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106 > DAS PTA MAGAZIN --- Ausgabe 09-2017 < enn im Sommer die Lüneburger Heide farbenfroh in violetten Tönen leuchtet, zieht es weit über eine Million Besucher in die Region zwischen Ham- burg, Bremen und Hannover. Es ist ein Natur- schauspiel, das nach einer alten Bauernregel vom 8. August bis zum 9. September dauert. In dieser Zeit blüht dort die Besen- heide (Calluna vulgaris), die auf den sandigen nährstoffarmen Böden besonders gut gedeiht und das Bild der Kulturland- schaft bestimmt. Im Norden des Gebiets liegt der Naturpark W Lüneburger Heide, der erste Naturpark Deutschlands und mit einer Fläche von 107 000 Hektar auch einer der größten. Herzstück und touristisches Highlight ist die Gegend rund um die Dörfer Wilsede und Bispingen, wo sich mit 23 400 Hektar die größte zusammenhängende Heidefläche Mitteleuropas be- findet. Bereits 1921 wurde dieser Teil zum Naturschutzgebiet erklärt und ist damit das älteste in Deutschland. Viele Superla- tive für einen Landstrich, dessen Wahrzeichen neben der Hei- de auch Wacholderbäume sind, wegen ihres säulenförmigen Alles lila BIS MITTE SEPTEMBER IST SIE ZU SEHEN: DIE BESENHEIDE IN VOLLER BLÜTE. WER SICH DIESES VIOLETTE FARBSPEKTAKEL NICHT ENTGEHEN LASSEN WILL, SOLLTE SICH SCHNELL AUF DEN WEG IN DIE LÜNEBURGER HEIDE MACHEN. [ von Bettina Hagen ] © Bettina Hagen PANORAMA _

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106 > DAS PTA MAGAZIN --- Ausgabe 09-2017 <

enn im Sommer die Lüneburger Heide farbenfrohin violetten Tönen leuchtet, zieht es weit über eineMillion Besucher in die Region zwischen Ham-burg, Bremen und Hannover. Es ist ein Natur-

schauspiel, das nach einer alten Bauernregel vom 8. August biszum 9. September dauert. In dieser Zeit blüht dort die Besen-heide (Calluna vulgaris), die auf den sandigen nährstoffarmenBöden besonders gut gedeiht und das Bild der Kulturland-schaft bestimmt. Im Norden des Gebiets liegt der Naturpark

W Lüneburger Heide, der erste Naturpark Deutschlands und miteiner Fläche von 107 000 Hektar auch einer der größten.Herzstück und touristisches Highlight ist die Gegend rund umdie Dörfer Wilsede und Bispingen, wo sich mit 23 400 Hektardie größte zusammenhängende Heidefläche Mitteleuropas be-findet. Bereits 1921 wurde dieser Teil zum Naturschutzgebieterklärt und ist damit das älteste in Deutschland. Viele Superla-tive für einen Landstrich, dessen Wahrzeichen neben der Hei-de auch Wacholderbäume sind, wegen ihres säulenförmigen

Alles lilaBIS MITTE SEPTEMBER IST SIE ZU SEHEN: DIE BESENHEIDE IN VOLLER BLÜTE. WER SICHDIESES VIOLETTE FARBSPEKTAKEL NICHT ENTGEHEN LASSEN WILL, SOLLTE SICH SCHNELLAUF DEN WEG IN DIE LÜNEBURGER HEIDE MACHEN.

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Wuchses auch „Zypressen des Nordens“ genannt. Dazu kom-men weitläufige Laubwälder mit alten Eichen und Buchen, ge-heimnisvolle Moorlandschaften, glasklare Flüsse und Bäche –alles Heimat von seltenen Tierarten wie Schwarzstörche, Birk-hühner, Fischotter und Eisvogel. Ein Eldorado für Wanderer,die die Vielfalt am besten auf dem 234 Kilometer langen, mehr-fach prämierten „Heidschnuckenweg“ von Hamburg Fischbekbis nach Celle erleben können.

Aus dem GletscherDas heutige Gesicht der Lü-neburger Heide führt zurückin die Eiszeit. Damals war dieRegion ein riesiges Glet-schergebiet; gewaltige Eis-massen schoben mächtigeErdwälle auf, die Endmorä-nen. Aus dieser Zeit stammt auch der Wilseder Berg im Herzendes autofreien Naturschutzgebiets, der mit 169 Metern diehöchste Erhebung der Nordwestdeutschen Tiefebene ist. VonEinheimischen ironisch als „Heide-Himalaya“ bezeichnet, hatman von dort einen spektakulären Blick und kann bei klarerSicht das 65 Kilometer entfernte Hamburg erkennen. Zahlrei-che Steinbrocken und Findlingeaus Granit, teilweise bis zu 300Tonnen schwer, liegen verstreut inder Landschaft. Souvenirs ausSkandinavien, die von den dortigenGletschern abgerissen und mit denwuchtigen Eisbewegungen bis indie Heide transportiert wurden.Mit der Erderwärmung schmolzendie Gletscher, das Ende der Eiszeitlässt neues Leben entstehen. Inganz Europa breitet sich ein flä-chendeckender Mischwald aus, derin der Lüneburger Heide nur vonBächen und Moorgebieten unter-brochen ist.

Der Mensch übernimmtIn der Jungsteinzeit vor etwa 5000 Jah-ren siedeln sich die ersten Ackerbauernin der Region an. Mit Brandrodungdrängen sie den Wald zurück, doch dersandige Boden ließ ohne Dünger keineBewirtschaftung zu. Nur das anspruchs-lose Heidekraut gedieh prächtig und er-oberte das waldfreie Gebiet.Im Mittelalter machten die Heidebau-

ern mit einer cleveren Methode die Äcker fruchtbar. Sie trugenHeidepflanzen in mühevoller Handarbeit ab und nutzen sie alsStreu in den Schafställen. Durch Kot und Urin der Tiere ent-stand so ein nährstoffreicher Dünger für die Ackerflächen.Noch heute gehören die Heidschnucken zum Landschaftsbild,über Jahrhunderte versorgten sie die Bauern nicht nur mitDünger, sondern auch mit Wolle. Anfang des 19. Jahrhundertsgeriet die Heidebauernwirtschaft in eine schwere Krise. Künst-

licher Dünger kam auf den Markt, Kon-kurrenzprodukte zu Wolle und Heide-honig trieben die Region in Hungerund Armut. Die Bauern verkauften ihrLand, und es wurde begonnen, die Re-gion wieder aufzuforsten. Vielen Hei-deregionen in Europa geht es ähnlich,immer mehr Heideflächen verschwin-den von der Landkarte. Dass sie in

Norddeutschland zu großen Teilen bewahrt werden konnten,ist vor allem engagierten Natur- und Heimatschützern zu ver-danken, die 1919 den ersten Naturschutzverein Deutschlandsgründeten und sich für den Erhalt und die Pflege der Heideflä-chen einsetzen. Mit dem zunehmenden Heidetourismus wurdeder Schutz der Flächen zum bedeutenden Wirtschaftsfaktor.

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Tierische LandschaftspflegeWer in der Lüneburger Heide unter-wegs ist, wird sie sehen: Schäfer, diemit ihren Heidschnucken und Ziegenumherziehen. Die berühmten Heid-schnucken mit ihren gedrehten Hör-nern sind eine alte, anspruchsloseSchafrasse, die ursprünglich von denauf Sardinien und Korsika beheimate-ten Mufflons abstammen soll. Heuteleisten sie, wie schon im Mittelalter, ei-nen unerlässlichen Beitrag zur Pflegeder Heideflächen. Das ganze Jahr überfressen sie aufkommende Gehölze, Gräser und Kräuter ab undsorgen so dafür, dass die Heide kurz bleibt, nicht verwaldet undim Sommer blühen kann.Über 9000 Heidschnucken sind in der Region unterwegs, auf-geteilt in 13 Herden. Zwei davon gehören Günther Beuße. 400Schafe, 300 Lämmer und 65 Ziegen hat der 74-Jährige, die ergemeinsam mit einem Mitarbeiter betreut. Jeden Morgen umhalb elf Uhr führen sie die Tiere aus dem Stall, abends um sechskommen die Herden zurück. Beuße ist für eine Fläche von 500

Hektar zuständig, auf der er die Tiere grasen lässt. 15 Kilome-ter legt der ausgebildete Tierwirt dabei täglich zurück. Beglei-tet wird er von seinen beiden Bordercollies, die dafür sorgen,dass keines der Tiere die Herde verlässt. Manchmal schließensich auch interessierte Gäste an. Ein idyllisches Bild, allerdingsnur auf den ersten Blick. Es ist ein Knochenjob. „Heute morgenhabe ich schon 18 Schafe geschoren“, erzählt er. Doch Geldbringt ihm das keins. „1950 hat man für ein Kilogramm Wollenoch 24 Mark bekommen, heute sind es zehn Cent“. Seinen

Unterhalt bekommt er vom Land, das seineDienste als Schäfer einkauft. Insgesamt 15Schäfer pflegen die Lüneburger Heide mitihren Herden, bei Wind und Wetter. Beußeist Schäfer aus Leidenschaft, hat den Berufvon seinem Vater übernommen. SeineSöhne hingegen haben einen anderen Wegeingeschlagen. Gibt es ein Nachwuchspro-blem? „Nein“, sagt Beuße, „wir haben sechsjunge Schäfer, das Interesse ist da, derNachwuchs ist gesichert“. Und das ist gutso, denn Schäfer Beuße möchte demnächstetwas kürzer treten.Weitere Information:www.naturpark-lueneburger-heide.de

Mehr als 9000 Heidschnucken sind alsLandschaftspfleger in der Lüneburger Heideunterwegs. Sie werden von 15 Schäfern be-treut. Einer davon ist Günther Beuße, zusehen im Bild oben links. Mit seinen beidenBordercollies und den Schafen legt er täglichetwa 15 Kilometer zurück.