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Spruchverfahren aktuell - Nr. 1/2017
SpruchZ 2017 Seite 1
Recht & Praxis bei Squeeze-out-Fällen, Delisting, Organverträgen, Fusionen und Übernahmeangeboten
Nr. 1/2017 vom 19. Januar 2017 ISSN 2195-7274
Inhaltsübersicht
Laufende Spruchverfahren:
Aurea Software GmbH, S. 2; BuG Demag Cranes AG, S. 2; Dresdner Factoring, S. 3; ERGO Versicherungsgruppe Aktiengesellschaft, S. 4; Beherrschung GSW Immobilien AG, S. 4; HypoVereinsbank, S. 5; BuG MEDION AG, S. 6; WMF AG, S. 7
Abgeschlossene Spruchverfahren
Aditron AG, S. 8 D+S europe AG, S. 9
„Bemerkenswerte Befunde“ von Prof. Knoll
Fall 12: Relevanz der Beta-Adjustierung, S. 37
Die 2012 gegründete Zeitschrift „Spruchverfahren aktuell“ (kurz: SpruchZ) wird per E-mail verteilt
und online verfügbar archiviert (u.a. unter http://de.slideshare.net/SpruchZ). Sie erscheint jeweils
nach Bedarf. Der Bezug ist kostenlos. Für Bestellungen und Abbestellungen wenden Sie sich bitte an
den Herausgeber: Verteiler@SpruchZ.de
Die Zeitschrift dient lediglich der Information über die aktuelle Rechtsentwicklung. Sie kann eine
umfassende rechtsanwaltliche Beratung nicht ersetzen.
Spruchverfahren aktuell
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Laufende Spruchverfahren
Überprüfungsverfahren zum Squeeze-out bei der Aurea Software GmbH (früher: update Software AG)
Bei der rechtsformwechselnd aus der früher börsennotierten update Software AG entstandenen
Aurea Software GmbH, Wien, ist im letzten Jahr ein Gesellschafterausschluss (Squeeze-out)
beschlossen und eingetragen werden. Die Angemessenheit der von der Hauptgesellschafterin, der
Aurea Software FZ-LLC, Dubai, angebotenen Barabfindung wird in einem Überprüfungsverfahren
nach § 6 GesAusG geprüft (vergleichbar einem Spruchverfahren in Deutschland). Das dafür
zuständige Handelsgericht Wien hat die eingegangenen Überprüfungsanträge zu dem führenden
Aktenzeichen 71 Fr 17564/16 p verbunden. Mit Beschluss vom 11. Jänner 2017 wurde Frau
Rechtsanwältin Dr. Alexandra Biely zur gemeinsamen Vertreterin bestellt.
Bei mehreren früheren update-Aktionären hatte die Depotbank deren Aktien im Rahmen des
Rechtsformwechsels als angeblich "wertlos" ausgebucht (so dass diese nicht als GmbH-Gesellschafter
eingetragen wurden), siehe http://spruchverfahren.blogspot.de/2016/05/rechtsformwechsel-der-
update-software.html. Diese sollten daher ihre Depotunterlagen prüfen, um die Abfindung (und eine
ggf. erfolgenden Nachbesserung) entgegennehmen zu können. Eine automatische Zahlung erfolgt
nicht.
Handelsgericht Wien, Az. 71 Fr 17564/16 p
gemeinsame Vertreterin: Rechtsanwältin Dr. Alexandra Biely, A-1010 Wien
_______________
Spruchverfahren zum Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der Demag Cranes AG: Erstinstanzlich keine Erhöhung
In dem seit 2012 laufenden Spruchverfahren zum Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag der
Demag Cranes AG, Düsseldorf, und der Terex Germany GmbH & Co. KG als herrschender Gesellschaft
gibt es erstinstanzlich keine Erhöhung. Das Landgericht Düsseldorf hat die Anträge auf Erhöhung der
Barabfindung und des Ausgleichs mit Beschluss vom 30. Dezember 2016 zurückgewiesen. Die
Antragsgegnerin muss jedoch die Kosten des Verfahrens, einschließlich der außergerichtlichen
Kosten der Antragsteller tragen.
Nach Ansicht des Landgerichts in der relativ kurzen Begründung ist eine Erhöhung der Barabfindung
über dem zugrunde gelegten durchschnittlichen Börsenkurs (EUR 45,52) nicht vorzunehmen. Bei der
Ertragswertmethode sei der Ansatz einer Marktrisikoprämie in Höhe von 5% nicht zu korrigieren (S.
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11 f). Auch der angenommene Betafaktor sei nicht zu beanstanden (S. 12). Auf den unter-
nehmenseigenen Betafaktor sei nicht abzustellen, da der Börsenkurs von der Marktentwicklung
abgekoppelt gewesen sei. Die Einholung eines weiteren Gutachtens zum Unternehmenswert sei
nicht erforderlich.
Gegen die erstinstanzliche Entscheidung können die Beteiligten innerhalb von einem Monat ab
Zustellung des Beschlusses Beschwerde einreichen (über die das OLG Düsseldorf als
Beschwerdegericht entscheidet).
Zu dem im Januar 2014 eingetragenen Ausschluss der Minderheitsaktionäre bei der in Terex Material
Handling & Port Solutions AG umbenannten Gesellschaft (inzwischen formwechselnd umgewandelt
in Terex MHPS GmbH) läuft unter dem Aktenzeichen 31 O 6/14 (AktE) ein weiteres Spruchverfahren,
siehe http://spruchverfahren.blogspot.de/2014/05/spruchverfahren-zum-squeeze-out-bei-
der_26.html. Bei dem Squeeze-out hatte die Antragsgegnerin eine deutlich höhere Barabfindung in
Höhe von Euro 60,48 angeboten.
LG Düsseldorf, Beschluss vom 30. Dezember 2016, Az. 31 O 19/12 (AktE) Verbraucherzentrale für Kapitalanlager e.V. u.a. ./. Terex Germany GmbH & Co. KG 105 Antragsteller gemeinsamer Vertreter: RA Dr. Peter Dreier, Düsseldorf Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin: Rechtsanwälte Freshfields Bruckhaus Deringer LLP, Frankfurt am Main
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Spruchverfahren zum verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out bei der Dresdner Factoring AG: LG Leipzig lehnt Anträge ab In dem Spruchverfahren zu dem verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out bei der Dresdner Factoring
AG hat das Landgericht Leipzig die Spruchanträge mit nunmehr zugestelltem Beschluss vom 9.
Dezember 2016 zurückgewiesen. In der sehr kurzen Begründung verweist das Gericht lediglich
darauf, dass alleine auf den "Börsenwert" abgestellt werden könne. Auf die Ermittlung des
Unternehmenswerts nach einer sonstigen Wertmethode, wie etwa der Ertragswertmethode, komme
es nicht an (S. 8). Eine Marktenge nach § 5 Abs. 4 WpÜG-AngebV habe nicht vorgelegen. Auch aus
dem Umstand, dass ein eigener Betafaktor der Gesellschaft nicht habe festgestellt werden können,
ergebe sich keine Marktenge (S. 10). Dies habe an dem "Fehlen von signifikanten Parametern für die
Ermittlung des Betafaktors" gelegen.
Gegen diese Entscheidung haben zwischenzeitlich mehrere Antragsteller Beschwerden einlegen,
über die das OLG Dresden entscheiden wird.
LG Leipzig, Beschluss vom 9. Dezember 2016, Az. 01 HK O 2401/15 Arendts, A. u.a. ./. Dresdner Factoring AG 37 Antragsteller gemeinsamer Vertreter: RA Dr. Claus Wagner, 01277 Dresden
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Spruchverfahren zum Squeeze-out bei der ERGO Versicherungsgruppe Aktiengesellschaft geht in die Verlängerung
Gegen den Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 14. Oktober 2016, mit dem dieses die
Barabfindung auf EUR 109,32 je ERGO-Aktie angehoben hatte (Erhöhung um 11,87%), haben sowohl
die Antragsgegnerin, die Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft Aktiengesellschaft, wie auch
mehrere Antragsteller Beschwerden eingelegt. Über diese wird das OLG Düsseldorf entscheiden.
Die Antragsgegnerin argumentiert in ihrer Beschwerdeschrift vom 14. Dezember 2016 gegen die vom
Landgericht vorgenommenen Veränderungen am Kapitalisierungszinssatz. Das Gericht hatte den
Ansatz der Marktrisikoprämie mit 4,5% vor Steuern als "noch angemessen" eingeschätzt. Dies hält
die Antragsgegnerin für "unvertretbar".
LG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Oktober 2016, Az. 33 O 72/10 AktE SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V. u.a. ./. Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft Aktiengesellschaft 112 Antragsteller gemeinsamer Vertreter: Rechtsanwalt Dr. Peter Dreier, 40213 Düsseldorf Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin, Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft Aktiengesellschaft: Rechtsanwälte Gleiss Lutz, 70173 Stuttgart
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Spruchverfahren zum Beherrschungsvertrag mit der GSW Immobilien AG: Beweisbeschluss des LG Berlin
Das Landgericht Berlin hat in dem Spruchverfahren zu dem Beherrschungsvertrag der Deutschen
Wohnen AG (als herrschender Gesellschaft) mit der GSW Immobilien AG einen Beweisbeschluss
getroffen. Laut dem Beschluss vom 20. Dezember 2016 soll Herr Dipl.-Kfm. WP StB Christoph Wollny
ein schriftliches Sachverständigengutachten über die Angemessenheit von Ausgleich und Abfindung
erstellen.
Der Sachverständige soll die Planungen der GSW (hier vor allem die außerhalb des regulären
Planungsprozesses der Gesellschaft erfolgten) auf Plausibilität überprüfen. So sei nicht aus-
zuschließen, dass die überaus dynamische Entwicklung des Berliner Marktes für Mietwohnungen
unterschätzt worden sei. Die starke Zuwanderung nach Berlin und der damit einhergehende stetig
ansteigende Nachfrageüberhang nach Wohnraum seien zum Bewertungsstichtag vorhersehbar
gewesen (S. 2). Auch soll der Gutachter prüfen, ob der in der Planung enthaltene, relativ moderate
Anstieg der Sollmieten von lediglich 1% ab 2019 als realistisch anzusehen ist (S. 3). Des Weiteren soll
er die Annahme einer dauerhaften Leerstandsquote von 2,6% überprüfen (S. 4).
Dem Gericht dränge sich angesichts der Anpassung bei den Instandhaltungskosten der Verdacht auf,
dass es sich bei den Planungsänderungen per 12. Dezember 2013 um "anlassbedingte Änderungen"
handele (S. 4). Daher sei eine Einflussnahme der Antragsgegnerin zu untersuchen. Im Übrigen sei zu
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prüfen, ob die zum Bewertungsstichtag zu erwartenden (unechten) Synergien nachvollziehbar
ermittelt und plausibel zwischen beiden Unternehmen aufgeteilt worden seien (S. 5).
Hinsichtlich des Kapitalisierungszinssatzes soll der Ansatz eines einheitlichen Basiszinssatzes von
2,50% für den Stichtag überprüft werden (S. 5). Das Gericht hält die vom IDW vorgeschlagene
Rundung auf das nächste Viertelprozent für willkürlich. Lediglich die Überlegung sei gerechtfertigt,
mit einer Auf- oder Abrundung erkennbare Tendenzen in der weiteren Zinsentwicklung zu berück-
sichtigen. Für die Marktrisikoprämie sei von einem Nachsteuerwert von 4,5% auszugehen (S. 5).
Angesichts der zum Stichtag bestehenden Unterschiede in den Geschäftsmodellen von GSW und
Deutsche Wohnen hält das Gericht den Ansatz eines identischen Betafaktors für beide Unternehmen
nicht unbedingt für plausibel. Das unverschuldete Raw-Beta der GSW habe konsistent unter
demjenigen der Deutschen Wohnen gelegen (S. 6). Gerade in der näheren Zukunft dürften für die
GSW mit ihren ausschließlich in Berlin belegenen Wohnungsbeständen von höheren Wachs-
tumsraten als dem angesetzten Wachstumsabschlag von 1% auszugehen sein (S. 6).
Das LG Berlin hatte mit Verfügung vom 26. April 2016 eine Verbesserung des Umtauschverhältnisses
auf 1 : 2,75 vorgeschlagen (von 1 : 2,33) und eine Anhebung des Ausgleichs auf EUR 2,14 brutto bzw.
EUR 1,80 netto. Die Antragsgegnerin lehnte den gerichtlichen Vorschlag jedoch als überhöht ab,
siehe http://spruchverfahren.blogspot.de/2016/06/spruchverfahren-zum-beherrschungsvertra.html.
LG Berlin, Az. 102 O 49/14.SpruchG Neugebauer u.a. ./. Deutsche Wohnen AG 67 Antragsteller gemeinsamer Vertreter: RA Klaus Rotter, c/o Rotter Rechtsanwälte Partnerschaft mbH, 81379 München Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin, Deutsche Wohnen AG: Rechtsanwälte Squire Patton Boggs (US) LLP, 10117 Berlin
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Spannende Entwicklung im Spruchverfahren HypoVereinsbank: EUR 3,6
Milliarden fehlerhaft nicht berücksichtigt?
In dem Spruchverfahren zum Squeeze-out bei der HypoVereinsbank zeichnet sich eine neue
Entwicklung ab. Nach dem Vortrag des Verfahrensbevollmächtigten der Verbraucherzentrale für
Kapitalanleger e.V. soll ein Betrag von EUR 3,6 Milliarden "unterschlagen" worden sein. Der fixe
Kaufpreisbestandteil für den 2006 vereinbarten Verkauf des 71,03%-Anteils der österreichischen
Bank Austria (BA-CA) an der polnischen Bank BPH S.A. an die UniCredit, der vereinbarungsgemäß bis
Jahresende 2009 gestundet worden war, sei weder als Cash-flow noch auf andere Weise in die
Bewertung der BA-CA eingeflossen. Dies ergebe sich aus den Akten der Zentralen Staatsanwaltschaft
zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) in Wien (Az. 1 UT 5/15 f). Der
Wert der BA-CA hätte daher um den 2009 erfolgten Zahlungseingang in Höhe von EUR 3,6 Milliarden
korrigiert werden müssen.
LG München I, Az. 5 HK O 16226/08 SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V. u.a. ./. UniCredit S.p.A.
Spruchverfahren aktuell - Nr. 1/2017
SpruchZ 2017 Seite 6
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der MEDION AG: Gerichtlicher Gutachter kommt auf EUR 13,29 je Medion-Aktie
In dem Spruchverfahren zu dem 2011 abgeschlossenen Beherrschungs- und Gewinn-
abführungsvertrag zwischen der MEDION AG (als beherrschten Unternehmen) und der zum
chinesischen Lenovo-Konzern gehörenden Lenovo Germany Holding GmbH, Berlin, hat der mit
Beschluss vom 22. Oktober 2014 gerichtlich bestellte Sachverständige nunmehr sein Gutachten
vorgelegt. Herr Dr. Lars Franken, Wirtschaftsprüfer bei der IVC Independent Valuation & Consulting
Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, kommt in dem auf den 8. Dezember 2016
datierten Gutachten auf einen etwas höheren Barabfindungsbetrag als von der Antragsgegnerin
angeboten. Er ermittelt einen Unternehmenswert auf Basis des Ertragswertverfahrens in Höhe von
EUR 593,9 Mio., entsprechend EUR 13,29 je MEDION-Aktie. Die Hauptaktionärin hatte eine
Abfindung in Höhe von EUR 13,- je Medion-Stückaktie und einen Ausgleich in Höhe von EUR 0,82
brutto je Stückaktie angeboten. Nach Ansicht des Sachverständigen sind EUR 0,84 brutto bzw. EUR
0,71 netto (nach Abzug der Körperschaftssteuern inkl. Solidaritätszuschlag) als Ausgleichszahlung
angemessen.
Die Beteiligten können innerhalb von sechs Wochen zu dem Gutachten Stellung nehmen.
Landgericht Dortmund, Az. 20 O 4/12 (AktE) Vogel u.a. ./. Lenovo Germany Holding GmbH 63 Antragsteller gemeinsame Vertreterin: Rechtsanwältin Dr. Jutta Lommatzsch, Peters Rechtsanwälte Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin, Lenovo Germany Holding GmbH: Rechtsanwälte Latham, & Watkins LLP, 60323 Frankfurt am Main
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Spruchverfahren aktuell - Nr. 1/2017
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Spruchverfahren WMF AG: Deutliche Nachbesserung zu erwarten? Das Landgericht Stuttgart hat am 17. Januar 2017 das Spruchverfahren zu dem verschmelzungs-
rechtlichen Squeeze-out bei dem württembergischen Traditionsunternehmen WMF AG verhandelt
und dabei die sachverständigen Prüfer angehört, vgl.
http://spruchverfahren.blogspot.de/2016/08/spruchverfahren-zum-verschmelzungsrecht_11.html.
Das Gericht äußerte bei der Verhandlung Zweifel an dem für den Squeeze-out vorgerechneten Unter-
nehmenswert von nur knapp über EUR 800 Mio., nachdem WMF von KKR kurze Zeit später für rund
EUR 1,6 Mrd. an das französische Unternehmen SEB verkauft wurde.
Das Landgericht Stuttgart könnte daher einen Sachverständigen mit einer Überprüfung beauftragen
(wie von mehreren Antragstellern beantragt) und den Barabfindungsbetrag anheben. Bereits
unmittelbar nach der Durchführung des verschmelzungsrechtlichen Squeeze-outs hatte KKR die
Citigroup und die Deutsche Bank mit der Begleitung des Verkaufsprozesses beauftragt. Als möglicher
Verkaufspreis für die Gesellschaft wurde in einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters vom 4.
Dezember 2015 ein Betrag von sogar EUR 1,8 Milliarden genannt (das 12-fache des erwarteten
EBITDA in Höhe von EUR 150 Mio.), deutlich mehr als der unmittelbar zuvor den Minder-
heitsaktionären zugebilligte angebliche Wert des Unternehmens.
Die früher als Finedining Capital AG firmierende und zur KKR-Gruppe gehörende Hauptaktionärin
hatte eine Barabfindung in Höhe von EUR 58,37 je Stamm- und Vorzugsstückaktie der WMF AG
angeboten, vgl.
http://spruchverfahren.blogspot.de/2015/03/bekanntmachung-uber-die-barabfindung.html.
LG Stuttgart, Az. 31 O 53/15 KfH SpruchG Jaeckel, P. u.a. ./. WMF Group GmbH 50 Antragsteller gemeinsamer Vertreter: RA Ulrich Wecker, 70182 Stuttgart Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin, WMF Group GmbH: Rechtsanwälte Hengeler Mueller, 80802 München
Spruchverfahren aktuell - Nr. 1/2017
SpruchZ 2017 Seite 8
Abgeschlossene Spruchverfahren
Spruchverfahren zum Squeeze-out bei der Aditron AG abgeschlossen: OLG Düsseldorf setzt Barabfindung auf EUR 30,87 fest (+ 16,5%)
In dem seit 2003 laufenden Spruchverfahren zur Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre
der Aditron AG, Düsseldorf, auf die Rheinmetall AG hat das OLG Düsseldorf den Barabfindungsbetrag
mit dem nunmehr zugestellten Beschluss vom 15. Dezember 2016 auf 30,87 je Stammaktie
festgelegt. Gegenüber dem von der Hauptaktionärin angebotenen Betrag bedeutet dies eine
Anhebung um 16,5%. Die Antragsgegnerin muss (mit Ausnahme unzulässiger Anträge) die
außergerichtlichen Kosten der Antragsteller in der ersten Instanz und 50% der Kosten in der
Beschwerdeinstanz übernehmen.
Das LG Düsseldorf hatte den Barabfindungsbetrag erstinstanzlich sogar deutlich höher auf EUR 36,44
je Stammaktie heraufgesetzt (Anhebung um fast 38%). Die Antragsgegnerin war mit ihrer gegen den
Beschluss des Landgerichts vom 29. August 2012 eingereichte Beschwerde damit teilweise
erfolgreich.
Die Reduzierung gegenüber der erstinstanzlichen Entscheidung ergibt sich vor allem aus der
nachträglichen Anwendung des (für die Minderheitsaktionäre negativen) neueren IDW-Standards S1
in der Fassung 2005 (lange nach dem hier maßgeblichen Stichtag). Diese neuere Fassung sei nach
Auffassung des BGH eine methodische Verbesserung gegenüber dem vorhergehenden IDW S1 2000
(S. 22). Er sei daher als vorzugswürdig anzusehen und ggf. auch rückwirkend anzuwenden.
Eine Berechnung der Barabfindung allein anhand des Börsenwerts lehnt das OLG ab (S. 19). Eine
solche komme nur dann in Betracht, wenn eine "effektive Informationsbewertung" durch die
Marktteilnehmer vorliege. Hiervon zu unterscheiden sei die Frage, inwieweit der Börsenkurs die
Untergrenze der angemessenen Barabfindung bilde (S. 21).
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Dezember 2016, Az. I-26 W 25/12 (AktE). LG Düsseldorf, Beschluss vom 29. August 2012, Az. 33 O 126/06 AktE Frosch-Bollin u.a. ./. Rheinmetall AG 52 Antragsteller gemeinsamer Vertreter: RA Folker Künzel, 40589 Düsseldorf Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin, Rheinmetall AG: Rechtsanwälte Gleiss Lutz, 70173 Stuttgart
Spruchverfahren aktuell - Nr. 1/2017
SpruchZ 2017 Seite 9
Spruchverfahren zum Squeeze-out bei der D+S europe AG ohne Erhöhung beendet In dem Spruchverfahren zum Ausschluss der Minderheitsaktionäre bei der D+S europe AG, Hamburg,
hatte das Landgericht Hamburg eine Erhöhung der Barabfindung abgelehnt (Beschluss vom 21. März
2014, Az. 404 HKO 72/10), siehe http://spruchverfahren.blogspot.de/2014/06/spruchverfahren-
squeeze-out-ds-europe.html. Das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG Hamburg) hat nunmehr mit
Beschluss vom 28. Dezember 2016 (Aktenzeichen 13 W 60/14) die dagegen eingereichten
Beschwerden verschiedener Antragsteller zurückgewiesen. Eine Bekanntmachung erfolgte im
Bundesanzeiger vom 13. Januar 2017.
Gegen den Beschluss des OLG, gegen den kein Rechtsmittel gegeben ist, haben mehrere
beschwerdeführende Antragsteller Gehörsrüge erhoben, wobei sie mit einer nicht hinreichend
berücksichtigten Marktmanipulation durch die Antragsgegnerin argumentieren.
Die Antragsgegnerin Pyramus S.a.r.l., ein von mehreren Apax-Investmentfonds kontrolliertes
Investmentvehikel, hatte 2008 ein Übernahmeangebot in Höhe von EUR 13,- je D+S-Aktie
abgegeben. Bei dem 2009 beschlossenen und im Juni 2010 eingetragenen Squeeze-out wurden
jedoch nur EUR 9,87 je Aktie geboten.
OLG Hamburg, Beschluss vom 28. Dezember 2016, Az. 13 W 60/14 LG Hamburg, Beschluss vom 21. März 2014, Az. 404 HKO 72/10 118 Antragsteller gemeinsamer Vertreter: RA Oliver Rosowski, c/o Hahn Rechtsanwälte, Hamburg Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin Pyramus S.a.r.l.: Milbank, Tweed, Hadley & McCloy LLP, München
Spruchverfahren aktuell - Nr. 1/2017
SpruchZ 2017 Seite 10
Delisting-Fälle
msg life ag: Erwerbsangebot durch Hauptaktionärin an msg life-Aktionäre angekündigt, Delisting der msg life-Aktien beabsichtigt
(Leinfelden-Echterdingen, den 16. Januar 2017) - Die Hauptaktionärin der msg life ag, die msg
systems AG, die aktuell ca. 49,09 % der Aktien der msg life ag hält, hat dem Vorstand der msg life ag
heute mitgeteilt, ein freiwilliges öffentliches Erwerbsangebot für alle Aktien der msg life ag abgeben
zu wollen. Den Aktionären soll der gesetzlich vorgeschriebene Mindestpreis angeboten werden.
msg life beabsichtigt, zu gegebener Zeit nach Veröffentlichung der Angebotsunterlage ein Delisting
der Aktien der msg life ag durchzuführen und hierzu einen Antrag auf Widerruf der Zulassung der
Aktien zum Handel im regulierten Markt der Frankfurter Wertpapierbörse zu stellen. Eine Einführung
der msg life-Aktien an einem anderen regulierten Markt oder einer anderen Handelsplattform wird
nicht angestrebt.
Der Vorstand der msg life ag begrüßt nach Abstimmung mit dem Aufsichtsrat das geplante Vorgehen.
____________
Anmerkung der Redaktion: Bei der msg life ag handelt es sich um die ehemalige COR&FJA AG.
Spruchverfahren aktuell - Nr. 1/2017
SpruchZ 2017 Seite 11
Bemerkenswerte Befunde © Prof. Dr. Leonhard Knoll
Bemerkenswerte Befunde - Fall 12: Relevanz der Beta-Adjustierung
In den bisherigen Fällen sind wir schon mehrfach auf Merkwürdigkeiten im Zusammenhang mit dem
Beta-Faktor gestoßen. Nachdem die Verwendung einer Peer Group dabei bereits im Fokus stand,
wollen wir heute eine andere Form der Bearbeitung des originär gemessenen Werts betrachten, die
sogenannte „Adjustierung“. Zurückgehend auf Arbeiten von Blume aus den siebziger Jahren wird
dabei heute als Standardprozedur für das „adjusted beta“ das originäre „raw beta“ mit 2/3 und der
Marktdurchschnitt 1 mit 1/3 gewichtet. Ob die Verwendung dieser Adjustierung zulässig ist, darf aus
mehreren Gründen bezweifelt werden. Im folgenden Fall 12 werden diese Gründe aber im
Hintergrund stehen und dafür elementare Zusammenhänge in den Vordergrund treten, die ganz
offensichtlich nicht allen Jongleuren anglophoner Beta-Variationen bekannt sind.
In einem Spruchverfahren vertrat die Antragsgegnerin in beiden Instanzen u.a. auch mit Verweis auf
den Ausschlussprüfer die folgende These:
„Unabhängig davon würde die Verwendung von Roh-Betafaktoren anstelle von adjustierten
Betafaktoren für die Vergleichsunternehmen ebenfalls zu einem gerundeten Betafaktor von
0,65 führen und somit das Ergebnis der Bewertung nicht beeinflussen.“
a) Gehen Sie zunächst davon aus, dass sie das Beta eines einzelnen Unternehmens betrachten,
keine Verschuldung vorliegt und die Standardadjustierung des „Roh-Betas“ (oder „raw beta“)
verwendet wird. Für welches raw beta weicht das adjusted beta nicht ab?
b) Gehen Sie jetzt davon aus, dass anstelle eines einzelnen Unternehmens der ungewichtete
Durchschnitt einer Gruppe von ebenfalls unverschuldeten Vergleichsunternehmen herangezogen
wird. Ändert sich das Ergebnis aus a)?
c) Beantworten Sie nunmehr Frage a) für das unlevered beta eines verschuldeten Unternehmens
und verwenden Sie dafür die folgende allgemeine Anpassungsformel:
Spruchverfahren aktuell - Nr. 1/2017
SpruchZ 2017 Seite 12
mit:
, , ,
d) Ergibt sich eine Abweichung gegenüber dem Ergebnis aus c), wenn auf das durchschnittliche
unlevered beta einer Gruppe von Vergleichsunternehmen abgestellt wird?
e) Erscheint die Aussage der Antragsgegnerin hinsichtlich der Wertirrelevanz des adjustierten Betas
glaubwürdig? Was wäre ein erster einfacher Test in dieser Beziehung? Gehen Sie bei Ihrer
Antwort auch auf den Marktdurchschnitt des raw und des unlevered beta ein.
Lösungen:
a) Die Standardformel für die Adjustierung lautet:
Für die Irrelevanz gilt:
Also gibt es nur für keine Abweichung.
b) Für n Vergleichsunternehmen ergibt sich
Damit gilt für die Irrelevanz:
Nun muss also das durchschnittliche raw beta der Vergleichsunternehmen gleich eins sein.
Umgekehrt hat ein von 1 abweichendes adjusted beta Einfluss auf die Bewertung.
Spruchverfahren aktuell - Nr. 1/2017
SpruchZ 2017 Seite 13
c) Für die Irrelevanz gilt nunmehr:
Also ändert sich gegenüber dem Ergebnis aus a) nichts!
d) Durchschnittswerte:
Irrelevanzkalkül:
Nun muss also der Durchschnitt der mit dem Nenner der Anpassungsformel
kapitalstrukturbereinigten raw betas gleich dem ebenfalls mit dem Nenner der Anpassungsformel
kapitalstrukturbereinigten Wert 1 sein.
Spruchverfahren aktuell - Nr. 1/2017
SpruchZ 2017 Seite 14
e) Während der Marktdurchschnitt des raw beta qua definitione 1 beträgt, liegt der empirische
Marktdurchschnitt des unlevered Beta in einer Größenordnung von 0,75, wobei die verwendete
Anpassungsformel hier offensichtlich eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielt. Damit die
Aussage der Antragsgegnerin zutrifft, müssen die folgenden Bedingungen gelten:
Das unlevered beta muss unterdurchschnittlich sein.
Die kapitalstrukturbereinigten raw betas der Vergleichsgruppe müssen dem um die
jeweilige Kapitalstruktur der Vergleichsunternehmen bereinigten Marktdurchschnitt
entsprechen.
Soll beides erfüllt werden, muss in der Vergleichsgruppe gegenüber dem Marktdurchschnitt ein bei
gleichem Gesamtrisiko deutlich höherer Verschuldungsgrad vorliegen. Entsprechend wäre ein erster
grober Test, die Verschuldungsgrade der Vergleichsunternehmen näherungsweise zu bestimmen. Ist
z.B. das Verhältnis von verzinslichen Nettoschulden zu Börsenkapitalisierung niedriger als im
Marktdurchschnitt, erhöhen sich ohnehin gegebene Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Aussage.
Fazit: Betrachtet man die schlicht wirkende Ausgangsbehauptung und was sich dahinter tatsächlich
verbirgt, kommt neben Zorn über das Insistieren der Antragsgegnerin anderweitig sogar Mitleid auf –
nicht nur mit einem unbedarften Leser, sondern auch (ausnahmsweise) mit dem Ausschlussprüfer,
der in seinem Bericht nichts dergleichen behauptet hatte!
Spruchverfahren aktuell - Nr. 1/2017
SpruchZ 2017 Seite 15
Zeitschrift und Dokumente auf http://de.slideshare.net/SpruchZ
Impressum
______________________
Zeitschrift
Spruchverfahren aktuell
(SpruchZ)
6. Jahrgang
ISSN 2195-7274
Herausgeber:
Interessengemeinschaft
Spruchverfahren (IG Spruch),
c/o Rechtsanwaltskanzlei
ARENDTS ANWÄLTE,
Perlacher Str. 68,
D - 82031 Grünwald
(bei München)
Bestellungen bitte an die E-Mail-
Adresse: Verteiler@SpruchZ.de
Redaktion/Mitarbeiter: Redaktion@SpruchZ.de
RA Martin Arendts, M.B.L.-HSG
(presserechtlich verantwortlich),
RA Dr. Peter Dreier,
Prof. Dr. Leonhard Knoll
(„Bemerkenswerte Befunde“)
c/o ARENDTS ANWÄLTE, Perlacher Str. 68, D - 82031 Grünwald
© 2017 für eigene Beiträge bei den
Autoren.
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