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Symposium Wien, 22.-23. Oktober 2007
Werner Wintersteiner Alpen Adria Universität Klagenfurt
STANDARDS DER BILDUNG BILDUNG DER STANDARDS ZWEI PROBLEMATISCHE PHÄNOMENE
15 Anfragen, Einwände, Zwischenrufe
Symposium Wien, 22.-23. Oktober 2007
Warum (jetzt) Standards?
• Standardisierung alsselbstverständliche Aufgabe des Bildungssystems• Neu: Veränderte politische Strategie zur „Steuerung“ der
Bildungssysteme: Output-Kontrolle• Empirische Leistungsstandards erheben
und vereinheitlichen
Symposium Wien, 22.-23. Oktober 2007
(Zunächst) kein pädagogisches, sondern ein politisches Projekt
• Bildungspolitik als Bestandteil der wirtschaftlich-politischen Gesamtpolitik, erstmals im europäischen und Weltmaßstab: „Wissensgesellschaft“
• Lissabon-Prozess der EU• Ökonomisierung des Bildungswesens
– Marktstrukturen– „Qualitätssicherung“
Symposium Wien, 22.-23. Oktober 2007
Gefahren der gegenwärtigen Bildungspolitik
• Tendenzielle Aufwertung von Bildung und gleichzeitig
• Tendenzielle Einschränkung des Bildungsbegriffs
• Zwang zur „Technologisierung“ der Fachdidaktiken, Verlust als kritische Instanz
• Keine Debatte über Bildungs-Politik
Symposium Wien, 22.-23. Oktober 2007
Eine gesell. Notwendigkeit: höhere Ansprüche an Lehrberuf
• Handlungserwartungen werden explizit und systematisch ausgearbeitet
• Handlungserwartungen werden als Forderungen an die Handlungskompetenz der LehrerInnen formuliert
• Handlungserwartungen werden normativ zur Grundlage der LehrerInnen-Bildung erklärt
Symposium Wien, 22.-23. Oktober 2007
1. Welche Prioritäten in der Bildungspolitik?
• Frühe Trennung der Bildungswege
• Bruch des gesell-schaftlichen „Bildungsvertrags“
• Keine umfassenden Ausbildungskonzepte vom Kindergarten bis zur Universität
• Integrationspolitik?
• Bildungsmonitoring durch Standards und Tests als Lösung?
• Gleichzeitig Abbau von Werteinheiten für Integration
• Nur zögerliche Bereitschaft zu wiss. Begleitung von Bildungspolitik und Schul-Praxis
Symposium Wien, 22.-23. Oktober 2007
Kontextabhängigkeit der Standards
• „Welchen Einfluss Bildungsstandards auf die Entwicklung des Schulsystems haben, hängt u.a. davon ab, welche Wertmaßstäbe ihnen zugrunde liegen, welches Konzept von Lehren und Lernen angenommen wird oder welche Bildungsziele verfolgt werden.“ (GEW Juli 2003)
Symposium Wien, 22.-23. Oktober 2007
2. Wo bleibt der Masterplan?
Standards wirksam wenn
• Präzise Ziele• Genaue Überprüfung• Geeignete Rahmen-
bedingungen und Unterstützung der Lehrenden zu ge-zielter Verbesserung
• Sind diese Bedingungen in Österreich gegeben?
• Wird auf diese Bedingungen hingearbeitet?
• Ist man sich dieser Voraussetzungen bewusst?
Symposium Wien, 22.-23. Oktober 2007
3. Outputkontrolle – kein Eingriff in den Unterricht?
• Output-Kontrolle als eine diagnostische Voraussetzung
• Lehr- und Lernprozesse entscheidend für Qualität
• Standard-orientierter Unterricht als Ziel
• „Bildungsstandards reglementieren weder das Lehren und Lernen noch die Methodenfreiheit der Lehrerinnen und Lehrer sowie deren individuelle Unterrichtsplanung“
Symposium Wien, 22.-23. Oktober 2007
4. Outputkontrolle – noch keine Verbesserung des Unterrichts
• Was geschieht mit LehrerInnen
• Was geschieht mit Schulen,die die Standards nicht schaffen?
• Mehr Ressourcen, um sie zu unterstützen?
• Weniger Ressourcen, als „Strafe“ ?
• Testergebnisse als Feedback für Lehr-kräfte, nicht Kontrolle
• Weiterbildungs-veranstaltungen
• Möglichkeit temporärer Ressourcen-zuweisung? (bifie)
• Schulautonomie > Konkurrenzdruck?
Symposium Wien, 22.-23. Oktober 2007
5. Standards nicht für alle Fächer?
• Deutsch, Mathematik und Fremdsprachen haben Priorität
• Entsteht eine neue Hierarchie der Fächer?• Wie ist diese Hierarchie gerechtfertigt?• (Wie) wird sie argumentiert?
Symposium Wien, 22.-23. Oktober 2007
6. Standards für welches Alter?
• Standards nicht für das Ende der Schulpflicht festgelegt (9. Schuljahr)
• Standards für 8. Schuljahr• Kompromiss in einem problematischen
Schulsystem, das nicht insgesamt reformiert wird
Symposium Wien, 22.-23. Oktober 2007
7. Welche Standards?
Kriterien laut Klieme et al. 2003:
• Verbindlichkeit für alle, also Mindeststandards
Österreich/Deutsch-land:
• „Regelstandards“: „…legen fest, welche Kompetenzen die SchülerInnen einer bestimmten Stufe nachhaltig erworben haben sollen“
Symposium Wien, 22.-23. Oktober 2007
Problematik der „Regelstandards“
• Was bedeutet Unterschreitung der Standards?
• Ab wann problematisch?• Verhältnis von standardisierten zu nicht-
standardisierten Teilbereichen des Faches > unvermeidliche Hierarchisierung?
• „Falscher“ Trend zur Standardisierung und Testung nicht testbarer Bereiche?
Symposium Wien, 22.-23. Oktober 2007
8. Unklare Ziele, schwierige Aufträge an Standard-AGs
• Keine Festlegungen bzgl. Mindeststandards
• Keine wissenschaftlichen Voraus-setzungen vorgegeben (z.B. Kompetenzmodelle)
• Bindung an den Lehrplan vorgeschrieben• Arbeit an Standards und zugleich• Arbeit an der Durchsetzung der Standards
> Double bind Situationen
Symposium Wien, 22.-23. Oktober 2007
Besondere Schwierigkeiten des Faches Deutsch
• Offene Fachgrenzen• Vielseitigkeit des Faches• Verschränkung der Kompetenzbereiche• Bereiche, die sich der Modellierung und
Testung entziehen:– Kreativität– tw. Literaturdidaktik– Kulturell-politische Bildung
Symposium Wien, 22.-23. Oktober 2007
9. Kompetenzen• Modelle beschreiben,
welche Lern-ergebnisse zu erwarten
• Zeigen wiss. fundiert Wege zum Wissen und Können
• Grundlage für die Operationalisierung von Bildungszielen(Klieme 2003)
• Anforderungsbe-reiche, keine Modelle
• Empirische Voraus-setzungen fehlen (noch)
• Erfahrung der Lehrkräfte als Maßstab
• Grundlage für Operationalisierung?
Symposium Wien, 22.-23. Oktober 2007
10. KompetenzstufenKennzeichenDifferenzierung:• Kompetenzstufen, die
über bzw. unter den Mindeststandards liegen(Klieme 2003)
Keine Differenzierungin Standards (Deutsch)• Standards so
allgemein, dass keine bestimmten Stufungen erkennbar/möglich
• Tests legen de facto Stufen fest
Symposium Wien, 22.-23. Oktober 2007
11. Grundkompetenzen oder „alles“ standardisiert?
• „Bildungsstandards in Österreich keine erschöpfende Beschreibung von Bildungszielen“
• „Definieren Grundkompetenzen“
• „Decken nur Teile des Lehrplans ab“(Bildungsstandards in Ö)
• „Bildungsstandards in „Deutsch“ … kognitive Fähigkeiten und Fertigkeiten, aber auch jene Teilbereiche …, die nicht in operationalisierbaren Verfahren überprüfbar“(Bildungsstandards
Deutsch in Ö)
Symposium Wien, 22.-23. Oktober 2007
„Dynamische Fähigkeiten“
• Kommunikative Kompetenz
• Soziale Kompetenz • Interkulturelle
Kompetenz • Selbst- und
Methodenkompetenz
• Bestandteil des Kompetenzmodells D
• Nicht operationali-sierbar und nicht punktuell testbar
• Interessantes Präjudiz für Literarische Bildung / Politische Bildung usw. …
Symposium Wien, 22.-23. Oktober 2007
12. Standards Deutsch und Bezug zum Lehrplan
• Kompetenzmodelle als wissenschaftlich fundierte Basis für weitere Curriculumsarbeit
• Standards als Chance zur Lehrplan-Korrektur
• „Aktueller Lehrplan Basis“• „Differenzierte Leitvor-
stellungen mit Inten-tionen … Bildungs-standards auf optimale Weise korrelieren“(Bildungsstandards Deutsch)
• Übernimmt Schwächen:– Versch. Sprachebenen
(Emotionale, Sprach-reflexion) ausgeblendet
– Mehrsprachigkeit?
Symposium Wien, 22.-23. Oktober 2007
13. Anspruch/Realität„Denkstruktur“ Kompe-
tenzmodell „Deutsch“:• Das Kompetenzmodell
korrespondiert mit Lehrplan
• „Deutsch“ vermittelt Grundfertigkeiten für alle Unterrichtsgegenstände
• Bildungsstandards in „Deutsch“auch nicht Operationalisierbares
Anfragen an das Denkmodell:
• Probleme des Lehrplans • Kein Korrektiv des
Lehrplans?• Deutsch hat auch eigene
Inhalte• Also Standards, für die es
keine Beispiele und Tests geben wird? In welcher Beziehung zu „harten“ Bereichen?
Symposium Wien, 22.-23. Oktober 2007
Anspruch/Realität (ff.)„Denkstruktur“ Kompe-
tenzmodell „Deutsch“:• Bildungsstandards sind
verbindlich
• Die Beispiele werden für zwei Niveaustufen ausgerichtet
• Anfragen an das Denkmodell:
• Was heißt Verbindlichkeit bei „Regelstandards“?
• Wieviel Unterschreitung möglich?
• Beispiele haben Niveaustufen, nicht aber die Standards
• Beispiele erhalten „ungebührliche“ Rolle
Symposium Wien, 22.-23. Oktober 2007
14. „Hoher Konkretisierungsgrad“?z.B. „Diskutieren“
Deutschland, Stufe 8• Eigenes Kapitel • Diskussionsregeln• Diskussion vorbereiten• in Stichworten zs-
fassen, explizit an-dere Argumente
• fair andere Argumente• Sinnvoll strukturieren • Begründete Stellung
Österreich, Stufe 8• In Kapiteln
„Sprachgebrauch“ bzw. „Gespräche“
• Sprechhaltungen bewusst einsetzen
• Auf Gegenpositionen eingehen
Symposium Wien, 22.-23. Oktober 2007
Kompetenzen oder Aktivitäten?z.B. Bereich „Sprechen/Zuhören“
• Aktiv zuhören
• Individuelle Anliegen differenziert vorbringen
• Informationen mündlich einholen und weitergeben
• Aktivität oder Kompetenz?
• Warum nur individuelle Anliegen?
• Auf jeder Alters- und Kompetenzstufe möglich
„Kompetenzen“ = Präzisierung des Lehrplans
Symposium Wien, 22.-23. Oktober 2007
15. Mehrsprachigkeit „entsorgt“?
• Standards übernehmen (lt. Vorgabe) Lehrplan und damit inkonsequente Berücksichtigung der Mehrsprachigkeit
• Kein einziger Verweis auf Mehrsprachigkeit
• Standard = Standard selbstverständlicher deutscher Einsprachigkeit
• Didaktischer Rückschritt?
Symposium Wien, 22.-23. Oktober 2007
Fazit
Zwei Befürchtungen• Standardisierung als
neoliberal motivierter Eingriff in das Bildungssystem – (?)
• Standardisierung hält nicht, was sie verspricht, in-konsequent, halbherzig – (bisher: ja)
Symposium Wien, 22.-23. Oktober 2007
Anstoßwirkung der Standards
• Diskurs über Zielorientierung des (D-) Unterrichts eingeleitet
• Im gesetzten Rahmen beachtliche Leistungen der Arbeitsgruppe(n)
• Diskussionsprozess zwischen D- und NAWI-LehrerInnen
• Diskussionsprozess zwischen HS- und AHS-LehrerInnen
Symposium Wien, 22.-23. Oktober 2007
Weitere positive Aspekte
• Bereits standard- bzw. kompetenz-orientiertes Unterrichten ein Fortschritt gegenüber heute
• Fachdidaktiken werden gezwungen, über deklamatorische Ziele hinaus zu gehen
• Empirische Forschung als Zielsetzung– Fehlende Mittel, fehlendes Verständnis?
Symposium Wien, 22.-23. Oktober 2007
Ausblick
• „Die zentralen Probleme dürften in der (…) noch weitgehend ungeklärten Verknüpfung zwischen Standards, Schulentwicklung, Schulevaluation und Rechenschaftslegung liegen“– Eckhard Klieme, 2004
• Fachdidaktischer Beitrag:– „Philosophie“: Kritik an Rahmenbedingungen– „Technologie“: Kompetenzorientierung
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