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Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010 106. § 24 VOB/A - Aufklärung des Angebotsinhalts Aufklärung des Angebotsinhalts 1. (1) Bei Ausschreibungen darf der Auftraggeber nach Öffnung der Angebote bis zur Zuschlagserteilung mit einem Bieter nur verhandeln, um sich über seine Eignung, insbesondere seine technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, das Angebot selbst, etwaige Nebenangebote, die geplante Art der Durchführung, etwaige Ursprungsorte oder Bezugsquellen von Stoffen oder Bauteilen und um sich über die Angemessenheit der Preise, wenn nötig durch Einsicht in die vorzulegenden Preisermittlungen (Kalkulationen), zu unterrichten. (2) Die Ergebnisse solcher Verhandlungen sind geheim zu halten. Sie sollen schriftlich niedergelegt werden. 2. Verweigert ein Bieter die geforderten Aufklärungen und Angaben, so kann sein Angebot unberücksichtigt bleiben. 3. Andere Verhandlungen, besonders über Änderung der Angebote oder Preise, sind unstatthaft, außer wenn sie bei Nebenangeboten oder Angeboten auf Grund eines Leistungsprogramms nötig sind, um unumgängliche technische Änderungen geringen Umfangs und daraus sich ergebende Änderungen der Preise zu vereinbaren. 106.1 Vergleichbare Regelungen Der Vorschrift des § 24 VOB/A vergleichbar ist im Bereich der VOL § 24 VOL/A. Die Kommentierung zu dieser Vorschrift kann daher ergänzend zu der Kommentierung des § 24 herangezogen werden. 106.2 Änderungen in der VOB/A 2006 In § 24 Nr. 1 Abs. 1 und Nr. 3 wird – wie in der gesamten VOB/A 2006 - jeweils der Begriff des Änderungsvorschlags gestrichen. 106.3 Sinn und Zweck der Vorschrift Das Verhandlungsverbot hat auch einen deutlichen Bezug zur sparsamen Haushaltsführung. Entgegen anders lautenden Stimmen verhindert es keineswegs die Erzielung günstiger Preise für die Auftrageber. Die Erfahrung zeigt vielmehr, dass gerade die formal korrekt durchgeführte öffentliche Ausschreibung den günstigsten Angebotspreis zur Folge hat, weil alle Bieter an die Grenze ihrer Auftragskalkulation gehen müssen, um eine Chance auf den Zuschlag zu haben. Sie können nämlich nicht von vornherein einen Aufschlag kalkulieren, den sie sich im Nachhinein (teilweise) abverhandeln lassen (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 22.02.2005 - Az.: 15 A 1065/04) 5203 5204 5205

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Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

106. § 24 VOB/A - Aufklärung des Angebotsinhalts Aufklärung des Angebotsinhalts 1. (1) Bei Ausschreibungen darf der Auftraggeber nach Öffnung der Angebote bis zur

Zuschlagserteilung mit einem Bieter nur verhandeln, um sich über seine Eignung, insbesondere seine technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, das Angebot selbst, etwaige Nebenangebote, die geplante Art der Durchführung, etwaige Ursprungsorte oder Bezugsquellen von Stoffen oder Bauteilen und um sich über die Angemessenheit der Preise, wenn nötig durch Einsicht in die vorzulegenden Preisermittlungen (Kalkulationen), zu unterrichten. (2) Die Ergebnisse solcher Verhandlungen sind geheim zu halten. Sie sollen schriftlich niedergelegt werden.

2. Verweigert ein Bieter die geforderten Aufklärungen und Angaben, so kann sein Angebot

unberücksichtigt bleiben. 3. Andere Verhandlungen, besonders über Änderung der Angebote oder Preise, sind

unstatthaft, außer wenn sie bei Nebenangeboten oder Angeboten auf Grund eines Leistungsprogramms nötig sind, um unumgängliche technische Änderungen geringen Umfangs und daraus sich ergebende Änderungen der Preise zu vereinbaren.

106.1 Vergleichbare Regelungen Der Vorschrift des § 24 VOB/A vergleichbar ist im Bereich der VOL § 24 VOL/A. Die Kommentierung zu dieser Vorschrift kann daher ergänzend zu der Kommentierung des § 24 herangezogen werden.

106.2 Änderungen in der VOB/A 2006 In § 24 Nr. 1 Abs. 1 und Nr. 3 wird – wie in der gesamten VOB/A 2006 - jeweils der Begriff des Änderungsvorschlags gestrichen.

106.3 Sinn und Zweck der Vorschrift Das Verhandlungsverbot hat auch einen deutlichen Bezug zur sparsamen Haushaltsführung. Entgegen anders lautenden Stimmen verhindert es keineswegs die Erzielung günstiger Preise für die Auftrageber. Die Erfahrung zeigt vielmehr, dass gerade die formal korrekt durchgeführte öffentliche Ausschreibung den günstigsten Angebotspreis zur Folge hat, weil alle Bieter an die Grenze ihrer Auftragskalkulation gehen müssen, um eine Chance auf den Zuschlag zu haben. Sie können nämlich nicht von vornherein einen Aufschlag kalkulieren, den sie sich im Nachhinein (teilweise) abverhandeln lassen (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 22.02.2005 - Az.: 15 A 1065/04)

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106.4 Bieterschützende Vorschrift

106.4.1 Grundsatz § 24 VOB/A bzw. VOL/A ist eine bieterschützende Vorschrift (OLG Düsseldorf, B. v. 14.3.2001 - Az.: Verg 30/00; 1. VK Sachsen, B. v. 13.12.2002 - Az.: 1/SVK/105-02, B. v. 1.2.2002 - Az.: 1/SVK/139-01; VK Halle, B. v. 6.6.2000 - Az.: VK Hal 09/00).

106.4.2 Bieterschützende Vorschrift für den Bieter, mit dem unstatthafte Verhandlungen geführt werden? § 24 Nr. 3 VOB/A bzw. § 24 Nr. 2 VOL/A bezweckt nicht den Schutz des Bieters, mit dem unzulässige Nachverhandlungen geführt werden. Sinn des sich aus § 24 Nr. 3 VOB/A ergebenden Nachverhandlungsverbots ist es, den Wettbewerb unter gleichen Bedingungen für alle Bieter aufrechtzuerhalten. Würde man den Bieter, mit dem unzulässige Nachverhandlungen geführt werden, in den Schutzbereich des § 24 Nr. 3 VOB/A bzw. § 24 Nr. 2 VOL/A einbeziehen, würde man ihm eine durch Verfälschung des Wettbewerbs erlangte Position einräumen, die die Regelung des § 24 Nr. 3 VOB/A bzw. § 24 Nr. 2 VOL/A gerade missbilligt (OLG München, B. v. 17.09.2007 - Az.: Verg 10/07; 1. VK des Bundes, B. v. 18.10.1999 - Az.: VK 1 - 25/99).

106.5 Verpflichtung des Auftraggebers zur Führung von Aufklärungsgesprächen

106.5.1 Grundsatz Einen Anspruch auf Nachverhandlung hat der Bieter, der ein unklares Angebot vorgelegt hat, grundsätzlich nicht (OLG Dresden, B. v. 9.1.2004 - Az.: WVerg 16/03, B. v. 10.7.2003 - Az.: WVerg 0015/02; OLG Frankfurt, B. v. 26.05.2009 - Az.: 11 Verg 2/09; B. v. 16.9.2003 - Az.: 11 Verg 11/03; OLG Koblenz, B. v. 15.07.2008 - Az.: 1 Verg 2/08; VK Arnsberg, B. v. 24.05.2004 - Az.: VK 1 - 5/04; 1. VK Bund, B. v. 13.07.2005 - Az.: VK 1 - 59/05; 2. VK Bund, B. v. 09.01.2007 - Az.: VK 2 - 152/06; 3. VK Bund, B. v. 04.02.2010 - Az.: VK 3 – 3/10; B. v. 26.03.2007 - Az.: VK 3 – 19/07; B. v. 21.07.2005 - Az.: VK 3 – 61/05; VK Düsseldorf, B. v. 7.6.2001 - Az.: VK - 13/2001 - B, B. v. 2.8.2000 - Az.: VK - 15/2000 – L; VK Hamburg, B. v. 13.04.2007 - Az.: VgK FB 1/07; VK Hessen, B. v. 21.3.2003 - Az.: 69 d VK - 11/2003; VK Lüneburg, B. v. 17.04.2007 - Az.: VgK-11/2007; B. v. 26.07.2005 - Az.: VgK-31/2005; B. v. 12.07.2005 - Az.: VgK-29/2005; VK Münster, B. v. 28.06.2007 - Az.: VK 10/07; VK Niedersachsen, B. v. 24.10.2008 - Az.: VgK-35/2008; VK Nordbayern, B. v. 09.09.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 34/08; B. v. 20.08.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 39/08; 1. VK Sachsen, B. v. 05.04.2006 - Az.: 1/SVK/027-06; B. v. 23.1.2004 - Az.: 1/SVK/160-03, B. v. 10.3.2003 - Az.: 1/SVK/012-03; VK Thüringen, B. v. 25.1.2002 - Az.: 216-4002.20-081/01-GTH, B. v. 10.12.2001 - Az.: 216-4002.20- 081/01-GTH). Schließlich ist es Sache des Bieters, ein vollständiges und zweifelsfreies Angebot abzugeben (OLG Koblenz, B. v. 15.07.2008 - Az.: 1 Verg 2/08). § 24 VOB/A gibt dem Bieter also grundsätzlich keinen

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Anspruch auf Nachverhandlungen, sondern stellt sie in das Ermessen des Auftraggebers (OLG Frankfurt, B. v. 26.08.2008 - Az.: 11 Verg 8/08).

106.5.2 Ausnahmen

106.5.2.1 Treu und Glauben Eine Pflicht zur Führung eines Aufklärungsgesprächs kann unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben in Betracht kommen, wenn der öffentliche Auftraggeber in der Vergangenheit einen konkreten Vertrauenstatbestand gesetzt hat (OLG Dresden, B. v. 10.7.2003 - Az.: WVerg 0015/02; ähnlich OLG Frankfurt, B. v. 26.05.2009 - Az.: 11 Verg 2/09; B. v. 26.3.2002 - Az.: 11 Verg 3/01; 3. VK Saarland, B. v. 23.04.2007 - Az.: 3 VK 02/2007, 3 VK 03/2007). Zum Gesichtspunkt von Treu und Glauben vgl. die Kommentierung zu § 97 GWB RZ 267.

106.5.2.2 Offenkundiges Versehen des Bieters Die Rechtsprechung ist insoweit nicht einheitlich. Nach einer Meinung fällt es zwar grundsätzlich in den Verantwortungsbereich des Bieters, ein vollständiges Angebot abzugeben und damit gehen Unvollständigkeiten zu seinen Lasten. Allerdings besteht in einer Situation, in der ein Versehen des Bieters für die Vergabestelle offenkundig ist, die Pflicht, beim Bieter nachzufragen. § 24 Nr. 1 Abs. 1 lässt diese Möglichkeit, Zweifel über die Angebote zu beheben, ausdrücklich zu (1. VK Bund, B. v. 25.10.2002 - Az.: VK 1 - 71/02). Nach einer anderen Auffassung besteht eine solche Nachfragepflicht z. B. bei einem offensichtlich überhöhten Einheitspreis nicht (VK Hessen, B. v. 18.3.2002 - Az.: 69 d VK - 03/2002).

106.5.2.3 Verursachung des Aufklärungsbedarfs durch den Auftraggeber In dem Fall einer eindeutigen Angebotsabgabe ist davon auszugehen, dass sich das grundsätzlich im Rahmen des § 24 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A bzw. VOL/A bestehende Aufklärungsermessen des Auftraggebers zu einer Aufklärungspflicht verdichtet, wenn nicht der Bieter, sondern der öffentliche Auftraggeber selbst durch eigene Recherchen die Zweifel in Bezug auf das Angebot verursacht. In einem solchen Fall ist der Auftraggeber verpflichtet, die Zweifel durch Nachfrage bei dem Bieter aufzuklären (OLG Frankfurt, B. v. 26.05.2009 - Az.: 11 Verg 2/09; VK Schleswig-Holstein, B. v. 12.07.2005 - Az.: VK-SH 14/05; 3.VK Bund, B. v. 04.02.2010 - Az.: VK 3 – 3/10; B. v. 12.01.2005 - Az.: VK 3 – 218/04; 1. VK Bund, B. v. 22.5.2003 - Az.: VK 1 - 29/03; ähnlich OLG Celle, B. v. 21.8.2003 - Az.: 13 Verg 13/03). Ist eine Ausschreibung unklar und legt ein Bieter sie vertretbar anders aus als vom Ausschreibenden beabsichtigt, ist der Ausschreibende zu einer Unterrichtung über den

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genauen Inhalt des Angebotes verpflichtet (OLG Köln, Urteil vom 16.12.1999 - Az.: 7 U 27/99; VK Niedersachsen, B. v. 24.10.2008 - Az.: VgK-35/2008). Weist ein Bieter mit dem Angebot darauf hin, dass ein Teil der ausgeschriebenen Leistung nicht mehr lieferbar ist, darf der öffentliche Auftraggeber nicht einfach aus den Angeboten der anderen Bieter die gegenteilige Behauptung als wahr unterstellen. Vielmehr muss der Auftraggeber diesen Hinweisen durch Aufklärung nachgehen, anstatt zu Lasten eines Bieters einen nicht geklärten Sachverhalt zu unterstellen. Die Vergabestelle geht dann bei der Wertung von einem nicht zutreffenden oder nicht vollständig ermittelten Sachverhalt aus (VK Münster, B. v. 10.03.2006 - Az.: VK 2/06). Eine zur Aufklärung verpflichtende Sachlage ist gegeben, wenn der Auftraggeber einerseits Mindestanforderungen zur Faxfunktionalität formuliert und andererseits in seiner Leistungsbeschreibung deutlich macht, dass nicht alle anzubietenden Geräte über diese Funktionalität verfügen müssen und er darüber hinaus erst im Wege der Beantwortung einer Bieteranfrage den Bietern mitteilt, dass auch Geräte, die bei Vertragsbeginn noch nicht für einen vernetzten Standort vorgesehen sind und über die Faxfunktionalität nicht verfügen müssen, diesbezüglich nachrüstbar sein müssen (VK Niedersachsen, B. v. 24.10.2008 - Az.: VgK-35/2008).

106.5.2.4 Glaubhafte Darlegungen des Bieters Hätte ein öffentlicher Auftraggeber die entsprechenden Bemerkungen eines Bieters in seinen Angebotsunterlagen in einem Bietergespräch aufklären können, unterlässt er dies jedoch und schließt das Angebot ohne weitere Prüfung aus, entspricht dies nicht einer sachgerechten Prüfung der Angebote (1. VK Sachsen, B. v. 21.5.2001 - Az.: 1/SVK/ 32-01).

106.5.2.5 Ausforschung durch die Vergabestelle? Ein Aufklärungsanspruch liegt fern, wenn ein Angebot keine ergänzungsfähigen Angaben zur Eignung des Bieters enthält, sondern sich - zudem ohne jeden Nachweis im eigentlichen Sinne - auf unsubstantiierte Pauschalbehauptungen beschränkt, die geradezu Gegenstand einer Ausforschung durch die Vergabestelle sein müssten, damit zu den geforderten Eignungskriterien Klarheit gewonnen werden könnte (OLG Dresden, B. v. 17.8.2001 - Az.: WVerg 0005/01).

106.6 Aufklärungsgespräche (§ 24 Nr. 1)

106.6.1 Allgemeines Nachverhandlungen nach Zuschlagserteilung verstoßen nicht gegen das Verbot des § 24 VOB/A. Die Vorschrift bezieht sich nur auf den Zeitraum zwischen Ablauf der Angebotsfrist und dem Zuschlagstermin (OLG Celle, Urteil v. 25.06.2008 - Az.: 14 U 14/08).

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Nach § 24 Nr. 1 darf der Auftraggeber nach der Öffnung der Angebote bis zur Zuschlagsentscheidung mit einem Bieter nur verhandeln, um sich über seine Eignung, insbesondere seine technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, das Angebot selbst, etwaige Änderungsvorschläge und Nebenangebote, die geplante Art der Durchführung, etwaige Ursprungsorte oder Bezugsquellen von Stoffen oder Bauteilen sowie über die Angemessenheit der Preise zu unterrichten. § 24 VOB/A ist eine Ausnahmevorschrift, deren Grenzen restriktiv zu sehen sind (OLG München, B. v. 17.09.2007 - Az.: Verg 10/07; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 22.02.2005 - Az.: 15 A 1065/04; 2. VK Bund, B. v. 30.12.2009 - Az.: VK 2 - 222/09; 3. VK Saarland, B. v. 23.04.2007 - Az.: 3 VK 02/2007, 3 VK 03/2007; VK Hamburg, B. v. 13.04.2007 - Az.: VgK FB 1/07; VK Lüneburg, B. v. 17.04.2007 - Az.: VgK-11/2007; B. v. 06.06.2006 - Az.: VgK-11/2006; B. v. 26.07.2005 - Az.: VgK-31/2005; B. v. 20.05.2005 - Az.: VgK-18/2005; 2. VK Brandenburg, B. v. 06.02.2007 - Az.: 2 VK 5/07; 3. VK Bund, B. v. 23.11.2009 - Az.: VK 3 - 199/09; B. v. 21.07.2005 - Az.: VK 3 – 61/05; 1. VK Sachsen, B. v. 17.12.2007 - Az.: 1/SVK/074-07; B. v. 17.12.2007 - Az.: 1/SVK/073-07; B. v. 21.5.2001 - Az.: 1/SVK/32-01, B. v. 1.2.2002 - Az.: 1/SVK/139-01). Die Nachverhandlung ist dem Auftraggeber ausschließlich als eine Aufklärungsmaßnahme im engeren Sinne gestattet. Sie darf nicht dazu dienen, dem Bieter eine inhaltliche Änderung oder Ergänzung seines Angebots zu ermöglichen (OLG München, B. v. 17.09.2007 - Az.: Verg 10/07; VK Berlin, B. v. 18.03.2009 - Az.: VK B 2 30/08; 2. VK Brandenburg, B. v. 06.02.2007 - Az.: 2 VK 5/07; 2. VK Bund, B. v. 13.06.2007 - Az.: VK 2 - 51/07; B. v. 19.11.2003 - Az.: VK 2 - 114/03; 3. VK Bund, B. v. 23.11.2009 - Az.: VK 3 - 199/09; VK Hamburg, B. v. 13.04.2007 - Az.: VgK FB 1/07; VK Lüneburg, B. v. 17.04.2007 - Az.: VgK-11/2007; B. v. 06.06.2006 - Az.: VgK-11/2006; B. v. 20.05.2005 - Az.: VgK-18/2005; VK Münster, B. v. 31.10.2007 - Az.: VK 22/07; VK Niedersachsen, B. v. 15.12.2009 - Az.: VgK-63/2009; B. v. 16.03.2009 - Az.: VgK-04/2009; B. v. 24.10.2008 - Az.: VgK-35/2008; 3. VK Saarland, B. v. 23.04.2007 - Az.: 3 VK 02/2007, 3 VK 03/2007; 1. VK Sachsen, B. v. 17.12.2007 - Az.: 1/SVK/074-07; B. v. 17.12.2007 - Az.: 1/SVK/073-07; B. v. 11.01.2007 - Az.: 1/SVK/116-06; B. v. 05.04.2006 - Az.: 1/SVK/027-06; VK Schleswig-Holstein, B. v. 28.01.2008 - Az.: VK-SH 27/07); folglich können im Wege einer Nachverhandlung insbesondere nicht fehlende, zwingende Angaben im Angebot nachgeholt werden (OLG Düsseldorf, B. v. 30.7.2003 - Az.: Verg 32/03; OLG Celle, B. v. 2.7.2002 - Az.: 13 Verg 6/02; VK Niedersachsen, B. v. 15.12.2009 - Az.: VgK-63/2009; VK Nordbayern, B. v. 14.01.2010 - Az.: 21.VK - 3194 – 64/09; VK Schleswig-Holstein, B. v. 28.01.2008 - Az.: VK-SH 27/07; 3. VK Saarland, B. v. 23.04.2007 - Az.: 3 VK 02/2007, 3 VK 03/2007; 1. VK Sachsen, B. v. 05.04.2006 - Az.: 1/SVK/027-06). Aufklärungsverhandlungen können insgesamt nur dazu dienen, einen feststehenden Sachverhalt aufzuklären, nicht aber diesen zu verändern (OLG Koblenz, B. v. 15.07.2008 - Az.: 1 Verg 2/08; OLG Celle, B. v. 10.01.2008 - Az.: 13 Verg 11/07; OLG Düsseldorf, B. v. 14.3.2001 - Az.: Verg 30/00; VK Münster, B. v. 31.10.2007 - Az.: VK 22/07; 3. VK Saarland, B. v. 23.04.2007 - Az.: 3 VK 02/2007, 3 VK 03/2007; VK Hamburg, B. v. 13.04.2007 - Az.: VgK FB 1/07; 2. VK Brandenburg, B. v. 06.02.2007 - Az.: 2 VK 5/07; VK Lüneburg, B. v. 06.06.2006 - Az.: VgK-11/2006; B. v. 20.05.2005 - Az.: VgK-18/2005; VK Nordbayern, B. v. 14.01.2010 - Az.: 21.VK - 3194 – 64/091. VK Sachsen, B. v. 17.12.2007 - Az.: 1/SVK/074-07; B. v. 17.12.2007 - Az.: 1/SVK/073-07; B. v. 05.04.2006 - Az.: 1/SVK/027-06; B. v. 27.9.2001 - Az.: 1/SVK/85-01, 1/SVK/85-01G). Dies ergibt sich aus dem der VOB/A zugrunde liegenden Wettbewerbsgedanken. Es soll nämlich verhindert werden, dass die Wettbewerbslage durch nachträgliche Zugeständnisse von Bietern verändert wird bzw. einzelne Bieter bevorzugt werden (VK Berlin, B. v.

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Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

18.03.2009 - Az.: VK B 2 30/08; 2. VK Brandenburg, B. v. 06.02.2007 - Az.: 2 VK 5/07; VK Niedersachsen, B. v. 24.10.2008 - Az.: VgK-35/2008; VK Schleswig-Holstein, B. v. 28.01.2008 - Az.: VK-SH 27/07; VK Südbayern, B. v. 18.3.2002 - Az.: 04-02/02). Daher müssen solche Verhandlungen, die im Widerspruch zum Wettbewerbsprinzip stehen, eine eindeutige Ausnahme bilden (1. VK Bund, B. v. 29.5.2002 - Az.: VK 1 - 23/02; VK Südbayern, B. v. 14.8.2002 - Az.: 32-07/02). Mit der Regelung des § 24 VOB/A und des § 24 VOL/A wird bestimmt, dass Verhandlungen, insbesondere über Änderungen der Angebote oder Preise, unstatthaft sind. Damit soll sichergestellt werden, dass der Wettbewerb ordnungsgemäß abläuft, die Gleichbehandlung der Bieter gewährleistet ist und das Transparenzgebot gewahrt wird. Mit der Abgabe der Angebote durch die Bieter sind diese an ihr Angebot gebunden. Eine nachträgliche Änderung würde gegen die Gleichbehandlung der Bieter und die Transparenz des Wettbewerbs verstoßen. Jeder Bieter muss sich darauf verlassen können, dass nicht nur für ihn, sondern für alle anderen Bieter die Unabänderbarkeit des einmal abgegebenen Angebotes gilt (VK Nordbayern, B. v. 14.01.2010 - Az.: 21.VK - 3194 – 64/09).

106.6.2 Aufklärungsbedarf Voraussetzung für ein Aufklärungsgespräch ist, dass überhaupt Aufklärungsbedarf besteht und der Auftraggeber für eine ordnungsgemäße Wertung des Angebots auf die nachgereichten Angaben bzw. Unterlagen angewiesen ist (Thüringer OLG, B. v. 14.11.2002 - Az.: 6 Verg 7/02; VK Niedersachsen, B. v. 24.10.2008 - Az.: VgK-35/2008; im Ergebnis ebenso OLG Koblenz, B. v. 15.07.2008 - Az.: 1 Verg 2/08). So ist ein Aufklärungsverlangen hinsichtlich der Grundlagen der Preisermittlung eines Bieters – insbesondere unter Berücksichtigung des im Vergabeverfahren geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – nur zulässig, wenn das Angebot inhaltlich bewertet wird und die Vergabestelle einem für die Vergabeentscheidung erheblichen Informationsbedürfnis, d.h. einem im Zusammenhang mit einem konkreten Ausschlussgrund bzw. mit der Prüfung eines zuvor bekannt gemachten Zuschlagskriteriums stehenden Informationsbedürfnis folgt, wenn die geforderten Angaben geeignet sind, dieses Informationsbedürfnis der Vergabestelle zu befriedigen, und wenn der Vergabestelle die Erlangung dieser Informationen auf einfachere Weise nicht möglich ist (OLG Naumburg, B. v. 22.09.2005 - Az.: 1 Verg 8/05). Wird eine bestimmte Fabrikatsangabe in der Leistungsbeschreibung zwar nicht gefordert, weist aber ein Bieter den Auftraggeber darauf hin, aus patentrechtlichen Gründen an der Lieferung des von ihm für die Kalkulation zugrunde gelegten Fabrikats S. gehindert zu sein und nicht über eine Lieferzusage des einzigen in Betracht kommenden konkurrierenden Herstellers, der Fa. H., zu verfügen, hat der Auftraggeber einen berechtigten Anhaltspunkt für Zweifel an der Leistungsfähigkeit des Bieters, zu deren Klärung er sich des in § 24 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A vorgesehenen Mittels bedienen darf (2. VK Bund, B. v. 09.12.2009 - Az.: VK 2 – 192/09).

106.6.3 Ansprechpartner

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Die Vergabestelle ist nicht gehalten, sich wegen Einzelheiten von aufklärungsbedürftigen Sachverhalten (z. B. Produkten) selbst z. B. an die jeweiligen Hersteller der betreffenden Produkte zu wenden. Sie kann die entsprechenden Unterlagen jedenfalls von ihren potentiellen Vertragspartnern, also von Bietern verlangen, welche nach dem Submissionsergebnis Zuschlagsaussicht haben (Thüringer OLG, B. v. 14.11.2002 - Az.: 6 Verg 7/02). Die Formulierung in § 24 VOB/A bzw. VOL/A besagt jedoch nicht, dass „nur mit einem (dem) Bieter“ verhandelt werden dürfe, sondern dass der Auftraggeber „mit einem Bieter nur verhandeln darf, um sich zu unterrichten.“ Schon sprachlich, aber auch von Sinn und Zweck der Vorschrift kann daraus nicht abgeleitet werden, die Vergabestelle dürfe nicht auch andere Informationen nutzen. Sicherlich wird die Vergabestelle gehalten sein, sich in erster Linie an den Bieter zu halten, und wird dies in aller Regel auch tun, zumal es oftmals um Sachverhalte oder Fragen geht, die ohnehin nur der Bieter klären bzw. beantworten kann. Im Übrigen ist es dem Auftraggeber aber unbenommen, zu seiner Absicherung auch andere Erkenntnisquellen zu nutzen (VK Hessen, B. v. 07.10.2004 - Az.: 69 d - VK – 60/2004).

106.6.4 Gleichbehandlung der Bieter Der verfassungsrechtlich verankerte (Art. 3 GG) Gleichheitsgrundsatz gehört seit jeher zu den elementaren Prinzipien des deutschen Vergaberechts und hat in § 97 Abs. 2 GWB, § 2 Nr. 2 VOB/A, § 8 Nr. 1 VOB/A eine spezifische gesetzliche und verdingungsrechtliche Normierung erfahren. Er ist in allen Phasen des Vergabeverfahrens zu beachten und dient dazu, die Vergabeentscheidung im Interesse eines funktionierenden Wettbewerbs auf willkürfreie, sachliche Erwägungen zu stützen. Macht der Auftraggeber von seiner ihm in § 24 VOB/A bzw. VOL/A eingeräumten Möglichkeit Gebrauch, nach Öffnung der Angebote technische Detailfragen mit einzelnen Bietern aufzuklären, so muss er diese Möglichkeit zur Vermeidung von Wettbewerbsnachteilen in gleichem Umfange auch allen anderen Bietern gewähren. Er ist zur Vermeidung einer gleichbehandlungswidrigen Diskriminierung insbesondere daran gehindert, bei der Beurteilung der Aufklärungsfähigkeit gegenüber einzelnen Bietern strengere Maßstäbe anzulegen (OLG Saarbrücken, B. v. 29.5.2002 - Az.: 5 Verg 1/01). Eine Vergabestelle muss auch mit allen Bietern Gespräche führen, in deren Angebote der aufklärungsbedürftige Sachverhalt enthalten ist (2. VK Bund, B. v. 20.6.2002 - Az.: VK 2 - 28/02). Dementsprechend stellt ein Aufklärungsgespräch zum Inhalt der Ausschreibung mit nur einem Bieter keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz dar, wenn alle übrigen Bieter die Ausschreibung im Sinne des Auftraggebers verstanden haben (2. VK Brandenburg, B. v. 18.10.2005 - Az.: 2 VK 62/05). Unzulässige Nachverhandlungen liegen außerhalb des nach § 24 VOB/A Zulässigen und können folglich keinen Anspruch auf Gleichbehandlung begründen (OLG Koblenz, B. v. 15.07.2008 - Az.: 1 Verg 2/08).

106.6.5 Beschränkung der Gespräche auf aussichtsreiche Bieter

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Es erscheint zulässig und wirtschaftlich geboten, dass Aufklärungen des Angebotsinhalts auf solche Angebote beschränkt werden, die in der Wertung an erster, zweiter und gegebenenfalls an dritter Stelle stehen (OLG München, B. v. 15.11.2007 - Az.: Verg 10/07; B. v. 17.09.2007 - Az.: Verg 10/07; VK Baden-Württemberg, B. v. 7.8.2003 - Az.: 1 VK 33/03, 1 VK 34/03, 1 VK 35/03).

106.6.6 Anspruch auf Wiederholung von Aufklärungsgesprächen Betrifft die Aufklärungsverhandlung "das Angebot selbst" im Sinne von § 24 Nr. 1 Absatz 1 VOB/A bzw. VOL/A, so hat der Bieter alle Vorbereitungen zu treffen, um den erfolgreichen Abschluss der Verhandlung zu gewährleisten. Misslingt die Aufklärungsverhandlung wegen fehlender Fachkompetenz der vom Bieter entsandten Vertreter/Mitarbeiter, so muss sich dies der Bieter zurechnen lassen (§ 166 Abs. 1, § 278 BGB). Eine Wiederholung der Aufklärungsverhandlung mit geänderten oder angepassten Randbedingungen würde zu einer Benachteiligung der anderen Bieter führen und ist deshalb unzulässig (1. VK Bund, B. v. 7.6.1999 - Az.: VK 1 - 11/99; VK Brandenburg, B. v. 12.4.2002 - Az.: VK 15/02).

106.6.7 Möglicher Inhalt von Aufklärungsgesprächen

106.6.7.1 Aufklärungsgespräch über Preise Nach Öffnung der Angebote bis zur Zuschlagerteilung darf der Auftraggeber sich zwar über ein zweifelhaft formuliertes Angebot oder die Angemessenheit der Preise informieren. Die Verhandlungen dürfen jedoch nicht den eindeutigen Inhalt des Angebots verändern (OLG Celle, B. v. 22.5.2003 - Az.: 13 Verg 10/03; VK Lüneburg, B. v. 06.06.2006 - Az.: VgK-11/2006). Nachträgliche Preisangaben übersteigen den Rahmen von § 24 VOB/A bzw. VOL/A . Blieben fehlende Preisangaben Nachverhandlungen vorbehalten, könnte der Bieter sein Angebot nach Abgabe noch erheblich, möglicherweise entscheidend verändern. Dies ist mit dem Wettbewerbs- und Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 97 Abs. 1 u. 2 GWB nicht vereinbar (VK Nordbayern, B. v. 12.11.2004 - Az.: 320.VK - 3194 - 43/04). Auch die Klärung von widersprüchlichen Preisangaben kann nicht Gegenstand einer zulässigen Nachverhandlung sein. Lässt man die Modifizierung von wesentlichen Preisangaben eines Angebots in einer Nachverhandlung zu, so eröffnet man dem jeweiligen Bieter – gegebenenfalls in Zusammenspiel mit dem Auftraggeber - einen unkontrollierbaren Spielraum zur nachträglichen Manipulation von wertungsrelevanten Positionen. Dies ist nicht mehr von § 24 VOB/A bzw. VOL/A gedeckt (VK Brandenburg, B. v. 22.02.2008 - Az.: VK 3/08; VK Lüneburg, B. v. 06.06.2006 - Az.: VgK-11/2006; 3. VK Bund, B. v. 21.07.2005 - Az.: VK 3 – 61/05).

106.6.7.2 Aufklärungsgespräch über einen Bauzeitenplan Zweck der nach § 24 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A zulässigen Bietergespräche ist die Unterrichtung des Auftraggebers unter anderem über die vom jeweiligen Bieter geplante Art der Durchführung der Baumaßnahmen, das heißt die Aufklärung der vom jeweiligen Bieter

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beabsichtigten Ausführungsfristen. Die Aufklärung hat dem gemäß passiv zu erfolgen, das heißt ohne dass der Auftraggeber dem Bieter neue, von den Verdingungsunterlagen abweichende Vorgaben macht und deren "Bestätigung" abfragt (OLG Naumburg, Urteil vom 29.3.2003 - Az.: 1 U 119/02; VK Münster, B. v. 15.08.2007 - Az.: VK 13/07). Die erstmalige Festlegung von z.B. Lieferfristen ist daher nicht zulässig (VK Arnsberg, B. v. 24.05.2004 - Az.: Az.: VK 1 - 5/04). Zulässig ist aber ein Aufklärungsgespräch über die Gesamtstundenanzahl und deren Verteilung auf die Bauzeit und das ausführende Personal (3. VK Bund, B. v. 25.06.2008 - Az.: VK 3 - 68/08).

106.6.7.3 Aufklärungsgespräch über die Art der Ausführung Die Rechtsprechung hierzu ist nicht einheitlich. Die Erklärung des Bieters, er werde den Beschrieb der Position erfüllen, stellt keine Verhandlung im Sinne eines Forderns und Nachgebens bzw. keine Änderung des Angebotes dar, denn die Qualität des Ausgeschriebenen bietet bzw. schuldet er sowieso. Der Bieter verhandelt insoweit nicht. Er stellt lediglich klar, dass er unabhängig vom bezeichneten Produkt so wie ausgeschrieben leisten wird. Wenn in dieser Erklärung eine Änderung des Angebotes vorliegt, dann darin, dass der Bieter gewissermaßen zum Ausgeschriebenen zurückkehrt, also das bietet was der Beschrieb vorgibt. Unstatthaft wäre dagegen die Änderung, die zu einem gegenüber dem Leistungsverzeichnis veränderten Leistungsumfang führen würde. Soweit beispielsweise die vergebende Stelle eine Qualitätsminderung akzeptiert, ist die Grenze des § 24 Nr. 3 VOB/A bzw. § 24 Nr. 2 VOL/A erreicht (VK Hannover, B. v. 13.8.2002 - Az.: 26045 - VgK - 9/2002). Dagegen betont eine andere Meinung, dass es eine über den Verhandlungsspielraum des § 24 Nr. 1 VOB/A bzw. VOL/A hinausgehende unzulässige Nachverhandlung nach § 24 Nr. 3 VOB/A bzw. § 24 Nr. 2 VOL/A darstellt, wenn der Auftraggeber nach Angebotsabgabe auf Nachfrage "kostenneutrale" Leistungsergänzungen (= Hebungen auf LV-Niveau) des bisherigen Angebotsinhalts zugestanden erhält (1. VK Sachsen, B. v. 13.12.2002 - Az.: 1/SVK/105-02). Es ist grundsätzlich Sache des Bauunternehmers, welchen Bauablauf er wählt. Als Werkunternehmer schuldet er lediglich den vereinbarten Erfolg, in der Regel aber nicht eine konkrete Art der Ausführung. Jedoch kann dem Bieter als leistungsfähigem, fachkundigem und zuverlässigem Auftragnehmer die Freiheit, die technische und wirtschaftlich günstigste Möglichkeit der Bauausführung selbst zu suchen, nur in dem Rahmen belassen werden, den die Bauausschreibung und das Leistungsverzeichnis steckt. Der Bieter darf jedoch nicht noch sein Angebot ändern, indem er nachträglich und sogar erst nach Durchführung der Aufklärungsverhandlungen eine weitere Variante unterbreitet, die im Gegensatz zu den ursprünglich von der Antragstellerin präsentierten Varianten von einer dem Leistungsverzeichnis eher entsprechenden Konstruktion mit einer Flachstahlverstärkung ausgeht (VK Niedersachsen, B. v. 16.03.2009 - Az.: VgK-04/2009).

106.6.7.4 Aufklärungsgespräch über die Kalkulation Ein Aufklärungsgespräch kann auch über die Kalkulation eines Angebotes geführt werden. Insoweit genügt die Vorlage der Urkalkulation zum Zeitpunkt des Aufklärungsgespräches (VK Brandenburg, B. v. 26.3.2002 - Az.: VK 4/02).

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Bei vom Auftraggeber zwingend vorgegebenen Kalkulationsgrundlagen dient - wie sich aus § 9 Nr. 1 S. 1 VOB/A bzw. § 8 VOL/A ergibt, wonach die Leistungsbeschreibung u.a. so abgefasst sein muss, dass alle Bewerber die Beschreibung „im gleichen Sinne verstehen müssen“ und ihre Preise entsprechend „sicher“ berechnen können - die einheitliche Preiskalkulation sämtlicher Bieter entsprechend den Vorgaben der Vergabestelle dem chancengleichen Bieterwettbewerb im Sinn des § 97 Abs. 1, 2 GWB, § 2 Nr. 1 S. 2, § 8 Nr. 1 VOB/A bzw. VOL/A . Um der Vergabestelle die einheitliche Würdigung sämtlicher Angebote zu ermöglichen, ist es ihr folgerichtig gemäß § 24 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A bzw. VOL/A auch gestattet, zur Aufklärung des Angebotsinhalts u.a. „Einsicht in die vorzulegenden Preisermittlungen (Kalkulationen)“ zu nehmen. Anderenfalls können die Angebote der einzelnen Bieter nicht miteinander verglichen und untereinander bewertet werden. Billigt man einzelnen Bietern eine eigenmächtige Abänderung der Vorgaben zu, werden diejenigen Bieter benachteiligt, die sich an die Vorgaben halten. Die Bieter haben lediglich die Möglichkeit, im Rahmen der Angebotserstellung auf eine ihrer Meinung nach gegebene Fehlerhaftigkeit der zwingend einzuhaltenden Vorgaben hinzuweisen. Die Vergabestelle kann dann auf diese Vorschläge reagieren und die ggf. daraufhin vorgenommenen Änderungen an der Leistungsbeschreibung allen Bietern gleichermaßen zugänglich machen (3. VK Bund, B. v. 03.05.2005 - Az.: VK 3 – 19/05).

106.6.7.5 Aufklärungsgespräch über Materialien, Fabrikate und Verrechnungssätze für Stundenlohnarbeiten Fehlen die an verschiedenen Stellen des Leistungsverzeichnisses einzutragenden Angaben zu Materialien und Fabrikaten, die gesamten einzutragenden Verrechnungssätze für Stundenlohnarbeiten, insgesamt etwa 100 Angaben, die von dem Bieter nach Ablauf der Angebotsfrist nachgefordert und nachgeliefert werden, werden keine Zweifelsfragen geklärt, sondern fehlende, aber zwingend zu machende Angaben umfassend nachgeholt; dies ist nicht zulässig (VK Düsseldorf, B. v. 7.6.2001 - Az.: VK - 13/2001 – B). Speziell die Angabe von Fabrikaten ist eine Qualitätsaussage, die wesentliche Auswirkungen auf den Angebotspreis hat und damit dem Nachverhandlungsverbot des § 24 VOB/A bzw. VOL/A unterfällt (VK Münster, B. v. 15.10.2004 - Az.: VK 28/04; im Ergebnis ebenso VK Nordbayern, B. v. 20.08.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 39/08; VK Südbayern, B. v. 09.05.2008 - Az.: Z3-3-3194-1-13-04/08; B. v. 11.05.2005 - Az.: 17-04/05). Anderer Auffassung ist insoweit die VK Lüneburg : Ist vom Bieter die Angabe von einzubauenden Fabrikaten gefordert und bietet ein Bieter ein Leitfabrikat oder ein gleichwertiges Fabrikat an, fehlt zwar eine geforderte Angabe, weil sich der Bieter nicht - obwohl gefordert - auf ein Fabrikat festlegt. Die fehlende Angabe kann aber durch eine Aufklärung nachgetragen werden. Die Stellung des Angebots in der Wertung kann sich nicht verändern, weil der Bieter sich hinsichtlich der Eigenschaften des Fabrikats durch die Bezugnahme auf das Leitfabrikat festgelegt hat. Das Angebot muss nicht zwingend ausgeschlossen werden (VK Lüneburg, B. v. 03.05.2005 - Az.: VgK-14/2005). Bietet hingegen der Bieter nicht das Leitfabrikat, sondern ein davon abweichendes Fabrikat an und fehlen in einer Vielzahl von Positionen die ausdrücklich geforderten Typenangaben, ist das Angebot zwingend auszuschließen, eine Aufklärung nach § 24 VOB/A bzw. VOL/A nicht zulässig (VK Lüneburg, B. v. 26.07.2005 - Az.: VgK-31/2005).

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Nach § 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A bzw. VOL/A ist es nicht erforderlich, dass die Gleichwertigkeit des vom Bieter angebotenen Produkts mit dem Angebot nachgewiesen wird. Vielmehr kann die Vergabestelle sich die Gleichwertigkeit des angebotenen Produktes (Alternativproduktes) auch noch im Laufe eines Vergabeverfahrens nachweisen lassen und entsprechende Aufklärungsgespräche nach § 24 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A bzw. VOL/A mit dem Bieter führen. Allerdings ist die Vergabestelle dazu nicht verpflichtet (VK Münster, B. v. 17.06.2005 - Az.: VK 12/05). Zulässig sind auch ergänzende Angaben über das von dem Bieter gewählte Erzeugnis oder Fabrikat (VK Nordbayern, B. v. 28.06.2005 - Az.: 320.VK - 3194 - 21/05). Gerade wenn der Auftraggeber die Ausschreibung produktneutral gestaltet hat, besteht für ihn ein ureigenes Interesse an der Information über das angebotene Produkt, auch um feststellen zu können, ob das angebotene Produkt den Anforderungen des Leistungsverzeichnisses entspricht. Dieses grundsätzliche Informationsbedürfnis besteht auch dann, wenn einziges Wertungskriterium der Preis ist. Insofern ergibt sich kein Unterschied zu einer bereits im Leistungsverzeichnis enthaltenen Frage nach Fabrikaten und Typen (OLG München, B. v. 15.11.2007 - Az.: Verg 10/07; VK Nordbayern, B. v. 21.07.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 27/08). Verhandlungen über geforderte, aber nicht eindeutig benannte Typangaben sind demgegenüber nicht zulässig (VK Hessen, B. v. 07.10.2004 - Az.: 69 d - VK – 60/2004). Vgl. hierzu auch die Kommentierung zu § 25 VOB/A RZ 5453 ff.

106.6.7.6 Aufklärungsgespräch über die Eignung Die Rechtsprechung hierzu ist nicht einheitlich. Erlaubt sind nach § 24 VOB/A bzw. VOL/A so genannte Aufklärungsverhandlungen, bei denen es in erster Linie um die Eignung des Bieters, insbesondere seine Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit geht (Saarländisches OLG, B. v. 28.04.2004 - Az.: 1 Verg 4/04; VK Baden-Württemberg, B. v. 10.10.2008 - Az.: 1 VK 31/08). Allerdings kommt ein Nachfordern fehlender Eignungsnachweise seitens des Auftraggebers nicht in Betracht, da sonst den Geboten der Transparenz und des chancengleichen Wettbewerbs des § 97 Abs. 1, 2 GWB nicht Rechnung getragen würde. Eine nachträgliche Anforderung stellt eine unzulässige Nachverhandlung im Sinn von § 24 VOB/A bzw. VOL/A dar. Die Nachverhandlung ist dem Auftraggeber ausschließlich als eine Aufklärungsmaßnahme im engeren Sinne gestattet. Sie darf nicht dazu dienen, dem Bieter eine inhaltliche Änderung oder Ergänzung seines Angebots zu ermöglichen; folglich können insbesondere nicht im Angebot fehlende, zwingende Angaben nachgeholt werden (2. VK Brandenburg, B. v. 06.02.2007 - Az.: 2 VK 5/07; 2. VK Bund, B. v. 13.06.2007 - Az.: VK 2 - 51/07; 3. VK Bund, B. v. 07.02.2007 - Az.: VK 3 – 07/07; B. v. 29.01.2007 - Az.: VK 3 - 04/07; B. v. 18.01.2007 – Az.: VK 3 – 153/06; B. v. 18.01.2007 - Az.: VK 3 - 150/06; B. v. 20.07.2004 - Az.: VK 3 – 80/04; VK Schleswig-Holstein, B. v. 28.01.2008 - Az.: VK-SH 27/07; VK Südbayern, B. v. 07.12.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-49-10/07). Ein Nachreichen eines lesbaren Handelsregisterauszuges kommt also nach § 24 VOB/A bzw. VOL/A nicht in Betracht (OLG Düsseldorf, B. v. 16.01.2006 - Az.: VII - Verg 92/05), ebenso das Nachfordern eines Gewerbezentralregisterauszugs (1. VK Bund, B. v.

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04.04.2007 - Az.: VK 1 – 23/07; 3. VK Bund, B. v. 18.01.2007 – Az.: VK 3 – 153/06; anders 2. VK Brandenburg, B. v. 20.02.2007 - Az.: 2 VK 2/07). Dies gilt auch für einen vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb, in dem ein Bieter z.B. unvollständige Eignungsnachweise vorlegt (3. VK Bund, B. v. 19.10.2004 - Az.: VK 3 – 191/04). Ein Aufklärungsgespräch über bzw. ein Nachreichen einer fehlenden oder unvollständigen Verfügbarkeitserklärung ist nicht zulässig (OLG München, B. v. 06.11.2006 - Az.: Verg 17/06; VK Nordbayern, B. v. 08.03.2007 - Az.: 21.VK - 3194 - 05/07; VK Südbayern, B. v. 15.12.2006 - Az.: 34-11/06; 1. VK Bund, B. v. 22.09.2006 - Az.: VK 1 - 103/06; 2. VK Bund, B. v. 09.08.2006 - Az.: VK 2 - 80/06). Ansonsten trägt der Auftraggeber den Geboten der Transparenz und des chancengleichen Wettbewerbs des § 97 Abs. 1, 2 GWB nicht Rechnung. Die Nachverhandlung ist dem Auftraggeber ausschließlich als eine Aufklärungsmaßnahme im engeren Sinne gestattet. Sie darf nicht dazu dienen, dem Bieter eine Nachholung von Angaben und Erklärungen zu ermöglichen, die bereits mit Angebotsabgabe zu erfolgen hatten (2. VK Bund, B. v. 03.07.2007 - Az.: VK 2 - 45/07, VK 2 - 57/07).

106.6.7.7 Aufklärungsgespräch über Verbindlichkeit der Unterschrift Zur rechtsverbindlichen Unterschrift bei einer GmbH ist der Geschäftsführer zuständig. Zwar ist es nicht zwingend erforderlich, dass der Geschäftsführer selbst das Angebot unterschreibt, doch ist bei der Unterschrift durch einen Angestellten nicht ohne weiteres vom Vorliegen einer Bevollmächtigung im Innenverhältnis auszugehen, sofern nicht der Rechtsschein einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht vorliegt. Vielmehr hat der Unterzeichnende, wenn er nicht begründet davon ausgehen darf, dass die Vergabestelle seine Vertretungsbefugnis kennt, seine Berechtigung nachzuweisen. Fehlt dieser Nachweis, ist der Auftraggeber gehalten, dies bei der Prüfung des Angebots aufzuklären und den Nachweis der Bevollmächtigung im Rahmen der §§24 VOB/A bzw. 24 VOL/A nachzufordern (VK Baden-Württemberg, B. v. 06.09.2004 - Az.: 1 VK 54/04).

106.6.7.8 Aufklärungsgespräch über die ungenügende Beschreibung eines Nebenangebots Die ungenügende Beschreibung eines Nebenangebotes kann nicht mit einer Aufklärung des Angebotsinhalts nach § 24 VOB/A bzw. VOL/A nachgebessert werden. Wird der Nachweis der Gleichwertigkeit eines Nebenangebotes nicht, wie gefordert, mit der Angebotsabgabe erbracht, so kann der Nachweis nicht im Wege des § 24 VOB/A bzw. VOL/A nachgeholt werden. Derartig weit reichende nachgereichte Angaben sind im Hinblick auf das Verhandlungsverbot nicht zulässig. Soweit die erforderlichen Präzisierungen Nebenangebote dazu führen, dass der Bieter den Leistungsumfang ändern und im Rahmen der sog. "Aufklärung" eine in seinem Angebot so nicht enthaltene Leistung anbieten kann, entstehen Manipulationsmöglichkeiten (VK Lüneburg, B. v. 12.07.2005 - Az.: VgK-29/2005).

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106.6.7.9 Aufklärungsgespräch über die fehlende Erklärung zu Nachunternehmerleistungen Eine Nachholung der nach den Ausschreibungsunterlagen mit dem Angebot abzugebenden Erklärungen darüber, welche Leistungen der Bieter selbst ausführt und welche durch Nachunternehmer ausgeführt werden, in einem Aufklärungsgespräch nach § 24 VOB/A kommt nicht in Betracht. Ein transparentes und die Bieter gleich behandelndes Vergabeverfahren ist nur zu erreichen, wenn lediglich in jeder Hinsicht vergleichbare Angebote gewertet werden. Dies erfordert beispielsweise, dass hinsichtlich jeder Position der Leistungsbeschreibung alle zur Kennzeichnung der insoweit angebotenen Leistung geeigneten Parameter bekannt sind, deren Angabe den Bieter nicht unzumutbar belastet und die ausweislich der Ausschreibungsunterlagen gefordert waren, so dass sie als Umstände ausgewiesen sind, die für die Vergabeentscheidung relevant sein sollen; der Ausschlusstatbestand ist nicht erst dann gegeben, wenn das betreffende Angebot wegen fehlender Angaben im Ergebnis nicht mit anderen Angeboten verglichen werden kann. Deshalb ist die Berücksichtigung einer späteren Änderung oder Ausgestaltung der Gebote nach § 24 Nr. 1 VOB/A ausgeschlossen. Eine solche ist immer dann gegeben, wenn sich die nachträgliche Erklärung nicht lediglich auf die inhaltliche Klärung eines an sich festgelegten Gebotes beschränkt (vgl. § 24 VOB/A). An der notwendigen Festlegung fehlte es, wenn offen bleibt, welche Leistungen angebotsgemäß durch Nachunternehmer auszuführen sind (BGH, Urteil vom 18.09.2007 - Az.: X ZR 89/04; 3. VK Saarland, B. v. 23.04.2007 - Az.: 3 VK 02/2007, 3 VK 03/2007).

106.6.7.10 Aufklärungsgespräch über den Bauablauf Für Baumaßnahmen ist zu beachten, dass es grundsätzlich Sache des Unternehmers ist, welchen Bauablauf er wählt. Er als Werkunternehmer schuldet am Ende "nur" den Erfolg , in der Regel aber nicht eine konkrete Art der Ausführung. Jedoch kann dem Bieter (als leistungsfähigem, fachkundigem und zuverlässigem Auftragnehmer) die Freiheit, die technische und wirtschaftlich günstigste Möglichkeit der Bauausführung selbst zu suchen, nur in dem Rahmen belassen werden, den die Baubeschreibung und das Leistungsverzeichnis steckt. Dem Bieter ist daher die Art der Bauausführung insoweit selbst zu überlassen, als die Ausschreibungsbedingungen sie nicht festlegen, sei es durch zwingende Vorgaben, sei es aufgrund abgeforderter Baukonzepte pp.. Mit anderen Worten: Ist also der Bieter in der Wahl der Bauausführung "frei" , kann er durch Aufklärungsgespräche die von ihm geplante Bauausführung erläutern (ohne dass sich irgendein Anhaltspunkt im Angebot hierzu finden müsste), ggf. sogar ändern, solange er dadurch nicht gegen die Vergabegrundsätze verstößt, insbesondere den Wettbewerb nicht manipuliert (OLG Celle, B. v. 05.09.2007 - Az.: 13 Verg 9/07 – instruktives Beispiel für einen Verstoß gegen Vergabegrundsätze).

106.6.7.11 Verhandlungen über den Ausführungszeitraum Ein Eingehen der Bieter auf eine etwaige Bitte eines Auftraggebers, sich mit einer Verschiebung des Bauvorhabens bei Beibehaltung der Angebotspreise einverstanden zu erklären, wäre wegen der für beide Seiten erkennbar wichtigen Bedeutung der Ausführungszeit bei Großvorhaben u.a. für die Kalkulation, als wesentliche Änderung eines auch preisrelevanten Angebotsbestandteils anzusehen. Darin liegt ein gegen das

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Nachverhandlungsverbot des § 24 Nr. 3 VOB/A verstoßendes vergaberechtswidriges Verhalten (OLG Hamm, Urteil v. 26.06.2008 - Az.: 21 U 17/08).

106.6.7.12 Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung

• lässt man die Modifizierung von wettbewerbsrelevanten Parametern eines Angebots in einer Aufklärung zu, so eröffnet man dem jeweiligen Bieter einen unkontrollierbaren Spielraum zur nachträglichen Manipulation von wertungsrelevanten Positionen. Dies ist nicht mehr von § 24 Nr. 1 Absatz 1 VOB/A, der als Ausnahmevorschrift eng auszulegen ist, gedeckt. Insbesondere besteht die Gefahr, dass – unter Verstoß gegen § 24 Nr. 3 VOB/A – eine unstatthafte Preisverhandlung stattfindet, wenn ein Bieter die Möglichkeit hat, sich erst in Kenntnis des Ergebnisses der Submission zu entscheiden, auf die Lohngleitung verbindlich zu verzichten, um sich so einen Wettbewerbsvorteil bei der Wertung zu sichern. In dieser Situation übt ein Auftraggeber zutreffend den ihm zustehenden Ermessensspielraum dahingehend aus, auf eine Aufklärung zu verzichten (2. VK Bund, B. v. 30.12.2009 - Az.: VK 2 - 222/09)

• § 24 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A verbietet die Nachforderung von im Angebot nicht vorgelegter zwingend geforderter Nachweise und Erklärungen (VK Berlin, B. v. 18.03.2009 - Az.: VK B 2 30/08)

• bei der Aufklärung der Erklärung eines Bieters, sich an die Leistungsbeschreibung und die ergänzenden Vertragsbedingungen gebunden zu halten, handelt es sich um keine inhaltliche Änderung des Angebots, m.a.W. um kein unstatthaftes Nachverhandeln (OLG Düsseldorf, B. v. 25.06.2008 - Az.: VII - Verg 22/08)

• der Auftraggeber ist nicht gehalten, im Wege der Nachverhandlung nach § 24 VOB/A den Bietern die Möglichkeit einzuräumen, die von ihm gewünschten unterschriebenen Nachunternehmererklärungen nachzureichen. § 24 VOB/A enthält eine abschließende Aufzählung der zulässigen Verhandlungsgründe. Hiernach sind Verhandlungen erlaubt, soweit sie sich auf das rein Informatorische beschränken. Eine nachträgliche Festlegung des Nachunternehmereinsatzes und eine Vervollständigung der Anlagen zur Tariftreue und zur Nachunternehmererklärung übersteigen dieses Maß (3. VK Saarland, B. v. 23.04.2007 - Az.: 3 VK 02/2007, 3 VK 03/2007)

• zulässig ist die Klärung von Zweifelsfragen wie die Aufklärung bestimmter technischer und wirtschaftlicher Ausdrucksweisen, wie z.B. angebotene Materialien oder Verfahrenstechniken (OLG München, B. v. 17.09.2007 - Az.: Verg 10/07)

• Verhandlungen über fehlende Nachweise (Organigramm, Qualifikationsnachweise von Mitarbeitern, Referenzliste) sind nicht zulässig (2. VK Brandenburg, B. v. 06.02.2007 - Az.: 2 VK 5/07)

• beabsichtigt der Auftraggeber entweder, einen Bieter zu beauftragen und hierbei in nicht unerheblichem Umfang vom Ursprungsangebot abzuweichen oder will er zunächst den Zuschlag auf das Ursprungsangebot erteilen mit der Absicht, den Leistungsumfang anschließend entsprechend der mit der Beigeladenen getroffenen Absprache zu den ausgehandelten Konditionen wieder einzuschränken, verstößt diese Vorgehensweise gegen Vergaberecht (VK Baden-Württemberg, B. v. 15.08.2005 - Az.: 1 VK 47/05)

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• eine nachträgliche Spezifizierung zu den Angaben zum Nachunternehmereinsatz bzw. zum Verfügbarkeitsnachweis im Sinne der Rechtsprechung des EuGH zum Generalübernehmerangebot ist unzulässig (VK Nordbayern, B. v. 09.10.2006 - Az.: 21.VK - 3194 - 30/06; VK Hessen, B. v. 05.10.2004 - Az.: 69 d - VK – 56/2004; B. v. 25.08.2004 - Az.: 69 d - VK – 52/2004)

• die Nachunternehmererklärung kann nicht im Rahmen des Aufklärungsgespräches nach § 24 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 3 VOB/A „nachgeschoben“ werden. § 24 VOB/A dient lediglich der Nachverhandlung mit dem Ziel der Aufklärung, wenn damit der ansonsten schon feststehende Sachverhalt nicht verändert wird. Die nachträgliche Benennung von Nachunternehmern mit einem Leistungsumfang von über 30% kommt in jedem Fall einer unstatthaften Änderung des Angebotes gleich, die dem Nachverhandlungsverbot des § 24 Nr. 3 VOB/A unterfällt (OLG Koblenz, B. v. 13.02.2006 - Az.: 1 Verg 1/06; VK Schleswig-Holstein, B. v. 05.08.2004 - Az.: VK-SH 19/04; im Ergebnis ebenso VK Nordbayern, B. v. 08.03.2005 - Az.: 320.VK - 3194 - 05/05; VK Münster, B. v. 15.10.2004 - Az.: VK 28/04)

• ein nicht bestimmbarer Eigenleistungsanteil eines Bieters kann nicht nachträglich im Sinne von § 24 VOB/A geklärt werden (VK Südbayern, B. v. 17.05.2004 - Az.: 17-03/04; VK Nordbayern, B. v. 12.2.2004 - Az.: 320.VK-3194-01/04)

• eine Vergabestelle hält sich im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens, wenn sie einem Bieter eine Ergänzung seines Angebotes, das nur in zwei Positionen unvollständig ist, gestattet, während sie mit einem anderen Bieter, dessen Angebot in mehr als 40 Positionen Unvollständigkeiten aufweist und der Vergabestelle auch nicht als das wirtschaftlich günstigste Angebot erscheint, keine Aufklärungsgespräche führt (OLG Frankfurt, B. v. 16.9.2003 - Az.: 11 Verg 11/03)

• bringt ein Bieter im Bietergespräch zum Ausdruck, dass niedrige Preise daraus resultieren, dass er im Auftragsfall beabsichtigt, Teile des ausgehobenen Bodens, sofern geeignet, einzubauen, setzt er sich mit dieser Darlegung der Wiederverwendung nicht in Widerspruch zu seinem ursprünglichen Angebot, sondern erläutert dieses nur (1. VK Sachsen, B. v. 12.4.2002 - Az.: 1/SVK/024-02, 1/SVK/024- 02g)

• eine vorweggenommene summenmäßige Nachtragsbegrenzung ist keine unzulässige Nachverhandlung im Sinne des § 24 Nr. 3 VOB/A, da sie inhaltlich keine Frage der Zuschlagserteilung, sondern der Abwicklung ist (1. VK Sachsen, B. v. 12.4.2002 - Az.: 1/SVK/024-02, 1/SVK/024-02g).

106.6.8 Dokumentation und Geheimhaltung der Ergebnisse (§ 24 Nr. 1 Abs. 2) Der Auftraggeberin hat die Ergebnisse der Aufklärungsgespräche gemäß § 24 Nr. 1 Abs. 2 Satz 2 schriftlich nieder zu legen. Es ist insoweit nicht zu beanstanden, dass der Bieter keine Abschrift dieses Gesprächsprotokolls erhält. Gemäß § 24 Nr. 1 Abs. 2 Satz 1 VOB/A sind die Ergebnisse solcher Verhandlungen geheim zu halten (VK Lüneburg, B. v. 11.6.2001 - Az.: 203-VgK08/2001).

106.6.9 Richtlinie des VHB 2008

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Aufklärungen zum Angebotsinhalt haben grundsätzlich schriftlich zu erfolgen. Die Notwendigkeit einer Aufklärung des Angebotsinhalts kann sich im Rahmen der Prüfung von Angeboten, als Ergebnis der Angebotsprüfung und im Rahmen der Wertung von Angeboten ergeben. Aufklärung ist nur zulässig, um Zweifel an der Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit des Bieters, an Einzelheiten des Angebots oder der Angemessenheit der Preise auszuräumen. Der Aufklärung dienen auch Erörterungen mit den Bietern über die Angaben in den Formblättern 221 oder 222 und Aufgliederung der Einheitspreise 223. Bei Zweifeln an deren Schlüssigkeit oder Richtigkeit soll die Vergabestelle Klärung herbeiführen und nötigenfalls die Berichtigung in den Formblättern verlangen. Diese Berichtigung muss sich im Rahmen der Kalkulation des Bieters halten (Richtlinien zu 321 – Vergabevermerk: Prüfungs- und Wertungsübersicht – Ziffer 5).

106.7 Verweigerung von Aufklärungen und Angaben durch den Bieter (§ 24 Nr. 2)

106.7.1 Grundsatz Verweigert ein Bieter die geforderten Aufklärungen und Angaben, so kann sein Angebot unberücksichtigt bleiben.

106.7.2 Ermessensvorschrift § 24 Nr. 2 VOB/A ist eine Ermessensvorschrift. Im Rahmen der Ermessensentscheidung muss der Auftraggeber insbesondere prüfen, inwieweit er Lücken nicht anderweitig – etwa durch Heranziehung sonstiger ihm zur Verfügung stehender Informationen – schließen kann, bevor er die Verweigerung einer Auskunft zum Anlass für einen Angebotsausschluss nimmt (OLG München, B. v. 21.08.2008 - Az.: Verg 13/08).

106.7.3 Unterbliebene Reaktion auf geforderte Aufklärungen und Angaben Leistet ein Bieter vom Auftraggeber geforderte Aufklärungen nicht, ist dieses Verhalten einer Verweigerung im Sinne des § 24 Nr. 2 VOB/A bzw. § 24 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A gleichzusetzen. Es stellt keinen Unterschied dar, ob ein Bieter sich einem berechtigten Aufklärungsersuchen des Auftraggebers durch Nichtreagieren vollständig verschließt oder dem Aufklärungsersuchen durch unzureichende Angaben nicht nachkommt. Die gegenteilige Ansicht würde dazu führen, dass ein Bieter, obwohl der Inhalt eines Aufklärungsersuchens für ihn erkennbar ist, durch unzureichende Angaben auf ein Aufklärungsersuchen des Auftraggebers die Rechtsfolge des § 24 Nr. 2 VOB/A bzw. § 24 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A umgehen könnte und dadurch eine Vergabeentscheidung ungerechtfertigter Weise hinauszögert (1. VK Bund, B. v. 14.11.2003 - Az.: VK 1 - 109/03; 2. VK Bund, B. v. 09.12.2009 - Az.: VK 2 – 192/09; im Ergebnis ebenso VK Münster, B. v. 28.06.2007 - Az.: VK 10/07; 1. VK Sachsen, B. v. 24.04.2008 - Az.: 1/SVK/015-08).

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Die Überschreitung einer Antwortfrist stellt dann keine Verweigerung der geforderten Aufklärung im Sinne des § 24 Nr. 2 VOB/A dar, wenn der Bieter nicht nur durch die Übermittlung von aus seiner Sicht zur Beantwortung der gestellten Frage geeigneten Informationen deutlich macht, dass er durchaus willens ist, die geforderte Auskunft zu geben und wenn er auch erklärt, weshalb eine frühere Reaktion seinerseits nicht möglich war, z.B. aufgrund von Betriebsferien in der Woche vor Ostern bei einem kleineren Handwerksbetrieb (2. VK Bund, B. v. 30.05.2007 - Az.: VK 2 - 39/07).

106.7.4 Setzung einer Ausschlussfrist

106.7.4.1 Zulässigkeit Sinn und Zweck der Regelung des § 24 gebieten es, dem Auftraggeber ein Recht zur Setzung von Ausschlussfristen zur Einreichung von erläuternden Erklärungen einzuräumen. Letztendlich resultiert Aufklärungsbedarf im Sinne von § 24 Nr. 1 VOB/A bzw. VOL/A nämlich aus Lücken in einem Angebot. Auch wenn der Bieter diese Lücken ohne Verletzung des Nachverhandlungsverbots durch ergänzende Unterrichtung des Auftraggebers schließen kann und wenn der Auftraggeber sie hinnehmen muss, ohne das Angebot sofort ausschließen zu können, so enthält § 24 Nr. 1 VOB/A bzw. VOL/A eine Ausnahme vom Grundsatz, dass im offenen Verfahren nach der VOB/A bzw. VOL/A die Angebote vollständig und wertungsfähig zum Eröffnungstermin vorliegen müssen (vgl. § 23 Nr. 2 VOB/A, § 23 Nr. 2 VOL/A). Aus dem Grundsatz des vollständigen und sofort wertungsfähigen Angebots folgt, dass die öffentlichen Auftraggeber prinzipiell davon ausgehen können, die Bewertung der eröffneten Angebote werde nicht durch nachinformationsbedingte Verzögerungen hinausgeschoben werden, so dass der Auftraggeber den für die Beschaffung insgesamt vorgesehenen Zeitrahmen mit dieser Vorgabe bestimmen kann. Ergibt sich sodann programmwidrig zusätzlicher Aufklärungsbedarf, so ist es sachgerecht und vergaberechtlich unbedenklich, eine so bewirkte Verschiebung des Beschaffungsrahmens durch Fristsetzung entweder ganz zu vermeiden oder auf ein mit dem Beschaffungsbedarf vereinbares Maß zu beschränken. Hierbei ist auch zu bedenken, dass ein zusätzlicher, gemäß § 24 Nr. 1 VOB/A bzw. VOL/A zu bewältigender Aufklärungsbedarf die für die Ausschreibung geltenden Zuschlags- und Bindefristen und damit das Gleichbehandlungsprinzip berührt, auf dessen Wahrung alle Bieter Anspruch haben. Im Interesse eines zügigen und strukturierten weiteren Verfahrensablaufs muss es daher für den Auftraggeber möglich sein, den Bietern, soweit Aufklärungsbedarf besteht, hierfür entsprechende Fristen zu setzen. Eine solche Frist kann der Auftraggeber auch im Sinne einer Ausschlussfrist setzen mit der Folge, dass grundsätzlich eine verspätete Information als verweigerte Information behandelt wird, so dass das im Sinne von § 24 Nr. 1 VOB/A bzw. VOL/A lückenhafte Angebot dem Wertungsausschluss unterfällt. Eine andere Auslegung des § 24 Nr. 1, 2 VOB/A bzw. VOL/A würde dazu führen, dass die Bieter jederzeit bis zur Zuschlagserteilung weitere Unterlagen übersenden könnten, die der Auftraggeber prüfen müsste und die ggf. zu einer anderen Wertung führen würden. Damit bestünde die Gefahr, das Vergabeverfahren unabsehbar zu verzögern und nicht mehr handhabbar zu gestalten. Das Verfahren wäre außerdem mit dem Gleichbehandlungsprinzip als einem der elementaren Vergaberechtssätze nicht mehr vereinbar (Thüringer OLG, B. v. 14.11.2002 - Az.: 6 Verg 7/02; 1. VK Bund, B. v. 19.11.2007 - Az.: VK 1 - 128/07; VK Thüringen, B. v. 6.9.2002 - Az.: 216-4002.20-021/02-GRZ).

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106.7.4.2 Anforderungen Die Folge, dass die nach Ablauf einer vom Auftraggeber gesetzten Angebotsergänzungsfrist der Vergabestelle übergebenen Unterlagen nicht zur Kenntnis genommen werden, weil die Auskunft inzwischen als verweigert gilt, erfordert, dass die Vergabestelle, wenn sie in einem Fall des § 24 Nr. 1 VOB/A bzw. VOL/A zum Mittel der Ausschlussfrist greift, den Charakter dieser Frist als Ausschlussfrist für den Bieter eindeutig erkennbar macht, denn die Annahme einer Auskunftsverweigerung ist nur dann haltbar, wenn der betroffene Bieter zweifelsfrei weiß, wovon der Auftraggeber ausgeht und wie er sich verhalten wird, sollte der Bieter seine "Chance" zu angebotsergänzenden Angaben nicht fristgemäß wahrnehmen. Dazu braucht sich die Vergabestelle zwar nicht des Ausdrucks "Ausschlussfrist" zu bedienen, sie muss aber unmissverständlich darauf hinweisen oder sonst zu erkennen geben, dass es sich dabei um die letzte und abschließende Möglichkeit zur Vorlage der Unterlagen handelt. Zu solcher Klarheit besteht vor allem dann Anlass, wenn der Bieter vor Fristablauf dem Auftraggeber bzw. der Vergabestelle zu erkennen gegeben hat, dass er gewillt ist, dem Aufklärungsbedarf der Vergabestelle Rechnung zu tragen, sich hierzu in der ursprünglich gesetzten Frist aber außer Stande sieht. Will die Vergabestelle in einer solchen Situation gegenüber einem aufklärungsbereiten Bieter allein aus der Versäumnis einer gesetzten Frist die Rechtsfolgen des § 24 Nr. 2 VOB/A bzw. VOL/A ableiten, muss sie hierauf in einer beim Bieter jeden Zweifel ausschließenden Weise hinweisen (Thüringer OLG, B. v. 14.11.2002 - Az.: 6 Verg 7/02). In zeitlicher Hinsicht ist in der Regel eine Antwortfrist von weniger als einer Woche als unzumutbar anzusehen (VK Nordbayern, B. v. 04.12.2006 - Az.: 21.VK - 3194 - 39/06).

106.7.5 Begründungspflicht Bei einer Entscheidung nach § 24 Abs. 2 VOB/A bzw. VOL/A trifft die Vergabestelle eine gesteigerte Begründungspflicht, da es sich hier um eine Ermessensvorschrift handelt. Anhand der Vergabeakte muss sich nachvollziehen lassen, ob die Vergabestelle ihr Ermessen überhaupt ausgeübt hat und welche Erwägungen der Entscheidung zugrunde gelegen haben (Bundeskartellamt, VK A des Bundes, B. v. 22.10.2002 - Az.: VKA - 02/01).

106.7.6 Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung

• eine unvollständige Aufklärung kann nicht darin gesehen werden, dass der Bieter die Vorlage der Kalkulation der Nachunternehmer unterlassen hat. Die Vorlage dieser Kalkulation kann vom Bieter nicht verlangt werden. Zwar ist er im Rahmen der gebotenen Aufklärung bei Verdacht des Vorliegens einer Mischkalkulation auch gehalten, zu den Nachunternehmerangeboten vorzutragen. Kalkulationsgrundlage eines Bieters in einem solchen Falle ist nämlich der vom Nachunternehmer angebotene Preis. Bei Wertung der Angebote liegt jedoch im Regelfall eine vertragliche Bindung des Nachunternehmers noch gar nicht vor, da der Bieter nicht weiß, ob er den Auftrag erlangen wird. Der Bieter ist daher allenfalls im Besitz eines Angebotes des Nachunternehmers. Der Auftraggeber kann daher bei Nachunternehmerpreisen nur Auskunft über die Zusammensetzung desselben unter Berücksichtigung eines etwaigen Generalunternehmer-Zuschlages verlangen, sich aber

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nicht die Kalkulation vorlegen lassen (Brandenburgisches OLG, B. v. 13.09.2005 - Az.: Verg W 9/05)

106.7.7 Richtlinie des VHB 2008 Wird durch die Nichtabgabe der Formblätter oder die Weigerung des Bieters, die in den Formblättern geforderten Einzelangaben zu machen, eine ordnungsgemäße und zutreffende Wertung behindert oder vereitelt, ist das Angebot nach § 24 Nr. 2 VOB/A unberücksichtigt zu lassen. Dies gilt ebenso für alle sonstigen im Rahmen der Aufklärung geforderten Angaben oder Erklärungen (Richtlinien zu 321 – Vergabevermerk: Prüfungs- und Wertungsübersicht – Ziffer 5).

106.7.8 Abgrenzung der Ausschlusstatbestände der §§ 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 5, 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A und § 24 VOB/A § 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 VOB/A erfasst den Zeitpunkt der Angebotsabgabe und regelt die zu diesem Zeitpunkt erforderlichen Voraussetzungen - die Erklärungen betreffend - des Angebots. Fehlen zu diesem Zeitpunkt geforderte Erklärungen, führt dies gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A zum zwingenden Ausschluss des Angebots. Werden dagegen geforderte Erklärungen im weiteren Verfahrensablauf - insbesondere im Rahmen durchgeführter Aufklärung - verlangt und Erklärungsdefizite festgestellt, ist ein Rückgriff auf § 21 VOB/A weder erforderlich noch gestattet. Für diese Angebotsaufklärungs- und Reaktionsrechtsfolgen enthält die VOB/A eine Spezialregelung, welche in § 24 VOB/A ihren Niederschlag gefunden hat. Wollte man auf § 21 VOB/A zurückgreifen, liefe § 24 VOB/A entweder leer oder würde zu einem nicht lösbaren Wertungswiderspruch führen, der einerseits im Falle einer" fehlenden oder unzureichenden" Erklärung (im Sinne des § 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 VOB/A) einen zwingenden Ausschluss des Angebots nach sich zöge, andererseits aber bei Anwendung des § 24 VOB/A einen Ausschluss in das Ermessen des Auftraggebers stellen würde. Dass der VOB/A auch nur ansatzweise solche Wertungsgegensätze immanent sein könnten, liegt weit außerhalb jeglicher vergaberechtlicher Betrachtungs- - und Entscheidungsmöglichkeiten, zumal nicht erkennbar wäre, wie ein solcher Widerspruch unter Beachtung der Vergabegrundsätze gelöst werden könnte (1. VK Hessen, B. v. 15.06.2007 - Az.: 69 d VK - 17/2007).

106.7.9 Geltung des § 24 Nr. 2 VOB/A im Verhandlungsverfahren Zur Geltung von § 24 Nr. 2 VOB/A im Verhandlungsverfahren vgl. die Kommentierung zu § 101 GWB RZ 1423/1.

106.8 Unstatthafte Nachverhandlungen (§ 24 Nr. 3) Verhandlungen, die nicht von § 24 Nr. 1 gedeckt sind, besonders Verhandlungen über Änderung der Angebote oder Preise, sind unstatthaft.

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Dieses Verbot soll das EU-rechtliche Gleichbehandlungsgebot - in § 97 Abs. 2 GWB verankert - sicherstellen und den Wettbewerb nach § 97 Abs. 1 GWB unter gleichen Bedingungen für alle Bieter aufrechterhalten (1. VK Sachsen, B. v. 21.07.2004 - Az.: 1/SVK/050-04).

106.8.1 Initiator von unstatthaften Nachverhandlungen Auch wenn ein Bieter von sich aus anbietet, das Angebot zu ändern oder Preisnachlässe zu gewähren, darf der Auftraggeber darauf nicht eingehen. Denn § 24 Nr. 3 VOB/A bzw. § 24 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A verbietet nicht nur eine Verhandlungsinitiative des Auftraggebers, sondern Angebotsänderungen insgesamt, wenn nicht ein Ausnahmetatbestand eingreift. Dadurch soll der ordnungsgemäße Wettbewerb gesichert werden. Dieser wäre gefährdet, wenn man Änderungen von Angeboten zwar nicht auf Wunsch des Auftraggebers, aber nach Vorschlägen einzelner Bieter zuließe (VK Südbayern, B. v. 25.7.2002 - Az.: 26-06/02).

106.8.2 Beachtung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Vollständigkeit von Angeboten Der Bundesgerichtshof - und sich ihm anschließend - die Vergabesenate und Vergabekammern haben die Anforderungen an die Vollständigkeit von Angeboten sehr viel strenger gefasst (vgl. im Einzelnen die Kommentierung zu § 25 VOB/A RZ 5321). Aus dieser Rechtsprechung wird auch der mögliche Umfang von zulässigen Nachverhandlungen stark verkleinert.

106.8.3 Verbot der unzulässigen Nachverhandlungen für Sektorenauftraggeber Die Freiheit der privaten Sektorenauftraggeber, das Vergabeverfahren wählen zu können, bedeutet nicht, dass Elemente verschiedener Verfahrensarten miteinander kombiniert werden können. Unterwirft sich ein privater Sektorenauftraggeber beispielsweise freiwillig einem offenen oder nichtoffenen Verfahren, so muss er dies auch konsequent zu Ende führen. Insoweit unterliegt er im wesentlichen gleichen Anforderungen wie ein öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 bis 3 GWB (VK Südbayern, B. v. 17.7.2001 - Az.: 23-06/01).

106.8.4 Beispiele aus der Rechtsprechung für unzulässige Nachverhandlungen

• blieben fehlende Preisangaben Nachverhandlungen vorbehalten, könnte der Bieter sein Angebot nach Abgabe noch erheblich, möglicherweise entscheidend verändern. Dies ist mit dem Wettbewerbs- und Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 97 Abs. 1 u. 2 GWB nicht vereinbar. Auch die Klärung von widersprüchlichen Preisangaben kann nicht Gegenstand einer zulässigen Nachverhandlung sein. Lässt man die Modifizierung von wesentlichen Preisangaben eines Angebots in einer

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Nachverhandlung zu, so eröffnet man dem jeweiligen Bieter - gegebenenfalls in Zusammenspiel mit dem Auftraggeber - einen unkontrollierbaren Spielraum zur nachträglichen Manipulation von wertungsrelevanten Positionen (1. VK Sachsen, B. v. 16.12.2009 - Az.: 1/SVK/057-09)

• ist eine Aufgliederung des Stundenverrechnungssatzes (z.B. bei der Ausschreibung von Reinigungsdienstleistungen) als Vordruck den Verdingungsunterlagen beigefügt und mit diesen ausgefüllt zurückzureichen, so ist die Unterlage wesentliches Element der Preisdarstellung und ermöglicht allein die für den Auftraggeber wichtige Überprüfung der Auskömmlichkeit der kalkulierten Preise. Angebote, die diese Unterlage nicht enthalten, fehlt daher eine für die Wertung wesentliche Preisangabe. Sie sind daher nach § 25 Nr. 1 Absatz 1 a) VOL/A zwingend auszuschließen, eine Nachreichung kommt nicht in Betracht (VK Düsseldorf, B. v. 11.01.2006 - Az.: VK - 50/2005 – L)

• vergaberechtlich gibt es gemäß § 24 Nr. 3 VOB/A das Verbot von Nachverhandlungen, weil anderenfalls die Transparenz des Vergabeverfahrens verloren ginge. Insbesondere widerspräche es der Grundidee des Vergabeverfahrens, wenn die werkvertragliche Vergütung nach der Erteilung des Zuschlags noch erhöht werden könnte, wie zum Beispiel durch den Wegfall eines angebotenen Nachlasses (OLG Naumburg, Urteil vom 23.12.2004 - Az.: 4 U 162/04)

• handelt es sich bei ungezwungener Betrachtung der Vorgänge nicht um eine "Klarstellung" des Preises, sondern um eine einverständliche Preisänderung, wodurch die Vergleichbarkeit der Angebote gestört worden ist, handelt es sich um eine unzulässige Nachverhandlung (BGH, Urteil vom 6.2.2002 - Az.: X ZR 185/99; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 5.8.2002 - Az.: 1 S 379/01)

• fehlende Angaben zum beabsichtigten Nachunternehmereinsatz dürfen nicht durch Nachverhandlungen nachgeholt werden (OLG Düsseldorf, B. v. 30.7.2003 - Az.: Verg 32/03; BayObLG, B. v. 17.6.2002 - Az.: Verg 14/02; VK Rheinland-Pfalz, B. v. 10.10.2003 - Az.: VK 18/03; 2. VK Bund, B. v. 6.10.2003 - Az.: VK 2 - 80/03; VK Nordbayern, B. v. 09.08.2005 - Az.: 320.VK - 3194 - 27/05; B. v. 17.7.2003 - Az.: 320.VK-3194-24/03, B. v. 11.11.2002 - Az.: 320.VK-3194-34/02, B. v. 7.6.2002 - Az.: 320.VK-3194-17/02, B. v. 21.5.2002 - Az.: 320.VK-3194-13/02; VK Südbayern, B. v. 12.3.2003 - Az.: 04-02/03, B. v. 9.10.2002 - Az.: 40-09/02)

• eine nachträgliche Spezifizierung der in der Liste der Nachunternehmerleistungen enthaltenen Leistungen (ohne die durch konzernrechtlich verbundene Unternehmen zu erbringenden Leistung) im Sinne einer Zuweisung der Leistungen zu Leistungen im "eigenen Betrieb" im Sinne der Ziffer 10.2 EVM (B) BVB (= Leistung konzernrechtlich verbundener Unternehmen) einerseits und "echten" Nachunternehmerleistungen andererseits greift unmittelbar in die vorgenommene Bestimmung des Nachunternehmereinsatzes (im Sinne einer Reduzierung) ein und übersteigt das durch § 24 VOB/A vorgegebene Maß der informatorischen Aufklärung bereits insoweit, als die Antragstellerin als Bieterin entscheiden könnte, ob sie ihr Angebot zuschlagsgeeignet werden lassen will oder nicht. Dies würde aber gerade dem Wettbewerbs- und Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 97 Abs. 1 und 2 GWB) widersprechen (VK Hessen, B. v. 21.3.2003 - Az.: 69 d - VK 11/2003)

• die nachträglich erklärte Bereitschaft des Bieters, die Leistung nach Maßgabe der Leistungsbeschreibung zu erbringen, muss aus Rechtsgründen außer Betracht bleiben. In einem solchen Fall handelt es sich bei einem "Aufklärungsgespräch" in Wahrheit um eine unstatthafte Nachverhandlung (2.VK Bund, B. v. 5.3.2003 - Az.: VK 2 - 04/03)

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• hat ein Bieter Preise anstelle von Minderkosten als Additionsposten eingetragen und entsprechend addiert, liegt kein Multiplikationsfehler von Mengenansatz und Einheitspreis vor. Es ist daher nicht zulässig, in Absprache mit dem Bieter diese positive Posten in Minderkosten umzuwandeln und damit unzulässig über den Preis nach zu verhandeln (1. VK Sachsen, B. v. 3.7.2003 - Az.: 1/SVK/067-03)

• Nachverhandlungen mit dem Ziel, einem infolge unvollständiger Preisangaben nicht annahmefähigen Angebot durch Ergänzungen zur Annahmefähigkeit zu verhelfen, sind als Verhandlungen über Änderung der Angebote nach § 24 Nr. 3 VOB/A unstatthaft (VK des Landes Brandenburg, B. v. 18.6.2003 - Az.: VK 31/03)

• Verhandlungen über eine Änderung der Angebote und der Preise sind unstatthaft, dies gilt vor allem auch für erst nach Angebotseröffnung zur Sprache kommende Preisnachlässe (VK Brandenburg, B. v. 21.10.2002 - Az.: VK 55/02)

• ein unzulässiges Nachverhandeln liegt deshalb auch bereits dann vor, wenn ein Vertreter des Bieters vor der Vergabe bei einer telefonischen Rückfrage Gelegenheit erhält, einen zweifelhaften Preisnachlass zu bestätigen (VK Lüneburg, B. v. 10.9.2002 - Az.: 203-VgK-15/ 2002)

• fordert ein Bieter aufgrund zeitlich bedingter, geänderter, technischer und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen für die Zustimmung zur Zuschlags- und Bindefristverlängerung als Bedingung einen schon jetzt anzuerkennenden Pauschalnachtrag, führt dies nach Ablauf der bisherigen Zuschlags- und Bindefrist zum Entfallen der Bindung des Submissionsangebotes und zum Ausschluss des abgeänderten Angebotes nach §§ 24, 25 Nr. 1 lit. a) VOB/A (1. VK Sachsen, B. v. 1.10.2002 - Az.: 1/SVK/084-02)

• ein Bieter verhandelt durch das Angebot eines 2%igen Abschlags im Fall der Verlängerung der Zuschlags- und Bindefrist unstatthaft im Sinne von § 24 Nr. 3 VOB/A nach. Denn durch sein Vorgehen wird nach Angebotseröffnung der Preis eines Bieters zu Lasten der anderen Bieter unzulässig gedrückt (BayObLG, B. v. 21.8.2002 - Az.: Verg 21/02, B. v. 15.7.2002 - Az.: Verg 15/02)

• der Auftraggeber ist nicht befugt, den Bieter zu Handlungen zu bewegen, die eine Änderung des Inhaltes seines Angebotes, insbesondere seiner Preisgestaltung, bedeuten. Namentlich geht es nicht an, im Wege von Verhandlungen gemeinschaftlich Kalkulationsirrtümer oder sonstige Fehlkalkulationen des Bieters zu beseitigen. Denn dies wäre in besonderer Weise geeignet, den Bieterwettbewerb zu beeinträchtigen (OLG Düsseldorf, B. v. 30.4.2002 - Az.: Verg 3/02; 1. VK Sachsen, B. v. 21.07.2004 - Az.: 1/SVK/050-04)

• die ungenügende Beschreibung eines Nebenangebotes kann nicht mit einer Aufklärung des Angebotsinhalts nach § 24 VOB/A nachgebessert werden (VK Nordbayern, B. v. 25.3.2002 - Az.: 320.VK-3194-06/02)

• es liegt eine unzulässige Nachverhandlung vor, wenn im Rahmen eines Aufklärungsgespräches Änderungen in den Verdingungsunterlagen vorgenommen und das ursprüngliche Angebot entsprechend geändert wird , z. B. nachträglich vereinbart wird, die Baustelleneinrichtung, die als Position nach Leistungserbringung abzurechnen ist, jetzt nach Bautenstand abzurechnen (1. VK Sachsen, B. v. 12.4.2002 - Az.: 1/SVK/024-02, 1/SVK/024-02g)

• ein öffentlicher Auftraggeber verstößt gegen § 24 VOB/A, wenn er sich für ein Nebenangebot vom Bieter bestätigen lässt, dass eine Preisanpassung nach § 2 Nr. 7 Abs. 1 VOB/B ausgeschlossen wird. Ein Verstoß liegt vor, weil es in § 2 Nr. 7 Abs. 1 VOB/B letztlich um eine Preisänderung geht, die ein nach § 24 Nr. 3 VOB/A verbotenes Gesprächsthema ist (2. VK Mecklenburg-Vorpommern, B. v. 27.11.2001 - Az.: 2 VK 15/01)

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• hat ein Nebenangebot nach den Erläuterungen des Bieters im Aufklärungsgespräch einen Inhalt, der von dem abweicht, was sich aus einer Auslegung des schriftlich abgegebenen Nebenangebots nach dem objektiven Verständnis aus der Sicht des Erklärungsempfängers ergibt, so liegt eine grundsätzlich unzulässige nachträgliche Änderung des Nebenangebots vor, die dazu zwingt, es von der Wertung auszuschließen (VK Baden-Württemberg, B. v. 15.5.2003 - Az.: 1 VK 20/03)

• der Vergabestelle ist es verwehrt, nach der Angebotsfrist eine Veränderung der Mengenansätze des Leistungsverzeichnisses vorzunehmen. Dies käme einer unstatthaften Änderung der Angebote im Sinne des § 24 Nr. 3 VOB/A gleich (VK Nordbayern, B. v. 11.10.2006 - Az.: 21.VK-3194-31/06; B. v. 27.6.2001 - Az.: 320.VK-3194-16/01)

• erhält der öffentliche Auftraggeber im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung einen kostengünstigen Sondervorschlag, teilt er diesen Sondervorschlag den übrigen Bietern zur Nachkalkulation ihrer eigenen Angebote mit und verhandelt er außerdem mit dem Bieter über den Sondervorschlag solange, bis aus seiner Sicht ein wirtschaftliches Preis-Leistungs-Verhältnis erreicht wird , verstößt dieses Vorgehen einmal gegen das Geheimhaltungsgebot des Inhalts der Angebote. Es stellt darüber hinaus eine unzulässige Nachverhandlung im Sinne von § 24 Nr. 3 VOB/A dar (VK Baden-Württemberg, B. v. 11.10.2000 - Az.: 1 VK 24/00)

106.9 Rechtsfolge einer unstatthaften Nachverhandlung Durch die Verbotsnorm des § 24 Nr. 3 VOB/A bzw. § 24 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A soll der Wettbewerb für alle Bieter unter gleichen Bedingungen aufrechterhalten werden. Dieses Ziel wird bereits dadurch erreicht, dass ein gegen das Nachverhandlungsverbot verstoßendes Verhalten von Bieter und Auftraggeber eine Rechtsverletzung zu Lasten anderer Bieter darstellen kann, die von diesen Bietern entweder in einem Vergabenachprüfungsverfahren geltend gemacht werden kann oder im Falle eines bereits erfolgten Zuschlags Schadensersatzansprüche aus culpa in contrahendo auslösen kann. Ein darüber hinaus gehender Sanktionscharakter erscheint weder geboten noch interessengerecht. Vergaberechtliche Bestimmungen stehen also der Berücksichtigung des ursprünglichen Angebots bei der erneuten Entscheidung über den Zuschlag nicht entgegen (1. VK Bund, B. v. 22.7.2002 - Az.: VK 1 - 59/02). Ein Ausschluss des Bieters, der nachverhandelt hat, ist nicht notwendig, sondern nur der Ausschluss des nachverhandelten Angebots (BGH, Urteil vom 6.2.2002 - Az.: X ZR 185/99; OLG München, B. v. 15.11.2007 - Az.: Verg 10/07; B. v. 17.09.2007 - Az.: Verg 10/07; B. v. 09.08.2005 - Az.: Verg 011/05; BayObLG, B. v. 15.7.2002 - Az.: Verg 15/02; Saarländisches OLG, Urteil v. 24.06.2008 - Az.: 4 U 478/07; VK Baden-Württemberg, B. v. 16.03.2006 - Az.: 1 VK 8/06; 1. VK Sachsen, B. v. 16.12.2003 - Az.: 1/SVK/146-03; B. v. 7.5.2002 - Az.: 1/SVK/035-02, B. v. 12.4.2002 - Az.: 1/SVK/024-02, 1/SVK/024-02g; 2. VK Mecklenburg-Vorpommern, B. v. 27.11.2001 - Az.: 2 VK 15/01). Durch das Verbot von Nachverhandlungen soll die Gleichbehandlung der Bieter gesichert werden. Hat ein Auftraggeber im Anschluss an unzulässige Nachverhandlungen sämtliche Bieter aufgefordert, ein ergänzendes und finales Angebot abzugeben, hat jeder Bieter nunmehr die Möglichkeit, ein Angebot zu der abgeänderten Leistungsbeschreibung abzugeben. Die Bieter werden damit gleichbehandelt. Dass einer der Bieter in dieser Phase kein Angebot mehr einreicht (möglicherweise vor dem Hintergrund, dass er die vorgenommenen Änderungen der Leistungsbeschreibung für unzulässig hält), war seine freie Entscheidung, die aber nichts daran änderte, dass ihm die gleiche Chance auf

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Zuschlagserteilung zustand wie auch den übrigen Bietern (OLG Düsseldorf, B. v. 13.01.2010 - Az.: I-27 U 1/09).

106.10 Statthafte Nachverhandlungen nach § 24 Nr. 3 Verhandlungen, besonders über Änderung der Angebote oder Preise, sind statthaft, wenn sie bei Nebenangeboten oder Angeboten auf Grund eines Leistungsprogramms nötig sind, um unumgängliche technische Änderungen geringen Umfangs und daraus sich ergebende Änderungen der Preise zu vereinbaren.

106.10.1 Nachverhandlungen über Nebenangebote

106.10.1.1 Grundsatz Bei Nebenangeboten, die sich nach einigen zwingenden Mindestvoraussetzungen richten, die in den Verdingungsunterlagen erkennbar sind, ist es in der Regel erforderlich, die Angebote den örtlichen Gegebenheiten oder den spezifischen Anforderungen des Auftraggebers anzupassen. Sinn und Zweck der Regelung ist es eine Leistung zu beauftragen, die den Wünschen des Auftraggebers entspricht, ohne jedoch die Ausschreibung aufheben zu müssen (KG Berlin, B. v. 13.10.1999 - Az.: KartVerg 31/99) und ohne den Grundsatz des freien Wettbewerbs unter gleichberechtigten und gleichbehandelten Bietern zu verletzen (VK Arnsberg, B. v. 4.11.2002 - Az.: VK 1-23/02).

106.10.1.2 Beispiele aus der Rechtsprechung

• trotz des größeren Spielraums, den § 24 Nr. 3 Abs. 2 VOB/A für Nachverhandlungen bei Nebenangeboten grundsätzlich eröffnet, wäre die zulässige Grenze überschritten, wenn die Vergabestelle bei einem im Abgabezeitpunkt nicht gleichwertigen Nebenangebot im Nachverhandlungswege für die Gleichwertigkeit sorgt (OLG Frankfurt, B. v. 26.3.2002 - Az.: 11 Verg 3/01; VK Baden-Württemberg, B. v. 07.04.2004 - Az.: 1 VK 13/04; 1. VK Bund, B. v. 26.3.2002 - Az.: VK 1 - 07/02; VK Nordbayern, B. v. 18.10.2001 - Az.: 320.VK-3194-34/01)

• dies gilt auch, wenn die Unterlagen den zuvor völlig ungeklärt gebliebenen Kern des Nebenangebots beschreiben (VK Münster, B. v. 15.1.2003 - Az.: VK 22/02)

• die von einem Bieter (sinngemäß) gewählte Ausdrucksweise "Erstellung nach Wahl des Auftragnehmers" oder "in geänderter Ausführungsweise" in Nebenvorschlägen beinhaltet keine aufklärungsfähigen technischen oder wirtschaftlichen Fachausdrücke, sondern bedeutet schlicht, dass die gesamte technische Beschreibung der angebotenen Leistungen noch aussteht; damit ist der Rahmen des § 24 Nr. 3 überschritten (VK Düsseldorf, B. v. 7.6.2001 - Az.: VK - 13/2001 - B)

• eine Ergänzung eines Nebenangebotes beispielsweise um technische Zusatzmaßnahmen überschreitet den Rahmen des § 24 Nr. 3 (2. VK Brandenburg, B. v. 23.8.2001 - Az.: 2 VK 82/01)

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• grundsätzlich ausgeschlossen sind technische Aufklärungsgespräche, die mit dem Ziel einer Angebotsergänzung geführt werden (2. VK Brandenburg, B. v. 23.8.2001 - Az.: 2 VK 82/01)

106.10.2 Nachverhandlungen bei Leistungsbeschreibungen mittels Leistungsprogramm Mit der Zulassung von Leistungsbeschreibungen mittels Leistungsprogramm wird praktischen Bedürfnissen im Vergabewesen Rechnung getragen. Bei immer komplexer werdenden Beschaffungsvorgängen ist es dem Auftraggeber mangels ausreichender Marktkenntnis oftmals nicht möglich, den Leistungsgegenstand nach Art, Beschaffenheit und Umfang hinreichend zu beschreiben. In solchen Fällen kann der Auftraggeber den Zweck und die Funktion des Beschaffungsvorgangs beschreiben und hinsichtlich der Umsetzung auf die technische Vielfalt der Anbieter vertrauen. Damit werden auch traditionelle Beschaffungsvorgänge modernen Entwicklungen angepasst. Infolgedessen wird bei hinreichend begründeten funktionalen Leistungsbeschreibungen die Möglichkeit eröffnet, im Rahmen der geforderten Leistung über unbedingt notwendige technische Änderungen geringen Umfangs zu verhandeln. Damit der Wettbewerbsgrundsatz und das Gleichbehandlungsgebot gewahrt bleiben, müssen die beiden Eingrenzungen „notwendige“ technische Änderungen „geringen“ Umfangs unbedingt eingehalten werden (VK Baden-Württemberg, B. v. 16.08.2005 - Az.: 1 VK 48/05). Vgl. im Einzelnen die Kommentierung zu § 9 VOB/A RZ 4259.

106.10.3 Verbindung eines Leistungsprogramms und eines Bemusterungstermins Verbinden die Ausschreibungsbedingungen eine für unterschiedliche technische Lösungsvarianten offene Leistungsbeschreibung mit der Ankündigung eines obligatorischen Bemusterungstermins, in dem die angebotene Leistung vorgestellt und erläutert werden soll, so kann der Angebotsinhalt jedenfalls nach Abschluss der Bemusterung grundsätzlich nicht mehr geändert werden (OLG Dresden, B. v. 9.1.2004 - Az.: WVerg 16/03).

106.10.4 Notwendigkeit von unumgänglichen technischen Änderungen geringen Umfangs und daraus sich ergebende Änderungen der Preise

106.10.4.1 Grundsatz Es sind - bei einem Nebenangebot (§ 17 Nr. 3 Abs. 5) oder bei einem Angebot aufgrund funktionaler Leistungsbeschreibung - nur Änderungen zulässig, die zwingend notwendig sind, also solche, ohne die die sachgerechte Durchführung des Bauvorhabens nicht möglich wäre.

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Als technische Änderung geringen Umfangs im Sinne dieser Vorschrift sind nur solche anzusehen, die im Vergleich zur bisherigen Ausführungsart und zum bisherigen Ausführungsumfang eine nur unwesentliche Bedeutung haben, wobei man diese Grenze einerseits an den Auswirkungen auf die Preise, andererseits an der Menge der Änderungen insgesamt wird messen können (VK Saarland, B. v. 27.05.2005 - Az.: 3 VK 02/2005).

106.10.4.2 Beurteilungsspielraum des Auftraggebers Im Zusammenhang der Bewertung der Frage, welches ein geringfügiger Umfang wäre und welches den Maßstab des geringen Umfangs überschreite, hat der Auftraggeber einen entsprechenden Beurteilungsspielraum. Sind die Erwägungen des Auftraggebers, die erforderlichen Abänderungen des Angebots als nicht mehr geringfügig zu betrachten, nicht als sachwidrig zu erkennen, kann der Auftraggeber das Nebenangebot ausschließen (VK Arnsberg, B. v. 4.11.2002 - Az.: VK 1-23/02).

106.10.4.3 Beispiele aus der Rechtsprechung

• § 24 VOL/A enthält das Verbot, nach Ablauf der Angebotsabgabefrist inhaltliche Änderungen am Angebot (über den Preis und den Leistungsumfang) zuzulassen, verbietet aber nicht Erläuterungen des Angebotsinhalts in technischer Hinsicht. Der Auftraggeber darf sich bei einer funktionellen Ausschreibung auch die technische Gleichwertigkeit der angebotenen Leistung vom Bieter erläutern lassen (OLG Düsseldorf, B. v. 17.11.2008 - Az.: VII-Verg 49/08)

• eine Lücke im Angebot eines Bieters, die zu einem Kostennebenaufwand von lediglich ca. 15.000 EUR führt, ist gemessen am Gesamtleistungsumfang und der Preisdifferenz zwischen den Angeboten des Bieters und des Antragstellers marginal, wenn sich der kalkulatorische Vorteil auf nicht einmal 2 Promille der Bruttoauftragssumme des Bieters beläuft und gerade 2 % des Unterschiedsbetrages zwischen dessen Angebot und dem des Antragstellers als dem nächstgünstigsten Bieter ausmacht (Saarländisches OLG, B. v. 23.11.2005 - Az.: 1 Verg 3/05)

• Auch in der Addition der Defizite, die - lässt man die Mängel im anfänglichen Angebot der Antragstellerin außer Betracht - Kostenvorteile von insgesamt 60.000 EUR für die Beigeladene ergeben, fehlt den Angebotslücken die Relevanz und die Eignung, die Wettbewerbsstellung der Beigeladenen unter Wertungsgesichtspunkten zum Nachteil der Antragstellerin signifikant zu ändern

• es handelt sich dann um eine Änderung von unwesentlicher Bedeutung, wenn bei einer Kläranlagenausschreibung Messgeräte statt in einer gemeinsamen Mess-Station direkt in den jeweiligen Becken installiert werden (VK Saarland, B. v. 27.05.2005 - Az.: 3 VK 02/2005)

• es ist unter Beachtung der Regelung des § 24 VOL/A wettbewerbsverzerrend gegenüber den Mitbietern, wenn das Angebot eines Bieters durch eine Zusatzforderung nach einer Verpflichtungserklärung ergänzt wird (VK Baden-Württemberg, B. v. 16.08.2005 - Az.: 1 VK 48/05)

• dienen die Veränderungen hingegen lediglich der Optimierung der Leistung, sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt (VK Baden-Württemberg, B. v. 21.5.2001 - Az.: 1 VK 7/01)

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• sind Ziel des Aufklärungsgesprächs nicht unumgängliche technische Änderungen geringen Umfangs, sondern der Verzicht auf einen Teil der ausgeschriebenen Baumaßnahme, ist dies ein Verstoß gegen § 24 Nr. 3 VOB/A (VK Brandenburg, B. v. 31.1.2003 - Az.: VK 37/02, VK 39/02, VK 41/02)

• die von einem Bieter beantragte Preisänderung bzw. Preiskorrektur kann nicht mehr als geringe Änderung aufgefasst werden, wenn der Bieter eine Preiskorrektur des Angebots um ca. 50% begehrt (VK Südbayern, B. v. 14.8.2002 - Az.: 32-07/02)

• ist unklar der Umstand, dass ein vom Bieter ausgearbeitetes statischen Konzept zur Anwendung kommen soll, wogegen der Statiker erhebliche Bedenken eingewandt hat, sind unklar ferner die zum Einbau kommenden Fabrikate, kann von einem geringfügigem Aufklärungsbedarf nicht die Rede sein, so dass der Aufklärungsrahmen des § 24 Nr. 3 VOB/A eindeutig überschritten wird (1. VK Sachsen, B. v. 1.2.2002 - Az.: 1/SVK/139-01)

• bietet ein Unternehmen im Rahmen einer funktionalen Leistungsbeschreibung ein abgerundetes Glasleisten-System an Stelle der von der Vergabestelle geforderten Glashalteleisten an und kündigt der Bieter dann an, dass er die Glasleisten einbauen wird, ist diese geringfügige Änderung des Angebotes zulässig (VK Nordbayern, B. v. 26.1.2004 - Az.: 320.VK-3194-47/03)

106.11 Sonstige statthafte Nachverhandlungen Die Rechtsprechung lässt in mehreren Fallkonstellationen Nachverhandlungen über den Wortlaut des § 24 Nr. 3 hinaus zu.

106.11.1 Beeinflussung der Reihenfolge der Bieter und ähnliche Fälle Das "Nachverhandlungsverbot" des § 24 Nr. 3 VOB/A bzw. VOL/A ist kein in dem Sinne "absolutes Verbot", dass jeder Verstoß hiergegen gleichzeitig mit einer Verletzung der Rechte der Mitbewerber einhergehen muss. Es kommt vielmehr auch hier darauf an, ob durch die Nachverhandlung in die Wettbewerbsposition anderer Bieter eingegriffen wurde und/oder ob deren Interessen hierdurch sonst in irgendeiner Form tangiert sein konnten (VK Bremen, B. v. 16.7.2003 - Az.: VK 12/03). Unzulässige Nachverhandlungen führen also nicht in jedem Falle zum Ausschluss des daran beteiligten Bieters. Entscheidend ist vielmehr, ob derartige Nachverhandlungen die Reihenfolge der Bieter beeinflussen (Hanseatisches OLG in Bremen, B. v. 18.8.2003 - Az.: Verg 6/2003). Diese Rechtsprechung lehnt sich an die - ältere - Rechtsprechung zur Vollständigkeit von Angeboten an; ob sie mit der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Vollständigkeit von Angeboten (vgl. die Kommentierung RZ 5321) vereinbart werden kann, ist eher zweifelhaft.

106.11.2 Nachverhandlungen über unerhebliche Änderungen

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Es ist mit einem ordnungsgemäßen Wettbewerb vereinbar, wenn mit dem Bieter, dessen Angebot als das wirtschaftlichste gewertet wurde und der deshalb den Auftrag erhalten muss, eine Vereinbarung über eine unerhebliche Änderung des Angebots getroffen wird (VK Nordbayern, B. v. 26.8.2003 - Az.: 320.VK-3194-28/03). Diese Rechtsprechung kommt sicherlich einem Bedürfnis der Praxis entgegen. Der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Vollständigkeit von Angeboten entsprechend dürfte es aber sehr schwer sein, den Begriff der unerheblichen Änderung so greifbar zu machen, dass Manipulationen ausgeschlossen sind und nicht eine weitere nur schwer überschaubare Einzelfallrechtsprechung entsteht.

106.11.3 Nachverhandlungen über die Ausführungszeit bei Änderung der Zuschlags- und Bindefrist Vgl. zu dieser Problematik die Kommentierung zu § 19 VOB/A RZ 4951/2.

106.12 Teilnahmewettbewerb Auch im Teilnahmewettbewerb gilt, dass ein Bewerber seinen Teilnahmeantrag nur bis zum Schlusstermin für dessen Eingang fixieren und die damit bezogene Wettbewerbsposition nicht nachträglich verändern kann. Auch die entsprechend § 24 VOB/A vorgenommene Angebotsaufklärung darf nur Inhalte des Teilnahmeantrags aufdecken, die dieser bereits hatte, nicht aber nachträglich fehlende Angaben ergänzen oder „ungünstige“ Angaben modifizieren. Verbleiben nach (in diesem Rahmen zulässiger) Angebotsaufklärung z.B. noch Zweifel, ob der Bewerber eine Teilnahme an einem Wettbewerb um (genau) die ausgeschriebene Leistung erstrebt, gehen diese Zweifel zu Lasten des Teilnahmebewerbers. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der (Vergabe-)Rechtmäßigkeit des Ergebnisses eines Teilnahmewettbewerbs ist derjenige der Auswahlentscheidung; nach diesem Zeitpunkt abgegebene Bietererklärungen sind unbeachtlich (OLG Schleswig-Holstein, B. v. 19.01.2007 - Az.: 1 Verg 14/06).

106.13 Verhandlungsverfahren § 24 VOB/A bzw. VOL/A ist für Verhandlungsverfahren nicht anzuwenden. Vielmehr entsprechen Nachverhandlungen des Angebotsinhaltes gerade dem Sinn und Zweck des Verhandlungsverfahrens (VK Südbayern, B. v. 8.2.2002 - Az.: 41-11/01).

106.14 Regelung des HVA B-StB 03/2006 zu § 24 Verhandlungen gemäß § 24 VOB/A sind nur für die dort vorgesehenen Zwecke und nur soweit notwendig zu führen (Ziffer 2.4 Abs. 48). Bei Ausschreibungen ist zu beachten, dass mit der Angebotseröffnung der Wettbewerb abgeschlossen ist. Eine nachträgliche Veränderung der Angebote und damit des Wettbewerbsergebnisses, z. B. durch Preiszugeständnisse durch Bieter, sachlich nicht begründete Auslegung von Erklärungen, Nebenangeboten usw. durch Bieter oder Änderungen der Person des Bieters dadurch, dass

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Weyand, Praxiskommentar Vergaberecht, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 19.04.2010

mehrere getrennt aufgetretene Bieter eine Arbeitsgemeinschaft bilden wollen oder eine Bietergemeinschaft in ihrer Zusammensetzung geändert werden soll, ist unzulässig (Ziffer 2. 4 Abs. 49). Soweit die Ergebnisse der Aufklärung bzw. Verhandlungen über den Angebotsinhalt nach § 24 Nr. 1 VOB/A bzw. Änderungen von Nebenangeboten nach § 24 Nr. 3 VOB/A für die Zuschlagserteilung rechtserheblich sein können, ist vom jeweiligen Bieter eine schriftliche Erklärung einzuholen, dass das Ergebnis Gegenstand seines Angebots ist (siehe Abschnitt 2.5 "Abschluss des Vergabeverfahrens", Nr. (10)). Dabei ist zu beachten, dass mit Ablauf der Zuschlagsfrist der Bieter an sein Angebot nicht mehr gebunden ist (§§ 146, 148 BGB) und ein verspäteter Zuschlag und/oder ein Zuschlag, der Änderungen des Angebots enthält, wenn auch nur Änderungen einzelner Teile des Angebots (z. B. der Ausführungsfristen oder einzelner Leistungen), als Ablehnung des Angebots und zugleich als neues Angebot des Auftraggebers gilt (§ 150 Abs. 2 BGB) (Ziffer 2.4 Abs. 51).

106.15 Literatur

• Ziekow, Jan / Siegel, Thorsten, Zulassung von Nachverhandlungen im Vergabeverfahren? - Rechtliche Rahmenbedingungen und erste Zwischenergebnisse des Zweiten Modellversuchs des Landes Nordrhein-Westfalen, NZBau 2005, 22

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