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02.06.2015
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Ist Depression gefährlich?
Dipl. Psych (univ.) Ursula Bauernschmid-Kainz
Ursachen (%) der durch Behinderung beeinträchtigten Lebensjahre; gesamte Lebensspanne (WHO Report 2001)
Dipl.Psych. Ursula Bauernschmid-Kainz 2015
02.06.2015
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** Diagnose im engeren Sinne: Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders; vierte Auflage
Die Statistik zeigt die Anteile depressiver Beschwerden in der Allgemeinbevölkerung in Deutschland 2010. Insgesamt 26 Prozent der Allgemeinbevölkerung in Deutschland litten 2010 unter depressiven Symptomen Dipl.Psych. Ursula Bauernschmid-Kainz 2015
Häufigkeit� Dritthäufigster Grund der Vorstellung beim Allgemeinarzt
� Häufigste psychische Erkrankung überhaupt
� 6% aller Erwachsenen erkranken im Laufe ihres Lebens an einer klinisch relevanten Depression
� Depressive Symptome, (die zumindest so ausgeprägt sind, dass sie normale Alltagsaktivitäten behindern) sind sogar wesentlich häufiger im Laufe eines Lebens (> 60 %)
•Lebenszeitprävalenz 16-20 % weltweit •Frauen:Männer = 2:1, alle Altersgruppen•25% aller stationären Behandlungen in Fachkliniken
•Quelle: "Global Burden of Disease" 2000; Bundesgesundheitssurvey 1998
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Depression und Burn OutBurn - Out Depression
Ursachen Vorhanden
häufig im beruflichen Kontext oder
familiäre Probleme
Ohne konkrete
Ursache möglich
„kontextfrei“
Auswirkung Oftmals nicht auf alle
Lebensbereiche – auch
unbeschwerte Phasen
Allgegenwärtig
Symptome Müdigkeit bei gleichzeitiger
Innerer Unruhe und Reizbarkeit
Weniger paradoxe
Symptomatik
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Hauptsymptome� Gedrückte Grundstimmung (tiefe Traurigkeit): Gefühle der
Verzweiflung und „inneren Leere“ stellen sich ohne erkennbaren Anlass ein.
� Interessenverlust (Anhedonie): Die Fähigkeit, sich an wichtigen Dingen oder Aktivitäten des Alltags zu freuen bzw. daran teilzunehmen, geht verloren. Der Interessenverlust kann sich auf alle Lebensbereiche, also Familie, Freundeskreis, Beruf, aber auch Hobbies, Sport oder sexuelle Aktivitäten erstrecken.
� Verminderung des Antriebs (Energielosigkeit): Das Gefühl einer starken inneren Müdigkeit und Energielosigkeit lässt jede Aktivität beschwerlich erscheinen. Die Motivation zur Durchführung selbst einfacher Alltagsaktivitäten, wie Essenszubereitung oder Körperpflege, nimmt ab.
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Zusatzsymptome
� Verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit:
� Häufig fällt es depressiven Menschen schwer, mit den Gedanken bei einer Tätigkeit oder einer Aufgabe zu bleiben. Unentschlossenheit und ein verlangsamtes Denken sind weitere Anhaltspunkte für Konzentrationsschwierigkeiten.
� Mangelndes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen:
� Leistungen und Fähigkeiten bewerten depressiv erkrankte Menschen häufig als sinn- oder nutzlos und erleben sich dabei als unfähig oder als Belastung für andere.
� Gefühle von Schuld und Wertlosigkeit:
� Einhergehend mit mangelndem Selbstwertgefühl neigen depressive Menschen dazu, sich Fehler und Versäumnisse vorzuwerfen, sich dafür verantwortlich und wertlos zu fühlen. Depressive Denkinhalte umfassen oft Themen wie Schuld, Sünde und Armut und können bei schweren Depressionen psychotische Inhalte umfassen.
� Negative und pessimistische Zukunftsperspektive:
� Entsprechend der negativen Selbst- und Weltsicht wird jeder neue Tag als Belastung und die Zukunft als aussichtslos erlebt.
� Suizidgedanken oder Suizidhandlungen:
� Wenn Sinnlosigkeit und innere Leere das Denken bestimmen, können sich Lebensüberdruss und Suizidgedanken entwickeln und zu konkreten Suizidhandlungen führen.
� Verminderter Appetit:
� Depressionen beeinflussen auch den Appetit. Es fehlt der Genuss beim Essen und die Betroffenen müssen sich zum Essen regelrecht überwinden. Als Folge nehmen sie häufig ab. In seltenen Fällen gibt es auch das gegenteilige Phänomen mit deutlich gesteigertem Essverhalten.
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Diagnostik nach ICD 10
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Ätiologie und Entstehungsmodelle� Die Depression stellt kein homogenes Krankheitsbild dar. Aufgrund der Heterogenität
der Symptome geht man von einer multifaktoriellen Erklärungsgenese aus, bei der sowohl physiologische bzw. neurobiologische, psychologische als auch soziale Faktoren eine Rolle spielen.
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Ätiologie und Entstehungsmodelle II
� Auf neurobiologischer Ebene macht man Dysfunktionen im Bereich der zentralen neuromodulatorischen Systeme, v.a. der serotonergen und noradrenergenTransmittersysteme verantwortlich. Diese Neurotransmittersysteme sind durch Stressreaktionen stark beeinflussbar.
� Erklärungskonzepte auf der neuroendokrinologischen Ebene fokussieren auf die Rolle der Stresshormonachse oder intrazelluläre postsynaptische Prozesse für die Entstehung depressiver Störungen.
� Auf psychosozialer Ebene ist die Entstehung einer depressiven Störung häufig mit einschneidenden Belastungen (z.B. Verlusterlebnissen), Persönlichkeitsfaktoren (z.B. Introvertiertheit, negative Selbstsicht) und Verhaltensmustern (wie z.B. Vermeidung sozialer Interaktionen) eng verknüpft.
� Einzelne belastende lebensgeschichtliche Ereignisse oder Persönlichkeitsfaktoren können aber noch keine depressive Störung auslösen. Es bedarf zusätzlich einer individuellen Vulnerabilität für Depressionen, die auf prädisponierenden biologischen Faktoren beruht. Studien weisen auch auf eine genetische Disposition für depressive Störungen hin, da depressive Störungen familiär gehäuft auftreten.
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PET Scan (Positronen-Emissions-Tomographie) Verfahren = Bildgebendes Verfahren der Nuklearmedizin, das Schnittbilder von lebenden Organismen erzeugt
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Vulnerabilität (von lateinisch vulnus “Wunde“ bzw. vulnerare „verwunden“) _ Bedeutung „Verwundbarkeit“ oder „Verletzlichkeit“ = Gegenteil von „Resilienz“
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Suizid� Depressive Störungen sind die psychischen Störungen mit dem
höchsten Suizidrisiko (30-mal höher als in der Allgemeinbevölkerung).
� Ca. 5% der wegen einer Depression irgendwann einmal stationär behandelten Patienten nehmen sich das Leben. Männer versterben mehr als doppelt so oft durch Suizid wie Frauen. Das höchste Suizidrisiko tragen ältere Männer (> 70 Jahre); es liegt ca. 20-mal höher als das von jungen Frauen, die demgegenüber das höchste Suizidversuchsrisiko haben.
� Suizidalität kommt bei depressiven Patienten in verschiedenen Ausprägungen vor.
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Verteilung
�> 800.000 Menschen /Jahr
�2 häufigste Todesursache bei den 15-29 Jährigen
�Auf jeden Suizid kommen mehr als 20 Suizidversuche
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Suizidarten
0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000 4500 5000
Erhängen, Strangulierung, ersticken
Sturz in die Teife
Arzneimittelund Dreogen
Überfahren lassen
absichtlicher Autounfall
2013
2012
2011
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"Wenn ein Mensch 149 andere mit in den Tod nimmt, dann ist das für mich ein anderes Wort als Selbstmord“
Lufthansa-Chef Carsten Spohr auf einer Pressekonferenz nach dem Absturz der Germanwings Maschine im März 2015
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Erweiterter SuizidDefinition:
Wenn Menschen bei ihrem Suizid bewusst auch andere
Menschen mit in den Tod reißen.
In der Regel schließen die Betroffenen allerdings Familienmitglieder oder nahe Angehörige in die Selbsttötung mit ein (Mütter – Kinder, Partner)
Weiter gefasst:
„Murder-suicide“ oder „homicide-suicide“
(Amokläufe/Geisterfahrten auf Autobahnen)
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„Murder-suicide“ oder „homicide-suicide“
� Häufig Rachegedanken� Amokläufer
� Unter Umständen legt es der Täter darauf an von Einsatzkräften erschossen zu werden
� Partner � Oft Verlustängste
Auf 100.000 Einwohner kommen ca. 12-13 Suizide jährlich, davon 0,2 – 0,3 „homicide-suicide“
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Schweigepflicht§ 203 StGB - Verletzung von Privatgeheimnissen
Wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als
1.Arzt, Zahnarzt, Tierarzt, Apotheker oder Angehörigen eines anderen Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert,
2.Berufspsychologen mit staatlich anerkannter wissenschaftlicher Abschlussprüfung
……………………..
worden oder sonst bekanntgeworden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
Die Schweigepflicht im engeren Sinn dient unmittelbar dem Schutz des persönlichen Lebens- und Geheimnisbereichs (Privatsphäre) einer Person, die sich bestimmten Berufsgruppen oder bestimmten staatlichen oder privaten Institutionen anvertraut. Dementsprechend schützt die Schweigepflicht das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, welches in Deutschland Verfassungsrang hat.
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Zwangseinweisung
� Jährlich 280000 Zwangseinweisungsverfahren
� 200.000 Menschen werden jährlich in geschlossenen Anstalten untergebracht (in München ca.1500)
� Gründe� konkrete Fremd- oder Eigengefährdung
� Strafrechtliche Gründe
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Diagnose geht nuran die Krankenkasse
Arbeitgeber erhält nur das Deckblatt
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Psychosoziale Basisbehandlung
� Rationales Verständnis von Krankheit, Symptomen, Behandlung und Prognose aufbauen (Psychoedukation)
� Setzen von realistischen und erreichbaren Zielen
� Verstärkung von Hoffnung
� Ermutigung zu sozialen Aktivitäten
� Aktivierung des sozialen Netzwerks des Patienten
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