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In: Wasserbau Symposium 2012, Verlag der Technischen Universität Graz, Hrsg. Gerald Zenz, September 2012.Im Jahr 2007 wurde das am kleinen Voralpenfluss Taverna gelegene Dorf Flamatt (Kanton Fribourg, Schweiz) von einem Hochwasser verwüstet. Die Überschwemmung richtete damals einen Schaden in der Höhe von 3,5 Mio. Franken an. Zwischen 2011 und 2012 wurde der stark verbaute Unterlauf der Taverna bis zur Mündung in die Sense auf weiten Strecken renaturiert. Zur Hochwassersicherung und Strukturierung kamen dabei auf ca. 600 m Länge strömungslenkende Bauweisen des Instream River Training zum Einsatz. Insgesamt wurden rund 45 Lenkbuhnen eingebaut, darunter auch trichter- und schneckenförmige Bautypen. Es handelt sich um die erste grössere Anwendung von Lenkbuhnen für Hochwasserschutz und Renaturierung in der Schweiz.Entlang der renaturierten Gerinneabschnitte wurde gänzlich auf einen Längsverbau der Ufer verzichtet, wodurch nebst einer natürlichen Ufergestaltung auch Kosteneinsparungen vonrund 30% bis 50% realisiert werden konnten. Wie die bisherigen Resultate zeigen, verlagern die unauffälligen, naturnahen Lenkbuhnen bei Hochwasser den Strömungsangriff in dieGerinnemitte und entlasten dadurch die unverbauten Ufer. Ebenfalls wurden die Strömungsvielfalt, die Variabilität der Wassertiefe und die Subtratsortierung mit dem Einbauder Lenkbuhnen gesteigert. Im Weiteren konnten mit Lenkbuhnen auch Gerinneabschnitte innerhalb des bestehenden Längsverbaus ökologisch deutlich aufgewertet werden. An der Unteren Taverna entstand in unmittelbarer Nähe zur Siedlung eine kostengünstigeund abwechslungsreiche Flusslandschaft, welche Hochwasserschutz und Renaturierung kombiniert. Das Projekt stösst bei Bevölkerung und Behörden auf breite Akzeptanz.
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Wasserbausymposium 2012
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Erfahrung mit Lenkbuhnen bei Hochwasserschutz
und Renaturierung Instream River Training am Voralpenfluss Taverna
N. Werdenberg1, T. Meile
1 und R. Steiner
1
1 Basler & Hofmann West AG, Ingenieure, Planer und Berater, Industriestrasse 1, CH-3052
Zollikofen, SWITZERLAND
E-Mail: niels.werdenberg@baslerhofmann.ch
Kurzfassung
Um den Hochwasserschutz zu verbessern wurde der stark verbaute Unterlauf der Taverna
(Fribourg, Schweiz) umgestaltet. Insgesamt konnten dadurch ca. 350 m Gerinne renaturiert
und weitere 250 m ökologisch aufgewertet werden. Zur Sicherung und Strukturierung dieser
Gerinneabschnitte wurden rund 45 Lenkbuhnen eingebaut. Es handelt sich um die erste
grössere Anwendung von Lenkbuhnen in der Schweiz. Entlang der renaturierten Strecken
wurde gänzlich auf einen Längsverbau der Ufer verzichtet, wodurch nebst einer natürlichen
Ufergestaltung auch Kosteneinsparungen von 30% bis 50% realisiert werden konnten. Wie
bisherige Resultate zeigen, verlagern die naturnahen Lenkbuhnen bei Hochwasser den
Strömungsangriff in die Gerinnemitte und entlasten dadurch die Ufer. Zudem steigern die
Einbauten die Strömungsvielfalt, die Variabilität der Wassertiefe und die Substratsortierung.
Mit den Lenkbuhnen konnten auch verbaute Abschnitte ökologisch deutlich aufgewertet
werden.
Einleitung
Im Jahr 2007 wurde das am kleinen Voralpenfluss Taverna gelegene Dorf Flamatt (Fribourg,
Schweiz) von einem Hochwasser verwüstet. Die Überschwemmung richtete damals einen
Schaden in der Höhe von 3,5 Mio. Franken an.
Im Auftrag der Gemeinde Wünnewil-Flamatt und des Tiefbauamts des Kantons Fribourg
wurde ein Hochwasserschutz- und Renaturierungsprojekt für die untere Taverna erarbeitet.
Zwischen Frühjahr 2011 und Frühjahr 2012 wurde das Gewässer in mehreren Etappen von
der Chrummatt bis hinunter zur Einmündung in die Sense umgestaltet. Dabei konnten ca. 350
m Gerinne renaturiert und weitere 250 m ökologisch aufgewertet werden. Entlang der
renaturierten Abschnitte wurde gänzlich auf Ufersicherungen durch Hartverbau verzichtet.
Hier stabilisieren Lenkbuhnen das Gerinne. Auf Abschnitten mit beengten Platzverhältnissen
wurde der bestehende Uferverbau teilweise belassen. Hier wurde das Gerinne mit
Lenkbuhnen ökologisch aufgewertet.
Für die betrachteten Abschnitte liegt das Bemessungshochwasser bei 38 m3/s (HQ100 mit
Hochwasserrückhalt im Oberlauf) und das Längsgefälle zwischen 10 und 16 ‰. Die
maximalen Schleppkräfte an der Sohle betragen in den Abschnitten ohne Längsverbau ca.
200 N/m2. Mit dem Einbau von rund 45 Lenkbuhnen auf insgesamt 600 m Länge entstand an
der unteren Taverna die bisher längste Pilotstrecke für verschiedene Lenkbuhnentypen in der
Schweiz und damit ein ideales Umfeld für ein Monitoring der Buhnenwirkung. Darüber
hinaus konnten einige Grundsätze für Anordnung und Einbau von Lenkbuhnen festgehalten
werden (siehe Kap. Bautypen und Umsetzung).
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Abbildung 1: An der Taverna eingebaute Lenkbuhnen-Typen. a inklinante Lenkbuhnen, b
inklinante Trichterbuhne, c Lenkschnecke, d inklinante Hakenlenkbuhne
Strömungslenkung im Flussbau
Grundsätze
Die meisten Baumassnahmen an Fliessgewässern gehen davon aus, dass Ufer und Sohle mehr
oder weniger hart definiert und stabilisiert werden müssen, um den Strömungsangriffen die
Stirn zu bieten. Ufer und Sohle sind jedoch ihrer Entstehung nach immer eine Folge der
Strömung, die auf sie einwirkt. Daher fallen heute die allermeisten Flussbaumethoden
eigentlich unter „Symptombehandlung“. Dagegen stellen Methoden zur Strömungslenkung
ursachenorientierte Herangehensweisen dar. Hierzu gehören rund ein halbes Dutzend in die
Gewässersohle integrierte Einbauten wie Lenk-, Trichter- und Schneckenbuhnen sowie
Pendelrampen, welche unter dem Begriff Instream River Training (dt. = Flussbau im
Stromstrich) zusammengefasst werden [1]. Durch niedrige, naturnahe Einbauten aus Stein
oder Holz wird die Strömung so angepasst, dass harte Sicherungen reduziert oder ganz
weggelassen werden können – ohne bei Hochwasser die Gerinnestabilität zu gefährden.
Im Unterschied zu den klassischen Buhnen des Wasserbaus werden diese Einbauten bereits
bei Niedrigwasser vollständig überströmt [1]. Sie ragen nur rund 10 bis 20 cm aus der Sohle
heraus. Ihre Funktionalität erreichen Lenkbuhnen und auch Pendelrampen bei grösseren
Abflüssen, indem sie Spiralströmungen um eine Längsachse in Fließrichtung induzieren [1].
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Damit beeinflussen sie Geschwindigkeitsverteilung, Geschiebetransport und verlagern in
effizienter Weise die Hauptströmung [2].
Entwicklung und Forschung
Einige der Instream River Training Bautypen, darunter verschiedene Lenkbuhnenformen und
die Pendelrampe, wurden in den 1990er Jahren von Otmar Grober (Steiermark, Österreich)
entwickelt [3]. Grober liess sich bei der Entwicklung von den Ansätzen des österreichischen
Naturforschers Viktor Schauberger (1885 - 1958) inspirieren, welcher sich schon um 1930
erfolgreich mit Strömungslenkung und naturgemässer Wasserbewegung befasste [4].
Unabhängig von Grober wurden in den USA seit den 1990er Jahren verschiedene sogenannte
In-Stream Structures entwickelt, deren Ziel es ebenfalls ist, die Strömung anzupassen [5].
Insbesondere die von David Rosgen (Colorado) entwickelten Cross-Vanes, W-Weirs und J-
Hook Vanes [6], besitzen ein naturnahes Erscheinungsbild und wirken ähnlich wie Lenk- und
Trichterbuhnen. Sie können ebenfalls zu den Bauweisen des Instream River Training gezählt
werden.
Die Forschung, massgeblich an der TU Braunschweig und der TU Graz seit ungefähr 2004,
bestätigte mit Modellierungen und Laborversuchen die Effekte von verschiedenen Bautypen
des Instream River Training, so u. a. auch die uferentlastende Wirkung von inklinant (gegen
die Strömung) angeordneten Lenkbuhnen [7]. Durch die erwähnte Spiralströmung erhöhen
Lenkbuhnen die Strömungsvielfalt, die Substratsortierung und die Tiefenvarianz [2]. Dadurch
erreichen diese Einbauten eine willkommene Verbesserung der Habitatqualität für aquatische
Lebewesen [8]. Ausserdem erhöht eine vielfältige Gerinnemorphologie die Selbstreinigungs-
kraft von Fliessgewässern [9].
Grundsätzlich rücken mit Instream River Training erstmals die in natürlichen Fliessgewässern
überaus prägenden Spiralströmungen ins Zentrum des Flussbaus. Die von den Einbauten
angeregten Längswirbel können – dank ihrem angepassten Drehsinn – ihre Kräfte im
naturgemässen Spiel mit dem beweglichen Sohlenmaterial umsetzen, ohne dass deren
Dynamik konstant durch harten Verbau gebrochen werden muss. Derartige Fliessmuster und
Materialprozesse stellen vermutlich wichtige Aspekte der Gewässergesundheit dar [10].
Beispiele aus der Schweiz
Obwohl mit Instream River Training flussbauliche Ziele wie Uferschutz und
Gerinnestrukturierung bereits mit relativ wenig Aufwand erreicht werden können, sind die
Ansätze in der Schweiz erst wenig bekannt. Neben der Pilotstrecke an der Taverna wurden
bisher am Ellikerbach in Ellikon (Zürich) [1], am Rohrbach in Rüeggisberg (Bern), am
Hürnbach in Dagmersellen (Luzern), am Innerdorfbach in Grosswangen (Luzern) und an der
Kander in Wimmis (Bern) inklinante Lenkbuhnen umgesetzt. An der Suhre in Triengen
(Luzern) wurden zwei Schneckenbuhnen umgesetzt [11] und am Scherlibach in Köniz (Bern)
eine Pendelrampe [12].
Bautypen und Umsetzung
Insgesamt wurden an der Taverna 33 inklinante Lenkbuhnen, 5 Trichterbuhnen, 2
Schneckenbuhnen und 4 Hakenlenkbuhnen aus Blocksteinen eingebaut. Diese Bautypen
wurden je nach Standort aufgrund der dort zu erreichenden Ziele gewählt.
Für Uferschutz und Gerinnestrukturierung wurden entlang der Aussenkurven inklinante
Lenkbuhnen (Abb. 1a und 2a) seriell angeordnet. Sie schützen die erosionsgefährdeten
Prallufer indem sie die Strömung anpassen: Die aufgrund der Fliehkraft auftretende,
ufergefährdende Kurvenströmung – ebenfalls eine Spiralströmung – wird durch die
entgegengesetzte Drehrichtung der buhneninduzierten Spiralströmung angepasst [7]. Statt wie
üblich am Prallufer zu graben (Kurvenkolk), tieft sich der Fluss in der Mitte des Betts ein und
lagert Sedimente am Prallufer ab. Dadurch wird die Hauptströmung in die Gerinnemitte
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verlagert [2, 3]. Der Winkel zwischen Uferlinie und inklinanter Buhnenachse beträgt dabei ca.
60 ° [7]. Da die Strömung nach einiger Distanz wieder zum Prallufer zieht, ist eine serielle
Anordnung erforderlich. Zur Bestimmung der Buhnenabstände wurden Erfahrungswerte
herangezogen und daraus allgemeine Grundsätze auf Basis der Sohlenbreite (B) erarbeitet: für
kleine Kurvenradien (r < 3 x B) gilt ein Abstand von B x 0.8 bis 1.0; für grosse Kurvenradien
(r > 8 x B) gilt B x 1.8 bis 2.0.; für mittlere Kurvenradien gilt B x 1.5. Damit kein starrer Takt
entsteht, variieren die Buhnenabstände leicht. Die Buhnenlänge geht i. d. R. nicht über die
Gerinnemitte hinaus.
Inklinante Trichterbuhnen (Abb. 1b und 2b) wurden auf geraden Strecken für Uferschutz und
Gerinnestrukturierung eingebaut. Dieser Bautyp induziert zwei Spiralströmungen, welche die
Hauptströmung auch bei Hochwasser von den Ufern weg zur Gerinnemitte lenken, wo sich
Kolke bilden [2]. Die Trichter wurden in unregelmässigen Abständen angeordnet, der mittlere
Abstand beträgt die 3fache Sohlenbreite (min 1.5fach; max. 4fach).
Zur ökologischen Aufwertung eines geraden Abschnitts mit bestehendem Längsverbau
wurden inklinante Lenkbuhnen mit Schneckenbuhnen kombiniert. Dadurch entstand eine
neue Bauweise (Lenkschnecke, Abb. 1c und 2c). Die ohrenförmigen Buhnen wurden
wechselseitig eingebaut.
Hakenlenkbuhnen (Abb. 1d und 2d) wurden in Kurven analog den inklinanten Lenkbuhnen
angeordnet und auf geraden Strecken wechselseitig eingebaut. Dieser Bautyp setzt sich aus
einem inklinanten Teil am Ufer und einem deklinanten Teil am Buhnenkopf zusammen. Der
inklinante Teil entlastet das Ufer und unterstrom des Knicks entsteht ein Kolk [13].
Abbildung 2: Einbau. a Trockenbau und Einbindung in Sohle und Böschung, b Nassbau und
Einbindung in Sohle und Böschung, c Nassbau und Einbindung nur in Sohle, d Nassbau und
Stahlverankerung in Molasse
Da genaue Bemessungsregeln für Lenkbuhnen bislang fehlen, wurde für die Stabilität auf
generelle konstruktive Regeln zurückgegriffen. Die Blocksteingrösse wurde in Abhängigkeit
der Korngrösse des Bettmaterials und der Sohlschubspannung ermittelt, entsprechend wurden
Blockgrössen von ca. 1.5 t eingebaut. Form und Buhnenlänge basieren auf Erfahrungswerten.
Für Buhnenabstände in Gerinnekurven wurden die erwähnten Grundsätze angewandt. Die
Einbauhöhe richtete sich u.a. nach Laborversuchen, wonach Lenkbuhnen bei 9 bis 10facher
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Überströmungshöhe eine optimale Lenkwirkung erzielen – die Stimmigkeit von Geometrie
und Abständen vorausgesetzt [7]. Bei allen an der Taverna verwendeten Bautypen liegt die
Einbauhöhe bei rund 0.1 bis 0.2 m über Sohlenniveau, womit relativ zur Höhe des
Wasserspiegels HQ100 von ca. 1.2 bis 1.5 m eine gute Lenkwirkung zu erwarten ist.
Die Einbaumethoden wurden den Erfordernissen des jeweiligen Standorts angepasst (Abb. 2).
In baggerbarem Material wurde die Buhnenwurzel gut in der Böschung verankert und weitere
Blocksteine unterstrom der Buhnenachse als Nachkolkschutz eingebaut. Die Kolkschutzsteine
verhindern, dass die Buhnensteine in ihren eigenen Kolk fallen. Sie liegen rund 0.5 bis 0.8 m
unter Sohlenniveau, damit sich trotzdem eine ökologisch wertvolle Kolktiefe ausbilden kann.
Grundsätzlich ist die enge Zusammenarbeit zwischen Ingenieur und Maschinist wichtig. Es
wird empfohlen mit den Bauweisen empirisch Erfahrung zu sammeln – v.a. in Situationen mit
geringem Schadenpotenzial – und ein „Gefühl“ für die Lenkwirkung zu entwickeln.
Abbildung 3: Unverbaute Gerinnekurve mit inklinanten Lenkbuhnen. a Vergleich bei
Niedrigwasser und bei kleinem Hochwasser, b kleines Hochwasser
Bisherige Ergebnisse
Uferschutz
Die Prallufer eines Fliessgewässers sind natürlicherweise am stärksten von Erosion betroffen.
Die unbefestigten Gerinnekurven an der unteren Taverna wurden nach ihrer Fertigstellung
vermessen, um nach einem Hochwasser Aufschluss über die Effizienz der eingebauten
Lenkbuhnen zu erhalten. Die bei bisherigen Hochwasserereignissen (max. ca. 18 m3/s, d.h.
HQ1) beobachtete deutliche Strömungsberuhigung an Prallufern (Abb. 3) und die generelle
Auflandungstendenz an Prallufern (Abb. 4) zeigen bereits heute den uferschützenden Effekt
von Lenkbuhnen klar auf. Künftige Gerinnevermessungen nach einem grösseren Ereignis
sollen die Hochwassertauglichkeit nachweisen und die weitere Gewässerentwicklung unter
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dem Einfluss der Lenkbuhnen aufzeigen.
Abbildung 4: Morphologische Wirkung von Lenkbuhnen. a Kolkbildung, Substratsortierung
und Auflandungen am Prallhang (Foto und 3D Gerinneaufnahme), b zunehmende Auflandung
am Prallhang (Vergleich vor und nach kleinem Hochwasserabfluss)
Abbildung 5: Renaturierung mit unverbauten Naturufern dank Lenkbuhnen.
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Ökologie
Die Lenkbuhnen brachten auch Vorteile für Flora und Fauna. Insbesondere durch die
Schaffung von bis zu 0.7 m tiefen Kolken sowie lockeren Schotterfahnen (Abb. 4) konnten
den Fischen an der Taverna wertvolle Einstandsmöglichkeiten und Laichgründe zur
Verfügung gestellt werden. Die unverbauten Naturufer wirken natürlich und werden bereits
von Wildtieren als direkte Zugänge zum Fluss genutzt. Die Lenkbuhnen selbst sind relativ
unauffällig (Abb. 5). Mit der Entwicklung der gepflanzten einheimischen Ufervegetation wird
die biologische Vielfalt im Gewässerraum künftig noch zunehmen.
Auf weiteren Abschnitten wurde der bestehende Längsverbau aufgrund beengter
Platzverhältnisse belassen. Hier konnte mit Lenkschnecken auf geraden Abschnitten eine
mäandrierende Strömung geschaffen und die Tiefenvarianz der Sohle deutlich erhöht werden
(Abb. 6a). Durch den Einbau von inklinanten Lenk- und Hakenlenkbuhnen entlang verbauter
Gerinnekurven entstanden Auflandungen am Prallufer, Kolke in der Gerinnemitte und ein
pendelnder Stromstrich (Abb. 6b). Gleichzeitig konnte auch der alte Verbau entlastet werden.
Abbildung 6: Ökologische Aufwertung. a Lenkschnecken, b inklinante Lenk- und
Hakenlenkbuhnen
Kosteneinsparungen
Da die lokalen Impulse der Lenkbuhnen einen weitreichenden Einfluss auf die Strömung
haben, werden weniger Natursteinblöcke benötigt als bei einem Längsverbau der Ufer. Bei
den renaturierten Abschnitten an der Taverna liessen sich im Vergleich zu klassischem
Längsverbau aus Natursteinblöcken ca. 30 bis 50 % der Kosten einsparen. Eine ähnliche
Bandbreite von Kosteneinsparungen dürfte auch an weiteren Gewässern realisierbar sein.
Zusammenfassung
Insgesamt eröffnet sich mit der Strömungslenkung ein spannendes Feld im Wasserbau, wo die
Kommunikation mit dem fliessenden Medium im Zentrum steht. Der innovative Charakter
des ausgeführten Bauprojekts an der unteren Taverna zeigt deutlich, dass Wasserbau dank
dem Einbezug von Instream River Training sanfter, ökologischer und kostengünstiger
betrieben werden kann.
Entlang der renaturierten Abschnitte konnte auf Längsverbau verzichtet und ein naturnahes
Gerinne mit vielfältiger Morphologie und optimaler Längs- und Quervernetzung geschaffen
werden. Die morphologische Entwicklung dieser Abschnitte verläuft wie gewünscht und wird
weiterhin untersucht. Neben den Lenkbuhnen war auch ein genügendes Angebot an Raum
mitentscheidend für den Verzicht auf Längsverbau, denn die relativ flache Gestaltung der
renaturierten Ufer brachte zusätzliche Sicherheit für die Gerinnestabilität in Form von
verminderten Schleppkräften. Inwieweit mit Instream River Training auch bei sehr engen
Platzverhältnissen auf Längsverbau verzichtet werden kann, müsste in Modellversuchen oder
weiteren Anwendungen erprobt werden. Doch auch in Fällen wo Uferverbau mit Instream
River Training lediglich reduziert werden kann, sind ökologische Verbesserungen und
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Kosteneinsparungen zu erwarten.
Indem Lenkbuhnen innerhalb von bestehendem Uferverbau eingesetzt wurden, konnten
weitere Abschnitte ökologisch aufgewertet werden. Die erzielten Verbesserungen bei
Habitatangebot und -qualität sind durchwegs ermutigend. Mit kommenden Untersuchungen,
insbesondere der Fischbestände in der Taverna, können die bisher gemachten Beobachtungen
abgesichert werden. Daneben wäre es interessant, auch die Entwicklung der terrestrischen
Artenvielfalt und der Freizeitnutzung durch die Bevölkerung zu verfolgen.
Weil mit wenig Materialaufwand viel erreicht wird, könnte sich die Anwendung von
Lenkbuhnen grundsätzlich als weit verbreitete Flussbau-Praxis etablieren. Auch angesichts
der in der Schweiz gesetzlich geforderten Renaturierungen könnte Instream River Training
dank ökologischer und ökonomischer Vorteile viele Wasserbauprojekte bereichern. Die
beispielhafte Strecke an der unteren Taverna zeigt einen möglichen Weg auf und kann
insbesondere nach einem grösseren Hochwasser eine wichtige Referenz für weitere
Anwendungen in der Schweiz werden.
Quellenverzeichnis
[1] Mende M., Sindelar C. (2010). Instream River Training: Lenkbuhnen und Pendelrampen.
Rutschmann, P., ed. In: Wasserbau in Bewegung - Von der Statik zur Dynamik“, Juli 1-3
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Verlag, Wiesbaden.
[3] Grober O. (1998): Ökologisch orientierte Gewässerinstandhaltungen mit naturnaher
dynamischer Landschaftseingliederung nach Grundsätzen von V. Schauberger in der
Region Mariazell an der Salza und ihren Nebenbächen. Zusammenstellung der
Baubezirksleitung Bruck/Mur.
[4] Österreichisches Patentamt (1933). Patentschrift Nr. 134543 – Viktor Schauberger in
Wien – „Wasserführung in Rohren und Gerinnen“. Angemeldet am 12. August 1931,
Beginn der Patentdauer am 15. April 1933. Wien, Österreichische Staatsdruckerei.
[5] Radspinner R. R., Diplas P., Lightbody A. F., Sotiropoulos F. (2010). River Training and
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Hydraulic Engineering. American Society of Civil Engineers. Vol. 136/12, pp. 967 - 979.
[6] Rosgen D. L. (2006). The Cross-Vane, W-Weir and J-Hook Vane Structures…Their
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Paper delivered at American Society of Civil Engineers Conference, Reno, NV.
[7] Meyenburg I. (2007). Einfluss der Anordnung und Geometrie von Lenkbuhnen auf ihre
hydraulische Wirkung. Diplomarbeit am LWI, TU Braunschweig, unveröffentlicht.
[8] Pinter K., Unfer G., Wiesner C. (2009). Fischbestandserhebung der Mur im Bereich St.
Michael. Studie des Instituts für Hydrobiologie und Gewässermanagement, Universität
BOKU Wien im Auftrag der Steiermärkischen Landesregierung, unveröffentlicht.
[9] Singer G., Besemer K., Schmitt-Kopplin P., Hödl I., Battin T. J. (2010). Physical
Heterogeneity Increases Biofilm Resource Use and Its Molecular Diversity in Stream
Mesocosms. PLoS ONE 5(4): e9988.
[10] Werdenberg N. (2006). Handling Water – an approach to holistic river rehabilitation
design. Masterarbeit am IEC, FHNW Muttenz, unveröffentlicht.
[11] Huber U. (2009). Schneckenbuhnen am Suhrenknie. Ingenieurbiologie, Heft 3 / 2009, 19.
Jahrgang, S. 6 – 10.
[12] Mende M., Gassmann E. (2009). Pendelrampen – Funktionsweise und Erfahrungen.
Ingenieurbiologie, Heft 3 / 2009, 19. Jahrgang, S. 29 – 36.
[13] Mende M. (2012). Uferumgestaltung und Gewässerentwicklung an der Wiese bei
Maulburg. Technischer Bericht Ausführungsprojekt der IUB AG, Bern, unveröffentlicht.
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