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1 Wolfgang Dunkel, Nick Kratzer, Wolfgang Menz Zwischen Ertragsdruck und professioneller Selbstbehauptung – Neue Steuerungsformen von Arbeit im Finanzsystem „Die Arbeit des Finanzsystems“ - Frühjahrstagung der Sektion Arbeits- und Industriesoziologie am 15. und 16. Mai in München Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung e.V. München – ISF München Jakob-Klar-Str. 9; 80796 München; Tel.: 089/272921-0, www.isf-muenchen.de; [email protected]

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Wolfgang Dunkel, Nick Kratzer, Wolfgang Menz

Zwischen Ertragsdruck und professioneller Selbstbehauptung – Neue Steuerungsformen von Arbeit im Finanzsystem

„Die Arbeit des Finanzsystems“ - Frühjahrstagung der Sektion Arbeits- und Industriesoziologie am 15. und 16. Mai in München

Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung e.V. München – ISF MünchenJakob-Klar-Str. 9; 80796 München; Tel.: 089/272921-0, www.isf-muenchen.de; [email protected]

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Dunkel, Kratzer, Menz: Zwischen Ertragsdruck und professioneller Selbstbehauptung, Frühjahrstagung der Sektion AIS, 15./16. Mai 2009

Arbeit in Finanzdienstleistungen im Schnittpunkt arbeits- und industriesoziologischer Diskurse

„Finanzmarkkapitalismus“ und „finanzmarktgetriebenes Akkumulationsregime“

Neue Formen der Organisation und Steuerung von Arbeit: „Vermarktlichung“ und „Finanzialisierung“ der Unternehmenssteuerung, „Finalisierung“ des Leistungsbegriffs, Indirekte Steuerung, Selbststeuerung …

Trends der Entwicklung von (Dienstleistungs)Arbeit: Standardisierung (Industrialisierung, Prekarisierung, Proletarisierung …) oder Subjektivierung / Selbststeuerung?

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Projekthintergrund und Datenbasis

Projekt PARGEMA – Partizipatives Gesundheitsmanagement Zusammenhänge von Neuen Steuerungsformen und psychischen Belastungen und die

daraus resultierenden Herausforderungen für ein betriebliches Gesundheitsmanagement

Laufzeit: Juni 2006 bis November 2009; Förderung: BMBF / PT DLR (Arbeitsgestaltung und Dienstleistungen)

Sechs wissenschaftliche und praxisorientierte Institute, koordiniert vom ISF München; acht Unternehmen verschiedener Größen und Branchen

Datenbasis des Vortrags: Fallstudie einer deutschen Privatbank Insgesamt 77 Interviews mit 24 Experten, 14 Führungskräften und 38 Beschäftigten,

differenziert nach Funktions- und Geschäftsbereichen, Regionen, Filialtypen sowie individuellen Merkmalen

Flankierendes Material: Workshops mit und standardisierte Befragung von Führungskräften und Beschäftigten

Erhebungszeitraum: März 2008 bis Oktober 2008

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Reorganisation der Bank

Konsolidierung der Neuorganisation der Funktionsbereiche und Regionen

Weitergehende Einschränkung der Servicefunktionen in den Filialen (Automatisierung (Selbstbedienung an Automaten) und Informatisierung der Servicefunktionen (Online-Banking)).

Zentralisierung und informationstechnisch gestützte Standardisierung der Back-Office-Funktionen, teils auch Auslagerung (inklusive Nearshoring)

Konzentration auf Vertrieb, aggressivere Werbung um Neukunden, endgültige Umstellung von einem passiven auf einen aktiven Vertrieb.

Intensivierung des Ertragsdrucks und des Controllings („gläserner Mitarbeiter“)

Standardisierung und Ausweitung der Produktpalette („Allfinanz“)

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Finanzdienstleistungen als segmentiertes Tätigkeitsfeld

Individualvertrieb: Beraterelite

Privatkundenvertrieb: „Knochenjob“:

Back-Office: „Produktion“

Qualifikation Studium (+ Banklehre) Banklehre (Bank?)Lehre

Arbeitsplatz Büro / Kunde Filiale Bearbeitungszentrum

Kundenbeziehung Persönlich / Dauer Große Kundenzahl Anonym

Beschäftigte Älter Jünger Gemischt

Entgelt Hoch (hohe Boni) Mittel (mittlere Boni) Mittel (geringe Boni)

Kontrolle Indirekt Indirekt / Direkt Direkt

Controlling Monatlich Wöchentlich Z.T. täglich

Steuerung Zielvorgaben Ziel- / Vertreibsvorg. Mengenvorgaben

Standardisierung Gering Mittel bis Hoch Hoch

Handlungsspielraum Groß Mittel Klein

Primärmacht Hoch Mittel Gering

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Vertrieb in den Finanzdienstleistungen: prototypisch für neue Steuerungsformen?

„Finanzialisierung“ der Leistungsziele Abstrakte und dynamische Ziel- und Ergebnisvorgaben

Systematische Überforderung der Organisation („unerreichbare Ziele“), die – als zu bewältigendes Problem - von oben nach unten durchgereicht wird

„Finalisierung“ der Leistungskontrolle: Vom Aufwand zum Ergebnis Relativer Leistungsbegriff: Der Markterfolg bestimmt, was Leistung ist und was sie wert ist

Indirekte Steuerung der Leistungsverausgabung: Steuerung von Rahmenbedingungen und Ergebniszielen

Selbststeuerung der Leistungsverausgabung

„Idealfall“ neuer Steuerungsformen (Unternehmensperspektive): Verschränkung von Unternehmens- und Beschäftigtenperspektive („Intrinsische

Finanzialisierung“)

Verschränkung von Effizienz – und Professionalitätskriterien („Intrinsische Finalisierung“)

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Grenzen des „Idealmodells“ neuer Steuerungsformen

Controlling als neuer Wasserkopf Leistungsdynamisierung als Motivationsproblem: Was letztes Jahr noch Erfolg

war, ist im nächsten Jahr schon Misserfolg „Schlechte Beratung“ als Bedrohung von Arbeitsethos und

Professionalitätsnormen Anforderungen der effizienten (Selbst)Organisation treten neben die

Anforderungen der eigentlichen Tätigkeit („Leistung der Selbststeuerung“) Steigende (vor allem psychische) Belastungen Professionelle Selbstbehauptung: Festhalten an Professionalitätsnormen und

Professionalisierung des strategischen Umgangs mit Vorgaben und Kennzahlen

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Abschließende Interpretationen

Finanzialisierung und Finalisierung der Leistungssteuerung ja, aber keine „kalkulierenden Subjekte“ (Miller 2005)

Nicht Standardisierung oder Subjektivierung / Selbststeuerung, sondern Gleichzeitigkeit von Standardisierung und Subjektivierung / Selbststeuerung: Innerhalb der Gesamtorganisation und der Tätigkeitssegmente

Unterschiedliche Konsequenzen von Standardisierung: Entlastung, Einschränkung oder Gefährdung

„Unzureichende Taylorismusanalogie“ (Baethge / Oberbeck 1986)

Generelle Tendenz der Finanzialisierung und Finalisierung, aber Grenzen der Übertragbarkeit avancierter Beispiele: Art und „Vermehrbarkeit“ des Produkts, „Sperrigkeit“ interaktive Arbeit, Individuelle Beeinflussbarkeit

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Kontakt

Dr. Wolfgang Dunkel, Dr. Nick Kratzer, Dr. Wolfgang Menz

ISF München Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung e.V. Jakob-Klar-Str. 9, 80796 München089/272921-0;

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