegenüber Gott auszutreiben.“ Zur Übersetzung siehe: Ritter, Adolf M.: Über die Mystische Theologie und Briefe, 1994, S.94, Z.20-23.
35
Apostelgeschichte überliefert wird, sowie zwei Notizen in Eusebius' Kirchen-
geschichte (III. 4,10; IV 23,3), die Dionysius als Apostelnachfolger und späteren
ersten Bischof Athens identifizieren.106
Trotz der spärlichen Informationslage aber, kam der Personaltradition
zweitens eine formidable Autorität zu, womit sie sich – was sicherlich den
bedeutsamsten Aspekt ausmacht – nach instrumentalen Gesichtspunkten hervor-
ragend eignete, in der diskursiven Sphäre der Orthodoxie als ein gewichtiges
argumentum ad verecundiam zu reüssieren.
Last but not least fand der unbekannte Verfasser in der Person des
konvertierten Heiden zusätzlich ein idealtypisches Symbol, eine glaubhafte Projek-
tionsfläche, auf die er seine eigene religiokulturelle Lebenssituation, inklusive seines
philosophisch-theologischen Programmes, zurückspiegeln konnte. Insofern kommt
an dieser Stelle zu den vorher ausgeführten, instrumental-pragmatischen Aspekten
ein programmatisch-identifikatorischer Aspekt hinzu. Selbstverständlich darf sich
eine Parallelisierung der vita des – trotz alledem – unbekannten Autors mit dem
Areopagiten an dieser Stelle nicht in vagen Spekulationen verlieren.107
Soviel aber ist sicher: Der Autor des CD setzte sich, wie erwähnt, in seinem
VII. Brief – ob prophylaktisch, oder aus bereits gegebenem Anlass – intensiv mit
dem Vorwurf des Vatermordes auseinander. Gemeint ist damit, dass der Verfasser
sich aus dem Lager der „originären“ Vertreter des Neuplatonismus, z.B. der Athener
Akademie, den Vorwurf gefallen lassen musste, sowohl das rituell-religiöse, als auch
das philosophische Erbe Platons an das Christentum verraten zu haben; und damit
metaphorisch gesprochen seinem geistigen Vater hinterrücks den Todesstoß versetzt
zu haben.
Er war sich also, wie oben bemerkt, vollkommen bewusst, wie nahe er der
paganen Kultursphäre stand, wie sehr er doch ein „Wanderer zwischen den Welten“108 war, und dass in seinem Systementwurf nicht etwa christliche Theologie Anleihen
106 Die ,Apostolischen Konstitutionen’, die ebenfalls eine Notiz zu Dionysius enthalten, scheinen mir nicht mehr als eine Elaboration des Textes aus Eusebius' Kirchengeschichte zu enthalten. Siehe dazu: Suchla, Beate R.: Dionysius Areopagita, 2008, S.15-16.
107 Eine solche Spekulation wäre z.B., ob der unbekannte Verfasser nicht selbst vielleicht ein zum Christentum konvertierter Neuplatoniker war. In diese Richtung haben denn bisher auch nicht Wenige argumentiert. Hathaway vermutet gar Damaskios oder seinen Freund und Schüler Heraiscus hinter der Maske des Areopagiten. Siehe: Hathaway, Ronald F.: Hierarchy and the definition of order in the Letters of Pseudo-Dionysius. A Study in the Form and meaning of the Pseudo-Dionysian Writings, Den Haag 1969, S.28-29.
108 So lautet der Untertitel eines Aufsatzes von Helmut Thielicke über Paul Tillich. Siehe: Thielicke, Helmut: Paul Tillich – Wanderer zwischen zwei Welten, in: Hennig, Karl (Hrsg.): Der Spannungsbogen. Festgabe für Paul Tillich zum 75. Geburtstag, Stuttgart 1961, S.9-24.
36
beim Neuplatonismus nahm, sondern vice versa Platon christianisiert und im
Jordanwasser getauft wurde.
Deshalb wird ihm der vormalige Heide Dionysius zur symbolhaften
Identifikationsfigur und zugleich erfährt dessen Bekehrungsgeschichte, in der
unüberhörbar Paulus' Areopagrede resoniert, programmatische Bedeutung: Der
unbegreifliche Gott der Akademie, ebenso wie der unbekannte Gott der Athener, sind
mit dem christlichen Gott zu identifizieren und zu bekennen! Gleichwohl – nur um
kein Missverständnis aufkommen zu lassen – es war nicht etwa die Intention des
Autors, mit seinen Schriften in den Kreisen paganer Philosophen Proselyten zu
werben, sondern, wie gesagt, umgekehrt heterodoxe/häretisierende109 Traditionen in
der diskursiven Sphäre der christlichen Orthodoxie einzuführen und dort fest zu
verankern.
3.2. Das Optimalziel des Autors
Allein mit der Konservierung seines eigenen geistigen Universums wollte es
der Autor dabei allerdings nicht bewenden lassen, sein Anspruch ging einen
bedeutenden Schritt weiter: Er wollte das Christentum von innen heraus reformieren,
es zum wahren Verständnis seiner selbst und vor allem zur Einheit rufen!
In einer freilich rein äußerlich zutreffenden Reminiszenz an Johann Gottlieb
Fichtes religionsphilosophisches Frühwerk ließe sich die Agenda des CD mit
einigem Recht als der „Versuch einer Kritik aller Offenbarung“ formulieren. Mit
anderen Worten schwebte dem Verfasser nichts weniger als eine kritisch-exegetische
Gesamtdeutung der christlichen Tradition vor, die in den konsistenten, aber vor allem
auch diskursiv belastbaren Systementwurf einer „summa theologia et philosophia
perennis“110 gegossen sein sollte. Dem Ergebnis seiner im wahrsten Sinne des Wortes
fundamental-theologischen Bemühungen ordnete der Verfasser dabei – wie gesagt –
sinngemäß das unbescheidene Prädikat der „wahren Lehre“111 zu.
Ungeachtet dessen entsprach seine Agenda keineswegs einer anderen
Auffassungen von Christentum gegenüber feindselig, hybrid oder besserwisserisch
aufgelegten Polemik, sondern einem irenischen, von wohlwollender Kompromiss-
109 Siehe dazu oben: S.35, Anm.104.110 Den meiner Auffassung nach wohl gewählten Begriff der „summa theologia et philosophia
perennis“ entnehme ich Suchlas Monographie. Siehe: Suchla, Beate R.: Dionysius Areopagita, 2008, S.32.
111 Siehe: VII. Brief (Ep. VII 1077 C)
37
bereitschaft gekennzeichneten Vermittlungs- und Reformversuch.112
Wichtig ist an dieser Stelle auch der Hinweis auf die weithin konsensfähige
Diagnose, dass sich das CD für keine der beiden prominenten christologischen
Richtungen, weder den Miaphysitismus, noch den Dyophysitismus stark macht –
wenn zu ersterer auch eine gewisse Nähe bestehen mag.113 Seine Stellungnahme zur
Christologie kommt eher einer Strategie konsequenter Kommunikationsverweig-
erung, bzw. symboltheoretisch grundgelegter Umkodierung des Problemfeldes
gleich, als einer irgendwie gearteten Parteinahme.
Aus der Perspektive der beiden Hierarchien (,De caelesti hierarchia’, ,De
ecclesiastica hierarchia’) betrachtet, lässt sich für diese wie auch die generelle
irenische Haltung anderen theologischen Überzeugungen gegenüber eine schlüssige,
werkimmanente Erklärung anführen:114 Für den Verfasser ist die Idee individueller
Vervollkommnung unlösbar an ein überwertiges Konzept ekklesialer Einheit und
Harmonie geknüpft.
„Rettung und Vergöttlichung“115 lassen sich allein in der gott-gestifteten,
kirchlichen Hierarchie erlangen, die im göttlichen Medium der Liebe von Gott auf
Gott zustrebt.116 Erhalten wird die Heiligkeitssphäre der Hierarchie durch den
112 Als Beispiel der irenischen Haltung des Autors eignet sich am besten ein Zitat aus dem VI. Brief (Ep. VI. 1077 Af.), der an den Presbyter Sopater adressiert ist: „Halte es nicht für einen Sieg, ehrwürdiger Sopater, eine Religion oder eine Anschauung, die Dein Missfallen erregt, in den Schmutz zu ziehen. Und glaube nur ja nicht, wenn Du sie in überlegener Manier ihres Irrtums überführen wirst, dann schlage das bereits für die Sache des Sopater positiv zu Buche. […] Wünscht Du, meinem Beispiel zu folgen, dann halte es so: Du hörst auf damit, gegen andere zu polemisieren.“ Zur Übersetzung siehe: Ritter, Adolf M.: Über die Mystische Theologie und Briefe, 1994, S.93, Z.9-13; 18-19.
113 Ein gewichtiges Argument in diese Richtung stellt die Tatsache dar, dass sowohl der Scholist Johannes von Skythopolis, als später auch Maximus Confessor, die sich beide an prominenter Stelle für die Orthodoxie des Chalkedonese einsetzten, in den areopagitischen Schriften keine miaphysitischen Irrlehren ausmachen konnten. Siehe dazu: Suchla, Beate R.: Dionysius Areopagita – ein Vater der Kirche, in: Arnold, Johannes – Berndt, Rainer – Stammberger, Ralf M. W.: Väter der Kirche. Ekklesiales Denken von den Anfängen bis in die Neuzeit, Paderborn 2004, S.314. Siehe auch: Ritter, Adolf, M.: Über die Mystische Theologie und Briefe, 1994, S.120, Anm. 22. Anders sehen dies Wear und Dillon. Für sie ist die Christologie des unbekannten Verfassers „crucial for his relationship to the circle of Severus of Antioch“. Wobei sie für ihre These letztlich keine direkten Belege anführen. Siehe: Wear, Sarah K. - Dillon, John: Dionysius the Aeopagite and the Neoplatonist Tradition. Despoiling the Hellenes, Hampshire 2007, S.4, Z.19ff.114 Auch im VIII. Brief tritt die irenische Haltung des Verfassers deutlich zu Tage. Hier weist der
Verfasser einen Mönch namens Demophilus – wohl im Sinne eines exemplarischen Lehrstücks – zurecht, da dieser einem anstößigen Priester gegenüber handgreiflich geworden sei. Siehe dazu auch: Stiglmayr, Josef: Des heiligen Dionysus Areopagita angebliche Schriften über „Göttliche Namen“/ Angeblicher Brief an den Mönch Demophilus. Des heiligen Dionysus Areopagita ausgewählte Schriften Bd. 2, Bibliothek der Kirchenväter, 2. Reihe, Bd. 2, München 1933.
115 Siehe zu dieser Übersetzung der ,De ecclesiastica hierarchia’ (EH 376, B): Heil, Günter: Pseudo-Dionysius Areopagita. Über die himmlische Hierarchie. Über die kirchliche Hierarchie, Bibliothek der griechischen Literatur, Bd.22, Stuttgart 1986, S.99, Z.9.
116 Siehe ,De ecclesiastica hierarchia’ (EH 392, Af.). Zur Übersetzung: Ibid. S.101.
38
gemeinschaftlichen Vollzug theurgischer, sowie liturgischer Riten und Zeremonien.117
Sollte es sich bei dieser ontologisch118 fundierten Ekklesiologie – wovon doch
auszugehen ist – nicht um eine wild herbeiphantasierte Utopie, sondern um eine für
realisierbar gehaltene Vision handeln, für deren Durchsetzung der Autor mit seinem
Werk eintrat, so musste eines der vornehmlichen Ziele seines Programmes die
(Wieder-)Herstellung der Kircheneinheit sein.
Vor dem Hintergrund der Zeitgeschichte galt es deshalb in erster Linie den
tiefschneidenden Dissens – ja das phasenweise gleichsam schismatische Verhältnis –
zwischen Mia- und Dyophysiten zu überbrücken. Hegelianisch gedacht lässt sich der
im CD entfaltete fundamentaltheologische Systementwurf daher als ein reformato-
rischer Ruf zur Kircheneinheit verstehen, der die im Rahmen des beschriebenen
„Kirchenkampfes“ vorherrschende und sich gegenseitig negierende, dogmatisch-
theologische Entzweiung des Christentums zu einer höheren Synthese aufheben
wollte.
Bedingung der Möglichkeit eines durchsetzungsstarken Reformvorschlags
war, wie die diskurstheoretische Untersuchung des religiokulturellen Makrokon-
textes erbrachte, zunächst einmal ein gewichtiges, an Personalautorität gebundenes
Argument für die Wahrheit der vertretenen Position. Hier, wie schon hinsichtlich des
Minimalziel seines Unternehmens, verließ sich der unbekannte Verfasser auf die
persona des Areopagiten als Überbringer seiner Botschaft.
Weiter ließe sich im Anschluss an Stiglmayrs Überlegungen mutmaßen, ob
der Autor nicht in Kaiser Zenons vermittlungsorientiertem Henotikon einen kairos,
für die Umsetzung seines Programmes gekommen sah.119 Einer dem Henotikon
verpflichteten „Mittelpartei“120, wie Stiglmayr nahelegt, ist der Autor meiner Ansicht
nach allerdings nicht zuzuordnen. Denn auch in jener „Mittelpartei“ hätte der
Verfassder des CD mit seinem philosophisch-theologischen Programm im besten
Falle am äußersten Rand des Vertretbaren gestanden.
117 Speziell zur theurgischen Konzeption der kirchlichen Hierarchie siehe: Stock, Wiebe-Maria: Theurgisches Denken. Zur kirchlichen Hierarchie des Dionysius Areopagita, Berlin 2008.
118 Suchla hat den Gedanken einer ontologisch fundierten Ekklesiologie in ihrer Monographie ausgesprochen. Siehe dazu: Suchla, Beate R.: Dionysius Areopagita, 2008, S.103.
119 Stiglmayr weist hier auf Analogien zwischen der Christologie des CD und des Henotikons. Zum Literaturnachweis siehe oben: S.1, Anm. 2.120 Ibid.
39
Auf der inhaltlichen Ebene begegnet das CD der Problematik des „Kirchen-
kampfes“ zusätzlich durch eine schlüssige, systemisch-selbstreferentielle Gesamt-
konzeption, die sich in einem kleinen Schaubild veranschaulichen lässt:
G RÜN: Reale/Erhaltene Schriften DN = De divinis nominibusMTh = De mystica theologiaEp = Epistulae I-XCH = De caelesti hierarchiaEH = De ecclesiastica hierarchia
ROT: Fiktive/Verlorene SchriftenÜGH = Über die göttlichen HymnenThG = Theologische GrundzügeSyTh = Symbolische TheologieÜS = Über die SeeleÜGG = Über das gerechte GottesgerichtÜIS = Über das Intelligible und das sinnlich Erfassbare
Erläuterung: Das Schaubild illustriert die selbstreferentielle Verweisungsstruktur des CD. Jeder Pfeil markiert jeweils mindestens eine explizite Nennung derjenigen Schrift, auf die er gerichtet ist, durch die Schrift, von der er ausgeht. Die exakten Stellenangaben finden sich hier.121
Für eine systemische Grundkonzeption des Werkes – das kann hier aufgrund
des begrenzten Umfangs der Arbeit nur angedeutet werden – spricht an erster Stelle
der Eindruck, die Schriften seien am „Reißbrett“ entstanden. Zu dieser Überzeugung
gelangt, wer sich die komplexe, selbstreferentielle Verweisungsstruktur des Werkes
genauer ansieht, insbesondere auch, was die sechs fingierten/verlorenen Schriften
angeht. Immer wieder nehmen die Schriften aufeinander Bezug und suggerieren auf
diese Weise, dass sie als zusammenhängende, sowohl ekklesiologisch, wie auch
gnoseologisch und ethisch vollständige „zweite Heilige Schrift“ gelesen werden
möchten. Diese „zweite heilige Schrift“ sollte, ginge es nach ihrem Autor, zukünftig
als dogmatisches Fundament der ersehnten Kircheneinheit dienen. Was den Umfang
121 Suchla bietet eine vollständige Übersicht der exakten Textstellen an. Dabei führt sie sieben fiktive/verlorene Schriften an. Ich folge in diesem Punkt allerdings Stiglmayr, der die Schrift ,Über die Proprietäten und Ordnungen der Engel’ mit ,De caelesti hierarchia’ identifiziert und zähle daher nur sechs fiktive/verlorene Schriften. Im Rahmen dieser Arbeit habe ich zudem eine eigene Liste der werkinternen Referenzen des CD erstellt, da diese sich jedoch nicht von Suchlas Zusammenstellung unterscheidet, ziehe ich es vor, erst gar keine Missverständnisse aufkommen zu lassen und verweise hiermit auf: Suchla, Beate R.: Dionysius Areopagita, 2008, S.210, Anhang 8.
40
DN
ThG
ÜGG
MTh
CH EH
SyTh
ÜIS
ÜSDN
Ep
ÜGH
des Korpus' anbetrifft, lagen offensichtlich bereits dem Scholisten Johannes von
Skythopolis lediglich vier Traktate und zehn Briefe vor.122 Plausiblerweise mag das
Fehlen der übrigen sechs Werke, ,Über die göttlichen Hymnen’, ,Über das
Intelligible und das sinnlich Erfassbare’, ,Theologische Grundzüge’, ,Symbolische
Theologie’, ,Über die Seele’, ,Über das gerechte Gottesgericht’ darin begründet sein,
dass es der Autor erst gar nicht für nötig erachtet hatte, die Schriften in voller Länge
darzureichen und er es stattdessen dabei bewenden ließ, die ihnen zugrundeliegenden
Grundgedanken auszugsweise in den realisierten Werken zu skizzieren.123 Für diese
Hypothese spricht auch der Befund EDV-basierter Stemmatisierungsversuche, die
eine von Beginn an konservative Tradierung der vorhandenen Schriften des Korpus'
nahelegen.124 Vielleicht aber sind die Schriften schlicht schon bald nach ihrer
Abfassung verloren gegangen.
Weiter bin ich entgegen der weitverbreiteten interpretatorischen Überbe-
tonung der theologischen Apophatik und Hyperbolik des CD der Meinung, dass der
gedankliche Dreh- und Angelpunkt des Systems im elaborierten Symbolverständnis
des Autors zu suchen ist. Dies illustriert allein schon die Zentralstellung der
fiktiven/verlorenen Schrift der ,Symbolischen Theologie’. Sowohl ,De divinis
nominibus’, ,De mystica theologia’, ,De caelesti hierarchia’ und der IX. Brief
rekurrieren (zum Teil mehrfach) direkt auf die Schrift und weisen damit
unmissverständlich auf die herausragende Bedeutung der Symbolhermeneutik für das
CD hin. Auf keine andere Schrift entfällt innerhalb des Korpus' eine vergleichbar
hohe Anzahl interner Verweise – hierzu ist nochmals das obige Schaubild zu
vergleichen. Die detaillierteste Explikation seines Symbolverständnisses bietet der
Autor dabei im IX. Brief des Korpus'. Ihr zufolge verbietet sich eine wortwörtliche
Lesart der Bibel, sowie der Sakramente. Es existiert keine unmittelbare Korrespon-
denz zwischen der oberflächlichen Ebene der Worte – respektive den äußerlichen
122 Zur Bedeutung des Scholisten für die Tradierung des CD siehe: Suchla, Beate R.: Eine Redaktion des griechischen Corpus Dionysiacum Areopagiticum im Umkreis des Johannes von Skythopolis, des Verfassers von Prolog und Scholien. Ein dritter Beitrag zur Überlieferungsgeschichte des CD, in: Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen I. Philologisch-Historische Klasse, Jg. 1985, Nr.4, Göttingen 1985, S.179-193.
123 In der neueren Forschung hat es sich mittlerweile die opinio communis etabliert, wonach es sich bei den sechs nicht vorhandenen Schriften um fingierte Werke handle, die der Verfasser von Beginn seines Projektes an nie zu realisieren gedacht hatte. Ich schließe mich dieser Einschätzung an. Siehe: Ritter, Adolf, M.: Über die Mystische Theologie und Briefe, 1994, S.20. Ebenso: Beierwaltes, Walter: Platonismus im Christentum, 1998, S.45.
124 Siehe dazu: Ritter, Adolf M.: Stemmatisierungsversuche zum Corpus Dionysiacum Areopagiticum im Lichte des EDV-Verfahrens, in: Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen I. Philologisch-Historische Klasse, Jg. 1980, Nr.6, Göttingen 1980, S.133.
41
theurgischen und rituellen Akten – und der Wahrheit, die dergestalt symbolhaft
vermittelt werden soll. Nur die symbolische Form, nicht aber das Wesen der
Wahrheit ist diskursiv konstituiert. Die Wahrheit kann nicht herbeizitiert werden, ihr
„vorreflexives“125 Wesen leuchtet phänomenal als intuitives und unausprechliches
„Evidenzerlebnis“126 ein. Wiederum symbolisch ausgedrückt ist sie wesenhaft
göttliche Einstrahlung! Mit Hilfe seines paradoxalen Symbolverständnisses, demzu-
folge jedes Signifikat durch das ihm zugeordnete Symbol zugleich affirmiert und
verneint wird, ist der Autor überzeugt, dem Christentum zur wahren Erkenntnis
seiner selbst zu verhelfen. Konstitutiv für dieses wahrhafte Selbstverständnis ist eine
Haltung der erkenntnismäßigen Bescheidung, die es ermöglicht, unauflösbare, in das
mystische Dunkel getauchte Fragen, wie z.B. eben jene nach der Menschwerdung
Gottes, als die Vorläufigkeit alles Erkenn- und Sagbaren zu akzeptieren und zum
„Kerngeschäft“ der Religion überzugehen, nämlich den von Gott gestifteten,
symbolisch-rituellen Vermittlungsformen phänomenaler Wahrheitserfahrung. Am
Herzen des Systemaufrisses liegt also – was schließlich das philosophisch-
theologische Programm der Schriften mit dem diskursbezogenen Kalkül ihrer
Pseudonymität verbindet – eine Art „Immunisierungsstrategie“ gegen das
Aufkommen strittiger Wahrheitsfragen. Diese „Immunisierungsstrategie“ ist es, die
dem Christentum zur Verwirklichung seiner wahren Gestalt, einer geeinten
heiligmäßigen Hierarchie gereichen und damit insbesondere der Überwindung des
bereits zum Dauerzustand gewordenen „Kirchenkampfes“ zwischen Dyophysiten
und Miaphysiten dienen sollte.
6. Resümee
Am Ende der Untersuchung zur Pseudonymität des Corpus' Dionysiacum
Areopagiticum angekommen ergibt sich schließlich folgendes Fazit. Der unbekannte
Verfasser bediente sich des Pseudonyms des Paulusschülers Dionysius Areopagita
vorwiegend aus instrumental-pragmatischen Gründen, die dem religions- und
125 Zur Erläuterung des „vorreflexiven“ Wesens der Wahrheit im CD siehe: Beierwaltes, Walter: Platonismus im Christentum, Philosophische Abhandlungen, Bd. 73, Frankfurt am Main 1998, S.67. Auch Völker hat in seiner Interpretation den ekstatischen Aspekt des CD hervorgehoben und die Schriften von einem mystischen „Irrationalismus“ her gelesen. Siehe: Völker, Walter: Kontemplation und Ekstase bei Dionysius Areopagita, Wiesbaden 1958.
126 Ich spiele hier bewusst auf Husserls phänomenologisches Konzept von Wahrheit als einem Evidenzerlebnis an – wenn auch zu beachten ist, dass Husserls Wahrheitskonzept sicher nicht deckungsgleich mit dem des unbekannten Autors ist. Siehe dazu: Janich, Peter: Was ist Wahrheit?, 2005, S.48; 51.
42
kulturgeschichtlichen Makrokontext seiner Lebenszeit geschuldet waren.
Minimalziel des Autors war es dabei, auf Basis der autoritativen Beweiskraft
des Pseudonyms für die Konservierung und die Anerkennung der heterodoxen/
häretisierenden127 Anteile seines geistig-religiösen Universums in Zeiten eines sich
sukzessive verschärfenden „Kulturkampfes“ einzutreten.
Indem er seine Überzeugungen in Form eines umfassenden fundamental-
theologischen, sich maßgeblich auf neuplatonische Traditionen verlassenden System-
entwurfs vorlegte, erhoffte er sich zudem als Optimalziel seines Unternehmens, alle
bestehenden theologischen Lehrgebäude an inhaltlicher Konsistenz und irenischer
Vermittlungsfähigkeit zu übertreffen. Auf diese Weise wollte der Verfasser dazu
beitragen, den bestehenden „Kirchenkampf“ zwischen Dyo- und Miaphysiten zu
befrieden und zudem eine tolerantere Haltung des Christentums gegenüber anderen
philosophisch-weltanschaulichen Geistesströmungen und Religionen zu befördern.
Darüber hinaus transportiert ein weiterer, programmatisch-identifikatorischer
Aspekt des Pseudonyms das Selbstverständnis des Autors, der sich in der persona
des Areopagiten gewissermaßen selbst zu erkennen gibt; dies allerdings nur in der
Gestalt einer symbolischen Spiegelung, die die realen Hintergründe gleichermaßen
offenbart und verdunkelt. Hinter der wahrheitsautoritativen Strahlkraft des Areopa-
giten stand der unbekannte Autor – trotz bereits früh gehegter Zweifel – für Jahr-
hunderte unbemerkt in der Heiligkeitssphäre der konstitutiven Gründungsakten des
Christentums.
127 Vergleiche hierzu oben: S.35, Anm. 104.
43
7. Literaturverzeichnis
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