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Ein journalistisch anspruchsvolles Periodikum, das mit einer neuen Gestaltung ab dieser Saison besticht. Mit Aktuellem aus der Semperoper Dresden, Empfehlungen aus den einzelnen Sparten, Reportagen und Künstlern im Porträt – ein begehrtes Magazin, das zum Verweilen einlädt.
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Semper! Editorial 3
EditorialTradiTiOnEn
Gegen Ende eines jeden Jahres scheint uns Erwachsene das Bedürfnis nach Traditionen einzuholen, die in unserer pfeil-schnell in die Zukunft rasenden Gegenwart sonst auf der Strecke bleiben. Die immer gleichen Rituale – vom Weihnachts-baum bis zum Silvesterfeuerwerk – sind Beschwörungen einer Vergangenheit, die wieder lebendig werden soll und es glückseligerweise für kurze Zeit auch wird. Gleichzeitig sind sie Grundsteinlegung für Traditionen der nächsten Generatio-nen, Hinterlassenschaft und Glücksversprechen.
Der Opern- und Theaterbesuch gehört auch dazu: Unsere Erinnerungen ans erste Weihnachtsmärchen oder die erste Märchenoper sollen wiederholt werden und unsere Kinder und Enkel daran teilhaben. Wir erwarten Vergangenheit und erleben Gegenwart – und schimpfen auf »moderne Inszenie-rungen«.
Letztes Jahr besuchte ich an Silvester im Dresdner Schau-spielhaus die Vorstellung von »Sein oder Nichtsein« nach dem Film von Ernst Lubitsch. Der Vorhang ging auf – und ich war enttäuscht. Was hatte ich erwartet? Meinen Lieblingsfilm. Mein Ärger über mich selbst wuchs, und es dauerte, bis ich mich auf das einlassen konnte, was vor mir stattfand: lebendiges Theater von lebendigen Menschen gespielt. Genau das, was ich nur im Theater und in der Oper erleben kann.
Dieser Widerspruch von Tradition und Moderne ist die Essenz unserer Kunst, die in den Aufführungen oft Jahrhunderte alte Werke aktualisiert.
Unser Dezember-Spielplan thematisiert das in großer Spannweite, vom klassischen Humperdinck’schen »Hänsel und Gretel« bis zu Prokofjews sinfonischem Märchen »Peter und der Wolf«, das in den Dialog mit einer Uraufführung tritt: Der junge Komponist Miroslav Srnka schrieb für die Semperoper »Jakub Flügelbunt«, ebenfalls ein musikalisches Märchen für Jung und Alt. Und schließlich folgt im Januar in der beliebten Reihe »Kapelle für Kids« das Programm »Schneller, höher, weiter? – Ein musikalischer Wettstreit«.
Zwei Uraufführungen knüpfen formal an Traditionen an: »Zangezi – Musiktheater nach Texten von Velimir Chlebnikov« setzt die Reihe von Kooperationsprojekten der Semperoper mit der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber und der Hochschule für Bildende Künste (HfBK) unter dem zukunfts-weisenden Titel »Reihe Y« fort; und an zwei Abenden werden »Junge Choreografen« zu entdecken sein. Inwieweit die Kompositionsstudierenden der Klasse Prof. Manos Tsangaris, die Ausstatterinnen der HfBK und die jungen Choreografen aus dem Ensemble des Semperoper Ballett sich an Traditionen halten, sich an diesen abarbeiten oder sie über Bord werfen, wird spannend zu verfolgen sein.
Aus meiner Silvester-Episode habe ich hoffentlich etwas gelernt: Die Zeit, die Sie im Zuschauerraum verbringen, ist zu kostbar, um sie nur Erinnerungen zu überlassen. In diesem Sinne: Schöne Weihnachten und ein gesundes neues Jahr von allen Mitarbeitern der Semperoper.
Manfred Weiß, Leiter Semperoper Junge Szene
0 800/46 22 22 6www.bbbank.de
BBBank-Filiale DresdenAltmarkt 10 a01067 Dresden
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inhalt Semper!
Inhalt
5
István Simon tanzt den
Nussknacker
Bei schönstem Novembersonnenschein, in der Anlage des Dresdner Zwingers mit Blick auf das Kronentor entstand das Titel-foto mit István Simon, Halbsolist des Semperoper Ballett. Der im rumänischen Transsilvanien geborene Ungar, der seit 2007 in der Company von Ballettdirektor Aaron S. Watkin tanzt, übernimmt die Par-tie des Nussknacker-Prinzen in Tschai-kowskys weltberühmtem Ballett. Zu Weih-nachten tritt er in dieser Rolle auch an der Budapester Nationaloper auf, mit deren Nationalballett ihn ein Gast-Engagement als Erster Solist verbindet.In Dresden tanzte der mehrfache Preisträ-ger internationaler Tanzwettbewerbe bereits in zahlreichen klassischen, neoklas-sischen und zeitgenössischen Repertoire-stücken. Im Interview auf Seite 18 erzählt er vom Weihnachtsfest in seiner Heimat.
Seite 6
SEMpEr SEccO
Eine musiktheatralische Kolumne»Tosca und die Täuschungen«
Seite 8
akTuELLES
Neuigkeiten und Interessantes aus der Semperoper
Seite 10
prEMiErE JungE SzEnE
»Peter und der Wolf« / »Jakub Flügelbunt«
Seite 14
prEMiErE JungE SzEnE
»Zangezi«
Seite 16
BaLLETT-prEMiErE
»Junge Choreografen«
Seite 18
WEihnachTEn in TranSSiLvaniEn
Gespräch mit István Simon
Seite 20
cd-aufnahMEn
Sänger unterm Weihnachtsbaum
Seite 21
auSSTELLung
Geschichte zum Hören
Seite 22
pOrTräT
Barbara Senator
Seite 25
aLLE SEiTEn dEr LiEBE
»Lieder in Semper 2«
Seite 28
STaaTSkapELLE
Konzerte im Dezember und Januar
Seite 30
4. SyMphOniEkOnzErT
Georges Prêtre – Ein Dirigenten-Mythos
Seite 32
SiLvESTErkOnzErT 2011
Christian Thielemann dirigiert Lehár
Seite 34
5. SyMphOniEkOnzErT
Die Geigerin Janine Jansen
Seite 37
STaaTSkapELLE
Geschenkideen
Seite 38
SEMpEr! MEnSchEn
Zehn Fragen an Christa Mayer
Seite 40
kOSMOS OpEr
Wie das Tutu zur Ballerina kommt
Seite 46
rEpErTOirE
Debüts und Spielplan-Höhepunkte
Seite 50
rEzEnSiOn EinES gaSTES
»Alcina«, Oktober 2011
6 Wolfgang herles, zdf-Moderator, redaktionsleiter und autor
Semper! Eine musiktheatralische kolumne
semper secco
I.Was wäre Oper ohne Täuschung? Tosca zum Beispiel besteht aus nichts anderem. Es handelt sich um mindestens drei große Irrtümer. Zuerst lässt sich Tosca (wie Otello vom Tüchlein der Desdemona) vom Fächer der Marchesa Attavanti täuschen und von der Dummheit des Malers Mario Cavaradossi, seinem Altarbild von Maria Magdalena ausgerechnet die Züge der vermeintlichen Nebenbuhlerin zu leihen. Deshalb kocht Toscas Eifersucht über, nimmt das Verhängnis seinen Lauf.
Am Ende lassen sich Tosca und Mario von Scarpias Worten täuschen. Sie halten die Hinrichtung für eine Platzpatronenko-mödie, die Täuschung entpuppt sich als Irrtum.
Die dritte Täuschung betrifft ein Ereig-nis von welthistorischer Bedeutung. Der Sieg des Revolutionsgenerals Napoleon am 14. Juni 1800 in der Schlacht bei Ma-rengo in der Poebene gegen die Österrei-cher beendet die Diktatur der Königin von Neapel (einer Schwester der in Paris ent-haupteten Marie Antoinette) und damit den Terror ihres Polizeichefs Scarpia in Rom. Doch zunächst erreicht die Falsch-meldung von Napoleons Niederlage des-sen Folterzentrale im Palazzo Farnese (der heutigen französischen Botschaft). Die Wahrheit hätte Leben gerettet.
II.Man stelle sich die Schlacht bei Marengo mit CNN, Handy und Internet vor! Heute werden Tyrannen nicht mehr allein von Generälen, sondern auch von sozialen Netzwerken gestürzt. Ohne Herrschaft über die Medien kommt und hält sich nie-mand mehr an der Macht. Anders ist auch die Ära Berlusconi nicht zu erklären.
Dieser Italiener war kein Tyrann, den-noch zerstörerisch. Seine abgrundtiefe Ignoranz und Arroganz gegenüber der Hochkultur bekam nicht zuletzt die Oper zu spüren. Ausgerechnet in ihrem Heimat-land kam sie unter die Räder der Banau-sen. Wer auch immer nun in Italien regiert, der Sparzwang ist so hart, dass zu Hoff-nung wenig Anlass besteht.
III.In Deutschland existieren rund achtzig feste Operensembles, ohne Ausnahme in Verantwortung von Ländern und Gemein-den. Die meisten und kleinsten übrigens im Osten. Meiningen, Neustrelitz, Alten-burg, Freiberg und so weiter. Das kultu-relle Erbe der Kleinstaaterei hat sich über alle Diktaturen hinweg erhalten. Darauf darf man stolz sein. Hoffentlich bleibt es so, wenn das Sparen alles andere auffrisst. In der gesamten übrigen Welt gibt es ins-gesamt übrigens nur noch einmal etwa so viele Opernhäuser wie allein in Deutsch-land.
Das ist nicht nur eine Frage der Quanti-tät. Konkurrenz belebt die Szene. Regie-theater ist auf der Opernbühne nicht zufäl-lig eine deutsche Spezialität. Lebendigkeit kommt auch von Vielfalt.
IV.Die Metropolitan Opera in New York kas-siert unglaubliche Summen von reichen Opernfreunden. Ihr Jahresetat beträgt unglaubliche 325 Millionen Dollar, davon stammen 182 Millionen von Sponsoren, (trotzdem ist sie noch immer hoch ver-schuldet). Zum Vergleich: Die Semperoper verfügt insgesamt über 78 Millionen Euro, davon sind 1,4 von Sponsoren. Das Ergeb-nis an der Met? Ein neuer »Ring des Nibe-lungen« mit einer gigantischen Maschine als Lindwurm und auch »Don Giovanni« als Ausstattungsorgie, konventionell wie ein Hollywoodfilm. (Eine Aufführung war ja auch live in 1600 Kinos in 54 Ländern zu sehen.)
V.Was nicht heißen soll, dass deutsche Opernregie immer nur Gutes schafft. Der Hang mancher Intendanten etwa, für ein wenig mehr Aufmerksamkeit bekannte Filmregisseure zu engagieren, bringt sel-ten Gutes. Kürzlich verließ ich eine meiner Lieblingsopern in der Pause. Nie hätte ich geglaubt, dass es einmal so weit kommen könnte. Der inszenierende Mann vom Film brüstete sich im Programmheft auch noch damit, keine Noten lesen zu können. So war dann auch seine »Hochzeit des Figaro«. Unbedarft, ärmlich, belanglos. Wo das gewesen ist? Schon vergessen.
VI.Faszinierend sind auf der Opernbühne nur die Täuschungen der Handlung. Qualität gibt es nur ehrlich. Da helfen weder die Windmaschinen des Boulevard noch die teuersten Bühnenbilder noch die Selbst-überschätzung von Amateuren.
dr. Wolfgang herles ist Moderator und redaktionsleiter der zdf-Literatur-
sendungen auf dem »Blauen Sofa«. Er war u.a. Leiter des zdf-Studios Bonn,
Leiter des zdf kultur-Magazins »aspekte«, Moderator der zdf-Talkshow
»live« und der politischen gesprächs-sendung »Was nun …« Er schrieb sieben
politische Bücher, u.a. den Bestseller »Wir sind kein volk«, und vier romane,
zuletzt »die dirigentin« (S. fischer verlag, im Juli erschienen).
Eine fotografische kolumne Matthias creutziger, fotografBemalte glassteine für die Schmuck-gürtel der orientalischen Männer im Ballett »der nussknacker«
Semper! aktuelles 8
Erinnerung an Gisela Schröter
Die Mezzosopranistin Gisela Schröter, die nach einer zweijährigen Ausbildung im Opernstudio der Sächsischen Staatsoper 1959 in deren Ensemble übernommen wurde, verstarb am 5. November 2011 im Alter von 83 Jahren. Bis sie 1972 an die Staatsoper Berlin wechselte, sang sie an der Sächsischen Staatsoper Dresden Par-tien wie Sofie in »Halka«, Smeraldina in »Die Liebe zu den drei Orangen«, Prinzes-sin Eboli in »Don Carlos« und Marie in der Dresdner Erstaufführung von »Wozzeck«. Unvergessen bleibt ihre Interpretation des Octavian in Strauss’ »Rosenkavalier«. Zu-letzt war sie an der Semperoper 1995 in Bernd Alois Zimmermanns »Die Soldaten« als Weseners alte Mutter zu erleben. Sie gastierte an der Bayerischen Staatsoper, in Japan, Paris, Italien, Moskau und den USA und erlangte damit internationale Berühmt-heit.
Octavian in »rosenkavalier«
Aktuelles nEuES und inTErESSanTES
auS dEr SEMpErOpEr
Lehrerkonzert
Das Sächsische Staatsministerium für Kultus und Sport lädt am 14. Januar 2012 Pädagogen aus ganz Sachsen zum Lehrerfestkonzert 2012 mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden in die Semperoper ein. Nach der Begrüßung durch die Intendantin Dr. Ulrike Hessler und einem Grußwort des Sächsischen Staats-ministers für Kultus und Sport Prof. Dr. Roland Wöller erklingen Sergej Prokofjews Violinkonzert Nr. 2 g-Moll op. 63, Olivier Messiaens »Les Offrandes oubliées« sowie Igor Strawinskys »Le Sacre du printemps«. Solistin ist die Geigerin Janine Jansen, am Pult der Staatskapelle steht Yannick Nézet-Séguin. Zudem wer-den sich das an ein junges Publikum gerichtete Pro-gramm »Kapelle für Kids« sowie die Sparte Semperoper Junge Szene besonders präsentieren.
Die schönste Nacht des Jahres:
SemperOpernball 2012
Bald ist es wieder soweit! Am 20. Januar 2012 wird die prachtvolle Semperoper Schauplatz des bedeu-tendsten Ballereignisses der Republik: des Semper-Opernballs. Wenn sich um 19 Uhr die Tore der Sem-peroper feierlich öffnen, beginnt ein Spektakel, das in Deutschland einmalig ist. Alljährlich zieht es 2.200 Gäste in die Oper. Doch nicht nur in der Oper wird ausgelassen gefeiert, sondern auch außerhalb der Ballsäle, draußen auf dem Theaterplatz. Ihn verwan-deln zeitgleich zirka 10.000 Dresdner beim Semper-Openairball zur größten Tanzfläche.
Und die schönste Nacht des Jahres bietet auch diesmal ein mitreißendes Programm mit überraschen-den musikalisch-künstlerischen Höhepunkten: Der Dresdner Starbassist René Pape ist ebenso zu Gast wie die international erfolgreiche junge polnische Sopranistin Aleksandra Kurzak. In bewährter Weise leitet Asher Fisch die Sächsische Staatskapelle Dresden und der Sächsische Staatsopernchor singt im Eröff-nungsprogramm stimmgewaltig sowohl auf der Bühne als auch aus den Rängen im Zuschauerraum der Sem-peroper. Die Virtuosität des Semperoper Ballett glänzt an diesem Abend mit dem furiosen Charme der Tänze-rinnen des weltberühmten Moulin Rouge um die Wette. Und nicht zu vergessen die 90 Debütantenpaare, die den Ball mit ihrer Tanzshow feierlich eröffnen.
Neu ist: Der MDR überträgt nicht nur die 90-minü-tige Eröffnungsshow, sondern berichtet ab 20.15 Uhr vier Stunden lang live von der rauschenden Ballnacht.
Intendantin wird Kultursenatorin
Dr. Ulrike Hessler, Intendantin der Semperoper Dresden, ist seit dem 14. Novem-ber 2011 Kultursenatorin des Freistaates Sachsen. Zusammen mit drei weiteren neuen Mitgliedern, Helmuth Albrecht, Petra Lewey und Frank Richter, erhielt sie im Sächsischen Landtag ihre Ernennungs-urkunde. Aufgabe der insgesamt 24 ehren-amtlichen Senatoren ist es, die Kulturför-derung in Sachsen beratend zu begleiten und Empfehlungen für die inhaltliche und regionale Schwerpunktsetzung zu geben. Sabine von Schorlemer, Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst des Freistaa-tes Sachsen, betonte die Bedeutung dieses Ehrenamtes, die Stimmen des Kultursena-tes würden gehört, wenn es um kulturpoli-tische Fragestellungen in Sachsen gehe.
Semper! premiere 10
Zwei musikalische Märchen »pETEr und dEr WOLf« / »JakuB fLügELBunT«
Wer kennt sie nicht, die Geschichte von Peter und dem Wolf, wie der russische Komponist Sergej Prokofjew sie in seinem musikalischen Märchen erzählt: Eines schönen Morgens öffnet der kleine Peter das Gartentor und geht hinaus auf die große grüne Wiese. Noch ahnt er nicht, welche Abenteuer, Gefahren und welcher Triumphmarsch schließlich ihn und seine tierischen Freunde durch die Begegnung mit dem Wolf erwarten. Ob Peter, der Wolf, die Ente, der Vogel, die Katze, ob der Großvater oder die Jäger – sie alle sind in Prokofjews Musik durch ein bestimmtes Instrument charakterisiert und fügen sich so zu einer bunten Klanggeschichte. Im Jahre 1936 komponiert, ist »Peter und der Wolf« heute nicht nur ein Klassiker, son-
dern auch in zahlreichen Bearbeitungen erschienen. Ab dem 15. Dezember erklingt das Werk erstmals in der Semperoper, mit Olaf Bär als Sprecher und Geschichtener-zähler.
Kein Klassiker, sondern eine Urauffüh-rung bildet den zweiten Teil dieses tieri-schen Programms für Jung und Alt. Als Auftragswerk für die Semperoper hat der junge tschechische Komponist Miroslav Srnka ein Stück für drei Sänger und Orchester geschrieben. »Jakub Flügel-bunt« ist eine unterhaltsame Geschichte und Fabel gleichermaßen. Die tierischen Protagonisten sind quietschvergnügt und mit dem Potenzial zu großer Tragik verse-hen, so wie es sich für Helden aus dem Geist des Comics gehört. Der rätselhafte
Mit zwei Stücken über Entdeckerlust und Freundschaft ist die Junge Szene im Dezember auf der großen Bühne der Semperoper präsent.
Untertitel des Stückes »… und Magdalena Rotenband oder: Wie tief ein Vogel singen kann« führt mitten hinein ins Geschehen: Der junge Vogel Jakub hat sich bei seinen ersten Flugversuchen überschätzt und kann nach einem Unfall nicht mehr flie-gen. Aber er lernt durch die kluge Eule, dass er auch andere Qualitäten hat, und wird bei den Waldsportspielen prompt Sieger im Schnelllauf. Viel mehr als der Triumph aber interessiert ihn Magdalena, die ihn mit dem Siegerband kürt und für ihn unerreichbar scheint … Jakub geht durch Hoch und Tief, erlebt Zweifel, erfährt Solidarität und erweist sich auch selbst als echter Freund. Am Ende ist aus dem übermütigen Vögelchen ein junger Kerl mit respektablem Bariton geworden.
Miroslav Srnka schrieb auch das Text-buch und erzählt die Geschichte mit einer knappen, lakonischen Sprache und einem unsentimentalen Duktus. Im Gespräch gibt er Auskunft über den jungen Vogel Jakub, dessen Freunde sowie seinen per-sönlichen Zugang zu diesem speziellen Genre des musikalischen Märchens für Jung und Alt.
Sergej prokofjew
PETER UND DER WOLF
Miroslav Srnka
JAKUB FLÜGELBUNT
Musikalische Leitung
Tomáš HanusSzenisches konzept
Heike JenorSzenische ausstattung
Arne Waltherkostüme
Frauke SchernauLicht
Fabio Antocidramaturgie
Nora Schmid
Sächsische Staatskapelle Dresden
Sprecher
Olaf BärJakub
Hagen Matzeitvater, Eule, igel
Markus ButterMutter, Eichhörnchen, Magdalena
Valda Wilson*
premiere & uraufführung
15. Dezember 2011Weitere vorstellungen
18., 22., 26. Dezember 2011karten ab 15 Euro
»Jakub flügelbunt« ist ein auftrags- werk der Semperoper dresden
* Mitglied Junges Ensemble
nora Schmid, autorin Thomas dashuber, fotograf Lisa Schweizer, illustration
Was war für dich die Motivation und der Auslöser, ein Kinderstück zu komponieren?
Ich wollte unbedingt ein Kinderstück schrei - ben, solange meine Kinder wirklich noch Kinder sind. Ich nehme an, sie werden in ein paar Jahren etwa zum Hip-Hop über-gehen. Eigentlich tendiert das überkluge und nie die Klappe haltende Eichhörnchen in »Jakub Flügelbunt« manchmal auch zum Hip-Hop ... Und ich wollte meine »Klangerfahrung« vom Kommunizieren meiner Kinder in einem Stück festhalten. Ich finde es faszinierend, wie melodien-reich und rhythmisch kreativ die Kinder spielen, schreien, lachen, weinen.
Wie kamst du auf die Geschichte vom jungen Vogel Jakub und seinen tierischen Freunden?
Die Geschichte kommt von Maria Procház-ková, einer tschechischen Trickfilmerin und Regisseurin, und existiert in ihrer ursprünglichen Form als eine erfolgreiche Radio- und Zeichentrickserie. Ich habe die Story von Anfang an geliebt, weil sie so viel über Kinder und ihre Eltern und dies sowohl den Kindern als auch den Eltern sagt.
Was ist anders als in der Vorlage?
Letztendlich habe ich nur den Rahmen der Geschichte übernommen und einen völlig neuen Text für mein Stück geschrieben. Das Narrative wurde durch Action ersetzt. Ich nenne es für mich eine Comic-Oper, weil alles in knappen Dialogen nach vorne rast. Und dazwischen wird viel geflogen, gefallen, gerannt, gesucht, gestritten, gezählt und gebastelt.
Ist es auch eine Geschichte über das Erwachsenwerden?
Absolut. Der Stimmumfang von Jakub ent-wickelt sich ähnlich wie bei einem wach-senden Jungen, wofür wir mit Hagen Mat-zeit einen wunderbaren Darsteller gefun- den haben, der sich in allen Registern der Jugend- und Männerstimme bewegen kann. Hinzu kommt die Frage nach dem Selbstbewusstsein eines solchen Jakub-Vogels, der mit dieser wackelnden Stimme den Weg von der Mutter über Freunde bis zur ersten Freundin gehen muss.
Die sieben Rollen werden von drei Sängern übernommen, darüber hinaus sind auch die Orchestermusiker Teil des Geschehens?
Die Musik selbst macht dieses ganze Flie-gen, Waldsausen und Federsammeln mit. Und benutzt dazu ein paar richtig coole Musikinstrumente. Die Orchestermusiker steigen auch noch als weitere Stimmen der Waldbewohner ein: Wir wollen ja die Stille des Mutternestes, die jubelnden Sportfans und die Daumen haltenden Zuschauer von Jakubs Flugversuchen auch hören. Die Kinder im Zuschauerraum werden sicherlich auch nicht immer ganz still sein – warum sollten also die Orches-termusiker immer schweigen?
Miroslav Srnka
die Junge Szene wird unterstützt durch
Eine initiative der rudolf Wöhrl ag.
Semper! premiere 14
ZangeziMuSikThEaTEr
nach vELiMir chLEBnikOv
Die Tradition der gemeinsamen Produktionen zwischen Semperoper Dresden, Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden und Hochschule für Bildende Künste Dresden, die vor einigen Jahren im Rahmen von KlangNetz Dresden begründet wurde, wird mit der »Reihe Y« und dem Projekt »Zangezi« fortgeführt. Velimir Chlebnikov (1885-1922) war einer der großen Köpfe des russischen Futurismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Sein utopisches Denken umfasste eine universale Sternensprache, mathematische Formeln, mit denen man die Kriege der Mensch-heitsgeschichte errechnen und damit angeblich vorhersehbar machen konnte, sowie sinnig bis unsinnig tiefsinnige Poesie über Götter, Vögel und seine Heimat Russland – dies alles im uner-schütterlichen Glauben an eine von Poetik und Ästhetik geprägte Zukunft des Menschen. Sein szenisches Poem »Zangezi« wurde 1923 uraufgeführt.Der russische Futurismus verstand sich als eine Gesellschaftsbe-wegung, die – ausgehend von Kulturarbeit – alte Grenzen überschreiten und neue Bereiche der Produktivität erschließen wollte. So bietet auch heute noch der »Zangezi«-Stoff für junge Künstler – acht Studenten der Kompositionsklasse von Prof. Manos Tsangaris sowie drei Bühnenbild-Studentinnen der Hoch-schule für Bildende Künste Dresden (Klasse Prof. Barbara Ehnes und Prof. Kattrin Michel) – eine reizvolle Grundlage, um Wech- selwirkungen von Komposition, bildnerischen Künsten und Sprachkunst auszutesten.
ZANGEZIMusiktheater nach velimir chlebnikov
premiere
14. Dezember 2011, 19.30 Uhr, Labortheater der HfBK DresdenWeitere vorstellungen
16. & 17. Dezember 2011, 14., 16. & 20. Januar 2012, jeweils 19.30 Uhr
komposition
Martin Baumgärtel, Lorenz Grau, Michael Hiemke, Neele Hülcker, Nicolas Kuhn, Tobias Eduard Schick / Katharina Vogt, Eleftherios Veniadisregie
Manfred WeißMusikalische Leitung
Franz Brochhagen, Benjamin PontiusBühne und kostüm
Juliette Collas, Leonore Pilz, Anne-Alma Quastenbergzangezi
Martin Schicketanzchlebnikov
Michael MienertStimmen 1–3
Sue Kyung Sung, Su Yeon Hilbert, Sie Hun Park
Zangezi-Ensemble der HfM DresdenZangezi-Chor
»Der himmlische Gesandte Zangezi steigt in die enge Erdenwelt hinab. Er will die Menschen die Gesetze des Daseins lehren und sie einig und stark machen.«
kompositionsklasse prof. Manos Tsangaris , autoren Bühnenbildklasse prof. Barbara Ehnes und prof. kattrin Michel, illustration
nEELE hüLckErEröffnungsredeNeele Hülcker, geboren 1987 in Hamburg, hat Interesse an den Rahmenbedingungen von Bühnensituationen und Wahrneh-mung überhaupt.
MarTin BauMgärTELEbene VII»Wenn das Volk sich verwandelt, wenn es Wunden über Wunden trägt, wenn es luchsgleich leise auftritt, mit nassem schwarzem Maul ans Tor des Schicksals stößt ...« Wer ist Zangezi? Ein Prophet oder doch ein ganz normaler Mensch? Vielleicht wird er sogar in eine Rolle gedrängt, obwohl sein Schicksal mögli-cherweise ein ganz anderes wäre …
LOrEnz grauZ(i) ≠ M(a)Zangezi als querdenkender Lehrer und Prophet, der sich durch seine irritierende Sprache und sein ungewöhnliches Auftre-ten von allen anderen Akteuren abhebt, versucht seine Universalbotschaft unter den Menschen zu verbreiten. Schafft es Zangezi? Wie reagiert der Mainstream einer konformen Masse auf diesen Non-konformisten?
MichaEL hiEMkEChorósChor kann alles sein, und jeder und alles kann Chor werden. Deshalb darf der Chor eigentlich nicht proben und auch beinahe nicht wissen, was er singen muss. Wann haben Sie zuletzt für einen Opernbesuch geprobt?
ELEfThEriOS vEniadiSErosZwei Menschen verlieben sich dort, wo die Götter nisten.
kaTharina vOgT / TOBiaS Eduard SchickZangezi – ein Stück Werk Ist Zangezi die Geschichte des Scheiterns des Propheten? Chlebnikovs Text lässt dies offen: »Zwei lesen Zeitung. Wie? Zangezi gestorben! […] Zangezi tritt auf: Zangezi lebt, das war ein schlechter Scherz.« Somit eröffnet sich Spielraum für Interpre-tationen. Wie ist das Verhältnis zwischen Zangezi und seinem Publikum? Versteht es seine Reden besser, wenn sie ihm übersetzt wer-
den? Oder aber sind die Erklärungen eher hinderlich? Ist es immer so? Wiederholt sich die Geschichte? Zangezi: »Es ist immer so: Nach drei hoch n kommt der Gegen-schlag.« Ist auch der Prophet selbst eine Erscheinung, die sich wiederholt? Was aber ist dann das Spezifische an Zangezi?
nicOLaS kuhnBLAST! – Eine ZangeziExegese Der Prophet ist verschwunden, vielleicht auch gestorben, nun ist es Zeit für die Exe-gese seines geistigen Erbes: Ein Zangezi-Fundamentalist tritt voller Pathos auf den Plan und scheitert auf drei verschiedene Arten daran, das Blechbläserkollektiv von einem massentauglichen »Neo-Zangezis-mus« zu überzeugen. Letztlich kann es ihm im dritten Teil nur mit einer autoritären, gewaltverherrlichenden Exegetik gelingen. Seinen krampfhaften und hektischen Inter-pretations- und Mobilisierungsversuchen wird mit einem körperlosen, szenisch nicht aktiven Sopransolo eine Möglichkeit gegenübergestellt, Zangezis Erbe in seiner grandiosen Uneindeutigkeit zu belassen.
Skizze des Bühnenbildes von Juliette collas, Leonore pilz und anne-alma Quastenberg
Stefan ulrich, autor ian Whalen, fotograf
17
des Tanzes, die (meist) ohne Worte den Emotionen der Menschen direkten Aus-druck verleiht. Wie im letzten Jahr zeigen sich auch in den neuen Uraufführungen nicht nur die Persönlichkeiten der Choreo-grafen, sondern auch der kulturelle Reich-tum, den die Künstler aus ihren jeweiligen Herkunftsländern in ihre Arbeit einfließen lassen. Schon die Musikauswahl, die vom französischen Impressionismus über ame-rikanische Filmmusik bis hin zu einer eigens für den Abend komponierten Auf-tragskomposition reicht, verspricht eine abwechslungsreiche Vielfalt. Geradezu grenzenlos scheinen die Möglichkeiten, die gewählten Musiken und inhaltlichen Themen in Tanz umzusetzen – was die Choreografen ihren Kollegen auf den Leib choreografieren, ist ein beeindruckendes Panorama der Talente.
Junge Choreografen
grEnzEnLOS.diE nEuEn SchriTT-MachEr
JUNGE CHOREOGRAFEN
premiere
16. Dezember 2011, 19.30 Uhr
Weitere vorstellungen
17. Dezember 2011, 19.30 Uhr & 18. Dezember 2011, 16 Uhr
Semper 2
choreografie
Caroline Beach, Claudio Cangialosi, Robin Jung, Anna Merkulova, Jeremy Nedd, Johannes Schmidt, Michael Tucker und das Team Duosi Zhu & Raquel Martínez
Es tanzen Tänzer aus dem Ensemble des Semperoper Ballett
karten
10,50 Euro / Jugendliche 5 Euro
Bereits in der letzten Spielzeit stellten einige Tänzer des Semperoper Ballett ein-drücklich unter Beweis, dass sie nicht »nur« ausführende Bühnenkünstler sind, sondern dass sie zudem selbst choreogra-fische Schritte, ganze Stücke entwickeln können – dies höchst kreativ, ausgeführt und getanzt von Kollegen des Ensembles. Wie schon im letzten Jahr werden wieder Choreografien höchst unterschiedlichen Charakters entstehen: von nachdenklich, leidenschaftlich, gefühlvoll bis hin zu augenzwinkernd ironisch. Das alles in ver-schiedenen Formen, von Miniaturge-schichten bis zu Stimmungsbildern reicht die Bandbreite, die die jungen Choreogra-fen mit ihren Werken präsentieren: Caro-line Beach, Claudio Cangialosi, Robin Jung, Anna Merkulova, Jeremy Nedd, Johannes Schmidt, Michael Tucker und das Team Duosi Zhu & Raquel Martínez sind die aktuellen Choreografen – zum Teil sind es »Wiederholungstäter«, zum Teil Tänzer, die sich in diesem Format erstmals betäti-gen, die sich je mit ganz eigener Bewe-gungssprache mit ihren Tänzern auf die Reise menschlichen Handelns, Denkens und Fühlens begeben, jeder aus seinem ganz eigenen Blickwinkel heraus. Bei aller Individualität in der ästhetischen Ausfor-mung ihrer Arbeiten verbindet die jungen Choreografen aber die universelle Sprache
Semper! nussknacker 18
Weihnachten in Transsilvanien
üBEr dEn »nuSSknackEr« und dEn, dEr ihn TanzT
Mit großem Erfolg ist »Der Nussknacker« angelaufen, eine BallettNeuproduktion, die atmosphärisch in sächsischweihnachtlicher
Umgebung spielt. Getanzt wird die Choreografie von Ensemble mitgliedern, für die größtenteils andere Regionen dieser Welt heimatliche Gefühle
auslösen. Grund genug, bei einem der Solisten nachzuhaken, wie es sich mit Weihnachten in seiner Heimat verhält und wie es ist, fernab davon dieses
Stück rund um das Christfest zu tanzen.
istván Simon und anna Merkulova im Winter-zauberwald
Stefan ulrich, autor costin radu, fotograf
István Simon, Sie verkörpern in diesem Ballett die Titelpartie des Nussknackers, eine Rolle, deren Erarbeitung Ihnen leicht fiel?
Die Herausforderung an der Rolle ist, dass sie eine Wandlung vollzieht: Die kleine hölzerne Nussknacker-Figur wächst und »erwacht« zum Leben. Später – nach dem erfolgreichen Kampf gegen den Mausekö-nig – verwandelt er sich in den Prinzen, der eine Reise mit Marie in sein Heimat-land unternimmt. Das heißt, ich muss in dieser Rolle unterschiedliche Farben zei-gen, wobei der Blickwinkel besonders interessant ist, da ich ja stets Maries Fan-tasie oder Traum verkörpere – ich bin also nur durch ihre Gedanken das, was man sieht, also der Idealprinz in den Vorstel-lungen eines Mädchens.
Diese Produktion spielt mit der Idee einer Weihnacht in Dresden. Wie gestaltet sich die Weihnacht in Ihrer Heimat? Gibt es Gemeinsamkeiten und Unterschiede?
Vieles ist ähnlich in meiner Heimat, die im rumänischen Transsilvanien liegt; ich selbst bin Ungar. Weihnachten ist ein Fest der Liebe, zu dem sich die Familie trifft und feiert. Man schmückt gemeinsam den Weihnachtsbaum, kleidet sich gut, isst dann feierlich, worauf die Geschenke ver-teilt werden – natürlich extrem spannend für die Kinder. Anders ist, dass bei uns kein Christkind die Gaben bringt, sondern der Engel, den natürlich jedes Kind irgendwann ganz bestimmt gesehen zu haben glaubt … Auch kennen wir keinen figürlichen Holznussknacker bei uns, den sah ich das erste Mal, als ich zur Ballett-schule nach Budapest ging.
peter i. Tschaikowsky
DER NUSSKNACKERBallett in zwei akten
handlung
Aaron S. Watkin und Jason Beechey
choreografie
Aaron S. Watkin: 1. akt, 3. Bild und 2. akt (company)
choreografie
Jason Beechey: prolog, 1. akt, 1. und 2. Bild,
2. akt (kinder)
Bühne und kostüme
Roberta Guidi di BagnoLicht
Marco Filibeckdramaturgie
Stefan UlrichMusikalische Leitung
Vello Pähn
Semperoper Ballett
Sächsische Staatskapelle Dresden
Studierende der Palucca Hochschule für Tanz Dresden
Philharmonischer Kinderchor Dresdenchordirektor Prof. Jürgen Becker
Mit freundlicher unterstützung der Stiftung zur förderung der Semperoper
in zusammenarbeit mit der palucca hochschule für Tanz dresden
Weitere vorstellungen
9., 13., 23., 25. & 27. Dezember 2011karten ab 27,50 Euro
Passend zum Nussknacker als Werkzeug lernten Sie dann auch Tschaikowskys Ballett kennen, gingen also gleich mehrfach auf Tuchfühlung mit ihm.
Ich habe so viele Erinnerungen an den »Nussknacker«, die immer an die Weih-nachtszeit gekoppelt sind, da er ja stets zum Jahreswechsel gegeben wird. Mehr-fach, in den unterschiedlichsten Rollen und Produktionen der Ballettschule und des Balletts der Staatsoper Budapest, tanzte ich im »Nussknacker«. Eine schöne Geschichte ereignete sich, als ich etwa zwölf Jahre alt und noch ein ganz neuer, unerfahrener Ballettschüler war. Ein Junge meiner Ballettschule kam zur Aufführung in die Oper zu spät, so dass ich spontan für ihn als Soldat im »Nussknacker« einsprin-gen musste, obwohl ich eigentlich noch gar nicht vorgesehen war. Als der Junge in letzter Sekunde doch noch kam, muss ich sehr traurig ausgesehen haben, weil ich dachte, ich könnte nun nicht auf die Bühne – so entschied die Ballettleitung, wir zwei könnten gemeinsam auftreten. Es war so aufregend für mich, mit den Profis gemein-sam auf der Bühne zu stehen. Die Leiden-schaft war vollends geweckt.
In diesem Jahr wird Weihnachten etwas ganz besonderes für mich sein, denn ich werde am 24. Dezember als Gast den Prin-zen im »Nussknacker« in Budapest tanzen, dort, wo ich einst als kleiner Soldat meine ersten öffentlichen Ballett-Schritte gemacht habe.
Semper! 20
Tichina VaughnWEihnachTLichES zuhauSE
Einen sehr persönlichen Weihnachtsgruß schickt Tichina Vaughn in ihrem Album »Christmas at my house« in die Welt. Die Mezzosopranistin, seit der Spielzeit 2010/11 im Solistenensemble der Sem-peroper, zeigt sich auf dieser CD von ihrer besinnlichen Seite. Ihr Timbre verströmt eine aufrichtige Herzenswärme, wenn sie nur von Lars Jönsson am Klavier begleitet oder a capella Liedern wie »Stille Nacht, heilige Nacht«, »Panis Angelicus« oder »Winter Wonderland« ihre Stimme leiht.
»Die Lieder, die ich ausgewählt habe, sollen den Geist der Weihnacht, wie ich ihn erlebt habe, vermitteln«, sagt die gebürtige US-Amerikanerin, die seit etwa 15 Jahren in Europa lebt. Aus den ver-schiedenen Kulturen, die die selbster-nannte »Ameropean« dabei kennenlernte, stellte sie auf ihrer Weihnachts-CD be-liebte Weihnachtsklassiker diesseits und jenseits des Atlantiks in vier Sprachen zusammen. Der Titelsong stammt aus ihrer eigenen Feder – auf dass Liebe und Freude in jedes weihnachtliche Haus ein-kehren.
Christmas at my houseMezzosopran Tichina Vaughn
klavier Lars JönssonErschienen bei animato, 2005
Carolina UllrichSpaniSchES fEuEr
Wann immer Carolina Ullrich die Bühne betritt, versprüht sie südländisches Tem-perament. Kein Wunder, dass die Halbchi-lenin und mehrfach preisgekrönte Sopra-nistin die Lieder Joaquín Turinas für sich entdeckte und auf einem Album zusam-menstellte. Der bedeutende spanische Komponist, der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wirkte, wird in einem Atemzug mit Albéniz, de Falla und Grana-dos genannt. Umso erstaunlicher ist es, dass seine Lieder heute kaum jemandem bekannt sind. Zu Unrecht, entwickelt Turina doch in ihnen einen ganz eigenen, mal humorvoll-ausgelassenen, mal äthe-risch-vergeistigten Stil.
Carolina Ullrich, seit 2010 im Soliste-nensemble der Semperoper und diesjäh-rige Christel-Goltz-Preisträgerin, präsen-tiert sie in ihrer lebendigen, mitreißenden Art, in der sie erst kürzlich im Liederabend in Semper 2 die Cinco Canções Nordesti-nas do Folclore Brasiliero von Ernani Costa Braga interpretierte. Unterstützt wird sie dabei von der brasilianischen Pianistin Débora Hálasz.
Joaquin Turina – SongsTriptico, homenaje a Lope de vega,
vocaliziaciones, poema en forma de canciones
Sopran Carolina Ullrichklavier Débora Hálasz,
Erschienen bei naxos, 2010
Christoph PohlgEhEiMniSvOLLE SEELEnWELTEn
»Nun zuckt im Kreis ein Traum herum«, heißt es in Hofmannsthals Gedicht »Welt-geheimnis«, das Christoph Pohl und Tobias Krampen zum Ausgangspunkt ihrer musikalischen Reise in die Seelenland-schaften des Menschen wählten. Ziel- und orientierungslos sieht sich dieser Mensch der Moderne immer wieder ohnmächtig vor Zusammenhänge gestellt, die er nicht mehr durchschauen kann. Wo der Geist nicht tiefer dringen kann, versucht die Musik, dieses Weltgeheimnis zu ergrün-den – und nicht nur dieses, sondern auch die Seelenzustände jener, die sich in ihrer Verlorenheit nach Ruhe, Ankommen und Geborgenheit sehnen.
Auf ihrer neuen CD verknüpfen der Bariton und sein Pianist Komponisten und Dichter, deren Leben und Werke für Welt-flucht, aber auch Versuche der Weltdeu-tung stehen.
Christoph Pohl, seit 2005 im Ensemble der Semperoper, leiht seine facettenreiche Stimme und seine außerordentliche Gestaltungsgabe den Texten von Petrarca in den Liedern Pizzettis und Franz Liszts sowie von Friedrich Rückert in Kompositi-onen von Gustav Mahler und Wolfgang Rihm.
WeltgeheimnisLieder von Liszt, Mahler, pizzetti, rihm
Bariton Christoph Pohlklavier Tobias KrampenErschienen bei genuin, 2011
Sänger unterm Weihnachtsbaum
aM 24. dEzEMBEr BLEiBT diE SEMpErOpEr gESchLOSSEn. SiE MöchTEn hEiLigaBEnd dEnnOch MiT unSErEn SOLiSTEn vErBringEn? Wir STELLEn ihnEn drEi cd-aufnahMEn vOr.
cd-aufnahmen anne gerber, autorin
Semper! 21
Geschichte zum HörenaLTE und nEuE kLangSchäTzE
dEr »EdiTiOn STaaTSkapELLE drESdEn« und dEr »SEMpErOpEr EdiTiOn«
Erklingen bedeutet auch immer Verklingen! Worte, Töne, Klänge verhallen nach einer gewissen Zeit. Zu-rück bleiben Erinnerungen und oft auch das tiefe Bedürfnis, Hörerlebnisse und musikalische Sternstun-den festzuhalten oder sogar zu wiederholen. Im Zeit-alter der digitalen Tonaufnahme ist das natürlich kein Problem mehr. Doch wie behalf man sich in früheren Zeiten? Von den Anfängen der Aufnahmetechnik bis zu heutigen 5.1 Dolby-Surround-Klangerlebnissen war es ein langer Weg. Zu Beginn des 20. Jahrhun-derts versuchte man mit ausgeklügelten Apparaturen und Techniken, Klänge der Vergänglichkeit zu entrei-ßen. So gab es abenteuerliche Schalltrichter oder Wachs- matrizen, in die der Ton förmlich »eingeschnitten« wurde.
Die Aufnahmetradition der Sächsischen Staatskapelle Dresden reicht bis Mitte der 20er Jahre zurück. Generalmusikdirektor Fritz Busch setzte sich damals intensiv dafür ein, herausragende Aufführungen der Staatskapelle für die Nachwelt zu sichern. Der Arbeits-aufwand war immens, doch das blecherne Klang-ergebnis für heutige Hörgewohnheiten äußerst verwir-rend. Dennoch sind diese Zeitdokumente für uns von unschätzbarem Wert. Keine Pressekritik, kein Beset-zungszettel oder noch so euphorischer Leserbrief ist in der Lage, Geschichte so lebendig zu machen wie jene akustischen »Fingerabdrücke«.
2005 und 2010 entstanden in enger Zusammenar-beit mit dem MDR die mittlerweile preisgekrönte »Edi-tion Staatskapelle« und die »Semperoper Edition«. In diesen Sammlungen werden musikalische Klang-schätze des vergangenen Jahrhunderts und der Gegenwart in mühsamer Kleinstarbeit zusammenge-tragen, restauriert und beim Label Profil Edition Gün-ter Hänssler veröffentlicht. Musikliebhaber und Fach-publikum sind gleichermaßen begeistert.
Vom 15. Dezember 2011 bis zum 9. März 2012 wird die Ausstellung »Geschichte zum Hören« im Opernkel-ler der Frage nachspüren, wie an der Sächsischen Staatsoper Verklungenes wieder zum Klingen gebracht wird. Am Beispiel der beiden Editionen und ausge-wählter Ausstellungsobjekte wird dabei gezeigt, wie komplex das Archivieren von Musik doch ist und dass ein Liveerlebnis in der Sächsischen Staatsoper Dresden trotz allem etwas Einmaliges bleibt.
Labeletikett zur Schellackplatte mit der aufnahme zur Ouvertüre »die hochzeit des figaro« 1923 von der Staatskapelle dresden unter
der Leitung ihres generalmusikdirektors fritz Busch
ausstellung katrin Böhnisch, autorin
ausstellung
»Geschichte zum Hören«15. Dezember 2011
bis 9. März 2012 im Opernkeller Semperoper Dresden
Eben noch sangen Sie Ruggiero, eine klassische Hosenrolle für einen Mezzosopran, nun steht Ihr Debüt als Hanna Glawari bevor, eine Sopranpartie. Vollziehen Sie gerade einen Stimmfachwechsel?
So möchte ich es nicht nennen. Es ist eine schöne Chance, die mir Operndirektor Eytan Pessen bietet. Dass ich Gla-wari singen sollte, überraschte mich, weil sie nicht oft mit jüngeren Sängerinnen besetzt wird. Mir gefällt, dass bei uns nicht dieser Besetzungsautomatismus herrscht. Ich habe die Partie dann ausprobiert, sie fühlt sich richtig an, ist der richtige Schritt. Ich bin ein hoher Mezzo mit Ten-denz zum dunklen Sopran, mag den Crossover. Eine Wie-deraufnahme ist eine gute Möglichkeit, um eine Partie einmal auszuprobieren. Und es ist schön, wenn so viel Vertrauen in einen gesetzt wird.
Worin liegt für Sie die größere Herausforderung – sich beim Rollendebüt in eine Wiederaufnahme einzufinden oder eine Neuproduktion zu erarbeiten?
Neuproduktionen mag ich lieber, weil man sechs Wochen lang mit anderen ein Team bildet, etwas zusammen ent-wickelt und die eigene Persönlichkeit in eine Figur einflie-ßen lassen kann. Es entsteht ein Sog bis zur Premiere und eine Vorfreude darauf, wenn wir alle wichteln und einan-der toitoitoi wünschen. Durch Wiederaufnahmen hinge-gen kann man für sich viel Repertoire mitnehmen, ohne dem Premierendruck ausgesetzt zu sein, und die Partie fürs Publikum erarbeiten. Das ist einfach schön.
Ruggiero war eine männliche Rolle, Glawari muss vor weiblicher Erotik nur so strotzen. Wie finden Sie in so unterschiedliche Rollen hinein – über die Musik?
Ein Mezzosopran auf Entdeckungstour
Barbara Senator, gebürtige Leipzigerin, ist seit vergangener Spielzeit Mitglied des Ensembles der Semperoper. In den nächsten Wochen feiert sie ihr Rollendebüt als Hanna Glawari in »Die lustige Witwe« und singt in Stefan Herheims »Lulu«, die im Februar Premiere hat.
Vor allem mental und über den Inhalt der Oper, und dabei hilft natürlich die Musik. Beim Hören der CD bekomme ich eine visuelle Vorstellung und stimme mich ein. Für Ruggiero versuchte ich die männlichen Aspekte in mir wachzukitzeln und glaubhaft darzustellen. Bei Wiederauf-nahmen muss man natürlich schneller ein Gespür für die Rolle bekommen. An Glawari reizt mich ihr Spiel mit Danilo, das von Missverständnissen, Trotzreaktionen und Liebeskummer angeheizt wird, ein Katz-und-Maus-Spiel. Ich sehe mir ein Video an, um einen Eindruck von der Inszenierung zu bekommen, ein bis zwei Monate im Vor-aus studiere ich die Partie mit dem Korrepetitor ein, zirka zwei Wochen zuvor beginnen die szenischen Proben. Man fühlt sich dann wie ein sehr gut vorbereiteter Ein-springer.
Mögen Sie Rollendebüts, von denen ja in der nächsten Zeit mehrere für Sie anstehen?
O ja – ich habe immer Lust, fremd zu wildern, auf Entde-ckungstour zu gehen und mir ein Stück dazu zu erobern! Und natürlich geben einem die Repertoirerollen auch Souveränität mit. Neben Glawari kommt auch Hänsel, der allerdings nur ein Hausdebüt für mich ist; daran habe ich großen Spaß, denn mit »Hänsel und Gretel« bin ich groß geworden. Und schließlich mehrere Rollen in »Lulu«, die ich gerade einstudiere. Ich freue mich schon auf den Büh-nenzauber von Stefan Herheim.
Zum Sängerdasein gehört viel Disziplin. Worin besteht sie bei Ihnen – und wann sind Sie mal ganz undiszipliniert?
Ich schaue, dass ich genug Schlaf bekomme. Meine Stimme ist das letzte, was wach wird, daher versuche ich immer, mir den Morgen freizuhalten, falls keine Proben anstehen. Ich rauche nicht und trinke wenig Alkohol, weil er die Stimme austrocknet. Ich meide Zugluft und Klima-anlagen. Ich trinke Ingwertee, denn er belebt die Stimm-bänder, und reduziere Schokolade mit Nüssen und Milch-produkte an Vorstellungstagen, weil sie die Schleimbildung anregen. Disziplin kostet es auch, nicht zu lange zu feiern, gerade nach Premieren und vor den nächsten Vorstellun-gen, obwohl ich eher nachtaktiv bin. Aber da ich bei sze-nischen Proben immer auch etwas Gewicht verliere, gönne ich mir jeden Abend Schokolade oder Eis, denn ich bin ein Leckermäulchen. Auch im Straßenverkehr bin ich eher selten diszipliniert ...
Semper! interview 22 christine diller, autorin carmen Jasmyn hoffmann, fotografin
Semper! interview 24
Sie sind mit »Hänsel und Gretel« groß geworden – war das Ihre erste Oper?
Eine der ersten, die erste aber war »La traviata«. Meine Mutter und meine Oma besaßen eine Aufnahme mit Anne-liese Rothenberger; das war meine Lieblingsplatte. Ich bin dazu mit einem Frisierumhang um die Taille und laut mit-trällernd auf Socken übers Parkett geschlittert. Das war für mich der Inbegriff von Oper. Ich durfte auch früh mit mei-ner Mutter oder meinen Großeltern in Vorstellungen gehen, in »My fair Lady« und »Hoffmanns Erzählungen« etwa, und so hat sich das Musiktheater in mir verfestigt.
Die Frage ist natürlich: Was will man? Zu unserem Beruf gehören die Unsicherheit und Jahresverträge. Natürlich wünscht man sich im dritten Lebensjahrzehnt, irgendwo anzukommen, und Dresden als Lebensmittelpunkt wäre sehr schön. Nach einem Jahr fühle ich mich jedenfalls hier schon mehr angekommen als nach drei Jahren in Hannover, was sicher auch daran liegt, dass ich Sächsin bin. Ich hoffe, dass ich ein paar Jahre hier bleiben kann. Aber durch das Reisen lernt man auch viel kennen, und es eröffnen sich viele Möglichkeiten. Wichtig ist allerdings, dass einen der Partner darin unterstützt.
Ihre Website lässt vermuten, dass Sie Jugendstil sehr mögen...
O ja, ich liebe Jugendstil und den Vintage-Stil verschiede-ner Epochen – den Jugendstil in Paris und Italien, die 20er- und 30er-Jahre in New York, das Jazz Age, aber auch Thomas Mann und die viktorianischen Romane – eine gewisse Romantik der Vergangenheit, auch von der Einrichtung her, nicht kitschig, aber verspielt.
Könnte die Hanna Glawari aus der »Lustigen Witwe«, die ja vom Beginn des 20. Jahrhunderts stammt, daher so etwas wie eine Traumrolle von Ihnen werden?
Ja, mit der operettenhaften Musik von Lehár könnte sie wirklich eine Traum- oder Lieblingsrolle von mir werden. Ich mag den Humor des Stücks, der aus Paris kommt und durch eine junge Besetzung mit viel frischer Luft belebt wird. Es ist ja auch die Glawari, obwohl Witwe, nicht alt. Danilo konnte ihr mit seinen Mitteln nur kein gemeinsa-mes Leben bieten. Ein Missverständnis, weshalb sie aus Trotz einen anderen heiratete. Alle verstecken sich hinter einer Maske. Erst als ihre nie verblasste Liebe zum Vor-schein kommt, können sie weitermachen, wo sie aufge-hört haben. Ich freue mich darauf – auch, wieder eine Frau spielen zu dürfen.
DIE LUSTIGE WITWEvorstellungen
21. Dezember 2011 & 1., 3., 6., 15. & 28. Januar 2012karten ab 21 Euro
LULUpremiere
4. Februar 2012vorstellungen
7. & 10. Februar, 25. & 28. März, 19. & 22. Juni 2012karten ab 13 Euro
Sie wollten schon immer Opernsängerin werden?
Ich wollte jedenfalls schon immer zur Bühne und habe wohl schon auf der Säuglingsstation anders geweint als die anderen Babys, so dass die Kinderschwester mich meiner Mutter mit den Worten »Hier kommt unsere Sän-gerin« überreichte. Ich habe früh im Rundfunkkinderchor gesungen und am liebsten auf Autofahrten. Ich habe dann den Kopf an die Scheibe des Trabbi gelehnt, weil sie so schön vibrierte und das einen tollen Dolby-Surround-Effekt gab. Dann erhielt ich Klavierunterricht und ging auf eine musische Schule. Schließlich habe ich die Auf-nahmeprüfung für die Musikhochschule bestanden, und da nahm das Schicksal seinen Lauf.
Sie sind im Zirkusgeschäft des Theaters schon viel herumgekommen, haben in Leipzig und Berlin studiert, sind unter anderem in Hannover, Essen, München, Stuttgart, Toulouse, Aix und Glyndebourne aufgetreten und singen nächstes Jahr am Royal Opera House Covent Garden in London und in Amsterdam. Kommt man in diesem Betrieb auch einmal an?
Barbara Senator
Semper! Semper 2 anne gerber, autorin Matthias creutziger, fotograf
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Nach der musikalischen Weltumrundung im November laden im Januar Mitglieder des Opernensembles zum zweiten Lieder-abend in Semper 2, und wieder wird es international, wenn unsere Solisten aus Australien, Kanada, den USA und Deutsch-land die Kammerbühne in einen Salon ver-wandeln.
Die gebürtige Australierin Valda Wilson singt im zweiten Jahr im Jungen Ensemble und war eben erst als naiver Narr in Karl Amadeus Hartmanns »Simplicius Simpli-cissimus« in Semper 2 zu erleben. Ihr zur Seite stehen der junge Bass Jeremy Bowes aus Kanada und Bass-Bariton Allen Boxer aus Philadelphia. Auch sie lernen in ihrer zweiten beziehungsweise ersten Spielzeit an der Semperoper im Rahmen des Ausbil-dungsprogrammes die tägliche Arbeit an einem internationalen Opernhaus hautnah kennen.
Bereits fest im Berufsleben steht Romy Petrick, die nach ihrer Gesangsausbildung an der Hochschule für Musik Carl Maria
von Weber Dresden und zwei Spielzeiten an den Landesbühnen Sachsen in Rade-beul seit 2009 zum Solistenensemble der Semperoper gehört. Doch Gesang ist nicht alles: Wenn die Sopranistin nicht gerade als Susanna, Blonde, Papagena oder Gretel auf der Bühne steht, arbeitet die promo-vierte Musikwissenschaftlerin an wissen-schaftlichen Dokumentationen zum Dresd-ner Musikleben.
Mit den vier Solisten stellte Nikolai Peter-sen ein Programm zusammen, das den Bogen vom Liedgesang der Romantik bis mitten ins 20. Jahrhundert spannt. »Die Stü-cke aus dem ›Italienischen Liederbuch‹ von Hugo Wolf behandeln die Liebe von all ihren Seiten, der verehrenden, der schmerz-lichen bis hin zur grotesken. Von Debussy werden Lieder aus verschiedenen Lebens-abschnitten zu hören sein, von Kompositio-nen des Teenagers bis zum Spätstil 1913, dessen kristalline Durchsichtigkeit beson-ders bemerkenswert ist. Ganz besonders interessiert mich Arnold Schönbergs ›Ode
LIEDER IN SEMPER 2
Sonntag, 29. Januar 2012, 20 Uhr
Mit Liedern von
Arnold Schönberg, Claude Debussy, Hugo Wolf und Anton Webern
Sänger
Romy PetrickValda Wilson *Jeremy Bowes *Allen Boxer*
klavier
Nikolai Petersen *
karten 11,50 Euro
das detaillierte programm wird rechtzeitig auf www.semperoper.de bekanntgegeben.
* Mitglied Junges Ensemble
Alle Seiten der Liebe»LiEdEr in SEMpEr 2«LiEdEr vOn dEr rOManTik BiS zur MOdErnE
an Napoleon‹, eine 15-minütige Vertonung des Byron-Textes nach dem Sturz Napole-ons. Nicht zufällig wählte Schönberg 1942 diese Schmähschrift gegen einen Diktator aus. Und schließlich Anton Webern, dessen Musik immer den Reiz äußerster Konzent-ration und Gespanntheit hat«, erklärt der Pianist und Korrepetitor Nikolai Petersen, ebenfalls Mitglied des Jungen Ensembles, sein Programm, mit dem er sich einen lang gehegten Wunsch erfüllt. »Diese vier Kom-ponisten wollte ich seit langer Zeit studie-ren und aufführen, besonders die Lieder Weberns brennen mir auf der Seele, sie sind allerdings aufgrund der anspruchsvol-len Singstimme schwer aufführbar. Der Liederabend gibt mir dazu nun die Gele-genheit.«
Sparte unterzeile
autor
flockenwirbel im »nussknacker« – Julia Weiss als Schneekönigin mit ihrem gefolge, Ensemble. zu erleben am 9., 13., 23., 25. und 27. dezember 2011
26Semper!
28Staatskapelle Semper!
georges prêtre
Späte Liebe eines Grandseigneurs – Seit 10 Jahren bei der Staatskapelle
Samstag, 17. Dezember 2011, 16 Uhr Semperoper Dresden, Rundfoyer
Georges Prêtre im GesprächTobias Niederschlag ModerationKartenpreis: 6,50 €
4. Symphoniekonzert
Sonntag, 18. Dezember 2011, 11 Uhr Montag, 19. Dezember 2011, 20 Uhr Dienstag, 20. Dezember 2011, 20 Uhr Semperoper Dresden
Georges Prêtre Dirigent
Franz Schubert Symphonie Nr. 7 h-Moll D 759 »Unvollendete«
Gustav Mahler Symphonie Nr. 1 D-Dur »Titan«
Kostenlose Einführung jeweils 45 Minuten vor Beginn im Opernkeller der Semperoper
christian Thielemann
Konzert in der Frauenkirche I
Donnerstag, 8. Dezember 2011, 20 Uhr Freitag, 9. Dezember 2011, 20 UhrFrauenkirche Dresden
Christian Thielemann DirigentSibylla Rubens SopranChrista Mayer Alt Daniel Behle TenorFlorian Boesch BaritonKammerchor der FrauenkircheEinstudierung: Matthias Grünert
Johann Sebastian Bach »Weihnachtsoratorium« BWV 248, Kantaten 1 – 3
Konzert in der Frauenkirche II
Donnerstag, 15. Dezember 2011, 20 Uhr Freitag, 16. Dezember 2011, 20 UhrFrauenkirche Dresden
Christian Thielemann DirigentSibylla Rubens SopranChrista Mayer Alt Daniel Behle TenorHanno Müller-Brachmann BaritonKammerchor der FrauenkircheEinstudierung: Matthias Grünert
Johann Sebastian Bach »Weihnachtsoratorium« BWV 248, Kantaten 4 – 6
piotr Beczala
Silvesterkonzert der Staatskapelle Dresden
Freitag, 30. Dezember 2011, 20 UhrSamstag, 31. Dezember 2011, 17.15 UhrSemperoper Dresden
Christian Thielemann DirigentAngela Denoke SopranAna Maria Labin SopranPiotr Beczala TenorChor der Sächsischen Staatsoper DresdenEinstudierung: Pablo Assante
Höhepunkte aus Operetten von Franz Lehár
In Zusammenarbeit mit dem ZDFLive-Übertragung am 31. Dezember im ZDF
Musik für die ganze FamiliediE kOnzErTE dEr SächSiSchEn STaaTSkapELLE drESdEn iM dEzEMBEr und Januar
Kammermusik der Sächsischen Staatskapelle Dresden
5. Kammerabend
Mittwoch, 4. Januar 2012, 20 UhrSemperoper Dresden
Werke von Georg Philipp Telemann, Antonio Pasculli, Richard Strauss und Johannes Brahms
6. Kammerabend
Sonntag, 29. Januar 2012, 20 UhrSemperoper Dresden
Programm und Mitwirkende werden noch bekannt gegeben.
Janine Jansen
5. Symphoniekonzert
Samstag, 14. Januar 2012, 20 UhrSonntag, 15. Januar 2012, 11 UhrMontag, 16. Januar 2012, 20 UhrSemperoper Dresden
Yannick Nézet-Séguin DirigentJanine Jansen Violine
Olivier Messiaen»Les Offrandes oubliées«, Symphonische Meditationen
Sergej Prokofjew Violinkonzert Nr. 2 g-Moll op. 63
Igor Strawinsky »Le Sacre du printemps«
Kostenlose Einführung jeweils 45 Minuten vor Beginn im Opernkeller der Semperoper
Kapelle für Kids
Schneller, höher, weiter? Ein musikalischer Wettstreit
Sonntag, 22. Januar 2012, 11 Uhr Semperoper Dresden
Julius Rönnebeck & die Puppe Alma mit Magdalena Schäfer Moderation
Sächsische Staatskapelle Dresden
Johannes Wulff-Woesten Dirigent
Semper! 30Staatskapelle axel Brüggemann, autor Matthias creutziger, fotograf
Meister aller Klassen oder: Die kurzsichtige CallasgEOrgES prêTrE kOMMT nach drESdEn – BEgEgnung MiT EinEM dirigEnTEn-MyThOS
Das Risiko war groß. In seiner Heimat Paris wurde der junge Dirigent höchstens als Geheimtipp gehandelt – aber er hatte einen wichtigen Förderer, der ihn an die Wiener Staatsoper holte. Die große Sopra-nistin Lisa della Casa sollte in Richard Strauss’ »Capriccio« singen. Und Georges Prêtre blieb keine Zeit, das Werk mit dem Orchester durchzuspielen, er hatte ledig-lich eine Leseprobe. Trotzdem wurde der Abend ein Erfolg. Der Moment ist Prêtres Stärke, die Elektrisierung des Orchesters und des Publikums. Nach der Aufführung kam der Mentor des jungen Maestro in dessen Garderobe und sagte: »Seien Sie versichert, Sie können an der Staatsoper dirigieren, wann und was sie wollen!« Her-bert von Karajan war der eigentliche Ent-decker des französischen Dirigenten.
Prêtre erzählt diese Geschichte aus sei-nen Anfängen gern. Inzwischen ist er selbst eine Legende: als kluger Interpret der Musik seines Landsmannes Francis Poulenc, der einst über Prêtres Dirigate sagte: »Er ist viel zu schnell. Aber so schön!« Als erster Franzose, der das Wiener Neu-jahrskonzert dirigierte (und der älteste Maestro an gleicher Stelle). Und natürlich als kongenialer Aufnahmepartner von Maria Callas. Gemeinsam haben Prêtre und die Callas »Carmen« und »Tosca« ein-gespielt, zahlreiche Konzert- und Opern-abende aufgeführt und Tricks gegen die kleinen Schwächen der kurzsichtigen Diva entwickelt, die den Dirigenten von der Bühne aus kaum erkennen konnte. »Du schaust mich an«, sagte sie, »und sobald Du siehst, dass meine Schultern hinaufge-hen, weißt Du, dass ich einatme – und in diesem Moment setzt Du ein.« Prêtre tat, was die Callas ihm empfahl. Und tatsäch-
lich kamen die beiden nie aus dem Takt. Die streitsüchtige Diva hatte ihren Maestro gefunden. Die beiden waren das Opern-Traumpaar der 60er-Jahre.
Heute steht Georges Prêtre, der große, weise Mann der Musik, wie kein anderer für die goldene Ära der Klassik. Für einen klugen Klang, der das Pathos nicht fürch-tet, gleichzeitig aber Akkuratesse in Tempi und Gestaltung walten lässt. Eine Schule, die kurzzeitig aus der Mode gekommen schien. Heute ist sie so erfolgreich wie sel-ten. Ein Klang, der dem Ideal der Staatska-pelle entspricht: die behutsame Wandlung der Tradition in die Gegenwart. Kein Wun-der also, dass Prêtre in den letzten zehn Jahren immer wieder als Gastdirigent die Leitung der Dresdner übernommen hat.
Georges Prêtre, der den Spitznamen »Maestro 100.000 Volt« trägt, ist kein Diri-gent der alten Zeit geblieben, kein Muse-umsstück der Klassik. Er trägt unendliche Erfahrung in sich und hat sich entwickelt, ist gewachsen, nimmt die Phrasierungen freier, die Tempi präziser – und rückt durch die Erfahrenheit und die Gelassen-heit des Alters noch näher an die Werke, die er in Angriff nimmt. Mit der Staatska-pelle wird er gleich zwei Meisterwerke in Angriff nehmen: Schuberts siebte Sym-phonie, die »Unvollendete«, und Mahlers erste, den »Titan«. Ein Symphoniekonzert voller Tradition, Erfahrung und dem Geist der Neuerfindung des Bekannten.
Bereits am 17. Dezember gibt er dem Publikum in einem seiner seltenen Gesprä-che persönlich über sein Leben Auskunft.
Meister aller Klassen oder: Die kurzsichtige Callas
Späte Liebe eines Grandseigneurs – Seit 10 Jahren bei der Staatskapelle
Samstag, 17. Dezember 2011, 16 UhrSemperoper Dresden, Rundfoyer
Georges Prêtre im Gespräch
Moderation
Tobias Niederschlag
karten 6,50 Euro
4. Symphoniekonzert
18. Dezember 2011, 11 Uhr19. & 20. Dezember 2011, 20 Uhr
Semperoper Dresden
dirigent
Georges Prêtre
Franz SchubertSymphonie Nr. 7 h-Moll D 759
»Unvollendete«
Gustav MahlerSymphonie Nr. 1 D-Dur »Titan«
Kostenlos Einführung durch den Konzert-dramaturgen Tobias Niederschlag
jeweils 45 Minuten vor Konzertbeginn im Opernkeller der Semperoper
Beschwingte Sause in der SemperoperdaS zdf üBErTrägT zuM zWEiTEn MaL SEin TradiTiOnELLES SiLvESTErkOnzErT auS drESdEn. WEr LivE daBEi iST, SiTzT in dEr ErSTEn rEihE.
Semper! Staatskapelle 32
Silvesterkonzert der Sächsischen Staatskapelle 2010
Semper! Staatskapelle 33
Es gehört zum Alltag von Musikern, dass sie arbeiten müssen, wenn andere Menschen feiern. Silvester ist einer dieser traditionellen Arbeitstage der Staatska-pell-Mitglieder. Aber – wie jeder andere Mensch auch – suchen sie an diesem außergewöhnlichen Tag auch das Außergewöhnliche, das Ausgelassene und den besonderen Spaß in der Musik.
Deshalb haben sie sich zum Silvesterkonzert in der Semperoper große Gäste eingeladen. Der Tenor Piotr Beczala sowie die Sopranistinnen Angela Denoke und Ana Maria Labin werden Operetten-Schlager von Franz Lehár interpretieren. Anna Netrebko und ihr Partner, der Bariton Erwin Schrott, haben ihre Teil-nahme kurzfristig abgesagt: Sie fühlten sich aufgrund ihrer zahlreichen Verpflichtungen nicht in der Lage, sich auf dieses Konzert adäquat vorzubereiten. Aber Angela Denkoke und Ana Maria Labin wie natürlich auch ihr Kollege Piotr Beczala stehen für höchstes Niveau. Denoke wurde zwei Mal von der Zeitschrift »Opernwelt« als Sängerin des Jahres ausgezeichnet. Sie singt regelmäßig an der MET in New York, in München und ist auch dem Dresdner Publikum bes-tens bekannt. Gemeinsam mit Christian Thielemann, der das Silvesterkonzert leiten wird, hat sie in zahlrei-chen Aufführungen Zuschauer und Presse gleicher-maßen begeistert. Derzeit gilt Denoke auf Grund ihrer glänzenden und klugen Stimme, wegen ihrer Spiel-freude und Ausdrucksstärke als eine der gefragtesten Sängerinnen weltweit. Wie schon im letzten Jahr wird auch 2011 ganz Deutschland den Jahresausklang mit den Dresdnern feiern. Denn das ZDF wird das Silves-terkonzert erneut in die Wohnzimmer des Landes übertragen.
Vor einem Jahr war die Staatskapelle erstmals am Silvestertag im ZDF zu erleben – und die Dresdner erreichten schon damals mehr Fernsehzuschauer als die Berliner Philharmoniker, die zeitgleich in der ARD aufspielten. Dieses Jahr werden die beiden Orchester – eines nach dem anderen – gesendet. »Für uns ist die Zusammenarbeit mit der Sächsischen Staatskapelle eine große Freude«, sagt ZDF-Musikchefin Anca-Monica Pandelea, »die Stimmung in der Semperoper und die Qualität des Orchesters garantieren ein würdi-ges Konzertereignis zum Jahresausklang«. Bereits im zweiten Jahr scheint die Staatskapelle mit ihrem Sil-
vesterkonzert eine neue Fernseh-Tradition begründet zu haben: Dieses Konzertereignis gehört für viele Zuschauer schon jetzt so fest zum letzten Tag im Jahr wie »Dinner for One«. Christian Thielemann wird »Operetten-Schlager« von Franz Lehár dirigieren. Gute Laune ist also programmiert. Aber Lehárs Ope-retten haben immer auch einen doppelten Boden: Im Fin de Siècle waren sie ironische Kommentare zum Zeitgeist und haben eine chaotische Zukunft vorweg genommen.
Zum Jahresausklang sind sie also ideale Werke, wenn es darum geht, das Alte hinter sich zu lassen, in einen Rausch zu verfallen und die Welt am nächsten Tag mit neuen Augen zu sehen. Die Musiker der Staatskapelle haben am diesjährigen Silvesterabend auf jeden Fall eine beschwingte Gaudi vor sich – ebenso wie ihre Zuschauer, live in der Semperoper oder zu Hause vor dem Fernseher.
axel Brüggemann, autor Matthias creutziger, fotograf
Silvesterkonzert der Staatskapelle Dresden
30. Dezember 2011, 20 Uhr
31. Dezember 2011, 17.15 UhrSemperoper Dresden
dirigent
Christian ThielemannSopran
Angela DenokeSopran
Ana Maria LabinTenor
Piotr Beczala
Sächsischer Staatsopernchor DresdenEinstudierung
Pablo Assante
Höhepunkte aus Operetten von Franz Lehár
In Zusammenarbeit mit dem ZDFLive-Übertragung
am 31. Dezember im ZDF
im anschluss an das konzert findet im rundfoyer
und den vestibülen ein gala-dinner von
Sterne-koch Stefan hermann (bean&beluga) statt.
die gäste erleben den Jahreswechsel auf den
Terrassen der Semperoper mit champagner und
großem feuerwerk sowie dem Blick auf
Theaterplatz, zwinger und Elbwiesen.
Semper! Staatskapelle 34
Modern? Klassisch!
diE MOdErnE iST LängST zuM kLaSSikEr dES kOnzErTrEpErTOirES
gEWOrdEn . JaninE JanSEn und yannick nézET-Séguin zEigEn, WiE zEiTLOS MESSiaEn, prOkOfJEW und
STraWinSky Sind.
Semper! Staatskapelle 35
Das Fagott spielt den ersten Ton – allein das war 1913 schon ein Skandal. Noch während der ersten Note begann das Publikum zu lachen. Etwas später artete der Lärm in empörtes Gegröle aus. Allein der Dirigent behielt die Nerven und machte weiter. Es ist selten, dass Musik für so viel Protest sorgt wie am 29. Mai 1913 im Théâtre des Champs-Élysées in Paris. Auch Igor Strawinsky hatte nicht erwartet, dass seine Bal-lettmusik für Sergej Diaghilew derartige Kritikstürme auslösen würde, und war geschockt. Aber er war sicher, dass seine Komposition »Le Sacre du print-emps« das Publikum überleben würde. »Zweifellos wird man eines Tages verstehen, dass ich einen Über-raschungscoups auf Paris gelandet habe, Paris aber unpässlich war«, kommentierte er die Aufführung lakonisch in der New York Times und prophezeite: »Bald wird es seine schlechte Laune vergessen.« Stra-winsky sollte Recht behalten: 100 Jahre nach der Uraufführung ist »Le Sacre du printemps« ein Klassi-ker der modernen Musik. Ein Meisterwerk, dessen Rhythmik und dessen Ungestüm uns heute noch aktu-ell vorkommt – und in dem wir, anders als das Pariser Publikum von 1913, inzwischen durchaus klassische Formen entdecken. Es gehört zur Geschichte der Musik, dass das Neue manchmal nicht gleich vom Publikum akzeptiert wird, dass Komponisten Klänge für eine Zeit schreiben, in der die Zuschauer noch nicht angekommen sind. Und so ist es nicht verwun-derlich, dass manch großes Werk zunächst auf taube Ohren stieß, dass es reifen musste, um am Ende als Klassiker gefeiert zu werden. Im fünften Symphonie-konzert der Staatskapelle stehen gleich drei dieser Werke auf dem Programm: Neben Strawinskys »Sacre« werden auch Olivier Messiaens Symphoni-sche Meditationen »Les Offrandes oubliées« und Sergej Prokofjews zweites Violinkonzert zu hören sein. Alle drei sind in Paris entstanden und wurden von grundverschiedenen Musikern geschrieben. Jeder von ihnen war aus anderen Gründen auf der Suche nach einem neuen Klang.
Olivier Messiaen galt als Wunderkind. Er beschäf-tigte sich schon als kleiner Junge mit den Noten von Debussy und Ravel und besuchte mit elf Jahren das Konservatorium in Paris. Zunächst verfolgte er eine Organisten-Karriere. Sein Lehrer war der große Kom-ponist Marcel Dupré. Messiaen gewann zahlreiche Wettbewerbe, erlernte nebenbei aber auch das Kom-positionshandwerk – vor allen Dingen bei Paul Dukas. Das Notenschreiben war für ihn immer auch eine Wis-senschaft: Er experimentierte mit Tonarten, Interval-len und Tonleitern, um neue Stimmungen und Klänge zu formen und den Noten eine bislang ungehörte Ord-nung zu geben. Das gut zehnminütige Werk »Les Offrandes oubliées«, in dem es um christliche Themen geht, war das erste Stück von Messiaen, das 1931 im Pariser Théâtre des Champs-Élysées aufgeführt wurde. Das Publikum war inzwischen aufgeschlossener, rieb sich zwar noch an den neuen Klängen, ließ es aber nicht mehr zum Skandal kommen. Heute wissen wir, dass die Kompositionsforschungen von Olivier Mes-
axel Brüggemann, autor Sara Wilson (decca), foto
5. Symphoniekonzert14. Januar 2012, 20 Uhr15. Januar 2012, 11 Uhr16. Januar 2012, 20 Uhr
Semperoper Dresden
dirigent
Yannick Nézet-Séguinvioline
Janine Jansen
Olivier Messiaen»Les Offrandes oubliées«,
Symphonische Meditationen
Sergej ProkofjewViolinkonzert Nr. 2 g-Moll op. 63
Igor Strawinsky»Le Sacre du printemps«
Kostenlos Einführung
durch den Konzertdramaturgen Tobias Niederschlag jeweils
45 Minuten vor Konzertbeginnim Opernkeller der Semperoper
siaen wegweisend für die Entwicklung der Neuen Musik waren – dass sie die Grundlage eines modernen Musikverständnisses bilden und allein deshalb schon klassisch sind.
1936 befand sich auch Sergej Prokofjew in Paris. Anders als Strawinsky liebäugelte er nach der Flucht aus Russland immer wieder mit einer Rückkehr in seine Heimat. Nachdem er aus dem Exil in den USA nach Frankreich gekommen war, pendelte er nun zwi-schen Moskau und Paris und lotete die Chancen für seine endgültige Rückkehr nach Russland aus. Mit seinem zweiten Violinkonzert, das kurz vor seinem endgültigen Umzug nach Russland entstand, experi-mentierte er mit neuen Wegen in der Musik. Unter dem Motto »Neue Einfachheit« versuchte er die Errungenschaften der westeuropäischen Moderne in eine klare, bodenständige Form zu überführen. Pro-kofjew balancierte in seinen Klängen zwischen der Pariser Avantgarde und dem realistischen Musikge-schmack des kommunistischen Russland und suchte nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten, bei denen er weder die eine noch die andere Seite verraten würde. Das zweite Violinkonzert bildete den Anfang dieser Suche.
Janine Jansen und die Sächsische Staatskapelle Dresden unter der Leitung von Yannick Nézet-Séguin werden zeigen, dass die neuen Wege in der Musik, die in Paris entstanden sind, immer auch die Sehnsucht nach dem individuellen Ausdruck dreier Komponisten zum Klingen bringen.
Semper! Staatskapelle 36
Wie der Klang
durch den Körper
wandertJaninE JanSEn iM gESpräch
Janine Jansen, wenn Sie ein Stück interpretieren, was steht an erster Stelle: der Kopf oder der Bauch?
Musik braucht beides. Klugheit und Emotionen. Es geht darum, ein Stück so weit zu verstehen, dass man es – wenn möglich – verkörpert, dass es am Konzert-abend ganz selbstverständlich aus einem heraus-kommt. Dazu gehört viel Technik, dazu gehören viele Gedanken – aber all das sollte am Ende keine Rolle mehr spielen. Alles, was man sich gedacht hat, muss nun selbstverständlich klingen.
Das bedeutet, dass eine Interpretation immer auch intim ist – dass die Stücke Teil von Ihnen selbst werden?
Ich glaube, dass ein Stück immer durch einen Men-schen hindurchgeht: Man liest es mit den Augen, denkt es mit dem Kopf, trainiert die Finger und den Bogenstrich, und man befragt es auch mit seinen eigenen Emotionen und Erfahrungen. Am Ende muss die ganz persönliche Interpretation durch die Hände wieder in Klang verwandelt werden. Mit anderen Wor-ten: Bevor Noten zu Klang werden, müssen sie erst einmal durch den ganzen Körper wandern.
Auf Ihren CDs und in Ihren Konzerten mischen sie gern klassische Meisterwerke mit neuer Musik ...
... Ich halte das für außerordentlich wichtig. Denn die Musikgeschichte ist ja nicht bei Bach stehengeblie-ben. Sie entwickelt sich weiter. Und in allem Neuen schlummert auch immer das kulturelle Gedächtnis des Alten. Komponisten versuchen auszudrücken, was ihre Zeit bewegt. Und wenn sie echte Meister sind, haben ihre Kompositionen auch den Generationen, die folgen, noch etwas zu sagen.
Macht es einen Unterschied, mit welchem Orchester man auftritt?
Natürlich hat man seine eigenen Vorstellungen von einem Stück. Aber das Spannende an der klassischen Musik ist ja, dass man immer mit anderen zusammen spielt. Ein Orchester hat ja – ebenso wie ein Solist – seine eigene Geschichte, wird durch ein bestimmtes Repertoire geprägt, hat eigene Vorlieben und eine eigene Vergangenheit. Für mich sind die ersten Pro-ben immer spannend. Meist reden wir ja nicht viel in Worten, sondern hören einander zu. Unsere Sprache ist der Klang – und in diesem Klang suchen wir gemeinsame Ideen, lassen uns inspirieren und entde-cken während des Spieles gemeinsam neue Seiten eines bekannten Stückes. Insofern ist es für mich immer wieder ein Erlebnis, auf unterschiedliche Orchester zu treffen – auch, um meinen eigenen Hori-zont zu erweitern.
Schon als Kind hat die Geigerin Janine Jansen ganz selbstverständlich die
Klassiker der Musik gespielt, sich aber auch für moderne Komponisten
interessiert . In ihrer Jugend schwärmte sie
für Olivier Messiaen. Nun tritt sie mit Prokofjews zweitem Violinkonzert in Dresden auf. Ein Gespräch über
das, was Interpretation ist.
axel Brüggemann, interview
Semper! Staatskapelle 37
Geschenkideen
Christian Thielemann / Maurizio PolliniJohannes BrahmsKlavierkonzert Nr. 1 d-Moll op. 15Maurizio Pollini, KlavierStaatskapelle DresdenChristian Thielemann (2011)CD, Deutsche Grammophon Nach fast 25 Jahren kehrte die Pianistenle-gende Maurizio Pollini im Juni 2011 zur Staatskapelle Dresden zurück und konzer-tierte auf Thielemanns Einladung zum ersten Mal überhaupt in der Dresdner Semperoper . Pollinis jahrzehntelange Aus-einandersetzung mit Brahms’ erstem Kla-vierkonzert begeisterte auch das Publikum in Dresden, das den inzwischen 69-Jähri-gen mit Ovationen feierte. Die Dresdner Neuesten Nachrichten schwärmten von »atemberaubenden« und »zutiefst poeti-schen Augenblicken« und sprachen von einem »musikalischen Ergebnis von wirk-licher Größe«.
Silvesterkonzert 2010Franz LehárAuszüge aus »Die lustige Witwe«Renée Fleming, Christopher Maltman u.a.Sächsischer Staatsopernchor DresdenStaatskapelle DresdenChristian Thielemann (2011)CD & DVD, Deutsche Grammophon
Kaum eine Operette eignet sich besser für den stimmungsgeladenen Jahresausklang als »Die lustige Witwe« von Franz Lehár. Erstmalig präsentierte im vergangenen Jahr das ZDF sein traditionelles Silvester-konzert mit Christian Thielemann und der Sächsischen Staatskapelle aus der Dresd-ner Semperoper. Renée Fleming, Christo-pher Maltman sowie Ensemblemitglieder der Semperoper boten einen musikali-schen Jahresausklang voller Elan und Schwung. Übrigens: Der Mitschnitt des diesjährigen Silvesterkonzerts wird nur wenige Tage später ebenfalls in den Rega-len stehen.
ZDF-Adventskonzert 2010Aus der Frauenkirche DresdenCarolina Ullrich, Vittorio Grigolo Sächsischer StaatsopernchorKammerchor der FrauenkircheStaatskapelle DresdenBertrand de Billy (2011)CD & DVD, Sony Music
Die Dresdner Frauenkirche bot auch 2010 den stimmungsvollen Rahmen für ein hoch-karätig besetztes Konzert in der Vorweih-nachtszeit. Das vom ZDF und der Stiftung Frauenkirche Dresden veranstaltete Advents-konzert glänzte mit dem italienischen Star-Tenor Vittorio Grigolo, der jungen Carolina Ullrich, Ensemblemitglied der Semperoper sowie der Staatskapelle Dresden unter der Leitung von Bertrand de Billy. Gemeinsam mit dem Sächsischen Staatsopernchor und dem Kammerchor der Frauenkirche verzau-berten sie das Publikum mit Werken von Vivaldi bis zu Tschaikowsky.
Christian Thielemann Richard Wagner»Eine Faust-Ouvertüre«Franz Liszt»Eine Faust-Symphonie«Endrik WottrichHerren des Sächsischen Staatsopern-choresStaatskapelle DresdenChristian Thielemann (2011)DVD & Blu-ray, C Major
Unter der musikalischen Leitung von Christian Thielemann spielte die Sächsische Staatskapelle Dresden im Februar 2011 ein Sonderkonzert anlässlich des 200. Geburtstages des Komponisten Franz Liszt. »Diese intensive, hochklassige Wür-digung des Jubilars löste sehr heftigen Beifall aus. Beim Dresdner Publikum ist Christian Thielemann längst angekom-men, und dieses ist erst recht bei einem gar nicht so häufig aufgeführten Werk wie der Faust-Sinfonie begeisterungsfähig, wenn man wie Thielemann sein ganzes Können hineinlegt« (Dresdner Neueste Nachrichten).
Semper! 38
Zehn Fragen
Christa Mayer studierte Gesang an der Bayerischen Singakademie und an der Musikhochschule München. Seither führten sie Gastspiele u.a. an die Bayerische Staatsoper, die Deutsche Oper Berlin, die Staatsoper
Hamburg, das Teatro la Fenice Venedig und das Teatro del Maggio Musicale Fiorentino. 2007 sang Christa Mayer in der »Ring«-Produktion in Valencia unter Zubin Mehta. 2008 debütierte sie als Erda und
Waltraute unter der Leitung von Christian Thielemann bei den Bayreuther Festspielen . Seit 2001 ist die Sängerin Ensemblemitglied der Semperoper Dresden. 2004 wurde ihr der Christel-Goltz-Preis der Stiftung
zur Förderung der Semperoper verliehen. An der Semperoper sang sie bisher u.a. Fenena (»Nabucco«), Suzuki (»Madama Butterfly«), Mrs. Quickly (»Falstaff«), Marcellina (»Le nozze di Figaro«), Auntie (»Peter
Grimes«), Erda und Waltraute im »Ring«, Magdalene (»Die Meistersinger von Nürnberg«), Gaea (»Daphne«), Brangäne (»Tristan«) und Maddalena (»Rigoletto«). In der Spielzeit 2011/12 gibt Christa Mayer ihre
Rollendebüts als Bradamante (»Alcina«), Gräfin Geschwitz (»Lulu«) und in der Titelpartie von »La Dirindina«. Im Dezember 2011 ist sie in Bachs »Weihnachtsoratorium« unter der Leitung von Christian Thielemann
in der Frauenkirche zu erleben.
christa MayerMezzosopranistin
Zehn Fragen
Menschen
Mein Morgenritual ist…
Mein letzter Lustkauf war…
Wenn ich einen anderen Beruf ausüben müsste, wäre es…
Wenn ich einen Tag unsichtbar wäre, würde ich…
Mein Lieblingsort in Dresden…
Abschalten kann ich am besten…
Das Unvernünftigste, was ich je getan habe…
Schwach werde ich…
In meiner Hosentasche habe ich…
Mein Traum vom Glück…
Semper! 41kosmos Oper
WiE daS TuTu zur BaLLErina kOMMT
Kosmos Oper
anne gerber, autorin Matthias creutziger, fotograf
Der Vorhang hebt sich, und ein entzücktes Raunen geht durch das Publikum: Vor einer zauberhaft fun-kelnden Kulisse erscheinen, Feenwesen gleich, grazile Tänzerinnen in ihren schimmernden, strassbesetzten Kostümen auf der Bühne. Federleicht schweben sie durch den Raum und leuchten um die Wette mit den Kinderaugen im Saal. Welches kleine Mädchen träumt in solchen Momenten nicht davon, eine Ballerina zu sein, im Spitzenschuh und dem ebenso unverzichtba-ren Spitzenröckchen, dem Tutu? Dornröschen oder die Schwanenprinzessin ohne Tüll? Unvorstellbar. Und auch die großen »weißen Akte« des Corps de bal-let, die in fast jedem klassischen Ballett obligatorisch sind, entfalten erst durch die Tutus ihre eigentliche Magie.
Um die 25 bis zu gut 40 Tutus sind in der Semper-oper in klassischen Ballettvorstellungen auf der Bühne zu erleben. Bis sie dort erstrahlen, ist es ein weiter Weg. Frauke Schernau, seit 1991 Künstlerische Leite-rin der Kostümabteilung und seit 2003 Kostümdirek-torin der Semperoper, ist verantwortlich für ihre »Reise«: »In unseren Werkstätten stellen wir nur noch selten Tutus selbst her, der Aufwand der manuellen Fertigung ist einfach zu hoch. Die letzten Tutus, die komplett bei uns entstanden sind, waren für Balanchi-nes ›Thema und Variationen‹ in der Spielzeit 2008/09.« 40 Arbeitsstunden werden hier pro Tutu, also allein für den Rock ohne Schmuck, Taille und Decke gerech-net – kein Vergleich zur Großproduktion in St. Peters-burg oder bei Grishko in Moskau, wo die Tutus quasi am Fließband maschinell angefertigt werden, ohne zeitraubendes Vorzeichnen per Schablone. »Eine Serie von gut 20 Tutus kann dort durchaus innerhalb von zwei, drei Wochen hergestellt und geliefert wer-den, in der Regel kann man von einer Lieferzeit von etwa zwei Monaten ausgehen«, erklärt Frauke Scher-
nau. Die konkreten Angaben, nach denen die Röcke gefertigt werden sollen, arbeitet sie zuvor gemeinsam mit den jeweiligen Kostümbildnern aus: von der Größe des Tutus – je nach Größe und Figur der Tänzerin ist die längste Rüsche 32 bis 38 cm lang – über die Farbe und Anzahl der einzelnen Rüschen, also die Lagen des Rockes, bis hin zur Form des Saumes, zackig oder gerundet. Jede Firma hat zudem ihre charakteristische Tutu-Form, in Moskau werden die einzelnen Rüschen stärker gefächert, diese Röcke sind also im Profil brei-ter als die St. Petersburger. Sind die Tutus geschnei-dert, werden sie – beziehungsweise bei einem größe-ren Auftrag erst einmal ein Prototyp – einzeln in Kisten verpackt und nach Dresden geschickt. Und dort zeigt sich dann, dass übertriebene Zurückhaltung beim Umgang mit den sperrigen Röcken nicht vonnö-ten ist. »Als ich 1997 für eine Ballettgala zum ersten Mal eine Lieferung von Grishko bekam, dachte ich, ihnen ist ein Irrtum unterlaufen: Die Transportkisten waren nur etwa ein Viertel so groß, wie die Tutus sein sollten. Ich packte eins aus und erlebte erstmals das ›Wunder der Entfaltung‹ – der zweimal zusammenge-legte Rock spannte sich makellos zu seiner perfekten Form.« Respekt vor dem Stoff ist dennoch angebracht. Nicht nur, dass der für das Semperoper Ballett ge-bräuchliche Nylontüll leicht reißt, er ist auch extrem rutschig. »Wenn wir Verbesserungen am Tutu vorneh-men, müssen wir besonders darauf achten, dass keine Stoffreste am Boden liegen bleiben, denn unter dem Schuh wirkt er wie Schmierseife«, demonstriert Frauke Schernau an einem kleinen Schnipsel. Viel geschnitten wird an den angelieferten Tutus norma-lerweise aber nicht mehr. Mit dem Oberteil werden sie an die Tänzerinnen angepasst. Dann beginnt für die Schneiderinnen und Schneider die aufwändige Ver-zierung der Röcke, in mühseliger Detailarbeit werden Strasssteinchen, Borten, Perlen aller Couleur eingear-beitet, die die Tänzerinnen auf der Bühne in funkelnde Elfen und Prinzessinnen verwandeln.
Bewundernswerte, ja anbetungswürdige Grazien sind Tänzerinnen schon seit Beginn des Ballettes am Hofe des Sonnenkönigs Ludwig XIV. gewesen. Damals trugen sie noch Kostüme, die an ihre Alltagsroben und Ballkleider angelehnt waren und besonders prunkvoll aussahen, die Bewegungsfreiheit jedoch stark ein-schränkten. Erst 1832 wurde erstmals ein Tutu auf der
40 Stunden für sechseinhalb Meter Tüll
Bühne getragen: Marie Taglioni sorgte mit ihrem wadenlangen Tüllrock, den sie in der Uraufführung von Philippe Taglionis »La Sylphide« in der Opéra de Paris trug, für einen Skandal, als nun ihre Knöchel, bei den Sprüngen gar ihre Beine zu sehen waren – zu jener Zeit noch höchst anstößig. Die Vorteile des leichten, luftigen Stoffes ließen sich jedoch nicht leug-nen: spirituell, schwebend und halb durchsichtig, unterstrich er die Anmut der Tänzerinnen und gab ihnen gleichzeitig die nötige Freiheit für ihre Bewe-gungen. Damit begann der Siegeszug des Tutus, der im Laufe der Jahrzehnte immer kürzer wurde bis zum heute so bekannten Tellertutu. Kostüm und Mode gin-gen ebenso bis heute Hand in Hand: Wie die Tages-mode die Kleider auf der Bühne beeinflusste, nahmen Designer ab dem 20. Jahrhundert Tutus in ihre Kreati-onen auf.
Wie die Form der Tutus änderte sich über die Jahr-hunderte auch ihr Material. Waren sie anfangs noch aus Mousseline, später auch Gaze gefertigt, verwen-det man heute überwiegend den pflegeleichteren Nylontüll. Die Frage nach dem geeigneten Stoff ist indessen noch heute eine Wissenschaft für sich. In der Anfangsphase der Tutuherstellung wurde auch noch Seidentüll verwendet. Das Material war allerdings wenig strapazierfähig und zudem verhältnismäßig teuer, sodass man es heute überwiegend bei kleineren Kleidungsstücken wie etwa Brautschleiern findet. In den 50er Jahren wurde auch ein Gewebe namens Tar-latan verwendet, das allerdings ganz entschiedene Nachteile aufwies, wie Frauke Schernau erfuhr: »Die-ser Stoff musste nach jedem Waschen neu mit Reis-stärke gestärkt werden, zudem mussten alle Rüschen, die normalerweise zusammengestochen sind, vonein-ander gelöst und nach dem Stärken wieder neu gesto-chen werden.« Ein Aufwand, der im größeren Stil nicht umzusetzen war. Apropos Waschen: Nylontutus lassen sich zwar ein paar Mal in die Waschmaschine stecken, ohne dass sich das Gewebe löst oder schlaff wird, doch einen wöchentlichen Waschgang vertragen auch sie nicht. Und selbst mit spezieller chemischer
Reinigung haben die Tutus, je nach Häufigkeit ihrer Nutzung und nach ihrer Beanspruchung, eine Lebens-dauer von nur etwa einer oder zwei Spielzeiten. Ein »ausgespieltes« Tutu erwartet übrigens noch ein Leben als recyceltes Probenkostüm.
In einem Tellertutu sind etwa 6,35 Meter Tüll in neun Rüschen verarbeitet, zudem werden 4,2 Meter Wäscheband, 2 Meter Stahlband, 1,9 Meter Körper-band, etwas Miederstoff und Hosenmaterial sowie Gummiband benötigt. Zusammengehalten wird es mit fünf Haken und Ösen. Für die perfekte Passform wer-den in manchen Companys, vor allem in Russland, die Tänzerinnen sogar in ihre Kostüme eingenäht. Ein Theaterglaube besagt, diese Rolle würden sie dann nie wieder los. Mysteriös. Noch mysteriöser allerdings ist der Name des Tutus selbst. Sicher ist, dass er erst-mals in Frankreich, damals die Ballettnation schlecht-hin, genannt wurde, jedoch erst Jahre nach der »Syl-phide«. Und selbst der »Trésor de la Langue Française«, der französische Duden, hält sich mit einer Erklärung der Begriffsgeschichte bedeckt. Ist es eine Abkürzung für das französische »tulle«? Oder hängt es mit dem »cul«, dem Hintern, zusammen? Bei solch prosaischen Erklärungen für das wohl poe-tischste Kostüm überhaupt ist es vielleicht ratsamer, nicht weiter nach der Herkunft des Namens zu suchen, sondern sich vielmehr an seiner Pracht auf der Bühne zu erfreuen.
Die letzte Verbeugung, der Vorhang fällt, doch der Zauber der Tutus wird aus dem Saal herausgetragen: Manch kleine Prinzessin ist noch vor der Garderobe zu entdecken, wie sie traumverloren im Gedränge eine Pirouette probiert.
Semper! 42kosmos Oper
43innensichtenSemper! Matthias creutziger, fotograf
InnensichtenMiTWirkEndE dEr SEMpErOpEr anTWOrTEn auf SELTEn gESTELLTE fragEn
Was ist das Schönste an Ihrer Arbeit?
Mit Superlativen tue ich mich schwer, aber was mir wertvoll ist: der durch die Arbeit bedingte, vielfältige Kontakt mit Menschen, welcher zu immer neuen Sichtweisen zwingt. Im Besonderen das Wirken und Werken mit dem Werkstattteam am »Bühnen-bild«, einer Schnittstelle von Handwerk und Kunst, wo Erfahrungen wichtig sind, aber beständig Neuland zu erkunden ist.Sven Schmidtgen, direktor der dekorationswerkstätten
Es wird definitiv nie langwei-lig. Abwechslung und schnelle Reaktionen auf unvorhergese-hene Probleme stehen auf der Tagesordnung.frank Seifert, produktionsmanager Ballett
Wenn die Vorstellung so spannend und in- tensiv läuft, dass sie sich gewissermaßen ver- selbständigt. Dann lässt man sich nur noch fallen, ist wirklich mittendrin und erlebt Oper.andreas heinze, Sänger im Sächsischen Staatsopernchor und Leiter des kinderchors
1. Immer viel Neues und eine sehr abwechslungsreiche Arbeit. 2. Kontakt zu allen Mitarbeitern im Haus.gabriele hatzmannsberger, Mitarbeiterin poststelle
Monika: »Was soll es schon Schöneres geben als Singen?« Rafael: »In großen Chorwerken, ganz gleich ob in der Oper oder im Konzert, die gemeinsame Kraft und Schönheit des Klanges im Chor zu spüren, ist wunderbar!«Monika und rafael harnisch, Sänger/-in im Sächsischen Staatsopernchor
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Wöhrl for KidsEine Initiative der Rudolf Wöhrl AG
Kultur beginnt im Herzen jedes Einzelnen.
J.N. Nestroy
45rätselSemper!
TOSca »Vissi d’arte« – nur für die Kunst lebte die gefeierte Sängerin Tosca, bis politische Intrigen schlagartig in das Leben der Künstlerin und ihres Geliebten, des Malers Cavaradossi, einbrechen: Als dieser den politischen Flüchtling Angelotti versteckt, gerät er ins Visier und in die Hände des skrupellosen Polizeichefs Scarpia, der längst ein Auge auf Tosca geworfen hat. Um den Geliebten zu retten, muss Tosca nicht nur Angelotti verraten, sondern soll sich Scarpia selbst hingeben.
Zur Entstehungszeit als »Folteroper« verschrieen, greifen in Puccinis packen-dem Stück über Liebe, Ehre, Verrat, Macht und Eifersucht die politische Willkür und persönliche Leidenschaften so eng inein-ander und liegen so grausam bloß wie in kaum einer anderen Oper.
»Mit Tosca kam die Zärtlichkeit«, lautete nichtsdestotrotz einer der werbewirksamsten Slogans im 20. Jahrhundert. Welches Produkt, das für die selbstbewusste, mondän angehauchte Dame kreiert wurde und 1921 erstmals auf dem Markt erschien, wurde damit angepriesen? verlosung
Unter allen richtigen Einsendern verlosen wir zwei Freikarten der Saison 2011/12 Ihrer Wahl, ausgenommen sind Premieren, Sonderveranstaltungen und Gastspiele.
Einsendeschluss
6. Januar 2012 Semperoper Dresden Theaterplatz 2 01067 Dresden kommunikation@semperoper.de
Weitere vorstellungen
10., 14., 17., 28. Dezember 2011 & 2., 13. Januar 2012
Lösungswort des letzten rätsels, heft 3
Schokolade
gewonnen hat
Monika Siegert aus Freital
Rätsel
Lösung
adresse
Semperoper Dresden Besucherdienst — Theaterplatz 2
01067 Dresden
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redaktionsschluss für dieses Heft: 30. November 2011
Service
richard STrauSS
CapriccioaManda MaJESki
aLS gräfin
Eine musikalische Konversation im Opern-salon: Während sich der Komponist Fla-mand, der Dichter Olivier und der Theater-direktor La Roche über die Vorzüge ihrer Künste streiten, kann sich die junge Gräfin nicht entscheiden, wofür ihr Herz schlägt:
die Musik oder das Wort? Den hübschen Flamand oder den stürmischen Olivier? Ein Dilemma, das auch der Entschluss, eine gemeinsame Oper über die Erleb-nisse des Tages zu schreiben, nicht lösen kann.
Der »Leckerbissen für kulturelle Fein-schmecker«, wie Richard Strauss seine letzte Oper bezeichnete, zählt in der Insze-nierung von Marco Arturo Marelli zum Standardrepertoire der Semperoper. In dieser Spielzeit gibt Amanda Majeski, kürzlich noch als Alcina zu erleben, als Gräfin ihr Rollendebüt.
vorstellungen
16. Dezember 2011 & 5. Januar 2012karten ab 11,50 Euro
RepertoireEnSEMBLE, JungES EnSEMBLE &gäSTE
Debüts an der Semperoper
dEzEMBEr 2011 / Januar 2012
TOSCAWiederaufnahme 10. dezember 2011
cavaradossi Klaus-Florian VogtEin Schließer Allen Boxer *
PETER UND DER WOLF / JAKUB FLÜGELBUNTpremiere 15. dezember 2011
Jakub Hagen Matzeitvater/Eule/igel Markus ButterMutter/Eichhörnchen/Magdalena Valda Wilson *
DIE LUSTIGE WITWEWiederaufnahme 21. dezember 2011
graf danilo danilowitsch Christopher Magiera hanna glawari Barbara Senator vicomte cascada Allen Boxer *
DIE ZAUBERFLÖTEWiederaufnahme 7. Januar 2012
Tamino Andrej DunaevErster priester Jeremy Bowes *zweite dame Gala El Hadidi *papagena Valda Wilson *zweiter geharnischter Allen Boxer *Monostatos Simeon Esper
IL TROVATOREWiederaufnahme 9. Januar 2012
conte di Luna Quinn Kelseyruiz Giorgio Berrugi (18. & 21. februar 2012)
* Mitglied Junges Ensemble
die Junge Szene wird unterstützt durch
Eine initiative der rudolf Wöhrl ag.
gEOrgE BaLanchinE
Juwelen
gETanzTE EdELSTEinE
Rubinrot, smaragdgrün und weiß wie Dia-manten leuchten Tänzer und Bühne in Balanchines vertanzten Edelsteinen, die für drei verschiedene Tanztraditionen ste-hen. »Juwelen«, das erste abendfüllende abstrakte Ballett überhaupt, beschreibt die
Geschichte des Balletts, wie es den Choreo-grafen Balanchine prägte: Energie und Rhythmus Amerikas verbinden sich mit Strawinskys jazzigen Klängen, der lyrische Tanz Frankreichs verschmilzt mit Gabriel Faurés Komposition zum großen romanti-schen Ballett, und Peter Tschaikowskys Musik untermalt die Hommage an Marius Petipa und den klassischen Tanz Russ-lands.
Seit drei Jahren in verschiedene Ballett-abende integriert, werden die drei Teile nun zu einem funkelnden Ganzen zusam-mengefügt.
vorstellungen
22. & 27. Januar 2012 karten ab 15,50 Euro
giuSEppE vErdi
Il trovatore dEr TrOuBadOur: SpaniSchE
gLuT gEgEn diE käLTE
Ein unstillbares Feuer loht in dieser popu-lären Oper von Giuseppe Verdi: »Il trova-tore« versprüht spanische Glut im winter-lichen Dresden. Mit dem sprichwörtlichen südlichen Temperament stürzen sich auch hier die Figuren in immer ausweglosere
Situationen: Manrico und sein Erzfeind und unerkannter Bruder, der Conte di Luna, ziehen in ihrem Kampf um Leonora diese mit sich ins Verderben, vorangetrie-ben von der Mutterliebe, aber auch der Rachsucht der Zigeunerin Azucena, Manri-cos Ziehmutter.
Erstmals an der Semperoper zu Gast ist Quinn Kelsey aus Hawai als Conte di Luna.
vorstellungen
9., 11., Januar & 18., 21. Februar 2012 karten ab 17,50 Euro
RepertoireWOLfgang a. MOzarT
Die Zauberflöte faMiLiEnOpEr zuM
haLBEn prEiS
Ein dauerplappernder Vogelfänger, eine sich in scheinbar unmenschlichen Kolora-turen hochschraubende Königin der Nacht und die heiligen Hallen des weisen Saras-tro – selbst der opernfernste Schüler dürfte die Protagonisten von Mozarts
beliebtester Oper im Schlaf erkennen. Gar nicht verschlafen, sondern frisch und munter steht ab Beginn des neuen Jahres wieder Achim Freyers »Zauberflöte« auf der Bühne. Andrej Dunaev begibt sich dabei erstmals als Prinz Tamino in der Semperoper auf die Suche nach seiner Pamina, begleitet von Christopher Magi-era in seinem Rollendebüt als Papageno. Die mozartschen Ohrwürmer »Der Hölle Rache« oder »Der Vogelfänger bin ich ja« erleben Kinder am 8. Januar und 17. Feb-ruar zum halben Preis.
vorstellungen
7., 8., 12., 29. Januar, 5., 11. Februar, 17., 22., 29., 31. März,
24. April, 30. Juni & 1. Juli 2012karten ab 17,50 Euro
Semper! 47 Service, impressum, repertoire
Der Stiftungsrat
Joachim HoofVorstandsvorsitzender Ostsächsische Sparkasse DresdenVorsitzender des Stiftungsrates, Dresden
Senator h. c. Rudi HäusslerGründer und Ehrenvorsitzender des Stiftungsrates, Stuttgart
Ehrenprofessor Senator E. H. Dipl. Ing. (FH) Klaus FischerInhaber und Vorsitzender der Geschäftsführungder Unternehmensgruppe fischer, Waldachtal
Susanne Häussler, Stuttgart
Dr. Ulrike HesslerIntendantin der Sächsischen Staatsoper Dresden
Professor Dipl. Ing. Jürgen HubbertVorsitzender des Kuratoriums, Sindelfingen
Gerhard MüllerVorstandsvorsitzender Sparkassen-Versicherung SachsenGeschäftsführer der Stiftung, Dresden
Das Kuratorium
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Prof. Dr. Dr. Sabine Freifrau von Schorlemer Staatsministerin für Wissenschaft und KunstSächsisches Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, Dresden
Helma OroszOberbürgermeisterin der Stadt Dresden
Heinz H. Pietzsch, Berlin
Hans Günther SchappacherGeschäftsführender GesellschafterAssistenz-Treuhand GmbH, Stuttgart
Alfred Sigl, Nürnberg
Dr. Andreas SperlGeschäftsführerEADS Elbe Flugzeugwerke, Dresden
Tilman TodenhöferGeschäftsführender GesellschafterRobert Bosch Industrietreuhand KG, Gerlingen
Heinz H. PietzschDr. Ing. h.c. F. Porsche AGPSD-Projects + Share Development AGRadeberger Exportbierbrauerei GmbHRheinmetall AGSachsen BankSchwäbische Bank AG, Dr. Peter LinderUnternehmensgruppe SchwarzSRH HoldingSparkassen-Versicherung SachsenStaatliche Porzellan-Manufaktur Meissen GmbHSenator h.c. Erwin StaudtSuper Illu Verlag GmbH & Co. KGVattenfall Europe Mining & GenerationVITRA GmbH DeutschlandJuwelier WempeAdolf Würth GmbH & Co. KGYIT Germany GmbHZentrum Mikroelektronik Dresden AGEhrenmitglieder: Professor Christoph AlbrechtProfessor Gerd Uecker
Wer Kunst versteht,versteht es, sie zu fördern
Informationen und Spendenvordrucke
Stiftung zur Förderung der Semperoper (im Hause der
Sparkassen-Versicherung Sachsen), An der Flutrinne
12, 01139 Dresden, Telefon 0351 423 55 98, Telefax
0351 423 54 55, stiftung.semperoper@sv-sachsen.de,
www.stiftung-semperoper.de
Dem Aufruf der 1992 gegründeten Stiftung zur Förderung der Semperoper sind
mittlerweile zahlreiche Freunde der Semperoper gefolgt. Werden auch Sie Mitglied
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genießen Sie gleichzeitig viele persönliche Vorteile.
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für die Preisträger werden Sie persönlich eingeladen.
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die Möglichkeit, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen und Proben zu besuchen.
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Austausch mit anderen Musikliebhabern aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft
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Frauen, keinem der beiden Lebensent-würfe den Vorzug geben und sieht seinen einzigen Ausweg im Selbstmord. Für Alcina tut sich der Boden auf, nur Leere und Erinnerungen an früheres Glück blei-ben ihr. Dramaturgisch äußerst geschickt wird eine Arie ans Ende gestellt, die der Oper eine fatalistische Tiefe verleiht: »Mi restano le lagrime« – niemand hört mehr der Zauberin letzte Klage, ihr bleiben nur die Tränen.
In perfektem Zusammenspiel mit den Sängern erschafft die auch mit barocken Instrumenten besetzte Sächsische Staats-kapelle Alcinas magisches Reich auch musikalisch. Unter der Leitung von Rainer Mühlbach und mit geringstmöglicher Bar-riere zu den Zuschauern trägt sie zur un-mittelbaren Wirkung des Bühnengesche-hens bei. Die ganze Semperoper erliegt an diesem Abend Händels Charme.
annalisa fischer, Studentin an der LMu München
Reihe 7, Platz 23 »aLcina«, OkTOBEr 2011
Was könnte es für einen schöneren Anlass geben, Dresden mal wieder einen Besuch abzustatten, als die Premiere von Händels Zauberoper »Alcina«? Und zum Glück konnte der Jugendclub der Semperoper meiner Begleitung und mir im Rahmen des diesjährigen Juvenilia-Events in Dres-den noch Plätze besorgen. In Anbetracht der gelungenen Inszenierung und der wundervollen Hauptdarstellerin bin ich dafür doppelt dankbar!
Die Inszenierung von Jan Philipp Gloger beginnt mit einer Machtdemonstration der Zauberin Alcina. Alles in ihrem Reich liegt ihr zu Füßen, selbst die Wände ihres Irr-gartens verschieben sich auf ihr Geheiß; Räume entstehen und verschwinden auf einen Fingerzeig hin. Die Männer, die Alcina in ihren Bann schlug, sind be- und verzaubert und tragen ihre Gebieterin auf Händen. Für sie gibt es kein Entkommen. Da ist allerdings Ruggiero (Barbara Sena-tor), der einen besonderen Platz an der Seite der Zauberin einnimmt:. »Sag, mein Herz, wie sehr ich dich an all diesen Orten liebte...«, singt Alcina leicht dahin und ist sich ihres Glücks sicher. Es ist schier unfassbar, dass es sich für Amanda Maje-ski um ein Rollendebüt handelt, so wun-derschön singt sie Händels Melodien, so überzeugend gibt sie die mächtige Köni-gin. Mit großen Gesten schreitet sie ihr Land ab, gehüllt in federleichte Gewänder.
Nadja Mchantaf spielt ihre kleine Schwester Morgana, die sich wenig subtil der Vorteile des Lustgartens erfreut und flirtet, was das Zeug hält. So wirft sich Morgana auch einem Fremden an den Hals: ein junger Mann, unter dessen Klei-dern sich die verlassene Ehefrau Ruggie-ros verbirgt. Mit Bradamantes Eintreten stehen sich zwei Welten gegenüber: die fantastische Zauberwelt der schönen Alcina, in der alles farbenfroh und sorgen-frei ist, und das gesellschaftlich anerkannte, bodenständige Leben eines Beamten mit Familie. Gegensätzlich ist Bradamante auch
gekleidet und wirkt in ihrer Verkleidung als Mann (um unerkannt reisen zu können) wenig anziehend.
Doch mit voller und beweglicher Stimme, die in virtuosen Koloraturen wunderbar zur Geltung kommt, verschafft sich Christa Mayers Bradamante Gehör. Erinnerungen an ihr früheres Leben werden in Visionen wahrhaftig auf der Bühne erschaffen, ihr Leid dem Publikum nachdrücklich vor Augen geführt. In diesem Verwirr- und
Verkleidungsspiel kann man sich leicht verlieren. In Alcinas Welt ist alles möglich, alles kann vor den Augen der Zuschauer kreiert und wieder verworfen werden. Genau wie die Figuren lässt man sich ver-zaubern. Plötzlich gibt es jede Figur zwei-mal, und niemand ist mehr der, der er zu sein scheint. Die künstliche Welt ist per-fekt, weder dies- noch jenseits des Orches-tergrabens ist man sich sicher, wer betrügt und wer nicht.
Jetzt kippt die Situation: Alcina ist sich Ruggieros nicht mehr sicher und weiß nicht, wer ihrer Macht noch unterliegt. Alcina fühlt sich verraten und bringt ihre Zerrissenheit in der Arie »Ah! Mio cor!« zum Ausdruck: »Verräter! Ich liebe dich so sehr!« Mit dem Schwinden ihrer Selbstsi-cherheit verblasst auch ihre Zauberkraft. Ihre Liebessklaven stehen wieder auf zwei Beinen und treten ihr als Armee von Be-amten im Anzug gegenüber – angeführt von Bradamante. Die beiden Frauen, die den gleichen Mann lieben, könnten grö-ßere Rivalinnen kaum sein. Das Machtge-fälle hat sich verkehrt, die ehemalige Köni-gin ist zur Aussätzigen geworden und findet sich in einer Zwangsjacke wieder.
Ruggiero vermag trotzdem nicht, Alcina zu entsagen; er kann keiner der beiden
rezension eines gastesSemper!
Annalisa Fischer absolvierte im Jahr 2006 ihr Abitur in Berlin, danach war sie anderthalb Jahre Dramaturgie-
assistentin am Ballhaus Ost (Berlin). Seit 2007 studiert sie Komparatistik, Romanis-
tik und Slavistik an der LMU München.
georg friedrich händel »Alcina«
Weitere vorstellungen
4. & 7. Juli 2012Semperoper Dresden
karten ab 22 Euro
50
Die ganze Semperoper erliegt Händels Charme
Besuchen Sie auch den Ort, an dem Automobilbau zum kulturellen Ereignis wird: Die Gläserne Manufaktur von Volkswagen in Dresden. Eine Fertigungsstätte, so einzigartig wie ihr Produkt – der Phaeton. Wir wünschen Ihnen eine besinnliche Zeit im weihnachtlichen Dresden.
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Z e I t f Ür das BesOndere .f Ür e Inen Ort wIe k e Inen a nderen .
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