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Transformation = Peoplemanagement www.detecon-dmr.com DMR Detecon Management Report 2015 blue Special INTERVIEWS MIT Frank Dopheide, Verlagsgruppe Handelsblatt Der Manager als Marke Dr. Markus Müller, Deutsche Telekom Telekom IT – mehr als nur ein IT-Dienstleister Dietrich Franz, DHL Supply Chain Nach dem Wandel ist vor dem Wandel Daniel Markwig, SAP Das AppHaus Jens Bode, Henkel Laundry & Home Care Ideen entstehen aus Inspirationen und Austausch

TRANSFORMATION = PEOPLEMANAGEMENT (BEST-PRACTICE) (DMR BLUE TRANSFORMATION & PEOPLEMANAGEMENT)

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Transformation = Peoplemanagement

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Special

Künstler haben unsere Themen neu interpretiert und unsere neue Webseite mitgestaltet.

Besuchen Sie uns unter: www.detecon.com

Wir geben Kunst eine Bühne.

Art meets Consulting

Wir stehen mit unseren Geschäftsfeldern

an einer der spannendsten Baustellen unserer Zeit:

Die Vernetzung globaler Information und Kommunikation.

INTERVIEWS MIT

Frank Dopheide, Verlagsgruppe Handelsblatt Der Manager als Marke

Dr. Markus Müller, Deutsche Telekom Telekom IT – mehr als nur ein IT-Dienstleister

Dietrich Franz, DHL Supply Chain Nach dem Wandel ist vor dem Wandel

Daniel Markwig, SAP Das AppHaus

Jens Bode, Henkel Laundry & Home Care Ideen entstehen aus Inspirationen und Austausch

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Liebe Leserinnen und Leser,

auf den globalen Märkten herrscht ein erbarmungsloser Kampf: Markteintrittsbarrieren entfal-len durch ICT nahezu vollständig, Großkonzerne und Incumbents sehen sich bedroht von im-mer neuen agilen Start-ups, die quasi über Nacht die Märkte neu definieren. In diesem Umfeld müssen Unternehmen Effizienzdruck und Innovationskraft harmonisch in Einklang bringen – die Quadratur des Kreises. Auch der Talentmarkt agiert global und scharf, denn Angebot und Nachfrage sind transparent.

Das Gebot der Stunde heißt, die Transformationskompetenz in der Unternehmens-DNA zu ver-ankern als Grundvoraussetzung für die Wettbewerbs- und Überlebensfähigkeit von Unternehmen und Geschäftsmodellen. Dies ist nicht nur gleichbedeutend mit neuen Strukturen und Organi-sationsformen, sondern erfordert eine Kultur der Veränderungsbereitschaft und des „sich laufend neu erfinden Wollens“. Stichwort Innovationskultur: Wie gelingt es, eine Innovationskultur im Unternehmen zu verankern? Was sind die wesentlichen Erfolgsfaktoren? Darüber unterhalten wir uns mit Jens Bode, Henkel Laundry & Home Care und Dr. Markus Müller, Deutsche Telekom.

Längst ist die Wissensgesellschaft Realität geworden. Der Mitarbeiter – oder präziser der vielbe-schworene „Wissensarbeiter“ – ist das erfolgskritische Asset. Alle übrigen, repetitiven Prozesse und Standardabläufe sind zukünftig automatisierbar. Die Zukunft der Arbeit konzentriert sich somit auf den optimalen Umgang mit Wissen, den Aufbau von Transformationskompetenz und die Nutzung der vielfältigen Potenziale der Mitarbeiter. Dabei müssen Transformations- und Peoplemanagement-Expertise Hand in Hand gehen und eine geschlossene Einheit bilden. Mit-unter ist dies die große Chance für HR-Bereiche, sich völlig neu zu definieren und als „Transfor-mationscoach“ für die aktive Mitgestaltung von Unternehmen zu empfehlen. Wie dies gelingen kann, zeigen wir im Rahmen unserer Analyse zur „Zukunft des Personalmanagements“.

Auch in dieser Ausgabe beleuchten wir intensiv die Frage, was High-performing Teams, die das Fundament erfolgreicher Organisationen bilden, auszeichnet. Interessante Einblicke liefern das Gespräch mit Major James E. Mullin, US Army, zu Teams in Extremsituationen sowie die wissen-schaftlichen Erkenntnissen von Prof. Dr. Irene López, Cologne Business School.

Zusammen mit Frank Dopheide, Geschäftsführer des Handelsblatts, überlegen wir, welche Elemente des klassischen Brand Managements auf die Positionierung von Top Managern über-tragen werden können und wie wichtig dies für den nachhaltigen Erfolg eines Unternehmens ist.

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre und hoffe, dass Sie viele Erkenntnisse in Ihrer täglichen Arbeit einsetzen können!

Ihr

Marc WagnerPartnerGlobal Head Transformation, Peoplemanagement & HR

Transformation= Peoplemanagement

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Inhalt

Herausgeber:Detecon International GmbHSternengasse 14-1650676 Köln

[email protected]

Aufsichtsrat:Klaus Werner (Vorsitz)

Geschäftsführung:Francis Deprez (Vorsitz)Dr. Jens NebendahlHandelsregister: Amtsgericht Köln HRB 76144 Sitz der Gesellschaft: Köln

Druck:Kristandt GmbH&Co.KGFrankfurt/Main

Fotos:FotoliaiStockphoto

Impressum:

Neue Arbeitswelten

Arbeite doch, wo Du willst … 4

Interview mit Dr. Bernhard Zünkeler, Forschungsinstitut artlab21

Gestaltung des Arbeitsplatzes der Zukunft: „Frische Luft für schwierige Aufgaben und Innovation“ 8

Interview mit Daniel Markwig, SAP AG

Das AppHaus 14

KAIZEN – Beyond Process Optimization

Über die Entfaltung des Potenzials von KAIZEN und die Implementierung in das alltägliche Projektgeschäft 20

Interview mit Jens Bode, Henkel Laundry & Home Care

“Ideen entstehen aus Inspirationen und Austausch” 22

Interview mit Dr. Heinrich Arnold, Telekom Innovation Laboratories

To boldly go where Telekom has not gone before“ 26

Interview mit Dietrich Franz, DHL Supply Chain

Nach dem Wandel ist vor dem Wandel 30

Interview mit Dr. Markus Müller, Deutsche Telekom AG

Telekom IT: Mehr als nur ein IT-Dienstleister 36

Interview mit Michael Leistenschneider

„Telco-Landschaft mit unschätzbarem Drive“ 40

Die digitale Transformation fordert eine neue Servicekultur

Wer dient, gewinnt 46

Interview mit Thies-Christian Bruhn, Kempinski Palace Portoroz

„Grundvoraussetzung für guten Service ist die Persönlichkeit des Mitarbeiters“ 50

ICT4Development

Wie Kommunikationstechnologien die Welt verbessern können 56

Pro-bono-Projekt mit Africa Rise e.V.

Wie die Digitalisierung die Bildung in Afrika unterstützen kann 60

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World Business Dialogue

Berater und Studenten suchen Antworten auf die Herausforderungen der Zukunft 64

Interview mit Frank Dopheide, Geschäftsführer Verlagsgruppe Handelsblatt

Der Manager als Marke – Wettbewerbsvorteil im digitalen Zeitalter 68

Kulturwandel bei der Deutschen Telekom AG

Lead to Win – die neue Führungsambition der Deutschen Telekom 74

Interview mit Major James E. Mullin III, U.S. Army

“Krieg ist ein chaotisches Unterfangen” 78

Interview mit Prof. Dr. Irene López, Cologne Business School

High-performing Teams unterstützen die Konkurrenzfähigkeit von Unternehmen 84

Interkulturelle Führung

Vertrauen als Basis erfolgreicher Projektleitung in Mittel- und Osteuropa 88

Magenta MOOC, Deutsche Telekom AG

Virtuelle Zusammenarbeit im unternehmerischen Kontext 92

Interview mit Daniel Eckmann, Detecon International GmbH

„Erst mit hohem positiven Energielevel ist man richtig gut!“ 96

Die Zukunft des Personalmanagements

Strategisch planen – exzellent operieren 100

Future HR

Neue Herausforderungen für die strategische Personalentwicklung 104

HR in der Cloud

Heiter bis wolkig? 108

Die Autoren 111

Neue Arbeitswelten

Arbeite doch, wo Du willst …Disruption kennzeichnet Absatz- und Arbeitsmärkte. Wie sollen Unternehmen damit umgehen? Für die Arbeits(platz)gestaltung gibt es eine Fülle von Ideen. Maximale Flexi-bilität in diesem Kontext bedingt allerdings einen Kulturwandel – und für den benötigt man einen langen Atem.

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wo Du willst … isruptiv ist ein Schlagwort, mit dem sich insbesondere Großkonzerne regelmäßig konfrontiert sehen. Neue Techno-logien bewirken in Rekordgeschwindigkeit, dass Märkte neu geschaffen werden – und auch wieder verschwinden. Marktein-trittsbarrieren im klassischen Sinne sind nicht mehr existent, eine sicher geglaubte „Poleposition“ wandelt sich über Nacht in einen der hinteren Plätze. Nicht nur Nokia ist hierfür ein gerne und vielzitiertes Beispiel. Auch die gesamte Medien- und Zeitschriftenindustrie löst sich in ihre Bestandteile auf. Viele Industrien müssen sich plötzlich mit völlig divergenten Herausforderungen und Branchen auseinandersetzen. Automo-bilkonzerne sehen sich beispielsweise momentan durch Inter-netkonzerne wie Google bedroht, die vor wenigen Jahren noch als völlig „branchenfremd“ ignoriert werden konnten. Diese Entwicklung befeuern nicht zuletzt die enormen technolo-gischen Fortschritte im Bereich der ICT, welche nicht mehr nur als „Enabler“, sondern vielmehr als der „Disruptor“ überhaupt gesehen werden.

Zudem befinden sich gerade etablierte Unternehmen nicht nur auf dem Absatzmarkt in einem gnadenlosen Wettbewerb – auch auf dem Talentmarkt sorgen Globalisierung und neue, aus Sicht von High Potentials viel attraktivere Unternehmen wie Google für einen unerbittlichen Kampf um die besten Nachwuchskräfte. Der „War for Talents“ ist Realität – auch, weil Wissensarbeiter das strategische Asset, den Differenzierungsvorteil von Unter-nehmen darstellen und Sekundärprozesse zunehmend automa-tisiert oder teilweise in Richtung des Kunden verlagert werden. So kann der Verlust eines „Top Performers“ in Richtung Kon-kurrenz schnell zu einem ernst zunehmenden Problem werden, denn es geht um Wissensvorteile. Herausfordernd für Unter-nehmen ist außerdem, dass die Loyalität zu einem spezifischen Unternehmen gerade bei High Potentials stark abnimmt. Es zählen die Aufgabe und ein spannendes Umfeld, nicht mehr der „große Name“. Auch auf dem Arbeitsmarkt bewegen sich Un-ternehmen also in einem disruptiven Umfeld.

Maximale Flexibilität und Anpassungsfähigkeit ist das Gebot der Stunde – eine Frage des Standpunkts

Dies gilt in besonderem Maße für Großkonzerne. Sie sehen sich mit unterschiedlichen Herausforderungen gleichzeitig konfron-tiert. Die Anforderung des Marktes nach maximaler Flexibilität bezieht sich auf nahezu alle Bereiche der Arbeitsgestaltung, zum Beispiel die Arbeitszeit oder den Arbeitsort. Denn nur durch maximal flexible und liquide Strukturen werden Unternehmen „robust“ gegen Veränderungen – Stichwort Resilienz. Letztlich sorgt die verändernde Kraft von disruptiven Technologien da-für, dass tradierte Arbeitsmethoden und Prozesse sowie starre

hierarchische Strukturen und Linienorganisationen hier nicht mehr mithalten können. Auch die Frage „Is big still beautiful?“ muss gestellt werden. Denn Unternehmen mit mehreren hun-derttausend Festangestellten, wie wir sie in den DAX 30-Unter-nehmen zur Genüge finden, fehlt die zuvor erwähnte Agilität.

Flexible Arbeitszeiten, Elternzeit, Tandem-Lösungen, Job-rotation, Sabbaticals oder Homeoffice beziehungsweise mobiles Arbeiten sind dabei nur einige der Schlagworte. Die Möglich-keit, die Arbeitszeit flexibel gestalten zu können, ist eine Grund-voraussetzung für agile Strukturen und die Anpassungsfähig-keit von Unternehmen. Allerdings stehen dem – insbesondere in Deutschland – häufig komplexe Regularien in Bezug auf Arbeitsschutz und tarifvertragliche Regelungen bis hin zu in-dividuellen Vereinbarungen von Einzelbetrieben gegenüber. In globalen Konzernen ergibt sich daraus mit Blick auf die Inter-nationalität mitunter ein nahezu unüberschaubares Geflecht aus Vereinbarungen, die bei der Arbeitszeitgestaltung berücksichtigt werden müssen.

Auch bei der Gestaltung des Arbeitsortes ist maximale Wandel-barkeit, nicht zuletzt aufgrund von Kostengründen, entschei-dend. Letztlich kann eine Geschäftsleitung zum Zeitpunkt der Belegungsplanung für eine Immobilie nicht vorhersagen, wer am Ende der Bauzeit tatsächlich dort einziehen wird. Die lau-fende Änderung von Unternehmensstrukturen sorgt für eine nahezu völlige Unplanbarkeit. Die flexible Nutzung von Büro-flächen muss heute schon integrativer Teil der Planung für neue Bürobauten sein. Damit wird die Immobilie zukunftssicher, da jederzeit auf neue Anforderungen an Arbeitsstrukturen rea-giert werden kann. Zielsetzung muss es sein, entsprechende Ar-beitsumgebungen zu schaffen, die von unterschiedlichen Mitar-beitern für unterschiedliche Tätigkeiten genutzt werden können – sei es für die konzentrierte Arbeit, für Kreativitätssitzungen, Besprechungen oder zur Ruhe und Entspannung. Unter dem Stichwort „Activitiy Based Working“ folgt die Raum-gestaltung den Anforderungen, die sich aus den Aktivitäten der Mitarbeiter ergeben. Zonen für konzentriertes Arbeiten, zur Förderung von Kreativität, für Projektarbeiten oder insbeson-dere auch zum informellen Austausch sind nur einige mögliche Ausprägungen. Das sogenannte „Desksharing“ wird zum Stan-dard – und dies unabhängig von der Hierarchie. In der „maxi-malen Ausprägung“ teilen sich Management und Mitarbeiter die Arbeitsplätze in einer Open-Office-Struktur, da sich die meisten Vertraulichkeitsanforderungen durch Rückzugsräume und abschließbare Container abdecken lassen. Das so genannte „Zellenbüro“ hat damit ausgedient. Arbeit ist schließlich eine Tätigkeit, die dank zunehmender Wissensarbeit nicht an einen

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spezifischen Ort gebunden ist und somit von überall aus erfol-gen kann: von zu Hause, unterwegs und natürlich im Office. Der Flächenbedarf in den Bürogebäuden lässt sich dadurch teils drastisch verringern. Dies führt wiederrum zu erheblichen Ko-stensenkungen.

Allerdings muss man sich bei solch agilen und flexiblen Arbeits-strukturen darüber im Klaren sein, dass sie die Führung von Mitarbeitern anspruchsvoller machen. Sie erfordern neue Rege-lungen und Absprachen. Wo finde ich jetzt meinen Kollegen? Wann ist mein Mitarbeiter/Kollege zu Hause und wann im Of-fice? Wie kann ich meinen Jour Fixe mit in der ganzen Welt ver-teilten Mitarbeitern durchführen? Wie kann ich meinen Mit-arbeiter bewerten, dessen Arbeit ich nicht ständig beobachten kann? Wie kann ich überhaupt noch kontrollieren, was meine Mitarbeiter den ganzen Tag über machen?

Ergebnis- statt Präsenzkultur? Ja, aber …

Ohne den vielbeschworenen Kulturwandel wird es keine Ver-änderung geben. Das ist aber leichter gesagt als getan. Für einen grundlegenden Kulturwandel braucht man einen langen Atem und Beharrlichkeit. Gerade in großen Unternehmen trifft man auf offenen und – noch gefährlicher – verdeckten Wider-stand, sobald Veränderungen umgesetzt werden sollen. Oft ist es die Angst der Führungskräfte vor dem Kontrollverlust, die zu Blockaden führt. Wer aber die Flexibilisierung von Arbeits-

zeit und -ort erfolgreich betreiben will, muss eine echte Ver-trauenskultur aufbauen. Wer das nicht konsequent umsetzt, wird scheitern. Führungskräfte müssen verstehen: Das Modell „Command and Control“ gehört auf den Müllhaufen ausge-dienter Führungsstile.

Klare Kommunikation und Partizipation sind die erfolgskri-tischen Treiber für den Aufbau einer Vertrauenskultur. Ab-sprachen zwischen Führungskräften und Mitarbeitern sind das A&O in flexiblen Arbeitsumgebungen. Es gilt, Transparenz zu schaffen über die persönliche Erreichbarkeit und Aktivitäten, die vorher gemeinsam vereinbart wurden und als Grundlage für die Leistungsbeurteilung dienen. Dies unterstützt den Weg von der Präsenz- hin zur Ergebniskultur. Apropos klare Absprachen: Ohne Spielregeln geht es beim Miteinander in offenen flexiblen Bürowelten nicht. Das Prin-zip „Clean Desc“ muss gelebt werden – benutztes Geschirr, Familienfotos oder persönliche Papiere auf dem Schreibtisch sind tabu, da der „eigene“ Schreibtisch am nächsten Tag womög-lich von einem Kollegen genutzt wird. Darüber hinaus erfordert auch die verbale Kommunikation im „Büro“ mehr Rücksichts-nahme: Laute Telefonate, Plaudereien am Tisch des Nachbarn oder spontane Kollegentreffen außerhalb der Meetingzonen sind zu vermeiden. Mit einem gemeinsam erarbeiteten und von allen „Office-Bewohnern“ verantworteten „Open-Office-Mani-fest“ kann man solche Auswüchse bereits im Keim ersticken.

Quelle: Detecon

Abbildung: Arbeitswelt der Zukunft

Alte Welt: Ein Arbeitsplatz für alle Aktivitäten

ZuhauseActivity Based Working

Unterwegs Im Büro

Offene Bürowelten Think Tanks Creative Spaces Rückzugsräume

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Unsere Erfahrungen und das Feedback aus einer Vielzahl an Umsetzungsprojekten haben gezeigt, dass eine flexible und insbesondere auch virtuelle Zusammenarbeit nur dann funk-tioniert und auch angenommen wird, wenn dafür eine entspre-chende Infrastruktur bereitsteht, die sehr zuverlässig funktio-niert. Andernfalls ist es schnell vorbei mit der Akzeptanz für die oben beschriebenen Modelle, und die Arbeit konzentriert sich wieder auf Präsenzmeetings im Office. Der regelmäßige Abbruch von Videokonferenzen, die zu geringe Bandbreite, der unperformante Laptop sind nur einige der Akzeptanzkiller.

Change Management oder … Überzeugungstäter gesucht!

Konfrontiert mit der Anforderung, die Dimensionen Mensch, Arbeitsort und Infrastruktur parallel zu berücksichtigen, sowie der enormen Komplexität dieses Arbeitsumfeldes, stellt sich allerdings für viele Unternehmen die Frage, wie man eine starre Organisation mit klassischem „Command & Control“-Füh-rungsstil, funktionalen Silos und „Präsenzkultur“ in ein flexibles und agiles Unternehmen umwandelt? Schnell erfolgt der Ruf nach „Change Management“, nach aufwendigen Change Tools und Formaten – nicht zuletzt deswegen, weil gegenläufige In-teressen von Sozialpartnern, Immobilienmanagement, HR- Bereich und Business Units unter einen Hut zu bringen sind. Doch damit diese Parteien an einem Strang ziehen und eine wirkliche Verhaltensänderung eintritt, sind zwei Grundvoraus-setzungen zu schaffen: die Unterstützung der Geschäftsführung und die konsequente Förderung von Multiplikatoren. Es gilt,

Überzeugungstäter zu finden, damit sich nicht hinter der schö-nen neuen Bürowelt und den theoretischen Arbeitsmodellen der Status quo festsetzt. Das Motto lautet: Nicht überheben, son-dern den Wandel hin zu einer neuen Arbeitswelt in kleinen und verdaubaren Schritten gestalten. Dem Verhalten von Führungs-kräften fällt enorme Bedeutung zu. Sie müssen die Prinzipien der neuen, flexiblen und oftmals virtuellen Arbeitskultur selbst leben und die Mitarbeiter ermutigen. Nur so können langsam lang etablierte Prozesse neueren, flexiblen Strukturen weichen.

Die positiven und finanziellen Effekte ergeben sich nach und nach. Im Rahmen einer ganzheitlichen Neugestaltung der Ar-beitswelt sollte deshalb nicht direkt nach dem Business Case gefragt werden. Die in zahlreichen Studien ausgewiesenen hohen Einsparungen und Produktivitätssteigerungen können nur nachhaltig erfolgen. Zunächst ist die Überzeugung der Ge-schäftsleitung gefragt, dass die beschriebene Arbeitsflexibilität zum nachhaltigen Erfolg des Unternehmens beiträgt – und man besser für disruptive Veränderungen gerüstet ist!

ALTE WELT NEUE WELT

Abteilung, Hierarchie Team, Netzwerk

Zeit, Kontrolle Ergebnis, Vertrauen

Vorgesetzter, One Way Coaching 360 Grad

Arbeit = Ort Activity Based Working

Linienarbeit, Abteilung Projekt, Team

SmartWorking

Mehr zum Thema „Neue Arbeitswelten und Smart-Working“ erfahren Sie unter:

www.detecon.com/de/Expertise/Beratungsfelder/Transformation

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Gestaltung des Arbeitsplatzes der Zukunft: Frische Luft für schwierige Aufgaben und Innovation

Interview mit Dr. Bernhard Zünkeler, Gründer des Forschungsinstituts artlab21

Die Gedanken sind frei, besagt ein Volkslied. Wen aber der Büroalltag verschluckt, der weiß, dass die Gedanken oft weit davon entfernt sind, zu fliegen. Future-Work-Konzepte greifen an dieser Stelle, um Freiheiten zu gewähren und ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das Impulse und Reize für ein „Ausbrechen aus dem täglichen Wahnsinn“ setzt.

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DMR: Future Work ist aktuell ein oft gehörtes Schlagwort, viele Unternehmen beschäftigen sich damit. Worauf führen Sie die hohe Nachfrage zu diesem Thema zurück?

Dr. Zünkeler: Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem die meisten Mitarbeiter kommunikationstechnisch kaum noch mehr Informationen verarbeiten können. Wir sind vernetzt wie nie, agieren in globalen Kontexten, alles in kürzester Zeit und immer in vielen unterschiedlichen Medien gleichzeitig. Man kommt an den Punkt, an dem man sich fragt, wie effizient und sinnvoll das alles wirklich ist. Es ist wunderschön, dass wir alle miteinander vernetzt sind, aber es gibt keine richtigen Regeln dafür. Wir erleben jetzt eher dieses Feeling von „Hamster im Laufrad“. Man kommt gar nicht mehr hinterher und merkt plötzlich, dass viele Dinge, die um einen herum bislang eine Ruhezone oder Schutzzone gewährt haben, nicht mehr existent sind. Ob es das eigene Büro ist oder der Italiener abends um die Ecke, man ist immer erreichbar und hat dadurch mittlerweile das Gefühl, auch immer leistungsfähig sein zu müssen. Damit einher gehen dann Phänomene, die neuzeitlich als Burn-out betrachtet werden. Aber eigentlich ist das eine ganz natürliche Abwehrreaktion im Sinne von „Pass mal auf, ich zieh jetzt den Stecker der Fremdbestimmung raus“. Das hat nichts Krankes an sich, sondern ist eine persönliche Antwort auf das Phäno-men „Eierlegende Wollmilchsau Mitarbeiter“. Und genau dafür kann Future Work eine Antwort beziehungsweise ein Konzept sein, damit es gar nicht erst dazu kommt.

DMR: … oder vielleicht auch ein Treiber und Verstärker für diesen Trend. Was muss man dabei beachten?

Dr. Zünkeler: Das ist ein guter Punkt. Je nachdem, wie man „Future Work“ auslegt, kann dies natürlich einen zusätzlichen Beschleunigungseffekt haben und die aufgeführten Folgen ver-stärken. Da Arbeit heute von überall aus erfolgen kann und man den Begriff „Work-Life-Balance“ fast aus dem Wörterbuch strei-chen kann, da es eine wirkliche Trennung ja nicht mehr gibt, muss ein Future-Work-Konzept genau hier gegenwirken, und zwar durch die Schaffung von Ruhezonen, Ruhepunkten und Ausbruchmöglichkeiten aus der totalen Fremdbestimmung. Dies bedeutet aus meiner Sicht insbesondere auch, Mitarbei-tern neue Freiheiten zu gewähren und bei der Schaffung des Arbeitsumfeldes für Impulse und Reize zu sorgen, die ein „Aus-brechen aus dem täglichen Wahnsinn“ ermöglichen. Dieses Thema berührt natürlich auch Generationsfragen. Eine jüngere Generation hat sicherlich ein anderes Empfinden. Auf der einen Seite gehen sie viel unbelasteter an das Thema der Fremdbestim-mung. Auf der anderen Seite entlasten sie sich dadurch, dass Absprachen einfach unverbindlicher werden. Ich bin ein Inter-net-Immigrant und kenne noch Zeiten, wo Terminabsprachen

nur in Ausnahmefällen zurückgenommen wurden. Heute nä-hert man sich bezüglich Terminabsprache und Gesprächs inhalt eher an, teilweise braucht man drei E-Mails und vier Textnach-richten, um eine verbindliche Absprache zu treffen. Alles ist im Fluss. Eine jüngere Generation ist eher daran gewöhnt und ent-wickelt intuitiv „Abwehrmechanismen“.

DMR: Was ist mit der Arbeitsqualität des Mitarbeiters – wie produktiv ist man denn in diesem komplexen, informationsüber­fluteten und hochvernetzten Arbeitsplatz?

Dr. Zünkeler: Die Arbeitsqualität ist für mich ein weiterer As-pekt, warum Future Work extrem nachgefragt ist. Man fragt sich doch irgendwann, wie effektiv und wie kreativ können Mitarbeiter eigentlich sein, die konstant getrieben sind? Wie ge-hen wir mit der permanenten Kommunikation um? Kreativität entsteht nicht unbedingt dann, wenn man gestresst versucht, an drei Medien gleichzeitig zu arbeiten, sondern an Orten, die anders sind. Ich sage nicht, dass durchstrukturierte und ge-plante Arbeitsstunden nicht sinnvoll sind – im Gegenteil, wir brauchen das. Aber zwischendrin sollte man sich immer mal wieder anderen Dingen, Inspirationen und Räumen aussetzen. Ich würde sagen, das Paretoprinzip greift auch hier: 80 Prozent Geplantes – 20 Prozent Ungeplantes. Des Weiteren müssen wir lernen, mit Medien effektiv umzugehen, und das bedeutet, auch mal gewisse Medien wegzulegen, außen vorzulassen oder zu-mindest über Prioritätscluster bei Medien nachzudenken. Man kommt vielleicht auf ganz andere Ergebnisse, wenn man sich einem Thema mal in einer anderen Form nähert oder in einer anderen räumlichen Umgebung, ohne die übliche Methodik. Technik ist ja ein bisschen wie ein Wunderwerkzeug, alles ist möglich – aber wir müssen lernen, damit umzugehen und die Dinge für uns wieder neu zu justieren. Man sollte immer darauf achten, in welcher Form bestimmte Medien, Arbeitsweisen und Umgebungen den Mitarbeiter beeinflussen und was für Aus-wirkungen das auf den virtuellen und physischen Raum hat. Meistens wird etwas nur an materiellen Dingen festgemacht, ohne dass gesehen wird, dass es in vielen Fällen eher um einen energetischen Bereich geht, den man um sich herum strickt. Future Work ist ein ganzheitlicher Ansatz.

DMR: Was meinen Sie mit energetischem Bereich an dieser Stelle?

Dr. Zünkeler: Auch, wenn sich das jetzt ein bisschen esoterisch anhört: Letztendlich sind wir immer noch Höhlenmenschen. Viele unserer Eigenschaften, die über drei Millionen Jahre ge-wachsen sind, können wir nicht einfach innerhalb von 30 Jah-ren ablegen, nur weil die letzten Entwicklungen unser Leben in vielen Aspekten radikal auf den Kopf gestellt haben. Was ich da-mit meine, ist, dass wir einen bestimmten Biorhythmus haben

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Dr. Bernhard Zünkeler studierte Rechts wissenschaft und Kunstgeschich-te, promovierte zum Dr. jur. und arbeitete mehr als zehn Jahre als Rechts-anwalt mit dem Schwerpunkt Arbeits- und Gesellschaftsrecht. Vor knapp sieben Jahren gründete er das Forschungs institut artlab21, welches sich dem Entwicklungs potenzial von Diversität widmet. Mit Detecon verbindet ihn die gemeinsame Durchführung des Projektes Art Works, das er zusammen mit zahlreichen internationalen Künstlern und Orange Council begleitet hat. Bernhard Zünkeler lebt und arbeitet in Berlin und Los Angeles.

Marc Wagner, Partner, Global Lead Transformation & Peoplemanagement, über ARTWORKS bei Detecon:

„Sicher kennen Sie folgende Situation: Seit Stunden brüten Sie über einer Pro-blemstellung und nichts passiert. Resigniert machen Sie sich auf zu einem Spaziergang durch den Wald – und plötzlich fällt Ihnen eine Lösung ein! Was ist passiert? Sie wurden aus dem Gewohnten herausgerissen. Diesen Effekt erzeugt auch Kunst. Durch künstlerische Gestaltung – zu sehen bei uns in der Detecon – können bewusst Irritationen erzeugt werden, die den Beobach-ter zum Nachdenken anregen und aus dem eingefahrenen Gedankengang reißen. Dabei sind der „Störeffekt“ und die bewusste Polarisierung erklärter Zweck. Man findet Kunst schön, inspirierend, bizarr, erhellend oder auch nur geschmacklos. Wichtig ist, dass Emotionen erzeugt werden und ein Kontrast zu den sonst sehr starren und auf Effizienz ausgerichteten Unternehmens­umgebungen geschaffen wird. Dabei spielt auch Humor eine wichtige Rolle. Ein weiterer wesentlicher Baustein des Konzeptes ist es, zufällige Kontakte und Interaktionspunkte zu fördern – eine wesentliche Voraussetzung für die Förderung von Kreativität und neuen Ideen.

Im Rahmen des mit dem German Design Award und Art Directors Club Award prämierten ARTWORKS Konzept sind wir bewusst diesen Weg gegangen und haben visuell Irritationen geschaffen, die genau diesem Zweck folgen: neue Gedankengänge anstoßen, kreativ sein wollen und nach Erklärungen suchen, sei es das „grüne Zimmer“, „die bayerische Stube“ oder die Bilder-Wortspiele. Die Umsetzung ist nicht schick, stylisch und uniform, sondern individuell, bequem, praktisch, pragmatisch und mit einer eigenen Seele – ein Ausdruck unserer Unternehmenskultur und DNA.“

www.detecon.com

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und benötigen und dass wir deswegen bestimmte Dinge um uns herum als intuitiv richtig oder als intuitiv falsch wahrnehmen. Das bezieht viele Dinge ein, beispielsweise Ruhepausen, Schlaf sowie Umstände, die unsere individuelle Leistungsfähigkeit för-dern. Dies gilt umso mehr in einer Business-Welt, die immer fragmentierter wird und in der man diese Kraftzentren, die jeder von uns braucht, dann oftmals negiert. Am Ende wird die Per-formance, die man eigentlich steigern will, letztendlich negativ beeinflusst.

DMR: Das hört sich an, als wäre Future Work auch ein Mittel zur Entschleunigung?

Dr. Zünkeler: Ja, so könnte man das ausdrücken. Ich möchte aber an dieser Stelle klar betonen, dass es am Ende um Effek-tivierung geht. Was wir derzeit oft erleben, ist das genaue Ge-genteil: Vollgas im Leerlauf. Oft werden die gleichen Ideen mit neuen Medien nur schneller gedreht, statt Luft zu holen und in Ruhe über einen neuen Lösungsansatz nachzudenken. Das erinnert mich an jemanden, der die Klinke einer verschlossenen Tür bedient und, weil sich die Tür nicht öffnet, wie wild weiter an der Klinke rappelt. Future Work sollte in der Lage sein, für so jemanden den Schlüssel zu finden statt ihn noch nervöser zu machen. Dies passiert für mich in zwei Kontexten: Future Workplace ist einmal das unmittelbare räumliche Umfeld, in dem ich bin, produziere und lebe. Das heißt immer auch, dass das persönliche Umfeld bei Future Work neu betrachtet werden muss. Um räumlich entschleunigen zu können, muss man aber auch Inseln der Nicht-Steuerung entstehen lassen. Wenn man so will: Orte der Planlosigkeit. Das ist meine ganz persönliche Meinung, aber ich glaube, in vielen Fällen erliegt man oft der Il-lusion, dass alles zu planen und zu steuern ist. Die Realität zeigt, dass der Zufall eine viel größere Rolle spielt, auch für einen persönlich. Und wenn man da nicht mit genug „Planabwei-chungsvollmacht“ ausgestattet ist, verursacht das Kopfschmer-zen. Neue Medien bieten da große Flexibilisierungschancen. Wer sie aber einseitig top-down benutzt, wird langfristig auf Granit beißen. Entscheidungsfreiheit ist daher ein ganz elemen-tarer und evidenter Anteil des persönlichen Wohlbefindens und oftmals Quelle von Kreativität und Innovation. Letztlich ist heutzutage nahezu Nichts mehr wirklich planbar – unser Um-feld, das Umfeld von Unternehmen, alles ändert sich laufend und trotzdem versuchen wir, immer genauer zu planen und zu kontrollieren. Aus meiner Sicht absolut kontraproduktiv, wenn es um das „Wecken von kreativen Geistern“ geht! Und in vie-len Fällen auch eine totale Zeitverschwendung, da man laufend einem nicht eintretenden Plan hinterherhinkt. Von daher muss ein Umfeld dieses „ungeplante“ und „zufällige“ unterstützen, sei es durch „Planflexibilisierung“, die Möglichkeit zufälliger Be-gegnungen oder durch optische Störungen und Reize, die zum

Nachdenken und „Andersdenken“ anregen. Vieles davon haben wir bei Detecon in der Umsetzung von Smart Working berück-sichtigt. Wichtig ist dabei allerdings, dass das Ganze lebt und sich laufend weiterentwickelt, andernfalls fällt man in bewährte Muster und Routinen zurück. Dies kann durch eine kontinu-ierliche Umgestaltung oder den bewussten Tausch von Umfeld-objekten geschehen. Geht es um das bewusste Entschleunigen, so reichen mit Sicherheit „Relax und Ruhebereiche“ im Un-ternehmen nicht aus. Vielmehr muss die Unternehmenskultur und Arbeitsgestaltung der Mitarbeiter dies unterstützen, sei es durch die Schaffung von bewussten Eigenzeiten, bei denen sich Mitarbeiter mit ihren Lieblingsprojekten beschäftigen können, oder durch die Möglichkeit, Arbeitszeit und Arbeit wirklich fle-xibel zu wählen – und dies vorgelebt „von oben“. Denn häufig machen wir die Erfahrungen, dass die Mitarbeiter einer Future-Work-Initiative sehr positiv gegenüber stehen, die Führungs-kräfte hingegen ungern auf ihre Kontrollmöglichkeiten verzich-ten wollen oder Leistungskultur mit dem vorhin beschriebenen Hamsterrad gleichsetzen. Dies ist ein Thema, das ganz oben anfangen muss.

DMR: … und welche Rolle spielen in diesem Kontext moderne Medien und ICT?

Dr. Zünkeler: Über die aktuellen und zukünftigen modernen Medien haben wir bahnbrechende neue Möglichkeiten. Aber irgendwie hat man sich darüber noch nicht wirklich genug Ge-danken gemacht. Ich vergleiche das mit dem Beispiel von dem Indianerstamm, der nach Washington eingeladen war, um Ver-träge für Reservationen abzuschließen. Die Jungs verkündeten dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, dass ihr Körper jetzt angekommen sei, sie aber noch drei Tage warten müssten, denn ihr Geist sei noch nicht da. Das klingt nach einer total merkwürdigen Geschichte, aber es wird deutlich, dass man auch gedanklich mal abschalten muss, um zu begreifen, was al-les in einem und um einen herum passiert. Letztlich sind The-men wie Jet-Lag und Burn-Out Ausprägungen dieses Phäno-mens. Diese beiden Dinge muss man zusammenbringen, wenn man über Future Work redet, für mich ist das nicht zu trennen. „Moores Law“ und der damit einhergehende technologische Fortschritt kann nicht unsere Herkunft und den gesamten Evo-lutionsprozess negieren… Und während wir für den Kommu-nikationssprung vom Brief zum allgemeinen Telefonanschluss fast hundert Jahre Zeit hatten, um praktikable und anerkannte Regeln herauszubilden, ist für E-Mail und Mobiltelefon gerade-mal etwas mehr als eine Dekade vergangen. Wir stehen also erst am Anfang, die unglaublichen Vorzüge, aber auch die Risiken zu entdecken. Es ist der Beginn einer unglaublich spannenden Zeit – und Future Work steht da mitten drin.

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DMR: Die räumliche Gestaltung spielt für Sie ja auch eine we­sentliche Rolle für das ganzheitliche Future­Work­Konzept. Wie können Räume helfen abzuschalten und kreativ zu sein?

Dr. Zünkeler: Unternehmen können und sollen durch Räume und räumliche Gestaltung das bewusste Ausbrechen fördern. Ein Beispiel aus der Agrarwissenschaft: In den 60er Jahren wurde in Amerika und Russland ein Wettstreit durchgeführt, wer mehr Mais oder Weizen produzieren kann. Damit hat man ganze Landstriche praktisch verkarstet. Das Thema Monokultur wurde damals überhaupt nicht sensibel gesehen, es ging um Ef-fektivierung um jeden Preis. Viel zu spät erst hat man erkannt, dass man Landstriche dadurch verbrennt, kaputt macht und nach einigen Ernten gar nicht mehr nutzen kann. Diese Gefahr sehe ich auch bei Mitarbeitern. Sprich: Etwas, das ganz stringent durchgeplant ist, eine totale Monokultur, wird jeder Mitarbeiter als langweilig, eintönig und schwierig empfinden. Ein anderer kritischer Punkt liegt darin begründet, dass man mit enger Pla-nungsdichte die innerbetriebliche Gefahr der „Plangläubigkeit“ oder des „Dienstes nach Vorschrift“ erhöht. Das Heranwachsen von Leadership, Empowerment und Kreativität tut sich in einer solchen Monokultur nicht besonders leicht. Da werden Zeiten und ein Raum des Ungeplanten und des Hier und Jetzt wichtig.

Dieser Raum muss auch offensiv integriert sein in das Gefü-ge des Unternehmens. In Hinblick auf den Future Workplace bedeutet dies, dass es Räume geben sollte, die bewusst mal in eine andere Richtung aufdrehen und ein Umfeld schaffen, dass völlig neue und andere Impulse liefert. Das ist wie ein Post-it-Aufkleber auf dem Kühlschrank, auf den man sich bestimmte Dinge schreibt, um immer wieder daran erinnert zu werden.

DMR: Im Hinblick auf eine mögliche Implementierung geht nichts ohne die Unterstützung des Management. Allerdings funktioniert auch kein Konzept, wenn es nicht von Mitarbeitern getragen wird. Wie geht man mit diesem Paradox um?

Dr. Zünkeler. Vielleicht kann man es „gewollte Guerilla-Taktik“ nennen? Es geht in jedem Fall darum, Bereiche im Unterneh-men zu schaffen, in denen eine neue Denke entstehen kann und darf. Unter den Mitarbeitern müssen Multiplikatoren gefunden werden, die man vernetzen kann, damit sie zusammen etwas be-wirken können. Das muss außerhalb der Tretmühle des Unter-nehmens passieren, damit sie einfach schneller agieren können. Ansonsten laufen sich diese Multiplikatoren relativ schnell tot, wenn sie mit der Riesenmaschinerie des Unternehmens unter-wegs sind oder sich innerhalb dieser Prozesse bewegen müssen,

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um etwas in Bewegung zu setzen. Das muss aber natürlich al-les von oben flankiert und vom Management getragen werden, sonst funk tioniert es nicht. Und da sind wir wieder bei den Freiräumen, die man schaffen muss. Das zieht sich durch alles durch: Ob es die persönliche Arbeitszeit ist, ob das die indivi-duelle Verfügbarkeit ist, ob das die Art und Weise ist, wie ich Leute auslaste oder physisch umgebe – es muss immer Bereiche geben, wo ich dem Mitarbeiter zugestehe, die ganze Sache mal anders auszuprobieren oder sich persönlich zurückzuziehen und den Freiraum selbst zu gestalten. Ein Unternehmen muss in der Lage sein, Ideen mal unkonventionell aufzusetzen, immer wieder beim Mitarbeiter zu sein und diesem gewisse Freiheiten zuzugestehen. Da kommt für mich dann unbedingt der Perso-nalbereich eines Unternehmens ins Spiel. Wenn der Personal-bereich an dieser Stelle nicht ganz massiv Advokat der eigenen Mitarbeiter ist, dann wird die Sache relativ schwierig. Meiner Meinung nach ist die Generierung von Freiräumen und Räu-men des freien Denkens elementar. Und dabei geht es nicht nur um physische Räume. Der räumliche Aspekt und dessen Ge-staltung erleichtert es einem vielmehr, zu erkennen, dass man hier auch anders denken kann und darf. Er kann ein erstes und starkes Anzeichen von Veränderung sein und ist zumeist auch nachhaltiger als ein E-Mail-Memo. Ein sehr sichtbares Zeichen

von Unternehmenskultur, das letztlich dafür sorgen kann, dass ergebnisorientierte Führung und Flexibilität keine leeren Be-kundungen sind. Ein erfahrbarer und anfassbarer Beweis für das gelungene Zusammenspiel vom Management hin zu den Mitarbeitern. DMR: Denn schließlich soll es ja ein Konzept für die Mitarbeiter des jeweiligen Unternehmens sein…

Dr. Zünkeler: Genau. In einer Zeit, in der lineare Prozesse im-mer mehr auf computergesteuerte Systeme verlagert werden, geht es für Unternehmen um die Frage: Wie kommen wir auf neue Gedanken? Und da kommen wir schnell zur Kunst. Für Künstler ist die Frage nach neuen Gedanken elementar: Wie werde ich inspiriert? Wie werde ich innovativ? Wie rege ich meine Phantasie an? Wie schaffe ich Dinge, die begeistern? Das sind auch Fragen, die sich die Mitarbeiter eines Unternehmens stellen sollten, um dann herauszufinden, welche Elemente für sie wichtig sind und nach was sie in einem räumlichen wie auch kulturellen Umfeld suchen. Erst dann kann etwas entstehen, das zu einer positiven Atmosphäre und einem guten Umfeld im Un-ternehmen beiträgt.

DMR: Vielen Dank für die spannenden Einblicke. Foto

s: Be

rnd

Zölln

er

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SAP holt Kunden zu kreativen Workshops in das AppHaus. Eine Erfolgsgeschichte, wie Daniel Markwig resümiert. Der Designer, auch liebevoll „AppHausmeister“ genannt,

hat das Haus zusammen mit seinem Team konzipiert. Er gewährt Einblicke in die Entstehung und Wirkungsweise des Hauses – und weiß um das Glück,

zur rechten Zeit mal nicht im Fokus zu stehen…

Das AppHaus

Interview mit Daniel Markwig, Chief Instigator und AppHausmeister des SAP AppHaus in Heidelberg

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DMR: Innovation und Förderung von Kreativität sind in vielen Unternehmen Top­Themen. Wie sieht das bei SAP aus und welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang das AppHaus?

D. Markwig: Wir sind ein Technologieunternehmen. Innovation wird bei uns deshalb immer in Verbindung mit technischen Entwicklungen gesehen. Mitunter ist es schwierig, zu übermit-teln, dass die tollste Neuentwicklung immer nur so gut ist wie die Anwendungsfälle, die man dafür findet. Das Team, das das AppHaus betreibt, ist das Design- und Co-Innovation-Center, wir machen hier vor allem Co-Innovationsprojekte mit Kunden. Das Hauptziel liegt deshalb darin, aus einer benutzerzentrierten Betrachtungsweise angemessene Lösungen für den Kunden zu finden. Wir betrachten sehr stark den Endnutzer, die Kunden von Kunden, und versuchen, Anwendungsfälle zu lösen. Dabei hoffen wir, dass die Lösung möglichst innovativ ausfällt. Hier-für eignet sich sehr gut ein Design-Thinking-Ansatz. Man muss zunächst den Problemraum erkunden, um herauszufinden, was für Probleme wir damit lösen könnten. Dann erst denkt man, was die konkrete Lösung dafür sein könnte. Könnte es die neue SAP HANA Datenbank sein oder ein Produkt, das wir seit 20 Jahren haben, oder etwas, was wir ganz neu bauen müssen? Beim Finden des richtigen Problems hilft uns das AppHaus. Hier können wir dem Kunden einen Raum bieten, wo er sehr offen und ungestört darüber reden kann, was er erreichen will. Der Kunde kann sich sehr stark auf sich selbst fokussieren. Das ist ein anderer Blickwinkel als ihn viele klassische Verkaufs- oder Beratungssituationen bieten. Wir sagen nicht, dass wir eine tolle Lösung haben, die für den Kunden passt, sondern gehen mit dem Kunden in den Dialog. Das wird durch den Space [Raum im AppHaus] unterstützt.

DMR: Wird der Kundenkontakt über andere Einheiten von SAP hergestellt oder akquirieren Sie Ihre Kunden selbst?

D. Markwig: Sowohl als auch. Zirka 60 Prozent unserer Auf-träge kommen über unsere existierenden Accounts oder über Board-Anfragen. Für die anderen 30-50 Prozent machen wir eigenes Business Development und bieten bestimmte Design Services an. Immer mehr Kunden, mit denen wir vorher keinen Kontakt hatten, kommen explizit auf ihre Accounts zu und sagen, dass sie von dem AppHaus gehört haben und mit uns zusammenarbeiten möchten. Wir werden also immer mehr angefragt, ohne uns explizit aufdrängen zu müssen. Somit ist das AppHaus für mich definitiv eine Erfolgsgeschichte.

DMR: Sie hatten gerade Design Thinking als Methodik ange­sprochen. Es gibt klassische Zentren wie das Customer Experience Design bei Swisscom, die ganz bestimmte Methodiken anbieten. Wie muss man sich das bei Ihnen vorstellen?

D. Markwig: Definitiv gehen wir methodisch im Sinne von Design Thinking, User Centered Design und Customer Co-Innovation vor. Allerdings passen wir unsere Toolbox für jedes Projekt an – ein Luxus, den wir uns durch ein sehr breites Skillset im Team leisten können. Positiv ist dabei für uns, dass wir ein Teil der Produktentwicklungsorganisation, nicht der Vertriebs- oder Consulting-Organisation sind, und damit kein Profit Center. Wir können fordern, dass wir zum Beispiel statt 20 Mann-Tage 50 für ein Projekt brauchen. In so einem Fall haben wir die Möglichkeit, die Differenz zu sponsern. Bei einem ersten Projekt mit Kunden machen wir das sogar gerne, um zu beweisen, dass mit einem größeren Investment in Rich-tung Design und Kunden- oder End-User-Bezug ein besseres Ergebnis erzielt wird. Hier setzen wir auf den Lerneffekt aus un-seren vorherigen Projekten. Langfristig muss natürlich das Ziel sein, eine Awareness zu schaffen. Kunden müssen bereit sein, mehr in Design und User Experience zu investieren.

DMR: Wie verrechnen Sie das genau?

D. Markwig: Wenn bereits Designer-Tage verkauft wurden, können wir aus unserem eigenen Topf ein paar zusätzliche Consulting-Tage des Designers sponsern. Völlig umsonst arbeiten wir natürlich nicht. Dem Kunden muss klar sein, dass er Design kauft. Das Design- und Co-Innovation Center, welches das AppHaus betreibt, ist ein Design-Team innerhalb der Produktorganisation von SAP. Das heißt, dass wir im Team Projektmanager und Designer haben, keine eigenen Entwickler. Natürlich muss unser Vorgehen kostenneutral sein oder, besser noch, gewinnbringend. Unsere Kernaufgabe ist aber zunächst, Top Design zu liefern. Im Notfall sponsern wir ein bisschen et-was dazu, immer langfristig mit dem Ziel im Blick, dass der Kunde den Mehrwert erkennt und irgendwann bereit ist, dafür zu bezahlen.

DMR: Sind Sie dabei noch in der Startphase?

D. Markwig: Ja. Das hängt allerdings auch sehr stark vom je-weiligen Kunden ab. Kunden, mit denen wir schon sehr lange zusammenarbeiten, sehen durchaus, dass die Qualität der Pro-dukte besser geworden ist und die Folgekosten der Produkte geringer werden, seitdem wir diesen neuen Fokus haben. Es ist ja tatsächlich so, dass man mit einer besseren User Experience weniger Trainings- und Wartungskosten hat, da insgesamt die Fehlerrate beim Benutzer sinkt. Es gibt also eine messbare Ver-besserungen bei einer guten User Experience. Die Kunden mer-ken natürlich auch, dass dies ein relevanter Punkt ist.

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DMR: Uns interessieren die Themen Raum, Gestaltung, Arbeits­fläche und wie man es schafft, Mitarbeiter darin „mitzunehmen“. Wie ist Ihre Erfahrung hinsichtlich dieser Themen bei der Kon­zeption des AppHauses gewesen, vom damaligen Auftrag bis heute?

D. Markwig: Das AppHaus hat eine längere Geschichte, die 2011 in den USA beginnt. Ursprünglich war tatsächlich die Idee, ein agiles Entwicklungsteam mit allen relevanten Rollen wie Entwicklern, Designern und Produktmanagern in einem Start-up-mäßigen Gebäude zusammenzubringen und sie dort Apps, also kleine Consumer-Produkte, entwickeln zu lassen. Inzwischen gibt es 13 AppHäuser SAP-weit, die aber alle in-tern fokussiert sind. Wir hier in Heidelberg sind jetzt das erste Haus, welches nach außen geht, Kunden einlädt und mit ihnen hier arbeitet. Wir haben kein Entwicklungsteam, sondern ein Design-Team. Wenn ich überlege, wie wir hierhin gekommen sind, war das ein erstaunlich agiler Prozess für SAP. Im Februar 2013 hatten wir fünf oder sechs Leute im Team. Aufgrund des Board-Auftrags sollten wir wachsen und brauchten mehr Platz, um mit Kunden zu arbeiten. So entschieden wir uns, ein Pro-jekt-Space anzugehen. Alles sollte bis zum Einzug im Oktober 2013 stehen – das ist eine sehr kurze Zeit für ein Großunterneh-men. Wenn es die folgenden drei Bedingungen nicht gegeben hätte, wären wir gescheitert: Wir hatten erstens eine sehr gute Unterstützung von unserem COO, der für unseren Teilbereich zuständig ist. Es ging weniger um Geld, das er uns zur Verfü-gung gestellt hat, als um das Ausräumen vieler bürokratischer Hürden. Auch die Vermieter unterstützten uns großartig, in-dem sie viel von den Bauarbeiten für uns übernommen haben, vor allem sehr schnell und kurzfristig. Zum Beispiel waren die Türen weiß lackiert und schon auf den LKW geladen, als wir gesagt haben, dass wir rote Türen wollen... also lackierten sie sie noch einmal um. Zweitens hat das Facility Management von SAP sehr wenig Kontrolle ausgeübt, da sie parallel ein sehr großes Facility-Management-Projekt in Potsdam laufen hatten, das Innovation Center von SAP in der Nähe des Hasso-Platt-ner-Institut. Die kreative Auslegung von Regularien wurde im Nachhinein schnell durch die Begeisterung von Kunden und Kollegen relativiert – auch von Facility-Management-Seite selbst. Die dritte Bedingung, die zum Erfolg beigetragen hat, war das Engagement und die Eigenleistung, die das Team in das Projekt eingebracht hat. Wir haben nicht nur alle Entschei-dungen selbst getroffen, vom Bodenbelag bis zum Verlauf der Stromleitungen, sondern auch viele Möbel selbst gebaut. Das war letztlich der ausschlaggebende Faktor für die große Begeis-terung im Team und bei den Stakeholdern. Es war sehr unge-wöhnlich für das, was man von SAP erwartet hätte.

DMR: Wie sahen die Absprachen mit Ihnen als Projektleiter aus?

D. Markwig: Wir haben drei zentrale Personen im Team, die immer die Fäden beisammen gehalten haben, nämlich unseren People Manager, mich als Projektleiter und eine Mitarbeite-rin, die sich sehr stark für den Raum engagiert hat. Es ist aber tatsächlich so, dass wir in einer agilen Art und Weise immer wieder Retrospektiven gemacht haben. Dann haben wir das Team gefragt, wie sie sich fühlen, was gut funktioniert hat und was man verbessern könnte. Im Team hat dann beispielswei-se irgendjemand gesagt, dass wir ein Bücherregal haben sollten oder Sitzbänke für den Workshop-Raum. Dann hat die Per-son, die diese Idee hatte, ein Miniprojekt daraus gemacht, um dies umzusetzen. So ist auch der Sheherazade-Raum mit seiner 1001Nacht-Atmosphäre entstanden. Das Team sollte sich selbst verwirklichen und ein eigenes Zuhause schaffen. Wir nennen das „Sense of Ownership“: Menschen das Gefühl zu geben, dass sie in ihrer eigenen Welt arbeiten. Fast jeder Mitarbeiter ver-bringt mehr Zeit in seinem Büro oder bei der Arbeit als in sei-nem eigenen Wohnzimmer. Warum also sollten die Mitarbeiter nicht auch Einfluss auf die Arbeitsumgebung haben? Natürlich können wir nicht total wild werden, aber bislang haben wir von unseren Gästen und Mitarbeitern das Feedback bekommen, dass sie sich wohlfühlen – und das ist ja letztlich das, was wir vermitteln wollen.

DMR: Wie haben Sie es geschafft, den Sozialpartner mit ins Boot zu holen?

D. Markwig: In der zweiten Woche bekamen wir Besuch von einer Abordnung des Betriebsrates. Sie war explizit mit dem An-liegen hergekommen, uns vor dieser Location zu retten, da es ein Großraumbüro ohne eigene Kantine ist, weit weg vom Campus, damals noch nicht mal mit eigenen Parkplätzen... Diese Erwar-tungen entsprechen vielleicht dem klassischen SAP-Mitarbeiter. Unser Team ist hier jedoch glücklich und muss nicht gerettet werden. Im Laufe der Diskussion haben wir die Betriebsratsver-treter gebeten, in den Arbeitsbereich der Teams zu gehen und die Kollegen direkt zu fragen, ob sie sich wohlfühlen. Das hat in der Diskussion sehr stark die Perspektive geändert. Wir haben angefangen darüber zu reden, wie man das, was wir hier gelernt haben, vielleicht auch mit nach Walldorf [Hauptsitz von SAP] bringen kann.

DMR: Das ist eine wichtige Frage: Wie schafft man es, ein Kon­zept auf den Konzern zu übertragen? Was sind aus Ihrer Sicht die Erfolgsfaktoren?

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D. Markwig: Aus meiner Sicht sind mehrere Faktoren wich-tig. Das Team in solch eine Umgestaltung einzubeziehen, ist für mich auf jeden Fall einer davon. Ich verstehe, dass man nicht jedem Team beliebige Freiheit geben kann, dass es gewisse Re-gularien geben muss und dass sich auch nicht jeder in dem Maße involvieren möchte, in dem wir das gemacht haben. Die Mitarbeiter in unserem Team sind es einfach gewohnt, physisch mit ihrer Umwelt zu interagieren, nicht nur am Bildschirm. Für sie war es völlig normal, sich zum Beispiel ein Regal zu bauen. Wir haben bei SAP in verschiedenen Projekten gelernt, dass ein iteratives Vorgehen sehr viel hilft. In Walldorf haben wir vor einigen Jahren Räume in Zusammenarbeit mit einem sehr re-nommierten Möbelhersteller gestaltet. Es sind sehr schöne Räu-me geworden, aber leider haben sie am Anfang nicht so genau den Teams entsprochen, die die Räume nutzen wollten. Dem-entsprechend war der Aufwand groß, die Räume wieder anzu-passen. Ich kann mir vorstellen, dass man nicht so viel nachbes-sern hätte müssen, wenn man am Anfang stärker mit dem Team gearbeitet hätte. Eine anderer Faktor ist, dass interne Funkti-onen von Firmen, sei es IT oder Facility Management, nicht als Service Organisation gesehen werden, sondern als Governance Organisation. Eigentlich erwarten wir aber in einem Team wie unserem, dass Facility Management eine Service Organisation ist. Sicherlich muss man in Zukunft darüber nachdenken, ob sich solche Organisationen nicht auch stärker einen kundenori-entieren Ansatz zu eignen machen müssen.

DMR: Wir sehen hier eine gute Möglichkeit für das Facility Management, sich zu emanzipieren und weg von der reinen Effizienzoptimierung einer Immobilie hin zu dem Angebot einer eigenen Beratung zu kommen, die optimal bei der Gestaltung einer Umgebung begleitet. Das ist jedoch noch eine schwierige Diskussion im Moment.

D. Markwig: Meiner Meinung nach ist das auch eine Genera-tionenfrage. Wir sehen, dass viele Mitarbeiter des Facility Ma-nagements, gerade der höheren Ebenen, verstehen, dass sie sich ändern müssten. Aber wie in jeder Firma gibt es dann natürlich auch Personen in den mittleren Schichten, die ihre Fürstentü-mer schützen. Sie haben häufig eine sehr klare Vorstellung da-von, wie die Sachen laufen müssen. Ich kann mir vorstellen, dass man zumindest langfristig durchaus eine sehr gute Bezie-hung zwischen den Services herstellen kann, die wir in einer Consulting-Funktion durch unser Facility Management anbie-ten können. Wir sehen, dass unser Space, gerade weil er anders ist, eine besondere Wirkung auf Kunden hat. Diesen Zusam-menhang müsste man sich auch ein wenig zu eigen machen und ausnutzen, um innerhalb einer Firma etwas zu bewegen.

DMR: Die Gestaltung von Räumlichkeiten ist vermutlich ein stetig andauernder Prozess?

D. Markwig: Ja, natürlich. Es ist außerdem sehr wichtig, dass man immer darüber diskutiert, was man damit erreichen will. Das ist eine Frage, die das Facility Management sehr häufig mit „Geld sparen!“ beantwortet. Aber manchmal möchte ich doch vor allem den Kunden überraschen oder ein besonders gutes Arbeitsumfeld bieten oder Kreativität und Kommunikation fördern oder die Produktivität von Software Entwicklern ver-bessern. Das Nachdenken über diese spezifischen Ziele des kon-kreten Raumes findet im Moment noch nicht statt. Wenn man aber dahin käme, entfiele auch das Problem, dass man möglichst etwas Neues haben will. Denn dann habe ich die Möglichkeit, mich in diesem Rahmen weiter zu etablieren und meine Anfor-derungen zu erfüllen, indem ich ab und zu etwas ändere.

DMR: Wie kann das Umfeld, gerade in Hinblick darauf, was Sie hier geschaffen haben, kreative Prozesse unterstützen?

D. Markwig: Wir haben drei Schlagwörter, die wir positio-nieren. Erstens das Enablement: Wir ermöglichen es den Leu-ten, handwerklich kreativ zu werden, indem wir im Sinne von Design-Thinking konzipierte Arbeitsplätze bieten, mit viel Whiteboard-Flächen, mit Stehtischen und mit einer gewissen Flexibilität. Zweitens bieten wir Inspiration, indem wir einen Workshop-artigen Space haben, der zeigt, dass hier wirklich Hands-on gearbeitet wird. Es ist kein Konferenztisch, an dem einer präsentiert und die anderen einfach konsumieren, sondern hier wird tatsächlich eine Atmosphäre der Zusammenarbeit er-zeugt. Das dritte Stichwort ist die Permission, also die Erlaub-nis, etwas zu tun. Die Leute trauen sich häufig nicht, etwas zu verändern. Da hier alles beweglich ist und unfertig aussieht, erzeugt es eine Atmosphäre von „Lass uns doch einfach mal et-was ausprobieren!“. Das bezieht sich nicht nur auf den Raum, sondern auch auf den Inhalt der Arbeit. Die Kunden, die wir hierher einladen, sind eher bereit, einfach mal etwas Wildes oder Verrücktes ausprobieren. Sie kommen mit der Erwartung, dass eine Präsentation gezeigt wird – sehr schnell werden dann aber die Ärmel hochgekrempelt, die Krawatten fliegen in die Ecke [lacht]. Wir zwingen die Leute, sich den Raum zu eigen zu machen, und stecken sie in Gruppen, die sie nicht erwarten würden. Dadurch sehen die Leute die Hierarchien nicht mehr. Wir hatten kürzlich einen Workshop mit einem großen Unter-nehmen, an dem vom End User bis zum Vorstand Leute aus unterschiedlichsten Hierarchieebenen teilnahmen. Das Span-nende war, dass sie zum Teil nicht wussten, mit wem sie zu-sammenarbeiten, also erst am Ende des Tages erfuhren, dass sie

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Daniel Markwig ist Projektleiter für

das AppHaus in Heidelberg im Design &

Co-Innovation Center der SAP SE. Er hat

Maschinenbau an der TU Kaiserslautern

und Integral Design an der Staatlichen

Akademie der Bildenden Künste in Stutt-

gart studiert und arbeitet seit 2005

bei SAP als Designer. Dort gestaltete

er Benutzerober flächen für Business

Software, war einer der ersten Design

Thinking Coaches, begleitete die Einfüh-

rung von agilen Software Entwicklungs-

methoden und arbeitete mit SAP-Kunden,

um Produktideen zu entwickeln und zu

implementieren. Derzeit ist er für die stra-

tegische Weiterentwicklung des AppHaus-

Konzepts innerhalb der SAP zuständig.

http://experience.sap.com/designservices/apphaus

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mit einem Board Member zusammengearbeitet haben – und sie diese Person ganz normal geduzt haben. Dadurch erreicht man eine andere Art von Kommunikation und einen anderen Fluss von Information im Rahmen eines Projekts. Beim Aufbrechen von Strukturen ist mir wichtig, dass wir Leute überraschen. Dies muss nicht unangenehm sein, im Gegenteil, es ist meiner Er-fahrung nach für die Leute eine sehr angenehme Situation, in die sie gebracht werden: Sie können Verantwortung abgeben, einfach mit dem Flow gehen, sind nicht in der Position, unbe-dingt liefern zu müssen, sondern können die Situation einfach auf sich wirken lassen. Wir helfen ihnen damit, eine andere Per-spektive einzunehmen. Wichtig ist, dass sie sich dabei wohlfüh-len, sonst funktioniert es nicht.

DMR: Wie schaffen Sie es, jemanden so aus der Komfortzone zu ziehen, dass es für ihn nicht unangenehm ist?

D. Markwig: Häufig passiert das automatisch. Die Leute sind so überrascht von dem, was man hier mit ihnen macht, dass sie einfach alles auf sich zukommen lassen, da sie zu diesem Zeit-punkt auch noch nicht verstehen, was man von ihnen will. Sie schlüpfen für den Moment in eine andere Rolle, sollen alles ver-gessen, was sie heute Morgen noch wussten, und anfangen, an-ders darüber nachzudenken. Wir wissen natürlich, die Personen später wieder in ihre alten Rollen zurückgehen. Für diesen einen Tag ist es aber wichtig, einmal anders zu denken.

DMR: Wie bleibt so etwas nachhaltig bestehen? Kann man mit Blick auf das gesamte Unternehmen einen Spirit erzeugen und etwas an der Kultur ändern?

D. Markwig: Für uns steht das Thema Space nicht alleine. Für uns sind People, Process und Space genau die Themen, die zusammen passen müssen. Wir brauchen ein Team sowie ein People und Change Management, das uns befähigt, diesen Space optimal zu nutzen. Wir wollen einen bestimmten Prozess, der auf Design Thinking und Endnutzer fokussiert ist, den wir durch das Team durchführen lassen und durch den Space unter-stützen können. Wir wollen dem Team mit dem Space ein zu Hause geben. Das ganze Denken des Facility Managements, wie ich es vorhin beschrieben habe, muss sich ändern. Es ist wich-tig, eine Zielorientierung zu haben. Dann kann ich mit meinen Leuten daran arbeiten, diese auch umzusetzen. Das ist exakt das Neue, das vorher nicht da war: Die Teams können mit daran

arbeiten, was wir eigentlich haben wollen. Dabei ist es natürlich wichtig, die Grundidee beim Design Thinking zu sehen: Du darfst die Leute nicht fragen, was sie wollen, sondern Du musst herausfinden, was sie brauchen.

DMR: Das Thema Innovationskultur ist im Moment sehr stark gefragt, auch die Frage nach Intrapreneurship. Viele Formate versanden jedoch schnell, weil eine große Organisation nie den Atem hat, einen krassen kulturellen Wandel durchzustehen. Wie sehen Sie das?

D. Markwig: Ich denke, dass große Organisationen in einer be-stimmten Art und Weise aufgesetzt sind und auch immer genau so funktionieren werden. Selbst Unternehmen wie Apple sind in den Bereichen, in denen sie produzieren, auf Optimierung von dem ausgelegt, was sie bereits machen. Die Innovationskraft ist sehr punktuell. Trotzdem glaube ich, dass man Sachen, die man hier ausprobieren kann und lernt, in den Konzern tragen kann. Wir sehen im Moment, dass auch kleine Veränderungen in der breiten Organisation ausgerollt werden, dass die Leute mehr Einfluss auf ihre eigenen Räumlichkeiten ausüben kön-nen, dass sie versuchen, Transparenz zu erzeugen. Zumindest sind Kleinigkeiten machbar. Organisationen müssen verstehen, dass ihre Mitarbeiter ihr Kapital sind und man ab und zu etwas tun muss, um den Mitarbeitern das Leben leichter zu machen. Das vermisse ich häufig. Bei uns habe ich nicht das Gefühl, dass die Leute völlig außen vor gelassen werden, aber von Kunden höre ich häufig, dass Mitarbeiter nur als Kostenfaktor gesehen werden. Das ist eine falsche Herangehensweise.

DMR: Ein „Big Bang“ funktioniert also nicht, sondern eher kleine, aber durchaus sichtbare Veränderungen, die man kontinuierlich einbringt und die eher gespeist sind durch grassroots­Initiativen als durch ein großes Vorstandsprogramm?

D. Markwig: Es ist natürlich immer gut, weit oben Verbün-dete zu haben. Aber um langfristig Erfolg zu haben, ist etwas, das langsam, vielleicht sogar unbemerkt, in die Organisation sickert, nachhaltiger und damit von Vorteil. Wir reden ja von einem kulturellen Wandel, diesen gibt es nie als „Big Bang“. Wenn man Revolutionen analysiert, sieht man, dass diese ent-weder schon sehr lange brodelten oder sehr schnell wieder in das zurück fallen, was vorher war. Eine solide Evolution ist nicht das Schlechteste.

DMR: Vielen Dank für die spannenden Einblicke.

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Nicht immer ist die Bezifferung der monetären Ersparnis das bestmögliche Projekt-ergebnis. Das KAIZEN-Prinzip zeigt, wie Berater auf eine nachhaltige Verbesse-rungskultur hin arbeiten können – ganz im Sinne des Kunden.

Über die Entfaltung des Potenzials von KAIZEN und die Implementierung in das alltägliche Projektgeschäft

KAIZEN – Beyond Process Optimization

ie Methodenvielfalt in der Prozessoptimierung gleicht einem Dschungel, der zunehmend undurchdringbarer wird. Der Hauptfokus der gängigen Methoden zielt stets darauf ab, die Elemente Qualität, Zeit, Kosten und Ressourcen in ein optimales Gleichgewicht zu bringen. Unternehmen müssen dementsprechend ihre Fragestellungen und Zielsetzungen in der Prozessoptimierung gegen die zur Verfügung stehenden Methoden spiegeln, um die Leistung ihres Unternehmens zu steigern und ihre Verbesserungspotenziale auszuschöpfen.

Eine Vielzahl der Optimierungsprojekte zielt dabei aber nicht auf eine nachhaltige Verbesserungskultur ab. Dies ist wenig ver-wunderlich, haben sie doch zumeist den klaren Auftrag, schnell Erfolge zu zeigen. Die Folge sind Maßnahmen, die in kürzester Zeit, mit geringem finanziellen Investment und möglichst ohne große Veränderungen umgesetzt werden sollen, um nicht die eigene Veränderungsbereitschaft auf die Probe zu stellen. Es gilt jedoch vielmehr, eine permanente Optimierungskultur zu schaffen, in der die Abwendung vom Status Quo sowie die Sen-sibilisierung und Integration aller betroffenen Mitarbeiter expli-zit gefordert ist.

D Diese Herausforderung stellt sich auch in vielen Beratungspro-jekten. Insbesondere große Konzerne investieren eher in kom-plexe Strategieprojekte mit einer großen Zielvision, während direkt umsetzbare Verbesserungsmaßnahmen zumeist unbe-achtet bleiben. Dabei müssen sich top-down Vorgehensweise innerhalb komplexer Projekte und konkrete, pragmatisch um-setzbare Optimierungen bottom-up nicht ausschließen. Gerade in strategischen Transformationsprojekten, Restrukturierungs-maßnahmen oder im Rahmen der Harmonisierung komplexer IT-Landschaften muss es das Ziel sein, eine Arbeitskultur zu schaffen, in der Prozessstörungen nicht mehr einfach akzeptiert, sondern diskutiert und proaktiv Verbesserungsmaßnahmen er-griffen werden. Und genau an dieser Stelle kann das KAIZEN-Prinzip der kontinuierlichen Verbesserung sein volles Potenzial entfalten.

Effizienz durch Kulturwandel

KAIZEN (Kai = Veränderung, Zen = zum Besseren) ist eine japanische Managementphilosophie, die auf die Identifizierung sowie Vermeidung von Fehlern und Ineffizienzen im Unterneh-

KAI – Change ZEN – Good

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men abzielt und klaren Grundprinzipien folgt. Im Fokus stehen hierbei nicht die großen Innovationen, sondern die Vielzahl an Verbesserungsvorschlägen, die sich aus der Einbindung al-ler Mitarbeiter ergeben. Wesentlich sind hierbei deren schnelle Umsetzung und die Sichtbarkeit der Erfolge.

Die Lösung liegt darin, Verschwendung sehen zu lernen, Hand-lungsspielräume zu nutzen und Verantwortung zu übernehmen. Dieser Ansatz muss implizit in das Beratungsgeschäft einge-bracht werden, indem die KAIZEN-Kultur im Beratungsalltag verankert und geeignete Elemente sowie Methoden im Sinne des Kunden adaptiert werden. Die KAIZEN-Philosophie muss den Berater im alltäglichen Projektgeschäft begleiten. Dabei erfolgt ein permanenter Erfahrungsaustausch und Know-how-Transfer hinsichtlich der Vorgehensweise zur Identifizierung und Umsetzung von Optimierungspotenzialen nach KAIZEN. Dies gilt sowohl im Projekt vor Ort für die Prozesse innerhalb der Unternehmen als auch für die eigenen Projektmanagement- und Supportprozesse. Nach dem Ambassadorenprinzip wird dadurch der Kunde für Verschwendung sowie pragmatisch um-setzbare Verbesserungspotenziale sensibilisiert und der erforder-liche Kulturwandel unterstützt. Über Ineffizienzen und Fehler sowie potenzielle Lösungsalternativen muss diskutiert werden dürfen. Erst wenn die bewusste Auseinandersetzung mit den Ursachen der Verschwendung möglich ist, kann die notwendige permanente Optimierungskultur entstehen.

Leben Beratungsunternehmen nicht genau von der Verschwendung ihrer Kunden?

Es mag absurd klingen, dass ein Beratungsunternehmen nicht nur auf die große Gesamtlösung für den Kunden fokussiert, sondern mit kleinen pragmatischen Schritten anhand einer be-reits seit Mitte der 1980er Jahre angewendeten Methode Ver-schwendung im Unternehmen abschaffen möchte. Der Grund liegt jedoch auf der Hand – es ergibt sich hier eine klare Win-Win-Situation.

Im Unternehmen selbst entsteht mit dem „Erleben“ der kon-kreten Verbesserungen von der eigentlichen Identifizierung der Prozessstörung bis zur Umsetzung entsprechender Verbes-serungsmaßnahmen eine neue Arbeitskultur, die auch nach dem Ende der Beratungsprojekte nachhaltig bestehen bleibt Jeder Mitarbeiter wird dahingehend sensibilisiert, die eigenen Arbeitsabläufe kontinuierlich zu hinterfragen und mit kleinen Schritten im eigenen Wirkungskreis kurzfristig zu verbessern beziehungsweise nach Optimierungspotenzial zu suchen. Dieses Potenzial muss als Chance betrachtet werden, die Verschwen-dung in Arbeitsschritten zu reduzieren.

Klassische Fragen sind zum Beispiel:

• Was mache ich wann, wie lange, wie oft und vor allem warum? • Was ist das Ziel meiner Handlung? Erreiche ich meine Ziele in dem Arbeitsschritt?• Wie kann ich Aufwand in Arbeitsschritten reduzieren? Wie kann ich den Ertrag der Arbeitsschritte erhöhen?• Welche Arbeitsschritte sind nicht zielführend, redundant oder sehr arbeitsintensiv, und warum ist das so?

Dies fördert die Auseinandersetzung und Identifikation der Mitarbeiter mit ihren Aufgaben, führt zu mehr Eigenverant-wortung bei den Mitarbeitern und letztendlich auch zu einer höheren Mitarbeitermotivation und -zufriedenheit. Motivierte und zufriedene Mitarbeiter wiederum zeigen eine höhere Leistungsbereitschaft.

Aus komplexeren Herausforderungen, welche nicht auf Arbeits-ebene in kurzer Zeit optimiert werden können, ergeben sich langfristige Handlungsoptionen, die strukturiert in die weitere Geschäftsentwicklung und in langfristige Verbesserungsmaß-nahmen eingebracht werden können.

Auf der anderen Seite entsteht neben der effizienteren Projektar-beit eine neue Qualität hinsichtlich der Kundenbindung. Durch kurzfristig realisierte Quick Wins wird das Vertrauen in den Erfolg der aktuellen Zusammenarbeit gesteigert, die zugespro-chene Kompetenz und Reputation erhöht. Die komplexeren Handlungsoptionen können dadurch in eine langfristige und nachhaltige – für beide Seiten gewinnbringende – Zusammen-arbeit münden.

KAIZEN zielt auf langfristige Effekte

Die positiven Effekte der kontinuierlichen Verbesserung nach dem KAIZEN-Prinzip sind in der Regel nicht immer monetär eindeutig bewertbar. Dies gilt insbesondere für die Service- und Dienstleistungsbranche, in der die Prozesse häufig hochintegra-tiv und komplex sind und hohe Anforderungen an ihre Flexi-bilität gestellt werden. Es geht jedoch auch nicht darum, die jeweiligen Einzelmaßnahmen oder auch die Verbesserungen in ihrer Gesamtheit in einer monetären Ersparnis zu beziffern. Es geht darum, eine Unternehmenskultur zu schaffen, in der lang-fristig durch viele kleine punktuelle Optimierungen bei relativ geringen Invests implizit die Leistungsfähigkeit und Kunden-orientierung des Unternehmens gesteigert wird.

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„Ideen entstehen aus Inspirationen und Austausch“

Interview mit Jens Bode, International Foresight + Innovation Manager, Henkel Laundry & Home Care

23 Detecon Management Report blue • 2015

Innovationskultur@Henkel: Permanente Neugierde sieht Jens Bode als Grundlage für den Erfolg. Mit dem DMR BLUE sprach er über die Erfolgsfaktoren für Kreativität und wettbewerbsfähige Innovationen.

D MR: Henkel ist ein Unternehmen, das sich in einem sehr starken internationalen Wettbewerb befindet. Welchen Stellenwert spielt in diesem Kontext „Innovation“ für Henkel, insbesondere auch im Hinblick auf die Themen Effizienz und Wachstum?

J. Bode: Innovationen sind für Henkel von zentraler Bedeutung. Sie sind in dem globalen Wettbewerbsumfeld, in dem wir uns befinden, ein wesentlicher Treiber für Wachstum und Profitabi-lität und ein integraler Bestandteil unserer Unternehmensstra-tegie. Nur mit neuen Entwicklungen bleibt ein Unternehmen wettbewerbs- und somit zukunftsfähig. Das Thema Effizienz ist bezogen auf unsere Innovationsprozesse wichtig. Die einge-setzten Tools werden immer wieder geprüft: Wo gibt es Verein-fachungspotenzial, wo gibt es Denk-Paradigmen und Innova-tionsbarrieren, wo und wie können wir Prozesse beschleunigen? Hier gilt es, das kreative Potenzial auch zu nutzen, Lernkurven in unsere Prozesse und Werkzeuge zu integrieren und auf allen Ebenen noch effizienter zu werden.

DMR: Hat sich der Umgang mit dem Themenkomplex „Innova­tion“ bei Henkel über die Jahre verändert? Ich kann mich noch an einen Ansatz erinnern, der vor zirka zehn Jahren einen starken Fokus auf „Think Tanks“ und ein starkes Innovationsdepartment gelegt hat. Steht dies heute noch immer im Mittelpunkt?

J. Bode: Sie sprechen den ThinkTank Invent an. Ein Team von sieben internationalen Managern hat für sechs Monate aus-schließlich innoviert und war komplett freigestellt. Das Ergeb-nis waren neben den Softfacts wie Teambildung und -spirit auch ungewöhnliche Ideen, die insbesondere jenseits der klassischen Kategorien innoviert wurden. Trotz des hohen Maßes an neuen Ideen haben wir jedoch festgestellt, dass der Transfer in das ope-rative Business nicht einfach war. Die Learnings daraus wurden dann in nachfolgende Prozesse integriert und sehr stark mit den operativen Strukturen und Einheiten verknüpft.

DMR: Wie ist der Innovationsprozess bei Henkel strukturiert und organisatorisch verankert? Gibt es ein zentrales Department für In­novationen?

J. Bode: Es gibt kein Corporate Innovation Management auf Konzept- und Produktebene. Henkel hat mit Beauty Care, Laundry & Home Care und Adhesive Technologies drei Un-ternehmensbereiche mit unterschiedlichen Herausforderungen und Innovationsansätzen. Bei Laundry & Home Care arbeiten wir beispielsweise mit einem Tool, bei dem sich alle Manager auf globaler Ebene mit Ideen und Konzepten in den Kreativ-prozess einbringen können und sollen. Operativ, von Seiten des Marketings, gibt es parallel einen intensiven, strukturierten Ideation- und Innovationprozess: Guided Creativity. Hier wer-den die unterschiedlichen „Insight Nuggets“ aus Consumer In-sights, Trends und Technologietrends zu neuen Ansätzen kom-biniert und bewertet.

DMR: Stichwort Kreativität: Um die Innovationskraft eines Unternehmens zu erhalten, ist es wichtig, laufend die Kreativität von Mitarbeitern zu fördern, um insbesondere auch attraktiv für den Markt der High Potentials zu sein. Wie gelingt Ihnen dies?

J. Bode: Stellen wir immer die gleichen Fragen an die gleichen Kollegen, entstehen gleiche Ideen – dies wäre nicht zielführend. Ideen entstehen immer aus Inspirationen und im Austausch mit Menschen – intern wie extern. Dabei profitieren wir nicht nur von unserem internen diversen Team, wir wissen auch um das Talent und die Kreativität von Experten außerhalb des Unter-nehmens. Deshalb setzen wir auf ‚Open Inovation‘, das heißt auf die Einbindung von externen Innovationspartnern wie Univer-sitäten und Studenten, Forschungsinstituten, Lieferanten oder Kunden. Persönlich nutze ich für Workshops jede verfügbare Quelle, intern wie extern. Ich schaue mir zum Beispiel intensiv Micro- und Macrotrends aus dem Henkel-Umfeld an, Trends aus parallelen Märkten wie Food, Automotive und Architek-tur. Dazu pflege ich ein Netzwerk mit Trendscouts und den unterschiedlichsten kreativen Talenten. Intern kombinieren die Teams ihre Expertise mit internen und externen Inspirationen.

Bildbeschreibung linke Seite: Inspirations­ und Innovationsraum in Form einer überdimensionalen Waschmaschine.

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Erfolgsfaktoren:

Jens Bode, International Foresight + Innovation Manager

Eine Innovations-Vision!Ein diverses und „buntes“ Team – in allen Dimensionen.

Ein nachhaltiger Innovationsprozess.

Tools, in die sich auch die Kollegen mit ihren kreativen Talenten einbringen können, die nicht gerade direkt im Headquarter sitzen.

Offenheit für jegliche Art der Inspiration.

Kreativzonen und -räume, mentale Freiräume.

Transparenz und Verfügbarkeit von Informationen.Ein wertschätzendes und motivierendes Umfeld.

Ein pragmatischer Bewertungsansatz von Ideen.

Die Fähigkeit, sich und die Tools immer wieder zu challengen und zu optimieren. Lernkurven umsetzen!

Machen! Und Erfolge feiern.

25 Detecon Management Report blue • 2015

DMR: Sofern wir von Innovation im Allgemeinen sprechen: Sie haben über die letzten Jahrzehnte intensiv mit dem Themenkom­plex „Innovation“ zu tun gehabt. Was sind die wichtigsten Erfolgs­faktoren für ein innovatives Unternehmen, was zeichnet ein inno­vatives Unternehmen aus?

J. Bode: Eine lebendige Innovationskultur ist die wichtigste Grundlage. Dabei sollte ein diverses Team aus Mitarbeitern so-wie externen Stakeholdern als Ideengeber einbezogen werden. Weitere Voraussetzungen sind aus meiner Sicht eine konkrete Vision beziehungsweise Innovationsstrategie. Auch die richtige Balance zwischen Freiheit und Offenheit einerseits und einer gewissen “Ordnung” andererseits ist entscheidend, um krea-tive und innovative Prozesse in einer effizienten und effektiven Form zu gewährleisten. Systematische Tools sollten den Inno-vationsprozess sinnvoll unterstützen. Weiterhin ist das Thema Nachhaltigkeit ein wesentlicher Erfolgsfaktor: Henkel hat in diesem Zusammenhang ein Evaluierungssystem – den Henkel-Sustainability#Master® – entwickelt, um entlang der Wertschöp-fungskette sowie in den strategischen Fokusfeldern Hotspots zu identifizieren, an denen sich Innovationen am stärksten aus-wirken. Um sicherzustellen, dass Innovationen das allgemeine Nachhaltigkeitsprofil der Produkte und Prozesse verbessern, muss Henkel deren gesamten Lebenszyklus berücksichtigen. Henkel-Experten benutzen den Henkel-Sustainability#Master® nicht nur zur Bewertung potenzieller Innovationen, sondern auch im Dialog mit Einzelhandelspartnern, NGOs und ande-ren Stakeholdern.

DMR: … und was schadet aus Ihrer Sicht der Kreativität und Innovationskraft?

J. Bode: Allen voran ein fehlendes inspirierendes und motivie-rendes Umfeld. Keine oder zu technokratische Prozesse, unde-finierte Schnittstellen oder fehlende Freiräume sind ebenfalls Innovationsbarrieren.

DMR: Noch einmal zurück zum Thema „Prozesse“: Sie haben bei Henkel mit Sicherheit ein Ideenmanagement. In wieweit ist sicher­gestellt, dass diese im Innovationsprozess Berücksichtigung finden? Welche Anreizstrukturen sind hier geschaffen und wie werden die Ideen bewertet?

J. Bode: Mit dem Ziel, die Kreativität und das Ideenpotenzial aller Mitarbeiter für Neuerungen und Innovationen zu nutzen, wird das Ideenmanagement bei Henkel stark gefördert. So haben Mitarbeiter die Möglichkeit, eigene Verbesserungsvorschläge einzubringen und auch umzusetzen. 2012 gingen beispielsweise knapp 5.200 Verbesserungsvorschläge beim Ideenmanagement in Deutschland ein – knapp ein Viertel der Mitarbeiter hat ei-nen oder gleich mehrere Vorschläge eingereicht, von denen 69 Prozent auch in die Tat umgesetzt und mit Prämien honoriert wurden.

DMR: Und noch eine abschließende Frage: Was sind aus Ihrer Sicht zukünftig die größten Herausforderungen für einen Großkon­zern, um innovationsfähig zu bleiben? Wird sich aus Ihrer Sicht hier etwas durch neue Marktplayer oder die rasche digitale Trans­formation ändern?

J. Bode: Hier gibt es einige Herausforderungen. Im Kontext von Innovationen ist es ein großes Thema, Trends in allen Dimen-sionen permanent zu scannen und zu bewerten. Einige Firmen und frühere Marktführer, die Trends nicht erkannt, unterbewer-tet oder ignoriert haben, gibt es nicht mehr. Da schließt sich der Kreislauf aus Inspiration, Offenheit, Kommunikation, nach-haltigen Prozessen, Diversity und unternehmerischer Weitsicht.

DMR: Vielen Dank für das Gespräch.

26 Detecon Management Report blue • 2015

Interview mit Dr. Heinrich Arnold, Leiter Telekom Innovation Laboratories, Deutsche Telekom AG

To boldly go where Telekom has

not gone before!

Dr. Heirich Arnold

Ulf Korsch

Cem Ergün-Müller

27 Detecon Management Report blue • 2015

DMR: T­Labs hat dieses Jahr sein zehnjähriges Bestehen gehabt und dies gebührend gefeiert. Nennen Sie uns die Highlights der letzten Jahre!

Dr. H. Arnold: Ich verspüre schon so etwas wie Stolz aus un-terschiedlicher Motivation. Zum einen bin ich stolz auf die Pi-oniertätigkeit der Kollegen in den T-Labs. Meistens waren wir, bevor die Deutsche Telekom ein neues Geschäft aufgesetzt hat, als Pioniere unterwegs. Das Feld wurde durch unsere Leute be-reitet. Sowohl als es um die Intelligent Networks der T-Systems ging oder aktuell um einen neuen Ansatz innerhalb der EU, um Kommunikation auf eine disruptiv preiswerte Basis zu stellen. Es ist eine beachtliche Leistung der Kollegen, sich thematisch dahin vorzuwagen, wo die Telekom noch nicht ist. Dazu gehört Mut, ein scharfer Richtungsblick, Gestaltungsdrang und fach-liche Kompetenz.

Der zweite Punkt, auf den ich stolz bin, ist der mit dem höch-sten wirtschaftlichen Effekt: Immer dann, wenn Standards von globaler Tragweite gesetzt werden, wie es zum Beispiel bei 4G der Fall war, sind die Patentpools hunderte Millionen Euro wert. Um in diese Patentpools hinein zu arbeiten, muss man mit einer Reihe von Kollegen aus Partnerabteilungen im Konzern – von den Abteilungen, die sich mit Patenten befassen, bis hin zu den Standardisierungskollegen – zur richtigen Zeit am richtigen Ort mit den richtigen Kompetenzen sein.

Der dritte Punkt ist, dass wir als Deutsche Telekom das globale Geschehen durchaus mitbestimmen können. Da kommen so unkonventionelle Vehikel daher wie die Mozilla Foundation,

die zur Fertigstellung des ersten Firefox Betriebssystem Releases aus Kalifornien nach Berlin reisen und gezielt unseren Beitrag suchen!

Der vierte Punkt ist ein persönlicher: Ich finde es immer wieder beeindruckend, wenn in meiner direkten Nachbarschaft Men-schen in Themen Arbeit finden, die einmal in den T-Labs ihren Ausgang nahmen und jetzt im täglichen Leben ankommen.

C. Ergün-Müller: Mein Highlight ist, dass wir uns von einer reinen Forschungsentwicklungsabteilung in Zusammenarbeit mit unseren Lehrstühlen über die letzten Jahre hinweg zu einem Bereich entwickelt haben, der umsetzungsnahe Innovation be-treibt. Wir erzeugen einen viel größeren Impact. Wir nennen es auch „Impact-oriented Innovation“ mit dem Ziel, wirklich Zusatzumsatz oder Kostenreduktion zu mobilisieren.

U. Korsch: Darüber hinaus haben wir erreicht, dass wir in enger Beziehung zu den Geschäftsverantwortlichen bis hin zum Vor-stand stehen, was uns eine Vielzahl an zusätzlichen strategischen und geschäftsrelevanten Opportunitäten eröffnet. Wir haben die Möglichkeit, sehr schnell Feedback und Unterstützung aus der Führungsetage zu der Ausrichtung bestimmter Themen zu bekommen, zum Beispiel Mobile Virtual Network Operator, Netzwerk Themen innerhalb der Telekom, Big Data und Data Analytics. Wir unterstützen also nicht nur mit kleinen Innova-tionen, sondern sind mittlerweile so weit, gemeinsam mit den umsetzenden Einheiten der Telekom an den großen Rädern mit zu drehen und den entsprechenden Impact zu erzeugen.

Das A und O eines Unternehmens in der heutigen Welt? Die Fähig-keit zu Transformation und Innovation! Agilität, Flexibilität, tief-gehende Expertise, Kreativität, Veränderungsbereitschaft – all das scheinen, eingebettet in Innovationskultur und motivierende Führung, Erfolgszutaten für ein zukunftsgerichtetes Unternehmen zu sein.

Dr. Heinrich Arnold, Senior Vice President und Leiter der Telekom Innovation Laboratories (T-Labs), erzählt von seiner Vorstellung von einer Innovationskultur für die Deutsche Telekom und wie er diese tagtäglich lebt. Cem Ergün-Müller, Head of Marketing & Commu-nication, und Ulf Korsch, verantwortlich für T-Labs 2.0 & Corporate Initiatives, ergänzen spannende Einblicke in das Innovationsherz der Deutschen Telekom AG.

28 Detecon Management Report blue • 2015

DMR: Sie sagten einmal, Sie hätten „die Qual der Wahl“, es gäbe mehr Themen als Ihnen lieb ist. Wie setzen Sie Prioritäten?

Dr. H. Arnold: Die Impulse kommen über diverse Wege: syste-matisches Screening, Tech Radar, Partner Gespräche, Consumer Panels, Customer Workshops, Konzernkollegen. Das Schwie-rige kommt danach - die Entscheidung, was davon der Konzern aufnehmen kann. Drei Faktoren spielen eine Rolle: Was ist eine erhebliche Entwicklung für die Telekom? Worauf kann man überhaupt wertschöpfend Einfluss nehmen? Und haben wir eine klare Vorstellung, wer das Thema bei der Telekom in der Umsetzung treiben könnte und als Sponsor auftritt? Ein gutes Thema nimmt dann durch das Feedback wichtiger Stakehol-der Gestalt an: eine Peer Review durchführen, diskutieren, das Thema zu Marketing- und Technikabteilungen tragen und im Endeffekt beim Topmanagement vorstehen und den Vorschlag unterbreiten.

DMR: Wie würden Sie die Innovationskultur innerhalb der Tele­kom beschreiben? Welche Rolle spielen T­Labs hier?

Dr. H. Arnold: Die Telekom ist im Vergleich zu vor zehn Jahren sehr viel aufnahmefähiger und leistungsfähiger für Innovation. In puncto Innovationskultur gibt es weiterhin noch einiges zu tun. Die Risikobereitschaft ist hier ein Schlüsselfaktor, an dem man dies feststellen kann. In der Telekom gibt es sowohl Per-sonen, die innovative Initiativen stark und aktiv unterstützen, als auch eine Vielzahl an Menschen, die das Neue meiden, ein-fach weil etwas schiefgehen könnte.

DMR: Welche sind Ihre Erfolgsfaktoren?

Dr. H. Arnold: Der wichtigste Erfolgsfaktor ist Eigenmotiva-tion. Wenn bei einem Projektleiter das Feuer der Begeisterung angeht, dann kann es funktionieren. Derjenige, der an der Spit-ze einer Initiative als Treiber steht, muss komplett von seinem Projekt überzeugt sein. Er muss ständig nach Lösungen suchen für Probleme, die groß genug sind, um das ganze Projekt zu stoppen. Mit jemandem, der nur halbherzig bei der Sache und nicht intrinsisch motiviert ist, wird das gesteckte Ziel nicht erreicht werden. Die Risikobereitschaft nimmt hier also eben-falls eine wichtige Rolle ein. Ebenso der richtige Umgang mit Fehlern. Ich bin überzeugt, dass derjenige den größten Fehler macht, der nichts macht.

C. Ergün-Müller: Außerdem sollte man ein Grundvertrauen in die Kollegen haben können, damit ein bisschen Freigeist in den T-Labs lebt. Nichtsdestotrotz sind gewisse Leitplanken unent-behrlich. Wir müssen auf die Konzernstrategie einzahlen und uns nach den Top-Themen ausrichten. Das Motto „Warum machst du das? – Weil es geht!“ greift für uns nicht. Wir ma-chen unsere Arbeit nicht nur, weil wir für Innovationen bren-nen. Die erste Frage ist immer: Zahlt es auf das Geschäft der Telekom ein? Hat es eine Perspektive für unsere Kunden oder für die Technologie? Und in diesem Rahmen kann man kreativ werden und sich neue Themen suchen, weiterentwickeln und zum Erfolg führen.

DMR: Welchen Stellenwert hat Führung innerhalb einer Innova­tionskultur und wie gestaltet sich diese?

Dr. H. Arnold: Die Führung unserer verschiedenen Kom-petenzteams ist sehr heterogen, das ist das schöne. Aber jeder einzelne muss mindestens eine außergewöhnliche Eigenschaft weit über das Standardmaß hinaus besitzen: Entweder man weiß fachlich besonders viel oder man ist ein besonders guter Kommunikator oder man ist besonders clever oder gewissenhaft oder man ist besonders charismatisch. Der Kern liegt hier in der Persönlichkeit jedes einzelnen.

Was unterscheidet einen Innovator von einem Administrator? Der Innovator ist einer, der die Veränderung immer als Mög-lichkeit oder sogar als Verpflichtung sieht und diese immer zum Vorteil nutzen möchte. Die größte Frustration des Innovators sind deswegen die verpassten Chancen. Wenn wir als Konzern wieder eine große Chance verstreichen lassen, dann macht mich das einfach fertig. Und das ist der Unterschied zum Admini-strator. Der hat damit gar kein Problem. Er möchte keinen Fehler machen und sieht eine Veränderung eher als Bedrohung des Standardprozesses an und möchte diese deswegen so fern wie möglich halten. Hauptsache, man macht keine Fehler! Wir brauchen aber die Grundeinstellung des Innovators bei jedem im Konzern, sodass jeder ein Stück Self-Leadership übernimmt und Veränderungen gegenüber offen ist.

29 Detecon Management Report blue • 2015

DMR: Die Welt der Innovation ist extrem schnelllebig. Die Gefahr, den Anschluss zu verpassen, ist immer präsent. Wie gehen Sie mit Rückschlägen um?

Dr. H. Arnold: Wahre Rückschläge sind ganz klar die verpassten Chancen. Aber im Zweifel muss man als Innovator eine Nacht drüber schlafen und dann aufstehen und weiter machen.

Zum Glück haben wir uns anlässlich des zehnjährigen Jubilä-ums die Zeit genommen, uns anzuschauen: Vor welchen groß-en Herausforderungen steht die Telekom aus Innovationssicht? Woran arbeiten wir momentan? Was hat in der Vergangenheit funktioniert? Gerade der letzte Punkt ist für mich persönlich ex-trem wichtig, da ich sehen kann, dass die Bilanz aus den letzten Jahren ermutigend ist. Nachdem wir es aufgeschrieben hatten, war es fast erschlagend, was schon alles geglückt ist in den letz-ten zehn Jahren. Das muss man sich immer wieder vergegen-wärtigen. Bei all den Rückschlägen sind Hunderte von Dingen gut gelaufen, die ein ganzes Buch füllen können.*

DMR: In welchem Maße beeinflussen internationale Innovations­zentren wie Tel Aviv und Silicon Valley die Innovationskultur hier vor Ort in Deutschland?

Dr. H. Arnold: Unser Umgang miteinander ist sehr offen, sehr tolerant und sehr esperanto. Unsere Betriebssprache ist „broken English“, jeder kommt natürlich aus einer anderen Welt. Aber es hilft ungemein, sich ohne Scheuklappen Gedanken um die verschiedensten Themen zu machen – auch wenn große Unter-schiede in der Arbeitskultur zu erkennen sein können.

C. Ergün-Müller: Unsere internationalen Beziehungen sind ein großer Vorteil, sie erlauben uns den Blick über den Tellerrand hinaus. Und es erhöht die Glaubwürdigkeit des Konzerns unge-mein, denn wir wissen ganz genau und berücksichtigen, was im Silicon Valley und in Tel Aviv aktuell ist und reflektieren dies natürlich.

DMR: Ihre Kooperation mit der TU Berlin und der Ben Guri­on Universität in Beersheva und damit die Vorreiterrolle auf dem Gebiet der Public Private Partnerships wird sehr gelobt und soll in den nächsten Jahren weiter gefördert werden. Welche Rolle, welche Möglichkeiten sehen Sie hier für T­Labs?

Dr. H. Arnold: Ohne unsere Uni-Partnerschaften würde das Konstrukt nicht funktionieren. Es geht um die Aktualisierung unserer Kompetenzen, die tägliche Reibung in den Teams: Was ist wirklich neuartig? Wie macht man Dinge aktuell? Wir brau-chen immer drei Zutaten: Leute, die den Konzern verstehen, Leute, die immer wieder frisch mit dem aktuellen Stand der Forschung und Technologie bei uns reinschauen und unterneh-merische Experten vom Markt, mit denen wir unsere Initiati-ven auffüllen und ergänzen. Deswegen funktioniert das T-Labs Modell nur an Orten, wo es diese drei Faktoren gibt, wo es eine Start-up Community gibt mit Leuten am Markt, die man adhoc in Projekte holen kann. Berlin ist also ein sehr essentieller Fak-tor für uns aufgrund der Dynamik der Innovationsszene und der nennenswerten Unis. Und es gibt eine ganze Reihe an po-sitiven Nebeneffekten: Wir müssen uns nie Sorgen machen um frischen Geist!

DMR: Sie sagten auf der Cebit 2014 „Die Zeit ist reif!“ – das klingt, als hätten Sie große Pläne. Wie lautet Ihre Vision für die kommenden Jahre?

Dr. H. Arnold: Die Zeit ist reif, absolut! Was wir in 2015 sehen, ist ein Vorgeschmack auf das, was die Telekom 2020 komplett ausmachen wird. Wir werden zum Beispiel sehen, dass wir Wege finden, die Kommunikation Web-basiert abzubilden, das heißt, wir kreieren eine neue, nie dagewesene User Experience und das zu einem Bruchteil der momentanen Kosten. Ich rechne damit, dass sich nächstes Jahr die ersten klaren Indikatoren hierfür be-merkbar machen werden.

Wir werden außerdem Ansätze sehen, wie wir eine unserer urei-genen Stärken, nämlich sichere qualitätsgestützte Kommunika-tion anzubieten, global unter anderem im Industrie 4.0-Kontext nutzen werden: in Fabriken, an Maschinen, in der gesamten di-gitalisierten Wertschöpfungskette. Und als drittes werden wir mehr und mehr die Möglichkeiten der Datenanalyse für uns selbst und unsere Kunden zum Ein-satz bringen. Wir werden der Vertrauenspartner für die Digi-talisierung unserer Kundensegmente und uns selbst sein. Dies ist meine positive Vision für die nächsten Jahre und ich glaube fest an sie.

* www.t­labs.co/accelerator

30 Detecon Management Report blue • 2015

Transformation, Unternehmensumbau und Leadership sind Themen, mit denen sich derzeit viele Unternehmen intensiv auseinandersetzen. Über die Herausforderungen und wie ein Finance- und Controlling-Bereich damit erfolgreich umgehen kann, spricht Marc Wagner, Partner bei Detecon, mit Dietrich Franz, CFO bei DHL Supply Chain.

Interview mit Dietrich Franz, CFO, DHL Supply Chain

Nach dem Wandel ist vor dem Wandel

31 Detecon Management Report blue • 2015

DMR: Ein Blick auf die aktuelle Marktsituation zeigt, dass sich DPDHL aufgrund dynamischer Kundenanforderungen und stän­digen technologischen Änderungen in einem rasanten Wandel be­findet. Es stellt sich die Frage, wie Ihr Finance­ und Controlling­Bereich dieser Herausforderung begegnet und welche Strukturen Sie diesbezüglich schon etabliert haben?

D. Franz: Beständige Transformation ist für unsere Finance- Organisationen seit einigen Jahren der Normalzustand. Dabei geht es im Wesentlichen um zwei Aspekte: Auf der einen Seite müssen wir auf Basis größtmöglicher Transparenz den Wandel zu einem „Business Partnering Modell“ schaffen. Auf der ande-ren Seite müssen wir in den Systemen höchste Qualität errei-chen und natürlich kosteneffizient arbeiten.

DMR: Was bedeutet das konkret?

D. Franz: Lassen Sie mich das an drei aktuellen Fragestellungen erläutern. Wie bei inzwischen vielen Unternehmen ist auch bei uns „Transactional Accounting“ und alles, was damit zusam-menhängt, vor allem also Zentralisierung und Outsourcing, ein Thema. Ein weiteres wichtiges Thema, mit dem sich die Finance Division in unserem Konzern beschäftigt, ist die „Business In-telligence“ und damit die Erhöhung der Transparenz sowohl auf Geschäftsbereichs- als auch auf Konzernebene. Die dritte Fragestellung betrifft das bereits genannte „Business Partnering Modell“. Dabei geht es vorwiegend darum, unsere Teams stra-tegisch neu auszurichten und mit der Rolle des Business Part-ners vertraut zu machen. Parallel dazu lagern wir nicht werthal-tige Aktivitäten wie etwa das Reporting aus. Wir haben bereits Reporting Factories eingerichtet, die in den entsprechenden Divisionen eingesetzt werden. Die Fortschritte bestärken uns darin, diesen Weg fortzusetzen. Unser Ziel ist es, am Ende alle transaktionalen Tätigkeiten des Reportings zu bündeln und durch Standardisierung und Vereinheitlichung günstiger und besser zu werden. Große Zentralfunktionen wie Treasury, Kon-zernbilanzierung und Cash Pooling sind übrigens bereits seit Jahren zentralisiert – aber auch hier entwickeln wir uns weiter.

DMR: Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Multi Shared Service Center gemacht? Spielen Sie gar mit dem Gedanken, wieder gezielt „Insourcing“ zu betreiben?

D. Franz: Nein, der Trend geht ganz klar weiter in Richtung „Offshoring“. Unsere Erfahrung zeigt: „Offshoring“ ist ein vielversprechendes Geschäftsmodell, weil sich durch eine funk-tionierende Zusammenarbeit mit Dienstleistern eine deutlich höhere Qualität erzielen lässt. Erst kürzlich hatte ich eine Dis-kussion darüber, wie schwierig es ist, Compliance in bestimmten Emerging Markets einzuführen. Dabei wurde klar: Compliance

kann letztendlich nur durch zentralisierte Accounting-Prozesse und durch die Trennung bestimmter Prozessschritte gewähr-leistet werden.

DMR: Der Fokus liegt also ausschließlich auf dem Kerngeschäft?

D. Franz: Generell ja, jedoch mit den beiden Dimensionen „Business Partnering“ und „Customer Facing“. Tätigkeiten, die damit nicht direkt in Verbindung stehen, können zentralisiert oder ins Ausland verlagert werden.

DMR: Sie haben ein interessantes Thema angesprochen – Stich­wort „Business Partner Konzept“. Finanzer und Controller wer­den demnach zunehmend von operativen Prozessen ent lastet und stärker in die Entscheidungsfindung mit einbezogen. Geht der Ein­fluss über die rein finanzielle Perspektive hinaus? Welchen Einfluss nimmt die DP respektive der Finance­ und Controlling­Bereich auf inhaltliche und strategische Fragestellungen?

D. Franz: Wir sind einen großen Schritt in der Umsetzung des „Business Partnering Modells“ vorangekommen. Vieles ist bes-ser geworden – aber nach wie vor gibt es viel zu tun. Dies hat zwei Gründe: Zum einen hat noch nicht jeder das Konzept des Business Partners verstanden und verinnerlicht. Zum anderen arbeiten wir auch noch daran, ein rundes „Business Partner Konzept“ zu Papier zu bringen.

DMR: Auf die Frage nach der Umsetzung möchte ich näher ein­gehen. Ich selbst habe dieses Thema als Programmleiter bei der Deutschen Telekom begleitet – eine auf den ersten Blick sehr schöne Idee. Es gestaltet sich jedoch schwierig, zur operativen Umsetzung überzugehen, insbesondere wenn man bedenkt, dass man ein Kon­zept hat, das zentralistisch gesteuert ist.

D. Franz: In der Tat ist eine zentralisierte Umsetzung eine echte Herausforderung. Um damit umzugehen, haben wir zusammen mit dem Personalbereich bestimmte Anforderungen hinsicht-lich der für diese Aufgabe notwendigen Fähigkeiten formuliert. Das ist wichtig, damit jeder genau weiß, was zu tun ist. Ich glaube aufgrund meiner Erfahrung, dass es darauf ankommt, die Inhalte über alle Führungsebenen zu kaskadieren, im Laufe eines Coaching-Prozesses immer im Dialog zu bleiben und sich situations- und themenspezifisch auseinanderzusetzen. Wir nutzen dafür verschiedene Kommunikations- und Führungs-instrumente – etwa das sogenannte „Peer Coaching“.

DMR: Coaching­Ansatz heißt also, dass Sie mit CFOs sowie CEOs anderer Divisionen Erfahrungen teilen und sich miteinander aus­tauschen?

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D. Franz: Ich versuche, divisionsübergreifend meine Erfahrung an die Kollegen weiterzugeben und bei allen möglichen Anläs-sen in den Dialog mit ihnen zu gehen. Das findet allerdings bislang eher auf Ebene der CFOs als auf der CEO-Ebene statt.

DMR: Wenn man in Richtung Business Partner geht, so wäre dies ja der Traum – im gesamten Unternehmen sind die CFOs mit den CEOs im engen Schulterschluss unterwegs!

D. Franz: Das Top-Führungsmanagementteam von DPDHL trifft sich sowieso routinemäßig mindestens zweimal im Jahr zum gemeinsamen Austausch. „Business Partnering“ sehe ich jedoch eher als Thema der CFO-Funktionen. Nichtdestotrotz spreche ich innerhalb meiner Division natürlich auch mit den CEOs und anderen funktionalen Chefs bei DHL Supply Chain und frage sie, ob sie von ihren zugeordneten CFOs genügend qualifizierte Unterstützung bekommen.

DMR: Stichwort „Peer Coaching“. Wir hatten eben schon das Spannungsfeld Finance, Controlling und HR angesprochen. Coaching ist ein klassisches HR­Instrument. Ist das eine Methode, die von Ihnen standardisiert wird?

D. Franz: Ja, wir nutzen im Konzern eine Vielzahl von stan-dardisierten Führungskräfte-Trainingskonzepten. Seit wir Ende 2010 damit angefangen haben, konnten wir darüber 500 bis 1000 Führungskräfte erreichen. Ein positiver Effekt: Es ist eine Vertrauensbasis entstanden, auf der man Kollegen aus ande-ren Divisionen einen kleinen Einblick in die eigenen Themen, Probleme und Herausforderungen gewährt.

DMR: Ein zentrales Thema in diesem Zusammenhang ist „Leadership“. Haben Sie Leadership­Prinzipien, die herunterge­brochen sind und in bestimmte Programme einfließen?

Dietrich Franz verfügt über siebzehn Jahre Erfahrung in der Logistikindustrie. Als CFO verantwortet er alle finanziellen Aspekte der DHL Supply Chain Division, dazu gehören Rechnungswesen, Controlling, Investi-tionen und Compliance/Risiko Management. Die Finanzorganisation unterstützt die Einführung der DHL Supply Chain Strategie 2020 und durchläuft dabei selbst einen Umwandlungsprozess. Herr Franz kam 1998 zu DHL und ist seither in verschiedenen Positionen innerhalb des Konzerns tätig gewesen, darunter als EVP Corporate Controlling, CFO Corporate Canter/Services, CFO DHL Global Forwarding Latin America und Senior Vice President im IndEx Program.

33 Detecon Management Report blue • 2015

D. Franz: Coaching und Leadership sind eigentlich nicht zu trennen. Wir brauchen ein einheitliches Führungsverständnis über bestimmte Dimensionen, denn wirtschaftliche und gesell-schaftliche Veränderungen stellen immer wieder neue Anfor-derungen an Führungskräfte. Deshalb haben wir auch in un-serer neuen „Strategie 2020: Focus.Connect.Grow.“ zahlreiche Leadership-Trainings verankert. Unsere Top 75-Führungskräfte haben die Trainings bereits abgeschlossen. Der Effekt: Unser Führungsteam arbeitet – um nur einen Aspekt zu nennen – nicht mehr im Command-and-Control-Modus, sondern ausge-sprochen teamorientiert.

DMR: Was zeichnet aus Ihrer Sicht gute Führungskräfte in der heutigen Zeit aus?

D. Franz: Ganz banal: Sie müssen Führungsqualitäten zeigen! Gute Chefs sollten auf jeden Fall fähig sein, Menschen zu füh-ren, zu motivieren und zusammenzubringen. Dazu gehört auch die Fähigkeit, Verantwortung zu übertragen und zu delegieren. Sie müssen dazu imstande sein, ein Team aus ambitionierten und talentierten Menschen zusammenzustellen, die miteinan-der funktionieren. Ich bin der festen Überzeugung, dass nur mithilfe eines funktionierenden Teams das beste Ergebnis er-reicht wird. Darüber hinaus sollten sie in der Lage sein, aus ihrer bestehenden Mannschaft einen qualifizierten Nachfolger für ihre „alte“ Position zu benennen. All diese Führungsprin-zipien schaffen eine Vertrauensbasis, die zum Fundament einer erfolgreichen Zusammenarbeit werden kann. Ich arbeite nach dem einfachen Motto: „Behandle andere so, wie Du selbst gerne behandelt werden möchtest!“. Wenn man das umsetzt, hat man schon viel gewonnen.

DMR: Welche Rolle spielt aus Ihrer Sicht der Finance­ und Con­trolling­Bereich in Transformationsprozessen? Wie weit hat sich der Finance­ und Controlling­Bereich bei der DPDHL vom „Scorekee­per“ zum „Business Partner“ entwickelt? Und was hat sich bei der Auswahl der Mitarbeiter beziehungsweise den Fähigkeiten, die Sie suchen, geändert?

D. Franz: Ein guter Finanzer oder ein guter Controller benötigt im einfachsten Fall, neben den bereits erwähnten Führungs-qualitäten, drei Dinge: Erstens muss er bestimmte Methoden und technische Fähigkeiten beherrschen. Zweitens muss er ein ausgeprägtes Verständnis für das Geschäft und die Produktions-prozesse besitzen. Und drittens muss er in der Lage sein, ein Vertrauensverhältnis zum CFO aufzubauen – das ist der schwie-rigste und zugleich der entscheidende Aspekt.

DMR: Die Anforderungen an das Controllerprofil haben sich also deutlich verändert – nicht mehr nur das Zahlenverständnis steht im Vordergrund, sondern auch Soft Skills spielen eine zunehmend wichtigere Rolle?

D. Franz: Genau. Plant zum Beispiel ein Controller bei uns, die Position des CFO einzunehmen, so durchläuft er auf dem Weg dahin unterschiedliche Unternehmensbereiche – in un-serem Fall unter anderem das Briefzentrum oder das Warehouse – und übernimmt in anderen operativen Bereichen Tätigkeiten, die nicht nur der klassischen Controllerfunktion entsprechen. Hier sind Menschen gefragt, die interagieren, unternehmerisch denken und über den Tellerrand blicken. Denn standardisier-bare und zentralisierbare Tätigkeiten, etwa das Erstellen von Be-richten, können künftig in kostengünstigere Länder ausge lagert werden.

DMR: Das ist ein interessanter Punkt. Genau diesen Aspekt haben wir bereits für die HR­Funktion analysiert. Es wurde dabei von der These ausgegangen, dass die HR­Funktion es zukünftig schwer hat und zunehmend ihre Daseinsberechtigung verliert, da vieles mittlerweile bereits automatisiert und durch künstliche Intelligenz sowie bestimmte Algorithmen standardmäßig ausgewertet werden kann. Diese Problematik ist ja nicht nur im HR­Bereich in aller Munde. Welche Rolle spielt in diesem Kontext der Finance­ und Controlling­Bereich? Würden Sie sagen, dass Finanzer und Con­troller in Zukunft mehr Unternehmergeist mitbringen müssen?

D. Franz: Definitiv. Transparenz allein reicht nicht mehr aus. Vielmehr muss man den Willen aufbringen, sich auf Basis eines guten Geschäftsverständnisses mit der Bedeutung von Zahlen und ihren Eigenschaften auseinanderzusetzen. Auf Grundlage dessen muss man im nächsten Schritt das Gespräch suchen, in Diskussionen einsteigen und gegebenenfalls dem Gremium Empfehlungen geben.

DMR: Um noch einmal auf das Thema zurückzukommen, mit dem wir uns bereits am Anfang befasst haben: Welche Auswir­kungen hat der dynamische Wandel insbesondere auf die Produkte, die Ihr Finance­ und Controlling­Bereich anbietet?

D. Franz: Ich denke, die grundsätzliche Fragestellung besteht da-rin, wie man Wandel gestalten kann, wenn das Umfeld deutlich unsicherer wird. Um ganz ehrlich zu sein: Ich habe darauf keine abschließende Antwort. Grundsätzlich sind wir eher sicherheits-orientiert und nicht so risikofreudig. Man braucht meines Er-achtens auch langfristige Planungen und Ausrichtungen, um die strategische Orientierung eines ganzen Unternehmens zu stär-

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ken. So wird ausschließlich ein Drei-Monats-Rolling-Forecast genau deshalb nicht funktionieren, weil sich Zahlen verfestigen müssen und jeder die Chance und Zeit bekommen sollte, mit diesen Zahlen auch zu arbeiten und sie gegen seine Ziele zu bewerten. Dennoch benötigt man flexible Werkzeuge, damit man schneller wieder in der Lage ist, nach vorne zu schauen. Es ist dabei wichtig, Prozesse wie Business Intelligence deutlich stärker nutzen, um einen möglichst realitätsnahen „Forecast“ erstellen zu können. Wichtig ist mir dabei aber: Wir sollten die Dinge einfach gestalten und sie nicht verkomplizieren. Und noch etwas kommt hinzu: Wir operieren ja nicht im luftleeren Raum, sondern haben uns auch mit den Erwartungen auseinan-derzusetzen, die der Kapitalmarkt an uns stellt.

DMR: Auf die Sie wie reagieren? Wie Sie eben schon beschrie­ben haben, erwartet der Kapitalmarkt gewisse Werte, so dass eine Gesellschaft gegebenenfalls befürchten muss, bei Abweichung vom Kapitalmarkt abgestraft zu werden.

D. Franz: Für uns spricht, dass wir klare Ziele haben, klare Leitlinien vorgeben und dadurch ein hohes Vertrauen auf den Kapitalmärkten genießen. Das spiegelt sich insbesondere in der Performance des Aktienkurses wieder. Es ist wichtig, in diesen überhitzten Märkten Ruhe und Kontinuität zu vermitteln. Das ist dem Unternehmen in den vergangenen Jahren, so glaube ich, sehr ordentlich gelungen. Ein weiteres Argument, das für uns spricht, ist der Planungsaspekt, indem wir mithilfe des Top-down-Ansatzes versuchen, den Aufwand der Planung so gering wie möglich zu halten.

DMR: Großkonzerne stehen ja häufig vor der nahezu unlösbaren Aufgabe, Effizienzdruck und Innovationsfähigkeit unter einem Dach vereinen zu müssen. Wie bewältigt die DP DHL dieses Problem?

D. Franz: Unserem Logistikgeschäft muss es gelingen, einer-seits nah am Kunden zu sein und flexibel und innovativ auf seine veränderten Erwartungen reagieren zu können. Ande-rerseits ist es hilfreich, standardisierte Produkte anzubieten, die kosteneffektiver sind als die der Konkurrenz. DHL Supply Chain versucht, die Standardisierung von Geschäftsprozessen zu beschleunigen – und zwar ohne dabei aus den Augen zu verlieren, dass wir unseren Kunden auch weiterhin individuelle und innovative Lösungen zur Verfügung stellen wollen.

DMR: Stichwort Transformationsprogramme: Nehmen wir an, Ihre Division wird umgebaut. Welche Rolle spielt der Finance­ und Controlling­Bereich im Rahmen von Transformationsprogrammen?

D. Franz: Wir befinden uns erst am Anfang einer Transforma-tion. Die Supply Chain Division hat eine neue Strategie be-schlossen und wird einen Umbau durchführen. Es ist ein extrem eng verzahntes Zusammenspiel zwischen Strategie, Geschäft und Finance. Dabei ist Finance, ähnlich wie bei einer Investi-tion, von Anfang an voll integriert und spielt eine wesentliche Rolle. In erster Linie sorgen wir dafür, dass Finanzdaten sicher-gestellt werden, und kümmern uns um die Evaluierung der Business Cases.

DMR: Wie stellen Sie die Umsetzung der Maßnahmen zur Trans­formation sicher?

D. Franz: Zunächst einmal brauchen wir neben dem Budget auch das „Sign-Off“. Erst dann kann mit einer konkreten Pla-nung und Ableitung der Maßnahmen begonnen werden, deren Umsetzung das Projektmanagement begleitet. Während dieses Prozesses hat der Controller die Aufgabe, die verabschiedeten Maßnahmen nicht nur zu überwachen und zu messen, sondern sie vor allem auch zu beurteilen. Besonders zu Beginn eines Transformationsprozesses ist es grundsätzlich wichtig, dass alle Akteure eine gewisse Bereitschaft zum Wandel zeigen und Ver-ständnis dafür schaffen, warum eine Veränderung notwendig ist. Jedem Mitarbeiter sollte die Zeit gegeben werden, „Change“ zu verinnerlichen und sich für den Prozess zu öffnen – auch wenn es an der einen oder anderen Stelle in einzelnen Bereichen weh tut.

DMR: Das Thema „Change“ ist in dem einen Unternehmen eine HR­Rolle, in einem anderen Unternehmen eine externe Rolle. Wie machen Sie das?

D. Franz: Supply Chain hat dazu einen hochinteressanten und sehr erfolgreichen Ansatz gewählt. Wir haben ein Strategy Im-plementation Team aufgestellt, das derzeit an den Chef der HR-Division berichtet. Dadurch haben wir bereits hervorragende Entscheidungen mit Blick auf Personalmaßnahmen getroffen. Wir arbeiten „Hand in Hand“ mit dem Finance-Bereich und den anderen Funktionen und sind darüber hinaus eng mit den Regionen und Ländern verzahnt, die für die Umsetzung verant-wortlich sind. Zusammen gestalten wir den kulturellen Wandel. Und zwar ohne externen Support.

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DMR: Welche Rolle spielt das Thema Kommunikation in diesem Kontext?

D. Franz: Kommunikation ist essentiell. Als Grundregel gilt: Je häufiger und genauer man kommuniziert, mit desto weniger Friktionen wird man umgehen müssen. Dafür ist es wichtig, Kommunikation als strategische Ressource für das Geschäft zu betrachten. Das haben wir gemacht und zum ersten Mal eine wirklich globale Agenda aufgesetzt, die weltweit gilt und mit einer konsistenten Kommunikationsstrategie auch vermittelt wird. Wir setzen dabei für uns ganz neue Instrumente ein – unser CEO John Gilbert macht beispielsweise einmal im Vier-teljahr einen Videoblog, in dem er Mitarbeiterfragen aus der ganzen Welt beantwortet. Bei DHL Express bieten wir das Trainingsprogramm „Certified International Specialists (CIS)“ an. In diesem Programm durchlaufen alle Mitarbeiter der ge-samten Division ein bestimmtes Training und werden zertifi-ziert. Der Effekt ist spürbar: Zum einen sehen wir deutliche Fortschritte bei der Qualität, zum anderen sind die Mitarbeiter auch ungemein stolz auf ihre Zertifizierung – die Werte für das Engagement der Mitarbeiter, die wir intern abfragen, sind seit Einführung des Programms stark gestiegen. Aus diesem Grund haben wir haben vor, dieses Programm auch bei Supply Chain unter dem Namen “Certified Supply Chain Specialists (CSCS)“ einzusetzen. Nicht zuletzt verbindet dieser Ansatz die Themen-felder Change und Strategie und lässt sie „miteinander kom-munizieren“. Wir glauben, dass CSCS ein sehr wirkungsvolles Instrument ist, das zum einen in vielerlei Hinsicht positiv auf das Unternehmen wirkt und zum anderen dabei hilft, sich von anderen Unternehmen zu differenzieren.

DMR: Was macht DPDHL darüber hinaus, um sich abzugrenzen?

D. Franz: Das „Certified“-Programm ist sicherlich eine ent-scheidende Maßnahme, über die vermittelt wird, welchen Bei-trag man zum gesamten Unternehmenserfolg leistet. Da wir aber bei Supply Chain noch am Anfang der Umsetzung sind, haben wir noch keine Erfahrungswerte. Beim Express dagegen findet man eine Vielzahl von Einzelbeispielen, wo der Ansatz gut funktioniert. Wenn ich beispielsweise als Kurier hundert Pakete, die ich zu verantworten habe, pünktlich und ordnungs-gemäß ausliefere, dann habe ich meinen Beitrag geleistet und bin Teil des Erfolgs. Wenn mir also bewusst ist, dass ich durch meinen Handgriff oder meinen täglichen Einsatz dem Unter-nehmen einen wirtschaftlichen Nutzen bringe und ich darüber hinaus verstehe, warum das so ist, dann haben wir als Unterneh-men in dieser Hinsicht den maximalen Erfolg erreicht.

DMR: Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit im Finance­ und Con­trolling­Bereich?

D. Franz: Unser Unternehmen hat sich das ambitionierte Ziel gesetzt, die CO2-Effizienz bis zum Jahr 2020 um 30 Prozent gegenüber dem Wert von 2007 zu steigern. Dazu wurde ein sogenanntes „Carbon Accounting & Controlling“ (CAC) auf-gebaut und implementiert. Wir sehen unsere Mitverantwor-tung für die Klimaerwärmung und schauen, was wir verbrau-chen und wie wir das optimieren können. Gleichzeitig ist uns wichtig, dass auch die Kunden mit unseren umweltbewussten Produkten einen großen Beitrag für eine bessere Welt leisten können. Nachhaltiges Wirtschaften ist und bleibt ein integraler Bestandteil unserer Unternehmensstrategie.

DMR: Werfen wir einen Blick in die Zukunft: Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen, die zukünftig auf die Finance­ und Controlling­Organisation zukommen werden? Welche Themen werden Sie in den nächsten Jahren vorantreiben?

D. Franz: Ich bin zuversichtlich, dass wir unsere ambitionierten Ziele erreichen können. Hierzu gehören neben der Umsetzung einer klaren Geschäftsausrichtung vor allem auch die Schaf-fung einer Best-in-Class-Finance-Organisation. Weiterhin gilt es, stark standardisierte und repititive Tätigkeiten zu zentrali-sieren beziehungsweise ins Ausland auszulagern. Am Ende geht es darum, die Supply-Chain-Strategie in den nächsten Jahren erfolgreich umzusetzen. Genau hier wollen und werden wir als Finance- und Controlling-Community einen wesentlichen Bei-trag leisten.

DMR: Vielen Dank für das spannende Interview.

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Mission possible: Dr. Markus Müller, CIO der Deutschen Telekom, muss bis 2015 gleich zeitig die IT-Qualität steigern, die Kosten um eine Milliarde Euro senken und IT-Projekte auf den Punkt abliefern. Und er ist auf einem guten Weg dahin.

Interview mit Dr. Markus Müller, CIO, Deutsche Telekom AG

Telekom IT: Mehr als nur ein IT-Dienstleister

D ie IT der Deutschen Telekom war ursprünglich auf drei Bereiche aufgeteilt. Im Jahr 2012 änderte sich das: Der Konzern richtete eine zentrale IT ein – mit einer Verantwortung und einer Führung, mit einheitlichen Zielen, einem konsistenten Portfo-lio und einer kostengünstigen Produktion. Eine Maßnahme, die die Qualität verbessert und die IT-Kosten nachhaltig senkt. Die Telekom IT beschäftigt heute 7.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Unter Leitung von CIO Dr. Markus Müller ver-antwortet sie ein IT-Budget von zwei Milliarden Euro. Bei der Telekom IT liegt die Verantwortung für CRM- und Billing-Systeme, die 250 Millionen Rechnungen im Jahr und elf Mil-lionen Kundenanfragen im Monat abwickeln, sie betreibt die gemeinsamen Plattformen der europäischen Telekom-Töchter und realisiert erhebliche Skaleneffekte. Und die Telekom IT hat ein herausforderndes Ziel: Die IT-Kosten von 2012 bis 2015 um eine Milliarde Euro zu senken, die IT-Qualität zu verbessern und IT-Projekte auf den Punkt abzuliefern.

Gleichzeitig muss sie eine wichtige Mission erfüllen, denn sie soll das Fundament für die Umsetzung der Strategie des Kon-zerns legen. Um die Telekom zur „Leading Telco“ zu machen, stellt sie mit dem Broadband Network Gateway deshalb die „IP Produktionsplattform“ für die Abbildung neuer IP-Produkte in der Architektur bereit. Mit ihrer Architektur stellt sie die Bündelung von Festnetz und Mobilfunk sicher. Sie baut eine standardisierte „Steckerleiste“, die die Einbindung attraktiver Partner-Angebote in das Produktportfolio der Deutschen Tele-kom erlaubt, und ermöglicht mit ihrer Architektur integrierte Angebote für Geschäftskunden. Die Gründung der Telekom IT war dringend nötig – und doch war sie ein Kraftakt. Dr. Markus Müller sprach mit Detecon über das bislang Erreichte und die Ziele für die nahe Zukunft.

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DMR: Seit Ihrem Antritt als CIO haben Sie bereits viel verändert. Seit Gründung der Telekom IT wurden mehr als 800 Millionen Euro eingespart, die Zahl der schweren Systemausfälle sank um rund 80 Prozent seit 2012. Hierzu waren tiefgreifende Verände­rungen notwendig – strukturell, technisch und in den Köpfen der Mitarbeiter. Wieso haben Sie diese Aufgabe angenommen?

Dr. Müller: Diese Herausforderung hat mich sehr gereizt. Schließlich ist die Deutsche Telekom ein DAX-Konzern. Ein Gigant mit dem größten IT-Bereich seiner Branche. Bevor wir die Telekom IT gründeten, gab es drei unterschiedliche IT-Mannschaften, jede für sich mit eigenen Liefer- und Leistungs-beziehungen, mit völlig unterschiedlichen IT-Systemen, die nicht zusammenarbeiten konnten. Das blieb nicht ohne Aus-wirkungen auf die Kunden. Man kann sagen: Die IT war da-mals bereits ein Team mit großer Perspektive, aber dieses Team arbeitete unter schlechten Voraussetzungen. Dies zu ändern war eine Aufgabe, wie ich sie bislang noch nicht übernehmen durfte. Es war eine neue Herausforderung. Und ich muss sagen: Ich habe noch keinen Tag bereut, mich ihr gestellt zu haben.

DMR: Bis Ende 2015 müssen Sie insgesamt eine Milliarde Euro einsparen – und Sie sind bereits auf einem sehr guten Weg. Wie haben Sie das geschafft?

Dr. Müller: Es gab mehrere Hebel, an denen wir ansetzen konnten. Zu den wichtigsten zählten die Reduzierung externer Arbeitskräfte, strenge Priorisierung der IT-Projekte, die Opti-mierung des Applikationsmanagements, die Reduzierung der Lizenzkosten und des Betreuungsaufwands bei Bestandsanwen-dungen sowie verstärktes Near- und Offshoring.

DMR: Sie hatten die Aufgabe, aus unterschiedlichen Bereichen des Telekom­Konzerns eine Einheit zu formen. Wurden Sie dabei mit kulturellen Unterschieden konfrontiert?

Dr. Müller: Wie gesagt, handelte es sich um drei IT-Teams mit unterschiedlichen Zielgruppen und Zielsetzungen. Auf De-mand-Seite gab es Teams der Telekom Deutschland und der in-ternationalen Organisation, die das IT-Team der T-Systems auf Supplier-Seite nutzte. Nun kann man sich fragen, wie eine sol-che Organisation überhaupt entstehen konnte. Alle drei Teams haben lange und verschiedenartige Historien im Konzern. Ein-mal lag der Fokus auf Deutschland, einmal auf der internatio-nalen Zusammenarbeit. Einmal lag er auf dem Demand, einmal auf Supply. Die verschiedenen Ausrichtungen gegen eine ein-heitliche Zielsetzung auszutauschen, verlangte von den Mitar-beiterinnen und Mitarbeitern Mut zur Veränderung. Aber ich würde sagen, dass wir es in den letzten zwei Jahren geschafft haben, ein echtes Team auf die Beine zu stellen.

DMR: Bleiben wir beim Thema Kultur. Was ist Ihrer Meinung nach entscheidend bei der Schaffung einer neuen Kultur? Und im konkreten Fall bei der Schaffung der einen „Telekom IT“­Kultur?

Dr. Müller: Ich glaube, was unter anderem geholfen hat, war die Art, wie wir die Organisation der Telekom IT gestaltet haben: mit voller Ende-zu-Ende-Verantwortung für die IT des Kon-zerns. Wir haben die einzelnen Solution-Bereiche auf unsere in-ternen Kunden ausgerichtet. Kollegen, die bislang in Demand und Supply aufgeteilt waren, arbeiten nun Hand in Hand. Da-rüber hinaus haben wir ein umfangreiches Veränderungs- und Kommunikationsprogramm ins Leben gerufen. Hier konnten sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter äußern, sich aus-tauschen, Kritik üben und Feedback einholen. In diesem Pro-gramm haben wir strukturelle Veränderungen gebündelt und im fünfmonatigen Rhythmus als Pakete ausgerollt. So haben wir den Wandel für die Mitarbeiter nachvollziehbarer gestaltet und die Menschen ‚mitgenommen’. Schließlich haben wir den offenen Dialog gesucht, etwa mit Hilfe von Calls und Sounding Boards sowie im Rahmen unserer jährlichen Roadshow durch die Bundesländer. Die Erfolge unserer Mannschaft zeigen: Wir sind auf einem guten Weg.

DMR: Der Markt und die Anforderungen ändern sich kaum irgendwo so schnell wie in der Telekommunikationsindustrie und dem ICT­Bereich. Sie haben die schwere Aufgabe, stets auf dem aktuellsten Stand zu bleiben. Eine agile und sehr flexible Kultur und Organisation sind ein Muss. Wie lässt sich das mit so vielen Mitarbeitern gestalten?

Dr. Müller: Die Anzahl der Mitarbeiter ist aus meiner Sicht nicht ausschlaggebend für das Maß an Agilität. Viel wichtiger ist, die Menschen ihren Fähigkeiten entsprechend einzusetzen. Um das sicherzustellen, haben wir ein umfangreiches Qualifi-zierungsprogramm aufgesetzt, das an den Marktanforderungen und der Strategie der Telekom IT ausgerichtet ist: ein Programm mit einem Budget von 7,9 Millionen Euro für die Qualifizie-rung von mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern allein in 2014. Wichtig ist: Wir setzen auf unsere Mannschaft, nicht auf externe Kräfte.

DMR: Wie haben Sie es geschafft, die Qualität für den Kunden zu steigern und gleichzeitig die Kosten zu senken? Steht beides nicht im Widerspruch?

Dr. Müller: Nein, überhaupt nicht. Ich vergleiche das immer mit dem Kochen: Wer gut kochen will, braucht gute Zutaten. Doch die alleine ergeben noch kein gutes Essen. Ich brauche das Know-how und die richtige Ausrüstung. Auf uns übertragen be-deutet das: Wir haben in Qualität investiert. In neue Hardware

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Markus Müller, Jahrgang 1962, promovierte an der Universität Passau im Fach Informatik. Danach begann er seine Karriere bei McKinsey & Co., wo er in Deutschland und den USA hauptsächlich in der Finanz-industrie tätig war. Im Jahr 2000 wechselte Markus Müller zur Allianz und verantwortete dort zunächst die E-Business-Strategie der Allianz-Gruppe. Anschließend war er für den Aufbau der Group IT zuständig, bevor er bei der Dresdner Bank als Chief Operating Officer IT die Leitung der IT-Restrukturierung und des Direct Bankings übernahm. Schwerpunkt seiner Aufgaben war unter anderem die Kostenoptimierung bei gleich-zeitiger Qualitäts- und Performancesteigerung. Nach seiner Rückkehr verantwortete er als Head of Group IT die Entwicklung eines internationalen IT Shared-Service-Ansatzes im operativen Versicherungs betrieb. Als Chief Excecutive Officer des europäischen Rechenzentrums steuerte er erfolgreich die europaweite Konso-lidierung. 2010 übernahm Müller die Aufgabe als Chief Information Officer der Allianz Holding. Seit dem 1. Juni 2012 ist Markus Müller CIO der Deutschen Telekom. Als Geschäftsführer der Telekom IT, dem internen Dienstleister der Deutschen Telekom, ist er für einen der größten IT-Dienstleister in Europa mit ca. 7.300 Mitarbeitern und einem Budget von 2,05 Milliarden Euro verantwortlich.

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und eine akribische Software-Analyse, um die bereits früher angesprochenen, schwerwiegenden Ausfälle deutlich zu redu-zieren. Auch haben wir die Abstimmungsprozesse entschlackt und Redundanzen abgebaut. Wir haben zudem auf den Ein-satz von externen Kräften verzichtet. Unter anderem haben wir dadurch bereits im ersten Jahr 200 Millionen Euro eingespart, ohne Qualität einzubüßen. Ein weiterer, großer Posten waren die Softwarelizenzen: Nicht mehr benötigte Lizenzen wurden konsequent gekündigt und die Konditionen für noch benötigte Lizenzen neu verhandelt.

DMR: Heute ist die Telekom IT organisatorisch gut aufgestellt. Dennoch gibt es immer wieder Transformations­ und Restrukturie­rungsbedarfe. Warum?

Dr. Müller: Das hat zwei Gründe. Zum einen trägt die Telekom IT immer mehr Verantwortung, in jüngster Zeit beispielsweise für die so genannte Steckerleiste, die internationale Standard-Schnittstelle zur Einbindung von Drittdienstleistern. Darüber hinaus finde ich es wichtig, immer wieder zu reflektieren, ob man mit seiner Mannschaft gut aufgestellt ist. Wenn ich noch einmal auf die Ende-zu-Ende-Verantwortung der Telekom IT für die interne IT des Konzerns zurückkommen darf: Es gibt immer wieder Bedarf, Schnittstellen noch ein Stück deutlicher zu definieren, Kolleginnen und Kollegen aus anderen Einheiten zu uns zu holen oder anderen Einheiten zuzuordnen. Das sind aber keine großen Umorganisationsmaßnahmen und für die Mitarbeiter in der Regel leicht zu verkraften.

DMR: Restrukturierungen und Effizienzprogramme haben im­mer den Beigeschmack, dass Menschen ihren Job verlieren können oder sich auf neue Aufgaben einlassen müssen. Man trifft geradezu zwangsläufig auf Skepsis und Unsicherheit. Wie konnten Sie Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dennoch motivieren?

Dr. Müller: Das ist generell keine leichte Aufgabe. Und sie wird mit jeder Herausforderung, der sich ein Team stellen muss, schwerer. Zudem ist bekannt, dass die Telekom IT Personal abbauen muss, um sich schlanker und effizienter aufzustellen. Meine Führungsmannschaft und ich versuchen zu motivieren, indem wir ein Zielbild aufzeigen. Die IT ist in einem Telekom-munikationsunternehmen elementarer Bestandteil des Kernge-schäftes. Wir gestalten die Zukunft unseres Unternehmens mit – und zwar als Innovator und Business-Unterstützer, nicht ‚nur’ als IT-Lieferant. Für viele, die sich verändern müssen, bieten wir interessante Tätigkeiten im Konzern und in der Wirtschaft oder beim Bund an und sichern die gegebenenfalls notwendigen Qualifizierungsbedarfe ab.

DMR: Eine abschließende Frage: Wo liegen für die Telekom IT in den kommenden fünf Jahren die größten Herausforderungen? Wohin möchten Sie die Telekom IT steuern?

Dr. Müller: Die größte Herausforderung ist, die Business Trans-formation der Deutschen Telekom bestmöglich zu unterstützen. In unserer neuen IP-Welt verfolgen wir eine klare Vision: Zu-künftig kann der Kunde mit uns über eine Kunden-ID kom-munizieren, mit der er unsere Dienste und Services bestellt und bezahlt. Wir sorgen dafür, dass Standardprodukte der Deut-schen Telekom – Sprache, Daten, TV – oder Drittprodukte wie Spotify flexibel als Produktbündel abgebildet und mit passender Tarifierung angeboten und auf einer Rechnung abgerechnet werden können. Und weil wir Leitung und Dienste trennen, kann unser Kunde unsere Leistungen unkompliziert an jeden Ort mitnehmen. Prozesse, die heute noch extrem komplex sind, werden deutlich einfacher – etwa ein Umzug. Und für unsere Kunden wird der Umgang mit uns spürbar bequemer. Mög-lich wird all das durch ein gigantisches Umbauprogramm: Wir durchbrechen alte, historisch gewachsene Strukturen, die von Produkt- und Kundengruppen bestimmt und auf Festnetz und Mobilfunk verteilt sind, und gestalten stattdessen eine IT für alle Produkte und Kunden, die einfache Prozesse ermöglicht. Hierzu muss eine IT-Landschaft von rund 930 Applikationen und Plattformen grundlegend aufgeräumt und neue Technolo-gien eingeführt werden.

DMR: Herr Müller, vielen Dank für dieses Interview!

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Michael Leistenschneider ist ein Urgestein der IT-Branche. Obwohl er Ende 2013 nach über 20 Jahren

aus dem Vorstand der DATEV ausschied, ist seine Begeisterung über die aktuelle Transformation in

der ICT-Branche ungebrochen. Er sieht das Telco-Segment als Paradebeispiel für disruptive Entwick-

lungen, „comme il faut – wie es sein soll“.

“ Telco-Landschaft mit unschätzbarem

Drive ”

Interview mit Michael Leistenschneider

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DMR: Telekommunikationskonzerne sehen sich wie selten zuvor konfrontiert mit disruptiven Entwicklungen und einem enormen Wettbewerbsdruck. Was sind aus Ihrer Sicht die wesentlichen Markttrends und Transformationstreiber?

M. Leistenschneider: Nun, es waren ja gerade die Telekom-munikationskonzerne, die die Monopolstellungen quer durch Europa aufgebrochen und damit der Telco-Landschaft einen unschätzbaren Drive gegeben haben. Davon profitieren heute alle: Verbraucher und Unternehmen – und das bei einer im-mer besser werdenden Netzinfrastruktur und wachsenden Ser-vice- und Produktpalette. Das Telco-Segment ist in Europa ein Paradebeispiel für disruptive Entwicklungen, wie sie sein sollten. Den eigenen Markt stetig neu zu erfinden ist in der Telekommunikationsindustrie aus dieser Erfahrung heraus und mit ihrer besonders hohen Innovationsgeschwindigkeit tief ver-ankert. Allerdings müssen die politischen Rahmenbedingungen echtes Entwicklungspotenzial bieten – egal, ob in Bezug auf Netzneutralität, Big Data oder Datenschutz. Zum Stichwort „Markttrends“ fällt mir der Begriff „Internet of Things“ ein, ein Oberbegriff für viele Dinge, die im Moment wesentlich für die Telekommunikationsbranche sind. Darunter kann man Be-griffe wie Big Data und Industrie 4.0 subsummieren, ebenso Automotive ID, M2M-Kommunikation, Smartphones, Cars, Homes oder Cities. Das ist definitiv ein Trendthema, das nach vorne getrieben wird und zu Veränderungen führt. Andere The-men, die damit Schnittmengen bilden, sind die Mobilisierung und der Trend zur Digitalisierung, beispielsweise die digitale Abwicklung der Geschäftsprozesse in Unternehmen. Das birgt natürlich Chancen und Risiken… Es drängen heute einige we-nige Anbieter wie Google, Amazon oder Facebook in Branchen, die bisher relativ autonom erfolgreich waren. Die Entwick-lungen im Bereich des autonomen Fahren wird seltsamerweise auch nicht von den Autofirmen getrieben, sondern von Google: Die gewonnene Zeit durch das selbstfahrende Auto soll zum Suchen und Studieren von Internet-Angeboten von Google ge-nutzt werden.

DMR: Wie kann man aus Ihrer Sicht den Spagat zwischen Effizienzsteigerung und Sicherstellung der Innovationsfähigkeit leisten?

M. Leistenschneider: Man muss sich von der Philosophie, dass das Geld mit dem Verkauf von SIM-Karten verdient wird, ver-abschieden. Kunden von Telekommunikationsunternehmen fragen heute nach wesentlich breiteren Dienstleistungen. Wenn sie diese nicht von ihrem Telekommunikationsanbieter be-kommen, wenden sie sich dorthin, wo das Angebot ist. Die-sen Wechsel sieht man übrigens auch bei den Produzenten von

Waschmaschinen. Diese überlegen, wie man im Zeitalter der M2M-Kommunikation und Industrie 4.0 die Waschmaschinen und Kühlschränke interessanter und sinnvoller für die Anwender machen kann. Sie haben aber nicht bedacht, dass künftig mögli-cherweise nicht mehr mit dem Verkauf der Hardware das Geld verdient wird, sondern dass die Dienstleistung das Geschäft ist, zum Beispiel in Form von Internet-basierte Waschservices: Die schmutzige Wäsche wird von einer Servicekraft abgeholt und ge-waschen und gebügelt zurückgebracht – alles digital organisiert. Ein anderes Beispiel ist das Konzept car2go in den Großstäd-ten: Man schafft sich kein eigenes Auto mehr an, sondern nutzt die Dienstleistung. Der Trend „Weg von der Hardware, hin zur Dienstleistung“ gilt auch für Telekommunikationsanbieter, die hier sehr aufpassen müssen, diese Trends nicht zu verschlafen. Lassen Sie mich zu Ihrer Frage ein Bild aufgreifen: Ein Spagat ist perfekt, wenn beide Schenkel eine einheitliche Linie bilden, hier also Effizienz und Innovation. Im Idealfall ergänzen sich beide hervorragend. Innovation ist nie ein Selbstzweck, sondern eröff-net entweder Märkte mit neuen Dienstleistungen und Services oder ist gleichzeitig oder ausschließlich ein Effizienzmodell. Wer konsequent auf Prozessqualität setzt, kann sowohl eine Ef-fizienzsteigerung als auch die Innovationsfähigkeit sicherstellen. Wie das funktioniert? Ganz klassisch kann man die Effizienz durch permanente Prozessverbesserungen steigern, indem man beispielsweise ein effizientes Vorschlagswesen einführt. Hier spielen auch Social-Media-Angebote eine große Rolle. Früher hatte man ein betriebliches Vorschlagswesen. Bei der DATEV eG wird seit längerem eine Art Schwarm intelligenz genutzt, um Ideen zu Prozessverbesserungen in einem Innovationspool, dem DATEV Innovation Pool (DIP), zu sammeln. In diesem Pool werden Lösungsvorschläge diskutiert und weiterentwickelt. Das nutzen mittlerweile viele Unternehmen. Um Innovationsfähig-keit im Unternehmen zu fördern, sind nicht mehr eine gute Bezahlung oder gute Sozialleistungen entscheidend, das wird heute ohnehin vorausgesetzt. Entscheidend ist die gestellte Auf-gabe, die Herausforderung, etwas Neues zu schaffen oder im Team an einer neuen, herausfordernden Aufgabe mitzuwirken. Diese Motivation muss von „innen“ heraus kommen. Es ist zudem sehr wichtig, den Teamgeist zu fördern, wie wir es aus dem sportlichen Bereich zur Genüge kennen. Erfolge müssen gemeinsam gefeiert werden, dies stärkt den Teamgeist. Darüber hinaus muss der Arbeitgeber sich als „Marke“ entwickeln, damit sich der Mitarbeiter mit einer solchen Arbeitgebermarke iden-tifizieren kann. Diese kann nur von den Mitarbeitern selber, also von innen heraus entwickelt und getragen werden. Wenn man Menschen in eine Form „presst“ oder sie zu eng führt, wird dies keine Innovationen fördern. Marketing an Hochschulen ist ebenfalls wichtig, um auf diesem Wege innovativ denkende Hochschulabsolventen für das Unternehmen zu gewinnen.

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DMR: Aber was sind die Erfolgsfaktoren und was muss die Unter­nehmenskultur hier bieten, auch vor dem Hintergrund einer Viel­zahl verschiedener Kulturen?

M. Leistenschneider: Leider gibt es kein Erfolgsrezept für In-novationskultur, sonst hätten wir längst die bedingungslose Be-geisterungsfähigkeit einer Silicon-Valley-Struktur gepaart mit dem grundsoliden „Made in Germany“. Trotzdem: Die Rah-menbedingungen sind entscheidend. Vor allem gilt, dass gut ausgebildete Fachleute uns in eine hochfrequente Datenland-schaft, in die wettbewerbsfähige Industrie 4.0 und das Themen-feld Big Data führen. Daher brauchen wir einen gesunden Mix aus Bildung, Forschung und die Unterstützung neuer Ideen. Darüber hinaus wird die Innovationsfähigkeit von der Kun-denzufriedenheit und der Qualität im Service fundiert. Diese Verbindung muss die Unternehmenskultur unterstützen. In den Unternehmen brauchen wir eine positive Fehlerkultur anstatt eines defensiven Absicherns. Man sollte mehr Mut für Bauch-entscheidungen haben dürfen. Nach außen hin sollten Kunden frühzeitig in Entwicklungen mit einbezogen werden. Gremien wie ein Geschäftskundenbeirat oder ein Vertreterrat sind wich-tig für die Meinungsbildung auf Führungsebene. Damit ist nicht gemeint, dass Kunden Produkte und Dienstleistungen bewerten sollen, die schon marktreif sind. Wichtig ist, dass die Kunden den Zeitraum von zwei bis fünf Jahren betrachten und dazu ihre Erwartungen und Bedürfnisse für ihr Unternehmen artikulieren. Alles, was zeitlich darüber hinausgeht, gehört zum Bereich Forschung und Entwicklung. Zudem sollten Vorstand und Geschäftsleitung ihre Vorbildfunktion ernst nehmen. Ins-gesamt passt das Bild eines Getriebes, indem es große und kleine Zahnräder gibt. Die verschiedenen Zahnräder haben zwar ver-schiedene Aufgaben, aber alle hängen zusammen. Ich habe mich als Vorstandsmitglied immer als ein solches Zahnrad in einem großen Getriebe gesehen und von Entwicklungen am Markt und Trends antreiben lassen, diese aber auch weitergegeben an das Unternehmen. In diesem Zusammenhang hat es natürlich Entscheidungen gegeben, die man heute so nicht mehr treffen würde, zum Beispiel beim Thema „Qualifizierte elektronische Signatur“ als Pendant zur eigenhändigen Unterschrift: Im Steuer berater-Umfeld hängt sehr viel von Unterschriften ab. So war es in der Papierwelt bisher ein „Muss“, Steuererklärungen eigenhändig zu unterschreiben. Ich war damals der Ansicht, dass papierbasierte Prozesse mit Unterschriften zwangsweise 1:1 in die digitale Welt umgesetzt werden müssten. Ich musste dann aber erkennen, dass dies doch keine große Zukunft ha-ben wird, nachdem die Finanzverwaltung plötzlich Steuererklä-rungen ganz ohne Unterschrift akzeptiert hat. Wir haben aber

Michael Leistenschneider studierte Betriebswirt-schaftslehre an der Universität des Saarlands. Er führt eine eigene Steuerberaterkanzlei und gehörte 20 Jahre lang dem Vorstand der DATEV in Nürnberg an, wo er für die Produktion, den Einkauf und die Finanzen

verantwortlich war. Er verfügt heute über Mandate in zahlreichen Vorständen, Aufsichtsräten und Beiräten

und ist derzeit Vizepräsident der Steuerberaterkammer Saarland, Mitglied im Vorstand des Deutschen Wissen-

schaftlichen Instituts der Steuerberater (DWS) sowie im EDV-Ausschuss der Bundessteuerberaterkammer.

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DMR: Welche Rolle spielt in diesem Kontext das Management und welche Qualifikationen muss es mitbringen?

M. Leistenschneider: Heute ist Irrationalität Alltag. Die An-forderungen an jeden Manager sind daher enorm gestiegen. Sie müssen international denken, zugleich deutsch fühlen und da-bei überaus effizient handeln. Moderne Unternehmen stemmen dies oft mit einer neuen Führungskultur des Miteinanders in-nerhalb ihrer Häuser. Transparenz ist hier ein wichtiger Faktor. Das Management muss aber auch den Blick über den Tellerrand richten und Politik und Gesellschaft beachten. Ein Manager muss zu 90 Prozent strategisch und höchstens zu 10 Prozent operativ tätig sein, er muss für die Mitarbeiter als Vorbild und Motivator gleichzeitig agieren. Nach außen sollte er bestens ver-netzt sein. Wichtig sind neben den fachlichen Skills eine gute Menschenkenntnis und ein gutes Bauchgefühl, damit letzten Endes gute Entscheidungen getroffen werden können.

DMR: Große Telekommunikationskonzerne bewegen sich mit recht starren Strukturen und einer großen Workforce in einem sehr dynamischen Wettbewerbsumfeld. Wie können diese den Weg zu mehr Agilität und Flexibilität gehen?

M. Leistenschneider: Mit modernen Arbeitskonzepten, die ein Gefüge schlagkräftig gestalten, intern die Kommunikation stär-ken, den Austausch und die Ideenlandschaft fördern. Kunden und Partner müssen an der Prozessentwicklung aktiv beteiligt werden. Der harte Wettbewerb fördert heute Effizienzsteige-rungen, die in der Regel zulasten des Kunden gehen, insbeson-dere im Bereich des Service.

DMR: Welche Rolle spielt in diesem Umfeld das Thema Partner­schaften?

M. Leistenschneider: Eine sehr wichtige Rolle, im Miteinan-der liegen Kraft und neue Chancen. Eine solide Partnerschaft kann beide Seiten in die gewünschte „Win-Win-Situation“ füh-ren. Allerdings dürfen nicht nur Innovation und Marktstärke zusammenfinden, sondern es muss eine gemeinsame Kultur entwickelt werden. Solche Qualitätspartnerschaften steigern die Innova tionsfähigkeit. Durch Systempartner kommt es zu einer höheren Flexibilität, einer Rückbesinnung auf Kernkompe-tenzen, einer sinnvollen Aufgabenverteilung und einer Integra-tion von Themen. Ziele können miteinander verschränkt wer-

dafür andere Produkte in diesem Bereich entwickelt, die vom Level nicht ganz so hoch aufgehängt werden, zum Beispiel die fortgeschrittene Signatur oder mIdentity-Sticks. Bei DATEV wird in diesem Zusammenhang nach wie vor eine „Besitz-und-Wissen-Policy“ verfolgt. Ein Passwort als Wissenskomponente reicht nicht aus, es braucht zusätzlich immer eine physische Besitzkomponente wie eine Smartcard oder einen Stick.

DMR: Können Sie konkrete Beispiele zur Sicherstellung der Inno­vationsfähigkeit nennen?

M. Leistenschneider: Der Blick auf unsere Automobilindustrie mit ihrer neuen Nähe zu Telco-Leistungen ist beispielgebend. Wir sind beim Thema der vernetzten Fahrzeuge im internatio-nalen Umfeld in einer hervorragenden Position. Die Grundlage für kommende Lösungen ist das schnelle Datennetz. Gerade haben sich in Dresden viele Wissenschaftler mit den Telcos, also Netzherstellern und Providern, gemeinsam eine Basis ge-schaffen, um 5G voranzutreiben. Hier stärken sich Industrien gegenseitig und das ist ein wichtiger Schlüssel für eine „Gigabit-Gesellschaft“.

DMR: Was können wir von Beispielen aus anderen Kulturkreisen, zum Beispiel der USA, Indien und China, lernen?

M. Leistenschneider: Landesgrenzen sind in der IT-Welt ein Relikt von gestern. Insellösungen gibt es nicht mehr. Ein Bei-spiel ist der Sharing-Trend: In den USA ist der Micro-Unter-nehmer, der mit der Sharing-Szene automatisch entsteht, aus der Wirtschaftskrise heraus eine willkommende Alternative gewesen und etablierte sich. In Shanghai unterstützt die Stadt-verwaltung hingegen vor allem Social Sharing, da diese riesige Stadt aus ihrer Struktur soziale Defizite eruiert hat. In Europa steht beiden Punkten ein soziales Netz entgegen, trotzdem ist Sharing ein Trend. Wir müssen lernen, die Mechanismen da-hinter zu verstehen, um diese im Sinne unserer Kunden und für unsere Angebote zu nutzen. Man muss generell Offenheit gegenüber unkonventionellen Lösungen und Perspektiven mit-bringen. Die Innovationskultur ist in den USA eine andere als in Europa. In den USA gibt es viele Start-ups, die kommen und gehen, da Venture Capital leicht zu bekommen ist. Die von den Banken getriebene Absicherungskultur macht das in Deutsch-land schwieriger. Allerdings wird Crowd Funding hier zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz für Banken.

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den. Zu vermeiden ist unbedingt eine Konkurrenzsituation mit Partnern. Und man muss sich auf Dienstleistungen fokussieren, weniger auf die Hardware. Zum Beispiel stellen Autofahrer sehr viel höhere Ansprüche an den Fahrservice als an das Equipment. Hier spielen Telekommunikationskonzerne eine entscheidende große Rolle. Wir hören heute häufig im Radio, dass man bei einem Stau auf der Autobahn nach der Echtzeitmessung des Senders zum Beispiel zehn Minuten länger für diese Strecke braucht. Diese Daten werden natürlich vom Telco-Provider er-zeugt, nicht durch die bordeigene Hardware des Autos. DMR: Was ist beim Partnering wichtig für den Erfolg?

M. Leistenschneider: Jede Partnerschaft ist ein Balance-Akt. Sie müssen Stärken vereinen und trotzdem Unternehmenskulturen stehen lassen, damit sich beide Seiten weiter entwickeln kön-nen. Ob eine gesunde Partnerschaft dann erfolgreich ist, hängt letztendlich an der Kundenakzeptanz des gemeinsamen Service, des Produkts oder der Effizienz, die sich daraus entwickelt. Wichtig sind langfristige gemeinsame Interessen und eine Nut-zengleichheit für alle beteiligten Partner.

DMR: Blicken wir in die nahe Zukunft: Wo sehen Sie die Heraus­forderungen im Telekommunikationsmarkt in den nächsten fünf bis zehn Jahren und was bedeutet das für die Aufstellung der Player?

M. Leistenschneider: Wir sind mitten in einer gewaltigen In-formationsrevolution. Mit Industrie 4.0 können wir künftig bedürfnisnah produzieren, mit Big Data unser Wissen enorm erweitern und mit schnellen Datennetzen neue Techniken ent-wickeln. Wir wachsen aber auch in eine „Gigabit-Gesellschaft“, die neue Trends und Techniken bewerten und testen wird und erst daraus eine gesellschaftliche Akzeptanz entwickelt. Das ist

spannend und birgt noch viel Diskussionsstoff. Wer die Inno-vationskraft der Telekommunikation kennt, der weiß, dass ein Zeitraum von fünf oder gar zehn Jahren ein sehr langes Zeitfen-ster für Prognosen ist. Da ist eher Zurückhaltung geboten. Sicher ist aber, dass jeder Player mit hoher Flexibilität und schlanken Prozessen gut beraten ist. Darüber hinaus ist es wichtig, das Ver-trauen der Kunden in die ICT und insbesondere in die Themen IT-Sicherheit und Datenschutz zurück zu gewinnen. Auch der Datenschutz selbst befindet sich im Wandel. Ein europäisches Datenschutzrecht zu etablieren ist äußerst schwierig und dauert noch lange. In Großbritannien ist es beispielsweise ganz anders als bei uns in Deutschland. Nach dem Bundesdatenschutz gibt es den Grundsatz der sparsamen Datensammlung, man soll nicht mehr Daten ansammeln als nötig. Wenn man nun aber die Themen Big Data und Big Data Analysis betrachtet, stehen diese dazu im Widerspruch. Hier muss man eine Regel finden. Wenn man sich einmal das Datensammeln aus evolutionstheo-retischer Perspektive anschaut, sieht man eindeutig einen Nach-teil: Facebook, Dating-Webseiten, Amazon & Co. bieten mir ja nur Freunde und Angebote an, die zu meinem Profil passen. Das führt doch zu einer Scheuklappen-Mentalität, weil ich nur noch mit Menschen verkehre, die eine Art Spiegelbild von mir sind. Die Evolution bringt das aber nicht weiter, wenn immer nur gleiches und gleiches zusammenkommt. Ich sehe die Gefahr, dass die Kreativität, der Geist und das Wissen auf der Strecke bleiben. Einen direkten Vergleich gibt es in der analogen Welt: Nach den Regeln von Rotary beispielsweise darf jede Berufs-gruppe in jedem Club nur ein einziges Mal vertreten sein. Da-mit möchte man die soziale Vielfalt fördern, um das beruflich-bedingte Scheuklappendenken abzulegen. So muss man sich sozial und geistig weiterentwickeln, davon lebt die Menschheit.

DMR: Wir danken Ihnen für das Gespäch.

Künstler haben unsere Themen neu interpretiert und unsere neue Webseite mitgestaltet.

Besuchen Sie uns unter: www.detecon.com

Transformation@Detecon

Wir stehen mit unseren Geschäftsfeldern

an einer der spannendsten Baustellen unserer Zeit:

Transformationskompetenz ist der kritische Erfolgsfaktor.

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Die digitale Transformation fordert eine neue Servicekultur

Wer dient, gewinnt

CU S TOMER

SUPPO R T

POS I TIVE

FRI E NDLY

INNO V ATIVE

PRE C ISE TIM E LY

Im digitalen Zeitalter sind Dienstleistungen ein entscheidender Wettbewerbs- und Wachstumsfaktor. Das verlangt nach einer

neuen Servicekultur, die von direkter Kundennähe und vernetzter Zusammenarbeit auf der Basis von ICT geprägt ist.

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as Mahatma Ghandi einst trefflich auf den Punkt brachte, ist heute aktueller denn je: „Der Kunde ist der wichtigste Besu-cher in unserem Hause. Er ist Ziel und Zweck unserer Arbeit. Er ist Teil unserer Aufgabe. Wir tun ihm keinen Gefallen, wenn wir ihm eine Dienstleistung erweisen. Er tut uns einen Gefallen, indem er uns die Möglichkeit dazu bietet.“ Um diese wertvollen Möglichkeiten konkurrieren die Unternehmen. Das Web 2.0 hat die Position des Verbrauchers grundlegend verändert – er hat heute mehr Macht und Entscheidungsfreiheit und kann sich deshalb kritischer, selektiver und flexibler verhalten.

Dem Kunden dienen: jederzeit, überall, effizient und erlebnisreich

In überwiegend saturierten Märkten, in denen ein schier un-endliches Angebot auf eine begrenzte Nachfrage trifft, kann der Kunde seine individuellen Bedürfnisse selbstbewusst behaup-ten. Es sind weniger neue Produkte, auf die sich das Interes-se des Konsumenten richtet. Er strebt vielmehr nach Services, die seine Leistungserwartung voll und ganz erfüllen. Materielle Güter verlieren ihre Bedeutung, weil sie zunehmend standardi-siert sind – an ihre Stelle tritt der Zugang zu Dienstleistungen. Deshalb zielen auch Innovationen heute mehr auf die Verein-fachung von Lebensumständen und Alltagssituationen als auf die Verbesserung von Produkten.

Für Unternehmen wird es schwieriger, gestiegene Kundenan-sprüche permanent optimal zu bedienen. Sie sind zum tiefgrei-fenden Umdenken gezwungen. „Die Ware will lackiert sein. Der Käufer mit ihr. So gefällt ihm, was er sich gefallen lässt.“, hat es der Philosoph Ernst Bloch bereits vor Jahrzehnten präzise formuliert. Das heißt: Wer seinem Kunden am besten dient, hat die Nase vorn. Vor allem in gesättigten Industrien macht der beste Service den Unterschied. Die Erkenntnis ist nicht neu, der Weg zum nachhaltigen, erfolgreichen „Dienen“ jedoch steinig. Notwendig ist ein umfassender Perspektivenwechsel, der sich nicht auf die Neuausrichtung von Strategien und Geschäftspro-zessen reduzieren lässt, sondern als Kulturwandel innerhalb der gesamten Wertschöpfung zu begreifen ist: Die Sicht des Kunden einnehmen, sie verinnerlichen und die Geschäftsbeziehung aus diesem Blickwinkel heraus gestalten. Eine Herausforderung, die sich in der digitalen Epoche mit ihrem rasanten Innovations-tempo als komplex erweist.

„Touch ist Trumpf“1

Unter einer Servicekultur ist das gelebte Verhalten bei der Er-bringung von Dienstleistungen für Kunden zu verstehen.2 Aber wie sind Dienstleistung und Servicekultur in der heutigen Zeit charakterisiert? Der Ökonom Peter F. Drucker erkannte bereits lange vor der digitalen Transformation, worauf es essentiell an-

W kommt: „Kein Kunde kauft jemals ein Erzeugnis. Er kauft im-mer das, was das Erzeugnis für ihn leistet.“ Entscheidend ist es, Erlebnisse und positive Momente der Wahrheit mit einem bleibenden „Wow“-Effekt für den Kunden zu schaffen. Nur so kann es in Zeiten hohen Wohlstands gelingen, Kunden zu be-geistern und über längere Zeit an eine Marke zu binden. Das materielle Produkt nimmt mehr und mehr die Funktion eines „Vehikels“ oder eines Hubs ein. Wer heute beispielsweise einen Laufschuh des weltweit führenden Sportartikelvermarkters er-steht, dem eröffnet sich gleichzeitig der Zugang zu einer mul-timedialen Plattform mit einem vielseitigen Dienste-Angebot, von der Laufcoach-App bis hin zu individuell zugeschnittenen Musik-Playlisten für den Sport. Die Liste der Beispiele lässt sich beliebig fortsetzen. Was allen gemein ist: Entscheidend ist das Erleben, nicht das Gebrauchen. Erleben hat etwas mit Berühren zu tun, Erlebnis entsteht durch positives Ansprechen der Sinne – daher der Begriff „Touchpoint“, der den Berührungspunkt zwischen Kunde und Unternehmen bezeichnet. Die digitale Transformation hat zahlreiche neue Touchpoints wie Web Ser-vices, Social-Media-Plattformen und Mobile Apps geschaffen, an denen der Kunde die Leistung und ihren Anbieter real erlebt.

Die Vision einer modernen Servicekultur muss es sein, an jedem frei auswählbaren Touchpoint den Kunden zu berühren – positiv, individuell und mit dem gewissen Etwas, das den Moment der Wahrheit, die „Lackierung“ im Bloch’schen Verständnis liefert.

Servicekultur fängt im Unternehmen an

Leitlinien und Ziele sind rasch entwickelt. Doch wie ist eine neue Servicekultur dauerhaft wirksam umzusetzen, in einer Zeit, in der Kunden unberechenbar und wechselfreudig sind? Ein wichtiger Schlüssel liegt darin, Service und Dienen nicht nur für den Kunden, sondern auch für die Mitarbeiter inner-halb des Unternehmens erlebbar zu machen. Das bedeutet, dass die ausgegebene Dienstleistungsstrategie nicht nur für den Kun-den gilt, sondern auch im Unternehmen selbst umgesetzt wird. Wenn Fachbereiche und Mitarbeiter sich gegenseitig als interne Kunden verstehen und wertschätzend behandeln, dann stehen die Chancen gut, dass eine Servicekultur auch nach innen ent-steht und in „Fleisch und Blut“ übergeht. Dienen beschränkt sich nicht auf den Kunden, sondern beginnt bei Kolleginnen und Kollegen. Das Erlebnis, welches dem Kunden zuteil wer-den soll, muss aus dem inneren Organismus des Unternehmens kommen.

Ein hervorragendes Beispiel hierzu ist „Fish!“, das seinen Ur-sprung auf dem weltberühmten Pike Place Fischmarkt in Seattle hat. Dort beschlossen die Fischhändler eines Tages, den tollsten Job der Welt zu haben. Eindrücklich demonstrieren sie, wie dy-namisch, motiviert und lustvoll man mit ganzem Herzen seine

1 Kühne, Studie, Gottlieb Duttweiler Institut, 20112 www.4whatitis.com

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Kunden begeistern kann. Die „Fish!“-Strategie3 beschreibt in vier einfachen Regeln, worauf es ankommt, um Service-Spirit von innen nach außen zu tragen:

1. Spaß an der eigenen Arbeit haben! 2. Anderen Freude bereiten wollen! 3. Jeden Moment präsent sein! 4. Die eigene Einstellung wählen! Der Unterschied zu früher: Diese Kür ist heute zur Pflicht ge-worden!

Vom Wertschöpfungsmodell zum digitalen Diensteistungsnetzwerk

Welche Rahmenbedingungen braucht eine Servicekultur? Im klassischen Wertschöpfungsmodell ist der Kunde Endpunkt einer Abfolge von einzelnen Produktionsprozessschritten. Sein Stellenwert sowie die Art seiner Behandlung sind nicht selten ebenso technokratisch wie das Wertschöpfungsmodell selbst. Im Netzzeitalter hat dieses Modell definitiv ausgedient. Wir sprechen heute nicht mehr von Wertschöpfungsketten, son-dern verstehen Unternehmen als digitale Dienstleistungsnetz-werke, in denen der Kunde den zentralen Dreh- und Angel-punkt bildet.

Die digitale Dimension nimmt darin eine tragende Rolle ein. Das Prozessdenken weicht der Vernetzung von Unternehmen, Kunde und Produkt. Jeder Fachbereich kollaboriert mit jedem anderen im laufenden Geschäft, um dem Kunden optimal zu dienen. Vernetztes Zusammenarbeiten ist die Bedingung dafür, eine unternehmensweit tragende Servicekultur zu verankern. Waren es früher ausschließlich Marketing, Vertrieb und Service, die sich um den Kunden kümmerten, hat dieser heute für nahe-zu alle Fachbereiche Priorität. An die Stelle der herkömmlichen Hierarchie tritt eine projektorientierte Organisation in dyna-misch wechselnden Konstellationen. Konstant bleibt hingegen

Quelle: Detecon

Abbildung: Vom klassischen Wertschöpfungsmodell zum digitalen Dienstleistungsnetzwerk

MarketingAusgangslogistikProduktion

PersonalKundeVertrieb

ServiceProcurementEingangslogistik

www.youtube.com/watch?v=xI1MYdmlbvM

3 Fish! Ein außergewöhnliches Motivationsbuch, Lundin, Paul, Christensen, 2003

Servicekultur

Vernetzung

Infrastruktur

KLASSISCHES WERTSCHÖPFUNGSMODELL DIGITALES DIENSTLEISTUNGSNETZWERK

Personal

Technologieentwicklung

Procurement

Eingangs-logistik

Produk-tion

Ausgangs-logistik

Marketing und

Vertrieb

Kunden-dienst

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die Maxime: Zum besten Wohle des Kunden! Als Enabler dieses Zusammenspiels fungiert die Informations- und Kommunika-tionstechnologie.

Die inhaltliche Konzeption einer Servicekultur ist für jede Branche und jedes Unternehmen so individuell wie die Kunden selbst. Dennoch sind drei zentrale Prinzipien wichtig, auf deren Säulen Servicekulturen heute und in Zukunft getragen werden: Vernetzen, Teilen und Kollaborieren.

Vernetzung: Die natürliche Grenze zwischen Unternehmen und Kunde löst sich zugunsten einer virtuellen Verbindung auf. Das schließt auch die Produktwelt mit ein, zum Beispiel in Form mobiler Endgeräte als Interaktionsplattform. So entsteht das Dienstleistungsnetzwerk, in das der Kunde ungleich stärker in-volviert ist als im alten Wertschöpfungsmodell. Möglichst viel Berührung wird hergestellt, um den Kunden besser kennen zu lernen, mehr Wissen über ihn, aber auch von ihm zu erfahren. Sein subjektives Feedback ist die entscheidende Messlatte, an der der Erfolg einer Leistung auszurichten ist. Damit wertvolle Informationen möglichst breit ins Unternehmen hineinfließen und verwertbar gemacht werden, sind alle Fachbereiche Teil des Netzwerks. Auf diese Weise wird der Kunde mit seinen Präfe-renzen und Besonderheiten im Laufe der Zeit transparenter und verständlicher. Leistungen werden im kontinuierlichen Verbes-serungsprozess über alle Bereiche zielgerichtet angepasst. Die Kundenperspektive geht auf diese Weise kontinuierlich in die DNA des gesamten Unternehmens über. Über das Spektrum der digitalen und persönlichen Servicekanäle funktioniert die Vernetzung mit dem Kunden, nach innen stellen zum Beispiel Social Intranets und Team Communities den Kommunika-tionsfluss sicher.

Teilen: Moderne Servicekulturen leben vom zirkulierenden In-formationsaustausch. Umfangreiches Wissen und Meinungen sind Motoren zur Weiterentwicklung der Beziehung mit der Kundschaft und zur Reifung einer Servicekultur. Bedürfnisse und Präferenzen sind nur dann adäquat präzise zu erfüllen, wenn jeweilige Zielgruppen den Anbieter an ihren besonderen Wünschen teilhaben lassen – je detaillierter, desto erfolgverspre-chender. Ziel ist es, gewonnene Erkenntnisse über den Kunden kontinuierlich in seinem Sinne zu nutzen und die Leistung für ihn daran wiederum zu optimieren. Gleichzeitig wird die Rück-kopplung in Richtung Kunde verbessert und sein Wunsch nach Einfachheit, Schnelligkeit und Transparenz bedient.4 Feed-back Communities und soziale Netzwerke sind beispielhafte Plattformen, die das Teilen mit dem Kunden ermöglichen.

Innerhalb des Unternehmens ist Wissen zentral zu managen, statt es auf den Inseln von Fachbereichen zu horten. Die ge-samte Organisation profitiert von einer schnelleren Problemlö-sung und effizienteren Zusammenarbeit durch den Abbau von Schnittstellen-barrieren. Über Team Rooms oder Projekt Com-munities ist das interne Teilen zu organisieren.

Kollaborieren: In zeitgemäßen Marketing-, Vertriebs- und Servicestrategien hat der Kunde eine grundlegend neue Rolle bekommen. Er ist nicht mehr reiner Empfänger von pauscha-len Angeboten im Sinne des Push-Prinzips, sondern wird direkt an der Leistungserbringung beteiligt. Möglich ist dies durch die neuen Touchpoints, die die digitale Transformation hervor ge-bracht hat. Der Kunde nimmt Leistung nicht nur in Anspruch, sondern bringt sich in C2C-Foren selbst als Service-Experte für andere Nutzer ein. Oder er übernimmt seine Anliegen selbst mit Hilfe von digitalen Self-Services. Als Produktkenner platziert er Innovationen in Produktforen. So wird der erforderliche perma-nente Zugriff auf Dienste realisiert.

Gleiches gilt für die Zusammenarbeit innerhalb der Unterneh-mensorganisation. Kollaboration in Projekten hebt Silo- und Hierarchiedenken auf, die Arbeit an zentral abgelegten Doku-menten und Many-to-Many-Kommunikation beschleunigen Arbeitsprozesse, Ergebnisse können schneller geliefert werden.

Fazit: Servicekultur fängt nicht beim Kunden, sondern im Un-ternehmen an. Nur das, was in der Organisation mit Selbst-verständnis praktiziert wird, kann auch auf Dauer erfolgreich nach außen transportiert werden. Digitale Technologien sind die Enabler für Dienstleistungsnetzwerke, in denen Grenzen abgebaut und multidirektional zusammen gearbeitet wird. Da-bei liegt die Zukunft nicht in einer radikalen Digitalisierung, sondern im ausgewogenen, harmonischen Zusammenspiel von Mensch und Technologie. So gelingt, was ein römischer Dich-ter schon vor über 2000 Jahren erkannte: „Wer klug zu dienen weiß, ist halb Gebieter“.

4 Customer Self­Services. Effizienz und Kundenbindung im Zeitalter der digitalen Transformation, Penkert, Eberwein, Salma, Krpanic, Detecon­Studie 2014

Höchste Servicekultur in einem Fünf-Sterne-Hotel fällt keinesfalls vom Himmel. Dahinter steht ein gutes Management mit einer klaren

Vision und einem zielgerichteten Konzept. Thies-Christian Bruhn leitet das Kempinski-Haus in Portoroz und gibt Einblicke in seine

Philosophie sowie in die Herausforderungen, die er im Hinblick auf die Etablierung einer Servicekultur zu bewältigen hat.

„Grundvoraussetzung für guten Service ist die Persönlichkeit

des Mitarbeiters“

Interview mit Thies-Christian Bruhn, General Manager, Kempinski Palace Portoroz

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DMR: Eine neugierige Frage vorweg: In der Hotelerie findet man häufig Deutsche im Management, insbesondere in der Anfangsphase von Hoteleröffnungen. Wie ist dies bei Ihnen gelaufen? T.-C. Bruhn: Ich bin seit 23 Jahren bei Kempinski Hotels, in Sachen Betriebszugehörigkeit also einer der Dinosaurier. Als wir 2008 hier den Managementvertrag unterschreiben haben, über-gab mir der CEO von Kempinski die Eröffnung des Hotels, da ich die Kempinski-Standards kenne. Uns war von Anfang an klar, dass wir jetzt erst einmal unsere internen Experten und Spezialisten aus Deutschland und auch dem Ausland in dieses Hotel bringen müssen, um den geforderten Servicegedanken zu implementieren.

Die Deutschen sind vor allem in der Autoindustrie und in der Hotellerie gut. Wenn man sich die Fünf-Sterne-Hotels weltweit anschaut, werden 60 bis 65 Prozent von deutschen Hoteldirek-toren geleitet. Der Grund hierfür liegt in der Ausbildung – in der dreijährigen Lehre lernt man alles von der Pike auf an. In den ersten zwei Jahren hier in Portoroz haben mir verstärkt Kol-legen aus Deutschland und Österreich geholfen, die Kempin-ski-Standards zu implementieren und die neuen Mitarbeiter zu trainieren. Nach und nach haben wir dann einheimische Mit-arbeiter, die diese Servicegedanken sehr schnell aufgenommen haben, in führende Positionen gesetzt. Jetzt bin ich der einzige Deutsche, der hier arbeitet. DMR: Sie haben das Thema Servicekultur und Standards ange­sprochen. Wie ist das bei Kempinski organisiert? T.-C. Bruhn: Wir sind eine europäische Hotelgruppe mit Gründung in Deutschland, die älteste Hotelgesellschaft der Welt im Fünf-Sterne-Segment. Natürlich haben wir über die letzten Jahre gemeinsam Standards mit unseren Spezialisten erarbeitet, beispielsweise im „Food & Beverage“-Bereich oder auch im „Rooms Division“-Bereich. Allerdings wurde uns nicht alles von der Zentrale in Genf aus vorgegeben. Wir haben vieles auf Hotel- und General-Manager-Ebene erarbeitet. Unsere Phi-losophie ist, dass wir von der „Hardware“ her eine Gruppe von individuellen Hotels sind. Das Adlon sieht von der Einrichtung und Architektur her anders aus als mein Hotel in Portoroz, mein Hotel sieht anders aus als das Vierjahreszeiten in Mün-chen, das Vierjahreszeiten sieht wieder anders aus als das At-lantik in Hamburg. Trotzdem muss der ankommende Gast das Gefühl haben, dass der Servicestandard überall der Gleiche ist und natürlich auch den Erwartungen an ein Fünf-Sterne-Hotel entspricht. Um dies zu gewährleisten, haben wir beispielsweise zwei Mal im Jahr interne Quality Checks. Ein „Gast“ checkt ein und bewertet Anreise, Room Service, Spa Treatments, Fitness-

Bereich, House Keeping, den Service in den einzelnen Restau-rants – also wirklich alles von A bis Z. Nach drei Tagen gibt er sich bei mir zu erkennen. Wir gehen dann jeden einzelnen Punkt durch und analysieren alles konstruktiv.

Dieses regelmäßige Feedback wird von mir mit meinen Abtei-lungsleitern ausgewertet und ist immer sehr hilfreich, unsere Standards noch weiter zu verbessern. Natürlich ist es auch von Vorteil, dass ich im Haus lebe, dadurch sehe ich sehr viel und kann mit meinem Team sofort sprechen und reagieren. DMR: Worauf achten Sie besonders? Haben Sie Kriterien festge­schrieben, wie Sie guten Service für sich definieren? T.-C. Bruhn: Grundvoraussetzung ist für mich die Persönlich-keit des einzelnen Mitarbeiters. Deswegen möchte ich jeden, der für dieses Hotel arbeiten möchte, persönlich kennen lernen. Aufgrund meiner langjährigen Erfahrung merke ich innerhalb von Minuten, ob jemand ins Team passt oder nicht. Das hat sich bewährt. Wenn die Freundlichkeit am Gast da ist, ist das schon einmal mehr als die halbe Miete. Die Standards kann man lernen, aber eine gewisse emotionale Intelligenz auch ge-genüber dem Gast ist eine Voraussetzung, die einem der liebe Gott oder die Eltern in den frühen Jahren mitgeben. Man kann dies später nicht mehr lernen. DMR: Also stehen Sie hinter dem Ansatz „hire for attitude, not for skills“? T.-C. Bruhn: Ja, die Attitude ist mir sehr wichtig. Deswegen führe ich auch keine Telefoninterviews, da ich die Mitarbeiter persönlich kennen lernen möchte. DMR: Die Fluktuation ist in der Hotellerie­Branche eher stark ausgeprägt. Wie ist das bei Ihnen im Hotel? T.-C. Bruhn: Fluktuation erlebe ich hier kaum. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Mitarbeiter aus Ländern, die aus dem Sozialismus kommen, nicht so mobil sind wie Mitarbeiter aus Westdeutschland oder Österreich. Ein Münchner fragt natürlich schon irgendwann, wie für ihn die Reise weitergeht. Mitarbeiter aus den neuen Bundesländern habe ich damals kaum dazu be-wegen können, mit mir hierher nach Slowenien zu gehen. Von zehn Mitarbeitern, die ich damals gefragt hatte, kam nur einer mit, um das Hotel hier gemeinsam mit uns zu eröffnen. Die anderen waren doch familiär und mit ihrer Heimat sehr stark verwurzelt. Das Gleiche erlebe ich jetzt hier in Slowenien. Die Slowenen sind kaum bereit, für einen längeren Zeitraum nach China oder Middle East zu gehen.

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Da wir nur fünf Monate Saison haben, von Mai bis Septem-ber, schicke ich danach viele Mitarbeiter aber dennoch als „Task Force“ in andere Kempinski Hotels, zum Beispiel nach St. Moritz oder Kitzbühel, wo dann natürlich die Hauptsaison beginnt. In den Monaten November, Dezember und Januar sinkt bei uns die Belegungsrate, im Februar schließen wir das Hotel sogar für einen Monat. Dieser Task Force Support ist dann für unsere slowenischen Mitarbeiter aber auch ok, da es ein begrenzter Zeitraum von zwei, drei Monaten ist. Im April oder Mai kommen sie wieder zu uns zurück. Somit haben sie aber auch die Möglichkeit, andere Kempinski Hotels kennen zu lernen und Erfahrungen zu sammeln. DMR: Bieten Sie dieses saisonale Job­Rotation­Programm in der gesamten Hotelgruppe an? T.-C. Bruhn: Ja. Das ist der Vorteil bei einer Hotelgruppe, ähnlich wie bei einem großen Konzern. Man kann Synergien nutzen, um die Personalkosten im Rahmen zu halten, und den Mitarbeitern die Möglichkeit geben, mehr zu lernen.

DMR: Sie hatten vorhin das Thema Mitarbeiterauswahl angespro­chen, ein beliebtes HR­Thema. Wie bestimmt sich Ihr Management? Sind das Mitarbeiter, die im Rahmen Ihres Hotels gewachsen sind und von daher den gesamten Betrieb kennen, oder eher Menschen, die Sie von außen reinholen, um frischen Wind reinzubringen? T.-C. Bruhn: Ich habe den Vorteil, dass ich viele Abteilungs-leiter oder Executive Members aus anderen Hotels kenne. Für die sehr schnelle Eröffnung in nur sieben Monaten habe ich natürlich damals schon die besten aus unserem Umkreis ausge-sucht, um dieses Hotel entsprechend am Markt zu positionie-ren. Kontinuität ist in einem kleinen Land wie Slowenien mit nur zwei Millionen Einwohnern sehr wichtig, deshalb bin ich selbst schon seit sechs Jahren hier. Das Gleiche gilt für viele mei-ner Mitarbeiter. Es ist ja auch für Sie als Gast schön, eine gute Servicekraft jedes Mal wiederzusehen. Das ist sehr wichtig. Es gibt aber auch Destinationen, bei denen wir den Hoteldirektor alle zwei bis drei Jahre auswechseln, ebenso Abteilungen wie den Sales- und Marketingbereich, wo es von Vorteil ist, alle zwei bis drei Jahre frischen Wind rein zubekommen. Natürlich schaue

Thies-Christian Bruhn leitet seit 2008 als General Manager das Hotel Kempinski Palace Portoroz. In dieser Position verantwortet er einen Umsatz von acht Millionen Euro und ein Betriebsergebnis von 1,9 Millionen Euro. Seine Mission: Das Hotel auf einem profi-tablen „High-quality“ Level zu führen und gleichzeitig die zukünftige Positionierung des Hauses auszubauen. Seine soziale Verantwor-tung: Die Arbeitsplätze seiner 160 Angestell-ten zu sichern und neue Talente für Kempinski anzuwerben.

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ich bei neuen Bewerbungen auf die vorherige Arbeitsstelle und auf die Referenzen. Wir präferieren aber grundsätzlich interne Mitarbeiter, die schon eine Betriebszugehörigkeit zu Kempinski aufweisen können. DMR: Also versuchen Sie, in den kundennahen Bereichen mög­lichst Kontinuität zu bewahren? T.-C. Bruhn: Ja, in der Operations versuche ich, Kontinuität zu bewahren. Im Sales- und Marketingbereich weniger, auch, um neue Kontakte zu bekommen. Jeder Verkaufsdirektor, der neu für uns arbeitet, hat ja wieder neue Kontakte. DMR: Sie sagten, dass die Mitarbeiter gut in das Team passen müs­sen. Was zeichnet ein gutes Team aus? T.-C. Bruhn: Wir haben gerade für unseren Vorstand das Bud-get für das nächste Jahr erstellt. Da ich finde, dass die Bud-getdiskussion keine „One Man Show“ des Hoteldirektors ist, habe ich mein Executive Team dazu eingeladen. In zahlreichen, langen, konstruktiven Meetings haben wir die Ziele gemeinsam festgelegt. Es ist wichtig, dass jeder das Gefühl hat, mit im Boot zu sitzen und an den Entscheidungen beteiligt zu sein.

Nach meiner Philosophie ist es auch immer besser, eine Ent-scheidung zu treffen, als gar keine zu treffen, selbst wenn es manchmal die falsche ist. Insofern sind meine Mitarbeiter be-fähigt, Entscheidungen zu treffen. Da ich ja hier im Haus lebe, hat mich am Anfang häufig die Rezeption angerufen und ge-fragt, welche Rate sie bestimmten Gästen geben dürfen. Darauf habe ich immer zurückgefragt, was sie empfehlen würden, und ihnen versichert, dass ich damit zu 100 Prozent konform gehe. Es war ein Lernprozess für meine Mitarbeiter, dass ich Ihnen dort eine freie Hand lasse und sie Entscheidungen selber tref-fen können. Mir geht es genauso: Der Grund, warum ich für Kempinski arbeite, liegt in der sogenannten „Unshared Bottom Line Responsibility“, die ich für dieses Haus habe. Unser Prä-sident und CEO sagt ganz klar, dass jeder Hoteldirektor die Verantwortung für sein Hotel trägt. Das finde ich toll! Bei vielen amerikanischen Konzernen wie Ritz Carlton oder Four Seasons ist das ganz anders, denn dort ist alles sehr stark corporate ge-prägt und muss von dort freigegeben werden. Hier sind wir sehr unternehmerisch geprägt, das macht mir persönlich sehr viel Spaß, und das gebe ich gerne an meine Mitarbeiter weiter. Ich habe hier ein tolles Team und bin sehr stolz auf die Mitarbeiter. Wenn man sich die Ratings bei Trip Advisor oder Booking.com anschaut, sind wir eines der besten Kempinski Hotels. DMR: Bei Ihrer Mitarbeiterführung liegt also der Fokus darauf, den Mitarbeitern möglichst viele Freiheitsgerade zu lassen und ihnen die Möglichkeit zu geben, den Service selbst zu gestalten?

T.-C. Bruhn: Ja, aber das alles bewegt sich natürlich in einem bestimmten Rahmen. Zum Beispiel hat jeder Mitarbeiter einen bestimmten Betrag über den er verfügen kann. Auch der Portier. Wer das Gefühl hat, dass ein Gast unglücklich ist, hat einen Betrag von 150 Euro, um den Gast durch eine kleine Aufmerk-samkeit glücklicher zu machen. DMR: Kommen wir noch einmal auf das Thema neue Medien und Bewertungsportale wie Trip Advisor zurück: Was ist aus Ihrer Sicht das Hauptdifferenzierungsmerkmal, welches Sie in der Hotellerie wählen können? Es gibt Hotels wie Sand am Meer… T.-C. Bruhn: Wir haben eine klare Vision und Mission: Wir möchten das führende Lifestyle Ressort an der Adria werden. Ich denke, dass wir auch vom Preis-Leistungsverhältnis ziemlich unschlagbar sind. Zudem haben wir einen klaren Servicegedan-ken. Bewertungsportale wie Trip Advisor oder Booking.com werden für uns aber immer wichtiger. Wir merken das auch am Reservierungsaufkommen. Immer mehr Gäste buchen über diese Portale, weil es sehr einfach ist. Darüber hinaus habe ich ein internes Programm namens iFeedback, in welches Gäste po-sitive oder negative Kommentare zum Hotel abgeben können. Diese Rückmeldung bekomme ich innerhalb von einer Minute auf mein Handy und kann sie mit meinem Front Office Ma-nager und Guest Relation Manager sofort auswerten und ein Follow-up machen. Auch an der Rezeption steht ein iPad mit iFeedback – wir wissen sofort ohne Zeitverzögerung, ob der Gast zufrieden war oder nicht. DMR: Welcher Servicelevel steckt dahinter? T.-C. Bruhn: Wir reagieren sofort. Wenn der Gast schreibt, dass er kontaktiert werden möchte, weil zum Beispiel beim House-keeping etwas nicht geklappt hat, dann wird der verantwort-liche Abteilungsleiter direkt etwas unternehmen. DMR: Diskutieren Sie das Thema Service in regelmäßigen Zeitab­ständen in Ihrem Managementteam, um daraus konkrete Maßnah­men abzuleiten? Ist das standardisiert? T.-C. Bruhn: Ja, wir haben auch einen Trainingsmanager, der zu meinem Department Head Team gehört. Ich treffe meine Abteilungsleiter jeden Morgen um neun Uhr zu einem Briefing, in dem wir alles durchgehen: Welche Gäste reisen an und ab, welche technischen Probleme gibt es? Hier berichten unser IT-Manager ebenso wie unsere Spa-Managerin. Unser Trainings-manager schlägt vor, welche Trainings gemacht werden sollten. Das besprechen wir dann im Team und setzen es so schnell wie möglich um.

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DMR: Schnelligkeit ist gerade im Hinblick auf die Onlineportale ein großer Faktor. Werden die Einträge in diesen Portalen auch direkt gecheckt oder ist das etwas, was von der Zentrale kontrolliert wird? T.-C. Bruhn: Von beiden Seiten. Ich checke die Einträge täglich und werte sie aus. Das ist ein gutes Feedback, leider immer zeit-verzögert, da der Gast dann schon abgereist ist. Damit der Gast sofort die Möglichkeit hat, zurückzumelden und eine Reaktion zu erwarten, habe ich iFeedback eingeführt. Nichts destotrotz, Tripadvisor ist wichtig, gerade für Gäste, die noch nie in Slo-wenien waren. DMR: Wenn es in Richtung Anreize Ihrer Mitarbeiter geht, gibt es beim Performance Management KPI‘s, an denen die Mitarbeiter gemessen werden? T.-C. Bruhn: Ja, es gibt beispielsweise Mitarbeiter-des-Monats-Programme bei uns, für das die Department Heads mit dem Executive Team und mir die Performance besprechen. Wir nutzen auch hierzu das Programm iFeedback, in dem Mitar-beiter mit Namen genannt werden. Darüber hinaus haben wir ein internes Kempinski Satisfaction Survey, das wir detailliert auswerten.

Für den Mitarbeiter des Monats gibt es nicht nur eine Urkunde, sondern auch einen kleinen Bonus. Es gibt zudem jeden Monat ein GM‘s Breakfast, wo die Mitarbeiter einer Abteilung mit mir zusammen frühstücken. Diese Abteilungen rotieren. Das gibt Mitarbeitern die Möglichkeit, mit mir zu sprechen, ich habe die Möglichkeit, den Puls und die Stimmung zu fühlen. Ver-besserungsvorschläge kann jeder tagtäglich bei mir anbringen. Dafür muss man sich keinen Termin einholen, ich präferiere die Philosophie der offenen Tür. DMR: Dieses Mitarbeiter­des­Monats­Programm ist also ein zentraler Bestandteil. Ansonsten betrachten Sie Gesamtfeedbacks, die Sie mit Bezug auf jeden Mitarbeiter sammeln? T.-C. Bruhn: Exakt. Unser weltweites Kempinski Employeer Satisfaction Survey findet jedes Jahr im August statt. Hier wer-den 120 Fragen gestellt. Jeder Mitarbeiter bekommt für die An-meldung ein anonymisiertes Codewort. Dort werden verschie-dene Fragen gestellt, zum Beispiel zum Essen in der Kantine, zur Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen, zum Umklei-debereich, ob es persönliche Gespräche mit dem Hoteldirektor gibt und wie die Mitarbeiterzufriedenheit im Ganzen ist. Wir haben eine sehr hohe Mitarbeiterzufriedenheit von 86 Prozent. Das liegt deutlich über dem europäischen Standard bei uns im Konzern.

DMR: Wie wichtig ist es, eine Vision für die Company oder Ihr Team zu haben? T.-C. Bruhn: Eine Vision und Strategie zu haben, ist sehr wichtig. Als ich 2008 hierher kam und mich bei allen Hotel-direktoren vorgestellt habe, haben alle gesagt, dass Portoroz ein Selbstläufer ist, weil Urlauber aus Italien immer kommen. Allerdings war es noch nie meine Strategie, mich nur auf ei-nen Markt zu verlassen. Wenn nämlich ein Markt in die Krise geht, ist das wirklich schlecht. Deshalb haben wir schon sehr früh festgelegt, dass wir uns ebenfalls auf die deutschen und ös-terreichischen Gäste konzentrieren müssen. Da man hier gut mit dem Auto anreisen kann, macht dies Sinn. Und so ist es gekommen: 2008/2009 ist auch Italien in die Rezession gegan-gen, das italienische Geschäft ist hier in Portoroz um 35 Prozent eingebrochen. Wir haben es zum Glück durch einen Zuwachs von 45 Prozent bei den Österreichern und 30 Prozent bei den Deutschen auffangen können, weil wir damals schon die rich-tige Strategie ausgesucht haben. Deshalb sind wir mit Abstand das Hotel mit den besten Profits in Slowenien. DMR: Leitet sich die Formulierung Ihrer Vision aus der von Kempinski ab? T.-C. Bruhn: Natürlich, wir sind die älteste Fünf-Sterne-Luxus-gruppe, gegründet in Europa. Allerdings sagen wir ganz klar, wir möchten nicht mehr Hotels haben als die Gruppe alt ist. Das heißt, wir möchten nicht wie Hilton 500 Hotels haben, da man schnell den Überblick verliert und dann auch nicht mehr im Luxus-Segment tätig ist. Luxus ist für uns begrenzt und definiert in Europa. Wir möchten eine gewisse Qualität und Varietät bei der Architektur der Häuser bieten, der Servicegedanke in den Häusern soll der gleiche sein. DMR: Haben Sie das in bestimmten Missions verankert? T.-C. Bruhn: Ja, Kempinski Corporate hat das als Missions Statements verankert. Wir haben auch eine interne DNA. Wir möchten eine Hotelgruppe sein, die den unternehme-rischen Ansatz „Passion for European Luxury“ hat. Zudem sollten Innovationen und Traditionen kreiert werden („Creating traditions“), Mitarbeiter sollten „straight forward“ sein. Wir versuchen, Mitarbeiter zu finden, die diesen Grundsätzen zu-stimmen. Ich möchte, dass Mitarbeiter mir sagen, wenn sie Dinge anders sehen. Wenn ein Verkaufsdirektor immer nur Ja und Amen sagt und mir Recht gibt, dann ist das der falsche Ansatz. Es ist gut, eine Reflexion der Mitarbeiter zu bekommen, sich deren Meinung anzuhören und vielleicht auch umzusetzen. Ich bin für eine offene Kultur.

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DMR: Sie haben das Thema Innovationen angesprochen. Wie ge­staltet sich das Thema in der Hotellerie? Und welche Innovationen würden Sie in Zukunft in der Hotellerie sehen? T.-C. Bruhn: Vor ein paar Jahrzehnten war die Minibar eine wichtige Innovation in der Hotelerie, heute geht es mehr da-rum, was man IT-technisch umsetzen kann. Wir haben im Ho-tel ein Innovation-Team, das sich monatlich trifft. Hier werden dann neue Ideen besprochen und präsentiert und es wird darü-ber diskutiert, was entwickelt werden könnte, um unser Hotel noch effizienter und besser zu gestalten.

Die ausgewählte Idee wird dann ebenfalls an Kempinski Copo-rate geschickt. Ich schreibe pro Quartal einen Innovationsre-port an unseren Präsidenten und CEO. Dann werden die besten Ideen ausgesucht und gegebenenfalls auch in anderen Hotels implementiert. DMR: Werden diese Ideen international geteilt? T.-C. Bruhn: Ja, unbedingt. DMR: Werden die Guiding Principles, die Sie vorhin angespro-chen haben, genau formuliert und trainiert? T.-C. Bruhn: Ja, diese sind formuliert und werden auch trai-niert. Wir versuchen, bei den Einstellungskriterien darauf ein-zugehen, stellen dazu gezielte Fragen, zum Beispiel situative Fragen, wie der Bewerber mit einem bestimmten Problem um-gehen würde. DMR: Wie gehen Sie mit dem Thema „Fehler machen“ um? Haben Sie eine Fehlerkultur? T.-C. Bruhn: Wir arbeiten mit Menschen und Menschen ma-chen Fehler. Meine Mitarbeiter sollen lieber mal einen Fehler machen als gar keine Entscheidung treffen! Natürlich sollte man aus den Fehler lernen und sie vielleicht nicht wiederholen. Des-halb habe ich keine Probleme damit, wenn ein Mitarbeiter auch mal einen Fehler macht, solange er daraus lernt. DMR: Was ist Ihre beste und auch die schlimmste Erfahrung, die Ihnen zum Thema Service einfällt? Thies C. Bruhn: Wenn ich beispielsweise Lufthansa fliege, freue ich mich sehr, wenn ich bei 300 Passagieren mit Namen angesprochen werde. Das versuchen wir auch in unseren Hotels umzusetzen. Ich mag es nicht, wenn die Mitarbeiter in der Servicebranche unflexibel sind. Die Mitarbeiter müssen auf

Probleme schnell reagieren können, dafür brauchen sie auch eine gewisse Entscheidungsfreiheit. Negativ in Erinnerung ist mir ein Erlebnis aus dem Skiurlaub in St. Moritz: Dort gab es eine wunderschöne Hütte mit tollem Ausblick ins Tal, drei Strandkorbreihen standen bereit. Als ich signalisierte, dass ich gerne etwas essen würde, meinte eine Dame zu unserer Infor-mation, dass sie für die Strandkörbe in der ersten Reihe noch einmal 150 Schweizer Franken extra, in der zweiten Reihe 100 und für die dritte Reihe 80 Schweizer Franken berechnen wür-de. Das konnte ich überhaupt nicht verstehen. Man sollte lieber damit arbeiten, dass es eine Minimum Consumption gibt und man beispielsweise bei den Strandkörben in der ersten Reihe mindestens 50 Schweizer Franken verzehren muss. Einen Betrag extra aufzuschlagen finde ich nicht gut. DMR: Wo wollen Sie in den nächsten fünf Jahren mit Ihrem Hotel stehen? T.-C. Bruhn: Ich möchte auf jeden Fall hier sein, weil ich mich hier sehr wohl fühle. Ich könnte hier die nächsten 20 Jahre ar-beiten. Wir müssen in Portoroz jedoch noch an der Infrastruk-tur arbeiten. Meine Vision ist, hier einen Golfplatz zu haben. Dieser würde helfen, die Saison zu verlängern, und mehr Gäste anziehen, da man ganzjährig Golf spielen kann. Golfer geben natürlich Geld aus, wovon nicht nur die Hotels, sondern auch die Geschäfte profitieren würden. Wenn mehr Kaufkraft hierher kommen würde, würden die Shops aufgebessert, diese sind lei-der noch nicht auf einem Fünf-Sterne-Niveau. In der Gemeinde ist auch jeder für diesen Golfplatz. Ich dachte immer, dass in einem Land wie Slowenien mit nur zwei Millionen Einwohnern Entscheidungen sehr schnell getroffen werden. Das ist aber lei-der nicht der Fall, hier dauern Entscheidungsprozesse länger als in Deutschland. Wir arbeiten schon vier Jahre daran, die letzte Unterschrift vom Landwirtschaftsministerium aus der Haupt-stadt zu bekommen, um den Golfplatz zu bauen. Es fehlt häu-fig an einer Strategie, wie man das Land positionieren möchte, gerade im Tourismusbereich. Ich sehe die Zukunft in diesem wunderschönen Land mit viel Potenzial trotzdem sehr positiv.

DMR: Wir danken Ihnen für das Gespäch.

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Schwellen- und Entwicklungsländer sind mobil – eine gute Voraussetzung für die Entwicklungsarbeit. Denn Handy und Laptop bieten Zugang zu Informationen,

Wissen und Dienstleistungen. Und das verbessert den Entwicklungsstand weltweit.

ICT4Development

Wie Kommunikationstechnologien

die Welt verbessern können

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D ie Informations- und Telekommunikationsindustrie (ICT) verändert die Art und Weise, wie wir leben. Mit sieben Milliar-den Mobilfunkanschlüssen weltweit besitzt rein statistisch jede Person auf der Erde ein eigenes mobiles Endgerät, davon ent-fallen allein fünf Milliarden auf Bewohner in Schwellen- und Entwicklungsländer – somit sind diese heutzutage mobiler als die westlichen Märkte.

In Schwellen- und Entwicklungsländern kann ICT als Kataly-sator für einen radikalen ökonomischen und sozialen Wandel wirken, denn nun erhalten auch diese Länder die Möglichkeit, technische Entwicklungen aufzuholen, eine digitale Spaltung innerhalb des Landes zu verringern und Kommunikationstech-nologien zur Reduzierung von Armut einzusetzen. Dies funk-tioniert für Kleinbauern, denen aktuelle Preisinformationen per SMS angezeigt werden, für Mütter, die medizinische Berichte zu ihrer Schwangerschaft über ihr Mobiltelefon erhalten und Arbeitnehmer, die per mobilem Transfer ihren Lohn aus der Stadt zu ihren Familien aufs Land senden. Wahlen werden per Mobilfunk überwacht, und auch soziale Netzwerke spielen eine zunehmend wichtige Rolle bei der Demokratisierung von Nationen.

>> REVOLUTION durch ICT4D

Durch den Zugang zu modernen Kommunikationstechnolo-gien können zum ersten Mal in der Geschichte Millionen von Menschen weltweit verbunden werden. Das eigene Handy ist in vielen Fällen auch der erste Zugang zur Kommunikationstech-nologie. Während die westlichen Industrieländer die verschie-denen Technologiestufen nacheinander vom Festnetz über Fax, Handy bis hin zum heutigen Smartphone und Tablet erklim-men, überspringen Schwellen- und Entwicklungsländer immer häufiger einzelne Technologiephasen.

Die allgegenwärtige Konnektivität revolutioniert den Zugang zu Angeboten wie Informationen, Wissen und Dienstleistungen. Studien zeigen auf, wie mobile Technologien weltweit den menschlichen Entwicklungsstand beeinflussen, wie mobile An-gebote den individuellen Nutzer zu mehr Unabhängigkeit ver-helfen und neue Geschäfts- und Erwerbsmöglichkeiten bieten. Somit erweitern sie oftmals die Lebensgrundlage von weiten Bevölkerungsteilen, die zuvor von der formellen Wirtschaft ab-geschottet waren, und fördern die Wirtschaft als Ganzes.

>> GESUNDHEITSWESEN (mHealth)

Die Kommunikationstechnologie ist zunehmend in der Lage, den Gesundheitsdienst tiefgreifend zu verbessern – selbst in den abgelegensten und ärmsten Regionen der Welt. Daher nutzen immer häufiger Gesundheitsministerien, Unternehmen sowie NGOs mobile Technologien für die Verbesserung der lokalen Gesundheitslage und für die notwendige medizinische Versor-gung. Die mobilen Angebote helfen dabei, Krankheitsvorsorge zu treffen, Informationen zu speziellen Krankheiten zu liefern und ein Bewusstsein zu schaffen für eine gesündere Lebens-führung. Sie helfen aber auch in konkreten Krankheitsfällen, in dem sie Daten zur Behandlung verwalten und auswerten um die benötigte medizinische Behandlung besser abstimmen zu können.

So versenden Regierungen und NGOs in ersten gemeinsamen Projekten Gutscheine per SMS an schwangere Frauen, damit diese einen Krankenhausaufenthalt zur Entbindung bezahlen können und risikoreiche Heimgeburten vermeiden. Neuere Pilotprojekte gehen noch einen Schritt weiter: Das Projekt MDOT von der NGO „Danya“ beispielsweise nutzt video-fähige Handys, um die medizinische Behandlung von Tuber-kulose-Patienten zu überprüfen. Dies erlaubt Patienten, ihre Behandlungen auch von zu Hause aus durchzuführen und Krankenhausaufenthaltskosten zu sparen.

mHealth ist somit in der Lage, medizinische Versorgung mit Hilfe relativ geringer Ressourcen zu liefern. Dies ist auch für die Nutzer vorteilhaft, wenn beispielsweise aufwändige Reisen von abgelegenen Dörfern zu nächstgelegenen medizinischen Versor-gungsstätten durch Tele-Beratungen entfallen.

Humanitarian OpenStreetMap wiederum nutzt die Prinzipien von Open Source und teilt öffentlich all ihre Daten, um geo-graphisch nicht erschlossene Gebiete durch Freiwillige mit Hilfe von GPS zu erfassen. Diese Informationen können dann dabei helfen, Katastrophen und Krisen wie den Ausbruch der Ebola-Krankheit schneller zu erfassen, zu analysieren und ein-zudämmen.

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>> BILDUNG (mLearning)

Eine gute Bildung ist ein Schlüsselfaktor zu einem chancen-reicheren Leben und einer stärkeren Wirtschaft, denn das Ein-kommen einer Person erhöht sich statistisch um 10 Prozent mit jedem Schuljahr, das diese absolviert. Nutzung von ICT im Bildungswesen kann einen starken Einfluss darauf haben, wie Schüler unterrichtet werden und welche Informationen für Lehrer zugänglich sind, was wiederum die Qualität der Bildung erhöht. Mobiles Lernen erlaubt ein orts- und zeitunabhängiges Lernen. Lernen kann dabei auf unterschiedliche Weise erfol-gen: Manche nutzen ihre mobilen Geräte für digitale Bildungs-angebote, um sich mit anderen zu vernetzen oder Inhalte zu generieren. Mobiles Lernen erlaubt aber auch die Unterstützung von breiteren Bildungszielen wie die effektive Verwaltung von Schulsystemen und die verbesserte Kommunikation zwischen Schulen und Familien.

Nokia beispielsweise startete zusammen mit der UNESCO die Initiative „English Teacher“ in Nigeria, die teilnehmenden Lehrern täglich Bildungsinhalte und pädagogische Hilfestel-lung aufs Handy schicken, um das Unterrichten der englischen Sprache zu erleichtern. Diese Nachrichten sind in thematische Module aufgeteilt und beinhalten auch Bilder und Übungsauf-gaben für die Schüler.

Etwas bekannter ist das Projekt „One Laptop per Child“ der gleichnamigen Stiftung aus den USA, die das Ziel verfolgt, möglichst viele Kinder auf der Welt mit mobilen Computern zu versorgen, damit zumindest eine primäre Schuldbildung er-möglicht wird. Dafür wurde der 100-Dollar-Laptop entwickelt, der besonders robust und speziell auf Kinderbedürfnisse ausge-richtet ist und für den Einsatz im Schulunterricht in Schwellen- und Entwicklungsländer vorgesehen ist.

>> FINANZEN (mBanking)

Der Zugang zu mobilen Zahlungssystemen bedeutet für viele Menschen in Schwellen- und Entwicklungsländern die erste Erfahrung mit einem Konto beziehungsweise mit einer Bank. Sehr geringe Transaktionskosten bei Überweisungen per SMS bieten auch der ärmeren Bevölkerung die Möglichkeit, am for-mellen Wirtschaftsleben teilzunehmen. Somit werden mobile Zahlungssysteme zu einer wichtigen Infrastruktur, um für Bil-dung zu zahlen, Gehälter zu erhalten, Versicherungen oder auch Kreditverträge abschließen zu können.

In größter Geschwindigkeit verbreiten sich mobile Geldüber-weisungsmöglichkeiten, zum Beispiel M-Pesa aus einer Koope-ration von Vodafone mit Safaricom, in Schwellen- und Entwick-lungsländern. In Kenia nutzen mittlerweile über 80 Prozent der Erwachsenen das mobile Bezahlsystem. Dies führt dazu, dass mehr als ein Drittel des kenianischen Bruttoinlandsprodukts über das populäre mobile Zahlungssystem transferiert wird. Zwar ist die durchschnittliche Transaktionshöhe einer Über-weisung mit knapp 30 US-Dollar geringer als in westlichen Ländern, dafür konnte M-PESA bereits 2013 56 Millionen Transaktionen in einem durchschnittlichen Monat verzeichnen.

>> LANDWIRTSCHAFT (mAgriculture)

Eine wachsende Zahl an Studien belegt einen ökonomischen Mehrwert für Kleinbauern, die digitale Angebote nutzen, um ihre Produktivität und das Einkommen ihrer Betriebe zu ver-bessern. Weltweit sind über 2,3 Milliarden Menschen in Armut auf die Erträge von etwa 500 Millionen Kleinbauern angewie-sen. Diesen allerdings fehlt häufig der Zugang zu relevanten und aktuellen Informationen wie Wettervorhersagen sowie Wissen zu Anpflanzungstechniken, Ernteverwaltung und Schädlingsbe-kämpfung, was effizientes Bewirtschaften stark gefährdet.

Unzählige Dienstleister wie Farmerline in Ghana oder mFarm in Kenya bieten Kleinbauern einen besseren Zugang zu Marktdaten und Nachrichtendiensten, die per SMS oder App kostenpflichtig abonniert werden können. Preistransparenz hilft Kleinbauern dabei, durch aktuelle Marktpreise und durch einen direkten Kontakt zu Kunden auf Zwischenhändler zu verzichten und dadurch höhere Preise zu erzielen. Auch die Möglichkeit, in Gruppen zu agieren, lässt die Kleinbauern von besseren Preisen für Agrarhilfsprodukte profitieren sowie mit Großkunden einen regelmäßigen Absatz verhandeln.

59 Detecon Management Report blue • 2015

>> POLITIK (mGovernment)

Der verbesserte Zugang zu Kommunikationstechnologien kann auch die Beziehung zwischen Regierungen und der Bevölkerung intensivieren, indem Bürger eine aktivere Rolle übernehmen. Weltweit nutzen Bürger zunehmend mobile Anwendungen, um mehr Rechenschaft von Regierungen und mehr Transpa-renz auf Grund einer nie dagewesenen Ansprechbarkeit ein-zufordern. Regierungen nutzen ihrerseits die Möglichkeit, um durch mobile Technologien interaktive Angebote sowie Aus-tausch für interessierte Bürger zu schaffen. Der neue Aspekt von mGovernment liegt darin, dass Regierungen digital zugänglich gemacht werden, zu jeder Zeit, an jedem Ort, für jedermann. Gleichzeitig tragen innovative Produkte und Dienstleistungen in diesem Bereich dazu bei, Kriminalität zu verringern und eine Demokratisierung zu fördern.

In Indien, einem Land, in dem die Bewohner ein Drittel ihres Einkommens für Bestechungsgelder ausgeben, sorgt beispiels-weise die Handy-App „I Paid A Bribe“ für erhöhte Aufmerk-samkeit, mit der sich Bestechungsfälle schnell melden und transparent machen lassen. In Bangladesch pilotierte die Regie-rung in Kooperation mit der Weltbank eine Handy-Umfrage zu den von der Regierung subventionierten Solarhausanlagen in verschiedenen Dörfern.

Auch in Deutschland gibt es überparteiliche und institutionell unabhängige Internetplattformen, zum Beispiel Abgeordneten-watch.de, die Bürgern die Möglichkeit eröffnen, deutsche Abge-ordnete verschiedener Parlamente öffentlich zu befragen.

>> AUSBLICK

Heutzutage leben noch immer mehr als vier Milliarden Men-schen unterhalb der Armutsgrenze von neun US-Dollar pro Tag, gemessen in Kaufkraftparität, 1,2 Milliarden Menschen davon sogar in extremer Armut von weniger als 1,25 US-Dollar am Tag. Im Jahr 2001 wurden deswegen die Millennium-Ent-wicklungsziele in einer Partnerschaft zwischen der UNO, der Weltbank, der OECD und mehreren NGOs gemeinsam erar-beitet. Diese definieren acht weltweite Ziele für das Jahr 2015, um die extreme Armut bis dahin zu halbieren. Auch wenn be-reits große Fortschritte erzielt worden sind, so steht doch bereits ein Jahr vorher fest, dass nicht alle festgeschrieben Ziele erreicht werden können.

Nach wie vor sind 1,8 Milliarden Menschen unterernährt, über 800 Millionen Menschen weltweit haben nicht genug zu essen. 2,6 Millionen Kinder sterben jährlich an Unterernährung. Etwa einer Milliarde Menschen fehlt der Zugang zu Sanitäranlagen. Noch immer sterben etwa 300.000 Frauen weltweit während der Schwangerschaft oder bei der Geburt ihres Kindes. Lun-genentzündungen und Durchfallerkrankungen gehören zu den häufigsten Todesursachen bei Kleinkindern.

Der Kommunikations- und Technologiesektor wird sicherlich nicht alle globalen Probleme lösen können. Er wird aber im Kampf gegen Armut zukünftig eine immer bedeutendere Rolle spielen und in den oben beschriebenen Einsatzgebieten wirken.

60 Detecon Management Report blue • 2015

Pro-bono-Projekt mit Africa Rise e.V.

Wie die Digitalisierung die Bildung in Afrika

unterstützen kann

Im Zuge eines Pro-bono-Projektes hat ein Team aus jungen Consultants ein Fundraising-Konzept sowie eine digitale Kommunikations- und Interaktionsplattform für

die gemeinnützige Organisation Afrika Rise e.V. entwor-fen und implementiert.

61 Detecon Management Report blue • 2015

ie Digitalisierung eröffnet nicht nur Unternehmen, son-dern auch wohltätigen Organisationen, die auf breite Unter-stützung durch Interessenten und Spender sowie eine starke Vernetzung mit ihren Partnern angewiesen sind, eine Vielfalt an neuen Möglichkeiten. Mit dem Wunsch, diese stärker zu nutzen, ist die gemeinnützige Organisation Afrika Rise e.V. an das Volunteers & Ventures (V&V) Team der Detecon heran-getreten. Afrika Rise unterstützt eine Vielzahl an Initiativen in Uganda, für welche sie im Kernmarkt Deutschland Spenden generiert und ehrenamtliche Unterstützer gewinnt.

Zur maximalen Ausschöpfung der Potenziale entstand der Be-darf nach einem moderneren Fundraising-Konzept sowie einer Plattform, die die Kommunikation zwischen dem Verein, den Initiativen und Non-Governmental Organizations (NGO) vor Ort in Afrika, Interessierten sowie Spendern ermöglicht. Zu-sätzlich sollte die Basis für einen zukünftig geplanten sozialen Tourismus geschaffen werden, bei dem sich interessierte Besu-cher direkt vor Ort aktiv in den Projekten einbringen können.

Die Komplexität des Fundraisings

Spendentätigkeiten sind insbesondere in Deutschland ein durchwachsenes und komplexes Feld. Mit rund 4,7 Milliarden Euro stieg das deutsche Spendenvolumen zwischen 2012 und

D 2013 zwar um 13 Prozent an, verteilte sich jedoch auf über eine halbe Millionen Vereine und Stiftungen, wovon mehr als 30 Prozent an die 100 größten Organisationen gingen. Zudem ist ein Anstieg des Volumens fast ausschließlich dann zu verzeich-nen, wenn dramatische Ereignisse mit medialer Berichterstat-tung auftreten, wie es beispielsweise bei Flutkatastrophen oder Epidemien der Fall ist. Erschwerend hinzu kommt, dass sich ein Großteil der Bundesbürger unsicher über die Verwendung ihrer Spenden ist.

Handlungsfelder und Effizienzoptimierung

Aus diesen Erkenntnissen folgend wurden im Rahmen des Pro-jektes fünf strategische Handlungsfelder für das Fundraising erarbeitet, die sowohl die Effizienz optimieren als auch neue Bereiche aufzeigen sollen. Diese wurden auch beim Design der digitalen Systeme berücksichtigt:

• Übergreifend wird in erster Linie eine Professionalisierung der Aktivitäten angestrebt. Dies beinhaltet neben der Weiterver-folgung bereits erfolgreicher Methoden die Etablierung neuer Aktionsfelder. Hierunter fällt der Aufbau von Netzwerken und Partnerschaften, Nutzung von Crowdfunding-Plattformen so-wie die Nutzung von E-Commerce-Systemen für Charity Shop-ping.

62 Detecon Management Report blue • 2015

• Mitgliedschaften sind neben den reinen Spendentätigkeiten ein wichtiger Eckpfeiler wohltätiger Organisationen. Ein struk-turierter und effizienter Recruiting-Prozess erleichtert das Ge-winnen und Onboarding neuer Mitglieder.

• Wachsender Afrika-Tourismus und der Anstieg der deut-schen Spenden führen zu einem weiteren wichtigen Feld, dem sozialen Tourismus. In zwei- bis vierwöchigen Touren werden Interessenten durch das Land und die Kultur geführt und enga-gieren sich hierüber hinaus in sozialen Projekten vor Ort.

• Präsenz und Reichweite des Online-Auftrittes beeinflussen Spenden- und Mitgliedschaftsinitiativen massiv. Ein zeitge-rechtes Design, welches durch Einfachheit und konzentrierter Informationsdarstellung glänzt, ist unabdingbar. Gepaart mit Search Engine Optimization (SEO) Methoden können Reich-weite und erreichtes Publikum erheblich erweitert werden.

• Ein angemessenes Relationship Management mit Spendern kann über wiederholte Spendenaktivitäten entscheiden. Dabei können bereits einfache Elemente wie personalisierte Dankes-schreiben und Newsletter einen erheblichen Einfluss auf die Zu-friedenheit der Spender haben. Ein Maximum an Transparenz zur Minimierung der Unsicherheiten ist auf allen Ebenen zu gewährleisten.

Von der Theorie zur Praxis

Um die Handlungsfelder systemisch abzubilden, ermittelte das Team in einer Potenzial- und Portfolioanalyse zwei entschei-dende Hürden. Zum einen war sowohl ein integriertes System notwendig, welches die NGOs untereinander vernetzt, als auch ein externes Interface zur Öffentlichkeit. Zum anderen musste bei der Systemwahl auf eine möglichst kostengünstige Lösung zurückgegriffen werden, die einen hohen Nettodurchfluss der Spenden ermöglicht. Das Team wählte mit dem Kunden einen Systemmix aus drei Plattformen, die jedoch so vernetzt sind, dass sie teilautomatisiert Informationen erfassen, verarbeiten und interessentengerecht aufbereiten können.

Im ersten Schritt konnte Detecon salesforce.com als wichtigen Partner für den Kunden gewinnen. Dies ermöglicht nicht nur das Anlegen und Verwalten von Projekten, sondern schafft ein Maximum an Transparenz und bietet durch sozial-kommunika-tive Elemente einen herausragenden Austauschkanal zwischen den NGOs. Spender, interessierte Touristen und Voluntäre können in Datenbanken angelegt und über vollautomatisierte Elemente per Newsletter und Dankesschreiben kontaktiert wer-den.

Quelle: Detecon

HOMEPAGEVerbindungselement und Interface für Interessierte und NGOs

FORUMPlattform für den Austausch und die Interaktion zwischen NGOs, Afrika Rise und Interessierten

SALESFORCEDatenbank für die Nutzung und Verarbeitung aller nötigen Daten

Herausforderungen

Lösung

Beurteilung Ausgangssituation

Research

Potenzielle Handlungsfelder für Afrika Rise Bedeutung

Weiterentwicklung der Fundraising-Aktivitäten sowie Nutzung neuer Potenziale auf Online-Basis und Trends

Entwicklung und Aufbau eines Community-basierten Tourismus

Weiterentwicklung und Aufwertung der Home-page mit hohem Wiedererkennungswert und Verwendung als Informationsaggregator

Weiterverfolgung und Weiterentwicklung der Recruiting-Strategie für die Anwerbung neuer Mitglieder und Voluntäre

Motivation bestehender Spender zur Erhöhung ihrer Spendenbereitschaft

63 Detecon Management Report blue • 2015

Um die vorhandenen Aktivitäten und Projekte nach außen zu präsentieren, wurde mit einer Homepage ein zentrales Interface zur Öffentlichkeit geschaffen. Besucher haben dort die Mög-lichkeit, eine Übersicht zu den wichtigsten NGOs und zu ihren Projekten zu erhalten. Zusätzlich können sie sich unter Angabe relevanter Daten für Spenden, Projekte oder auch Tourismus-aktivitäten melden. Die Daten werden dabei sowohl zentral in salesforce.com eingespielt als auch aus salesforce.com ausge-lesen, so dass sie auf der Homepage präsentiert werden können.

Zur weiteren Vernetzung der NGOs mit der Öffentlichkeit wurde ein Forum auf phpBB3 Basis als Plattform in die Home-page integriert. Registrierte Mitglieder können sich zu allge-meinen Themen, Projekten, Produkten oder Dienstleistungen moderiert austauschen.

Einfachheit sichert Erweiterung des Konzepts

In der Wahl der Systeme und bei deren Implementierung ach-tete das Team auf eine einfache, verständliche und skalierbare Umsetzung, bei der es keiner außerordentlichen Fachkenntnisse der Anwender bedarf. So können neue Maßnahmen bereits in wenigen Minuten im System erweitert werden, so dass sich das Konzept auch auf andere Länder in Afrika ohne großen Auf-wand erweitern lässt.

Handlungsfelder aus der vorhergehenden Fundraising-Analyse: Professionalisierung Fundraising und wiederkehrende Spender: Anlegen von Spenderprofilen und Kampagnen in Salesforce sowie damit einhergehende Kommunikation (zum Beispiel Newsletter)

Sozialer Tourismus (Voluntourism): Anlegen und Verwalten der Datenbank für Interessenten und Volontäre an Tourismusaktivitäten sowie Veröffentlichung nötiger Informationen der NGOs

Verbesserung Homepage:Ein zentrales Eingangstor für alle Interessengruppen

Recruiting:Rekrutierung neuer Volontäre durch Bereitstellung von up-to-date Informationen sowie einfacher Zugang über die Homepage

64 Detecon Management Report blue • 2015

65 Detecon Management Report blue • 2015

Detecon International GmbH unterstützt in Kooperation mit der studentischen Initiative „OFW Organisationsforum Wirtschaftskongress gGmbH“ das Vorantreiben

innovativer Ideen und Themen und baut ein Netzwerk aus internationalen Studenten und Unternehmen auf. Dadurch entsteht ein wichtiger

Beitrag zur Förderung der „Unternehmer von Morgen“.

eratungsunternehmen stehen vielen Herausforderungen gegenüber, die sie dazu antreiben, ihr Geschäftsmodell ständig weiterzuentwickeln. Erarbeitung innovativer Themenfelder, Identifizierung neuer Trends, interner und externer Wissens-transfer, Aufbau eines stabilen Netzwerks sowie Rekrutierung neuer Talente – all das sind Faktoren, die den Erfolg einer Un-ternehmensberatung maßgeblich beeinflussen.

Das OFW ist eine einzigartige Initiative ehrenamtlich engagierter Studenten der Universität zu Köln, die sich seit ihrer Gründung im Jahre 1984 der Herausforderung stellt, theoretische Erkennt-nisse und studentische Visionen an der unternehmerischen Realität zu erproben. Hauptprojekt des „Hochleistungsvereins“ (Der Spiegel) ist der international renommierte World Business Dialogue, ehemals Deutscher Wirtschaftskongress. Auf diesem Forum treffen Entscheider aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik und 300 weltweit ausgewählte Studenten zusammen, um mit über 60 internationalen Referenten wie Dr. Rüdiger Grube (2012), Herman van Rompuy (2011), Prof. Dr. Axel Weber (2010), Dr. Joseph Ackermann (2005) und Bill Gates (1995) wirtschaftliche Themen von aktueller Brisanz zu erörtern. Die durch die Anerkennung „Ausgezeichnete Orte im Land der Ideen“ (2010) prämierte Initiative bereitet ihre Mitglieder viel-seitig auf ein späteres Berufsleben vor.

Startschuss der Kooperation zwischen Detecon und OFW war der 17. World Business Dialogue im März 2014. In Workshops und im „Talk“ mit Francis Deprez, CEO Detecon Internatio-nal, zur „Mobile First Strategy – Lessons from Silicon Valley“ konnte Detecon den Austausch mit Top- Studenten und unter-nehmerischen Kongressteilnehmern aus aller Welt fördern.

„Der vergangene Wirtschaftskongress war für uns der Auftakt einer erfolgreichen und inspirierenden Zusammenarbeit. Ich freue mich sehr auf die gemeinsame Fortführung.“, sagte Marc Wagner, Partner bei Detecon.

Vor kurzer Zeit ist Fancis Deprez in das Kuratorium des OFW eingetreten und unterstützt nun die Studenten bei der Umset-zung ihrer Ideen. Detecon hat dadurch nicht nur die Möglich-keit, das aktive Team näher kennenzulernen, sondern auch die langfristige Strategie des OFW in Zusammenarbeit mit Vertre-tern aus anderen führenden Unternehmen mitzugestalten.

2015 wird sich der World Business Dialogue unter dem Motto „Power To The People – Redefining Interdependencies In A Trembling World” mit sich verändernden Machtkonstella tionen in der heutigen Gesellschaft beschäftigen. Die Kongressthema-tik wird in drei Dimensionen gegliedert:

B

Berater und Studenten suchen Antworten auf die

Herausforderungen der Zukunft

World Business Dialogue

66 Detecon Management Report blue • 2015

67 Detecon Management Report blue • 2015

1. Im Gebiet Wirtschaft vs. Politik werden makroökonomisch die Beziehungen zwischen Politik und Wirtschaft herausgestellt. Hier widmen sich die Teilnehmer der Frage, wie sich das Ver-hältnis von Politik und Wirtschaft neu definiert. Schafft es die Politik, die Wirtschaft zielgerichtet zu fördern oder läuft sie im Grunde nur Trends wie der wachsenden Start-up- Branche hin-terher?

2. Der Bereich Unternehmen vs. Konsument wird sich mit der Macht, insbesondere von digitalen Großkonzernen, beschäfti-gen. Hat Google die Macht, Wahlen zu manipulieren? Haben Unternehmen eine Chance, ohne das Wohlwollen von Such-maschinen zu bestehen? Müssen digitale Großkonzerne unter demokratische Kontrollmechanismen gestellt werden? Welche Macht haben Kunden?

3. Den dritten Bereich Arbeitgeber vs. Arbeitnehmer wird Detecon entscheidend mitgestalten: Welchen Anforderungen am Arbeitsmarkt müssen Studenten in Zukunft gerecht wer-den? Welche Rahmenbedingungen müssen Arbeitgeber bieten, um im „War for Talents“ zu bestehen?

Neben dem inhaltlichen Rahmenprogramm wird es diverse Networking-Formate, das erste „Public Panel“ und exklusive Live Pitches zu Projektkooperationen zwischen Studenten und Unternehmen geben.

Detecon beschäftigt sich derzeit mit einem Team aus Junioren, Senioren und Corporate Communications mit der Vorberei-tung und Ausrichtung des nächsten World Business Dialogues, um die Erfahrungen bestmöglich in die verschiedenen Formate und Inhalte zu integrieren. Wir freuen uns bereits jetzt auf eine spannende Kongresszeit!

Haben Sie Interesse, Teil dieser Veranstaltung zu werden? Dann besuchen Sie den 18. World Bussiness Dialogue vom 12. bis 13. März 2015! Informationen finden Sie unter www.world-business-dialogue.com oder sprechen Sie uns direkt an: Hanane Bouzidi ([email protected]), Tugba Aky-azi ([email protected])

68 Detecon Management Report blue • 2015

Der Manager als Marke –

Wettbewerbs-vorteil

im digitalen Zeitalter

Kann man das Thema Marke auf Führungspersönlichkeiten über-

tragen? „Ja,“, sagt Frank Dopheide, Geschäftsführer der Verlagsgruppe Handelsblatt, „denn Marken funk-

tionieren immer nach derselben Formel.“ Über stereotype Manager,

den grausamen Unterschied zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung und die Wichtigkeit des Marken-erstkontakts sprach Dopheide mit

Marc Wagner, Partner bei Detecon.

mit Frank Dopheide, Geschäftsführer Verlagsgruppe Handelsblatt

Interview:

69 Detecon Management Report blue • 2015

DMR: Das Thema Marke im Kontext von Produkten und Dienst­leistungen ist in der Wirtschaft ein großes Thema. Daher ist es eine sehr interessante Idee, das Thema auch auf Menschen zu übertra­gen. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht, was die Übertragbar­keit dieses Themas betrifft?

F. Dopheide: Marken, unabhängig davon, ob wir über Unter-nehmensmarken, Produktmarken oder Persönlichkeitsmarken reden, funktionieren immer nach derselben Formel: Können + Charakter x Kontinuität. Das Fundament des Markenerfolgs ist die Qualität: Was kann die Marke? Das allein macht aber im Markt noch nicht den Unterschied. Stiftung Warentest findet, dass die Miele Waschmaschine genauso gut wäscht wie die von Bosch, allerdings kostet sie das Doppelte. Der entscheidende Markenmehrwert entsteht durch den Charakter und die Wer-te, die Kontinuität, die eine Marke verspricht. Man hat eine konkrete Erwartungshaltung an die Marke, die erfüllt wird. Das macht den großen Wertunterschied aus. Es gibt keinen Men-schen auf der Welt, der Kaffee mit verbundenen Augen zuord-nen kann, aber ein Pfund Melitta Feine Milde kostet 3,49 Euro, ein Pfund Nespresso eben 23,00 Euro. Und das ist begründet in dem Markencharakter. Bei Nespresso kaufe ich eigentlich gar keinen Kaffee, sondern „La Dolce Vita“ mit George Clooney und italienischem Design.

Dieses Prinzip von Können + Charakter x Kontinuität lässt sich 1:1 auf Menschen übertragen. Beispielsweise gibt es zahlose Modedesigner, die ihr Handwerk verstehen. Aber es gibt nur einen Lagerfeld. Er kann sein Handwerk, steht aber auch für deutsche Disziplin, Ernsthaftigkeit und Ideenreichtum. Wenn ich die Augen zumache, sehe ich von allen Designern der Welt ihn am klarsten: schlanker Mann, Pferdezopf, schwarze Brille.Das funktioniert auch bei Politikern, Sportlern, Managern.

DMR: Kontinuität fehlt doch aber in den meisten Unternehmen, was dem schnellen Agieren im Wettbewerb geschuldet ist. Wie er­arbeitet man ein nachhaltiges Bild einer Persönlichkeit, die diesen ständigen Wandel ja mit Statements nach außen tragen muss?

F. Dopheide: Das Drama fängt beim Charakter an. Wenn wir die CEOs der 30 DAX-Unternehmen anschauen, stellen wir fest: alles Jungs, alle Anfang 50, alle schlank, alle glatt rasiert, alle Marathon als Hobby, alle rhetorisch gut trainiert. Man kann sie gar nicht aus einander halten. Man weiß gar nicht, wer zu welchem Unternehmen gehört und wofür derjenige steht. Wo ist einer mit dem Ohrring? Wo ist einer, der sagt: „Mein Hobby ist Fleischessen!“ [lacht]. Daran merkt man, dass es of-fensichtlich ein Klischeebild des deutschen Managers gibt, das dokumentiert: Du bist männlich, Du bist schlank, Du bist dis-zipliniert, Du bist nachhaltig. Es macht aber profillos. Ein diffe-

renzierendes Merkmal hat Daimler-CEO Zetsche mit dem See-hundbart. Mit einem Wiedererkennungswert von 40 Prozent ist er der höchst gerankteste Manager. Es muss doch noch mehr Manager geben, die 40 Prozent der Wirtschaftsinteressierten zu-ordnen können! Aber die Elite der Wirtschaft ist austauschbar – zumindest optisch.

Dabei wird die Wiedererkennung immer wichtiger, weil die Welt komplizierter und komplexer wird. Wir sehen das in der Politik: Da sagen viele, ich kann die Parteiprogramme gar nicht mehr unterscheiden, im Zweifel wähle ich den Menschen, der mir am vertrautesten ist – Angela Merkel. Da zieht das System der Vereinfachung, man projeziert viel mehr auf die Person an der Spitze. Und diese Person muss sich deshalb eben nicht nur als Manager verstehen, sondern auch als Markenartikel seines Unternehmens.

DMR: …und sich differenzieren?

F. Dopheide: …und sich differenzieren im Sinne von erkennbar sein, zuordenbar sein. Das hilft sehr.

DMR: Das betrifft jetzt natürlich stark die Optik. Wie bekommt es ein Manager hin, dass er sich nachhaltig durch seinen Charakter differenziert?

F. Dopheide: Wenn man eine Markenanalyse macht, gibt es für alle – und dies trifft einen mehr, je höher man in eine Position kommt –, diese grausame Erkenntnis: Es gibt einen Unterschied zwischen Eigenwahrnehmung und Fremdwahrnehmung. Ich selbst finde, ich bin ein unterhaltsamer und fröhlicher Mensch, ein Teamplayer, der große Fairness an den Tag legt. Spiegelt man das mit der Fremdwahrnehmung, und zwar in unterschiedlichs-ten Dimensionen – Menschen, die mich kennen, Menschen, die für mich arbeiten, mich aber persönlich noch nicht erlebt haben, Menschen, die mich nur aus den Medien kennen, oder Menschen, die mich gar nicht kennen, sondern nur ein Foto von mir sehen –, merkt man: Es gibt völlig unterschiedlich Wert-zuschreibungen. Denn Dinge, die für mich selbstverständlich sind, gehen in der Vermittlung verloren, weil ich so aussehe, wie ein Klischee-Bänker eben aussieht: mit derselben Krawatte, mit demselben Monogramm-Hemd, mit denselben Manschetten-knöpfen. Und dann sage ich auch noch dieselben Standardsätze, die alle Bänker benutzen. Da bleibt vom Charakter überhaupt nichts mehr übrig. Deshalb ist es wichtig zu sagen: Wofür stehe ich überhaupt? Was macht mich aus? Und wo genau geht dieser Charakterzug verloren in der Vermittlung? Das ist wie beim Op-tiker: Die Unschärfe, die entsteht, muss man auch wieder scharf stellen, damit andere vermittelt bekommen, wofür Sie eigentlich stehen. Und das muss natürlich zum Unternehmen passen.

70 Detecon Management Report blue • 2015

Frank Dopheide ist Geschäftsführer Kunden-entwicklung und Marken-

führung der Verlagsgruppe Handelsblatt. Der renom-

mierte Marken- und Kommu-nikationsexperte verantwor-tet die Bereiche Vertrieb & Marketing, die Kommunika-

tionsberatung 360° sowie den Veranstaltungsbereich Face-to-Face. Dopheide wurde be-

kannt als Chairman von GREY. Unter seiner Führung gewann GREY die ersten Löwen in der Agenturgeschichte und stieg in die Top 10 der kreativsten

Agenturen auf.

71 Detecon Management Report blue • 2015

DMR: Was mache ich denn nun, wenn ich mich aufgrund von Karriere und Entwicklung in einen solchen „gelackten Stereotypen“ entwickelt habe?

F. Dopheide: In der Phase der Karriere beginnt man mit Pro-duktqualität. Man muss mindestens die ersten 15 Jahre lang beweisen: Ich kann’s. Da bleibt man ziemlich stimmig in sei-nem Charakter – der fröhliche Verkäufer, der überambitionierte disziplinierte Ehrgeizling, was auch immer. Der Bruch kommt in dem Moment, in dem jemand CEO wird. Dann sagt er: Ich kann meinen Job, ich war lange im Vorstand, aber CEO ist anders. Dann ist der Druck immens und egal, wieviel Sie kommunizieren, es ist immer falsch. Entweder sind die Share-holder dagegen oder die Mitarbeiter, entweder die Politik oder die Meinungsbildner. Und um diesem Druck zu begegnen, ver-suchen die meisten, sich unangreifbar zu machen und zu sagen, die meinen nicht mich persönlich, sondern die meinen den Vor-standsvorsitzenden. Und schlüpfen in eine angenommene Rolle eines Vorstandsvorsitzenden. Aber je länger man diesen Job be-hält, desto mehr kommt der Charakter selbst wieder zur Blüte. DMR: Was bedeutet das für die Managermarke?

F. Dopheide: Es gibt fünf große Mehrwerte für die Manager-marke:

1. Ich bin eine Identifikationsfigur für Unternehmen. Meine Mitarbeiter kennen mich und fühlen sich mir verbunden.

2. Ich bin ein Vertrauensanker in der Öffentlichkeit. Die Menschen kennen mich, und was ich sage, glauben sie mir.

3. Ich bin ein Werttreiber für die Shareholder. Auch wenn es um harte Zahlen geht, orientieren sich Investoren an der Per-son an der Spitze, an seiner Persönlichkeit. Sie fragen sich: „Kriegt er das hin?“

4. Ich bin ein Magnet für Talente.

5. Ich bin ein Turbo für die Kommunikation. Wenn die Presse und Medien wissen, wer ich bin, werden meine Botschaf-ten leichter aufgenommen, ich muss weniger Geld für teure Werbung bezahlen.

Diese fünf Mehrwerte, hinter denen Millionenbeträge stehen, entstehen nicht, wenn der Manager ein Funktionsträger ist, der zufällig im Boardmeeting am Kopfende sitzt.

DMR: Was heißt das denn überhaupt, Vertrauen zu schaffen?

F. Dopheide: Vertrauen bedingt Vertrautheit. Ich muss etwas preisgeben von meiner Person. Mitarbeiter und Öffentlichkeit müssen wissen, wie ich aussehe, was mir wichtig ist, worüber ich

mich aufrege, worüber ich mich freue. Wenn man mich nur als E-Mail-Absender kennt, bin ich diffus, unantastbar. Dann wird es schwierig. Das alte Prinzip „Management by walking around“ gilt immer noch, ich muss den Menschen im Alltag, auf dem Flur, im Job begegnen. Dann entsteht über die Zeit Vertrauen, Glaubwürdigkeit. Das muss man sich erarbeiten. Es bedingt al-lerdings nicht, dass mich jeder sympathisch findet oder das gut heißt, was ich sage, sondern nur, dass andere verstehen, wie ich ticke. Und das muss stimmig mit meinem Verhalten und mei-nen Entscheidungen sein.

DMR: Man muss sich also von der Rolle lösen und einfach man selbst sein?

F. Dopheide: Es ist eben nicht einfach, man selbst zu sein. Denn es gibt keinen Idealtypus des Managers, sondern es gibt sowohl eine Berechtigung für den jovialen, zugänglichen Typen wie auch für die „Kraftkeule“. Aber das passt dann idealerweise zum Unternehmen.

DMR: Ein Unternehmen investiert dann aber wohlwissend, dass die Managermarke, der Charakter, vielleicht nur drei bis vier Jahre bleibt oder eben nur für eine bestimmte Phase passt. Wie lohnt sich das Investment für Unternehmen?

F. Dopheide: Mich überrascht immer, dass man das Risiko so hoch [lacht] und den Gewinn so klein bewertet. Mangermar-kentechnisch interessant ist der Fall Linde AG: Herr Reitzle hat bei Linde einen sehr guten Management-Job gemacht. Darüber hinaus hat er aber durch seine Persönlichkeit Glamour auf die Unternehmensmarke übertragen und die Wahrnehmung er-höht. Das hat nichts mit Managen zu tun. Er hat etwas, was dazu führte, dass Linde eine neue Wahrnehmung gewonnen hat, dass Linde als Arbeitgeber zunehmend attraktiv wurde, was einen Millionenbetrag im Employer Branding einsparte – sogar Frauen wollten plötzlich bei einem Gashersteller arbeiten. Jetzt ist Reitzle weg, aber das schadet dem Unternehmen nicht. Linde stellt nun die Weichen, welche Personenmarke die nächste Stufe einläuten kann. Insofern ist das, was man gewinnen kann, im-mer viel größer als das Risiko, etwas zu verlieren. Das wird leider konträr eingeschätzt.

DMR: Das würde aus Ihrer Sicht bedeuten, dass es eigentlich eine zusätzliche Funktion in HR geben müsste, die sich mit der lang­fristigen Positionierung ihrer Top Manager beschäftigt?

F. Dopheide: Absolut. Das funktioniert wie mit Markenartikeln. Das, wofür Henkel steht, sieht man auch an den Management-Köpfen. Und bei einem großen Kosmetikkonzern ist es wichtig, dass auch eine Frau in der Wahrnehmung ist. Das ergibt ein stimmiges Bild. Anderes Beispiel: Ingenieure in Deutschland

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haben ein Nachwuchsproblem. Die Besten wollen alle zu Audi oder BMW. Die „Hidden Champions“ sind in Gefahr, obwohl sie Weltmarktführer sind. Warum? Weil keiner diese Unterneh-men und ihr Management kennt, da ist keine faszinierende Ge-schichte zu erzählen, man weiß noch nicht einmal, was man mit dem Unternehmen verbinden soll, meist kennt man nicht mal die Orte, in denen die Firmen zuhause sind. Da muss man seine Persönlichkeit mit in die Waagschale werfen. Für Familienun-ternehmen wird das in Zukunft lebenswichtig.

DMR: Der CEO ist also besonders entscheidend. Aber was heißt das für ein Gesamtunternehmen und sein Management? Wäre es nicht besser, das Markenfundament nicht nur auf den CEO, son­dern den Vorstand und seine Direct Reports zu gründen, um das Thema Nachhaltigkeit am Markt zu platzieren?

F. Dopheide: Es gibt immer viele Identifikationsfiguren, die man gar nicht sieht. Gerne ist das der Pförtner oder der Haus-meister. Eigentlich sind diese Mitarbeiter außerhalb der Wahr-nehmungsschwelle, tragen aber viele Kernwerte des Unterneh-mens in sich und haben eine hohe Identifikationskraft. Eine meiner Lieblingsgeschichten dazu habe ich bei Porsche erlebt: Präsentation, Bühnenaufbau, ich stand an einem Stehtisch, der wackelte. Ein Hausmeister kam vorbei, ich bat ihn um einen Bierdeckel, damit der Tisch nicht mehr wackelt. Er sagte gar nichts, sondern ging einfach weiter. Kam aber drei Minuten später wieder mit seiner Werkzeugkiste, kniete sich unter den Tisch, schraubte am Tisch und sagte dann: „Bei Porsche arbei-ten wir nicht mit Bierdeckeln.“ Alles richtig gemacht. Alles, was Porsche ausmacht, hat Hausmeister Krause verinnerlicht, [lacht], da ist ganz viel Identifikationsfigur mit drin. Der CEO hat natürlich eine größere Bühne.

DMR: Identifikation setzt voraus, dass ein Unternehmen auch etwas hat, mit dem man sich klar identifizieren kann.

F. Dopheide: Der größte Werbetreibende der Welt, A.G. Lafley, CEO Procter & Gamble, sagt: „It’s not about what people buy, it’s what they buy into.” Also: Jede Marke, die wir verkaufen, braucht einen Grund, warum es sie gibt. Und der Grund ist nicht: Wir stellen Windeln her. Sondern: Wir wollen, dass Kinder gesund und glücklich groß werden. Diesen Grund muss jedes Unternehmen und jeder CEO formulieren kön-nen. Daraus entsteht auch einer der größten Treiber in der Mitarbeitergewinnung: „Ich bin Teil von etwas, das größer ist als ich selbst.“

DMR: Wie formuliert dann beispielsweise ein Telekommunika­tionsunternehmen Sinn und Zweck spannender?

F. Dopheide: Ich würde in diese Richtung denken: Zur großen Überraschung sehe ich nicht die Technologie im Vordergrund, sondern Kommunikation und Verständnis. Reden Menschen miteinander, haben sie weniger Probleme, denn sie wissen, was die anderen bewegt. Also könnte man formulieren: Wir sorgen dafür, dass Menschen sich nahe sind. Räumlich und emotional. Wir können die Welt wärmer, näher, menschlicher machen, da-für arbeiten wir. Man braucht eine fundamentale Wahrheit, die ganz tief an die Grundbedürfnisse geht und an dem die Men-schen sagen: Stimmt, es wäre schlecht, wenn die Welt nicht mehr miteinander sprechen könnte. Auf diese Weise erreicht man auch eine höhere Identifikation bei den eigenen Mitar-beitern. Denn Führung im Sinne „Ich bin der Chef und Du machst, was ich will“! geht heute nicht mehr.

DMR: Bislang stand das Individuum stark im Fokus. Kann ich all diese Themen auch auf ein Team beziehen?

F. Dopheide: Ja, zu 100 Prozent! Lassen Sie uns die Automobil-hersteller oder die Banken nebeneinander legen. Wofür steht die Deutsche Bank? Für Ruhm, Status, Stolz, Elite, Durchsetzung, Stärke. Wofür steht die Sparkasse? Für Qualität, Ordentlichkeit, Verlässlichkeit und Sauberkeit. Im Werteraum also sehr unter-schiedliche Werte, obwohl das Giro-Konto dasselbe ist. Ganz nachvollziebar, dass sich zur Deutschen Bank andere Menschen hingezogen fühlen als zur Sparkasse. So funktioniert das bei je-dem Unternehmen, es muss einen Kernwert geben, auf den HR bei der Mitarbeitereinstellung achtet: zum Beispiel Verlässlich-keit. Dazu kann man noch Kreativität addieren, damit es nicht langweilig ist. Aber es geht nicht ohne diesen einen Wert. Das wird heute meiner Meinung nach nicht richtig bedacht und be-wertet.

DMR: Unternehmen müssen also High Potentials anziehen, die explizit zu den Charakteristika des Unternehmens passen?

F. Dopheide: Exakt, sonst gibt es den berühmten „clash of cultures“! Das geht eine Zeit lang gut und explodiert immer im falschen Moment. Jemand, der sich nicht dem Kernwert des Unternehmens verbunden fühlt, beschädigt die Marke früher oder später.

DMR: Können Sie ein Unternehmen nennen, bei dem das über Generationen sehr gut funktioniert hat?

F. Dopheide: Ja, das Bankhaus Metzler. Bankenkrise, alles bricht auseinander – Herr von Metzler und seine Bank nicht. Die gibt es seit 300 Jahren. Oder Otto – von Papa aufgebaut und vom Sohn nochmal mit demselben Wertesystem 1:1 höher getrieben und in den E-Commerce-Bereich gebracht. Aber die Marke ist in sich stimmig geblieben.

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DMR: Wie erreicht man einen schnellen Markenaufbau einer Person in einem globalen Kontext?

F. Dopheide: Der wichtigste Moment im Leben einer Marke ist der Markenerstkontakt. Wenn ich das erste Mal mit der Mar-ke in Berührung komme, wird alles mit diesem Moment ver-knüpft. Wie fühlt sich das an, wie riecht das, wie schmeckt das, was spüre ich? Ganz oft überlassen CEOs den Markenerstkon-takt der Presse, die darüber schreibt: Es gibt ein Outsourcing-Programm, der Standort wird geschlossen. Und das erleben die eigenen Mitarbeiter in Asien, in Afrika, in Deutschland, wo auch immer, als erstes Erlebnis mit ihrem eigenen Chef. Das ist die denkbar schlechteste Lösung! Die zweitschlechteste Lösung ist die E-Mail. Man unterschätzt die Wucht der persönlichen er-sten Begegnung. Und wenn es wenigstens ein persönlicher Brief ist. Man könnte 24.000 Mitarbeitern schreiben, um sich vorzu-stellen: Ich bin Holländer und habe einen Hund, spiele Tennis, und wenn Sie ein Thema brauchen, melden Sie sich! Auf gute Zusammenarbeit! Dann hätte man für 24.000 Euro einen sehr guten ersten persönlichen Markenkontakt.

DMR: Geht es um Symbolik und Bilder?

F. Dopheide: Ja. Ich weiß dann, irgendwas verbindet uns. Zum Beispiel der Hund. Sie können sich ja nicht vorstellen, was die Wahl des Hundes beim amerikanischen Präsidenten für eine Aussagekraft hat! Amerikaner sind kommunikativ viel weiter und trainierter als wir.

DMR: Das bedeutet aber auch, dass die sehr zurückhaltenden deutschen Manager ihr Privatleben sehr viel stärker öffnen müssen.

F. Dopheide: Ja, aber nur den Teil, der ihre Persönlichkeit aus-macht. Wenn ich ein eigenbrödlerischer Ingenieur bin, der das Rampenlicht scheut, ist das ok. Der Hund kann das verbin-dende Element werden. Die Persönlichkeit wird dadurch an-fassbar – ein Wahrnehmungsbruch, der dafür sorgt, dass ich überhaupt genau hingucke.

DMR: Schritt 1 heißt also: Spiegel vorhalten und gucken, wie mich die anderen sehen? Normalerweise überlegt man sich ja eher, wie man gerne sein will und was man tun kann, um das zu erreichen.

F. Dopheide: Ja, aber das funktioniert nicht. CEOs oder Manager sind keine Schauspieler. Die kann man nicht schmin-ken, auf die Bühne stellen und sagen: „Sprich‘ deinen Text!“. Das riechen die Menschen sofort. Sie müssen das Thema verin-nerlicht haben. Wenn Sie das nicht tun, holen Sie sich besser ir-gendeinen aus dem Unternehmen, stellen ihn in Ihre Seite und sagen: „Das ist das Thema Nachhaltigkeit, das ist uns wichtig, deshalb kommt er jetzt in den Vorstand.“ Das ist viel wirkungs-

voller! Mensch und Thema müssen zusammenpassen. Und das Thema muss wiederum zum Unternehmen passen. Wenn Nachhaltigkeit das Thema wäre, bei dem die Deutsche Telekom die Nummer eins ist, würde ich vorschlagen: Je länger jemand einen Vertrag hat, desto weniger bezahlt er. Man muss zeigen, wie ernst es dem Unternehmen mit dem Thema Nachhaltigkeit ist, denn dann spüren die Menschen: Das hat ja einen echten Mehrwert für mich.

DMR: Das Thema Markenentwicklung ist ja dann gleich Perso­nalentwicklung, man könnte es im HR­Bereich über alle Karriere­stufen hinweg verankern. Vom Einstieg in das Unternehmen an arbeitet man dann an der persönlichen Marke von jedem.

F. Dopheide: Absolut! Man sagt: Dieser Wert verbindet uns, auf den achten wir immer. Aber abseits davon brauchen wir unterschiedliche Spielarten: Wir brauchen den Motivator, wir brauchen den Kreativen, wir brauchen den Disziplinierten. Und wenn das in Dir ist, wollen wir alle Fähigkeiten in Dir maximal zur Entfaltung bringen. Du wächst als Persönlichkeit. In un-serem Verlag sagen wir zum Beispiel: „Unsere Redakteure wer-den Markenartikel. Wir bilden Euch immer mit einem Bild ab und schreiben Eure Namen darunter mit einem kleinen Zusatz wie ‘Lebte selbst sechs Jahre in China und liebt Pekingente‘. Wir sorgen auch dafür, dass Ihr mit den Leuten abgebildet werdet, die Ihr interviewt.“ Das schafft auch für die Leser Glaubwür-digkeit.

DMR: Welche Rolle spielt das Thema Social Media im Kontext Markenaufbau und Persönlichkeit?

F. Dopheide: Je differenzierter, je komplexer, je diversifizierter und je internationaler ein Thema im Unternehmen ist, desto wichtiger sind Social Media. Das ist ja der Kanal, den ich selbst steuern kann. Ich kann schreiben: „Wagner, selbst wenn noch 5000 andere zuhören, wollte ich Dir sagen: super Abschluss, Telekom ist happy und ich bin auch happy, weiter so!“. Alle, die mitlesen, sehen, was er gemacht hat. Und da kann auch kein Journalist die Überschrift im Sinne der Auflagensteigerung zuspitzen. „Management by Walking Around“, da spielt Social Media ein grandiose große Rolle.

DMR: Herr Dopheide, herzlichen Dank für diese spannende Unterhaltung!

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Die Deutsche Telekom hat das Bestreben, führender europäischer Telekommunikationsanbieter zu werden – das heißt Marktführer für integrierte IP-basierte Dienste mit europäischem Fußabdruck. Doch nie zuvor war das Führungskonzept so umstritten: Kunden wünschen integrierte Lösungen und intelligente Konnektivität, während Unternehmen und Mitarbeiter Anreize, Leitlinien und zugleich Handlungsfreiheit fordern.

Kulturwandel bei der Deutschen Telekom AG

Lead to Win – die neue Führungsambition der Deutschen Telekom

Lead to Win Starterkit

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WARUM LEAD TO WIN?

Timotheus Höttges, CEO, bringt es auf den Punkt: „Wir haben zu viele funktionale und nationale Silos und Ineffizienzen in-nerhalb der Deutschen Telekom. Um das zu ändern, müssen wir beim Thema Kooperation wesentlich größere Anstren-gungen unternehmen. Unser Wettbewerbsumfeld ändert sich mit rasanter Geschwindigkeit und die ICT-Branche weist eine noch nie da gewesene Dynamik auf. Um uns als führender euro-päischer Telco-Anbieter zu positionieren, müssen wir in allem, was wir tun, wesentlich innovativer werden. Auch in unserer Arbeitsumgebung vollzieht sich ein Paradigmenwechsel. Star-re Linienorganisationen, komplexe Hierarchien und die gute alte „Anwesenheitskultur“ dienen nicht länger als angemessene Rollenmodelle. An ihre Stelle treten jetzt temporäre Vernet-zung und Projektstrukturen. Wenn unsere Teams unter diesen Gegebenheiten leistungsstark sein sollen, dann müssen wir das Befehlen und Kontrollieren stark zurückfahren und wesentlich mehr Zeit dafür aufbringen, unsere Teams zu coachen und an-zuleiten, um ihnen mehr Verantwortung zu übertragen.“1

Die Strategie, mit der die Deutsche Telekom dieser Herausfor-derungen begegnet, lautet: den Weg für die digitale Transfor-mation des Geschäfts ebnen, und zwar hin zu integrierten und konvergenten Produkten und kundenorientierten Services, die auf modernster IP-Technologie basieren. Das Ziel ist klar defi-niert. Um sich aber als führendes europäisches Telekommuni-kationsunternehmen zu positionieren, muss der Konzern in der Umsetzung Exzellenz erzielen. An dieser Stelle kommt Lead to Win ins Spiel.

AUFGABE UND FUNDAMENT VON LEAD TO WIN

Ziel der „Lead to Win“-Initiative ist es, die Konzernstrategie mit einer überzeugenden Führungskultur umzusetzen. Es ver-steht sich von selbst, dass eine neue Kultur von starken Füh-rungskräften gesteuert werden muss. Die Deutsche Telekom braucht daher Führungskräfte, die Verantwortung überneh-men, proaktiv und antizipativ agieren, risikobereit sind, sich auf Leistung konzentrieren, den Konzern im Blick haben, die kooperativ sind und unternehmerisch handeln. Kurzum: Füh-rungskräfte, die Lead to Win verinnerlicht haben. Höttges Lieblingszitat aus seinem Studium in Stanford untermauert die Bedeutung eines solchen Unterfangens: „Kultur ohne Strategie ist zwecklos. Strategie ohne Kultur ist kraftlos.“. Die Deutsche Telekom braucht beides: eine von den Führungskräften und Mitarbeitern gestaltete leistungsstarke Kultur, mittels der diese Strategie umgesetzt werden kann.

Der konzeptionelle Rahmen von Lead to Win besteht aus drei Führungsprinzipien:

Collaborate: • Wir gewinnen und verlieren zusammen bei DT – wir agieren als „doppelte Staatsbürger“• Wir fördern den lösungsorientierten Dialog und hinter- fragen Entscheidungen, wenn wir anderer Ansicht sind• Wir geben und fragen aktiv nach Feedback, um gemeinsam besser zu werden• ... und wir scheuen uns nicht, bei Unklarheiten Verantwortung zu übernehmen

Innovate: • Wir arbeiten ständig an Neuem – an unseren Prozessen und Produkten und daran, wie unsere Kunden uns erleben• Wir stellen den Status Quo und unser eigenes Verhalten immer wieder in Frage und machen Probleme sichtbar• Wir haben keine Angst Fehler zu machen und korrigieren diese umgehend• Wir treten mutig für unsere Ideen ein und kämpfen für sie mit Leidenschaft• … und wir tun dies mit einem tiefgehenden Verständnis für unser Geschäft

Empower to Perform: • Wir stärken unser Team und treffen keine Entscheidungen für andere• Wir übertragen Verantwortung auf unsere Teams und fördern Risikobereitschaft• Wir unterstützen, entwickeln und kümmern uns um unsere Mitarbeiter• ... und mithilfe einer klaren Vision machen wir den Beitrag jedes einzelnen zur Gesamtstrategie verständlich

Zusammen mit den im Konzern gut verankerten Unterneh-mensleitlinien bestimmen diese Prinzipien die Unternehmens-kultur. Darüber hinaus ist die individuelle Leistungsbewertung, -belohnung und -entwicklung der Geschäftsleitung in einer Weise angepasst, die die Prinzipien unterstützt und die richtigen Anreize zur Kooperation, zu mehr Innovation und für einen stärkeren Fokus auf die Übertragung von Verantwortung liefert.

Um zu verhindern, dass Führungsprinzipien nur leere Worte auf dem Papier bleiben, müssen sie vorangetrieben werden, um so die Entwicklung einer neuen Kultur mit einschlägigen Ver-änderungen zu ermöglichen – und zwar einschließlich neuer Formate, Tools und Events, die in diesem Zusammenhang ent-wickelt wurden.

1 Quelle: Lead to Win Welcome Letter, November 2014

Empower to perform

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Hans-Peter Günter: Vor 18 Jahren nahm Hans-Peter Günter seine Arbeit bei der Deutschen Telekom AG auf und wechselte 1999 in die HR-Abteilung. Seit 2012 ist er Vice President des Bereichs Performance Development und der verantwortliche globale Kate-goriemanager für Performance Management. Zusam-men mit einem kleinen Team entwickelte Hans-Peter Günter in 2013 die „Lead to Win“-Initiative und ist seit-dem als operativer Projektleiter für die Einführung von Lead to Win verantwortlich. Lead to Win hat sich zu einer internationalen Kampagne der Deutschen Tele-kom AG entwickelt, in die zahlreiche Mitarbeiter und Abteilungen eingebunden sind.

Dr. Reza Moussavian: In seiner Funktion als Vice President des Bereichs Transformational Change bei der Deutschen Telekom AG treibt Dr. Reza Moussa-vian die Shareground-Initiative voran, um eine neue Kultur hinsichtlich Zusammenarbeit, Innovation und Umsetzung innerhalb des Unternehmens zu kreieren und zu fördern. Shareground ist eine dynamische Gemeinde, die danach strebt, den Wandel und die Vernetzung mit anderen voranzutreiben, um die Ar-beitskultur von morgen schon heute im Unternehmen zu etablieren. Die Aktivitäten beinhalten Workshops und Coaching-Programme für Business Teams, kultu-relle Partnerschaftsprogramme sowie die Umsetzung und Kommunikation der Unternehmensleitlinien und Führungsprinzipien und damit einhergehend die Un-terstützung der „Lead to Win“-Initiative mit Fokus auf Kommunikations- und Transformationsaktivitäten.

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EINFÜHRUNG VON LEAD TO WIN

Einen neuen Denkansatz unterstützen

Bezüglich der Einführung erklärt Hans-Peter Günther, operativer Projektmanager von Lead to Win: „Das größte Risiko einer solchen Maßnahme ist, dass sie lediglich als neuer Prozess oder neues IT-Tool verstanden wird, was im besten Fall Mittel zum Zweck wäre. Lead to Win beinhaltet aber viel mehr als das Befolgen neuer Richtlinien, Prozesse oder den Einsatz Web-basierter Tools. Es ist eine Initiative, die Führungskultur der Deutschen Telekom mit höchster Zielsetzung zu ändern, um das notwendige Verständnis zu entwickeln und unterstüt-zende Instrumente zu liefern. Daher ist es wichtig, an der Füh-rungsspitze zu beginnen. Lead to Win wurde im Einsatz mit der obersten Führungsebene pilotiert. Nur wenn die oberste Führungsebene sich für einen Führungswandel einsetzt, werden andere Führungskräfte folgen.“

Formate und Tools

Zum Auftakt erhielten alle 2.800 Führungskräfte des Konzerns das „Lead to Win“-Starterkit, eine Box mit erläuternden und unterstützenden Materialien, die von Shareground, einer inter-nen Einheit zur Förderung des Kulturwandels, entwickelt wur-de. „Dank des innovativen Designs und der praxisorientierten Zusammenstellung können sich die Führungskräfte in spiele-rischer und positiver Weise mit Lead to Win vertraut machen, ohne gleich an zusätzliche Arbeit und Aufwand zu denken.“, so Dr. Reza Moussavian, Leiter von Shareground. Das Starterkit liefert Tools und Methoden, um die mit Führung verbundenen Herausforderungen im täglichen Arbeitsleben kreativ anzuge-hen, und lässt Raum für Gedanken und Ideen. Die Materialien basieren auf anerkannten Modellen und wurden in Bezug auf die Führungsprinzipien an die konkreten Konzernherausforde-rungen angepasst.

Darüber hinaus entwickelte Shareground spezielle Workshops für Lead to Win, die der gesamten Zielgruppe Anfang 2015 zugänglich gemacht wurden. Um den Austausch über die Füh-rungsprinzipien in einem interaktiven Workshop in Gang zu setzen und deren Sinn und Bedeutung zu erfassen, sind die Füh-rungskräfte eingeladen, an den Diskussionsrunden teilzuneh-men. „Hier hat jeder die einmalige Gelegenheit, sich die Zeit zu nehmen, über seine Rolle als Führungskraft nachzudenken und die damit verbundenen Herausforderungen zu formulie-ren, um anschließend in kleinen, aufgeschlossenen Gruppen

mögliche Herangehensweisen zu diskutieren. Es geht um ei-nen Perspektivenwandel, um Vertrauen und Austausch von Peer-to-Peer, das Teilen persönlicher Erfahrungen und um das Herausarbeiten, wie Führungswerte und Führungsleistung sich gegenseitig bedingen.“, erklärt Dr. Reza Moussavian. Im An-schluss an die Diskussionsrunden über die Führungsprinzipien liefern die Lead to Win Enabling Sessions stärker prozessori-entierte und technische Informationen über die Aufgaben, um die neuen Tools zu praktizieren und sich mit den veränderten Anforderungen vertraut zu machen. „Damit Führungskräfte Commitment entwickeln, muss ihnen die Möglichkeit gegeben werden, sich aktiv an allen anstehenden Aktivitäten zu betei-ligen, mit den verantwortlichen Personen reden und kritische Fragen stellen zu können. Das Versenden einer Broschüre oder informativer E-Mails reicht nicht aus, um sie für diese Initiative zu begeistern. Außerdem werden die Sessions mit kreativen Fil-men unterstützt, um so die „Lead to Win“-Story durchgängig und ganzheitlich zu erzählen.“, ergänzt Hans-Peter Günter.

Um die Mitarbeiter auf dem Laufenden zu halten und das Engagement nicht abebben zu lassen, kommen im nächsten Jahr noch viele weitere inspirierende Aktivitäten hinzu – teils in digitaler, teils in greifbarer Form, aber stets interaktiv und involvierend.

SCHLUSSFOLGERND ...

Insgesamt schafft Lead to Win ein integriertes Werte- und Leistungssystem. Bewertung, Belohnung und Entwicklung der Konzerngeschäftsleitung werden so ausgeglichen, dass die rich-tigen Anreize für funktionsübergreifende Kollaboration, mehr Innovation und einen starken Impuls zur selbstverantwortlichen Leistung geschaffen werden. „Kultureller Wandel ist ein langwie-riger Prozess und nur schwer messbar. Für ein multinationales Unternehmen ist es ein ungewöhnlicher Schritt, diese Initiative in nur einem Jahr für 2.800 Führungskräfte vorzubereiten, zu pilotieren und anschließend international auszurollen. Falls un-sere Mitarbeiter im nächsten Jahr die ersten Änderungen dieser neuen Mitarbeiterführung wahrnehmen, dann sind wir auf dem richtigen Weg.“, so das Fazit von Hans-Peter Günter.

Bei Tim Höttges klingt das so: „Am Ende geht es nicht um Worte und Gedanken, sondern darum, was wir gewagt und er-reicht haben. Das ist für mich Führung.“2

2 Quelle: Lead to Win Starter Kit, November 2014

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„Krieg ist ein chaotisches Unterfangen“

Interview mit Major James E. Mullin III, Taktischer Ausbilder und Leadership Trainer, U.S. Army

Was denkt ein Major der US-Streitkräfte über bedeutende Führungspersönlichkeiten, Anpassung an den Wandel und digitale Transformation? Auskunft hierüber sowie eine Innenansicht über die Funktionsstruktur der US-Streitkräfte zu erhalten, ist gewiss kein alltägliches Ereignis. Marc Wagner, Partner bei Detecon, und sein Team hatten das Privileg, ein Gespräch mit Major James E. Mullin III, taktischer Ausbilder und Leadership Trainer der US-Streitkräfte, führen zu dürfen – und waren erstaunt, wie viele Aspekte sich mühelos auf die Unternehmenswelt übertragen lassen!

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DMR: Glauben Sie, dass das Fundament für ausgezeichnete Füh­rungsqualitäten lediglich auf vorhandenem Talent beruht oder können Sie tatsächlich jemandem vermitteln, sich zu einer bedeu­tenden Führungspersönlichkeit zu entwickeln?

J.E. Mullin: Ich glaube eher, dass es eine Mischung aus Talent und Lernen ist, die dazu beiträgt, dass jemand sich zu einer bedeutenden Führungspersönlichkeit entwickelt. Einige Füh-rungspersönlichkeiten haben von sich aus die Fähigkeit, andere zu inspirieren und sie damit zu Höchstleistungen anzutreiben, während es bei anderen länger dauert, bis sie ihren eigenen Führungsstil entwickelt haben, der sich als effektiv erweist. Unabhängig davon, ob eine Person eine „natürliche“ Führungs-persönlichkeit ist oder nicht, ist es in diesem Zusammenhang wichtig zu verstehen, dass Training, Erziehung und Erfahrung insgesamt eine zentrale Rolle für die Entwicklung zu einer Füh-rungspersönlichkeit spielt. Eine gute Führungspersönlichkeit stärkt ihre Fertigkeiten während der gesamten Karriere und ist kontinuierlich bestrebt, ihre Fähigkeiten zur Führung – in un-serem Fall von Soldaten – zu verbessern. Indem sich jemand zur Exzellenz und gleichzeitig zu harter Arbeit verpflichtet, kann er wachsen, an Reife gewinnen und somit darauf vorbereitet sein, Positionen mit großer Verantwortung auszufüllen.

Die Entwicklung von Führungskräften ist innerhalb der US-Streitkräfte ein permanentes Thema. Befehlshaber aller Ränge widmen dieser Thematik viel Zeit, Mühen und Ressourcen, um zu gewährleisten, dass unsere Soldaten ihre Fähigkeiten zur Er-langung effektiver Führungsqualitäten ständig verbessern. Dies beinhaltet während der gesamten Laufbahn die Absolvierung mehrerer Fachlehrgänge in Militärerziehung sowie Programme über berufliche Entwicklung und Ausbildung auf der Ebene von Einheiten. Der Schwerpunkt dieser Programme liegt auf der Diskussion einer breit gefächerten Anzahl an Themen über Führung und Werte, um sich damit auseinanderzusetzen, wie man in Anbetracht unsicherer Umstände schwierige Entschei-dungen trifft.

Hinzu kommt, dass qualifizierte Führungskräfte von anderen lernen, und zwar unabhängig davon, ob es sich um historische Vorbilder oder um Zeitgenossen im eigenen militärischen Um-feld handelt. Einer meiner Kadettenführer in West Point sagte mir einmal, dass man immer von den Führungspersönlichkeiten lernen kann, mit denen man zu tun hat, und dass es nicht da-rauf ankommt, ob es dabei um Positives oder Negatives geht. Man kann entweder von Fertigkeiten profitieren und diese nut-zen, um Soldaten effektiv zu führen und ihnen Selbstvertrauen

zu vermitteln, oder man kann Lehren daraus ziehen, wie man in einer vergleichbaren Situation lieber nicht handeln sollte, und Fallstricke umgehen, die zu unerwünschten Ergebnissen führen könnten.

DMR: Welches sind aus Ihrer Sicht zentrale Eigenschaften einer „bedeutenden Führungspersönlichkeit“?

J. E. Mullin: Eine bedeutende Führungspersönlichkeit ist hoch moralisch, charakterfest und verkörpert die militärischen Werte LDRSHIP (= Loyalty (Treue), Duty (Pflicht), Respect (Respekt), Selfless Service (Selbstlosigkeit), Honor (Ehre), Integrity, (Integrität), Personal Courage (persönlicher Mut)). Sie widmet sich der erfolgreichen Durchführung von Einsätzen, während sie sich gleichzeitig gemäß dem Credo „Mission First – Soldiers Always“ um die Soldaten kümmert, was ebenfalls deren Familienangehörige beinhaltet. Es versteht sich von selbst, dass eine solche Person taktisch und fachlich absolut kompetent sein muss. Darüber hinaus dient sie als Vorbild zur Nachahmung für andere, was bedeutet, dass sie auch dann das Richtige tut, wenn keiner zuschaut.

DMR: Sie sind ebenfalls eine Führungspersönlichkeit – haben Sie Vorbilder, die Sie in Ihrem Führungsstil beeinflusst haben?

J.E. Mullin: Auf jeden Fall habe ich solche Vorbilder. Zum Bei-spiel meinen Kompanieführer, der als Leutnant im Kosovo und in Deutschland gedient hat, und meinen Battalion Operations Officer und Führungsoffizier aus West Point. Beide Männer lebten diese militärischen Werte in ihrer täglichen Umsetzung und alles, was ich in meiner Führungsposition mache, orien-tiert sich an ihrem Verhalten. Sie stellten Zeit, Richtlinien, Res-sourcen und Führung bereit, die erforderlich waren, um unsere Einheiten ordnungsgemäß auszubilden und uns auf unsere Auf-gaben vorzubereiten. Sie inspirierten mich dazu, ständig an mir zu arbeiten und mich zu verbessern, und ohne sie wäre ich nicht der Mensch und schon gar nicht der Offizier, der ich heute bin. Sie waren meine Mentoren und Vorbilder, und während meiner gesamten Karriere war ich bestrebt, diesen Männern nachzuei-fern.

DMR: Ein wichtiges Ziel für Führungskräfte ist die Bildung von Hochleistungsteams. Was sind Ihrer Meinung nach die zentralen Erfolgsfaktoren?

J.E. Mullin: Das „Team of Leaders (ToL) Handbook“ liefert die beste Beschreibung des Denkansatzes für die Bildung von Hoch leistungsteams bei den US-Streitkräften, denn dieser An-

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satz stellt darauf ab, dass jedes einzelne Teammitglied selbst eine Führungskraft ist, wobei die Befehlskette jedoch erhalten bleibt und die Kommandos und Weisungen des tatsächlichen Teamleiters befolgt werden. Der ToL-Ansatz enthält vier zen-trale Hauptmerkmale, die eine gemeinsame Vision beinhalten. Erstens: Was ist unsere Mission und warum ist sie für uns wich-tig? Zweitens geht es grundsätzlich um Vertrauen – ein Haupt-bestandteil des Sharing und der Zusammenarbeit. Vertrauen ist in den militärischen Werten fest verankert. Ein weiterer Aspekt betrifft die gemeinsame Kompetenz: Verfügen wir über die Fä-higkeiten, die für die uns übertragenen Aufgaben erforderlich sind? Bei den US-Streitkräften wird gemeinsame Kompetenz für die Durchführung von Einsätzen schlichtweg erwartet und gilt als Standard. Und Selbstvertrauen ist das Ergebnis gemein-samen Vertrauens und gemeinsamer Kompetenz, um eine von allen geteilte Vision mit einem Team umzusetzen.

DMR: Was macht Führung in einem militärischen Kontext zu etwas Besonderem?

J.E. Mullin: Es durchdringt alles, was wir tun. Führung hilft da-bei, die genannten zentralen Werte im Herzen eines jeden Sol-daten zu verankern. Unsere Soldaten sollen diese Werte leben, sie sollen zum Bestandteil ihres Charakters werden. Eine gute Führungskraft zeichnet sich in ihrem täglichen Verhalten durch diese Werte aus, wirkt als Vorbild für andere zur Nachahmung und ermöglicht somit das Herausbilden leistungsfähiger und engagierter Soldaten innerhalb der Streitkräfte.

Die Rolle eines Soldaten in gegenwärtigen Einsatzgebieten ist schwierig, komplex und permanenten Veränderungen unter-worfen. Die Erwartungen an unsere Soldaten sind nicht länger auf ihre Funktionen als Infanteristen, Panzerbesatzung, Artille-risten oder Logistiker reduziert. Wir erwarten ebenfalls, dass sie als Staatsmänner agieren, wenn sie mit zentralen Führungsaufga-ben betraut sind und mit nationalen Führungskräften in Afgha-nistan zusammenarbeiten, als Vertreter des Humanitätsgedan-kens, wenn sie Bedürftige weltweit mit Nahrungsmitteln und Wasser versorgen, als Tatort-Ermittler bei der Beweis ermittlung, um vermutete Bombenbauer im Irak zu identifizieren, und na-türlich als Fachleute für Öffentlichkeitsarbeit, wenn sie während ihrer Ausbildung oder Einsätze Interviews mit Medien führen. Nur mittels starker, engagierter und konstanter Führung kön-nen die Streitkräfte ihre Soldaten darauf vorbereiten, mit dieser großen Anzahl an Aufgaben, Pflichten und Verantwortlich-keiten umzugehen, und bei all diesen Unternehmungen erfolg-reich zu sein.

DMR: Jeder Einsatz, den die US­Streitkräfte durchführen, ist äußerst komplex und entscheidend im Hinblick auf politische Ent­wicklungen. Wie gehen Führungskräfte mit diesem permanenten Druck und dem hohen Stressfaktor um, dem sie ausgesetzt sind?

J.E. Mullin: Der Umgang mit Stress spielt eine sehr wichtige Rolle bei der Entwicklung leistungsstarker Führungskräfte. Man muss lernen, wie man Stress handhabt, und dass sich Stress weder auf die Entscheidungen noch auf den Führungsstil negativ auswirken darf. Innerhalb der Streitkräfte wird Stress-management auf täglicher Basis praktiziert, weil Krieg ein der-art chaotisches Unterfangen ist. Ist eine Führungskraft nicht in der Lage, Stress zu meistern, dann wird sie in Kampfsituationen versagen und letztendlich falsche Entscheidungen treffen, die für den Einsatz und die Soldaten schreckliche Auswirkungen haben könnten.

Während der gesamten Laufbahn wird den Führungskräften eine Anzahl an Verantwortlichkeiten übertragen, die im Ein-klang mit ihrem Rang und ihrer Position stehen. Sobald eine Führungskraft unter Beweis gestellt hat, dass sie diesen Ver-antwortlichkeiten in angemessener Weise gewachsen ist, kann sie für eine Beförderung oder für andere Positionen mit einem höheren Grad an Verantwortung in Betracht gezogen werden. Im Zuge seiner Laufbahn lernt ein Soldat, wie er die zusätzliche Arbeitsbelastung und Verantwortung und den damit einherge-henden Stress bewältigen kann. Professionelle Militärerziehung, hartes Training während der Feldübungen und die Einsätze selbst testen zusätzlich die Fähigkeit einer Führungskraft, Stress zu bewältigen und Vorgesetzten und Untergebenen zu zeigen, dass man über die erforderlichen Fähigkeiten verfügt, wenn man die Führungsverantwortung für Soldaten übernimmt.

DMR: Wie begegnen Sie den Herausforderungen der Globalisie­rung und dem zunehmend komplexeren Umfeld?

J.E. Mullin: In einer Welt, die zunehmend kleiner und ver-netzter wird, steigt die Komplexität und damit die Anzahl er-schwerender Umstände, unter denen die US-Streitkräfte künftig operieren. Die Streitkräfte müssen flexibel auf Veränderungen reagieren und sich entsprechend anpassen, um Einsätze in einer unsicheren Welt erfolgreich durchführen zu können und dabei die hart erkämpften Lektionen nicht zu vergessen, die sie in den vergangenen Jahren gelernt haben. Dies beinhaltet neben der Entwicklung der Führungspersönlichkeit konstantes Training für viele unterschiedliche Aufgaben wie Kampfeinsatz, Frie-denserhaltung, humanitäre Hilfe und Katastrophenhilfe.

In Bezug auf Globalisierung ist nur eines konstant: die Verän-derung. Es ist davon auszugehen, dass Änderungen rasch ein-treten werden. Die US-Streitkräfte müssen darauf vorbereitet sein, mit einer Vielzahl an Eventualoperationen und asymme-trischen Bedrohungen fertig zu werden, die weltweit auftreten können. Ein Blick auf das aktuelle Operationsumfeld zeigt, dass wir Operationen in Afghanistan und im Irak durchführen, uns im Zusammenhang mit dem Ausbruch der Ebolavirus-Epide-mie engagieren, Trainings mit internationalen Partnern in den baltischen Staaten und Osteuropa durchführen, im Wechsel Einheiten zu Trainings- und Eventualeinsätzen in Südkorea, Deutschland und im Mittleren Osten stationieren. Gleich zeitig leiden wir unter schwindender Manpower, was für uns eine zusätzliche Belastung darstellt. Wir müssen daher neue Wege finden, um mit weniger Ressourcen mehr zu erreichen, um auf künftige Operationen vorbereitet zu sein, die eventuell am Horizont auftauchen.

DMR: Wie bereiten Sie Führungskräfte auf diese dynamischen Ver­änderungen vor?

J.E. Mullin: Die US-Streitkräfte zeichnen sich dadurch aus, dass sie Führungspersönlichkeiten entwickeln, die sich an ein stän-dig wechselndes Umfeld anpassen können und die das Denken auf taktischer, operativer und strategischer Ebene verinnerlicht haben. In Anbetracht der Vielzahl der unterschiedlichen Ope-rationen, in die die US-Streitkräfte gegenwärtig involviert sind und möglicherweise noch involviert sein werden, müssen unsere Führungskräfte über die Fähigkeit verfügen, jederzeit einen Ex-pertenstatus erlangen zu können. Im Falle von Wissenslücken unternehmen Führungskräfte gemeinsame Anstrengungen, Dinge zu lernen und mit anderen zu kooperieren, sodass sie so schnell wie möglich zu Experten werden. Das passiert na-türlich nicht von einem Tag auf den anderen. Man muss ein Umfeld schaffen, das zum Lernen motiviert, fachliche Diskus-sionen fördert und somit Wissen generiert, das dann auch an die unteren Ebenen weitergegeben werden kann, sodass jeder Soldat über die erforderlichen Kenntnisse verfügt. Zur Bildung eines Grundwissens über eine Anzahl zusätzlicher Fertigkeiten müssen die Streitkräfte neue Möglichkeiten schaffen, um Solda-ten zu trainieren und auszubilden. Dies würde wahrscheinlich eine Änderung der Konzepte für die Grundausbildung neuer Rekruten erfordern sowie eine Aufstockung der Lehrpläne mit unterschiedlichen Kursen durch die professionellen Militäraus-bildungseinrichtungen innerhalb der gesamten Streitkräfte für Unteroffiziere und Offiziere.

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DMR: Welche Auswirkungen hat ein ständig komplexeres Umfeld auf die Führung?

J.E.Mullin: Ein komplexeres Umfeld steigert die Anforderun-gen an die Führung sowie die Erwartungen an die Führungs-kräfte, eine größere Anzahl an Herausforderungen gleichzei-tig bewältigen zu können. Zusätzlich zu den herkömmlichen Auseinandersetzungen zwischen den Nationalstaaten, die mittels konventioneller Kriegsführung gelöst werden können, müssen Führungskräfte sich jetzt mit einer Vielzahl an religi-ösen, ethnischen, sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Auseinandersetzungen, aus denen Konflikte ent-stehen können, befassen. Diese Herausforderungen können in weniger entwickelten Regionen der Welt große Instabili-täten verursachen, die eine asymmetrische Kriegführung zur Folge haben können, wenn die kriegführenden Nationen den konventionellen Fähigkeiten der USA und ihren Verbünde-ten nicht gewachsen sind. Führungskräfte müssen in der Lage sein, mit konventionellen als auch mit nichtkonventionellen Bedrohungen umzugehen – letztere stellen wesentlich höhere Anforderungen an Intelligenz, Planung und Ausbildung zur effektiven Bekämpfung.

Nimmt man die gegenwärtigen Einsatzgebiete als Beispiel, dann haben die USA ihre Streitkräfte in mehreren Konti-nenten gleichzeitig eingesetzt. Diese Einsätze können große Unterschiede aufweisen. Die Tatsache, dass wir mit so vielen Bedrohungen weltweit fertigwerden müssen, stellt eine zusätz-liche Belastung unserer Ressourcen dar, insbesondere, da die US-Streitkräfte mehr mit weniger Ressourcen leisten müssen. Unsere Führungskräfte müssen daher Kreativität entwickeln, um die Soldaten auszubilden, einzusetzen und Operationen mit ihnen durchzuführen. Außerdem wird von ihnen erwartet, dass sie sowohl Empfehlungen über Änderungen abgeben, die die Flexibilität unserer Soldaten steigern, als auch über die Anschaf-fung angemessener Ausrüstungen für künftige Operationen.

DMR: Können Sie Komplexität durch das Eingehen von Kollabo­rationen bewältigen?

J.E. Mullin: Auf jeden Fall. Die Herausforderungen eines zuneh-mend komplexeren Umfelds schwächen wir teilweise ab, indem wir Koalitionen bilden. Bei der Durchführung von Einsätzen an unterschiedlichen Orten der Welt werden wir weiterhin mit

Major James E. Mullin III, Taktischer Ausbil-der und Leadership Trainer der US-Streitkräfte, hat sein Studium an der University of Oklahoma mit einem Master-Abschluss in Verwaltungswis-senschaft abgeschlossen und seinen Bachelor-Abschluss an der Militärakademie in West Point, USA, erworben. In seiner bisherigen Laufbahn hat Jim mehrere hundert Kampf- und Friedenssiche-rungseinsätze durchgeführt. Seinem Kommando unterstanden Soldaten in Zug- und Kompaniestär-ken. Er war für die Mobilisierung und Ausbildung von mehr als 600 Mitgliedern der Nationalgarde verantwortlich, bevor diese zu Kampfeinsätzen im Irak und in Afghanistan abkommandiert wur-den. Gegenwärtig ist Jim für die den Einsätzen vorausgehende Ausbildung von britischen und internationalen Offizieren verantwortlich und un-terrichtet Militärdoktrin, Rekrutierungsabläufe und Manövertaktiken im Land Warfare Centre in Warminster, England. Er wurde bereits diverse Male ausgezeichnet, unter anderem mit zwei Bronze-Star-Orden für herausragende Leistungen im Kampfeinsatz.

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Verbündeten, internationalen Partnern und Streitkräften der Gastgeberländer zusammenarbeiten, um unsere Ziele zu errei-chen. Diese Koalitionen beteiligen die internationale Gemein-schaft, um Unterstützung und Legitimation zu erhalten. Wir sind zunehmend auf die Hilfe unserer Verbündeten angewiesen, um Einsätze strafrechtlich verfolgen zu können, und bilden bei der Bekämpfung weltweiter Bedrohungen eine vereinte Front, wobei unseren Führungskräften zukünftig eine noch wichtigere Rolle bei der Bildung dieser Koalitionen zukommt.

Zusätzlich zur Zusammenarbeit mit internationalen Partnern müssen die US-Streitkräfte in der Lage sein, mit US-Regie-rungsbehörden, NGOs sowie mit einem Gastland der inter-nationalen Gruppen zu kooperieren, das im Kampfgebiet der Einheit eingesetzt werden kann. Wir müssen verstehen, wie diese Organisationen operieren, welche „Sprache“ sie sprechen, und in kurzer Zeit lernen, Interoperabilität herzustellen, sodass wir zusammen und nicht gegeneinander arbeiten. Dies erfor-dert Training, Erfahrung und die Ausbildung von Fachkräften (SMEs), die über das erforderliche Wissen und die Fähigkeiten verfügen.

DMR: Welche Herausforderungen ergeben sich aus der digitalen Transformation in Bezug auf Führung?

J.E. Mullin: Die digitale Transformation in der heutigen Zeit erfordert, dass die Führungskräfte der US-Streitkräfte sich mit einer Anzahl an Cyber- und informationsbezogenen Herausfor-derungen auseinandersetzen und über herkömmliche Szenarien hinaus denken müssen. Unsere Kampfeinsätze sind nicht länger nur auf Land, See, Luft oder Weltraum beschränkt. Die Füh-rungskräfte befassen sich jetzt auch mit der Cyber-Domäne, um die Netze der USA und deren Verbündeten zu schützen. Dies ermöglicht uns völlige Handlungsfreiheit im gesamten Cyberspace und hält den Feind davon ab, unsere eigenen Informationen und Fähigkeiten virtuell anzugreifen.

Außerdem besteht unsere Fähigkeit zur kontinuierlichen Rund-um-die-Uhr-Abdeckung weltweiter Nachrichten zu einem großen Teil darin, wie wir künftige Konflikte erfolgreich bewältigen. Wir haben es mit intelligenten Feinden zu tun, die mit den Medien vertraut sind, diese zu ihrem Vorteil nut-zen und uns in etablierte Nachrichtenkanäle oder auch soziale Medien involvieren. Es ist zwingend erforderlich, dass wir die-

sen Kampf um die Informationen gewinnen, und zwar sowohl vor den öffentlichen Gerichten als auch hinsichtlich der inter-nationalen Meinung. Um dies zu erreichen, müssen Führungs-kräfte bei der Adressierung der Medien aggressiv und proaktiv vorgehen und den Operationen der Feinde im Informations-bereich zuvorkommen. Deshalb müssen unsere Führungskräfte sehr sachkundig im Umgang mit Medien sein und die Medien als Gewinn betrachten. Darüber hinaus müssen die Führungs-kräfte die zentrale Bedeutung der Medienarbeit gegenüber ihren Untergebenen klar zum Ausdruck bringen. Medien beschäftigen sich nicht unbedingt schwerpunktmäßig damit, was hochran-gige Offiziere denken. Sehr häufig wollen sie einfach nur wissen, was Soldaten am Boden tun. Somit ist es zwingend erforderlich, dass wir die gesamten Streitkräfte im Umgang mit den Medien trainieren und ausbilden, und dass diese gleichzeitig die Bedeu-tung der Operationen im Informationsbereich und damit deren Auswirkungen auf strategischer Ebene verstehen. Es ist wie bei jeder Aufgabe der Streitkräfte: Man muss üben, um besser zu werden. Führungskräfte müssen in ihren Ausbildungsplan inte-grieren, wie man Interviews führt und Pressekonferenzen abhält und wie man Medienquellen in Operationen einbindet, sodass das Erzählen der Story den Streitkräften überlassen bleibt. Die digitale Transformation hat sich bei uns auf eine Vielzahl unter-schiedlicher Aspekte ausgewirkt, und der Umgang mit diesen neuen Herausforderungen erfordert zusätzliche Fertigkeiten, die wir – wie alle anderen auch – entwickeln und trainieren müssen.

DMR: Wir danken Ihnen für das Gespäch.

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High-performing Teams unterstützen die Konkurrenzfähigkeit von Unternehmen

Interview mit Prof. Dr. Irene López, Cologne Business School (CBS)

DMR: Wie könnte man denn dieses Wir-Gefühl sicherstellen?

I. López: Das Patentrezept an dieser Stelle gibt es leider noch nicht. Adam Grant ist ein Wissenschaftler, der viel zu High-performing Teams geforscht hat. Er hat dabei die folgenden drei Persönlichkeiten identifiziert: erstens die „Giver Culture“, zwei-tens die „Taker Culture“ und drittens die „Matcher Culture“. Das bedeutet, dass es von der Persönlichkeit her Menschen gibt, die eher geben können, gerne anderen helfen und dafür keine Gegenleistung verlangen, die sogenannten „Giver“. An-dere schauen eher darauf, dass sie selber profitieren und Er-folge intrinsisch attribuieren oder auf sich beziehen können, die sogenannten „Taker“. Zudem gibt es die „Matcher“, die etwas geben, wenn sie etwas bekommen, also tauschen. Grant konnte in seinen Studien aufzeigen, dass die Grundlage eines High-performing Team die „Giver Culture“ ist. Deshalb sollten „Giver“-Persönlichkeiten konsequent und kompromisslos in ein High-performing Team aufgenommen werden.

DMR: Wenn Sie sagen, dass primär „Giver“ in einem Team sein sollten, wie kann man diese in einem Auswahlgespräch identifizieren?

I. López: „Giver“ können durch Instrumente der Eignungs-diagnostik ermittelt werden, indem die Kooperationsbereit-schaft des Kandidaten untersucht wird. Forschungsergebnisse postulieren ganz klar, dass Kooperation im Gegensatz zu Kon-kurrenz erfolgversprechender ist. Teams, die großen Wert auf Kooperation legen und ein Wir-Gefühl entwickelt haben, wo gefragt werden darf und man sich gegenseitig hilft, also „Giver Cultures“, erzielten bessere Ergebnisse.

DMR: Das Thema High­performing Teams gewinnt im Moment extrem stark an Bedeutung. Wie schätzen Sie persönlich dieses Thema ein?

I. López: Aktuell ist es so, dass die Wettbewerbsbedingungen deutlich härter sind und der Konkurrenzdruck massiv und immens ist, gepaart mit extrem kurzen Innovationszyklen. Es muss immer schneller reagiert werden. Gleichzeitig ist auch der Grad der Spezialisierung sehr gestiegen, weshalb Einzelpersonen Leistungen oder Anforderungen des Marktes nicht erbringen können. Um aber gerade dem gerecht zu werden, sind High-performing Teams unabdingbar und gewinnen im Sinne der Konkurrenz fähigkeit stark an Bedeutung.

DMR: Zur Begriffsklärung: Wie würden Sie High­performing Teams definieren und von „normalen“ Teams abgrenzen?

I. López: Zur Abgrenzung von „normalen“ Teams kann man zu-nächst einmal „Hard Facts“ als Grundlage nehmen, also ob oder wie sich die Ergebnisse oder Kennzahlen zwischen den Teams unterscheiden. Bei High-performing Teams ist der Team- Spirit in Form eines wirklich gelebten „WIR“ und damit einer hohen Teamverantwortung besonders vorhanden. Unternehmen kreieren allerdings häufig Kulturen, in denen Fragen nicht erlaubt sind, weil sie ein Zeichen von Schwäche sein könnten, in denen man Hilfe nicht in Anspruch nimmt, weil es zeigen könnte, dass man es alleine nicht schafft, und in denen Infor-mationen verheimlicht werden, weil sie einem selbst Vorteile verschaffen könnten.

High-performing Teams zeichnen sich durch eine hohe Teamverantwortung aus. Dass diese Kraft Unternehmen im Wettbewerb stärkt, daran hat Prof. Dr. Irene López keinen Zweifel. Im Gespräch mit Detecon spricht sie über die Herausforderung, diese Teams zusammenzustellen und zu führen.

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DMR: Gibt es Beispiele dafür, wo das Schaffen eines Wir­Gefühls gut funktioniert hat?

I. López: Aus dem Sport kann man zahlreiche Beispiele ziehen. Der Italiener Ernesto Bertarelli hat zum Beispiel als totaler Außenseiter den America‘s Cup 2003 und 2007 gewonnen. Er hat eine Passion zum Segelsport; seine Vision, bei diesem Cup teilnehmen zu wollen, hat er nie aus den Augen verloren. Insge-samt ist er recht klassisch vorgegangen: Er hat sehr gute Segler der ganzen Welt in sein Team geholt, seine Vision weiter getra-gen, ein starkes Wir-Gefühl in diesem Team geschaffen. Beim Transfer aus dem Sport muss natürlich die Leidenschaft berück-sichtigt werden. Dennoch ist dies ein vorbildliches Beispiel.

DMR: Und wie gelingt es nun einem Leader, solche High­perfor­ming Teams zu formen? Was für eine Art von Führung brauchen High­performing Teams?

I. López: Hier gibt es unterschiedliche Erkenntnisse. Neue For-schungsergebnisse zeigen, dass eine transformationale Führung High-performing Teams kreieren kann. Warum? Diese Team-leader setzen an der Entwicklungsfähigkeit der Teammitglieder an. Dies soll nicht nur die Eigenverantwortung, sondern eben-so auch die besagte Teamverantwortung stärken. Ein Mangel hieran zieht häufig ein Scheitern nach sich. Transformationale Führungskräfte überzeugen ihre Mitarbeiter mit Visionen und überzeugenden Zielen. Sie versuchen, sich so zu verhalten, dass sie selbst als Vorbild wahrgenommen werden können.

DMR: Wie könnte man einen solchen Leader konkret identifizie­ren?

I. López: Es gibt ein Instrument, das die transformationale Füh-rung misst, der Multifactor Leadership Questionnaire (MLQ). Dieser Test misst tatsächlich valide, er ist in 40 Folgestudien evaluiert und validiert. Hier werden verschiedene Faktoren wie beispielsweise Teameffektivität, Mitarbeiterzufriedenheit, Selbstverantwortungsmöglichkeiten oder Persönlichkeitsmög-lichkeiten zuverlässig erfasst.

DMR: Gibt es sonst bestimmte Kriterien für den Leader eines High­performing Teams, zum Beispiel, dass er von der Hierarchie her nicht zu weit über den Mitarbeitern stehen darf?

I. López: Mit der Verschriftlichung von Hierarchien auf dem Papier hat das gar nichts zu tun, sondern eher mit der indivi-duellen und sozialen Ebene des Menschen. Es gibt Unterneh-men, die ganz bewusst Managementpositionen so ausrichten, dass Manager ganz unten anfangen müssen, zum Beispiel bei den Management-Trainee-Programmen. Alle Prozesse müssen genau erlernt werden, um die Anforderungen und Kulturen in allen Bereichen zu lernen. Durch diese Strategie wird versucht, der Hierarchiehürde entgegenzuwirken. Dies ist jedoch eine rein menschliche und keine hierarchische Fragestellung. Jemand kann hierarchisch gesehen weit vom Team entfernt sein, sich mental aber trotzdem auf derselben Stufe einfinden.

Prof. Dr. Irene López ist Professorin für Wirtschafts-psychologie und Head of Business Psychology Studying

Programme an der Cologne Business School (CBS), eine private Hochschule in Köln. Sie ist seit mehreren

Jahren als Coach und Consultant in Leadership- Programmen tätig. Ihre Schwerpunkte in der Lehre und

Forschung sind Kommunikation, Kommunikations-prozesse und -optimierung, Wissensmanagement,

Personal- und Führungskräfteentwicklung, Arbeits- und Organisationspsychologie. Die CBS ist international aus-gerichtet, staatlich anerkannt und zählt zu den deutschen

Top-Wirtschafts hochschulen.

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Cologne Business School

DMR: Was halten Sie von Instrumenten, die für die Zusammen­stellung von Teams genutzt werden?

I. López: Bei der Zusammenstellung von High-performing Teams versucht man häufig, sehr unterschiedliche Personen auszusuchen, sodass man möglichst alle Ausprägungen, Fähig-keiten, Qualifikationen und Persönlichkeiten in irgendeiner Form vertreten hat. Gerne wird dann der MBTI (Myers-Briggs Typenindikator) verwendet. Es gibt noch eine Reihe weiterer Fragebögen. Letztendlich fragen die Instrumente lediglich Fak-ten ab, die zunächst nur theoretisch aufeinander abgestimmt werden. Häufig wird erst in der Praxis deutlich, wie etwas tat-sächlich funktioniert. Ich bleibe bei der Hypothese: Am Ende steht und fällt die Teamleistung mit dem Menschen selbst! Wenn es nicht gelingt, auf der individuellen beziehungsweise sozialen Ebene tatsächlich eine Harmonie herzustellen, werden die Ergebnisse nicht besser. Das heißt, dass alles, was instrumen-talisiert vorher abgefragt wurde, sicherlich zielführender, aber noch kein Erfolgsgarant ist.

DMR: Es gibt Unterschiede zwischen High­performing Teams und „normalen“ Teams. Wenn die einzelnen Teammitglieder gleich „fähig“ sind, ist der ausschlaggebende Punkt diese Harmonie­Kom­ponente?

I. López: Nein, es ist nicht die „Fähigkeitsebene“, sondern die Beziehungsebene, die Vertrauen entwickeln lässt. Vertrauen entwickelt sich über eine funktionierende Beziehungsebene, die über Kommunikation als Basis hergestellt werden muss. Und da liegt ein Haupt-Knackpunkt in der Team Performance: Je un-terschiedlicher, heterogener die Zusammenstellung, desto un-terschiedlicher sind die Sichtweisen und Persönlichkeiten, desto schwieriger ist es, ein gegenseitiges Verständnis herzustellen und desto häufiger entstehen Missverständnisse – ganz simpel – auf-grund von unterschiedlichen Kommunikationsstilen und noch häufiger aufgrund von komplett mangelnder Kommunikation. Da haben wir in Deutschland noch sehr viel zu lernen. Wenn wir uns den Engagement-Index in Deutschland aus dem letzten Jahr anschauen, sind es magere 16 Prozent der deutschen Mit-arbeiter, die sich mit ihrem Unternehmen verbunden fühlen, die anderen 84 Prozent tun dies nicht. Der Hauptgrund dafür: mangelnde Kommunikation mit den Vorgesetzten.

DMR: Worauf würden Sie dieses niedrige Engagement Level von Mitarbeitern in deutschen Unternehmen zurückführen?

I. López: Dazu gibt es konkrete Ergebnisse. Die Hauptursache ist zum einen die Kommunikation zum Vorgesetzten, zum an-deren die mangelnde Wertschätzung – kein Lob, keine Aner-

kennung und mangelnde Einbeziehung bei Entscheidungen. Wenn wir nun aber wissen, dass Lob ein essentielles Instrument der Motivation und der Führung ist, ist es doch zielführend, dies auch zu nutzen. Hier scheint allerdings ein großes Manko vorhanden zu sein.

DMR: Gibt es Organisationsformen, zum Beispiel agile Methoden, die High­performing Teams besser liegen als andere?

I. López: Unsere Organisationsformen, wie sie überwiegend vor-kommen, wirken dem Gelingen eines High-performing Teams eher entgegen. Zum Beispiel bieten Unternehmen den Mitar-beitern Boni-Systeme. Aber wen suche ich hier? Den Besten. Es gibt Beförderungssysteme. Wen suche ich? Den Besten. Es gibt Auszeichnungen. Wen suche ich? Den Besten. Was mache ich, wenn ich als Mitarbeiter ausgesucht werde? Ich profiliere mich als den Besten. Es ist schwierig in dieser Organisationsform, die wir in fast allen Unternehmen haben, ein ehrliches und echtes Wir-Gefühl innerhalb eines Teams zu erzeugen. So kann es nicht gelingen. Wir müssen ein System, eine Organisationsform und eine Gratifikation finden, die auch einem High-performing Team gerecht wird.

DMR: Wie kann man diese Systeme verbessern, um Aspekte wie Kooperation zu erfassen?

I. López: Eignungsdiagnostisch können gespiegelte Fragen aus anderen Bereichen gestellt werden, die dann auf den Arbeits-kontext übertragen werden, beispielsweise welchen Sport eine Person treibt, ob sie ein Marathon-Läufer oder ein Hockey-Spieler ist. Aus solchen verhaltensbasierten, biografischen und situativen Frageformen kann man bestimmte Ausrichtungen im Sinne der Kooperationsorientierung herausfinden.

DMR: In Bezug auf das Performance Management könnte man Mitarbeiter weniger über finanzielle Aspekte incentivieren, sondern eher über die Zusammenarbeit mit anderen und das nachweisliche Teilen von Informationen. Diese Punkte müsste man allgemein viel mehr hervorheben und zum Beispiel einen Kollektiv­Bonus festlegen.

I. López: Ja, das ist ein guter und fruchtbarer Ansatz. Viele Performance-Management-Systeme wie die Balanced Scorecard heben eher den Einzelnen hervor und vernachlässigen Aspekte wie Wissensmanagement oder Teamfähigkeit.

DMR: Mein Eindruck ist, dass es vielen Menschen genauso schwer fällt, neben Lob auch ein kritisches Feedback abzugeben. Wie schätzen Sie das Thema „Umgang mit Kritik“ ein?

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Cologne Business School

I. López: Krisenmanagement, Konfliktmanagement und eine gesunde Feedbackkultur sind ebenfalls wesentliche Bestandteile eines High-performing Teams. Dort, wo Menschen zusam-menarbeiten, herrscht immer eine Dynamik, es kommen un-terschiedliche Sichtweisen und Konflikte auf. Es gibt ja keine einheitliche Realität. Die Psychologie des Menschen erlaubt uns, lediglich etwas „wahr zu nehmen“. Das bedeutet, dass ich meine subjektive Realität sehe, diese sich jedoch von jeder ande-ren unterscheidet. Es ist natürlich, dass Konflikte aufkommen, da die eigene Sicht zunächst für die „Richtige“ gehalten wird. Dafür ist es wichtig, eine gesunde Feedbackkultur zu haben, in der Konflikte als Potenzial gesehen werden, sodass man einem konstruktiven, lösungsorientierten Ansatz folgt. Ein Problem ist sicherlich, dass oft unklar ist, wie Feedback wirkt. Häufig wird es mit „schlecht gemacht werden“ assoziiert. Letztendlich müs-sen auch die Führungskräfte lernen, dass sie beim Feedback-Geben nur ihre eigene Wahrnehmung reflektieren. Auch das ist nur subjektiv. Insgesamt wird zu wenig gelernt, welche Wirkung von Feedback ausgeht und wie Feedback effektiv eingesetzt wer-den kann.

DMR: Diese Diskussion führten wir bereits in dem Kontext, wie man ein Feedbacksystem von Performance Management trennen kann. Was halten Sie davon?

I. López: Performance Management ist ein Instrument, das vor allem reliabel, also messgenau, sein muss. Es ist mit Bedacht an-zuwenden, da es auch ausbremsen kann. Wenn Feedback offen, transparent und ehrlich sein darf, kann es deutlich fördernder sein als harte Kennzahlen. Dies würde insgesamt also eher dafür sprechen, diese beiden Themen zu trennen.

DMR: Haben Sie zukünftige Forschungsfragen zum Themenkom­plex High­performing Teams?

I. López: Mit dem Thema High-performing Teams sind ja zahl-reiche andere Themen verknüpft, zum Beispiel die Personalaus-wahl. Dort ist das Ziel, eine hohe Passung zwischen der Person und der Organisation, den sogenannten Person-Organization-Fit, zu finden. Gerade mit Blick auf die Bildung von High-performance Teams ist dies ein Thema, dessen Stellenwert in zeit nahen Forschungsvorhaben nachgegangen werden soll. Mit Blick auf den demografischen Wandel ist darüber hinaus das Thema aktuell, wie sich Unternehmen positionieren müssen, um High Potentials überhaupt zu generieren – hier ist also die Frage, wie sich der Stellenwert von Employer Branding ent-wickelt. Weitere Forschungsfragen werden sein, wie High-per-

forming Teams virtuell performen können und vor allem, wie trotz der virtuellen und nicht persönlichen Zusammenarbeit ein Wir-Gefühl entstehen kann. High-performing Teams muss es in der Zukunft auch virtuell geben.

DMR: Welche Möglichkeit gibt es, in einem großen Unternehmen, zum Beispiel Deutsche Telekom, die Art und Weise, wie dort mit Teams umgegangen wird, komplett zu drehen – weg vom Fokus auf Effizienz, hin zu Innovation und Kreativität?

I. López: Es gibt Vertreter, die sagen, dass eine Unternehmens-kultur nicht verändert werden kann. Das sehe ich anders. Wenn Sie jedoch die Telekom ansprechen, die bereits stark verortet ist und von der Hierarchie eher große Teams aufweist, ist es ver-mutlich schwierig. Gute Teamgrößen, in denen ein Wir-Gefühl überhaupt entstehen kann, haben fünf, sieben, vielleicht zehn Teammitglieder. Bei größeren Teams ist es viel zu schwierig, Einstellungen und Verhalten ganzheitlich zu verändern.

DMR: Sie haben den Trend der virtuellen Teamarbeit angespro­chen, bei der Identifikation wirklich schwer herstellbar ist. Wir würden die These wagen, dass in Zukunft weniger virtuell gear­beitet wird.

I. López: Trotz Virtualität ein Wir-Gefühl zu schaffen, ist sicherlich schwer herstellbar und aufwendiger – aber es ist nicht unmöglich. Den Aufwand muss man auf sich nehmen, sonst verschafft man sich definitiv einen Wettbewerbsnachteil.

DMR: Vielleicht wird der Aufwand eher darin liegen, sich häufiger physisch zu treffen?

I. López: Ja, das werden wir sehen. Der Wissenstransfer in per-sönlichen Treffen ist höher. Wenn Informationen von Kollegen benötigt werden, die in einem Team sind, deren Mitglieder sich gut kennen, einander schätzen, respektieren und vertrauen, ist der Austausch definitiv höher.

DMR: Vielen Dank für das spannende Gespräch.

Die Leitung von Projektteams in Mittel- und Osteuropa durch „Westler“ ist historisch bedingt vorbelastet. Offene Dialogfüh-rung, konstruktives Sparring, absolute Nachvollziehbarkeit der Projektschritte sowie Prä-senz bauen Barrieren ab.

Interkulturelle Führung

Vertrauen als Basis erfolgreicher Projektleitung in Mittel- und Osteuropa

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1 in ganz gewöhnliches Szenario: In der Hauptgeschäftsstelle eines multinationalen Unternehmens wird eine Entscheidung getroffen, die Änderungen in einer nationalen Tochtergesell-schaft der CEE-Region zur Folge hat. Ein kompetenter und er-fahrener Projektmanager aus dem westlichen Headquarter wird in diese Tochtergesellschaft entsendet, um die Entscheidung umzusetzen. Gleich zu Projektbeginn stößt der Manager auf Widerstand und Distanziertheit, auf Hindernisse, die das Er-reichen der gesetzten Ziele erschweren. Warum ist das so? Wo-durch wird die Distanziertheit verursacht? Wie vermeidet man Widerstand und leitet ein Projekt in dieser Region erfolgreich?

Neben vielen kulturellen Unterschieden gibt es eine Historie, die die Beziehungen zwischen Ost und West entscheidend geprägt hat. Die meisten mittel- und osteuropäischen Länder waren in der Vergangenheit politisch nicht eigenständig, und nach dem Zerfall des Ostblocks wurden sie wirtschaftlich von mächtigen westeuropäischen Ländern dominiert. Aus diesem Grund lagen die mittel- und osteuropäischen Länder im Hinblick auf Wirt-schaftswachstum, finanzielle Ressourcen und politische Stabili-tät lange weit hinter dem Westen zurück. Die in diesen Ländern verankerten realsozialistischen Herrschaftssysteme verstärkten zudem die wirtschaftliche Abhängigkeit von westeuropäischen Ländern. Auch heute werden die „Westler“ immer noch als Trendsetter und die „Ostler“ als Mitläufer wahrgenommen.

All diese Aspekte, historischen Gegebenheiten und Stereotypen rufen ein Gefühl der Unterlegenheit und des Misstrauens ge-genüber westeuropäischen Ländern hervor. Historische Fakten zieht jedoch kaum jemand beim Aufbau von Geschäftsbezie-hungen in Betracht. Dabei wäre das äußerst sinnvoll: In der CEE-Region ist man nach wie vor distanziert und skeptisch gegenüber westlichen Vorgesetzten. Nur allzu schnell kommt ein Gefühl der Unterdrückung auf. Kollegen aus dem Westen müssen diesen Voreingenommenheiten entsprechend begegnen, um eine gleichberechtigte und offene Beziehung herstellen zu können.

E VERTRAUEN SCHENKEN UND VERTRAUEN ERHALTEN Jemandem zu vertrauen ist schwer. Aber zu wissen, wem man vertrauen kann, noch viel schwerer …1

Westliche Manager werden sehr oft als von außen eindringende Autoritäten betrachtet, die neue Systeme errichten wollen. Dies kann dann in Unternehmen vor Ort als Bedrohung oder als das Eindringen in das „eigene kleine Mutterland“ aufgefasst wer-den. Hinzukommt, dass CEEs generell sehr emotional sind und vielfach Entscheidungen treffen, die von Gefühlen und nicht von Zahlen und Fakten geleitet sind, und es deshalb schwierig ist, ihr Vertrauen zu gewinnen.

Wenn man als Manager mit einer solchen Situation konfrontiert wird, muss man zunächst die Distanziertheit verringern, um in einem weiteren Schritt eine vertrauensvolle Arbeitsumgebung aufbauen zu können. Mit einer offenen Kommunikation, in der beide Parteien gleichberechtigt sind, können Sie zeigen, dass Sie und auch das Headquarter vertrauenswürdige Partner sind.

In CEE-Ländern ist es in vielen Angelegenheiten eine Frage der Ehre, ob die Gegenparteien aus dem Westen die Belegschaf-ten vor Ort als gleichberechtigte Sparring-Partner behandeln. Wenn die Teams vor Ort das Gefühl haben, dass sie nur zur Durchsetzung der angestrebten Ziele ohne Berücksichtigung ihrer eigenen Perspektiven benutzt werden, dann ist das Projekt zum Scheitern verurteilt. Wenn Sie wollen, dass die Teams vor Ort sich für die angestrebten Ziele einsetzen, dann müssen Sie sicherstellen, dass diese auch darauf vertrauen können, ebenfalls von diesen Zielen zu profitieren. Die Partner der CEE-Region müssen nachvollziehen können, dass das auszuführende Projekt für das Unternehmen als Gesamtheit, also auch für die jeweilige Niederlassung vor Ort, Werte liefert.

1 Maria V. Snyder, Poison Study, 2005

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2 3 ZEIGEN SIE VERSTÄNDNIS

Any fool can know. The point is to understand …2

Beim Start eines Projektes muss unbedingt darauf geachtet wer-den, die vor Ort herrschenden Ansichten in die gesetzten Ziele und Projektmeilensteine mit einzubeziehen. Sprechen Sie mit Ihren Partnern und hören Sie gut zu, was diese über die Pro-zesse, Gewohnheiten und die Unternehmenskultur vor Ort zu sagen haben. Finden Sie heraus, wo deren Stärken liegen und wie Sie diese weiterentwickeln können. Identifizieren Sie mög-liche Engpässe und erkundigen Sie sich, wie die Partner vor Ort damit umgehen.

Wenn Sie aufmerksam zuhören und das erhaltene Feedback in das Projekt einbeziehen, wird das Team vor Ort darauf vertrauen, dass das Projekt auch ihren eigenen Bedürfnissen entspricht. Westliche Manager begehen einen Riesenfehler, wenn sie mit einem bereits fertigen Projektplan anreisen und verkünden: „Das müssen Sie machen und genauso müssen Sie es machen, weil das Headquarter es so angeordnet hat“. Nichts demotiviert die Partner in den CEEs mehr, als dass man im Westen schon wieder alles für sie entschieden hat.

Da CEEs einen westlichen Manager nicht unbedingt allein aufgrund seiner Position als Autorität anerkennen, muss der Projektleiter eine Autorität auf seinem Wissensgebiet sein und dieses auch entsprechend kommunizieren, um so das Vertrauen und den Respekt der Mitarbeiter vor Ort zu gewinnen. Fach-kenntnisse und Kompetenzen bedeuten hier das Verstehen der Gründe, Ziele und Ergebnisse des Projektes. Nur mit dieser Einstellung wird es dem Projektmanager gelingen, rationale Entscheidungen über Budget, Ressourcen und Fristen zu tref-fen. Unrealistische Schätzungen könnten das Projekt gefährden.Stellen Sie unter Beweis, dass Sie sämtliche Aspekte des Themas verstanden haben. Zeigen Sie Interesse daran, mehr über Pro-zesse und Tools zu lernen. Eine optimale Herangehensweise in diesem Zusammenhang wäre, Experten vor Ort zu involvieren, deren Wissen mit einzubeziehen und dieses auch in Ihren Ent-scheidungen zu berücksichtigen.

TRANSPARENT KOMMUNIZIEREN UND ZUVERLÄSSIG SEIN Assumptions are the termites of relationships…3

Die Kommunikation innerhalb eines geografisch verteilten Teams gestaltet sich häufig schwierig und erfordert zusätzliche Anstrengungen. Oft gehen unklar formulierte Nachrichten in der digitalen Kommunikation verloren. Auch Ihre Nachricht kann nur unvollständig ankommen und missverstanden wer-den.

Eine der typischen Angewohnheiten von CEEs ist es, Spekula-tionen über das Unbekannte anzustellen. Wenn Mitarbeiter über ein bestimmtes Thema Teilinformationen erhalten, dann entwickeln sie diverse, häufig negative Szenarios. Noch typischer für CEEs ist es, dass sie bei ihrem Versuch, Schlüsse aus Ver-satzstücken zu ziehen, generell vom Schlimmsten ausgehen. In Verbindung mit ihrem emotionalen Engagement können diese Voraussetzungen die Vertrauensbildung erheblich erschweren.

Aus der CEE-Perspektive wird die westliche Muttergesellschaft sehr oft als „Blackbox“ betrachtet. Diese Ungewissheit führt zu falschen Annahmen, die wiederum schnell in Verallgemeine-rungen münden können. Wenn Sie einen Fehler machen oder sich ungebührlich verhalten, dann gehen CEEs davon aus, dass Ihr Verhalten stellvertretend für das aller Mitarbeiter des Unter-nehmens steht. Eine Möglichkeit, Spekulationen vorzubeugen, ist Ihre klare und direkte Kommunikation. Stellen Sie sicher, dass der Empfänger Hintergrund, Inhalt und die damit einher-gehenden Implikationen Ihrer Nachricht versteht.

Falsche Annahmen entstehen ebenfalls, wenn die Partner vor Ort eine Frage stellen, die für lange Zeit unbeantwortet bleibt. Wenn Ihnen Fragen gestellt werden, sollten Sie diese auch un-verzüglich beantworten. Falls Sie diese Fragen nicht unmittelbar beantworten können, dann teilen Sie Ihrem Partner mit, wann er mit einer Antwort rechnen kann oder empfehlen Sie einen anderen Experten, der die erforderlichen Informationen geben kann.

2 Albert Einstein George Finlay Simmons: Precalculus mathematics in a nutshell, 1981

3 Henry Winkler www.goodreads.com/quotes/41593­assumptions­are­the­termites­of­relationships

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4 5 GEWINNEN SIE DIE HERZEN INFORMELLER GRUPPEN Böse Bemerkungen während der Mittagspause können Ihnen mehr schaden als Ausbrüche seitens des Managements...

Informelle Gruppen haben großen Einfluss auf die Leistung eines Unternehmens. Dies kann sowohl in die eine als auch in die andere Richtung gehen und hängt davon ab, ob die Gruppe sich den angestrebten Zielen widersetzt oder diese unterstützt. Vielfach haben inoffizielle Kommunikationskanäle eine wesent-lich stärkere Durchsetzungskraft als formelle Machtstrukturen. Eine informelle Gruppe, die Ihre Strategie hintergeht, kann Ver-zögerungen oder sogar das Scheitern eines Projektes bewirken.

Das Phänomen der Macht informeller Gruppen ist nicht CEE-spezifisch – es gibt sie in diversen Kulturen. Das, was die in-formellen Gruppen in CEEs von anderen Ländern unterschei-det, ist, dass sie in der Mehrzahl der Fälle über die Grenzen des Unternehmens hinaus existieren. Geschäftsbeziehungen ent-wickeln sich häufig zu engen Freundschaften, und es ist durch-aus üblich, dass man seine Arbeitskollegen der Familie vorstellt und sie auch in den eigenen Freundeskreis mit einbringt. Ein solches Verhalten impliziert ein hohes emotionales Engagement. Mitglieder einer informellen Gruppe schützen und unterstützen sich gegenseitig, wie dies unter Familienangehörigen oder engen Freunden ebenfalls üblich ist.

Für einen Projektleiter liegt der Schlüssel zum Erfolg in der Gewinnung des Vertrauens informeller Gruppen. Lernen Sie, die Werte und Umstände zu verstehen, die zur Bildung dieser Gruppen beigetragen haben. Zeigen Sie ein ehrliches Interesse an zwischenmenschlichen Kontakten. Eine gute Gelegenheit dafür ist eine Verabredung zu einer Freizeitaktivität mit Ihren Partnern nach der Arbeit, zum Beispiel einem Restaurantbe-such. Während dieser Treffen sollten Sie geschäftliche Diskus-sionen vermeiden. Im Mittelpunkt solcher Unterhaltungen steht das Kennenlernen der Personen, mit denen Sie arbeiten. Gleichzeitig ermöglichen Sie es Ihren Partnern, Sie selbst von Ihrer persönlichen Seite kennenzulernen.

ZEIGEN SIE PRÄSENZ

Spielen Sie nicht den Weihnachtsmann, der nur einmal im Jahr in Erscheinung tritt ...

Kommunikation ist generell der Schlüssel für den Erfolg eines Projektes. Reisen sind zeitaufwendig und kostspielig – natürlich sind wöchentliche Anrufe für den Austausch zu Meilensteinen und Updates eine gute Alternative. Die virtuelle Kommunika-tion sollte jedoch nicht die Oberhand gewinnen. Als Pro-jektleiter müssen Sie sich in CEE-Ländern regelmäßig die Zeit nehmen, um dem Team vor Ort Besuche abstatten und den persönlichen Kontakt suchen. Denn nur so können Sie sicherstellen, dass die von Ihnen übermittelten Informationen auch wirklich angekommen sind. Unterschiedliche kulturelle und berufliche Hintergründe sowie Sprachbarrieren können zu Fehlinterpretationen der Anweisungen führen. Der persön-liche Kontakt vermittelt Ihnen einen Überblick darüber, wie die übermittelten Informationen aufgenommen wurden und gibt Ihnen im Falle negativer Rückmeldungen sofort die Chance, darauf zu reagieren und zu handeln.

In den CEE-Ländern arbeiten Mitarbeiter vor allem dann auf Ziele hin, wenn sie dem Management vertrauen können und ihnen im Gegenzug das Gefühl vermittelt wird, das man ihnen ebenfalls vertraut. Berücksichtigt man die historisch begründete Distanziertheit zwischen West und Ost, dann muss in den CEE-Ländern besonderes Augenmerk darauf gelegt werden, die Partner dort als gleichwertig zu behandeln. Indem Sie Ihre Partner vor Ort häufig und regelmäßig besuchen, zeigen Sie, wie wichtig Ihnen der persönliche Kontakt sowie der Austausch untereinander ist. Damit vergrößern Sie die Chance, eine Arbeitsatmosphäre zu entwickeln, die sich durch Kooperation, gegenseitige Anerkennung und Unterstützung auszeichnet.

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Virtuelle Zusammenarbeit

im unternehmerischen Kontext

Magenta MOOC, Deutsche Telekom AG

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Die Gestaltung der virtuellen Zusammenarbeit ist für Konzerne und international agierende Mittelständler erfolgskritisch. Die Deutsche Telekom lud ihre Mitarbeiter im vergangenen Jahr erstmalig zur Teilnahme an einem

konzernweiten Massive Open Online Course ein. Im Interview berichtet Eva Strube, Projektleiterin für Konzept, Inhalte und Umsetzung dieses ersten

Massive Open Online Course, über ihre Erfahrungen.

ortschreitende Globalisierung, Flexibilisierung der Arbeit und Kostenoptimierungszwänge in Unternehmen sind trei-bende Kräfte für die Etablierung neuer, virtueller Formen der Zusammenarbeit. Mittlerweile arbeiten fast 20 Prozent aller deutschen Manager dauerhaft in virtuellen Teams zusammen. Auch im Mittelstand nimmt die virtuelle Kooperation zu. Das Institut für Mittelstandsforschung in Bonn hat ermittelt, dass bereits mehr als 5.000 deutsche Mittelständler in ausländische Betriebe investiert oder dauerhafte Standorte im Ausland einge-richtet haben. In diesen Unternehmen ist virtuelle Zusammen-arbeit über Landesgrenzen hinweg schon längst an der Tages-ordnung. Die Weiterentwicklung von Tools zur Unterstützung von virtuellen Teams boomt und die technische Infrastruktur, zum Beispiel schnelle Internetverbindungen, wird immer bes-ser.

Virtuelle Zusammenarbeit verbindet flexible Gruppen von Mitarbeitern, die sich über gemeinsame Ziele definieren und orts- und zeitunabhängig, aber ergebnisorientiert an Projektauf-trägen arbeiten. Genauso wie in nicht-virtuellen Teams können sich die Mitglieder in punkto Fachexpertise, Länderzugehö-rigkeit und Hierarchieebene voneinander unterscheiden. Zur Unterstützung dieser Art der Zusammenarbeit werden neue Technologien des Informationsaustauschs genutzt. Das können firmeninterne Social Networks sein, eigens angelegte virtuelle Arbeitsräume oder auch eigene Plattformen. Die Mitarbeiter sollen sich im Zuge ihrer virtuellen Zusammenarbeit möglichst genauso austauschen, vernetzen, diskutieren, ihr Wissen teilen und voneinander lernen können wie in Präsenzteams.

Besondere Herausforderungen für virtuelle Teams

Die typischen Formen der Zusammenarbeit, die Mitarbeiter normalerweise gut beherrschen, funktionieren im virtuellen Kontext nur bedingt. Informationsaustausch, Kommunikation und Teambuilding sind im Kontext virtueller Zusammenarbeit an andere Bedingungen gekoppelt als in Präsenzarbeit. Teams stehen in dieser Konstellation besonderen Herausforderungen gegenüber. Parallel zu den herausfordernden Projektaufgaben müssen neue Verhaltensweisen, Regeln und der Umgang mit neuen Technologien erlernt werden. Ein wesentlicher Aspekt ist dabei das Arbeitsumfeld: Die Teams brauchen zum Beispiel

F schnelles Internet und diverse Endgeräte wie Smartphones und Tablets, die den Zugang zum virtuellen Raum überall und je-derzeit ermöglichen.

Im virtuellen Raum steht oftmals der fachliche Erfahrungs-austausch mit den Kollegen im Vordergrund, um die Ziele der (Projekt-)Arbeit zu erreichen. Gerade weil die persönliche Ebene in virtuellen Teams kürzer kommt, können sowohl Inter-disziplinarität als auch Interkulturalität des Teams dazu führen, dass die einzelnen Teammitglieder unterschiedliche Problem-lösungsansätze, Arbeitsweisen und Prioritäten verfolgen und das gemeinsame Ziel aus den Augen verlieren. Zudem bleiben entscheidende Informationen oft ungenannt, da die persönliche Kommunikation durch nonverbale Signale fehlt und Menschen Probleme ungern via E-Mail oder am Telefon klären. Außerdem besteht die Gefahr, dass durch die soziale Distanz und Anony-mität der Beitrag und die Leistungserbringung des Einzelnen verschwimmt, was zu Demotivation von Team-Mitgliedern führen und den gemeinsamen Projekterfolg gefährden kann. Ein virtuelles Team braucht daher aufgrund der räumlichen, zeitlichen und teilweise auch organisationalen Trennung seiner Mitglieder mehr Zusammenhalt und Führung als ein konven-tionelles Team. Konfliktpotenzial muss frühzeitig antizipiert werden, um gegenzusteuern. Die Rollenverteilung muss für je-des Teammitglied klar und transparent sein.

Virtueller Zusammenarbeit Raum geben: Magenta MOOC

Wird virtuelle Zusammenarbeit mehr und mehr in Projektein-sätzen gefordert, sind Unternehmen gut beraten, ihre Mitarbei-ter darauf vorzubereiten und mit virtuellen Arbeitsumgebungen vertraut zu machen. Die Deutsche Telekom lud im vergangenen Jahr ihre Mitarbeiter zur Teilnahme am ersten konzernweiten Massive Open Online Course, dem Magenta MOOC, ein. Von den über 3.600 Mitarbeitern, die dem Aufruf „Share your entrepreneurial spirit“ folgten, wurden 700 per Losverfahren ausgewählt und auf heterogene Teams à fünf Personen verteilt. Von April bis Ende Juni 2014 arbeiteten diese Teams an kon-kreten Aufgabenstellungen mit Bezug zur Telekom. Weitere rund 3.000 Mitarbeiter unterstützten die Arbeit der virtuellen Teams auf der MOOC-Plattform als sogenannte supporters.

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stellen Corporate MOOCs einen geeigneten methodischen An-satz dar, um diese Ziele effizient und effektiv zu unterstützen. Der Magenta MOOC unterscheidet sich von vielen anderen MOOCs, weil wir neben dem individuellen, selbstgesteuerten Lernen und dem offenen Austausch aller Teilnehmenden auch das Lernen in der Gruppe ermöglichen und alle drei Ebenen didaktisch miteinander verbunden haben.

DMR: Wie muss man sich das konkret vorstellen?

E. Strube: Wenn Sie einen MOOC machen, in dem Sie ledig-lich Videos ins Internet stellen und mit einem Test versehen, ist das nichts anderes als klassisches E-Learning: Der Teilneh-mer sitzt alleine vor seinem Rechner und konsumiert mehr oder weniger passiv die Inhalte. Wir haben den Mitarbeitern in Aus-sicht gestellt, mit vier weiteren Kollegen aus anderen Bereichen der Telekom, also länder- und bereichsübergreifend, an einer konkreten Problemstellung zu arbeiten. Das war für 83 Prozent der Teilnehmer die zentrale Motivation, beim Magenta MOOC mitzumachen. Aus den über 3.600 Registrierungen haben wir per Los die 700 Mitarbeiter bestimmt, die gemeinsam im Team auf die dreimonatige Lernreise gingen. Die Plattform hat Fün-ferteams zusammengestellt, in denen Landeszugehörigkeiten, Altersstufen und Funktionsbereiche gemischt waren.

Die virtuellen Teams haben an sechs konsekutiven Aufgaben-stellungen gearbeitet. Konkret bedeutete dies: Jeder Teilneh-mer schaut für sich selbst die kurzen Video-Vorlesungen an, die wir zu den einzelnen Themen mit verschiedenen Telekom Managern und mit Experten aus internationalen Hochschulen produziert haben und die in der Online Library anytime and anywhere zur Verfügung standen; jeder Teilnehmer liest die dazugehörige Literatur und recherchiert auf eigene Faust wei-ter – und dann diskutiert das Team gemeinsam die Aufgaben-stellung und entwickelt in der vorgegebenen Zeit gemeinsam eine Lösung. Parallel dazu erfolgt die Diskussion und Vernet-zung innerhalb der gesamten MOOC-Community im Online Forum. Ausgehend von den Trends und Herausforderungen in der Telekommunikationsbranche haben die Teams sich mit künftigen Kundenbedürfnissen in einer zunehmend digitalisier-ten und flexiblen Gesellschaft beschäftigt. Sie haben kreative Methoden kennengelernt, um in ihrem Team eine Idee für ein neues Produkt zu entwickeln, das auf diese Bedürfnisse einzahlt, und einen ersten Prototypen ihrer Idee verprobt. Wer keinen Platz in einem Team erhalten hatte, konnte dennoch mitma-chen: Als sogenannte Supporters hatten alle übrigen registrier-ten Mitarbeiter Zugang zur Online Library, konnten im Forum mitdiskutieren und haben vor allem die Teams durch konstruk-tives Feedback zu deren Arbeitsergebnissen unterstützt.

Eva Strube, Senior Expertin HR Develop-ment in der Gruppe Transformational Chan-ge, Deutsche Telekom AG, war als Projekt-

leiterin für Konzept, Inhalte und Umsetzung des ersten Massive Open Online Course

für Mitarbeiter der Telekom verantwortlich. Der Bereich Transformational Change

(Shareground), der den Kulturwandel im Unternehmen vorantreibt, wird von Dr. Reza Moussavian geleitet. Reza Moussavian war Initiator und Kursleiter des Magenta MOOC.

DMR: Was ist das Besondere am Magenta MOOC und wie diffe­renziert er sich, mit Blick auf die virtuelle Zusammenarbeit, von anderen MOOCs?

E. Strube: Das Besondere am Magenta MOOC ist zunächst einmal, dass wir ein Bildungsformat, das ursprünglich aus dem universitären Kontext stammt, in einen Unternehmenskontext übertragen haben und für die betriebliche Bildung nutzen. Für uns bot sich das aus zweierlei Gründen an: Zum einen brauchen wir in einer zunehmend virtuellen Arbeitswelt neue digitale Lernangebote, zum anderen suchten wir ein Format, das best-möglich auf die Ziele einzahlt, die wir erreichen wollten: In-novationskraft und Wandlungsfähigkeit der Telekom stärken. Dabei liegt eine besondere Herausforderung darin, die virtu-elle Zusammenarbeit im Konzern über Abteilungs- und Län-dergrenzen hinweg erfolgreich zu gestalten. Für die Telekom

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DMR: War das nicht ein Stück weit riskant? Sie konnten ja nicht wissen, ob die virtuelle Zusammenarbeit klappt und was am Ende dabei herauskommt.

E. Strube: Stimmt. Ich glaube jedoch, dass es Aufgabe von HR ist, im Unternehmen Räume zu schaffen, in denen quer gedacht werden kann – und zwar jenseits von Hierarchien und funk-tionalen Rollen. Wo geht das besser als in einem heterogenen kleinen Team, in dem intensive Interaktion und Diskussion stattfindet und gemeinsam etwas entwickelt und gestaltet wird? Außerdem weiß die Lernforschung, dass gerade für Themen wie Innovation, Entrepreneurship oder Transformation „Social Learning“ die effektivste Lernform ist. Das wollten wir aus-probieren. Und dann müssen Sie als Verantwortliche auch ein Stück weit loslassen und auf den Prozess vertrauen. Wir wollten eben kein „Einbahnstraßen-Lernen“. Der Magenta MOOC sollte nicht allein bestehendes Wissen vermitteln, sondern neues generieren und in Produkt- und Serviceinnovationen umsetzen: „Die Rolle der Telekom im Jahr 2020“, „künftige Kundenbe-dürfnisse im digitalen Zeitalter“ sowie Ideen und Lösungsan-sätze, um diesen Bedürfnissen zu begegnen – das alles wurde in der ganzen MOOC-Community, insbesondere von den vir-tuellen Teams, entwickelt und diskutiert. Die Teilnehmer ha-ben voneinander gelernt und sich durch ihre unterschiedlichen Perspektiven bereichert. Die Videos der Dozenten, die wir für den MOOC produziert haben, die Literatur, die wir ausgewählt haben, waren dabei wertvolle Inspiration und führten zu guten Diskussionen zwischen Teilnehmern und Dozenten im Forum.

Am Ende hatten wir 100 innovative Ideen – von der Entwick-lung der alten Telefonzellen zu trendigen Ladestationen für eBikes, eCars und Smart Devices, über einen App- und Cloud-Übersetzungsservice speziell für Hör- und Sprachgeschädigte bis hin zum intelligenten Fashion Adviser. Vor allem jedoch hatten wir eine MOOC-Community, die auch nach dem Ende des Kurses über das Telekom Social Network weiterlebt. Und Mitarbeiter, die ihre Social Media Literacy ausgebaut haben und sich befähigt und ermutigt fühlen, in ihrem täglichen Ar-beitsumfeld innovativ und unternehmerisch zu handeln.

DMR: Sie haben es den virtuellen Teams selbst überlassen, sich zu organisieren. Wie sind die Teilnehmer mit dieser Form der virtu­ellen Zusammenarbeit und dem Knowledge Sharing umgegangen?

E. Strube: In jedem der sechs Kursmodule erhielten die Teams eine konkrete Aufgabenstellung, die in einem vorgegebenen Zeitraum zu bearbeiten war. Innerhalb dieser Struktur arbei-teten die Teams eigenständig und selbstorganisiert. Jedes Team wurde von einem Tutor begleitet und erhielt zudem von einem Mentor qualitatives Feedback zu jeder Submission – zusätzlich gab es Peer Reviews von anderen Teilnehmern oder von den Supporters. Außerdem hatten wir für die ganze MOOC-Com-munity einen Moderator, der zum einen Struktur vorgab, zum anderen inhaltliche Impulse für die Diskussion im Forum liefer-te. Auch der Kursleiter und die Dozenten standen im Online-Forum zur Verfügung. Ein MOOC ohne diese verschiedenen Rollen, hinter denen konkrete Personen stehen, war für unsere Zielsetzung nicht denkbar. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass man gerade in einem „Massen“-Format wie einem MOOC sehr personalisiert vorgehen und für die Teilnehmer immer wieder neue Anknüpfungspunkte setzen muss. Das erhöht die Aktivität des Einzelnen, die wiederum Voraussetzung für das soziale Lernen ist.

Die 140 virtuellen Teams sind überwiegend sehr gut mit der gemeinsamen Arbeit an den sechs Assignments klar gekommen. Sie haben sich eigenständig über das Telekom Social Network oder andere Social Media ausgetauscht und hatten auf der Plattform einen geschützten Bereich, in dem sie gemeinsam an Dokumenten arbeiten konnten. Einer der Teilnehmer schrieb uns: „Es war sehr spannend zu beobachten, wie unser Verhältnis innerhalb des Teams mit der Zeit immer besser geworden ist. Ehrlich gesagt hatte ich nicht erwartet, dass das bei einem inter-disziplinären Team so schnell der Fall sein würde, bei dem sich alle Mitglieder in punkto Nationalität, Kultur und Mentalität voneinander unterscheiden. Man lernt neue Menschen kennen, die ihre jeweils eigenen Ideen und Perspektiven einbringen.“

Die virtuelle Zusammenarbeit an einer konkreten Aufgaben-stellung mit Bezug zur Telekom wurde von den Teams nicht nur als tolle Erfahrung bewertet, sondern mit Blick auf die 100 Ideen für neue Produkte und Services in der Telekom, die am Ende heraus kamen, zudem als äußerst effektiv. Eines der ab-schließenden Statements im Forum lautete: „The submissions of this first Magenta MOOC show the tremendous potential of putting different units together which normally would never get in touch. We believe that this is the blueprint for innovation within DT.”

DMR: Wir danken Ihnen für das Gespäch.

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Erst mit hohem positiven Energielevel ist man richtig gut!

Interview mit Daniel Eckmann, Member of the Executive Board, Detecon International GmbH

Organizational Energy – klingt auf den ersten Blick wie der Titel eines Science-Fiction-Films. Oder wie der Name eines Aufputschdrinks. Tatsächlich verbirgt sich dahinter jedoch ein komplexes Konzept und aufschlussreiches Instrument, um das Leistungspotenzial eines Unternehmens im Zuge einer Transformation zu messen. Daniel Eckmann leitet bei Detecon den Beratungsbereich Deutsche Telekom und ließ in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal den Organizational Energy Index für seinen Bereich erstellen. Hier erzählt er von seinen Erfahrungen.

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as Konzept „Organizational Energy“ wurde von Bernd Vogel, Direktor des Henley Centre for Engaging Leadership, gemeinsam mit Heike Bruch, Professorin und Direktorin des Instituts für Führung und Personalmanagement an der Uni-versität St. Gallen, entwickelt. Er sagt: „Wir schlagen vor, auf das Konzept der kollektiven Energie abzustellen – auf die nicht messbaren, weichen Erfolgsfaktoren des menschlichen Potenzials, die in Zusammenhang mit der Transformation und Leistungsfähigkeit eines Unternehmens sozusagen das Herz-stück bilden. Der Grad an Organisationaler Energie zeigt, in welchem Ausmaß ein Unternehmen, ein Unternehmensbereich oder ein Team das emotionale, kognitive und verhaltensbezo-genes Potenzial zur Verfolgung seiner Ziele mobilisiert hat.“*

Hierfür wird das Energie-Level aller Mitarbeiter des ausgewähl-ten Bereichs anhand eines Standard-Fragenkatalogs abgefragt. Insgesamt handelt es sich um zwölf Fragen, welche die Mit-arbeiter auf einer Skala von „Stimme überhaupt nicht zu“ bis „Stimme voll und ganz zu“ anonym beantworten. Aspekte wie Mitarbeiterzufriedenheit, Motivation, Identifikation mit dem Unternehmen und auch (heimlicher) Frust spielen hierbei eine zentrale Rolle. Die Auswertung der Umfrageergebnisse zeigt meist ein deutliches Bild auf, welcher Gemütszustand in einem Unternehmen überwiegt: Sind die Mitarbeiter voller produk-tiver Energie und verspüren Tatendrang (produktive Energie)? Oder fühlen sie sich in der aktuellen Situation zu wohl und es herrscht eine Tendenz zur Bequemlichkeit (komfortable Ener-gie)? Das sind die beiden Energien von positiver Qualität. Auf der anderen Seite stehen die negativ belasteten Energiezustände: Resignative Trägheit steht für die Verdrossenheit der Mitarbei-ter, ein Zustand, in dem längst nicht das volle Leistungspoten-zial abgerufen wird. Dies gilt auch für den vierten und letzten Energietypen: korrosive Energie – eine sehr starke und kontra-produktive Komponente, die Mitarbeiter im Unternehmen ver-breiten können. Ein Energieprofil für das eigene Unternehmen oder den eigenen Bereich zu erhalten, kann sehr aufschlussreich sein. Aus den Ergebnissen müssen jedoch auch Maßnahmen ab-geleitet werden.

Detecon durchlebte im Jahre 2012 eine tiefgehende Transfor-mation, die nicht ohne Spuren an der Stimmung der Mitarbei-ter vorbeiging. Daniel Eckmann ließ deshalb in seinem Bereich den Organization Energy Index erstellen. Insgesamt 265 Mitar-beiter wurden anonym nach ihrer aktuellen Meinung gefragt.

D DMR: Vor welchem Hintergrund haben Sie das Konzept Organi­zational Energy eingesetzt? Wie sind Sie dabei konkret vorgegangen?

D. Eckmann: Detecon hat 2012 eine intensive Transformation durchgeführt. Diese Transformation hat zu einer neuen Unter-nehmensstruktur mit vier Hauptbereichen geführt, in denen zunächst große Verunsicherung herrschte. Unser Ziel war es auf der einen Seite, ein Stimmungsbild zu erlangen, auf der ande-ren Seite, einen Weg zu finden, wie wir Energie für unsere Auf-gaben stärker entwickeln und positiver gestalten können. Mir ist klar, dass wir nur über positive Energie gute Leistungen in unseren Projekten bringen, und dass es, vor allem im Hinblick auf die jungen Mitarbeiter, zunehmend wichtiger wird, diese zu fördern.

Konkret haben wir das erste Mal in 2013 das Energielevel in einer Umfrage gemessen, die wir außerdem dazu nutzten, einige Punkte der Transformation zu hinterfragen, um Ansätze zu haben, wie wir uns auch weiter verändern wollen. Der erste Teil unserer Umfrage diente der Messung der organisationalen Energie, im zweiten Teil fragten wir die Stimmung zu allgemei-nen Themen unseres Unternehmens ab, zum Beispiel Kom-munikation, Feedbackverhalten und Netzwerkmöglichkeiten. Darüber erhielten wir Feedback zu Aspekten, die auch mei-nen Bereich direkt betreffen. Die Ergebnisse müssen natürlich interpretiert werden, um dann relativ schnell zu entscheiden, mit welchen Maßnahmen wir diese Energiezustände verändern können. Die Ergebnisse der Stimmungsumfrage diskutierten wir als erstes mit unseren Führungskräften. Wir identifizierten Handlungsfelder und leiteten in Teams Maßnahmen aus den Ergebnissen ab. Die gleiche Umfrage mit angepasstem Fragen-katalog für den zweiten Teil führten wir in diesem Jahr durch und konnten sehen, dass wir in einigen Punkten schon einen guten Schritt voran gekommen sind.

Im Kern geht es mir darum, zu sehen: Wie kann ich eine relativ große Gruppe, sprich weit über 200 Mitarbeiter, erreichen und auch mobilisieren? Wie kann ich sie motivieren und wie können wir den Kollegen ein Umfeld gestalten, in dem sie mit einem positiven Gefühl bei der Arbeit sind, mit dem Gefühl, das Rich-tige zu tun? Ich glaube daran, dass nur eine hohe Motivation besondere Leistung ermöglicht.

DMR: Was sind aus Ihrer Sicht die wesentlichen Stärken des Konzepts? Was überzeugt Sie hier besonders?

D. Eckmann: Die Stärke des Konzepts liegt darin, dass es ein-fach in der Anwendung und eingängig für die Teilnehmer ist. Jeder hat diese Energiezustände in sich selbst schon einmal gespürt und kennt ihre Ausprägungen. Auch die Umsetzungs-möglichkeit mit dem relativ simplen Fragebogen ist praktikabel.

* Organisationale Energie – Die Transformation von Unternehmen aus der Perspektive „Leadership und menschliche Energie“, DMR Blue, Juni 2014, S. 62­67.

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Das Konzept passt aus meiner Sicht in diese Zeit und liefert Anhaltspunkte, wie man mit der Generation Y zusammenarbei-ten soll und will. In unserem Falle wird dies zudem stark durch unseren CEO Francis Deprez geprägt, der es seinen Mitarbei-tern sehr stark ermöglicht, Aufgaben zu übernehmen, die sie wirklich tun wollen. Wir alle sind davon überzeugt, dass man nur dann richtig gut ist, wenn man genau das tut, was man tun möchte, aus intrinsischer Motivation heraus. Genau das setzt das höchste positive Energielevel frei.

DMR: Warum ist „Organizational Energy“ aus Ihrer Sicht für die kulturelle Entwicklung eines Unternehmens so wichtig?

D. Eckmann: Ich glaube, dass wir Führung in 2015 anders begreifen müssen. Führung bedeutet heutzutage, Mitarbeiter zu motivieren und zu stärken, ihre Interessen gewissermaßen zu lenken. Führungskräfte können Mitarbeiter in ihrer Ent-wicklung unterstützen, sollten sie aber selbstständig entschei-den lassen, wie sie ihren Weg gehen werden. Im Gegensatz zum Führungsmodell aus dem letzten Jahrtausend, nach dem man Mitarbeiter einfach anwies, Dinge zu tun, obwohl sie diese eigentlich gar nicht tun wollen, unterstützen wir Mitarbeiter heute dabei, das für sie Richtige zu tun und sich dafür dann sehr stark zu engagieren. So erhält man eine positive Unterneh-menskultur und kann Talente dafür begeistern, langfristiger bei ihrem Arbeitgeber zu bleiben. Self Leadership is the name of the game! Wir wollen dies entwickeln und die frühe Verantwor-

Daniel Eckmann leitet das Beratungsgeschäft für Groß kunden im nationalen Telekommunikationsmarkt, Klienten sind u.a.

die Deutsche Telekom und T-Systems. Er ist Experte für ICT-Services im Telekommunikationssektor und verfügt über 15

Jahre Erfahrung in verschiedenen Führungsfunktionen.

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tungsübernahme fördern. Ich persönlich denke, dass dies am ehesten Leute motiviert, dabei zu bleiben. Wir haben die besten Erfahrungen damit gemacht, dass wir Mitarbeiter auch schon früh dazu empowern, Themen relativ stark in Eigenverantwor-tung voranzutreiben.

Früher führten wir sehr viel mehr top-down ein und gaben die relevanten Themen vor. Heute arbeiten wir mit einem Bottom-up-Ansatz. Das in Kombination mit Instrumenten wie unserer Feedback-Kultur macht den Unterschied. Wir führen deutlich weniger zahlenbasiert und stärker am Output orientiert.

DMR: Was ist aus Ihrer Sicht erfolgskritisch für die Anwendung des „Organizational Energy“­Ansatzes?

D. Eckmann: Es gibt natürlich gewisse Basics, beispielsweise, dass die Abfrage absolut anonym erfolgt. Darüber hinaus muss man das Konzept als Management absolut ernst nehmen und authentisch dahinter stehen. Man muss der festen Überzeugung sein, dass Energie, die aus intrinsischer Form entsteht, erfolg-reicher ist als aus rein geführter Handlung.

Die Ergebnisse stellen wir in verschiedenen Kommunikations-formen dar. Zum Beispiel stand unser nächstes Bereichs-Event komplett unter dem Thema Organizational Energy. Zusammen mit Bernd Vogel möchten wir den Mitarbeitern das Konzept vermitteln und nahe bringen. Wir glauben, dass wir so den Mindset unserer Mitarbeiter verändern können.

DMR: Das Motto 2014 von Detecon lautete „Lead Detecon“ und beschäftigte sich intensiv mit dem Thema Leadership auf allen Ebe­nen. Welche Rolle spielt aus Ihrer Sicht Leadership im Hinblick auf „Organizational Energy“?

D. Eckmann: Eine Große! Leadership bedeutet für uns: Wir wollen Verantwortung übernehmen! Wir wollen dafür Sorge tragen, dass sich Projekte in die richtige Richtung entwickeln, dass wir unsere Kunden in die richtige Richtung führen – und hierfür brauche ich natürlich unheimlich viel produktive Energie! Dafür muss ich motiviert sein und dafür brauche ich Freiheitsgrade. Wir geben bereits unseren jungen Mitarbeitern viel Freiheit und haben nur gute Erfahrungen damit gemacht. Sie schätzen diese frühe Verantwortungsübernahme auf allen Ebenen. Dies unterscheidet uns von einigen anderen Unterneh-mensberatungen, wo man doch noch sehr viel über Hierarchien mit dem Kunden verkehrt.

DMR: Was ist für Sie im Kontext Leadership hier besonders wich­tig und was zeichnet gute Leadership aus?

D. Eckmann: Eine Kombination aus verschiedenen Dingen. Ich nehme hier gerne das Trainer-Beispiel aus dem Sport. Es wird überlegt: Welche Aufgaben habe ich? Wie baue ich mein Team auf und wie setze ich es nach seinen Fähigkeiten ein? Ein anderer Aspekt ist: Wie motiviere ich mein Team und welche Freiheitsgrade gebe ich ihnen? Man benötigt Freiraum, um Stär-ken zu nutzen, und es gibt bestimmte Regeln, die bei der Zu-sammenarbeit eingehalten werden müssen. Im Fußball hat jeder die Pflicht, mit zu verteidigen, aber der eine, der ein bisschen besser auf das Tor schießen kann, muss diese Stärke entfalten können. Ein Leader muss authentisch sein, er muss den Mitar-beitern seine Philosophie vorleben und er muss den Mitarbei-tern den Rücken stärken. Er muss sich vor sie stellen, wenn mal etwas nicht so gut gelaufen ist. Er sollte Fehler nicht ankreiden, sondern sein Team schützen und unterstützen. Aber er muss auch motivieren und klares, wertfreies und zeitnahes Feedback geben, um Mitarbeiter in ihrer Entwicklung zu unterstützen.

DMR: Wird das Konzept „Organizational Energy“ Ihrer Meinung nach zukünftig für Organisationen an Bedeutung gewinnen?

D. Eckmann: Das kann ich mir gut vorstellen! Ich denke, dass Detecon als Unternehmensberatung mit seinem Projekt-basier-ten Arbeitsmodell ein sehr zukunftsorientiertes Modell ist. Man wird in der Zukunft mehr in Projektorganisationen zusammen-arbeiten und weniger in Abteilungen. Und hierfür brauche ich natürlich auf der einen Seite Mitarbeiter, die sich schnell mit großer Leidenschaft in Themen einarbeiten, und auf der ande-ren Seite eine Arbeitsatmosphäre, die das absolut unterstützt. Genau hier kann das Konzept der Organizational Energy eine wichtige Rolle einnehmen. Außerdem unterstützt es das Ma-nagement dabei, seine Botschaften und Maßnahmen richtig aufzusetzen und die richtigen Impulse zu geben.

DMR: Was würden Sie anderen Firmen raten, die das Konzept „Organizational Energy“ auch nutzen wollen?

D. Eckmann: Wichtig ist es, den Mindset, wie ich mit meinen Mitarbeitern zusammenarbeiten möchte, für sich klar zu defi-nieren. Ich muss wissen, wie ich führen möchte, wie ich mit meinen Mitarbeitern interagieren möchte. Habe ich einen eher hierarchischen autoritären Ansatz oder einen eher teamorien-tierten Ansatz? Fällt die Entscheidung für letzteren, dann ist Organizational Energy ein sehr gutes Instrument!

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Neue Technologien revolutionieren unsere Kommunikation und unsere Arbeitsweise. Agilität, Einfachheit sowie ein Denken in Netzwerken bestimmen erfolgreiches, unternehmerisches Handeln der Zukunft. Auch das Personalmanagement muss sich darauf einstellen.

önnen Sie sich eine Welt ohne Internet, Mobiltelefon, Wikipedia, Google, Facebook oder Amazon vorstellen? Nein? Vor weniger als 20 Jahren war das Realität. Der technologische Fortschritt hat unser Kommunikationsverhalten revolutioniert. Er hat Marktkräfte auf den Kopf gestellt und neue Branchen hervorgebracht. Der internationale Wettbewerb wurde deut-lich intensiver und Markteintrittsbarrieren in diesen Branchen auf ein Minimum reduziert. Zudem wurde der Begriff der „Wissensgesellschaft“ geprägt – eine Welt, in der sich das Infor-mationsvolumen exponentiell entwickelt und ein Aspekt mehr und mehr in den Vordergrund rückt: der Mensch!

Die Veränderungen reichen in die Strukturen und Prozesse von Unternehmen hinein und haben zur Folge, dass dem „Manage-ment von Menschen“ eine besondere Bedeutung zukommt. In diesem Kontext liegt es auf der Hand, dass HR-Abteilungen ihre Rollen und Aufgaben stetig überdenken. Wie gewinne ich in einem zunehmend transparenten, internationalen Arbeitsmarkt die richtigen Talente („War for Talents“)? Wie halte ich meine „Top-Performer“ bei der Stange, wenn sie mit Jobofferten via XING, LinkedIn und Co. umworben werden? Wie gelingt es, unterschiedliche Kulturen zu integrieren und zu fördern? Wie kann ich mein Personal strategisch optimal steuern? Das sind nur einige Fragen, mit denen sich Personalverantwortliche ak-tuell beschäftigen. Aber was bedeutet das für die HR-Funktion von morgen? Und wie wird die Rolle in zehn Jahren aussehen?

Aktuelle Situation im Personalbereich

Das Ziel der Personalabteilung heute ist es, in einer aktiven Rolle in enger Zusammenarbeit mit dem Business zu operieren.

K

Strategisch planen – exzellent operieren

Die Zukunft des Personalmanagements

Dafür ist es notwendig, gutes Know-how über interne Geschäftsprozesse und ein grundlegendes Marktverständnis zu besitzen. Ansonsten können konkrete Anforderungen von Seiten des Business nicht adressiert werden. Der Anspruch „inhaltlicher und strategischer Sparringspartner des Business“ bedeutet, auf Augenhöhe mit dem Business zu agieren. Die Herausforderung für Personalabteilungen ist es dabei, dass sie administrative Prozesse wie Payroll oder Reporting bis ins Detail beherrschen müssen und gleichzeitig als HR Business Partner das Management unterstützen.

Der technologische Fortschritt wird auch in Zukunft ein wichtiger Treiber für den HR-Bereich sein. Heutige stark admi-nistrativ geprägte HR-Aufgaben werden sich zukünftig teilweise zu anderen Akteuren wie Führungskräften, Mitarbeitern oder Freelancern verlagern oder vollständig IT-gesteuert wahrgenom-men werden können. Dafür kommen neue hochstrategische Aufgaben auf den Personalbereich zu.

Das heißt, Personalabteilungen konzentrieren sich in Zukunft auf Funktionen mit einer hohen strategischen Relevanz sowie einer hohen Komplexität. Mit Hilfe des in der Abbildung dar-gestellten HR-Produktportfolios lässt sich das Zielbild für die zukunftsfähigen Aufgaben von Personalabteilungen gut identifi-zieren. Kurz gesagt: Die Personalabteilung wird sich darauf kon-zentrieren, Aufgaben oberhalb der Wasserlinie wahrzunehmen.

Funktionen, die durch eine niedrige strategische Relevanz und eine geringe Komplexität gekennzeichnet sind, können von zahl-reichen inner- beziehungsweise außerbetrieblichen Akteuren wahrgenommen oder automatisiert werden. Personalabtei-

Innovationskultur

CorporateEnabling Services

CorporateGovernance Services

Professional &Advisory Services

Heu

teZ

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ftTransactional & Employment Services

Entscheidungskultur

Entrepreneur-Kultur

HR Reporting

Entwicklungsprogramme

Abwesenheit

HR Policies

Arbeitsverhältnis

Payroll

Ideenförderung

Arbeitszeit

HR Planning

Performance-Bewertung

Ausbildung

Organisationsentwicklung

Rechtsservice

Mobilität

Weiterbildung

Health & Safety

Stellenbesetzung

Gehalt & Benefits

Befragungen

Sozialpartner-Management Vendor Management

HR Strategy

Transformationskultur

HR-

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102 Detecon Management Report blue • 2015

lungen können prinzipiell diese Funktionen weiterhin anbie-ten, liegen zukünftig aber „unter der „Wasserlinie“ und können durchaus von externen Playern erbracht werden, wenn dieses beispielsweise aus Profitabilitätsgründen gewünscht ist. Aufgabe des HR-Bereiches wird es sein, im Rahmen eines effektiven und effizienten Programm-Managements ausgelagerte Services zu koordinieren und zu steuern.

Aufbruch in eine neue Zukunft

Das Ziel von HR wird es sein, Funktionen zu besetzen, die möglichst weit über der „Wasserlinie“ liegen. Dies sind Funk-tionen mit hoher strategische Relevanz und damit einher-gehender hoher Komplexität. „Corporate Governance Services“ – HR Strategy, Sozialpartner- und Vendor Management, HR Planning – und mehr noch „Corporate Enabling Services“ – Entrepreneur-, Transformations-, Entscheidungs- und Innova-tionskultur – gehören hierzu.

Welche tatsächlichen Schwerpunkte gesetzt werden, muss jede Personalabteilung in Abhängigkeit der Branche für sich selbst entscheiden. Ansatzpunkte hierfür können die folgenden Thesen liefern:

These 1: HR wird eine nachhaltige Entrepreneur-Kultur unterstützen.

Wenn Unternehmen sich immer schneller wandeln müssen, wenn Technik und Produkte immer komplexer werden, dann müssen sich Organisationsformen der Arbeit diesen Entwick-lungen anpassen. Stellenbeschreibungen, Organisationshand-bücher und Rundmails werden der Dynamik des Wandels zu-künftig nicht mehr gerecht. Gesucht sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die im Sinne des Unternehmens denken, also im besten Sinne „unternehmerisch“.

Doch wie lässt sich das bewirken? Zuerst einmal müssen Mit-arbeiter über Unternehmensziele vollständig informiert werden. Hierfür ist eine innerbetriebliche Transparenz erforderlich, die man bisher noch selten antrifft. Ergänzend müssen Mitarbeiter angeleitet und unterstützt werden, Unternehmensziele auf Ar-beitsebene umzusetzen. Sie müssen das notwendige unterneh-merische „Rüstzeug“ an die Hand bekommen und insbesondere die persönlichen Freiräume, die unternehmerisches Handeln erst ermöglichen.

Diese „innere Entrepreneur-Kultur“ muss flankiert werden durch eine angemessene Fehlertoleranz, die dem Einzelnen eine gewisse unternehmerische Freiheit zugesteht. Dazu gehört ebenso die gezielte Förderung und Belohnung, zum Beispiel Bonussysteme, die verantwortungsvolles und unternehme-risches Handeln honoriert. Aufgabe von Personalabteilungen muss es dabei sein, zum einen die notwendige Transparenz über das strategische Asset der Mitarbeiter im Unternehmen zu schaffen, als auch Mitarbeiter so zu schulen, dass sie im Sinne des Unternehmens denken und handeln.

These 2: HR wird sich zum anerkannten Enabler für Transformationen entwickeln.

Die Dynamik von Transformationen wird weiter zunehmen. Darauf sind Führungskräfte sowohl im Hinblick auf das Trans-formationsmanagement als auch auf die Schaffung einer posi-tiven Grundeinstellung gegenüber Veränderungen heute häufig nur unzureichend vorbereitet.

Hier können Personalabteilungen die Rolle eines Transforma-tion-Enablers noch stärker als bisher wahrnehmen. Erfolgreich wird diese Rolle zukünftig dann ausgefüllt, wenn es gelingt, alle Ebenen kognitiver Prozesse zu adressieren, also auch unbewusste Abwehrmechanismen.

Durch die Einbeziehung unbewusster Ängste, Konflikte und Barrieren der Betroffenen in Transformationsprozesse können diese reibungsärmer organisiert werden. Dass das notwendig ist, ist keine neue Erkenntnis. Häufig mangelt es aber noch an der Umsetzung, da der optimale Transformation-Enabler fehlt. Das stellt eine Chance für Personalexperten im Unternehmen dar – letztlich können diese in die Rolle des „Transformation Coaches“ schlüpfen, welcher die Mitarbeiter bei einem kontinuierlichen anhaltenden Veränderungsprozess begleitet.

Die hohe Bedeutung des Themas aus Sicht HR wurde bereits in einigen Unternehmen erkannt und aktiv angegangen. So wurde zum Beispiel bei der Deutschen Telekom der Bereich „Transformational Change“ im Personalressort etabliert, um die Transformationsfähigkeit des Unternehmens zu fördern und zu beschleunigen. Wesentliche Instrumente des Telekom-Ansatzes sind eine virtuelle Plattform, die allen Mitarbeitern des Kon-zerns sowie externen Stakeholdern zur Verfügung steht und

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Transformation gestaltbar machen soll. Zusätzlich werden For-mate angeboten, die die virtuellen Angebote erweitern. Darüber hinaus soll ein Gebäudekomplex im Zentrum von Berlin einen physischen Ankerpunkt in der innovativen Gründerszene Ber-lins bilden.

These 3: HR wird eine Innovationskultur schaffen.

Auch im 21. Jahrhundert sind Ideen immer noch die Ideen von Menschen, entweder von kreativen Einzelerfindern oder von perfekt zusammengesetzten Teams. Lange Zeit versuchte man im Rahmen des Innovationsmanagements, Innovationen syste-matisch zu planen, zu steuern und zu kontrollieren.

Kreativität als Basis für Innovationen lässt sich allerdings nur schwer mit Aspekten wie Planung, Steuerung und Kontrolle in Einklang bringen. Deshalb muss es Ziel von Unternehmen sein, Innovationsbarrieren wie Nichtkönnen, Nichtwollen, Nicht-dürfen, Nichttrauen durch eine offene Innovationskultur zu überwinden.

Personalabteilungen können diesen Prozess aktiv mitgestalten, indem sie den Prozess fördern und somit Innovation und agiles Arbeiten zur Aufgabe aller Mitarbeiter im Unternehmen wird. Die Aufgabe von HR ist es hier, Instrumente zu schaffen, um unternehmensweite Innovationen zu ermöglichen und gleich-zeitig dabei selbst innovativ zu sein. Sie kann also zunächst im eigenen Bereich mit Impulswirkung auf andere tätig werden, zum Beispiel Freiräume für Kreativität schaffen, eingefahrene Denkweisen aufbrechen und eine Fehlerkultur initiieren, in der Fehler erlaubt sind und ein offener konkurrenzfreier Ideenaus-tausch möglich wird.

These 4: HR wird eine neue Entscheidungskultur fördern.

Entscheidungen werden in vielen großen Unternehmen durch Komplexität behindert oder verlangsamt: Komplexität interner Strukturen und Komplexität der eigentlichen Inhalte von Pro-jekten, Prozessen und Märkten.

Nicht grundlos bringt ein Vergleich von Konzernen mit mit-telständischen Unternehmen bei letzteren eine herrschende schnelle Entscheidungskultur hervor. Ausschlaggebend hier-

für sind flache Hierarchien sowie größere Entscheidungsspiel-räume einzelner Mitarbeiter, die mögliche Auswirkungen von bestimmten Entscheidungen unmittelbarer einschätzen und überblicken können.

Um auch in großen Unternehmen eine entsprechende Entschei-dungskultur zu etablieren, müssen im Sinne der Subsidiarität Entscheidungskompetenzen von Führungskräften auf die Mit-arbeiter übertragen werden. Gleichzeitig müssen die Arbeits-bereiche so strukturiert werden, dass der einzelne Mitarbeiter die Auswirkungen seiner Entscheidungen möglichst genau abschätzen kann. Hierfür sind aber auch Fähigkeiten der Mit-arbeiter – Stichwort: „unternehmerisches Handeln“ – notwen-dig, die stärker als bisher zu fördern sind.

Eine weitere wichtige Aufgabe wird es sein, den inneren Wider-stand von Führungskräften, Kompetenzen abzugeben, zu über-winden. Alle diese Aufgaben müssen von einer Personalabtei-lung in der Rolle als „Personen-Manager“ angegangen werden.

Den Wandel als Chance begreifen

Agilität, Einfachheit sowie ein Denken in Netzwerken – das sind die Kernattribute von erfolgreichen Unternehmen im 21. Jahrhundert. Im Zentrum steht dabei auch die Fähigkeit eines jeden Mitarbeiters, sich „laufend selbst neu zu erfinden“. Personalabteilungen, die die Veränderung der HR-Funktionen als Chance begreifen, ihr Aufgabengebiet neu zu definieren und Funktionen mit einer hohen strategischen Bedeutung und hoher Komplexität wahrzunehmen, werden „oberhalb der Wasserlinie“ agieren und zum Unternehmenserfolg beitragen.

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Neue Herausforderungen für die strategische Personalentwicklung

Künftige Geschäftsbedarfe sind schwer zu prognostizien, haben aber für die strategische Personalentwicklung einen hohen Stellenwert. Markus Lecke, Programm-Manager in der Group Performance Development, Deutsche Telekom AG, zeigt, wie ein Konzern mit dieser Herausforderung umgeht.

Future HR

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nternehmen müssen ein seismographisches Gespür für zukünftige Trends und Geschäftsbedarfe entwickeln, um am Markt erfolgreich agieren zu können. Immer kürzer werdende Innovationszyklen sowie die permanente Verkürzung der Halbwertzeit von Wissen machen zukünftige Entwicklungen der Geschäftsbedarfe nur schwer langfristig vorhersagbar. Die Personalentwicklung muss auf kurzfristige Änderungen mit geeigneten Qualifizierungsmaßnahmen reagieren, um die Be-schäftigungsfähigkeit der Mitarbeiter und damit die Wettbe-werbsfähigkeit des Unternehmens sicherzustellen. Hierfür ist eine agile Vorgehensweise erforderlich, um den Anforderungen des Business gerecht zu werden.

Herausforderungen für die strategische Personalentwicklung

Zukünftige Geschäftsbedarfe können aufgrund der beschrie-benen Einflussfaktoren nicht eindeutig vorhergesagt wer-den. Die Personalentwicklung ist daher gezwungen, proaktiv zu agieren und auf Basis von prognostizierten Personal- und Kompetenzbedarfen die Verfügbarkeit von Mitarbeitern in dem erforderlichen Umfang und mit den notwendigen Kom-petenzen sicherzustellen. Die Herausforderung besteht dabei in einer möglichst validen Vorhersage der zukünftigen Unter-nehmensentwicklung, um darauf aufbauend die damit verbun-denen Geschäftsbedarfe differenziert betrachten zu können.

Klassisch werden Geschäftsbedarfe in Positionen und Funk-tionsbeschreibungen übersetzt. Diese werden mit einem Skill- und Anforderungsprofil verknüpft, dass von den Mitarbeitern, die diese Funktion ausführen, erfüllt werden muss. Auf diesen Skillprofilen bauen die Personalentwicklungsmaßnahmen auf. In sehr agilen Geschäftswelten wie der Telekommunikations-branche mit schnell wechselnden Geschäftsbedarfen ist diese Vorgehensweise zu starr und zu langsam, um auf Veränderungen adäquat reagieren zu können.

Die strategische Personalentwicklung in agilen Unternehmen muss sich daher an der simplen Frage orientieren: Welche in-haltliche Qualifizierung ist für die zukünftigen Geschäftsbedarfe erforderlich?

Diese trivial erscheinende Betrachtungsweise birgt den Vorteil, dass sie auch losgelöst von Positions- und Funktionsbeschrei-bungen sowie Skill- und Anforderungprofilen erfolgen kann. Hierbei zielt die strategische Personalentwicklung pragmatisch darauf ab, zukünftige Geschäftsbedarfe in eine Qualifizie-rungsmatrix umzusetzen. Der Schritt über Anforderungs- und Skillprofile sowie Positions- und Funktionsbeschreibungen wird bewusst übersprungen. Am Beispiel der Deutschen Tele-kom und dem dort definierten Bedarf „Big Data“ heißt das, dass den einzelnen Einheiten die Möglichkeit gegeben wird, ihren Qualifizierungsbedarf auf einer inhaltlichen Basis, zum Beispiel der „Anwendung analytischer Tools im Umfeld Datenmanagement/-analyse – SPSS, Cognos BI, Hadoop –, darzustellen, ohne sich im Nachhinein für unzureichend defi-nierte Kompetenzen und Skills sowie Positionen und Funkti-onen rechtfertigen zu müssen. Das heißt aber nicht, dass die strategische Personalentwicklung auf der Ebene der inhaltlichen Qualifizierung beendet ist. Sie bildet die Grundlage für die spä-tere Definition von Kompetenzen und Skills. Über diese Art von Gap-Analyse kann eine Bewertung der inhaltlichen Qua-lifizierungsbedarfe vorgenommen werden. Besonders hoch zu bewerten sind dabei jene, die im hohen Maße erfolgskritisch für die positive Geschäftsentwicklung des Unternehmens sind. Die so ermittelten Bedarfs lücken können durch Qualifizierung und den damit verbundenen Auf- beziehungsweise Ausbau er-folgskritischer Kompetenzen und Skills geschlossen werden. Der große Vorteil dieser Vorgehensweise liegt darin, dass sie los-gelöst von festgeschriebenen Job-Katalogen des Unternehmens vorgenommen wird und daher flexibler ist.

Entscheidend für die Vorgehensweise in der strategischen Per-sonalentwicklung ist die Dynamik des spezifischen Marktum-felds des Unternehmens. Insbesondere im dynamischen Dienst-leistungssektor empfiehlt sich eine Kombination beider Ansätze: eine klar an inhaltlichen Qualifizierungsbedarfen ausgerichtete strategische Personalentwicklung mit einer resultierenden An-passung von Positions- und Funktionsbeschreibungen. Auf diese Weise werden die zukünftigen Geschäftsbedarfe angemes-sen berücksichtigt und Unternehmen können agil auf zukünf-tige Marktanforderungen reagieren.

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DMR: Was sind die zukünftigen Geschäftsbedarfe der Deutschen Telekom?

M. Lecke: Die Deutsche Telekom AG definiert ihre zukünftigen Bedarfe – im Telekom-Sprachgebrauch Top Business Demands – als überwiegend technologische Trends, die sich aus Kunden-, Markt- sowie Infrastrukturperspektive ergeben und damit we-sentliche Auswirkungen auf die Geschäftsentwicklung unseres Unternehmens haben. Ihr hoher Stellenwert wird dadurch unterstrichen, dass diese Geschäftsbedarfe sich direkt aus der aktuellen Leading-Telco-Strategie ableiten lassen. Aktuell sind dies die Themen All IP, Big Data und Privacy & IT Security. Aufgrund ihrer enormen strategischen Bedeutung besitzen diese Top Business Demands eine besondere Relevanz für die Bil-dungsbedarfe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie für die Struktur und Inhalte der Bildungsangebote.

DMR: Was war der Grund für die Betrachtung zukünftiger Ge­schäftsbedarfe im Rahmen der konzerninternen Aus­ und Weiter­bildung?

M. Lecke: Die Deutsche Telekom investiert jährlich einen drei-stelligen Millionenbetrag in die Ausbildung, Weiterbildung und akademische Bildung ihrer Mitarbeiter. Der Grund für die Be-trachtung zukünftiger Geschäftsbedarfe war der selbstgesetzte Qualitätsanspruch einer effektiven und effizienten Bildungsor-ganisation. Dazu gehört es, sich stets zu hinterfragen und zu überprüfen, ob die Investitionen auch den erwarteten Output erzielen und ob die Prozesse, Inhalte und Methoden zu den Be-darfen des Unternehmens passen. Da die Telekommunikations-branche kurzen Innovationszyklen unterliegt, die Bereitstellung von gezielten Qualifizierungsprogrammen jedoch zeitintensiv ist, ist es die Aufgabe einer guten strategischen Personalentwick-lung, sich frühzeitig mit den zukünftigen Geschäftsbedarfen auseinander zu setzen, um die Mitarbeiter entsprechend quali-fizieren zu können.

DMR: Wie fließen die ermittelten Geschäftsbedarfe konkret in die Aus­ und Weiterbildung ein? Welche Maßnahmen bauen darauf auf?

M. Lecke: Grundsätzlich ist hier zu unterscheiden, inwiefern die Geschäftsbedarfe kurz- oder langfristigen beziehungsweise operativen oder strategischen Charakter besitzen. Der Fokus der strategischen Personalentwicklung liegt bei konzernweiten Geschäftsbedarfen, welchen mit eher langfristig angelegten Qualifizierungsprogrammen, beispielsweise einer Ausbildung, einem Entwicklungsprogramm oder einem Studiengang, Rech-nung getragen wird. Als Faustregel gilt: Für den Aufbau und die Umsetzung eines Studiengangs, der beispielsweise den Quali-fizierungsbedarf eines konzernweiten Geschäftsbedarfs Privacy & IT-Security decken soll, bewegt man sich hier in einem Zeitraum von circa vier Jahren, bis die ersten Absolventen als Mitarbeiter eingesetzt werden können. Gleiches gilt für die be-rufliche Ausbildung. Generell kann festgehalten werden, dass sich bei der Identifizierung eines Geschäftsbedarfes folgende Fragen für die strategische Personalentwicklung ergeben: Auf welchem Karrierelevel zeichnet sich der Bedarf ab? Handelt es sich um einen strategischen oder operativen Geschäftsbedarf? Liegt ein kurzfristiger oder langfristiger Skillbedarf vor? Wird eine notwendige Qualifizierungsmaßnahme intern entwickelt oder muss sie extern eingekauft werden?

Insbesondere vor dem Hintergrund der Komplexität bei der Umsetzung von strategischen Qualifizierungsmaßnahmen ist es wichtig, sich so früh wie möglich mit zukünftigen Geschäfts-bedarfen auseinanderzusetzen, um zielgerichtet agieren zu kön-nen. Hierfür ist eine enge Abstimmung mit dem Business sowie mit den unterschiedlichen Bildungsbereichen unerlässlich.

DMR: Sie sagen, dass man sich ständig hinterfragen muss, ob die Maßnahmen auch den gewünschten Output bringen. Das wirft die Frage auf: Gibt es einen übergreifenden Controllingprozess?

M. Lecke: Wir haben derzeit bei der Deutschen Telekom maßnahmenbezogene Prozesse, die ein Bildungsangebot, ein Entwicklungsprogramm oder auch ein einzelnes Seminar be-trachten. Ein übergeordneter Controllingprozess über alle Telekom-Einheiten sowie Bildungseinrichtungen im Konzern hinweg wird derzeit entwickelt, ist aber noch nicht umgesetzt.

... mit Markus Lecke, Group Performance Development, Deutsche Telekom AG

Interview...

107 Detecon Management Report blue • 2015

DMR: In welchen Abständen planen Sie, die Geschäftsbedarfser­mittlung zu wiederholen?

M. Lecke: Die Geschäftsbedarfe und die daraus resultierenden Bildungsbedarfe werden in einem jährlichen Rhythmus über einzelne Maßnahmen und Programme, Segmente und Bil-dungseinheiten sowie über die zentrale Personalentwicklung er-hoben. Das Ergebnis dieser Analyse bildet die Grundlage für die Anpassung des Bildungsangebotes der drei Bildungseinheiten der Deutschen Telekom: Training, Ausbildung und Hochschule.

DMR: Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für die Deut­sche Telekom bei der vorrausschauenden Ermittlung von Geschäfts­bedarfen?

M. Lecke: Die größte Herausforderung besteht natürlich in ei-ner möglichst validen Vorhersage der Geschäftsbedarfe. Dieses wird jedoch durch verschiedene interne und externe Einflussfak-toren, beispielsweise strategische Managemententscheidungen, kurzfristige Marktentwicklungen oder auch die technologischen Umsetzbarkeit, erschwert. Hinzu kommt, dass in einem Kon-zern mit einer teilweise sehr heterogenen Ausrichtung der ein-zelnen Geschäftseinheiten der Aufbau effektiver und effizienter Qualifizierungsmaßnahmen eine enorme Herausforderung ist. Vor diesem Hintergrund ist eine konzernweite, valide Erhebung der zukünftigen Geschäftsbedarfe schwierig. Daher müssen wir in den einzelnen Geschäftseinheiten auch den Blick für die Be-darfe schärfen, die für den strategischen konzernübergreifenden Erfolg relevant sind und stärker zwischen mittelfristigen, strate-gischen Bildungsbedarfen des Tagesgeschäfts differenzieren. So wird es möglich, segmentübergreifende Bildungsbedarfe effizi-ent und effektiv unter Einbeziehung der Bildungsanbieter des Konzerns zu decken. Wie gut dies gelingt, wird letztendlich mit darüber entscheiden, wie erfolgreich und dynamisch die Deut-sche Telekom in den nächsten Jahren auf dem Markt agieren kann.

DMR: Wir danken Ihnen für das Gespäch.Markus Lecke ist in der Konzernzentrale der Deutschen Telekom AG im Bereich Group Performance Development als Programm-Manager für Angebote der individuellen Entwicklung verantwortlich. Dazu gehört zum Beispiel das berufsbegleitende Studienangebot „Bologna@Telekom“ sowie die Entwicklung von Bildungsangeboten, die sich an den Top-Geschäftsbedarfen des Konzerns orientieren. Weiterhin wirkt Herr Lecke in bildungspolitischen Gremien auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene mit.

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Heiter bis wolkig?Cloud-Anwendungen lösen zunehmend klassische IT-Lösungen im Personalbereich ab. Große Unternehmen reagieren damit auf neue Mitarbeitererwartungen, Effizienzdruck sowie den Trend zu integrier-ten Anwendungen. Für Planung, Implementierung und Betrieb von HR-Cloud-Lösungen ist ein modularer Ansatz notwendig, der die Besonderheiten von Cloud-Lösungen wie Datenschutz berücksichtigt.

HR in der Cloud

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ür 2015 sagen Analysten mehr Cloud-IT-Projekte als klas-sische IT-Projekte für den Bereich Human Resources (HR) voraus. Führende HR-Software-Anbieter wie SAP und Oracle haben in den vergangenen Jahren umfassendes Know-how aufgebaut oder zugekauft. SAP übernahm SuccessFactors und Oracle kaufte Taleo, jeweils erfolgreiche HR-Cloud-Anbieter.

Die Personalbereiche von Unternehmen wechseln zu Cloud-Anbietern, da sie sich davon mehr Flexibilität, globale Stan-dardisierung, eine bessere Nutzererfahrung sowie Kostenein-sparungen versprechen. Kritisch wird bei Cloud-Lösungen aus aktuellem und rechtlichem Anlass das Thema Datenschutz gesehen. Besonders in Deutschland und bei Unternehmen mit Beamtenstrukturen wird hierauf reagiert: Bevorzugte Wahl sind Cloud-Anbieter, die die HR-Daten in der Cloud auf deutschem Boden „hosten“.

Sowohl die HR-Bereiche als auch der IT-Bereich besitzen unter-schiedliche Kenntnisstände und Erwartungen bezüglich Cloud-Lösungen. Es gibt erste Erfahrungen mit den Phasen Planung, Implementierung und Betrieb von HR-Cloud-Anwendungen im komplexen deutschsprachigen Raum. Aber so zeigt die Praxis: Auch HR-Cloud-Anbieter sind hier noch in einem Lern- und Anpassungsprozess.

Planungs-und Analysephase

Die Planungs- und Analysephase ist die erste Komponente eines jeden Projektes. Schon hier sind die Besonderheiten einer HR-Cloud für die Implementierung zu analysieren. Neben den qualitativen Aspekten sind die quantitativen in einem Business Case zu bewerten. Über die Implementierungskosten hinaus ist, um eine valide Berechnungsgrundlage zu bekommen, eine Bestandsaufnahme der vorhandenen Architektur und Systeme des betroffenen Bereichs erforderlich. Nicht mehr benötigte Systeme werden im Zeitverlauf mithilfe eines strukturierten Retirement-Ansatzes heruntergefahren, um Einsparungen zu erzielen und dafür anfallende Kosten zu quantifizieren.

Desweiteren ist die Cloud-Anbieter-Auswahl inklusive der Ver-handlungen ein weiterer Teil der Analysephase. Analysten wie Forrester bieten regelmäßig objektive Beurteilungen und Ver-gleiche der Anbieter an. Das Unternehmen selbst muss aber eine Analyse seiner Ist-Prozesse vornehmen, diese mit den Standard-prozessen der in Frage kommenden Anbieter abgleichen und sich dann für einen passenden Anbieter entscheiden. Sollte be-reits eine zufriedenstellende HR-Teillösung implementiert sein, zum Beispiel für HR-Stammdaten, kann es empfehlenswert und kostengünstiger sein, eine Hybridlösung zu wählen und

nur HR-Komponenten wie Talent Management in die Cloud zu verlegen. Es ist auf die Integration der einzelnen Kompo-nenten zu achten – oft macht es Sinn, denselben Anbieter zu wählen.

HR-Cloud-Lösungen werden typischerweise als Software-as-a-Service (SaaS) angeboten. Es handelt sich um standardisierte Lösungen, die nutzungsabhängig eingekauft und beim Anbieter selbst betrieben werden. HR-Bereiche können sich dadurch auf wertschöpfende Aktivitäten wie Talent Management und not-wendige Organisationsanpassungen konzentrieren.

Implementierung

In der Implementierungsphase ist ein integrierter Projektansatz von großer Bedeutung, da die jeweiligen HR-Komponenten wie Recruiting und Learning eng miteinander verzahnt sind. Mit der Festlegung gemeinsamer Meilensteine, Schnittstellen und Datenmodelle können Synergien genutzt werden.

Das Modul Projektmanagement bei HR-Cloud-Implemen-tierungen erfordert eine Balance zwischen klassischen und agilen Projektmanagement-Methoden, denn sowohl klassisches Projektcontrolling sollte Bestandteil sein wie auch ein agiles Rollout-Management und Entwicklungsschritte in Iterationen.

Das zweite Modul bei einer HR-Cloud Einführung – Com-pliance & Datensicherheit – stellt im Vergleich zum Betrieb von konventionellen IT-Lösungen besondere Anforderungen an Compliance und Datensicherheit. Um diese zu gewährleisten, muss eine geschlossene Vertragskette zur Auftragsdatenverarbei-tung zwischen Nutzern, deren Unternehmen und IT-Dienst-leistern sichergestellt werden. Aus rechtlichen Gründen kann die Nutzung einer nationalen Cloud für die Datenspeicherung erforderlich sein, beispielsweise für Beamtendaten.

Delivery-Modell und Prozesse deckt das dritte Modul in einem HR-Cloud-Projekt ab. Das HR-Cloud-Betriebsmodell, welches in einem Unternehmen zum Einsatz kommen wird, muss zuvor mit den in den Unternehmen vorhandenen HR-Antriebsfak-toren abgestimmt werden. Diese Antriebsfaktoren können je nach Unternehmen variieren, von konsistenter Stammdaten-basis bis hin zur Standardisierung von HR-Prozessen. Diese Anforderungen müssen zwingend aufgenommen und in ent-sprechenden Iterationen mit HR, IT und dem Cloud-Anbieter umgesetzt werden, andernfalls kann es vorkommen, dass HR-Prozesse in der Cloud-Lösung nicht korrekt abgebildet werden. Betrachtet man das HR-Prozess-Design, so zeigt sich, dass sich bei der Einführung standardisierter HR-Cloud-Prozesse die

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Intensität der Projektarbeit pro Modul im Vergleich zu tra-ditionellen HR-Prozess-Gestaltungen verschiebt. Denn HR-Abteilungen können mit Cloud-Lösungen Standardprozesse schneller und mit weniger Aufwand ausrollen, müssen aber einen höheren organisatorischen Anpassungsaufwand in Kauf nehmen.

Ein weiteres Modul eines HR-Cloud-Projektes befasst sich mit der HR-Organisation vor und nach der Implementierung, welche durch die HR-Cloud-Lösung direkte Veränderung widerfährt. Zwar ermöglicht eine Cloud-Lösung dem HR-Bereich eine stärkere Konzentration auf das Kerngeschäft, aber die Fachseite erfährt nun eine höhere Abhängigkeit zum Cloud-Anbieter. Neue Releases werden beispielsweise direkt durch den Cloud-Anbieter gesteuert und nicht mehr durch die IT-Abteilung. Die Nutzung standardisierter Prozesse des Anbieters schränkt die Gestaltungsmöglichkeiten für einzelne Unterneh-men und HR-Bereiche ein. Nichtdestotrotz, und dies sind nur einige Antriebsfaktoren, ermöglicht eine HR-Cloud-Lösung den Unternehmen eine höhere Flexibilität und Vergleichbarkeit der HR-Prozesse wie auch eine Transparenz in der Aufteilung von Rollen und Verantwortlichkeiten. Darüber hinaus ist ein neues Rollenverständnis der IT-Abteilung erforderlich. Erst wenn die IT-Seite ein gemeinsames Verständnis mit der HR-Abteilung und den HR-Cloud-Usern aufbaut, kann der maxi-male Nutzen der Cloud-Lösung für HR und die Mitarbeiter gefunden werden. Doch auch HR-Abteilungen müssen ihre Einstellungen zur Zusammenarbeit mit IT-Abteilung ändern. Denn Cloud-Lösungen ermöglichen beiden, sich ausschließlich auf ihre Business-Herausforderungen zu konzentrieren, da die Diskussionen rund um Technologie sowie Schnittstellenkom-plikationen durch eine Cloud-Einführung weitestgehend ent-fallen.

Die Praxis zeigt, dass ein agiler und angepasster Change- Management-Ansatz in einem Cloud-Projekt gut zum Einsatz kommt. Dieser wird im Modul Change, Training und Kommu-nikation definiert. Im Vergleich zu einem klassischen Projekt verlagern sich in einem HR-Cloud-Projekt die Change-Aktivi-täten zugunsten der Phase nach dem Go-Live. Grund hierfür ist, dass bei Cloud-Lösungen aufgrund quartalsmäßiger Release-Wechsel neue Funktionen hinzukommen können, deren Im-pacts analysiert, die kommuniziert und für die Trainingsmate-rialien aktualisiert werden müssen. Dem Change Management kommt hier eine besondere Rolle zu, da eine Akzeptanz bei ver-schiedenen Stakeholder-Gruppen – HR- und IT-seitig wie auch die Nutzer selbst – geschaffen werden muss.

Betrieb

Um einen nahtlosen Übergang während des Betriebs der HR-Cloud-Lösung zu gewährleisten, müssen sowohl die IT- als auch die HR-Abteilung vor Go-Live befähigt werden, zukünftig An-passungen an der Cloud-Lösung vorzunehmen oder den Sup-port zu verantworten. Hier stehen externe Schulungen zur Ver-fügung, es ist aber nachhaltiger, intern zum Beispiel mit einem Train-the-Trainer-Ansatz entsprechendes Wissen aufzubauen, um User und Administratoren nach der Implementierung zu begleiten. Denn nur der Aufbau von fachlicher wie auch kon-zeptioneller Prozesskompetenz innerhalb der eigenen Organisa-tion führt zu einer erfolgreichen HR-Cloud-Implementierung und Inbetriebnahme. Wenn dies innerhalb eines Unternehmens umgesetzt wird, so kann der Betrieb mit eigenen Ressourcen gemanagt werden.

Cloud-Lösungen beinhalten hilfreiche „Self-Service-Funk-tionen“ für einfache Verwaltungsarbeiten wie die Änderung von persönlichen Daten, das Ausfüllen von Urlaubsanträgen oder das direkte Buchen von Trainings. Diese Funktionen entlasten einerseits die HR-Abteilung, andererseits haben die Mitarbei-ter dadurch mehr Möglichkeiten, aber auch mehr Pflichten. Erfahrungsgemäß führen zusätzliche Funktionen dieser Art zu höherer Nutzerakzeptanz. Diese Veränderungen für die einzel-nen Mitarbeitergruppen sind im Change-Management-Ansatz entsprechend zu beachten.

Cloud-Lösungen werden zwar vom Anbieter betrieben, den-noch zeigt die Praxis, dass sowohl bei HR als auch in der IT ein abgestimmtes Support-Konzept zu etablieren ist, welches auch den Cloud-Anbieter integriert.

Eher heitere Aussichten!

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass mit einem modu-laren und agilen Ansatz die Aussichten für HR in der Cloud in Deutschland eher heiter als wolkig sind.

Tugba AkyaziWorld Business Dialogue: Berater und Studenten suchen Antworten auf die Herausforderungen der Zukunft

Lars AttmerDie Zukunft des Personalmanagements – Strategisch planen, exzellent operieren

Giulia BlancoInterview mit Daniel Eckmann, Detecon International GmbH: „Erst mit hohem positiven Energielevel ist man richtig gut!“

Karla BlankeInterview mit Prof. Dr. Irene López, Cologne Business School (CBS): High-performing Teams unterstützen die Konkurrenzfähigkeit von Unternehmen

Interview mit Daniel Markwig, Chief Instigator und AppHausmeister@SAP App Haus: Das AppHaus

Interview mit Thies-Christian Bruhn, Kempinski: „Grundvoraussetzung ist für mich die Persönlichkeit des einzelnen Mitarbeiters“

Meike BosseKAIZEN – Beyond Process Optimization: Über die Entfaltung des Potenzials von KAIZEN und die Implementierung in das alltägliche Projektgeschäft

Hanane BouzidiWorld Business Dialogue: Berater und Studenten suchen Antworten auf die Herausforderungen der Zukunft

Magenta MOOC, Deutsche Telekom AG: Virtuelle Zusammenarbeit im unternehmerischen Kontext

Peter GereInterkulturelle Führung: Vertrauen als Basis erfolgreicher Projektleitung in Mittel- und Osteuropa

Dr. Julian GolovatchevInterview mit Dr. Heinrich Arnold, Leiter Telekom Innovation Laboratories, Deutsche Telekom AG: To boldly go where Telekom has not gone before!

Uwe Hafner HR in der Cloud: Heiter bis Wolkig?

Alexander HardtPro-bono-Projekt mit Africa Rise e.V.: Wie die Digitalisierung die Bildung in Afrika unterstützen kann

Monika KaczynskaInterkulturelle Führung: Vertrauen als Basis erfolgreicher Pro-jektleitung in Mittel- und Osteuropa

Dr. Hana Nari KahleICT4Development: Wie Kommunikationstechnologien die Welt verbessern können

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Dr. Christoph LymberskyInterview mit Dr. Markus Müller, Deutsche Telekom AG: Telekom IT – Mehr als nur ein IT-Dienstleister

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Andreas PenkertDie digitale Transformation fordert eine neue Servicekultur: Wer dient, gewinnt

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Die Autoren

111 Detecon Management Report blue • 2015

112 Detecon Management Report blue • 2015

Die Autoren

Michael RichterFuture HR: Neue Herausforderungen für die strategische Personalentwicklung

Tina RiesterInterview mit Frank Dopheide, Geschäftsführer Verlagsgruppe Handelsblatt: Der Manager als Marke – Wettbewerbsvorteil im digitalen Zeitalter

Guido SolscheidKAIZEN - Beyond Process Optimization: Über die Entfaltung des Potenzials von KAIZEN und die Implementierung in das alltägliche Projektgeschäft

Julia TrollLead to win – Deutsche Telekom’s New Leadership Ambition

Elisa VoggenbergerInterview mit James E. Mullin: „Krieg ist ein chaotisches Unterfangen“

Interview mit Dr. Bernhard Zünkeler: Gestaltung des Arbeits-platzes der Zukunft - Frische Luft für schwierige Aufgaben und Innovation

Marc WagnerNeue Arbeitswelten: Arbeite doch, wo Du willst …Die Zukunft des Personalmanagements – Strategisch planen, exzellent operieren

Interview mit Dietrich Franz, CFO, DP DHL Supply Chain: „Nach dem Wandel ist vor dem Wandel“

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Interview mit Michael Leistenschneider: “Telco-Landschaft mit unschätzbarem Drive”

Interview mit Daniel Markwig, Chief Instigator und App-Hausmeister@SAP App Haus: Das AppHaus

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Interview mit Jens Bode, Henkel Laundry & Home Care: Ideen entstehen aus Inspirationen und Austausch

Interview mit Thies-Christian Bruhn, Kempinski: „Grund-voraussetzung ist für mich die Persönlichkeit des einzelnen Mitarbeiters“

Interview mit James E. Mullin: „Krieg ist ein chaotisches Unterfangen“

Marcel Widjaja KAIZEN – Beyond Process Optimization: Über die Entfaltung des Potenzials von KAIZEN und die Implementierung in das alltägliche Projektgeschäft

Theresa Zeuzem KAIZEN – Beyond Process Optimization: Über die Entfaltung des Potenzials von KAIZEN und die Implementierung in das alltägliche Projektgeschäft

Future HR: Neue Herausforderungen für die strategische Personalentwicklung

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Transformation = Peoplemanagement

www.detecon-dmr.com

DMRDetecon Management Report

2015blue

Special

Künstler haben unsere Themen neu interpretiert und unsere neue Webseite mitgestaltet.

Besuchen Sie uns unter: www.detecon.com

Wir geben Kunst eine Bühne.

Art meets Consulting

Wir stehen mit unseren Geschäftsfeldern

an einer der spannendsten Baustellen unserer Zeit:

Die Vernetzung globaler Information und Kommunikation.

INTERVIEWS MIT

Frank Dopheide, Verlagsgruppe Handelsblatt Der Manager als Marke

Dr. Markus Müller, Deutsche Telekom Telekom IT – mehr als nur ein IT-Dienstleister

Dietrich Franz, DHL Supply Chain Nach dem Wandel ist vor dem Wandel

Daniel Markwig, SAP Das AppHaus

Jens Bode, Henkel Laundry & Home Care Ideen entstehen aus Inspirationen und Austausch