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D E U T S C H E A K A D E M I E F Ü R C H I R U R G I E

BASIS-CHIRURGIEMünchen 2010

Prinzipien der Frakturheilung und FrakturbehandlungW. Mutschler

Trauma in Deutschland

Unfälle / Jahr ~ 8,5 Mio Patienten

stationäre Behandlung ~1,6 Mio Patienten

Diagnosen:

Schädel-Hirn-Verletzung 30,8%

Körperstammverletzungen 6,9%

Brüche obere Gliedmaße 13,8 %

Brüche untere Gliedmaße 31,1%

Gelenkverletzungen 12,2%

sonstige 5,0%

(ICD 1995)

Epidemiologie der Frakturen

Court-Brown, Caesar Injury 37: 691 (2006)

osteoporoseassoziiert: 66,3 %

30,1 %

Edinburgh 2000

Fraktur-Definition

Zusammenhangstrennung des Knochens

durch direkte oder indirekte Gewalteinwirkung,

die die Elastizitätsgrenze des Knochens überschreitet.

Eine Fraktur ist immer mit einem Weichteilschaden verbunden.

Fraktur-Ausprägung

abhängig von externen – Art, Wucht und Richtung der einwirkenden Gewalt –

internen – Knochenqualität –

Faktoren.

+

AO-Klassifikation der Frakturen

A

B

C

A

B

C

Weichteilschaden bei geschlossenen Frakturen

Grad 1: oberflächliche Schürfungen, Hautkontusionen

Grad 2: tiefe kontaminierte Schürfungen, Haut- und Muskelkontusionen

Grad 3: ausgedehnte Hautkontusionen, Quetschungen mit subkutanem Décollement (Ablederung), Muskelquetschungen, manifestes Kompartment-Syndrom, Gefäßverletzung

Klassifikation der offenen Frakturen

nach Gustilo u. Anderson (1993)

Grad I: Hautläsion < 1 cm oder weniger, nicht verschmutzt;Durchspießung von innen, minimale Muskelkontusion

Grad II: Hautläsion > 1 cm, ausgedehnter Weichteilschadengeringe bis mäßige Muskelquetschung;

Grad III: ausgedehnter Weichteilschaden unter Einbeziehung von Haut, Muskulatur und neurovaskulären Strukturen

Grad IV: Amputation

Fraktur-Diagnostik

Anamnese

Klinische Untersuchung

Bildgebende Verfahren

Doppler-SonoRöCT MRT

Alle Befunde mit Zeitangabe dokumentieren

Therapie-Ziel

Wiederherstellung der Funktion

durch

sichere Knochenbruchheilung

in korrekter Stellung

Therapie der WeichteilverletzungenNerven, Gefäße, Weichteildefekte, Gelenkkomponenten

Fraktur-Heilung im diaphysären Knochen

Fraktur

Stunden

Tage

6 Wochen

3 Monate

1 Jahr

t

Kallusinduktion

zellulärer Kallus

mineralis. Kallus

Fraktur fest

Remodeling

Mark-raum

Periost

Weichteile

Frakturspalt

lokal + systemisch gesteuert, über Zellen und Proteine vermittelt

5 Phasen 4 Räume

Fraktur-Heilung im diaphysären Knochen

Fraktur

Stunden

Tage

6 Wochen

3 Monate

1 Jahr

t

Kallusinduktion

Revaskularisierung

Granulationsgewebe

Regeneration

Zellmigration

Zellproliferation

Zelldifferenzierung

ThrombozytenTGF13 / PDGF u.a.

Monozyten / Makrophagen

IL1 / IL6 u.a.

MSC

BMPs

Fraktur-Heilung im diaphysären Knochen

Fraktur

Stunden

Tage

6 Wochen

3 Monate

1 Jahr

t

Kallusinduktion

zellulärer Kallus

desmale Ossifikation

enchondral: indirekte Knochenbildung über knorpelige Anlage

desmal: direkte Knochenbildung über MSC/Osteoblasten

enchondrale Ossifikation

Fraktur-Heilung im diaphysären Knochen

Fraktur

Stunden

Tage

6 Wochen

3 Monate

1 Jahr

t

Kallusinduktion

zellulärer Kallus

mineralis. Kallus

Fraktur-Heilung im diaphysären Knochen

Fraktur

Stunden

Tage

6 Wochen

3 Monate

1 Jahr

t

Kallusinduktion

zellulärer Kallus

mineralis. Kallus

TEIL

VOLL

BELASTUNGFraktur fest

Remodeling

Fraktur-Heilung im diaphysären Knochen

Fraktur

Stunden

Tage

6 Wochen

3 Monate

1 Jahr

t

Kallusinduktion

zellulärer Kallus

Biologische Faktoren

Blutversorgung

Zell-Leistung

mineralis. Kallus

Fraktur fest

Remodeling

WEICHTEILDECKUNG

INFEKTION

Fraktur-Heilung im diaphysären Knochen

Fraktur

Stunden

Tage

6 Wochen

3 Monate

1 Jahr

t

Kallusinduktion

zellulärer Kallus

mineralis. Kallus

Augat et al. Osteoporos Int 16: 36 (2005)

Fraktur fest

Remodeling

Mechanische Faktoren

Frakturgeometrie

Frakturspaltbreite

interfragmentäre BewegungAusmaß + Richtung

REPOSITION

OSTEOSYNTHESEVERFAHREN

PSEUDARTHROSE

Frakturheilung im metaphysären Knochen

Direkte Heilung der Spongiosa

durch desmale und enchondrale Ossifikation

= /geringe Kallusbildung

32 Monate post-op

Therapie-Prinzipien

Reposition

Retention

Rehabilitation

Gilt für konservative und operative Behandlung

Therapie-Prinzipien

Akut-Behandlung

Verlaufskontrolle/Reaktion

Sekundäre Maßnahmen

Verlaufskontrolle/Reaktion

Behandlung von Folgeerscheinungen/ Komplikationen

Verlaufskontrolle/Reaktiont

Komplikationen der Frakturbehandlung

Funktionseinschränkung

Schmerzen

Wundheilungsstörung

Infektion Knochen, Weichteile, Gelenke

Pseudarthrose

Fehlstellung

Verkürzung

Arthrose

Instabilität

Implantatversagen

Parameter zur Auswahl eines Verfahrens

VerletzungLokalisation

PathomechanikWeichteileFrakturtyp

Knochenqualität

PatientAlter

RisikofaktorenZusatzverletzungen

ComplianceErwartung

ChirurgErfahrungKönnen

Organisation

Verfahrenverfügbar

biomechanische Leistungsfähigkeitbiologische Leistungsfähigkeit

AufwandKosten

Ziel der Behandlung

Eher konservatives Vorgehen

keine Begleitverletzungen

isolierte Verletzung

stabile Fraktur bzw. stabiles Repositionsergebnis

nichtdislozierte Fraktur bzw. "akzeptable" Dislokation

vergleichbar gute Resultate wie nach Operation

Eher operatives Vorgehen

Begleitverletzungen (Gefäße, Nerven, Weichteile, u.a. kombinierte Bandinstabilitäten)

irreponible Epiphysenverletzungen

pathologische Frakturen

Polytrauma

instabile Fraktur; inadäquate Ruhigstellungsmöglichkeiten

irreponible relevante Dislokation (vor allem Gelenkverletzungen)

hohe Komplikationsrate/ ungünstige Ergebnisse nach konservativer Behandlung

unzumutbar lange Immobilisation bei konservativer Behandlung

Konservative Behandlung

Konservative Behandlung

geschlossene Reposition der FrakturZug und Gegenzug, seitlicher Druck, Rotation"peripher wird auf zentral eingestellt"

Retention durch äußere SchienungCave: an der Diaphyse große interfragmentäre

Bewegungen möglich

Rehabilitation der nicht ruhig gestellten Gelenke

Operative Behandlung 1. Osteosynthese

Prinzipien

Sofort-Stabilität für Beübung

Achsengerechte Stellung von Röhrenknochen

Wiederherstellung von Gelenkflächen

Keine Gefährdung der Durchblutung

2 mechanische Prinzipien: Schienung oder Kompression

ImplantateK-Drähte, CerclageSchraubenPlattenMarknägelFixateur externe

Operative Behandlung 2. Endoprothese

Wenn die Zertrümmerung des Knochens, eine hochgradige Osteoporose, der unfallbedingte Knorpelschaden oder eine vorbestehende Arthrose

die Osteosynthese technisch nicht möglich macht oder sie nicht sinnvoll erscheinen lässt

Operative Behandlung 3. Weichteileingriffe

Gefäßrekonstruktion

Weichteileingriffe zur Defektdeckung

Nervenrekonstruktion

Rekonstruktion nicht ossärer Gelenkstrukturen

Welches Osteosyntheseverfahren?

nach Höntzsch

nach Höntzsch

Statische interfragmentäre Kompression

Prinzip:

Biologie:

Voraussetzung:

Beispiel:

Vorteile:

Nachteile:

Fragmente werden so zusammengepresst, dass keine interfragmentäre Bewegung auftritt

direkte Knochenheilung (Osteone)

hohe Kompressionskraft (2000 – 3000 N), im osteoporo-tischen Knochen selten gegeben

Zugschrauben, Kompressionsplatte

keine "störende" Kallusbildung (Bsp.: Vorderarm)

längerer Heilungs-prozess, stress protection, Refrakturgefahr

Dynamische interfragmentäre Kompression

Prinzip:

Biologie:

Voraussetzung:

Beispiel:

Vorteile:

Nachteile:

Umwandlung von Biegemomenten in Zugkräfte und Druckkräfte

direkte Knochenheilung

solide Abstützung der Fragmente

Zuggurtung bei Patellafraktur oder Olecranonfraktur

funktionelle Nach-behandlung fördert Knochenheilung

nur bei wenigen Frakturtypen anwendbar

Schienungsosteosynthesen

Prinzip:

Biologie:

Voraussetzung:

Beispiel:

Vorteile:

Nachteile:

Begrenzung der inter-fragmentären Bewegung

Kallusheilung

Vaskularität, Gewebedehnung im Toleranzbereich

Marknagel, Fix. externe, Fix. interne

biologische Osteosynthese

sehr variable inter-fragmentäre Bewegung

Unaufgebohrter Verriegelungsmarknagel

Stabilität abhängig von

Nagelprofil

Nageldurchmesser (4. Potenz!)

Durchmesser der Verriegelungsschrauben

winkelstabile Verriegelung

Vorteile:

Nachteile:

Tendenz:

Schonung der endostalen Durchblutung

große ScherbewegungenHeilungsstörungen signifikant hoch,v.a. Tibiaschaftfraktur distales Drittel

größere Nageldurchmesser,vorsichtiges Aufbohren

Fixateur externe

Claes Orthopädie u. Unfallchirurgie up2date 1, 2006

Stabilität durch Montage des Chirurgen bestimmt

Hohe Stabilität durch:

kleiner Abstand Knochenoberfläche –Stabilisationselement L

große Schraubendurchmesser d

2 – 3 Schrauben pro Hauptfragment

großer Abstand der Schrauben in einem Fragment

Die Gefahr einer zu steifen Montage ist gering!

Die kritische Zone ist das Knochen-Implantat-Interface!

Winkelstabile Platten Winkelstabile Marknägel

nach Claes, 2008

frakturnahfrakturnah

konventionelle PlatteKraftübertragung durch

Platten-Knochen-Reibung

winkelstabile PlatteKraftübertragung über winkelstabile Schraube

Winkelstabile Implantate

Biologische Plattenosteosynthese

Schonung der Frakturzone (no touch technique)

Schonung der Weichteile im Frakturbereich

Schonung der periostalen Durchblutung durch Fixateur-interne-Prinzip

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