(Virale) Atemwegsinfektionen im Herbst/Winter · Virus an Waschbecken und Türgriff in...

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(Virale) Atemwegsinfektionen

im Herbst/Winter

Dr. med. Daniela HuzlyInstitut für Virologie

Akkreditiert nach DIN EN ISO/IEC 15189DAC-P-0212-03-00

Warum auf einem Hygienekongress über Atemwegsinfektionen reden?

• Erreger von Atemwegs-infektionen und deren Bedeutung bei nosokomialen Infektionen

• Epidemiologie, Übertragungswege

• SchutzmaßnahmenPrävention

Erregerspektrum• Atemwegsinfektion (= Erkältungskrankheit,

grippaler Infekt, Grippe)– Kann obere und untere Atemwege betreffen– Kommen epidemisch gehäuft und überwiegend

in der kalten Jahreshälfte vor– Sind in der Mehrzahl viral

• Influenzaviren, RSV, Parainfluenzaviren, Coronaviren, Adenoviren, HMPV, Picornaviren (Rhinoviren, Enteroviren, Parechoviren) (Bocaviren, neue Polyomaviren...)

Epidemiologie von Atemwegsinfektionen

• „Erkältungskrankheiten“– Vorkommen überwiegend in der kalten

Jahreszeit

AGI Influenza am RKI

Saisonnalität von Atemwegsinfektionen

http://rvdev.medical-dpc.com/inhalte/start.html

Saisonnalität von Atemwegsinfektionen

http://rvdev.medical-dpc.com/inhalte/start.html

Übertragungswege von respiratorischen Viren

• Direkte Tröpfcheninfektion– Übertragung ist in den ersten drei Tagen am stärksten

• Andere Übertragunswege?

Untersuchungen zu Coronaviren

• Ausbrüche– 22 Personen in einem Flugzeug ohne direkten

Kontakt– 13 Personen im selben Stock eines Hotels– >300 Personen in einem Appartmentkomplex

Indirekte Übertragung über Oberflächen, Hände etc.

Untersuchungen zu Coronaviren (Aerosole)

Unbehüllte Viren – dennoch hohe Umweltresistenz, besonders ausgeprägt bei kalten Temperaturen

Oberflächen als Quelle viraler InfektionenErreger Überlebenszeit

Influenzaviren 24-48h auf glatten Ofl., mehrere Tage auf Banknoten

Parainfluenzavirus 10h auf glatten Ofl., 6h auf Kleidung

Adenoviren Über 1 Woche auf Kunststoff

Coronaviren inkl. SARS

Nach 3h Trocknen auf Aluminium, Tupfern, Latexhandschuhen um 70% reduziert; Plastik nach 72h nicht mehr nachweisbar; Nachweis auf Computermäusen, Stühlen, in Fahrstühlen etc.

RSV Nachweis an Handtüchern, Spielsachen, Schürzen

Übertragungswege

Übertragung von viralen Atemwegserkrankungen

• Ausscheidung der Viren beginnt schon einige Stunden vor Ausbruch der Erkrankung

• Einige Viren (z.B. Adenoviren, Picornaviren, Coronaviren) werden auch mit dem Stuhl ausgeschieden

• Kinder als „Virusschleuder“• Immunsupprimierte können über Wochen

Viren ausscheiden

Viren im Krankenhaus

• Personal mit banalem Infekt ist arbeitsfähig bzw. ist zu Beginn noch arbeitsfähig– Influenza: plötzlicher Symptombeginn

• Besucher mit Atemwegsinfekten• Patienten mit unerkannten viralen

Infektionen (fehlende Diagnostik)• Suche nur nach einzelnen Viren bei

konkretem Verdacht: Influenza / RSV

Nosokomiale Infektionen durch respiratorische Viren

• Stark unterschätzte Inzidenz– Virusdiagnostik wird nicht durchgeführt

• „...hat ja keine Konsequenz…“• „Ist nicht möglich“• „spielt keine Rolle“ „banale Infekte“

– Werden nicht registriert, selbst wenn sie diagnostiziert werden

• S3-Leitlinie nosokomiale Pneumonien: „vorwiegend ambulant erworbene respiratorischen Virusinfektionen“

Hygieneverordnung

• Die Umsetzung der Erfassung und Bewertung von nosokomialen Infektionen und von Erregern mit speziellen Resistenzen und Multiresistenzen sowie Art und Umfang des Antibiotikaeinsatzes nach § 23 Absatz 4 IfSG hat mit fachlich begründeten standardisierten Verfahren zu erfolgen.

Nosokomiale Virusinfektionen

• Infektionsgefahr nicht auf die Schwerkranken beschränkt

• Banale Infekte für Immungeschwächte lebensbedrohlich

• Besonders häufig auf pädiatrischen Stationen– Umsetzung von Hygieneregeln

schwierig

Nosokomiale VirusinfektionenUnterschätzt!

• An Ausbrüche in der Umgebung gekoppelt• Hohe Kosten durch

– verlängerte Liegedauer– Desinfektions- und Isolierungsmaßnahmen,– diagnostische Prozeduren

• Im schlimmsten Fall letaler Ausgang

Definition nosokomial: abhängig von Inkubationszeit

• Influenzaviren, Coronaviren, RSV, Parainfluenza, HMPV, Rhino-/Enteroviren: 1-3 Tage

• Adenoviren: 8-10 Tage– Erkennung von Infektketten schwierig,

unterschiedliche Symptome möglich

DatenlageStudie Ergebnisse

Giannella et Al.Critical Care 2012

105 Intensiv-Patienten auf Influenzaviren untersucht: 31 positiv, davon 15 nosokomial, 11% letal

Marzano et Al. J Med Virol 2013

Cluster von 48 H1N1-Fällen, 3 letal (Leberzirrhose)

Altmann et Al. EID 2012

Pädiatrische Fälle mit H1N1: 2009-2010 11% nosokomial, 2010-2011 23% nosokomial, case-fatalityrate 26%, mehr Komplikationen

Voirin et Al. Siencedirect com 2008

Review der Outbreak Reports. Mortalität zwischen 3 und 13% bei laborbestätigten Influenza-Fällen; Übertragung durch Patienten, Personal, Besucher

DatenlageStudie Ergebnisse

Geis et Al. J Clin Microbiol 2013

RSV-Ausbruch in HD, 57 Patienten, 14 gestorben; 6 Mitarbeiter infiziert. Virus an Waschbecken und Türgriff in Patientenzimmer

Bennett et Al. Pediatrics2012

Frühchenstation – Suche nach respiratorischen Viren. 52% der Kinder zu mind. 1 Zeitpunkt positiv. Längere Hospitalisation, 2x häufiger bronchopulmonale Dysplasie

Kidszun et Al epub 2013

Frühchen mit Verdacht auf bakterielle Sepsis. 10% Nachweis von respiratorischen Viren

Piralla et Al. Haematologica 2009

Parainfluenza 3 Ausbruch bei pädiatrischen Patienten. 32 Fälle. 1 letal. Verschiedene Cluster.

Diagnostik viraler Atemwegsinfektionen

Multiplex-Verfahren: PCR zum Nachweis aller bekannten/relevanten respiratorischen Viren

Vorkommen respiratorischer Viren bei stationären Patienten

• 10100 Untersuchungen in 5 Jahren Virologie Freiburg

• Positivitätsrate 35,4%– Kinder bis 12 J: 60,9%– Jugendliche und junge Erwachsene: 29,1%– Erwachsene 25J – 60J: 18,4%– Ältere >60J: 18,8%

Infektionskontrolle

• Händehygiene– Waschen, Desinfektion, Handschuhe

• Mundschutz– FFP2 -Masken?

• Isolierung, Kohortierung• Registrierung von Patienten und

erkranktem Personal• Flächendesinfektion

Infektionskontrolle - Desinfektionsmittel• Problem: Definition der Wirksamkeit –

realitätsnah?– Unterschiedliche Verfahren, Studien selten

vergleichbar• Europa: Wirksam, wenn nach gut definierter

Kontaktzeit 4 Logstufen Reduktion im Neutralisationstest

• Deutschland: begrenzte Viruzidie für behüllte Viren, spezielle Testung für unbehüllte Viren

• USA: 3 Logstufen

Händehygiene - Studien• Normale Händedesinfektionsmittel 30 Sek. bei

behüllten Viren wirksam• Händewaschen bei behüllten Viren (Studie mit H1N1)

mindestens genauso effektiv wie Desinfektion– Wahrscheinlich auch bei unbehüllten Viren – Studie

mit Noroviren• Händehygiene auch im Haushalt effektiv (H1N1,

respiratorische Infektionen allgemein)• Bei unbehüllten Viren (z.B. Rhino/Entero, Adeno,

Rota, Noro) Mittel mit Nachweis der Viruzidie (z.B. 99% Alkohol)

Viruzidie Desinfektionsmittel• Auch behüllte Viren werden nicht von allen

Desinfektionsmitteln ausreichend reduziert– Z.B. quarternäre Ammoniumverbindungen oder

Phenole nicht wirksam bei Coronaviren und entsprechende Surrogatviren

• Povidon-Jod und Chlorhexidin (auch mit Detergenz) nicht ausreichend wirksam

Flächendesinfektion• Umgebung von Patienten mit

respiratorischen Infekten im Umkreis von ca. 2m kontaminiert (Aerosolbildung)

• Effektivität von Flächendesinfektion zur Infektionskontrolle nicht bewiesen –trotzdem erforderlich

Infektionskontrolle - MaskenSind Masken effektiv gegen Atemwegsinfekte?

Effektivität von Mund-Nasen-Masken gegen respiratorische Infektionen

www.influenzajournal.com

• Keine sauberen, vergleichbaren Studien• Reduktion von Haushaltsinfektionen, wenn Maske

innerhalb von 36h nach Erkrankungsbeginn (zum Schutz) eingesetzt

• Kombination mit Händehygiene• Beobachtungsstudie: Schutz vor SARS

Chirurgische Maske oder N95?

• Einziger sicherer Vorteil der N95: seitlicher Abschluss effektiver (kein Viruseintritt/-austritt)

• Compliance schlechter

Designfehler bei den Studien: Maske als Schutz vor Infektion und nicht zur Verhinderung der ÜbertragungErkrankter mit Mund-Nasen-Schutz sinnvoller?

Influenzavirus Aerosole

Milton et Al, PLOS pathogens 2013• Erkrankter soll Maske tragen• Deutliche Reduktion der großen Tröpfchen• Geringere Reduktion der Aerosole, die relativ

große Mengen anzüchtbares Virus enthalten• Keine Studien zur Effektivität dieser Maßnahme• Zusatzeffekt: Verminderung des Hand-

Mund/Nasen-Kontakts

Kohortierung• Kohortierung effektiv nur in Kombination

mit Handschuh- und Kittelpflege• POCT Teste für Kohortierung mit teils

schlechter Performance im klinischen Setting (Sensitivität und Spezifität unter 80%)

• Infektionskontrollmaßnahmen solange Symptomatik vorliegt

Registrierung

• Im Rahmen von SARS Ausbrüchen einzige bewiesen wirksame Methode: schnelle Diagnose und Registrierung von Fällen

• Überwachung der Hygienemaßnahmen nur über dieses Vorgehen möglich

Influenza bei Krankenhauspersonal

• Je nach Studie bis zu 59% attack rate im Ausbruch

• Empfehlung zur Prävention – Meldung wenn Personen an fieberhaftem Infekt

erkrankt– Diagnostik– Krankschreibung bei Influenzanachweis– Jährliche Impfung

2009: Die „Pandemie“

Wirksamkeit der Influenzaimpfung

• Influenzaimpfung des Personals kann nosokomiale Infektionen reduzieren– Riphagen-Dalhuisen et Al. Eurosurveillance

2013: Nosokomiale Übertragungen auf Stationen mit höherer Durchimpfungsrate signifikant seltener – Studie mit Schwachpunkten

• Hoher Krankenstand in Influenzasaison, die meisten Erkrankten sind Ungeimpfte

Zusammenfassung• Sobald respiratorische Erreger in der

Umgebung vorkommen, muss mit nosokomialen Infektionen gerechnet werden

• Fälle identifizieren, Krankenhaushygiene informieren, Personal schulen, Patienten schulen

• Influenzaimpfung propagieren• Eine Registrierung nosokomialer

Virusinfektionen wäre wünschenswert

www.uniklinik-freiburg.de/virologie/diagnostik

Deutschland: http://rvdev.medical-dpc.com

http://www.immunsystem-stärken.org/erkaeltung/vorbeugen/

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