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Bayerischer Landtag 3. Wahlperiode Stenographischer Bericht 135. Sitzung am Mittwoch, dem 11. Juni 1958, 9 Uhr in München Geschäftliches 4613,4649,4668,4669 Haushalt des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen für das Rechnungsjahr 1958 (Epl.' 06) Bericht des Haushaltsausschusses (Beil. 3534) Riediger (GB), Berichterstatter Abstimmungen . Haushalt des Bayer. Staatsministeriums der Justiz für das Rechnungsjahr 1958 (Epl. 04) Bericht des Haushaltsausschusses (Beil. 3542) 4613 4615 Winkler August (CSU), Berichterstatter 4616 Staatsminister Dr. Ankermüller 4617, 4647 Hirsch (SPD) . 4631 Utz (BP) . 4636 Hanauer (CSU) 4638 Dr. Schier (GB) 4643 Dr. Eberhardt (FDP) 4645 Abstimmungen . (Unterbrechung der Sitzung) Haushalt des Bayer. Staatsministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge für das Rech- nungsjahr 1958 (Epl. 10) Bericht des Haushaltsausschusses (Beil. 3541) Klammt (GB), Berichterstatter Staatsminister Stain . Vertagung der Aussprache Antrag des Abg. Hirsch betr. Gesetz zur Auf- hebung des G.esetzes zur Regelung der öf- fentlichen Sammlungen und sammlungs- Stenogr. Ber. d. Bayer. Landtags 1958 135. Sitz. (Sig.J 4648 4649 4650 4667 ähnlichen Veranstaltungen (Sammlungs- gesetz) - Beil. 3543 - Erste Lesung - Beschluß 4667 Antrag der Abg. Meixner u. Frakt., von Knoeringen u. Frakt„ Dr. Fischbacher u. Frakt., Riediger u. Frakt. betr. Drittes Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über die Aufwandsentschädigung der Abgeordneten des Bayer. Landtags (Beil. 3206) - Zweite Lesung- Berichte des Haushaltsausschusses (Beil. 3562) und des Verfassungsausschusses (Beil. 3563) Kraus (CSU), Berichterstatter . Dr. Zdralek (SPD), Berichterstatter Muth (FDP) Abstimmungen . - Dritte Lesung - Abstimmungen . Schlußabstimmung Nächste Sitzung . Beginn der Sitzung: 9 Uhr 1 Minute. 4667 4667 4668 4668 4668 4668 4669 Präsident Dr. Ehard: Meine Damen, meine Her- ren! Ich eröffne die 135. Sitzung des Bayerischen Landtags und gebe die Liste der Entschuldigten zu den Akten.*) Ich hoffe, daß sich das Haus bald füllt. . Ich rufe auf als nächsten Punkt der Tagesord- nung Nr. 4: . Haushalt des Bayerischen Staatsministe- riums der Finanzen für das Rechnungs- jahr 1958 (Einzelplan 06) Es berichtet über die Verhandlungen des Aus- schusses für den Staatshaushalt und Finanzfragen (Beilage 3534) der Herr Abgeordnete Riediger. Ich erteile ihm das Wort. Riediger (GB), B er ich t erst a t t er : Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Aus- schuß für den Staatshaushalt und Finanzfragen hat den Entwurf des Einzelplans 06 für den Geschäfts- bereich des Staatsministeriums der Finanzen in sei- ner 276. Sitzung am 22. Mai beraten. Die Bericht- erstattung oblag mir, Mitberichterstatter war Herr Kollege Ospald. Der B er i c h t e r s t a t t e r betonte eingangs, daß der Beginn der Haushaltsberatung mit dem Einzelplan 06 ein Beispiel für eine zwar gründliche, aber doch gestraffte Beratung sein möge. Er be- *) Nach Artikel 5 Absatz 2 des Aufwandsentschädi- gungsgesetzes sind entschuldigt oder beurlaubt die Ab- geordneten Eiber, Essl, von und zu Franckenstein, Fürst Fugger von Glätt, Gumerum, Dr. Held, Kiene, Krehle, Luft, Dr. Oechsle, Prandl, Ramelsberger.

135. Sitzung - Bayerischer Landtag W… · 135. Sitzung am Mittwoch, dem 11. Juni 1958, 9 Uhr in München Geschäftliches 4613,4649,4668,4669 Haushalt des Bayer. Staatsministeriums

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Page 1: 135. Sitzung - Bayerischer Landtag W… · 135. Sitzung am Mittwoch, dem 11. Juni 1958, 9 Uhr in München Geschäftliches 4613,4649,4668,4669 Haushalt des Bayer. Staatsministeriums

Bayerischer Landtag 3. Wahlperiode

Stenographischer Bericht

135. Sitzung am Mittwoch, dem 11. Juni 1958, 9 Uhr

in München

Geschäftliches 4613,4649,4668,4669

Haushalt des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen für das Rechnungsjahr 1958 (Epl.' 06) Bericht des Haushaltsausschusses (Beil. 3534)

Riediger (GB), Berichterstatter

Abstimmungen .

Haushalt des Bayer. Staatsministeriums der Justiz für das Rechnungsjahr 1958 (Epl. 04)

Bericht des Haushaltsausschusses (Beil. 3542)

4613

4615

Winkler August (CSU), Berichterstatter 4616 Staatsminister Dr. Ankermüller 4617, 4647 Hirsch (SPD) . 4631 Utz (BP) . 4636 Hanauer (CSU) 4638 Dr. Schier (GB) 4643 Dr. Eberhardt (FDP) 4645

Abstimmungen .

(Unterbrechung der Sitzung)

Haushalt des Bayer. Staatsministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge für das Rech­nungsjahr 1958 (Epl. 10)

Bericht des Haushaltsausschusses (Beil. 3541)

Klammt (GB), Berichterstatter Staatsminister Stain .

Vertagung der Aussprache

Antrag des Abg. Hirsch betr. Gesetz zur Auf­hebung des G.esetzes zur Regelung der öf­fentlichen Sammlungen und sammlungs-

Stenogr. Ber. d. Bayer. Landtags 1958 135. Sitz. (Sig.J

4648

4649 4650

4667

ähnlichen Veranstaltungen (Sammlungs­gesetz) - Beil. 3543

- Erste Lesung -

Beschluß 4667

Antrag der Abg. Meixner u. Frakt., von Knoeringen u. Frakt„ Dr. Fischbacher u. Frakt., Riediger u. Frakt. betr. Drittes Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über die Aufwandsentschädigung der Abgeordneten des Bayer. Landtags (Beil. 3206)

- Zweite Lesung-

Berichte des Haushaltsausschusses (Beil. 3562) und des Verfassungsausschusses (Beil. 3563)

Kraus (CSU), Berichterstatter . Dr. Zdralek (SPD), Berichterstatter Muth (FDP)

Abstimmungen .

- Dritte Lesung -

Abstimmungen .

Schlußabstimmung

Nächste Sitzung .

Beginn der Sitzung: 9 Uhr 1 Minute.

4667 4667 4668

4668

4668

4668

4669

Präsident Dr. Ehard: Meine Damen, meine Her­ren! Ich eröffne die 135. Sitzung des Bayerischen Landtags und gebe die Liste der Entschuldigten zu den Akten.*) Ich hoffe, daß sich das Haus bald füllt.

. Ich rufe auf als nächsten Punkt der Tagesord­nung Nr. 4: .

Haushalt des Bayerischen Staatsministe­riums der Finanzen für das Rechnungs­

jahr 1958 (Einzelplan 06)

Es berichtet über die Verhandlungen des Aus­schusses für den Staatshaushalt und Finanzfragen (Beilage 3534) der Herr Abgeordnete Riediger. Ich erteile ihm das Wort.

Riediger (GB), B er ich t erst a t t er : Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Aus­schuß für den Staatshaushalt und Finanzfragen hat den Entwurf des Einzelplans 06 für den Geschäfts­bereich des Staatsministeriums der Finanzen in sei­ner 276. Sitzung am 22. Mai beraten. Die Bericht­erstattung oblag mir, Mitberichterstatter war Herr Kollege Ospald.

Der B er i c h t e r s t a t t e r betonte eingangs, daß der Beginn der Haushaltsberatung mit dem Einzelplan 06 ein Beispiel für eine zwar gründliche, aber doch gestraffte Beratung sein möge. Er be-

*) Nach Artikel 5 Absatz 2 des Aufwandsentschädi­gungsgesetzes sind entschuldigt oder beurlaubt die Ab­geordneten Eiber, Essl, von und zu Franckenstein, Fürst Fugger von Glätt, Gumerum, Dr. Held, Kiene, Krehle, Luft, Dr. Oechsle, Prandl, Ramelsberger.

Page 2: 135. Sitzung - Bayerischer Landtag W… · 135. Sitzung am Mittwoch, dem 11. Juni 1958, 9 Uhr in München Geschäftliches 4613,4649,4668,4669 Haushalt des Bayer. Staatsministeriums

4614 Bayerischer Landtag - 135. Sitzung. Mittwoch, den 11. Jun:i 1958

(Riediger [GB])

handelte die wesentlichsten organisatorischen Än­derungen gegenüber dem Vorjahr; Sie finden diese abgedruckt und zusammengestellt im Vorwort des Haushaltsplans unter Abschnitt B. Er wies darauf hin, daß sich der Zuschußbedarf gegenüber 1957 von 252 524 600 DM auf 339 699 700 DM, also um rund 87 Millionen DM erhöht habe, was im wesent­lichen auf die erhöhten Leistungen für die Wieder­gutmachung zurückzuführen sei. Die Gesamtein·· nahmen sind um 16,7 Millionen DM, die Personal­ausgaben um 9 Millionen DM, die allgemeinen Aus­gaben um 94 Millionen DM gestiegen, während sich die Sachausgaben unwesentlich vermindert haben. Beim Stellenplan ergebe sich eine Mehrung der Stellen für planmäßige Beamte um 165, die zum überwiegenden Teil auf Umwandlung von Ange­stelltenstellen in Beamtenstellen zurückzuführen sei. Die Zahl der Angestelltenstellen habe sich um 309 vermindert„ das Personal-Soll insgesamt um 72 Stellen. Das Finanzministerium als Beamten­ministerium gehe also mit gutem Beispiel voran.

Der M i t b e r i c h t e r s t a t t e r wies besonders darauf hin, daß den Hauptanteil an den allgemei­nen Ausgaben mit rund 250 Millionen DM die Wiedergutmachungsleistungen ausmachen.

Nachdem auf eine allgemeine Aussprache ver­zichtet wurde, begann man sofort mit der Einzel­beratung.

In K a p i t e 1 06 05, Hauptmünzamt, wurden bei Titel 15, Münzbetrieb und Druckerei, die Einnah­men um 30 000 DM auf 1 630 000 DM erhöht.

In Kap i t e 1 06 06, Titel 101 wurde bei der Be­soldungsgruppe A 13 eine zusätzliche Stelle eines Hauptkonservators gebilligt. Auf eine Anregung des Berichterstatters hin sagte der Herr Minister zu daß sich diese wertvolle Fachkraft besonders au'ch der Betreuung der nordbayerischenDenkmäler widmen werde. Gewissermaßen zum Ausgleich da­für wurde in Kapitel 06 07 bei Titel 104 die Zahl der Angestelltenstellen bei Vergütungsgruppe IV b um 1 von 17 auf 16 vermindert.

Auf eine Anfrage des Mitberichterstatters zur Ausgestaltung des ehemaligen Konzentrationslagers Dachau gab Herr Ministerialdirektor Dr. K i e f e r erschöpfende Auskunft, daß darüber völliges Ein­verständnis mit dem Internationalen Komitee er­zielt worden sei und die Arbeiten bereits begon­nen hätten.

Bei den einmaligen Ausgaben verwies der B e -r i c h t e r s t a t t e r auf die Einzelübersicht in der Anlage S und stellte fest, daß sich wiederum der weit überwiegende Teil der Bauaufwendungen auf München konzentriere. Nur etwa 16 Prozent ent­fielen auf das übrige Land, wobei Franken beson­ders schlecht abschneide. Er habe Verständnis da­für, daß man heuer für München im Hinblick auf die 800-Jahr-Feier etwas Besonderes tue, aber ab 1959 müßten die Baumittel unbedingt stärker ge­streut werden, damit der gesamtbayerische Raum nicht weiterhin so stiefmütterlich behandelt werde, wie das in den letzten Jahren offensichtlich der Fall gewesen sei. Nachdem Herr Präsident Dr. W u n-

s c h e 1 ausgeführt hatte, daß die Kosten für die Wiederherstellung der Münchner Residenz ein­schließlich Herkulessaal auf rund 52,5 Millionen DM geschätzt und die für die vier laufenden wichtig­sten Baumaßnahmen gesetzten Termine eingehal­ten würden, bemängelte Herr Kollege K a 11 e n -b ach, der auf seine diesbezügliche schriftliche Anfrage verwies, daß im Bereich der, Schlösserver­waltung die Mittel praktisch hundertprozentig auf München entfielen. Er kritisierte die Finanzierungs­art des Mehraufwands durch Sondermittel, for­derte bei den Planungen mehr Wirklichkeitssinn und, daß für die Gebiete außerhalb Münchens im :nächsten .fahre wesentlich mehr abfallen müsse.

In K a p i t e 1 06 11 wurde bei Titel 3 der Ansatz für die Gebühren um 50 000 DM auf insgesamt 3 900 000 DM erhöht.

Bei K a p i t e 1 06 13, Finanzbauämter, wurde nach längerer Diskussion der An t r a g Unger­mann, abgedruckt auf Beilage 2976, ·in abgeänder­ter Fassung bei 6 Enthaltungen angenommen.

In K a p i t e 1 06 17, Landesvermessungsamt, wurde auf Anregung des Ministeriums zu Titel 730 in der Anlage S auf Seite 164 in Spalte 2 das Wort „Planung" und in Spalte 7 das Wort „geschätzt" ge­strichen und die Zahl 3 230 000 durch 3 150 000 er­setzt, da sich durch die inzwischen durchgeführte obersttechnische Prüfung die Gesamtkosten so hoch beziffern.

Bei K a p i t e 1 06 20, Landesentschädigungsamt, unterstrich der Berichterstatter die wesentliche Vermehrung der Arbeitskräfte. Hinzugekommen sind gegenüber dem Vorjahr 8 Beamte und 41 An­gestellte, dazu noch 15 abgeordnete Beamte und 80 abgeordnete Angestellte. Das Arbeitspersonal wird also um 144 Kräfte vermehrt. Der Herr F i­n an z mini s t e r bemerkte ergänzend, daß orga­nisatorische Vorbereitungen getroffen seien, um nunmehr die berechtigten Ansprüche der Geschä­digten rascher befriedigen zu können. Von den bis zum Stichtag, 1. April 1958 - ohne März - einge­gangenen 274 000 Anträgen seien etwa 71 000, also ein rundes Viertel, erledigt; insgesamt seien unter Hinzurechnung der noch im März eingegangenen Anträge noch 246 000 Anträge zu bewältigen. Die reinen Landesleistungen betrügen bis 31. März die­ses Jahres 407 Millionen DM. Nach einer neuer­lichen Schätzung entfielen auf Bayern insgesamt 2 100 Millionen DM. Auf Anregung der Kollegen Kallenbach und Gabert erklärte der Ausschuß, daß er die Staatsregierung bei ihren Bemühungen um eine Änderung des Verteilungsschlüssels nach­drücklich unterstütze. Bei den Erläuterungen zu Titel 301 auf Seite 135 wurde in der Zeile 16 die Zahl der Ansprüche gegenüber dem Freistaat Bayern von 341 000 auf 241 000 berichtigt. Die Er­läuterungen zu Titel 950, Für den Wiederaufbau israelitischer Kultusgemeinden, erhielten auf Wunsch des Ministeriums noch folgenden Zusatz:

Die Zuschußmittel werden ausschließlich dem Landesverband der israelitischen Kultusge­meinden in Bayern zur Verfügung gestellt, dem die Verteilung auf den Landesverband

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Bayerischer Landtag - 135. Sitzung. Mittwoch, den 11. Juni 1958 4615

(Riediger [GB])

selbst und die einzelnen Kultusgemeinden im Rahmen der gegebenen Verwendungsrichtlinien obliegt.

In der Schlußabstimmung ·wurde der Einzel­plan 06 in der in der Einzelberatung beschlossenen Fassung einstimmig gebilligt. Ich bitte das Hohe Haus, diesem Beschluß beizutreten.

Präsident Dr. Ehard: Wortmeldungen dazu habe ich nicht. Wir kommen zur Ab s t i m m u n g.

Der Einzelplan 06 liegt Ihnen gedruckt vor, dazu die Beilage 3534 mit den Beschlüssen des Ausschus­ses für den Staatshaushalt und Finanzfragen. Ich rufe - wenn sie unverändert sind - nur die einzelnen Kapitel auf. Wenn ein Titel einzeln auf­gerufen werden soll, bitte ich, mir das zu sagen. Bei Änderungen werde ich auch die betreffenden Titel aufrufen.

Kap i t e 1 06 01, Zentrale Verwaltung A und B - unverändert.

K a p i t e 1 06 04, Staatsschuldenverwaltung unverändert.

Kap i t e 1 06 05, Hauptmünzamt.

Der Haushaltsausschuß schlägt vor, bei Titel 15, Münzbetrieb und Druckerei (Seite 28), den Betrag von 1 600 000 DM um 30 000 DM auf 1 630 000 DM zu erhöhen.

Unter Berücksichtigung dieser Änderung schließt Kapitel 06 05 (Seite 32) ab mit: Gesamteinnahmen 1 721 300 DM, Gesamtausgaben 1 554 200 DM, Über­schuß 167 100 DM.

(Abg. Dr. Hoegner: Auf der Beilage 3534 ist ein Druckfehler; es heißt: „ist der Betrag von 1600 000 DM um 50 000 DM auf 1 630 000 DM

zu erhöhen.")

- Es muß „um 30 000 DM" heißen. Ich habe über­sehen, auf den Druckfehler hinzuweisen. So wie ich es mitgeteilt habe, ist es richtig: Der Betrag von 1 600 000 DM ist um 30 000 DM auf 1 630 000 DM zu erhöhen. Dann ist auch die Abschlußzahl richtig, wie ich sie angegeben habe.

Kap i t e 1 06 06, Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen.

Der Haushaltsausschuß empfiehlt, bei Titel 101 (Seite 36), Dienstbezüge der planmäßigen Beamten, im Stellenplan unter Aufsteigende Gehälter bei BesGr. A 13 (A 2 c 2), Hauptkonservator, die Zahl 1 durch die Zahl 2 zu ersetzen.

Im übrigen ist Kapitel 06 06 unverändert.

K a p i t e 1 06 07, Finanzmittelstellen.

Der Haushaltsausschuß schlägt vor; bei Titel 104 (Seite 50), Dienstbezüge der nichtbeamteten Kräfte, in den Erläuterungen unter Bedarf an nichtbeam­teten Kräften, 1. Angestellte, b. Tarifliche Ange­steilte, bei VergGr. IV b die Zahl 17 durch die Zahl 16 zu ersetzen.

Im übrigen ist Kapitel 06 07 - auch im Ab-· schluß - unverändert.

2

Die K a p i t e 1 06 08, 06 09 und 06 10 sind un­verändert.

Kap i t e 1 06 11, Finanzämter.

Der Haushaltsausschuß schlägt vor, bei Titel 3 (Seite 76), Gebühren, den Betrag von 3 850 000 DM um 50 000 DM auf 3 900 000 DM zu erhöhen.

Unter Berücksichtigung dieser Änderung schließt Kapitel 06 11 ab mit: Gesamteinnahmen 7 351 800 DM, Gesamtausgaben 106 323 500 DM, Zuschußbe­darf 98 971 700 DM.

Kap i t e 1 06 12, Vertreter der Interessen des Lastenausgleichsfonds ·- unverändert.

K a p i t e 1 06 13, Finanzbauämter.

Hier ist folgender Antrag einschlägig: Antrag des Abgeordneten Ungermann betreffend Schaf­fung von Planstellen für Angestellte bei den Fi­nanzbauämtern (Beilage 2976). Der Ausschuß für den Staatshaushalt und Finanzfragen empfiehlt die Annahme in folgender Fassung:

Die Staatsregierung wird ersucht, dafür zu sorgen, daß in den Haushaltsjahren 1958 und 1959 die bei der Finanzbauverwaltung im Zeit­vertrag beschäftigten Angestellten, die aus Bauleitungsmitteln vergütet werden und län­ger als drei Jahre beschäftigt sind, in ein Dauerarbeitsverhältnis übergeführt werden können.

Wer dem Antrag in der vom Haushaltsausschuß vorgeschlagenen Fassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Ge­genprobe. - Stimmenthaltungen? - Einstimmig so beschlossen.

Kapitel 06 13 ist im übrigen unverändert im Ab­schluß.

K a p i t e 1 06 14 - unverändert.

Kap i t e 1 06 17, Landesvermessungsamt. Der Haushaltsausschuß empfiehlt, bei Titel 730, Seite 118 des gedruckten Haushalts, in der Zweckbestim­mung das Wort „Planung" zu streichen; ferner für den Sonderausweis, Seite 144, in der Anlage S Änderungen vorzunehmen. Die einzelnen Ände­rungen sind in dem Bericht auf Beilage 3534 nie­dergelegt; ich darf darauf Bezug nehmen. - Der Abschluß dieses Kapitels ist im übrigen unverän­dert.

Kap i t e 1 06 18 - unverändert.

Kap i t e 1 06 20. Hier schlägt der Haushaltsaus­schuß vor, bei Titel 301, Seite 134, Für Wieder­gutmachungsleistungen auf Grund des BEG vom 29. Juni 1956 und des Versorgungsschadenrenten­gesetzes - die Mittel sind übertragbar - in den Erläuterungen in Zeile 16 die Zahl 341 000 durch die Zahl 241 000 zu ersetzen und

bei r:i:'itel 950, Seite 136, Für den Wiederaufbau israelitischer Kultusgemeinden, die Erläuterung wie folgt zu ergänzen: ·

Die Zuschußmittel w~rden auschließlich dem Landesverband der Israelitischen Kultusge­meinden in Bayern zur Verfügung gestellt, dem die Verteilung auf den Landesverband selbst und die einzelnen Kultusgemeinden im

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4616 Bayerischer Landtag - 135. Sitzung. Mittwoch, den 11. Juni 1958

(Präsident Dr. Ehard)

Rahmen der gegebenen Verwendungsricht­linien obliegt.

Kapitel 06 20 ist im übrigen unverändert im Ab­schluß.

Dann kommt die G e s a m t ab g 1 e i c h u n g wie folgt:

Summe der Gesamteinnahmen 119 972 900 DM Summe der Gesamtausgaben 459 592 600 DM Summe des Gesamtzuschusses 339 619 700 DM

Ich bitte diejenigen Mitglieder d_es Hohen Hau-ses, die dieser Gesamtabgleichung - und damit dem Haushalt im ganzen___.: zustimmen wollen, sich vom Platz zu erheben. - Ich bitte um die Gegen­probe. - Stimmenthaltungen? - Der Haushalt ist bei Stimmenthaltung der SPD und der BP ange­nommen.

Dann rufe ich auf

Haushalt des Bayerischen Staatsministe­riums der Justiz für das Rechnungsjahr

1958 (Einzelplan 04)

Über die Verhandlungen des Ausschusses für den Staatshaushalt und Finanzfragen (Beilage 3542) be­richtet der Herr Abgeordnete Winkler August.

Winkler Augus.t (CSU), B er ich t erstatte r : Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Haushalt des Staiatsministeriums der Justiz wurde in der Sitzung des Haushaltsausschusses am 29. Mai beraten. Auf eine allgemeine Aussprache wurde v·erzichtet. Eingangs 1erklärte aber c1er Mit b e -r 'ich t er 1s t a t t er GaJbert - der Berichterstatter war ich -, daß es .an sich wohl zweckmäßig und notwendig wäre, sich einmal mit einer lReihe vo:n Prolhlemen der Rechtspflege, .die in der letzten Zeit aufgetaucht seien, im Landtag ausgiebiger zu be­schäftigen; das wurde in Aussicht .genommen.

In der Einzelberatung wurde Kap i t e 1 04 01 A des Haushaltsvoranschfags unverändert angenom­men.

K a pi t e 1 04 01 B, Sammelansätze, wurde eben­falls ohne Erinnerung angenommen.

Bei Kap i t e 1 04 03, Gerichte und Staatsanwalt­schaften, hat der Ausschuß ebenfalls einstimmig Zustimmung z.u den fortdauernden Einnahmen be­schlossen.

Bei Kapitel 04 03 war der An t r a g ·der Abge­ordneten Hinsch und Rabenstein betreffend Ein­führung ·des Systems tdes Gerichtsvohlziehers mit eigenem Geschäftszimmer_ 'ZU behandeln. Berichter­statter zu diesem Antrag wiar KoHege Gab er t , Mitberichterstatter ·Fink. Zu diesem Antrag w.ur­,de noch einmal vor allen Dingen von dem Antrag­steller, Abg.eoJ:dneten Hirsch, eine ausführliche Be­gründung für die nach seiner Auffassung notwen­dige Einführung dieses 1Systems des Gerichtsvoll­. ziehers mit eigenem Geschäftsz·1mmer gege1ben. Die Debatte, an der sich vor :al!lem Staatssekretär Gop­pel beteiligte, ergab, daß man nicht urub:edingt von einer Erihöthung ·der .husgaben sprechen könne. Es wurde zwar vermutet, daß mit diesem System eine Erhöhung der Ausgaben verbunden sein würde.

Darm einigte man sich im Ausschuß dahin, die­sen Antrag bei den diesjährigen Haushaltsberatun­gen aus1zuklammern. Zunächst einmal wird das Ju­stizmindsterium .auch di'e Er:fiahrungen ander.er Län­der nach ider finanziellen Seite noch einholen. Der Antragsteller erklärte sich dann damit einverstan­den, daß der Antrag bis nach den Ha:usihaltsbera­tungen :z1urücmgesiteillt werde. So wurde einstimmig beschlossen.

Es wuvde ·dann Zustimmung zu den Titeln 101 bis 104 •ertefü.

Bei Titel 105 wurde kurz festgestellt, daß sämt­liche Rechtsreferendare - wie es der Wunsch des Hohen Hauses schon seit langem ist - nun grund­sätzlich die vo.llen Sätze für Unterhaltszuschüsse erhalten.

Bei den Sachausgatben bat Staatssekretär Go p -p e 1, daß zu Titel 205 eine Änderung vorgenom­men werde, die aber keine Änderung des Gesamt­aibschlusses el"bringt. Daraufhin ·ertei.llte der Aus­schuß zu den 1Sachausgaben, Titel 200 •bis 204, die ein~ümm1ge Zustimmung.

Bei den einmaligen Ausgaben, Titel 730 bis 747, betr.effend Hoch:baumaßTIJahmen für Gerichte und Staatsanwaltschaften - Anlage S -, erklärte der B er i c h t e r s t a t t e r , das Staatsminis:teri:um der Justiz bitte im Einverständnis mit dem Suaats­.minisiterium deoc- Flinan:zen, im Sonderausweis der staatlichen Hochbaumaßnahmen mit mehr als 50 000 r>M Gesamtkosten einen Leertitel aufzuneh­men betreffend kmtsgericht Kaufbeuren, Umbau und Einbau einer Zentralheizung. Dieser Leertitel wu11de mit der Numerierung 734 •eingesetzt. Die Gesamtkosten ibetragen 'laut obersttech:ntlscher Prü­fung 137 500 DM.

In der weiteren Aussprache stellten verschiedene Mitglieder des Ausschusses Fragen über den Neu­ibau oder Ausbau verschiedene:r;- Justizge:bäude in We1den, Straubing, Traunstein und Fürth. Hierzu konrnte· von den Mi:ndsterJalvertretern erklart wer­den, daß :diese Maßnlahmen in Angriff genommen wo.rden seien, daß aber in diesem Jahr noch keine Mittel :zur Verfügung gestellt ·zu werden bräuchten.

Kollege Dr. G e i s 1 ih ö r i n g ·er warf in diesem Zusammeruhang die Frage auf, wieweit die Erwä­gungen zur Auflösung kleinerer Amtsgerichte ge­diehen seien. Hierzu erkfl.ärte Staatssekr·etär Go p -p e 1 , man könne die Frage ·der kufheibung kleine­rer Amtsgerichte wohl nicht gesondert für sich be-. trachten, sondern müsse sie in dem größeren Zu­sammeniharng .der Staatsvereinfachung üiberlhaupt sehen. Es wurde dann vom Ausschuß festgestellt, daß man die Frag·e nicht weiter zu erörtern brauch:e.

Der Ausschuß stimmte hiernuf einstimm1g den Titeln 746 und 747 sowi:e den 'Diteln 850 mit 884 und damit 1dem Absch1uß des Kapitels 04 03 zu .

Bei Kap i t e 1 04 04, Vollzugsanstalten, geneh­migte der Ausschuß zunächlst die Fortdauernden Einna!hmen, Titel 1 mit 8.

Ministeriaildirigen t L e o p o 1 d be:z1ifferte die Ist­Einnahmen ;bei Tiitel 15 auf 6 630 OQO DM.

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Bayerischer Landtag - 135. Sitzung. Mittwoch, den 11. Juni 1958 4617

(V\7inkler August [CSU])

Zu den Personalausgaben fragte Atbgeo11dneter O s p a 1 d , ob sich die är.ztliche Betreuung in der Stra:fianstalt Augsburg durch Einstellung eines wei­teren Arztes, wie verlangt worden sei, gebessert habe. Hierzu berichtete Ministerialdirigent L eo -p o 1 d, daß die ausgewiesenen zwei Stefüenmeh­rungen bei den planmäßigen Beamten auf zwei Ärzte ent:fiaillen.

Der B .e r ich t ·er s t a t t er beantriagte mit Rück­sicht auf die große Bedeutung der Strafanstalten Straubing und -Bernau, die Leiter dieser .Strafan­stalten ·zu RegieI'iUllgsdirektoren zu heben. .Dem wu:ride nicht stattgegeben, weil man zunächst ·ein­mal die Entwicklung der neuen Besoldungsordnung abwarten wollte. Die Angellegenheit soll atber für den nächsten Haushalt im Auge behalten werden. Der Antrag wuride •daraufhin 'Zurückgezogen.

Der Haushail ts1a ussch uß erteilte dann einstimmig Zustimmung zu den Personalausgaben Titel 101 und 103.

Bei Titel 104 war einschlägig der Antrag des Kollegen Euerl auf Umwandlung der Stene des evangelischen Anstaltsgei:stlichen an der Stra:fian­staJt Amberg in eirre Beamtenstelle (BeHage 3439). Zur Begründucrug wies Abgeordneter E u er 1 dar­auf hin, daß der betreffende Geistliche bereits zehn Jahre als Angeste111ter diesen Posten ·einne1hme und daß es nun :aweckmäfüg sei, diese Angestelltenstelle in eine BeiamtensteHe umzuwandeln.

W1e Staa·tssekretär Go p p e 1 mitted1lte, ist der Land_eskirchenrat da1von verständigt worden, daß die Umwandlung für 1dJrus nächste Ja.ihr in Aussicht genommen worden ist. Aus Konsequenzgründen wunde die A:blehnung des Antr.ags Euerl beantragt, und der Ausschuß stimmte diesem Abllehnungs­vorschlag ·zu. Der A:nitrag Euerl wurde mit großer Mehrheit ·gegen 4 .Stimmen abgelehnt.

Der Abgeordnete GT ä ß l ·er stellte ausdrückliclJ. f.est, daß im nächsten Haushaltsjahr die Umwand­lung der Stelle dieses Anstaltsgeistlichen in eine Beamtenstelle vorgenommen werden soll.

Dann stimmte der Ausschuß den Titeln 104 mit 111 und ·den 1Sachausg:a:ben Titel 200 mit 204 zu.

Bei K a pi t e 1 04 05, Rechtspfl.egerschule, ge­nehmigte der AUJ.Sschuß sämtliche Ansät:ae und da­mit den Abschluß des Kiapitel:s 04 05.

Abschluß Einzellplan 04: Zustimmung zu allen Ansätzen, die sämt1ich unverändert gehheben sind.

In der .sch1ußabsti!n;imung wurde bei 1 Stimment­haltung dem Einzelplan 04 in der in der lEii.nzel­beratung beschl01ssenen Fassung zugestimmt.

Präsident Dr. Ehard: Das Wort hat der Herr Staatsminister Dr. Ankermüller.

Staatsminister Dr. Ankermüller: Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Die BeTatung.en des Ju1stizhaushaltis 1958 sind· ini Hausha1tsausschuß rasch vorangegangen und könnten in kurzer Zeit abgeschlossen werden. Ich will mich bemühen, meine Etatrede ebenfalls kurz zu halten. Das we-

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sentliiche Material zum Haushalt und über die Tä­tigkeit deT Justiz enthält die Ihnen bereits vorlie­gendie An 1 a g e, die ich bitte, zu Protokoll zu nehmen. Ich möchte mich i!n meiner Rede auf die Behandlung einiger Fragen tbeschränken, die mi:r ge:riade jetzt tbesonders wichtig e:rischeinen. Im üb­rigen bitte ich, auf die Anlage verweisen zu dür­fen.

Die JU!stiz ist - wie der Herr Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung vom 5. November 1957 ausgeführt hat - ·berufen, Recht rund Gerech­tigkeit, ohne drie ein Staat nicht bestehen kann, zu verwirklichen. Sie kann dieser Aufga1be nur dann gerecht werden, wenn s'ie ihr ohne Ansehen der Person, frei von u:Il'sachlichen Beweggründen und Einflüssen und nur an Gesetz und Recht geibunden nachgeht.

Diese Unabhängigkeit der Gerichte muß peinlich beachtet werden. Manche gerichtlichen Entscheidun­gen der letzten Monate - ich ·eTwähne hier nur das Urteil in Arnsberg rund den Freispruch des SS­Genera}s S'imon in Nürnberg - haben einen hef­ti!gen Meinu:ngsstreit in der Öffentlichkeit ·entfacht. Ich muß es mir als Justizminister versagen, meine persönliche Meinung zu der .oder jener Entschei­dung zu äußern, um jeden Eindruck einer Einfluß:. nahme zu vermeiden. Auch wer mit einzelnen Ur­teilen nicht einverstanden ist, wird deshal!b doch nicht eine Rechtsprechung fordern, die auf ·die politischen Erfordern~sse Rücksicht nimmt oder rei­nen Gefühl!s•regunge:n Rechnung trägt. Wir müssen an •der Unaibhängigkeit der Rechtspflege als Grurri.'d­lage des Rechtsstaates auch da festhalten, wo die strikte Anwendung des Gesetzes eine politiische Be­lastung bHdet und unsere Gefühle verletzt. Jeder Versuch eines. Eingriffs in die Rechtspflege wäre tausendmal schlimmer als das eine oder andere Urteil, das der Sache nicht.·gerecht wird. Gelegent­liche Fehlurteile 1sin'd der Preis, den wir für die Un­abhängigkeit der Gerichte zahlen, ohne die wieder­um ein Rechtsstaat undenkbar ist.

Das Recht der Öffentlichkeit,' insbe1sondere der Presse, gerichtliche Entscheidungen zu kritisieren, möchte i:ch m'it diesen Ausführungen nicht be~

schränken. Eine Kritik an einzelnen Gerichtsent­scheidungen ~rachte ich unter Umständen sogar für wünschenswert. Sie muß a·ber auf der genauen Kenntn1s des Sachverhalts und der Rechtslage •auf­gebaut und vom Willen getragen sein, wirkliche oder wenigstens vermeintliche Mißstände zu besei­tigen. Auch darf sie nicht außer acht lassen, daß bei Strafprozessen Laienrichter wesentlich mitwir­ken, deren Auswahl weitgehend auf die Vorschläge der Gemeindevertretungen zurückgeht. Schließlich ist zu berücksichtigen, daß von mehr al•s 500 000 Verfahren, die in Bayern jährlich von der .Staats­anwaltschaft ·beharndelt werden, nur ein halbes Dutzend od·er ein Dutzend Anlaß zu berechtigter Kritik gibt. Besonders möchte ich darum bitten, nicht hinter jeder Entscheidung, die einem nicht gefällt, sofort eine böse Absicht des Richters zu su.­chen oder ihm gar politische Motive Zl\l unteJ.1Stel­len. E-i:ne zersetzende Kritik trägt dazu bei, das Anseh.en. der Rechtspflege und damit unseres demo­kratischen Staates zu untergraben.

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4618 Bayerischer Landtag - 135. Sitzung. Mittwoch, den 11. Juni 1958

(Staatsminister D1·. Ankermüller)

Entscheidend für die Qualität der Rechtsprechung sind die Menschen, denen sie anvertraut ist. Der Frage des juristischen Nachwuchses kommt desha:Jib eine besondere Bedeutung ·zu. Der Andrang zum Jurastudium steigt stetig. So ist die Zahl der Rechtsstudenten an der Universität München vom Wintersemester 1955/56 bis zum Winters.emester 1957/58 von ca. 1850 über 2200 auf etwa 2500 ge­stiegen. Von den 300 Teilnehmern der erste:n juri­stischen Staatsprüfung 1958/I werden die meisten auch 'in Bayern den Vorbereitungsdienst ableisten wollen. Das Beamtenrechtsrahmengesetz vom 1. Juli 1957 •sieht vor, daß die Rechtsreferendare Beamte auf Widerruf werden und ohne Rücksicht auf Be­dürftigkeit und Würdigkeit einen beachtlichen Un­terhaltszuschuß erhalten. Dementsprechend bringt der vorliegende Haushalt eine Erhöhung der Unter­haltszuschüsse um 1,9 Millionen DM auf insgesamt 6,7 Millionen DM. Davon entfallen allein 5,56 Mil­lionen DM auf die Rechtsreferendare, die während ihrer: gesamten Ausbildungszeit von der Jus.tiz be­zahlt werden. Diese Zahl zeigt :aber auch, welche Beträge der Staat für die künftigen Juristen auf­wendet, die später zum ,größten Teil freiberuflich oder in der Wirtschaft tätig sind.

Ich begrüße es, wenn diese jungen Menschen ihre AUJsbi1dung frei von materiellen Nöten betrei­ben können und nicht mehr auf die Ausübung von N eberubeschäftigungen angewiesen s.ind. Arude~ rerseits sehe ich mit Sorge, daß der :steigenden Zahl von jungen Juristen 'in den nächsten Jahren ein sinkender Bedarf ·der Staatsverwaltung gegenüber­steht. Wenn von den 237 Teilnehmern der zweiten juristischen Staatsprüfung 1957/I etwa 20 Prozent in den bayerischen Staatsdienst übernommen wer­de:n konnten, 1so wird dieser Anteil in Zukunft noch geringer sein. Da auch die Bundesbehörden und die Wirtschaft ihren Nachholbedarf gedeckt haben, ist mit einem verstärkten Andrang zur Rechtsanwalt­schaft zu rechnen. Die Zahl der in Bayern zuge­lasisenen Rechts:anwälte beträgt zur Zeit über 3100; davon sind fast 1200 in München. Es muß damit ge­rechnet werden, daß die kommende Bund·esrechts­anwalbsordnung mit ihrer ·unbeschränkten Freizü­gigkeit einen weiteren Zustrom von Anwälten nach Bayern bringt. Sie sieht auch vor, daß eine gleich­zeitige Zulassung von Rechtsanwälten 'beim Land­gericht und beim Oberlandesgericht nicht mehr er'­folgt. Ob es möglich rst, die für Bayern vorgesehene Sonderregelung ·zu erhalten, läßt •sich zur Zeit noch nicht sagen.

(Zuruf des Abg. Dr. Nerreter)

Die große z,ahl von Studenten und Rechtsreferen­daren bringt für die Ausbildung der jungen Juri­sten erhebliche Schwierigkeiten. Es zeigt sich immer wieder, daß die Entscheidung für das Rechtsstudium ~im Gegensatz zu vielen anderen Fächern -viel­fach ohne klare Vorstellungen vom Gegenstand dieses Studiums getroffen wird. Neben unklaren, oft unerfüUbaren Berufswünschen mag für diese Wahl auch aus1schlaggebend sein, daß das Rechts­studium am kürzesten und am billigsten ist. Infol­gedessen wählen viele dieses Studium ohne beson­deres Interesse für den Gegenstand und, wie sich

sehr bald zeigt, ohne spezielle juriostische Bega­bung. Sie belasten die Übungen und Seminare, da sie a1s Juriste:n fehl am Platz sind. An der juristi­schen Fakultät der Universität in München sind Übungen mit 600 bis 800 Teilnehmern nicht unge­wöhnlich. Ich brauche nicht festzustellen, daß eine wissenschaftliche Durchdringung des gebotenen Stoffes unter diesen Umständen nicht möglich ist. Auch 'bei großem Einsatz kann der Dozent die ein­zelnen Teilnehmer nicht mehr unmittelbar anspre­che:n. Auf einen ordentlichen Professor treffen et­w;a 210 Studenten. Ein persönlicher und wissen­schaftlicher Kontakt ist unter diesen Umständen nicht mehr gewährleistet. Durch die Einrichtung von Arbeitsgemeinschaften unter Leitung von As­sistenten, wenigstens für die Anfangssemest·er, ist der Verisuch unternommen worden, die Masse etwas aufzulockern.

Es wird ernstlich überlegt werden müssen, wie diesem Problem a·bgeholfen werden ka:nn. Man wird sich nicht allein damit begnügen können, Än­derungen im Studienplan und in der Lehrmethode oder einen AJbbau der Stoffülle im Vorbereitungs­dienst in Erwägung zu ziehen. Vor übereilten Maß­nahmen zur Verminderung der Studentenzahl möchte ich warnen; die Einführung eines numerus clausus scheint mir rechtlich u:nd sachlich nicht vertretbar. Es ist auch nicht angängig, Studieren­den, die d1e erste juristische Staatsprüfung bestan­den haben, den Zugang zum Vorbereitungsdienst zu verwehren mit der Begründung, es bestehe kein Bedarf an Staatsdienstanwärtern. Da der Vorberei­tungsdienst den Zugang zum Beruf des Volljuri­sten und damit auch zur Anwaltschaft eröffnet, widerspräche eine derartige Beschränkung dem Ar­tikel 12 des Grundgesetzes. Selbst die Vorschriften der bayerischen Laufbahnverordnung über die Al­tersgrenze, die den Vorbereitungsdienst vorwie~ gend jungen Kräften vorbehalten sollten, sind nach einer neueren Entscheidung des Bundesverwal­tungsgerichts mit Artikel 12 des Grundgesetzes nicht vereinbar.

Die Reformen zur Neuordnung de1s' juristischen Studiums und de'S Vorbereitungsdienstes bedürfen reichlicher Überlegung und isetzen die Zusammen­arbeit von Vertretern der Wissenschaft, der Landes­justizverwaltungen und der staatlichen Prüfungs­ämter vor.aus. In Bayern wurden für diese Reform­arbeiten ·schon einige Vorleistungen erbracht. Bei einer Neufas'Sung der Ausibildungs- und Prüfungs­ordnung für den höheren Justiz- und Verwaltungs­dienst im Okto'ber 1957 wurden die seit 1952 in der Prüfungspraxis gesammelten Erfahrungen verwer'­tet und versucht, der bei den juristischen Staats­prüfungen in Erscheinung tretenden Stoffülle ent­gegenzuwirken. Ich bin der Auffassung, daß eine gründliche AU!Sbildung in den einzelnen Fächern · der Justiz und der Verwaltung den in der juristi­schen Denkweise geschulten jungen Menschen in den Stand setzt, sich in jedes Rechtsgebiet einzu­'a:rbeiten. Nur wenn sä.eh alle VierwaltUJngen ent­schließen können, die juristische Ausbildung auf einige wesentliche Fächer zu beschränken, wird auch eine Kürzung und Intensivierung des juristi­schen Vorbereitungsdienstes möglich sein. Ich hoffe, daß e•s .. gelingt, Studium, Vorbereitungsdienst und

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Bayerischer Landtag - 135 .. Sitzung. Mittwoch, den 11. Juni 1958 4619

(Staatsminister Dr. Ankermüller)

Prüfungswesen so zu reformieren, daß die Forde­rung nach gut ausgebildeten Juristen in Staat und Wirtschaft weitgehende Erfüllung findet.

Doch lassen Sie mich von den Reformplänen zu­rückkehren zum Alltag unserer Richter! Die Un­terbringung der Justizbehörden bereitet nach wie vor große Sorgen. Sie entspricht weitgehend nicht den Anforderungen, die mit Rücksicht auf die Be­deutung und das Ansehen der Rechtsprechung im öffentlichen Leben gestellt werden müssen. Hier muß auch die Sparsamkeit der Justiz einmal ihre Gren­zen finden. Von den 90 Millionen DM, die im Haus­haltsplan 1958 nach den Ausführungen des Herrn Ministerialdirektors Wambsganz von der Obersten Baubehörde für staatliche Hochbaumaßnahmen vorgesehen sind, entfallen auf den Geschäftsbereich des. Staatsministeriums der Justiz nur 3,8 Millionen DM, das sind etwa 4,2 Prozent. '

Daß bei dieser ahsolut und relativ kleinen Sum­me bei weitem nicht alle Bauwünsche der Justizver­waltung Berücksichtigung finden konnten, liegt auf der Hand. Die Justizverwaltung muß sich deshalb darauf beschränken, im Rechnungsjahr 1958 im we­sentlichen die bereits begonnenen größeren Bau­maßnahmen fortzuführen. So soll in Aschaffenburg der im Rohbau fertiggestellte Bauteil, der die Ge­schäftsräume des Amts- und Landgerichts und der Staatsanwaltschaft aufnehmen wird, im Innern fertig ausgebaut und bezugsfertig hergestellt wer­den. Hierfür ist im Entwurf des Haushalts. 1 Million DM vorgesehen.

Der geplante Neubau eiries Zentraljustizgebäu­des in Hof hat leider dadurch eine Verzögerung erfahren, daß der freischaffende Architekt Professor Pfeiffer-Haardt, dem die Planung und Ausführung dieser Baumaßnahme übertragen war, plötzlich verstorben rst. Eine längere Unterbrechung im Fort­gang der Planung war unter diesen Umständen nicht vermeidbar. Dem Wunsche der Witwe von Professor Pfeiffer-Haardt entsprechend wurde die Fortführung der Architektenleistungen nunmehr dem Architekten Schlegtendal in Nürnberg übertra­gen. Ein entsprechender Vertrag mit diesem wurde inzwischen bereits abgeschlossen. Nach .A!bschluß der Planungsarbeiten hofft die Justizverwaltung, mit dem Neubau noch in diesem Rechnungsjahr beginnen zu können.

Für die Finanzierung des ersten Bauabschnitt.es steht der aus dem Vorjahr verbliebene Ausgabe­rest in Höhe von 1 Million DM zur Verfügung, der in das Rechnungsjahr 1958 übertragen werden soll. Es bestand deshalb keine Veranlassung, für diese Baumaßnahme im Entwurf des Haushaltsplans für 1958 einen weiteren Haushaltsbetrag auszu­bringen.

Ferner muß -der Wiederaufbau des Justizpala­stes in München fortgeführt werden; die Amtsge­richte Rosenheim und Mühldorf sollen Erweite­rungsbauten erhalten. Schließlich sei noch die Er­neuerung der Heizungsanlage in der Strafanstalt München-Stadelheim erwähnt. Die alte Anlage wurde 1894 eingebaut und genügt nach über 60-

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jährigem Betrieb den Anfor,derungen wir k}ich nicht mehr.

Die Ausführungen über den staatlichen Hochbau möchte ich nicht abschließen, ohne einen Blick in die Zukunft zu werfen und auf die Bauaufgaben hinzuweisen, die noch der Lösung harren. Ich denke hier vor 1allem an die völlig unbefriedigenden Un­terbringungsverhältnisse der Justiz;behörden in Traunstein, Starnberg, Landshut, Weiden usw. Daß die Verhält:n;isise dort noch nicht verbessert werden konnten, hat verschiedene Gründe. Ich darf auf die Platzwahl, die Schwierigkeit der örtlichen Planung und die Mittelbereitstellung hinweisen.

So bereitete bei vei;-schiedenen dringend notwen­digen Baumaßnahmen die Beschaffung eines geeig­neten Baugrundstückes besondere Schwierigkeiten. Ich möchte in diesem Zusammenhang vor allem die geplante Errichtung eines Zentraljustizgebäudes in Trau n•s t ein und den in Aussicht genommenen Amts1gerichtsneubau in S t a r n b e r g ·erwähnen so­wie die längst notwendig gewordene Errichtung einer eigenen Rechtspflegerschule für die Justizver­waltung.

Ich freue mich, dem Hohen Hause mitteilen zu können, daß die Platzfrage in Traunstein nunmehr gelöst ist. Nach mühevollen und schwierigen Ver­handlungen mit .den Grundstückseigentümern ist der notwendige Baugrund für die Errichtung eine1s zentralen Justizgebäudes in Traunstein nunmehr gesichert. Die angekauften ·Baugrundstücke wur'­den ·bereits in unsere Verwaltung überführt. Die P1anungsarbeiten für den Neubau schreiten vor­an, so daß die Baumaßnahme voraussichtlich in den Haushaltsplan des kommenden Rechnungsjah­res eingestellt werden kann.

Auch in Starnberg scheint ·sich nach jahrelanger vergeblicher Suche nach einem geeigneten Baugrund­stück nunmehr eine befriedigende Lösung anzu­bahnen. Die Stadt Starnberg hat der Justizverwal­tung neuerdings ein hinreichend großes städtisches Baugrundstück angeboten. Ein entsprechender Stadtratsbeschluß liegt bereits vor. Die notwendi­gen Schritte zum Erwerb dieses Grundstückes durch die Finanzverwaltung sind bereits eingeleitet. Die Planungsarbeiten für den Neubau sollen so geför'­dert werden, ·daß die Maßnahme ebenfalls noch in den Entwurf ·des Haushalts für das Rechnungsjahr 1959 aufgenommen werden kann.

Ein besonderes Anliegen der Justizverwaltung ist die Errichtung einer eigenen Rechtspfleger­schule. Das Rechtspflegergesetz hat bekanntlich die Übertragung weiterer Aufgaben vom Richter auf den Rechtspfleger gebracht. Dieser Umstand ver­pflichtet die Justizverwaltung dazu, der gründ­lichen Ausbildung der Rechtspfleger für ihren künftigen Beruf ihr •besonderes Augenmerk zuzu­wenden.

Die zehnmonatigen Ausbildungslehrgänge für die Rechtspflegeranwärter mußten mangels eines eige­nen Schulgebäudes bisher in einem zu diesem Zweck angemieteten Schloßge•bäude in Haimhausen durch-

. geführt werden. Das Gebäude entspricht längst nicht mehr den Anforderungen und ist viel zu klein. Die jahrelangen Bemühungen der Justizver-

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4620 Bayerischer Landtag - 135. Sitzung. Mittwoch, den 11. Juni 1958

(Staatsminister Dr. Ankermüller)

waltung, für ihre Rechtspfl.egerschule ein geeigne­tes Gebäude oder ein passendes 1Baugrundstück ru finden, ha•ben jetzt erfreulicherweise zu einem Er­folg geführt. Es ist in Aussicht genommen, auf dem Gelände des Verteidigungslastenamts in Starnberg, das demnächst 1seine Tätigkeit einstellen wird, eine eigene Rechtspfl.egerschule zu errichten. Das. Finanz­ministerium hat bereits grundsätzlich sein:e 'Zu­stimmung dazu erteilt, daß dais Grundstück von der Justizverwaltung übernommen wird, 'Sobald das Vertekhl.gungslastenamt seine Täügkeit einge­stellt hat.Das mehrere Hektar große Grundstück liegt ruhig und landschaftlich hervorragend am Ortsrand von Starnberg. Es bietet di:e Mögl:ichkeit zu körper­l!ich1er Erholung und sportlicher Betätigung für ,die in der Ausbildung s.tehenden Anwärter. Infolge der ,günstigen Baihnverbindung mit München, von wo aus schon bisher die Schule mit den erforder­lichen Lehrkräften versorgt wurde, i!st es. für die Errichtung der Rechtspflegerschule in idealer Weis'e geeignet. Auch dieses Bauvorha:ben soll möglichst noch im Rechnungsjahr 1959 zur Durchführung kommen.

Besonders wichtig wäre auch die Erweiterung der Strafanstalten München-Stadelheim zu eli.ner Zen­tralanstalt für den Münchner Raum. Dann könn­ten endlich die im Stadtinnern befindlichen Zweig­anstalten Neudeck und Cornelius aufgelassen wer­den.

Daneben ist ed:ne Reihe weiterer Baumaßnah­men .geplant, so die Errichtung eines neuen Amts­gerichtsgebäudes in Viechtach, eines ·zentralen Ju­stizge·bäiudes in We1den und in Landshut. Von wei­ter erforderlichen Neu:bauten seien noch Lindau, Eggenfelden, Reichenhall und Ochsenfurt erwähnt.

Es d.st wo'hl jedem verständlich, daß bei einem Haushaltsbetrag von nicht einmal 4 Mlillionen DM für Hochbaumaß:nahmen nicht alle Bauvorhaben meiner Verwaltung in einem Rechnungsjahr durchgeführt werden können und daß eine Vertei­lung des Bauprogramms auf mehrere Jahre not­wendig ist. Ob und in welchem Zeitraum. die Ju­stizverwaltung 'ihre Baupläne wird verwirkllichen können, hängt in ·erster Lin1e von 1der iEntwicklung der Haushaltslage in den näcl:vsten Jahren aib. Bed der ,großen Zahl der noch durchzuführe:nden Bau­maßnaib.m>en wäre es sehr erwünscht, wenn der Haushaltsbetrag für staatliche Hochbaum.aßnahmen im Bereich des Justizministeriums 1m kommenden Etatjahr eine wesent~iche Erhöhung erfahren könnte.

Einsparungen in absehbarer Zeit erwarte ich mir von 1einer weiteren Rationalisierung des Geschäfts­betriebs. Diesem Ziel dienen Vere'infächungen im BürO'betrieb lmd die Ansch1affung neuzeiüicher tech:nischer Einrichtungen, wie z.B. zweier Bu­chungsmaschinen und einer Rotaprintdruckmaschi­ne. Auch die Bereinigung der veröffentlichten Ju­stizverwaltungsvorschriften muß im Rahmen der Vereinfachungsmaßnahmen erwähnt werden. Dh~ Bereinigte Sammlung der bayerischen Justizverwal­tungsvorschriften i1st noch 1957 als erste Sammlung der bayerischen Ministerien erschi!enen.

Der Landtag hat in einem Beschluß vom 11. Juli 1957 einen Stellenabbau von 10 Prozent in den Ministerien gefordert. Der Herr Ministerpräs1dent hat in seiner Regierungserklärung am 26. März 1958 eine Überprüfung der einzelnen Staatsmini­sterien durch den Bayerischen Obersten Rech­nungshof angekündigt, die eine Herabsetzung des üb'erhöhten P;ersonalstandes der Ministerien errei­chen soll.

Der Personalstand des Bayerischen Staatsministe~ riums der Justiz ist nach 1945 im Vergleich zu frü­her nicht 1bedeutend u:nd im Verhältnis zu anderen Ministerien wesentlich .geringer 'gest~eg.en. Auch hat eine Überprüfung der im Justizminis11erium an­fallenden Aufga:ben ergeben, daß .AJUfgaben, auf die überhaupt verzichtet werden könnte, nicht vor­handen sind; denn das Staatsministerium der Ju­stiz ist mit al1gemeinen Verwaltungsaufgaben nur insoweit befaßt, als sie der Sicherstellung 1e'iner ein­wandfrei arbeitenden Rechtspflege oder der Heran­bildung des Nachwuch1ses dienen. Der Schwerpunkt der Tätigkeit meines Ministeriums liegt auf der Mitwirkung bei der Bundes- und Landesgesetzge­bung; aJUf diese Aufgaben kann keinesfalls ver­zichtet werden und sie müssen natm1gemäß auch in vollem Umfang dem Mini:st·erium vorbehalten blei­ben.

Dagegen war es möglich, die ZUJständigkeit der meinem Ministerium nachgeordneten Behörden in Pernonalangelegenheiten und in Gnadensachen zu el"Weitern. Für das Ministerium brachte die Neu­regelung der Zuständigkeit in Gnadensachen eine füMbare Entlastung; denn die immerhin zahlrei­chen Gnadengesuche, die von keiner beteiligten Stelle befürwortet werden, können nunmehr ohne Mitwirkung des Ministeriums von den General­staatsanwälten in eigener Zuständigkeit abgelehnt werden.

In den letzten Jahren waren Einsparungen im Personalstand meines Min1steriums im wesentlichen nur dadurch zu er21ielen, daß Beamte, die zur Be­wältigung des erheblichen Geschäftsanfalls in das Ministerium aibgeordnet waren, nach der Über­nahme auf inzwischen freigewordenen Planstellen des Ministeriums. oder nach Beendigung ihrer kbo1-ld­nu:ng nicht mehr ersetzt wurden. Nunmehr ist auch ein Planstellenaibbau mögHch. Von besonderer Be­deutung ist in diesem Zusammenhang das neue bayerische Besoldungsgesetz, das vor kurzem ver..: abschiedet worden :i!st. Der Wegfall des Diäten­dienstalters und verschiedene sonstige Veränderun­gen des ·bisherigen Rechtszustan!ds haben ·zur Folge, daß d'ie Besoldungsangelegenheiten meines Ge­schäftsbereich1s,, die bisher zw1schen dem Ministe­rium und den Oberlandesgerichtspräsidenten auf­geteilt waren, in vollem Umfang den Oberlandes­gerichtspräsidenten übertragen weiden können. Im Staatsministerium der Justiz wevden dadurch 4 Sachbeavbeiter für Beso:tdungsangelegenheiten ein­gespart.

Ich beabsichtige ferner, den Oberlandesgerichts­präsidenten in allernächsterZeit weitere Zuständig­keiten in Personalangelegenheiten zu übertragen. Auch diese Zuständigkeitsverlagerung wird bei den nachgeordneten Behörden keine Personalv•ermeh-

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Bayerischer Landtag - 135. Sitzung. Mittwoch, den 11. Juni 1958 4621

(Staatsminister Dr. Ankermüller)

rung zur Folge ha1ben, während im Ministerium selbst etlwa 5 Stellen in Wegfall kommen können. Damit dürfte allerdings in meinem Ministerium die Grenze der augenfälligen Einsparungsmöglichkeiten erreicht s'ein.

In Auswirkung der Maßnahmen, 1die ich Ihnen eben darlegen durfte, sieht der vorliegende Haus­haltsplan meines Geschäftsbereichs für das Jahr 1958 vor, daß der Personalstand des Staatsministe­riums der Justiz 1Um 4 Stellen des höheren Dien­stes, um 4 Stellen dres 1gehobenen Dienstes, um 1 Stelle des einfachen Dienstes und um 3 Stellen für Angestellte verringert wird. Für das Staatsministe­rium der Justiz bedeutet diese Stellenülberlragung eine Verringerung des Personalstands um ca. 7 Pro­zent ..

Eine Personaleinsparung bei Iden Gerichten schei­tert in der Regel daran, daß den Gerichten lau­fend neue Aufgaben übertragen wel'den. Ich möch­te hier aus der letzten Zeit nur die Berufsgerichts­barkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte und Apo­theker, das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkun­gen und das Gleichberechtigungsgesetz erwähnen.

Im übrigen ermöglicht es die .A;bgabe von Zu­ständigkeiten dem Ministerium, sich noch stärker auf seine eigentliche Aufgabe, die Mitwirkung bei der- Gesetzgebung, zu konzientrieren. Über die Landesgesetzgebung brauche ich an dieser Stelle ja ke1ne Ausführungen zu machen. An der Bun­desgesetzgebung wirkt mein Ministerium häufig schon durch $tellungnahmen gegenÜ!ber dem Bun­desjustizministerium mit. Das Schwergewicht liegt jedoch bei der Arbeit des Bundesrates.

Seit meinem Amtsantritt ha:be ich mein besonde­res Augenmerk darauf gerichtet, für eine intensive Mitarbeit des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz im Rechtsausschuß des Bundesrates in Bonn besorgt ·zu sein. Ich habe dies deswegen für not­wendig gehalten, weil auf diese Weise die Möglich­keit ·besteht, die Gesetzgebung des Bundes maßgeb­lich zu :beeinflussen, und zwar unter zwei Ge­sichtspunkten: Wahrung vitaler Interessen der Länder und ·der föderalistischen Struktur des Bun­des sowie Gestaltung solcher Gesetzie, die besonders für das J'U!S.tizressort von Bedeutung sin!d.

Der Rechtsausschuß hat praktisch zu allen wich­tigen Ges·etzentwürfen unter allgemein-rechtlichen, vor allem aber unter verfassungsrechtlichen Ge­sichtspunkten, Stellung zu nehmen. Seine Arbeit ist um so ·bedeutsamer, als der Bund in einer inten­siven Gesetzgebungstätigkeit darum bemüht ist, das geltende Recht auf weiten Gebieten den ver­änderten Lebensverhältnissen und - wi'e z. B. im Familienrecht - der veränderten verfassungsrecht­lichen Situation anzupassen. Dabei handelt es sich um Reformen, die zum großen Teil als una1bweis­bare Aufgaben auf'den Gesetzgeber zukommen; man denke .beispielsweise an die 1dringend erforderliche Neugestaltung des Lebensmittelrechts oder an· das Baurecht m1t seiner geradezu unübersehbaren Fülle rechtlicher und rechtspolitischer Probleme. Das Bedürfnis nach solchen grundsätzlichen Refor­men weiter Rechtsgebiete bedingt aber naturgemäß

die Gefahr einer unabläsis·igen Ausweitung der Bundesgesetzgebung unter dem Gesichtspunkt des Sachzusammenhangs. Eine solche Ausweitung könnte zu einer Umkehrung der im Grundgesetz vorgesehenen Verteilung der Gesetzgebungskompe­tenzen und damit zu einer Entmachtung der Län­derparlamente führen. Der Rechtsauss.chuß des Bun­desrates, dem als Mitglied anzugehören ich die Ehre habe, ist deshalb unter intensiver Beteiligung der bayerischen Vertreter unablässig darum bemüht, bei den ihm zur Stellungnahme vorgelegten Ge­setzentwürfen hinsichtlich jeder Einz•elbestimmung zu prüfen, ob eine Gesetzgebungszuständigkeit des BuD'des gegeben ist.

Ähnlich ist die Lage bei den Verwaltungskompe­tenzen. Auch hier muß immer wieder dem Bestre­ben entgegengetreten werden, den Bundesstellen Verwaltungsaufgaben zu übertragen, die nach der Zuständigkeitsvertieilung des Grundgesetzes den Ländern ~tehen.

Welch mühevolle und unter dem Zeitdruck außerordentlich kurzer Friisten zu leistende Al'be1it dem Rlechtsausschuß des Bundesrates für die näch­sten Jahre :bevorsteht, mögen Sie aus der Ankün­digung der Bundesregierung ersehen, daß der Bun­destag in dieser Legislaturperiode noch 122 Gesetze verabschieden will. Darunter befinden ·sd"h so be­deutsame Probleme wie z. B. die Änderung des .Aktienrechts und des Urheberrechts sowie die Straf­rechtsreform.

Auch die Mitarbeit an der nun beginnenden Be­reinigung des Bundesrechts ist für uns von Wich­tigkeit. Die vielfachen Überschneidungen von Bun­des- und Landesrecht bedürfen einer Klärung. Eis ist ein besonderes Anliegen der Länder, j-e1der Be­einträcht1gung des Landesrechts im Rla'hmen der Bereinigungsarbeiten ·entgegenzutreten.

Eine Sorge der Bevölkerung, die in den }etzten Jahren wiedterholt vorgebracht worden ist, gilt der langen Dauer mancher Verfahren. Wenn auch die Verhältnisse bei den Gerichten im Bereich mei­nes Ministeriums günstiger liegen alis bei anderen Gerichten, so ist doch der an sich wünschenswerte Zustand noch nicht erreicht.

J·edoch ist zu ·berücksichtigen, daß ·bei Zivilpro­zessen teilweise die Parteien das Verfahren ver­rschleppen oder doch durch mangelnd1e Unterstüt­zung des Gerichts die erforderliche Sachaufklärung erschweren. Nach einer zum 31. Dezember 1957 er­stellten Üb'ersicht waren zu dieser Zeit etwa 90 Pro­zent der bei Iden Landgerichten im Jahre 1956 an­hängig gewordenen allgemeinen Zivilprozesse in dieser Instanz erledigt. Bei Ehe- und Kindschafts­prozessen beträgt dieser Anteil sogar 96 Prozent, •bei Berufungsverfahren 95 Prozent. :f...uch bei Be­rufungsverfahren vor den Oberlandesgerichten liegt der Anteil mit 92 Prozent hoch. Es ist eine Ausnahme, wenn Zivilverfahren länger als zwed. Jahre bei einem Gericht anhängig sind. Auch auf dem Geb'iet des Strafrechts haben sich die Verhält­nisse gebessert. Von den bei den Gerichten 1956 an­hängig gewordenen Strafverfahren sind fast 2/3 in weruiger als drei Monaten und ein weiteres Fünftel in drei ·bis sechs Monaten reÄb.tskräftig abgeschlos­sen worden. Ledigld.ch 4,6 Prozent :der Verfahren

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4622 Bayerischer Landtag - 135. Sitzung. Mittwoch, Iden 11. Ju:n:i 1958

(Staatsminister Dr. Ankermüller)

dauerten über ein Jahr. Nach ·den vorliegenden Anhaltspunkten ist die Entwicklung auch 1957 wei­terhin günstig verlaufen. Die Zeitspanne, in der die Revfaionsgerichte ihre Entscheidungen treffen, hat sich gerade d.n letzter Zeit erheblich verkürzt. Be­sonders möChte ich hier erwähnen, daß das Baye'" ri:sche Oberste Landesgericht im Jahre 1957 die un­gewöihnlich hohe Zahl von 2783 Revisioinen erledigt hat.

Als Beispiel für den A:blauf von Strafverfah­ren darf ich ein Verfahren wegen fahrlässiger Tö­tung und Unfallflucht erwähnen, über das mir vor einigen Tagen berichtet wurde. Der schwere Verkehrsunfall •ereignete sich am 1. Januar 1958. Bereits am 16. Januar 1958 wurde Anklage zur Strafkammer erhoben. Das in der Hauptverhand­lung vom 11. April 1958 verkündete Urteil wurde am 10. Mai 1958 rechtskräftig. Der Verurteilte verbüßt zur Zeit seine mehrjährige Gefäng:n:isstrafe in der Strafarus.talt Bernau. ·

Bei den sich länger hinziehenden Verfahren wirkt sich nach wie vor öfters die notwendige Zuziehung von Sachverständigen hemmend aus. Seit einigen Jahren werden Richter und Staatsanwälte in Aus·­bildungslehrgängen im Bilanz- und Buchprüfungs­wesen, in der Kriminologie und auf kraftfahrtech­nischem Gebiet unterrichtet. Auf Grund der hier­bei erworbenen besonderen Kenntnisse kann in manchen Fällen eine Heranziehung von Sachver­ständigen unter:bleiben.

Besondere Bedeutung kommt in dieis·em Zusam­menhang ·dem landgerichtsärztlichen Dienst zu. Die Landgerichtsärzte, die Fachkenntnisse auf dem Gebiet der Pathologie, Psychiatrie und der gericht­lichen Medizin nachweisen müssen, •beeinflussen den Ablauf vieler Strafverfahren 'erheblich. Wenn gerichtsärztliche Gutachten verspätet erstellt wer­den oder infolge mangelnder Überzeugungskraft die Erholung eines. Obergutachtens erforderlich ma­chen, so verzögert sich dadurch die Erledigung der Verfahren; auch können hohe zusätzliche Kosten entstehen. Leider hat sich in den letzten Jahren wiederholt gezeigt, daß der landgerichtsärztliche Dienst seine Anziehungskraft auf den ärztlichen Nachwuchs weitgehend eingebüßt hat. Es wird im­mer schwieriger, geeignete Bewerber für offene Stellen zu finden. Durch ·eine wesentliche Besse­rung des Stellenplans und durch Schaffung von Hil:fostel1en für junge Ärzte wird diesem Mangel abgeholfen werden müssen. Au.eh dürfte die Frage der N eheneinnahmen etwa:s .großzügiger gelöst werden. Entsprechende Verhandlungen mit dem Staatsministerium des Innern sind im Gange. Mit den geplanten Maßnahmen könnte wohl das Inter­esse für den landgerichtsärztlichen Dienst hei tüchtigen jungen Ärzten wieder verstärkt werden.

Ein Problem, da:s in der Öffentlichkeit viel bespro­chen wird, sind der Stand und die Entwicklung der Kriminalität. Sie geben zu besonderer Besorg­nis keinen Anlaß. Auch die Zahl der schweren De­likte ist seit längerer Zeit auffallend konstant. Zwar ist die Zahl der straffälligen Jugendlichen und Heranwachsenden seit Jahren im Wachsen be-

griffen; jedoch steht ihr eine Verringerung der Zahl der erwachsenen Täter gegenüber. Die Be­fürchtung, daß die straffällig gewordenen Jugend­lichen auch nach ihrem 21. Lebensjahr kriminell in Erscheinung treten und so die Kriminalität der Gesamtbevölkerung steigen würde, ist nach den Er­fahrungen der letzten Jahrzehnte nicht begründet. Einzelheiten zur Frage der Kriminalität bitte ich der Beilage zur Haushaltsrede zu entnehmen.

In diesem Zusammenhang darf ich auch auf die schon erwähnte Strafrechtsreform noch kurz ·ein­gehen. Sie ist in diesem Hause 'Schon mehrfach be­sprochen worden. Die große Strafrechtskommission, in der Bayern durch einen hohen Richter und den Le'iter der Strafrechtsa:bteilung meines Hauses ver­treten ist, hat füe Beratung des Allgemeinen Teils ahgeschloss•en. Das Bundesjustizministerium hat den Entwurf des Allgemeinen Teils mit einer Be­gründung versehen und der Öffentlichkeit über­geben. Die Beratungen über 1den Besonderen Teil werden von der Kommission voraussichtlich noch in diesem Herbst beendet. Es ist zu erwarten, daß sich schon im nächsten Jahr der Bundesrat mit der Re­gierungsvorlage befassen kann. Damit ergibt sich die ·begründete Hoffnung, daß das große Werk - ein Anliegen zweier Generationen - in absehbarer Zeit vollendet werden kann.

Die Strafrechtsreform wird sich auch auf den Strafvollzugsdienst auswirken. Dieser wird seine Bemühungen, neben der Aufrechterhaltung von Si­cherheit und Ordnung auf die Gefangenen erziehe­risch einzuwirken, fortsetzen und venstärken müs­s·en. Die Einstufung und Besoldung der Aufsichts­beamten entsprach bisher nicht ihrer Bedeutung und der Schwierigkeit ihrer Dienstaufgaben. Daher ist die im Besoldungsgesetz vorgesehene Überfüh­rung der Beamten des Aufäichtsdienstes in den mittleren Dienst besonders zu begrüßen. Sie läßt uns hoffen, daß sich in Zukunft wieder mehr junge Leute für den Dienst bei den Vollzugsanstalten ge­winnen lassen und damit die dringenden Nach­wuchs1sor.gen behoben wel'den können.

An dieser Stelle möchte ich auch die den Mit­gliedern des Hohen Hauses aus den Meldungen von Presse und Rundfunk hinreichend bekannten be­dauerlichen Vorfälle in den Strafanstalten Nürnberg erwähnen. Die Justizverwaltung hat größten Wert darauf gelegt, daß die Verfehlungen der einzelnen Bediensteten ohne Rücksicht auf die Person gericht­lich geahndet werden. Inzwischen wurden die Hauptbeteiligten in erster. Instanz zu Gefängni:s­strafen zwischen einem Jahr und einem Jahr vier Monaten verurteilt. Mit Rechtskraft der Urteile wer­den diese Beamten kraft Gesetzes aus dem Beam­tenvel'hältnis ausscheiden. Bei Beamten mit Stra­fen unter einem Jahr werden sich Dienststrafver­fahren anschließen. Soweit Angestellte verurteilt wurden, ist ihr Dienstverhältnis bereits durch Kündigung beendet. Zur Vermeidung ähnlicher Vorfälle in Zukunft wurden ·entsprechende Vor­kehrungen getroffen. Soweit sich bei den im Beneh­men mit dem Landeskriminalamt vorgenommenen Überprüfungen technische Verbesserungen zur Er­höhung der Sicherheit als notwendig erwiesen ha­ben, •sind diese in Angriff genommen. Gerade im

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Bayerischer Landtag - 135. Sitzung. Mittwoch, den 11. Juni 1958 4623

(Staatsminister Dr. Ankermüller)

Hinblick auf die Vorfälle in Nürn'berg möchve ich hier feststellen, daß der weitaus größte Teil der rund 2000 im Strafvollzugsdienst beschäftigten Be­amten, Angestellten und Arbeiter den schweren verantwortungsvollen und gefährlichen Dienstjahr­aus jahrein mit Pflichttreue, Zuverlässigkeit und Gewissenhaftigkeit verrichtet. Sie verdienen das große Verständnis, das ihnen bei der Besold:ungs­neuregelung entgegengebracht wurde.

Eine Reihe von Damen und Herren aus dem Ho­hen Haus zeigt durch ihre Tätigkeit als Anstalts­beiräte bei den Vollzugsanstalten, daß die Volks­vertretung an der Wiedereingliederung der Ge-1strauchelten in das bürgerliche Leben interessiert ist. Darüber hinaus sind diese Beiräte aber auch wertvolle Berater und bewährte Helfer der An­staltsvorstände beim Strafvollzug. Ich darf ihnen für ihr Verständnis und ihre Mitarbeit auch im vergangenen Jahr meinen besonderen Dank aus­sprechen.

Zwei Fragen möchte ich noch kurz behandeln, die in letzter Zeit Gegenstand eingehender AUJsschuß­erörterungen waren: Das Gerichtsvollziehersystem und die Entnazifizierungsfrage. Dem Hohen Hause ist bekannt, daß auf Grund eines Antrags von zwei Abgeordneten das Gerichtsvollziehersystem in Bayern geändert werden soll. Um den Beratungen, die im Haushaltsausschuß noch stattfinden müssen, nicht vorzugreifen, möchte ich auf dieses Pro·blem heute nicht eingehen.

Über den Abschluß der Entnazifizierung hat mein Ministerium entsprechend einem Beschluß des Aus­schusses für Verfassungsfragen und Rechtsfragen zu dieser Angelegenheit ein Gutachten erstellt. Die­ses befaßt sich u. ·a. mit der Frage, inwieweit die in Anwendung des Entnazifizierungsgesetzes entstandenen staatsbürgerlichen und beamtenrecht­lichen Nachteile durch eine Änderung der einschlä­gigen Gesetze beseitigt werden können. In dem Gutachten werden die Rechtsgrundlagen und die Entwicklung des Entnazifizierungsrechts aufgezeigt und Vorschläge über die Gestaltung ·eine:s. dritten Abschlußgesetzes zur Entnazifizierung unterbreitet. Auch wird untersucht, inwieweit die durch das Befreiungsgesetz zum Schutze des demokratischen Staates und zur Wiedergutmachung auferlegten Sühneleistungen und Be·schränkungen noch gerecht­fertigt sind. Das Gutachten wurde kürzlich den üb­rigen Staatsministerien zur Stellungnahme zugelei­tet. Da diese Stellungnahmen noch ausstehen, möch­te ich auf die Angelegenheit heute nicht näher ein­gehen. Jedoch bin ich persönlich der Meinung, daß nunmehr der Zeitpunkt gekommen sein dürfte, den noch bestehenden Spruchkammerapparat aufzulö­sen und die politische Überprüfung, soweit sie überhaupt noch für erforderlich gehalten wird, Be­hörden der allgemeinen Verwaltung zu übertragen.

·Ich möchte meine Ausführungen nicht beenden, ohne darauf hinzuweisen, daß mein MinisteriuII). guten Beziehungen zu allen Nachrichtenagenturen sowie zu Presse, Rundfunk und Fernsehen eine besondere Bedeutung beimißt.

(Zuruf des Abg. Dr. ·Becher)

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Von ihrer Berichterstattung wird das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Unabhängigkeit der Ge­richte und in die Gerechtigkeit der Rechtsprechung wesentlich beeinflußt.

Tch glaube, daß der bestehende enge persönliche Kontakt der Pressestelle med.nes Ministedums zu den Nachrichtenorganen und Berichterstattern und e'ine großzügige Informationsbereitschaft die beste Gewähr dafür bieten, eine objektive Berichterstat­tung zu fördern. Tatsächlich hat die unbürokrati-1Sche Zusammenarbeit meiner Pressestelle mit allen Nachrichtenorganen zu einer guten und vertrau­ensvollen Zusammenarbeit der Justiz mit Presse und Rundfunk geführt. Dabei möchte ich das Ver­antwortungsibewußtsein der Redaktionen und der Berichterstatter besonders anerkennen.

Jedoch darf ich ein ernstes Anliegen erwähnen, das meines Erachtens noch nicht voll verwirklicht ist. Ermittlungsergebnisse der Polizei und der Sta1atsanwaltsclmften und der Inhalt staatsanwalt­scha:litHcher Ank1a1geschriften dürfen im Interesse des Anseihens ·und d:e1s .Schutzeis jedes Staatsbüvgers so lange Il!icht als 'Ilatsachen ausgegeben wevden, bis sie von einem Gericht überprüft und durch Urteil festgestellt sind. Soweit aus_ triftigen Gründen von einer vorzeitigen Veröffentlichung nicht überhaupt abgesehen werden kann, sollte wenigstens in jedem Bericht deutlich hervorgehoben werden, daß vor­erst nur Verdachtsgründe vorliegen, die noch der richterlichen Prüfung bedürfen. Den Redaktionen ist das Problem •bekannt und 1sie messen ihm große Bedeutung bei.

(Abg. Dr. Becher: Das Eldorado der Revolverpresse!)

Ich ·bd.n deshalb überzeugt, daß sich auch hier in einer offenen und ehrlichen Zusammenarbeit und durch freimütige Aussprachen eine befriedigende Lösung erreichen läßt. Jedenfalls werden wir fort­fahren, ohne jeden Versuch obrigkeitsstaatlicher Bevormundung die bestehenden guten Beziehun­gen zu allen Nachrichtenorganen im Geiste freund­schaftlicher Zusammenarbeit weiter zu fördern und zu vertiefen.

Bei der Beschränkung meiner Rede mußten man­che Punkte, die eine ausführliche Behandlung ver­dient hätten, unerörtert bleiben oder konnten nur gestreift werden.

Ich möchte meine Ausführungen nicht ahschlie­ßen, ohne auch an dieser Stelle allen Angehörigen der Bayerischen Justiz meinen ·besonderen Dank für ihre Leistungen auszusprechen.

Ich glaube, meine Damen und meine Herren, daß der Justizhaushalt 1958 trotz einiger längst erfor­derlicher Stellenmehrungen auch Ihnen insgesamt den Eindruck der Sparsamkeit vermittelt. Dennoch bedeutet er einen weiteren Schritt auf dem Weg zum Ziel, das wir uns gestellt haben: möglichs.t günstige äußere Bedingungen zu schaffen, damit die bayerische Justiz in Zukunft noch Besseres zu leisten vermag!

Ich darf Sie daher bitten; dem Haushaltsplan des Staatsministeriums der Justiz Ihre Zustimmung zu erteil:en.

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien)

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4624 Bayerischer Landtag - 135. Sitzung. Mittwoch, den 11. Juni 1958

Anlage

zur Haushaltsrede 1958 des Staatsministers der Justiz

Dr. Ankermüller

Der Voranschlag zum JUJs,tizhaushalt 1958 wurde auch heuer wieder unter dem Gesichtspunkt mög­lichster Sparsamkeit aufgestellt. Die Justiz hat stets al'S eine der sparsamsten Verwaltung;en g;egolten. Sie ist bestrebt, sich dieisen guten Ruf auch weiter­hin zu erhalten.

Allerdingis muß die Sparsamkeit dort ·eine Grenze finden, wo sie auf eine Beeinträchtigung oder gar eine Gefährdung der Erfüllung der drer Justiz ob­Hegenden Aufgaben hinausliefe. Die Justizverwal­tung war daher 1hestrebt, vor allem diejenigen Ausgabenbeträge in den Entwurf des, Haushalts­plans aufzunehmen, die zur Erfüllung !ihrer Auf­gaben unerläßlich notwendig ·si:nd. Andenens.eits mußte auf die zunächst geplante Aufnahme oder Enhöl:uung mancher Ausgabeposten verzichtet wer­den, die mit 1der nun einmal .gebotenen sparsamen Haushaltsführung nicht in Einklang gebracht wer­den konnten. Selbstverständlich wurde die Siche­rung des Haushaltsgleichgewichts auch beider Auf­stellung des Einzelplans 04 als unverrückbares Ziel im Auge behalten. Das ·bedeutet bei der beschränk­ten FinanzkI'.aft unseres Staates, daß nicht alle Wünsche vestlos erfüllt werden konnten un!d man­che der Lösung noch harrenden Aufga!ben, vor al­lem auf dem Bausektor, der notwendigen Erneue­rung des Mobiliars derGerichte und Staatsanwalt­schaften und der Moderniisierung und Technisie­rung der Verwaltung auf künftige Haushaltsjahr.e verschoben werden mußten.

I. Aufgaben und Aufbau der Justiz­. verwaltung

Das Vorwort zum Einzelplan 04 en:thält <lli:e we­sentld.chen Angaben über 1die Au:figarben und tlen Aufbau der Justizv.erw.altung. Auch die wichti:g­sten V:eränlderungen sind dort ·an1geführt.

Übe·r die Auswirkungen des Rechtspflegergesetzes kann noch kein Erfahrungshericht gegeben werden; denn die Zeitspanne seit seinem Inkrafttreten am 1. Juli 1957 ist zu kurz, um die Auswirkungen ilm einzelnen zu beurteilen. Von der im Rechtspfieger­g.esetz vorgesehenen Möglichkeit, die Erledigung be­stimmter Arten von Geschäften, nämlich der ZwaQ1Jgsv·ersteigerungs- urn:d Zwangsverwaltungs­verfaihren soiwie der Konkurs- und Ve11gleichs­v·erfähren bei größeren Amtsgerichten zu kon­zentrie11en, wuride Geibriauch gemacht. Durch die Verordn1Ungdes J'll!s.tizministerium vom 21. Juni 1957 wurde 31 Amtsgerichten dle Erledigung dieser Ge­schäfte übertragen. Demzufolge sind die kleineren Amtsgerichte seit 1. Juli 1957 mit neuangefallenen Verfahren diese1r Art nicht mehr befaßt. Es läßt sich wohl jetzt schon sagen, daß sich diese Konzen­tration der Zuständ~gkeit bewähren wlird; denn die Er1edigung !dieser tatsächlich und rechtlich oft schwierigen Verfahren setzt Kräfte voraus, die auf dies'en Sp1ezialgebieten besonders erfahren ·sinld. Dies:e Kräfte können nur bei größeven Gerichten

mit einem gehäuften Anfall derartiger V:erfahren herangebildet werden. D~ese Al'beitsrationaliis.ie-. rung läßt auch erwarten, daß in Zukunft die Ver­fahren zügiger ·behandelt werden und somit die allseits erwünschte Beschleunigung err:eicht wird. Ob und inwieweit es durch die Neugestaltung der Rechtspfl.egertät!i.gk,eit möglich sein wird, üiber die dringend notwendig:e Entlastung der \Richter hinaus Stellen einzusparen, läßt sich mangels a:u:s.reichen­drer Erfahrungen noch nicht übersehen. Es ·sind je­doch Maßnahmen getroffen, damit im Laufe der nächsten Ze1it festg.estellt we!'den kann, 'in welchem Ausmaß die Richter durch dieTätigkeit !der Rechts­pfleger entlais.tet werden.

Hervorzuheben ist, daß die Zahl der Amtsgerichts­gefängnisse g.egenüber dem Vorjahr erneut um 2 auf 33 zurückgegangen d:st. Die Gerichtsgefängnisise in Füssen und Hammelburg wurden aufgehoben. Auch di!e Vollstreckungsabteilung des ehemalig.en Arbed.tshauses, Rebdorf wurde mit Wirkung vom 1. April 1958 aufgelöst. Das Fersonal wurde zum größten T·eil von der Justizverwaltung über.n.om­men.

II. Einnahmen

Die Gesamteinnahmen betragen 66 228 600 DM. Sie haföen 1sich gegenüber !dem Vorjahr um3 604 800 DM erhöht. Davon entfallen auf Strafen 3 000 000 DM U!ll!d auf erwartete Mehre'innahmen aus der Arbeitsverwaltung der Vollzugsanstalten 600 000 DM.

Die Einnahmen aus Gebühren (Kap. 04 03 Tit. 3) sind im Rechnungsjahr 1957 gegenüber der Ent­wicklung in den vorausgegangenen Rechnungisdah­ren erstmars letl.cht zurückgegangen. Dabei ist zu bemerken, daß sich das Gesetz zur Änderung und Ergänzung kostenrechtlicher Vo:rischriften vom 26. Juli 1957 (BG1.Bl. I S. 861) auf der Einnahmenseite nicht iin ,dem erhofften Maß ausgewirkt hat. Gegen­über ·dem bereits im Vorjahr im Hinbl>ick auf die Kostenrechtsreform beträchtl'ich angehobenen Haus­haltsbetrag i:s.t daher edne weite~e Erhöhung des Ansatzes für den Eingang ·von Gebühren rucht mehr vertretbar~ Hiegegen hat bei den Geldstrafen (Kap. 04 03 Tit. 5) die Aufwärtsentwicklung auch im Rechnungsjahr 1957 angehalten. Ebenso ze1gen die Einnahmen aus der Arbeitsverwaltung der Vollzugsanstalten (Kap. 04 04 T·it. 15) nach wie vor eine steigende Tendenz.

III. Ausgaben

D~e Gesamtausgaben betragen 103 703 400 Dil\IL Sie sind gegenüber 1957 um 10 145 700 DM gestiegen.

Die Erhöhung b·etrifft vor allem 1die Personalko­sten. Diese sind von rd. 94 Millionen DM im Rech­:hungsj ahr 1957 auf r'cl. 103 MiHionenDM d.m Rech­nungsjahr 1958, somit insgesamt um rd. 9 Millio­nen DM, g,est!i.egen. Hiervon entfallen 8,4 Millio­nen DM auf die in allen Einzelplänen sich auswir­kende Erhöhung der Bezüge durch die vom Lan'd­tag nunmehr verabschiedete Besoldungsreform und die Erhöhung ·der Sätze für Trennungsentschädi­gung und Beschäftiigungsvergütung und 600 000 DM auf ·echte Stellenmehrungen und Stellenhebungen. Bemerkenswert ist, •daß von der veranschlagten Er-

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Bayerischer Landtag - 135. SitzUll!g. Mittwoch, den 11. Juni 1958 4625

höhung der Personalkosten allein ein Betrag von 1,9 Millionen DM auf die Rechtsreferendare unlcl die Beamtenanwärter ·entfällt, da dtie Rechts1referen­dare nunmehr grundsätzlich die vollen Sätz·e für Unterhaltszuschüsse erhalten.

Die Sachausgaben hahen sich insgesamt nur um 346 200 DM ·erhöht, und zwar von 17 016 900 DM auf 17 381100 DM.

Eine Erhöhung der Ansätze ist vor allem vorge­sehen be!i. Tit. 200 (Geschäftsbedürfni!sse) mit Rück­sicht auf die Zunahme der Geschäfte bei den Grundbuchämtern und den erhöhten Be'daTf der Lichtb!i.1dste11en an Photopapier und Chemikalien sowie bei Tit. 201 b (Ersatz der Geräte und Aus­stattungsgegenstände in den Diensträumen) für die Ersatzbeschaffung von Schreibmaschinen. Von den bei den Justizbehörden verwerudeten rd. 4700 Schreib­maschinen sind etwa 750 Maschinen 25 Jahre und älter. Sie sollen im Rahmen e!i.nes sich auf meh­rere Jahre erstreckenden Programms allmählich durch moderne, leistungsfäh'ige Maschinen · ers·etzit werden.

Die Justizverwaltung ist ferner bestrebt, der im­mer noch bestehenden Raumnot bei verschd·edenen Justizbehörden durch zweckmäßige Umhauten oder Erweiterungsbauten der vorhandenen Gebäude zu begegnen. Im Zuge der baulichen V:e!'lbesserungen sollen gleichzeitig die vielfach 1erneuerungshedürf­tigen unid nicht mehr wirtschaftlichen Ofenheizun­gen durch zentrale' Warmwasiserheizungsanlagen ersetzt werden. Aus diesem Grun!de !ist der Haus­haltsbetrag bei Tit. 205 (kleinere Neu-, Um- und Erweiterungsbauten) gegenüber :dem Vorjahr um 100 000 DM erhöht word.en.

An der Erhöhung der Sachausgaben ist auch das Kap. 04 04 (Vollzugsanstalten) beteiligt. Erhöht wurde hiier vor allem der Haushaltsbetrag beii. · Tit. 204 (Unterhaltung der Gebäude) um 50 000 DM und der Haushaltsbetrag bei Tit. 206 (Bewirtsch~f­tung von Dienstgrun!dstücken unld Diensträumen) um 200 000 DM. Die höheren Bewirtschaftungs­kosten beruhen vor allem auf ·der Inbetriebnahme des ·neuer•bauten Landgerichtsgefängnisses in Schweinfurt und ·dem Anschluß verschiedener Ar­beitsbetdebe der Vollzugsan1S.talten an .die vorhan­denen· Zentralheizungsanlagen.

Ein beachtlicher Teil der Ausgabenerhöhung ent­fällt auf die allgemeinen Ausgaben. Sie erhöhen sich von rd. 17 Millionen D'l.VI im Rechnungsjahr 1957 auf rd. 19 Millionen DM im Rechnungsjahr 1958, somit um rd. 2 Millionen DM. Diese Ausga­benerhöhung ist ·zwangsläufiger Art und 1beruht im wesentlichen auf den AusW1irtkungen der Kosten­rechtsreform; durch sie wurden die Gebüli.ren und Auslagen der Rechtsanwälte in Armensachen, die Gebühren und Auslagen der Pfiichtverteid~ger, die Entschädigung für Zeugen und SachveTStändige und die Entschädigung der Beisitzer bei ·den Ge­vichten erhöht. Diese Ausgaben bei den Titeln 302 und 304 entzielhen sich :i!hrer Natur nach jeder Be­einflussung durch die Verwaltung, da es sich um dem Grund und der Höhe nach feiststehienlde recht­liche Verpflichtungen han!delt, die entsprechend dem Anfall geleistet werden müssen.

Die einmaligen Ausgaben verringern sich von 6 264 600 DM im Rechnungsjahr 1957 um rd. 1 Mil­lii.on DM auf 5 268 000 DM im Rechnung1sjahr 1958. Davon entfallen u.a.

3 818 600 DM auf 'die Hochbaumaßnahmen der Justizverwaltung,

745 000 DM auf die Neuausstattung der Gerichte und Staatsanwaltschaften mit neuem Mobmar,

118 000 DM auf die Erneuerung des Inventars. der ZeHein- und Gemeinschaftsräume in der 6traf­anstalt Ebrach,

125 000 D'l.VI 1auf die Neubeschaffung von E'inrich­tungsigegenständen für die Vollzugsanstalten unld

250 000 DM •auf ·die 1e11stmalige Anschaffung von Einrichtungsgegenständen und Büromaschinen für die Gerichte und Staatsanwaltschaften.

Im Zuge ·eines mehrjährigen Programms soll nach und nach •das zum großen Teil verbrauchte und längst emeuerung,sbedürftige Mobil'iar bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften erneuert unld durch eine moderne und zweckmäßige Einrichtung ersetzt werden. Da•be.i soHen in erster Linie dieaenii.­gen Behörden berücksichtigt werden, bei 1denen gleichzeitig eine bauliche Überholung der Dienstge­bäude durchgeführt wird oder für die Neubauten in Auss1icht g·enommen sind. Desgleichen soll der Ge­schäftsbetdeb bei den Gerichten und Staatsanwalt­schaften weiter modernisiert unid die Behörden mit bewährten neuzeitlichen, zeit- und arbeitsparenden Büromaschinen und technischen Hilfsmitteln aus­gestattet werden.

In diesem Rahmen is,t vor allem vorgesehen, 1die Ausstattung deT Grund·buchämter mit Buchschreib­maschinen weiter voranzutreiben. Insgesamt sind hierfür 265 Buchschrei'bmaschinen erforderlich. Bis­her wurden 1bereits 76 Maschinen dieser Art be­schafft. Für das Rechnungisjahr 1958 ist der Ankauf weiterer 43 Buchschreibmaschinen in Aussii.cht ge­nommen. Des weiteren sollen die Gerichte und Staatsanwaltschaften zur Erleichterung und Be­schleunigung des Geschäftsgangs in zunehmendem Maße mit Diktiergeräten, elektrischenSchreibmaischi­nen, Freistemplern und sonstigen modernen Büro­maschinen ausgestattet werden. Vorgesehen ·ist fe.r­ner die Beschaffung zweier moderner Buchungs­maschinen für die Gerichtskasse· München.

Die J'U'Stiz.verwaltung erhofft sich durch die von ihr bereits in die Wege geleitete Technisierung und Rationalisierung für.er Verwaltung nicht nur eine wes'entliche Beschleunigung, Verbesserung und Ver­einfachung des Geschäftsgangs, 1die in ·erster Lin!i.e dem rechtsuchenden Publikum zugute kommt, son­d:ern auch ein wirksames Mittel gegen weitere Per­sonal1vermehrungen.

IV. G es c h ä f t s a n f 'a 11 und P er s o n a 11 a g e

Der Geschäftsanfall in Zivilprozeßsachen ist im wesentlichen unveränd:ert geblieben; dagegen ha­ben die Vollstreckungssachen weiterhin zugenom­men.

Im Jahre 1957 sind auch im Vergleich zu 1956 um 3 Prozent mehr Strafanzeigen eingegangen. Die Zahl der bei den bayerischen Gerichten eröffneten

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Hauptverfahren in Strafsachen :i:st g1egenüber 1956 um 5 Prozent gestiegen. Der erhöhte Anteil der Ju­gendlichen und Heranwachsenden ist daraus zu. ersehen, daß d~e vor den Jugendgertichten eröffne­ten Verfahren um etwa 10 Prozent zugenommen haben.

Beiiden Entschädigungskammern des Landgerichts München I sind von ihrer Errichtung im Jahre 1950 bis zum 1. Mai 1958 insgesamt 53 859 Klagen ein­gegangen. Von ihnen wurd:en bis Ende Aprd.l 1958 41865 erledigt, davon 8361 im Jahre 1957. Somit sind noch knapp 12 000 Verfahren anhängig. Bis wann die Entschädigungskammern ihre Tätigkeit abschließen können, läßt sich noch nicht sagen; denn beim Landesentschädigungsamt waren am 31. März 1958 noch 'etwa 250 000 Anträg'e unerleldigt.

Die Tätigkeit der Wiedergutmachungsgerichte, die über die Rückerstattung von im Dritten H1eich ent­zogenen Vermögenswerten zu entscheiden haben, wird auch 1958 nicht beendet werden können. Die früher eingereichten Anträge auf Rücklerstattung sind zwar 1957 zum größten Teil erledigt worden. Anmeldungen nach dem Bundesrückerstattungsge­setz vom 19. Juli 1957 (BGBL I S. 734), das den Umfang der Ansprüche erweitert hat, können noch bis zum 31. Dezember 1958 erfolgen. Von den Ende 1957 bei den Wiedergutmachungskammern anhän­gigen 653 Verfahren sind bis Ende Mai 1958 199 er­ledigt worden. Doch sind in der gleichen Zeit 181 Sachen neu angefallen. Somit waren am 31. Mai 1958 noch 635 Verfahren offen. Beim Wie·d:ergutma­chungssenat des Oberlandesgerichts München wa­ren zum gleichen Zeitpunkt noch 51 Berufungen anhängig.

Auf dem Gebiet der Wertpapierbereinigung konnten bis 31. März 1958 von 36 846 Fällen 36 821 rechtskräftig abgeschlossen werden. Es war1en also nur noch 25 Verfahren anhängig. Von den bis 31. März 1958 eingelaufenen mehr als 8100 Nach­anmeldungen konnten bis zum 31. März 1958 .rd. 5000 erledigt werden, so daß noch etwa 3100 Ver­fahren anhängig waren; auch diese können wohl zum größten Teil nqch in diesem Jahr abgeschlois­sen werden. Von den insgesamt etwa 45 000 An­meldungen wird sonach nur ein kleiner Restbestand zur Erledigung in den kommenden Jahren ver­bleiben. Allerdings wird es sich dabei voraussieht,.. lieh um besonders schwierige Verfahren handeln, die eine· intensive Bearbeitung erfordern.

Die auf Grund •des Kammergesetzes vom 15. Juli 1957 neu geschaffenen staatlichen Berufsgerichte für die Heilberufe haben die Arbeit in vollem Um­fang aufgenommen. Bei den Berufsgerichten, die bei den Oberlandesgerichten München und Nümberg bestehen, sind in erster Instanz bi1s 31. März 1958 114 Sachen angefallen; sie betreffen in 79 Fällen Ärzte, in 29 Fällen Zahnärzte, in 3 Fällen Tier• ärzte und in 3 Fällen Apotheker. Beim Bayerischen Obersten Landesgericht sind für den gesamten Zeit­raum insgesamt 15 Fälle in zweiter Instanz an­hängig geworden.

Die erhöhte Geschäftsbst wurde im wesentlichen mit unveränderter Zahl von Richtern und Staats­anwälten erledigt. Im Haushalt 1958 sind nur 2

Richterstellen für die Berufsgerichte neu ·enthalten. Diese zusätzliche Aufgabe kann auf die Dauer nicht von den vorhandenen Richtern mitbewältigt wer• den. Ferner mußte die Zahl der Planstellen für Re­gierungsmedizinalräte bei den Vollzugsanstalten um 2 vermehrt werden, .damit eine ordnungsgemäße ärztliche Betreuung lder Strafgefangenen gesich.ert bleibt.

Eti.ne Betrachtung de1s Stellenplanes für den ge­hobenen Dienst ergibt, daß weder Stellenhebungen noch Stellenmehrungen vorgesehen sind. Dabei hat im Bereich der Justizverwaltung der gehobene Dienst den bei der Beratung des Besoldungsgeset­zes im Landtag als schon erreicht vorausgesetzten Stellenschlüss·el von 60 : 30 : 10 noch nicht erreicht. Es wird in den künftigen Haushaltsjahren daran­gegangen werden müssen, auch im Bereich der Ju­'Stiz den nunmehr von dem Hohen HaUise bes·chlos­s·enen Stellenkegel zu schaffen, Die wenigen Stellen, die sich unter Kap. 04 03 Tit.101 als Zugang fin­den, sind aUJs dem Haushalt des Ministeriums auf die Außenbehörden übertragen worden.

Eine Stellenvermehrung findet sich dagegen bei den Beamten des mittleren Dienstes; hier wurden die Stellen für außerplanmäßige Justizassistenten um 40 von 160 auf 200 vermehrt. Die Zahl der außerplanmäßigen Beamten ,dieser Laufbahn ·ent­spricht damit 1der Zahl der Anwärter (Tit. 105). Dies ist notwendig, damit der Nachwuchs in dieser Lauföahn in der nach den AU!sbildungsvorschriften vorgesehenen Zeit in ·das Beamtenverhältnis über­nommen werden kann. Mehrausgaben entstehen durch diese Stellenvermehrung nicht; denn im hö­heren Dienst konnten 40 Stellen für außerplanmä­ßige Beamte eingespart werden - es handelt sic):l dabei um die Stellen der Assessoren, die bisher in der Grundbuchumschreibung tätig waren -; außerdem kamen 15 Stellen für Justizinspektoren, davon 6 infolge Übertragung auf den Haushalt des F~nanzminister_iums, in Wegfall.

Bei den Angestellten (Schreibkräften) besteht seit Jahren ein starker Nachholbedarf, der bisher noch nicht ausgeglichen werden konnte. Die 'Zahl und Art der Stellen, vor allem für Schreibkräfte, war schon seit langem unzureicnend. Die Zunahme der Geschäfte bei den Grundbuchämtern infolge der starken Bautätigkeit, die Zunahme der Flurberei­nigungsverfahren sowie die fortschreitende Offen­legung der Liegenschaftskataster haben die Schwie­rigkeiten weiter verschärft. Daneben hat die Wäh­rungs- und Lastenausgleichsgesetzgebung für die Grundbuchämter eine Fülle von zusätzlicher Arbeit gebracht. In Anerkennung dieser ·besonderen Ver­hältnisse hat der Haushaltsausschuß des Landtags bereits im Vorjahr bei der Beratung de1s. Einzel­plans 04 beschlossen, das Finanzministerium zu er• suchen, die Frage der Bewertung der Stellen für An­gestellte und ihre Zahl zu überprüfen. !m Haus­haltsentwurf für 1958 wurde deshalb im Beneh­men mit dem Finanzministerium bei den Stellen für nichtbeamtete Hilfskräfte eine Reihe von Stel­lenverbesserungen und Stellenmehrungen vorgese­hen. Insgesamt wurden 130 TO.A-Stellen neu be­willigt (davon 58 in TO.A VII und 72 in TO.A VIII) und 140 TO.A-Stellen gehoben (davon 40 von

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Bayerischer Landtag - 135. Sitzung. Mittwoch, den 11. Juni 1958 4627

TO.A VII nach VI 'ltnd 100 von TO.A IX nach VIII). Außerdem wurden 12 neue Stellen für Bewäh­rungshelfer ·bewilligt, davon 5 in TO.A V b und 7 in TO.A VIb.

Maßstab für ·die gesamte Personalpolitik der Ju­stiz ist der Dienst am Recht. Alle Maßnahmen im Personalbereich dienen nur dazu, die Qualität und Schnelligkeit der Rechtsprechung zu fördern. In diesem Zusammenhang messe ich auch den Tagun­gen und Kursen für Richter, Staatsanwälte und Rechtsreferendare besondere Bedeutung bei. Über sie ist in den letzten Jahren wiederholt berichtet worden.

V. Zivilrecht·spflege Das Schwergewicht der gerichtlichen Tätigkeit

liegt bei der Zivilrechtspflege. Da sich die breite Öffentlichkeit naturgemäß mehr für Strafverfahren interessiert, wird die Tätigkeit der Zivilgerichte häufig untel'!schätzt. Dabei dient sie gerade auch dem Bürger, der mit den Strafgesetzen nicht in Konflikt gerät. Ihre Entscheidungen greifen stark in die Sphäre :des einzelnen ein. Der Verlust eines Zivilprozesses kann für eine Partei den wirtschaft­lichen Ruin •bedeuten. Die Entscheidungen der frei­willigen Gerichtsbarkeit, insbesondere im Verhält­nis zwischen Eltern und Kindern, sind für das Fa­milienleben tUnd die Entwicklung der Menschen mindestens ebenso bedeutsam wie strafrechtliche Verurteilungen. Daher wird auf ·die Beschleunigung der V erfahren, die im allgemeinen von allen Be­teiligten erwünscht ist, besonderes Gewicht gelegt.

Dagegen stehen sich in Vollstreckungsverfahren, vor allem bei Titeln von Wohnungsräumung, die Interessen der Parteien auch in der Frage d·er Be­schleunigung diametral gegenüber. Hier stehen die Gerichte vor einer für sie nur schwer gerecht lös­baren Aufgabe. Während sich die :betroffenen Mie­ter über ungenügenden Räumungsschutz beklagen, bringen die Vermieter häufig vor, daß die Zwangs­voUstreckung ohne Rücksicht auf ihre Rechte aus dem gerichtlichen Urteil ungebührlich lang hinaus­zögert würde.

Die Zahl der Räumungsprozesse zeigt erfreu­licherweise eine langsam fallende Tendenz. Beim Mietgericht München betrug sie 1954 noch 5478 Fälle, während die Zahl für 1957 auf 3530 abge­sunken ·ist. Auch die Zahl der Vollstreckungs­anträge ist im gleichen Zeitraum in München von 1953 leicht zurückgegangen auf 1759. In 311 Fällen mußte durch die Gerichtsvollzieher der Landes­hauptstadt im Jahre 1957 Zwangsräumung durch­geführt werden; jedoch konnte in den meisten Fäl­len das Städtische Wohnungsamt Ersatzräume zur Verfügung stellen. Den entscheidenden Grund für die Verzögerung der Zwangsvollstreckung von Räu­mungstiteln st'ellt die Schwierigkeit der Wohnungs­ämter ·dar, ·den Räumungsschuldern Ersatzräume zu beschaffen.

Aus dem Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist ·bemerkenswert, daß am 31. Dezember 1957 in Bayern 243 932 Vormundschaften, davon 13150 mit Rechnungslegung, und 57 525 Pflegschaften anhän­gig waren. Schon an diesen Zahlen ist zu erkennen, welche große Bedeutung die vormundschaftsgericht­liche Aufsicht hat.

Die enge Verflechtung der Tätigkeit der Gerichte mit den wirtschaftlichen Vorgängen mögen einige Zahlen zeigen:

Die anhaltend rege Bautätigkeit hat di:e Grund­buchämter weiterhin 'Stark in Anspruch genommen. 1957 wurden 229 393 Eigentumsveränlderungen und 883 360 auf Belastungen bezügliche Eintragungen im Grundbuch vorgenommen. Im gleichen Zeit­raum waren 3582 Zwangsversteigerungsverfahren anhängig und mußten 2401 Konkursanträge ver­beschieden werden, welche allerdings. nur in 340 Fällen zur Eröffnung eines Konkursverfahrens ge~ führt haben. Ein Vergleich zwischen den Jahren 1956 und 1957 ergibt keinen wesentlichen Unter­schied. Während im Jahre 1956 404 Konkurse er­öffnet worden •sind, waren es 1957 nur 340; die Zahl der Konkursanträge; die zu verbescheiden waren, ist .allerdings fast gleich geblieben. Ver­gleichsverfahren wurden 80 (1956: 118) eingeleitet.

Von den neruen, wichtigen Gesetzen auf dem Ge­biete des Zivilrechts sei hier das Gleichberechti­gungsgesetz vom 18. 6. 1957 genannt, das von gro­ßer Bedeutung für unsere Familien sein wird. Durch dieses Gesetz wurde im Bereich des Bürger­lichen Gesetzbuches der Grundsatz der Gleichberech­tigung von Mann und Frau unter Berücksichti­gung des ebenfalls im Grundgesetz gewährleiste­ten Schutzes der Familie verwirklicht. D1eses Gesetz wird am 1. Juli dieses Jahres in Kraft treten. Seine besondere Bedeutung liegt darin, daß es die per­sönlichen und vermögensrechtlichen Beziehungen der Ehegatten untereinander 1sowie ihr Verhältnis zu den ehelichen Kindern unter dem Gesichtspunkt der Gleichberechtigung neu ordnet.

Ehegatten, die be:i der VerkünJdung des Gleichbe­rechtigungsge1setzes (21. Juni 1957) im gesetzlichen Güterstand der Gütertrennung gelebt haben, kön­nen nach den Übergangsbestimmungen des Art. 8 I Nr. 3 tUil'd 4 des Gesetz.es durch einsetitige Er­klärung, die dem Amtsgericht bis spätestens 30. Juni 1958 zugehen muß, erreichen, daß für ihre Ehe auch künftig Gütertrennung und nicht der soI11St mit dem 1. Juli 1958 eintretende gesetzliche Güterstand der „Zugewinngemeinschaft" gilt. Der gesetzliche Güterstand der Gütertrennung dürfte am 21. Juni 1957 für den größten Teil der damals in Bayern bestehenden Ehen gegolten haben.

Bis Ende April 1958 sind bei den bayerischen Gerichten nur 1189 entsprechende Erklärungen ein­gegangen. Von ihnen wurden 516 im Güterrechtsre­gister eingetragen. Es ist anzunehmen, daß sich die vorstehenden Zahlen bis zum Fristablauf am 30. Juni 1958 noch beträchtlich erhöhen. Immer­hin scheint von der Befugnis, den Eintritt der Zu­gewinngemeinschaft auszuschließen, nur sehr we­nig Gebrauch gemacht zu werden.

Aus der laufenden Bundesgesetzgebung sei auf den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Pfän­dungsfreigrenzen hingewiesen, der vom Bundesrat im wesentlichen schon gebilligt worden ist. Der Entwurf sieht eine Erhöhung der pfändungsfreien Festbeträge von 169 DM auf 182 DM monatlich vor; außerdem werden zum Zwecke einer familienge­rechten Lösung diese Festbeträge bei Unterhaltsver­pflichtungen des Schuldners bis zu einem bestimm-

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ten Gesamtbetrag erhöht. Neu ist ferner, daß für Anbeitseinkommen bis zu 800 DM monatlich der pfän!dungsfreie Teil des Arbeitseinkommens aus amtlichen Tabellen abgelesen werden kann; d]es entspricht einem dringenden pnaktischen Bedürfnis. Durch den Entwurf wird der Familienstand des Schuldners besser berücksichtigt, allerdings wohl auch seine Kreditfähigkeit geschmälert.

Aus Besprechungen in der Presse dürfte bekannt sein, daß der Bundesgesetzgeber sich lin der I).äch­sten Zeit mit 1dem ·Entwurf eines Gesetzes über die Kapitalerhöhung aus gesellschaftlichen Mitteln und über die Gewinn- und Verlustrechnung zu befas­sen haben wird. Der Entwurf regelt die Kapital­e11höhung aus dem eigenen Vermögen der Aktien­gesellschaft oder ·der Gm:bH, ohne daß die erforder­Hchen Mittel hierru von den Geisellschaftern. auf­gebracht we11den müßten. Das Gesetz soll die Ge­sellschaften veranlassen; da•s auffäfüge Mißverhält­nis, in dem das Nennkapital zu den Rücklagen vielfach steht, zu beseitigen; dies ist zur Herstel­lung gesunder Wirtschaftsverhältn!i:sse erwünscht, und zwar so•wohl im Interesse der Gesellschaften alJs rauch im Hinblick ·aiuf di:e Pflege 'lmd För.der:ung des Kapitalmarktes. Einen ähnlichen Zweck ver­folgt eine weitere Bestimmung des Entwurfs. Durch sie werden die Aktiengesellschaft~n in Erweiterung des gelterrdenRechts gezwungen, eineGewinn-·und Verlustrechnung aufzustellen, die ·einen ausr·eichen­den Überblick über Umsatz, Aufwen!dungen und Erträge gibt. Der Bundesrat hrat den Entwurf be­reits zustimmend rbehandelt. Diese Regelung wird für so vordringlich gehalten, daß die geplante Ak­Uenrechtsreform nicht abgewartet werden soll.

VI. Strafrechtspfle.ge Von allgemeinem Interesse •sind hier rStand unJd

Entwicklung der Kriminalität. Die Auffassung, daß von ·einer ständig oider gar beängstigend ansteigen­den Kriminalität nicht gesprochen w.erden kann, läßt sich durch folgende Angaben stützen:

Die Zahl der 1957 verübten Verbrechen und V:er­gehen liegt mit 330 320 zwar um 2,44 v. H. über der von 1956 (322 446), aber erheblich unter der von 1955 (339 781) und geringfügig unter dem Durch­schnitt der letzten sechs Jahre (rd. 332 000).

Es ·ist auch nlicht etwa 1so - wie vielfach ange­nommen wird-, !daß ·zwar das. Gesamtvolumen der Straftaten etwa konstant •bliebe, alle schweren De­likte aber auf Kosten der leichteren ·zunehmen wür­den. Im Gegenteil haben z. B. die Fälle von vollen­detem Mor:d und Totschlag mit 52 gegenüber 1956 (78) und den bei:den Vorjahren (1954: 87; 1955: 91) erheblich abgenommen, Die Abnahme •beträgt geg1e1rufober 1dem Vorjahr 331/a v. H. Die Zahl der vollendeten Mord- und Totschlagsih!andlungen hat damit 1957 den niedrigsten Stand seit Kriegsende erreicht. Auch die 'Ziffer für versuchten Mo11d unld Totschlag (116 für 1957) ist di:e nieldri!g.ste seit 1945. Das. gleiche gilt für Kindstötungen und Körperver­letzungen mit tödlichem Ausgang sowie für ein­zelne Arten von Vergehen gegen rdiie öffentliche Ordnung (z. B. Landfri:edensbruch). Sinkende Zah­l:en liegen auch bei verschiedenen Sittlichkei.ts'c:lelik­ten vor; die Kriminalität bei Unzucht zwischen Männern, Kuppelei und Zuhälterei ist die niedrigste

der Nachkrriegszeit. Bei Notzmcht und unzüchtigen Handlungen mit Kindern liegen die Zahlen - trotz einer geringfügigen Zunahme gegenüber dem Vor­jahr - erheblich unter dem Stan!d von 1952.

Diese Feststellung mag vielleicht ubermschen, da gerade in den letzten Monaten besonJders 1scheuß­liche Straftaten bekanntgeworden sind, deren Opfer mehrfach Kinder waren. So furchtbar im einzelnen solche Verbrechen •sind und so sehr sie nach 'harter Sühne und sonstigen wirksamen Abwehrmaßnah­men des Staates und aller Beteiligten verlangen, so ändert dies doch nichts an ·dem oben dargeleg­ten alligemeinen Stand der Kriminalität, wie •er bi!s zum A:blauf des Jahres. 1957 statisti:sch erfaßt ist.

Im übrigen erfährt 'der von mir geschl1derte nicht ungünstige Entwicklungsstand durch ansteigende Zahlen bei einer Reihe anderer De1ikte, z. B. bei Rauh und räJuberiischer Erpressung (Zunahme um 3,3 v. H. gegenüber 1956) und ·bei ei:nfachem un!d schwerem Diebstahl ('Zunahme um 11,1 v. H.) eine gewisse Korrektur. Auch die VerkehrsJdelikte neh­men immer noch zu.

Alles in aUem geben Stand und EntiW'icklung der Krimi:nalität kelinen Anlaß zu P.essimismu's.

Innerhalb der Tätergruppen (Jugenldlich•e, Heran­wachsende und Erwachsene) ist das Billd naturge­mäß nicht einheitlich. Der Täteranteil der Erwach­senen hat sich geigenüber 1956 von 80,8 v. H. auf 78,42 v. H. vermindert. Umgekehrt hat der Anteil der Heranwacl.IB·enden und ·d:er Jugenldlichen seit Jahr:en nicht unbeträchtlich zugenommen. Er macht bei rden Herianwachsenlden 10,31 v. H. un'd damit fiaist das Doppelte ihres Anteils an der Gesamtbevölke­rung Bayerns (5,37 v. H.) aus. Jugen!dliche Täter sind ebenfalls, wenn auch nicht .im gl:eichen Maße wie die Heranwachsenden, über ihren proz·entualen Anteil an der Be·völkerung (6,94 v. H.) ihinraus mit 9,07 v. H. an den tS'traftaten betefägt.

Diese Angaben mögen zwar auf den ·ersten Blick beängstigen!d wirken . .Sie dürfen jedoch nicht dahin gedeutet werden, daß ruunmehr eine Generation mit stärkeren kriminellen Neiigungen heranwachse un!d demgemäß die erhöhte KriminaHtät zu einer Dauererncheinung auch in 1den späteren Jahren werden müsse. Die über den Anteil an der Ge­samtbevölkerung hinausgehende Straffälligkeit der Altersstufe- von 18 ·bis 21 Jahren ist v1ielmehr eine jahrzehntealte - nicht auf Deutschland be­schränkte - ·Erfahrungstatsache. Sie hat ihre Be­gründung in erster Linie in der verzögerten sitt­lichen und geistigen Reif.e dieser Altersstufe; dies'e Erncheirnung ist nach dem Urteil der 1VIedi:ziner un!d Psychologen gerade für .die Jahrgänge der Nach­kdegszei.t besonders typisch. Die hohe Kriminalität der Heranwachsenden ist ·darüber hinaus noch auf eine Reihe anderer Leben:statsachen zurückzufüh­ren, nicht zuletzt auf eine vorzeitige Emanz:ipie­rung vieler JugendlicheT und Heranwach·sen:der und auf die starke Zunahme !der Motorisierung, die gerade jene Kreise erfaßt. Wir ·dürfen also die -durch die Erfahrung vieler Jahrzehnte •bestätigte -Hoffnung hegen, daß die erhöhte Krriminalität der Jugend nicht in eine stärkere Kriminalität der Be­völkerung iföerih!aupt iausmünde1t, so daß, auf die Dauer gesehen, die Kriminalität der Gesamtbevöl­kerung n'iclit ·ansteigt.

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Bayerischer Lalildtag - 135. Sitzung. Mittwoch, den 11. Juni 1958 4629

Die der Polizeistatistik entnommene Aussage über Stand und Entwicklung der Kriminalität er­fährt eine gewi1Sse Bestätigung durch die z,ahlen der Kriminalstatistik, welche die abgeurteilten bzw. verurteilten Täter nach den ErgebniS'S'en der rechts­kräftig durchg.efü'hrten Strafverfahren registriert.

Hier ergibt sich folgendes Bi]d:

Die Zahl der jährlich wegen Verbrechen und Vergehen in Bayern rechtskräftig abgeurteilten Täter ist seit Jahren bemerkenswert konstant:

für 1954 135 121 Personen, für 1955 134 079 Personen, für 1956 135 584 Personen, für 1957 135 619 Personen.

Innerhalb der Gesamtzahl der abgeurteilten Tä­ter zeichnet sich allerdirngs insofern eine ·bedeut­same Entwicklung ab, als die Zahl ider nach Ju­gendstrafrecht Abgeurteilten· ständig ansteigt (von 9 832 im Jahre 1954 auf 14 705 im Jahre 1957) und demgemäß - :da die Gesamtzahl der Abgeurteilten praktisch unverändert geblieben ist - die Zahl der nach allg,emeinem Strafrecht abgeurteilten Per­sonen absinkt. Die Zunahme der nach Jugendrecht Abgeurteilten geht nur zu einem Teil auf ·eine ·echte Zunahme der Kriminalität der Jru.gendlichen und Heranwachrsen1den zurück. In erster liinie beruht dieses Ergebnis vielmehr darauf, daß die Gerichte von der Möglichkeit des Jugen!dgerichtsgesetzes einen zunehmend stärkeren Gebrauch machen, ·bei Straftaten von Heranwachsenden 1an:S.telle des all­gemeinen Strafrechts das Jugendstrafrecht anzu­wenden. Die Gerichte kommen damit zu einer idiffe­renztl.erteren Behandlung der FäUe, da das Jugend­strafrecht - ohne grundsätzlich oder gar in allen Fällen milder zu sein - dem Richter eine größere Skala von Strafarten und Maßnahmen als 1das all­gemeine ·Strafrecht, insbesondere auch Maßnahmen erzieherischer Art, zur Verfügung stellt. Die auf­gezeigte Entwicklung ist daher grundsätzlich zu begrüßen unld nicht - wie es dem fl.üchtiigen Be~ tr.achter erscheinen könnte - Anlaß zur. beson­deren Sorge. Insbesondere begründet :die Anwen­dung des Jugendrechts die v,erpflichtung für dalS Gericht, den Verurteilten in den Fällen der Straf­aussetzung zur Bewährung und der Entlassung zur Bewährung der Obsorge eines Bewährungshelfers zru. unterstellen, während 1diese Maßnahmen bei An­wendung von allgemeinem Strafrecht im Ermessen des Gerichts liegen.

Damit ilst es freilich erfor.dedich 1ge.worden, die Zahl der hauptamtlichen Bewährungshelfer (zur Zeit sind 35 solcher Stellen vorhanlden) zu vermeh­ren. Im Haushaltsplan sinld daher 12 neue Stellen vorgesehen. Denn die Durchschnittszahl der von dem einzelnen hauptamtlichen Bewährungshelfer zu ·betreuenlden Verurteilten liegt mit rd. 80 (ins­gesamt waren am 31. Dezember 1957 2439 Bewäh­rung:saufsichten zu führen) beträchHich ü:ber der Zahl von 40 ·bis 50 Bewährungsau:fisd.chten, die ein Bewährungshelfer ohne Scha!den für die 'Sache und ohne unzumutbare Überlastung führen kann. Bay­ern folgt mit der Erhöhung der Zahl der Bewäh­rungshelfer dem Vorbild anderer Länder; so stehen z. B. in Ba:den-Württemberg und in Hessen, al.'.So in Ländern mit erheblich ,geringerer Bevölkerungs-

zahl, je über 40 hauptamtliche Bewährungshelfer im Dienst.

Leider haben die Bemühungen der Gerichte l\lllld aller sonst Beteiligten, insbesondere der Wohl­fahrtsverbärnde, geeignete Personen als ehrenamt­liche Bewährungshelfer zu gewinnen, nur 'in einigen Städten, vor aHem in München, zu einem gewissen Erfolg geführt. Im übrigen verhallt der Appell an 1das staatsbürgerliche Gewisisen, 'einer übermäßigen Ausdehnung staatlicher Tätigkeit durch freiwillige Mitarbeit auf ehrenamtlicher Basis zu steuern, 'in der Regel ungehört.

Die bisherigen Erfahrungen mit 1den hauptamt­lichen Bewährungshelfern sinld giut. Ihre Tät:Lgkeit hat sich vielfach günstig a111sgewirkt. Wie weit die Institution al1s solche geeignet ist, Gestrauch·elte ·endgültig auf den richtigen Weg zurückzuführen, kann noch nicht abschließend beurteilt werlden. Hierzu ist ,die Einrichtung noch zu jung; auch müssen erst noch gewisse Anlaufschwierigkeiten überwunden· werden.

Innerhal:b der 'insg,esam.t abgeurteilten Straftaten dürften folgende Deliktsgruppen interessieren:

Die Zahl der wegen Hochverrats, Landesverrats und Staatsgefährdung von bayerischen Gerichten a:bgerurteilten Per·s~onen h!at 1957 gegen 1956 um 26,1 v. H. abgenommen. Diese Zahlen lassen u. a. auch erkennen, daß eine Untergrundtätigkeit der KPD ·bz1w. ihrer Ersatzorganisationen nach dem Verbot durch das Bundesverfassungsgericht im Sommer 1956 zunächst nicht 'in Erscheinung getre­ten ist. Erst ·in ider zweiten Jahreshälfte 1957 ist eine verstärkte Tätigkeit beobachtet worlden; sie hat im nordbayerischen Raum zu einem größeren Straf­verfahren vo·r dem Landgericht Nürnberg-Fürth geführt, das noch nicht rechtskräftig· abgeschlossen ist.

Die Strafverfahren wegen Verkehr.Sldeliiktemachen nach wie vor einen starken Anteil an den gesam­ten gerichtlichen Verfahren aus. Die Einführung der Geschwindigkeits,begren:mngen im Straßenver­kehr 1ab 1. 1September 1957 hat sich zusammen mit der veränderten Verkehrsstruktur (Abnahme des Kraftradverkehrs) zwar günstig auf den Straßen­verkehr ausgewirkt. Vor allem 'ist die Zahl der verunglückten Personen in den sechs Monaten vom 1. September 1957 'bis 28. Februar 1958 gegenüber dem gleichen Zeitraum vor einem Jahr um rid. 10 v. H. zurückgegan:g·en. In der Kriminalstatistik für 1957 kommt diese Entwicklung jedoch noch nicht zum Ausdruck. Vielmehr ist die Zahl der wegen fahrlässiger Tötung im Zusammenhang init einem Verkehrsunfall Verurteilten von 606 im Jahre 1956 auf 679 im Jahre 1957 angestiegen. Auch die Zahl der wegen fahrlässiger Körperverletzung im Zu­sammenhang mit Ver kehrnunfäHen verurteilten Per­sonen hat sich - entsprechend 1der Entwicklungs­linie der letzten Jahre - nochmals erhöht, urud zwar von 18 159 im Jahre 1956 auf 19 445 im Jahre 1957. Trotz der sich se'it September 1957 abzeichnen­den günstigeren Entwicklung bleibt die Bewältigung der Verkehrsstriafsachen schon rein zahlenmäßig ein bedeutsames Problem für die Strafjustiz; denn bei den bisher angegebenen Zahlen ist zu berücksich­tigen, daß sie nur e'inen - wenn auch gewichtigen

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4630 Bayerischer Landtag - 135. Sitzung. Mittwoch, den 11. Juni 1958

- Ausschnitt aus den einschlägigen Verfalb.rendar'­stellen; hinzu kommt noch eine erheblich höhere Zahl von Verfahren wegen Straßenverkehrsüber­tretungen.

Um so erfreulicher ist es, daß ·sich in der sac;:h­lichen Erledigung dieser Verfahren im allgemeinen nur verhältn'ismäßig geringe Schwierigkeiten er­geben. Dies ist nicht zuletzt 1darauf zurückzufüh­ren, .daß der größte Teil 'der mit Straßenverkehrs­S'achen rbefaßten Strafrichter und Staatsanwälte durch eine Reihe von Förderungsmaßnahmen der Jus1tizverwaltung und anderer Verwaltungen so­wie verschiedener Organisationen unld privater Fir'­men kraftfahrtechnisch aus1gebildet ist. Darüber hin­aus sind zahlreiche Richter und Staatsanwälte auch in der Lage, als motorisierte Verkehrsteilnehmer praktiische Erfahrungen im Straßenverkehr zu sam­meln. Der mit Verkehrsstrafsachen befaßte Richter, der den Verkehrsvorgängen ohne Verständnis ge­genübersteht oder dem Gutachten eines Sachver­ständigen ohne die Möglichkeit einer eigenen Stel­lungnahme ausgeliefert ist, dürfte damit der Ver­gangenheit angehören. Ich möchte nicht verfehlen, allen Dienststellen, Organisationen und Einzelper'­sonen, die diese Entwicklung mit .gefördert .haben, den Dank der Justizverwaltung auszusprechen.

E-ine nicht unerhebliche zusätzliche Belastung 'ist für die Strafjustiz durch die Verfahren wegen Ver­stöße gegen das Nitritgesetz eingetreten. Insgesamt sind in Bayern bisher rund 700 Ermittlungsver­fahren anhängig geworden, davon über 500 gegen Metzger und Inhaber von Gaststättenbetrieben, über 80 gegen Groß- und Kleinhändler mit Metzge­reibedarfsartikeln und Chem'ikalien und fast 50 ge­gen Vertreter •solcher Betriebe. Das unerlaubt be­zogene Nitrit beläuft sich auf 23 500 kg; hiervon sind mindestens 5900 kg verbraucht worden. 164 Personen waren oder sind noch in Haft. In 120 Verfahren 'ist gegen 150 Personen Anklage erhoben worden. Die Ermittlungen haben sich außerordent­lich schwierig gestaltet, weil Nitrit vorwiegend un­terTarnbezeichnungen bestellt und verbucht wurde. Geliefert wurde in der Regel ohne Rechnung oder sonstigen Beleg. Bisher sind 4 Urteile bekanntgewor­den. Sie lauten auf Geldstrafen bis zu 2400 DM un:d Freiheitsstrafen bis zu 4 Monaten.

Über die Gnadenpraxis ist - erfreulicherweise - wenig zu berichten. An den bewährten Grund­sätzen für ihre Handhabung hat sich nichts geän­dert. Für die Erteilung eines Gnadenerweise1s ist nicht die Zahl und Stellung der Befürworter, son­dern ausschließlich die Gnadenwürdigkeit des Täters maßgebend. Die bereits durch die Gnadenordnung vom 11. November 1954 eingeführte Verlagerung gewisser Gnadenentscheidungen auf die General­staatsanwälte hat sich bewährt; die Zahl der vom Staatsministerium der Justiz zu treffenden Gna­denentscheidungen ist dadurch um etwa ein Drittel gesunken. Im Jahre 1957 waren es 4402 Entschei­dungen; dabei wurde in 1879 Fällen ein Gnaden­erweis erteilt.

VII. Strafvollzug Im Bestand der Strafanstalten haben sich auch

im letzten Haushaltsjahr verschiedene Änderungen ergeben. Die Strafanstalt Regensburg wurde in ein

Laridgerichtisgefängnis umg1ewandelt; die Strafan­stalt Ebrach wird s·eit 1. April 1958 :ausschließlich als Jugendstrafanstalt geführt. Der von den Ame­rikanern bisher noch in Beschlag genommene Fe­stungsbau der Strafans.talt Landsberg wu!'de kürz­lich geräumt. Mit der erneuten Aufhebung von 2 Gefängnissen (Füssen und Hammelburg) hat sich die Zahl der seit 1946 aufgehobenen Gerichtsgefäng­nisse auf 86 erhöht. Die Gebäude brachten teil -weise dem Bayerischen Staat einen ·entsprechenden Verkaufserlös, teilweise wurden sie anderen Staats­zwecken zugeführt. Für den Justizha111shalt •erg'ibt sich aus dieser Maßnahme eine dauernde beträcht­liche Einsparung an Sachausgaben.

Zur Zeit verfügt das Land Bayern über 14 selb­ständige Vollzugsanstalten, 48 Landgerichts- und Gerichtsgefängnisse und 3 Jugendarrestanstalten, insgesamt also über 65 Vollzugsanstalten. Zucht­hausstrafen werden nach dem am 1. April 1958 in Kraft getretenen Vollstreckungsplan nur noch in den Strafanstalten Straubing und Kaisheim für männliche Gefangene sowie in der Frauenistrafan­stalt Aichach vollzogen.

Die Zahl der Gefangenen hielt sich auch im ver­gangenen Jahr zwischen 9000 und 10 000. Am 1.April 1958 betrug sie 10 039. Hievon waren 2211 Unter­suchungsgefangene, 7531 Striafgefangene und 297 sonstige Gefangene. Der Anteil der Frauen bei den Strafgefangenen belief sich auf 12,4 Prozent, der Anteil der Jugendlichen und der Heranwachsenden auf 10,7 Prozent. Im Arbeitshaus befan•den sich am 1. April 1958 125 Männer und 237 Frauen, in Si­cherungsverwahrung wurden 93 Männer und 2 Frauen gehalten. 142 Männer und 21 Frauen ver­büßen eine lebenslängliche Freiheitsstrafe. Von den Strafgefangenen waren 21,5 Prozent erstbe­straft, 43,5 Prozent 1- bis 3mal vorbestraft und 35 Prozent viermal und öfter vorbestraft.

Ohne Berücksichtigung der Ausgaben für einma­lige Anschaffungen und für Hochbaumaßnahmen errechnet sich für einen Gefangenen ein Zuschuß­bedarf von 5,37 DM pro Tag.

Von 1den im Rechnungsjahr 1957 abgeschlossenen Baumaßnahmen seien erwähnt:

die Unterkunft für Gefangene in Rottau (Bern­•au), der Erweiterungsbau in der Strafanstalt II in Augsburg, der Wiederaufbau des Westflügels im Landge­richtsgefängnis Würzburg, ·das Dachgeschoß in der Strafanstalt München­Stadelheim, die elektrische Anlage und die Erweiterung der Heizanlage in der Strafanstalt Straubing, die sanitären Anlagen in der Frauenstrafan­stalt Rothenfeld und der Wiederaufbau des Landgerichtsgefängn~sses Schweinfurt.

Neu gebaut wird in diesem Jahr ein Zellenge­bäude mit einem Gemeinschaftsraum in der Ju­gendstrafanstalt Laufen-Lebenau. In München-Sta­delheim vollzieht sich neben der Errichtung einer zentralen Heizungsanlage der Umbau des ehemali-

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Bayerischer Landtag - 135. Sitzung. Mittwoch, den 11. Juni 1958 4631

gen Sendergebäudes an der Staidelheimer Straße zu einem Dienstwohngebäude.

Trotz der fortgesetzten Bemühungen um eine Modernisierung der für die hygienischen Verhält­nisse wichtigen Einrichtungen in den Vollzugsan­stalten bedarf es noch jahrelanger Investitionen, um in sämtlichen Anstalten einen befriedigenden Zu­stand zu schaffen.

Präsident Dr. Ehard: Für die Aussprache sind vorgeschlagen und vom Hohen Hause gebilligt eine Stunde Redezeit für die Koalition und eine Stunde für die Opposition.

Zunächst hat 'Sich zum Wort .gemelliet der Herr Abgeordnete Hirsch für die SPD.

Hirsch (SPD): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin in der glücklichen Lage, den Aus­führungen des Herrn Justizministers im allge­meinen voll und ganz beipflichten zu können, wie das ja eigentlich immer - oh einmal so herum oder einmal so herum - bei der Beratung des Ju­stizhaushalts tder Fall gewesen ist. Wir w~ssen alle, daß 1die Justiz ein Kind ist, das uns allen am Her­zen liegt, ein sehr zartes Pflänzlein, an dem man nicht allzu viel herumkritisieren soll, denn es könnte durch allzu viel Kritik unter Umständen etwas beschädigt werden. Ich begrüße es aber sehr, daß der Justizminister in seiner Rede und in der Beilage zu seiner Rede Dinge angeschnitten hat, mit denen man sich ·beschäftigen sollte und bei denen immer schon be•i der Beratung des JU'.Stiz­etats gesagt worden iist, da sollte etwas mehr ge­schehen. Insbesondere begrüße ich, daß diesmal auch der Herr Justizminister selbst gesagt hat, die Justiz sei zu sparsam. Dieses Hohe Haus hat diesen Standpunkt immer schon vertreten, und wenn ein Ministerium zu sparsam war, ·so war es, glaube ich, eigentlich immer das Justizministerium. Schauen Sie sich etwa - einige von Ihnen ha·ben ja Gelegenheit dazu gehabt - das Gerichtsgebäude in Hof an, und Sie werden mir recht geben, daß un­sere Justiz weiß Gott zu sparsam gewesen ist und daß ihr einige Geldspritzen wirklich gut tun wür­den.

(Abg. Dr. Nerreter: Diese Auffassung wird ·seit Jahrzehnten theoretisch vertreten!)

- Das Justizministerium hat ·aber immer noch nicht 1den Mut gefaßt, auf diese Anregungen des Hauses hin wirklich etwas zu tun und, um diesen Ausdruck zu gebrauchen, etwas mehr auf die Tube zu drücken.

(Abg. Dr. Hoegner: Sparsam seit 1906! -Abg. Bantele: Die wollen auch weitersp·aren!)

- Sie sollen weiter.sparen, aber zu viel darf es nicht sein!

(Abg. Dr. Nerreter: Artige Kinder verlangen nichts, •artige Kinder bekommen nichts, sagt

schon Goethe.)

- So war es immer; wir wollen aber hoffen, daß das Justizministerium künftig .etwas weniger artig ist als bisher.

(Abg. Dr. Brücher: Na, na!)

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- Frau Kollegin. ich mein•e den Etat; wollen wir die anderen D1nge ·einmal dahingestellt sein lassen.

Ich begrüße sehr, daß sich lder Herr Minister mit der Frage der Justizausbildung eingehend beschäf­tigt hat. Wer die Dinge kennt, weiß, .daß unsere Ju­stizau1sb'ildung vom Studium 'bis zur Referendarzeit reformbedürftig ist. Wenn man sich die Praxis des Studiums und die Praxis des Juristen im späteren Leben anschaut, muß man z. B. mit Erschrecken feststellen, 1daß der StUJdent kaum eine Möglichkeit hat, auf der Universität auch nur ein Wort etwa über das große Gebiet des Sozialrechts zu hören. Es gibt unzählige Juristen, die als „voll ausgebil­det" in das juristische Leben treten und praktisch nichts gehört haben von dem so unendlich wich­tigen Rechts.gebiet der Reichsversicherungsordnung und den damit ·zusammenhängenden Fragen. Man sollte sich überlegen, was es in der Praxis bedeu­tet, ob einer eine Rente bekommt dder ob e~ sie nicht bekommt, ob er invaUdisiert wird usw. Der Referendar kommt aus .dem Studium heraus und "".eiß davon i:iichts. Man sollte daran denken, für ct1eses Rechtsgebiet Lehrstühle zu schaffen und schon bei der theoretischen Ausbildung et:was zu tun.

Über die Frage des Ausbaus der Gerichtsgebäude brauche .ich keine Worte :?Ju verlieren; da sind wir uns, glaube ich, alle einig.

Erfreulich ist, daß der Herr Minister 1an die Er­richtung der Rechtspflegerschule herangegangen ist, die längst fällig war. Man sollte überhaupt -als Jurist darf ich das mit besonders gutem Gewis­sen 1sagen - viel mehr auf die Frage der Rechts­pfleger und die ungeheure Wichtigkeit ihrer Ar­beit, die durch das Rechtspflegergesetz so sehr ge­stärkt worden ist, achten. Es ist ein gutes Gesetz, das tatsächlich 'die Dinge, die der Rechtspfleger bes­ser kann, ·auf den Rechtspfleger verlagert und dem Richter weggenommen hat. Wenn man das getan hat, muß man aber auch den Beruf des Rechtspfle­gers und die Rechtspfleger, 1die diese sehr verant­wortungsvolle Arheit ausüben, entsprechend ehren. Es hat mir .gar nicht gefallen, was von 'Seiten eines Herrn des Ministeriums kürzlich in einem AUtsschuß über die bayerischen Rechtspfleger ge'S'agt worden ist. Ich glaube, da sollte man etwa:s vorsichtiger sein mit Bemerkungen, die praktisch eine Diskri­minierung der bayerischenRechtspfl:eger darstellen.

Wa!S die Rationalisierung der Gerichtstätigkeit un:d die Verminderung des Personalstands im Mini­sterium anbelangt, kann man zu dem, was der Herr Minister aus.geführt hat, nur ja sagen. Ich freue mich iauch, daß er einiges über die Mitarbeit des Landes und des Justizministeriums im Bundesrat bei den sehr wichtigen anstehenden Bundesgesetzen gesagt hat. Ich glaube, ·es wäre gut, wenn uns das Ministerium über die itn Bundesrat anstehenden Probleme öfters etwa>s sagen würde, damit unter Umständen auch die Erfahrung dieses Hohen Hau­ses bei der Beratung dieser Bundesgesetze noch mehr zum Tragen kommen könnte. Ich meine das nicht so, daß in die Zuständigkeit des Ministeriums eingegriffen wird,. aber ich glaube, d:aß vielleicht doch in .der ·einen oder anderen Sache die Rechts-

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(Hirsch [SPD])

kunde der Fachleute hier im Haurse bei der Be­ratung dieser wichtigen Dinge mehr zur Auswir­kung kommen sollte. Es steht ·eine Unzahl von Ge­setzen im Bundestag :herran - der Herr Minister hat es mit Recht bemerkt -, an denen wir natÜI'-' lieh auch in 1der Landespraxis interessiert sind.

Ich darf außer den bereits erwähnten Dingen noch auf da\S. Richtergesetz und die Anwaltsord­nung hinweisen. Was das Richtergesetz anfangt, bitte ich den Herrn Minister - ·das' ist nun mein Staindpunkt - doch darauf zu ·achten, daß der a:b­soLut bewährten bayerischen Praxis des stänlCbigen Wechsels zwischen Staatsanwalt und Richter da­durch Rechnung getraigen wird, daß man auch den Staatsanwalt im Richterges·etz veriankert uind daß :Lhm praktisch. dieselben Rechte und Pflichten im Richtergesetz zugebilligt werden wie dem Richter selber; oder - wenn <lias aus irgendwelchen for­malen Gründen nicht für r.icht1g erachtet werd'.en sollte -, daß jedenfalls in einem :besorrderen Staatsanwaltsgesetz diese Dinge geklärt werden.

Sehr zu begrüßen sind auch id'ie FeS'tstellung·en des Herrn Ministers über das Verhältni!.s der Justiz 2iUr Presse. ·Es wäre wirklich gut, wenn wir er­reichen könnten, daß der Angeklagte vor 1dem rechtskräftigen Abschluß eines Ver:flahrenJs auch in der Pvesse nicht bereits •als überführt oder schul­dig gekennzeichnet weriden darf, wie w'ir es manch­mal erlebt hiaiben, auch in Fällen, in denen 'dann der Betreffende mit Pauken und Trompeten frei­gesprochen worden ist. Man muß sich einmal in die Situation eines solchen Menschen hineindenken, vor allem 1in einer kleinen Stadt.

(Abg. Dr. Wüllner: Wir begreifen das, aber die „Abendz•eitung" nicht!)

- Dais ist nicht nur die „Abendzeitung", in der Provinz ist es zum Teil .genau so, :daß ·ein Urteil vorweggenommen wird und ein Ehrenmann -jedem von uns. kann das passieren - un'Vemchul­det in Verdacht kommt und durch Presseberichte diskriminiert wird, die geles·en we!'den und von denen immer etwas hängen bleibt, •auch wenn der Betreffende dann irgendwann einmal frei!gespro­chen wirid.

Ich beldau:ere es, daß 1der Stellenkegel im gehobe­nen Dienst, von dem •bei der BeratUJil!g des. Besol­dungsgesetzes 1ausgegangen worden 'ist, bei der Ju­stiz, wie sich aus dem Bericht des Herrn Ministers errgibt, auch heute noch nicht besteht, geschweige denn, daß auch nur Ansatzpunkte dafür ida sin'd, daß der Stellenkegel, wie ihn unser kürzlicher Be­schluß vors'ieht, für die Justiz etwa schon gegeben wäre. Gerade in dieser Beziehung besteht auch bei der Justiz ·ein erheblichrer Nach.hol.bedarf. Die Justiz sollte auch nicht so zaghaft i.sei.n, •sondern daran­gehen, auf dem Gebiet, von dem die Arbeit des Richters ganz wesentlich abhängt, endlich einmal vorwärts zu kommen. Da:ZiU gehören 'die Schreib­kräfte. J·eder, der mit Gerichten zu tun hat, weiß, wie ·sehr es an Schreibkräften fehlt, wias für schlech­te Schreibkräfte dort zum Teil tätig sind, und daß ihnen Schreibmaschinen zur Verfügung gestellt werden, mit denen der kleinste Bauer kaum noch

arbeiten würde; damit müs,sen •sich die armen Mäd­chen in den Gerichtsgebäuden herumquälen. Der Herr Minister hat angekündigt, daß ein:e Anzahl neuer Schreibmaschinen .gekauft werden soll. Aber ich glau:be, 'diese Z'UJstän!de sollten, J:llach:dem wir nun das Jahr 1958 schreiben, längst hinter uns· Heg·en, und es sollte nicht so ·sein, daß es ·der Mmister be­sonders herausstreichen muß, wenn für di:e Justiz 400 Schreibmaschinen angeschafft werden. Die soll­ten stillschweigend schon längst da sein, wie bei anderen Behörden auch.

Einige Bemerkungen vielleicht noch zu der Frage des, Gnadenverfahrens. Ich bin persönlich der Mei­nung, daß es gar keinen Zweck hat - wie die Dinge nrun einmal liegen -, ZJU versuchen, mH ehreil)amtlichen Bewährungshelfern weiter zu kom­men. Ich halte d1e Einrichtung tdieser Bewährungs­helfer für eine gute Sache, d'ie man ausbauen sollte. Aber man wird sich eben entschließen müssen, auf hauptamtliche Bewährungshelfer. zurückzugreifen.

(A•bg. Dr. Brücher: Sehr rich.tig!)

Denn wir wiS'sen alle, ·daß sich für solche Ämter pI'iaktilsch niemand mehr ehrenamtlich zur Verfü­gung stellt. Leider ist es so. Eis ist auf allen Ge­b'ieten so. Es gibt kaum noch Leute, die bereit sind, ehrenamtlich zu arbeiten. Und da dem leider so ist, muß man die Konsequem'len ·ziehen und hauptamt­liche Bewährungshelfer heranziehen. In vielen un­serer Gerichtsbezirke gibt es überhaupt noch keine Bewährungishelfer; ich darf nur das Larrdgericht Hof ·erwähnen, da:s mir ·beson!ders. am Herzen liegt. Man sollte soweit kommen, daß •an jedem Land-

. gerichtsbezirk e'in solcher Bewährungshel:fler ist. Daß es nicht einfach ist, dafür geeignete Personen zu finden, versteht sich von selbst. Es. müssen Men­sch·en sein, di!eungeheuer viel Kenntni'Slse, '.Beziiehun­gen und Kontakte haben, wenn sie ihrer Aufga:be nachkommen sollen. Aber immerhin, wo ·em Wille ist, ist auch ein Weg. Ich g1!au'be schon, daß es solche Menschen gibt. Sie könnten 1sehr viel Gutes tun, nicht nur für die betreffenden Leute mit Bewäh­rungsfrist, sondern für uns alle; denn .jeder ein­zelne, der nicht mehr straf:fämg wird, ist ein Plus für deh Staat und für tlie Gerichtsbehörde. In vie­len Fällen werden Leut•e nur deshalb w~eder straf­fällig, weil sie nach der Entlassung aus der Straf­haft nicht mehr in {laS bürgerliche Leben hin•ein-_ komm~m. Man muß ihnen die Rückkehr ms bürger­liche Leben erleichtern. Man muß ihnen Hilfen ge­ben; man muß gewisse VorurteUe überwinden, die überall dagegen bestehen, ·einen Vorbestriaften ·ein­zustellen us.w. Das ist eine so verantwortungsvolle und wich.Uge Arbeit, daß man sie nicht nur so nebenbei machen kann, sondern !die die vblle Ar­beitskraft ei!nes hauptberuflichen, tüch.tigen, sehr tüchtigen. und daher auch gut beztahlten Men1schen erfordert.

Es wäre überhaupt •einiges über grun!dsätzliche Fragen ·zu sagen, die :sich aus 1dem Gnad:enrecht er­geben. Ich habe in den l'etzten Jahren schon immer meiner Meinung Ausdruck verHehen, daß ich einige Beidenken gegen die verfassu1I1gsmäßige Gültii.gkeit der ·bay>er'ischen Gnadenordnung habe. Man kann darüber streiten. Ich. will das hier nicht ·anschnei­den, aber man sollte vieUeicht doch einmal 'Clieise

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(Hirsch [SPD])

F11aige erörtern, ob es nicht zweckmäßig wäre, das Gnadenverfahren auf die ·berühmten Gnadenaus­schüsse zu übertragen, die wir aus al!llderen Län­dern kennen und die sich dort angieblich sehr gut bewährt haben. Man müßte die Frage mindestens einmal überprüfen. Ein solcher Gnadenausschuß würde sicher dazu beitragen, daß man n:ach außen eher an 'die Gerechtigkeit, die auch bei 1der Begna­digung waUen muß, glauben würde. Sie wi1ssen, daß an den Gnadenauisschüssen einerseits Staatsanwälte unid andererseits Anwälte usw. beteiligt sind, so daß eine gewiJsse Parität besteht. Uns1ere derzeitige Praxils, daß - genau genommen - !die Staats:­anwaltschaft, die die Anklage erhoben hat, im End­ergebnis wieder über 'die Begna!digung entscheiidet, ist nicht unbeldingt die ideale Lösnmg. Es ist .ganz klar, daß der Staats;anwalt meistens etwas ent­täuscht ·sein wird von dem Urteil, das normaler­weise milder ist, alts er es be:antraigt hat.

(Abg. Dr. Eberhardt: Das ist 1doch die objektivste Behörde der Welt!)

Bei aller Objektivität kann er doch nicht aus seiner Haut. Genau wie der Anwalt der Meinung ist, 'die S tl'lafe könnte niedriger 1sein, hält der Staats­an w alt im allgemeinen das Urteil für ·zu mild. Er wird im ·allgemeinen - von Ausnahmen a1bgesehien - nicht damn denken, einer Begnadigung zuzu­stimmen, wenn er schon das Urteil für zu milde hält. Also auch darüber wäre 1eirriges. zu 1sagen. Man sollte sich mit dem Problem beschäftigen. Es wäre vielleicht noch wichtiJg.er, daß das Justizmini­sterium einmal überprüft, wieweit es überhaiUpt mit unserer V·er:Dassung vereinbar ist, daß zum Beisp'iel im Fi.11!anzstrafverfahrem. der !Finanzmini­ster dais Gnaldenrecht 1auisübt. Da habe ich ganz ernste Bedenken. Denn ich bin der Meinung, daß in solchen FäUen nicht der fiskalische Minister das GnadeilI'echt haben sollte, ·sondern jemanid, der nur von dem einzelnen Fall aus, una!bhängiig von fiska­lischen Erwägungen, dre Begnadigung :aU!sspricht. Auch mit d:i!eser Frage 1sollte man sich be1schäftigen.

Zum Schluß vielleicht noch ein paar ·grundsätz­liche Bemerkungen, d1e dann aber doch ·etwas a'b­weichen von 1dem, was un:s der Herr '.Minister vor­getl'lagen hat. Gleich •am Anfang d1er Rede des Herrn Ministers finden wir eine sehr inte!'lessante BemerkuTIJg zur Fraige der Unabhängigkeit der Rechtspflege, eine Bemerkung, rdie dararuf hinaus­läuft: Mian so11e und ·müsse es in Kiauf nehmen, daß gewisse Fehlurteile ergehen. Die strikte Anwen­dung des Gesetzes - hat 1der Herr Minister gesagt - müsse di!e Grundlage der Beurteilung auch der Gerichte sein, und er hat wörtlich igesaigt: „Wir müssen an ·der Unabhängigkeit der Rechtspflege als Grundlage 'des Rechtsstaates auch da festhalten, wo idie strikte Anwe'.Il!diung des Gesetzes eine poli­tische Belastung bringt und unsere Gefühle ver­letzt."

Me1ine Damen und Herren! Da bin ich etwas an­derer Auffassung. Wir haben in ·der Zeit trach 1945 eine Entwicklung erlebt, die - möchte ich sagen -zunäch\St nach oben gmg und dann sehr nach unten. Wir ha·ben .1945 alle gemerkt, daß Recht und Gesetz

nicht unbedingt da>sselbe sind unid daß es eben Ge­setze gibt, ·\iie mit Recht nichts mehr zu tun haben. Wir sind uns klar gewol'lden - in der Theorie der Juristen und auch in der aHgemeiinenAuffä.ssung-, 1daß der Rechtspositivismus, also der Standpunkt, daß d1as, was ein Gesetzgeber nach Schema ord­nungsgemäß erlia\'lsen hat, unhedirugt Recht se·in muß, nicht 1d:as Richtige ist. Wir haben uns sehr intensiv mit den Frag1en des Naturrechts ibeschäf­tigt. Wir ha•ben die, glaube ich, 'doch sehr erfreu­liche Entwicklung unJS:erer Ver:ßassungsgerichtsbar­keit mit den berühmten Problemen - Herr Kollege Nerreter! - :der Verfassungswidrigkeit aiUch ein­zelner Verfassungsbestimmungen; Überlegungen, die ·immerhin beachtlich waren und wegführten von dem Positi:vi!smuis. Wir haben jetzt ein1e rück­läufige Entwicklung, die dah'in geht, .C!Jaß man ge­wisse Gesetze, insbesondere aus dem Dritten Reich, die von den Alliierten damals nicht aus'drücklich aufgehoben worden •sind, wie'der als Recht betrach­tet. Sie wissen ja •genau wie das war: Die Ameri­kaner haben eine Anzahl von Gesetzen au\'lrdrück­lich ·aufgehoben und eine Generalkliausel •e'inge­führt: Im übrigen gilt alles nicht, wa:s NS-Recht i:st. Das war gut und ·schön, aober es war doch zu wenig klar; si·e hätten sich vielleicht .etwas mehr Mühe machien sollen. Andererseits war es aber in der kurzen Zeit für sie vielleicht nicht möglich. Wi:i: haben in 1der ersten Zeit mit dieser Generalklausel ganz gut gearbeitet. Aber jetzt wird - um ein g1anz typisches Beispiel zu erwähnen - be'i uns nach wie vor etwa das berühmte Sammlungsgesetz ange­wendet.

(A!bg. Dr. Eberhiardt: Das gehört zum Ressort des Innenministeriums!)

- Es gehört zum Ressort .deis Innenministeriums„ wird aber von 'der Justiz pmktiziert.

(Abg. Dr. Brücher: Und wie es praktiziert wird!)

Ich denke jetzt gar nicht .an •den berühmten Vorfall mit Hans Werner Richter. Ich wHl es grundsätzlich betrachten. E'in Ge1setz, in dem steht: Die NSDAP darf s•ammeln, alle arud•eren grundsätzlich nicht; Ausnahmen genehmigt der Innenminister - das ist ungefähr der Inhalt des Gesetzes -, kann in der heutiigen Zeit nicht Recht se'in, ·auch wenn mange­s1agt hat, „N:SDAP" streichen wir, 'dann bleibt in dem Gesetz stehen, daß der Innenmin:iJster entschei­det, ob j•emand •s,ammeln darf oder nicht. Daß d1as mit IUilserer VerfassU!Il'g und unserem Rechtsgefühl nicht in Elinklang zu bringen ist, dürfte wohl klar sein. Aber es. ist ein typischer Beweis dafür, wie wenig - wir Anwälte sollten un1s ruhig schu1di!g bekennen - man angreift, wie viel zu wenig man unter id•em Einldruck des formellen Gesetzes tut u!l!d w1e träge wd.r g1eworden •sind. Wir sagen: Das Ge­setz ist nicht ·aufgehoben, a1'so wird es priaktiziert. Geniau so ist eis auch m:it 'den Unterlagen und Grundlagen gewisser Urteile. Der Herr Juistiz­minister hat j.a diesen Arnsberger F'all um:d auch den Simon-Prozeß erwähnt. Ich will diese Urtelile nicht schelten; Das steht mir nicht zu. Ich kenne die Einzelheiten der Akten n'icht, und ich will die De­batte gar nicht auf diese konkreten Urteile brin­gen. Al:ier eii.niges muß man doch sagen, nämlich,

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(Hirsch [SPD])

daß in diesen Fällen .das gesunde Rechtsempfinden unsereS' Volkes gemerkt .hat, daß da etwas nicht richtig war. Die Urteile laufen ungefähr darauf hinaus, daß diiese betreffenden Leute nach d:ama­liger Rechtslage recht gehandelt hätten; also könne man si:e jetzt nicht verurteilen, denn das sei ja Recht gewesen. Aber uruser Rechtsempfind·en merkt, daß da ·etwas nicht 'stimmt, wenn jemand im April 1945 Ehr1enmänner unter diffamierenden und schimpflichen Umständen aufhängen läßt, weil sie ein Fehlurteil eines Standgerichts nicht unterschrei­ben wollten. Da kann mir keiner erzählen, daß die Betreffenden nicht gewußt hätten, daß das Unrecht ist. Das war Unrecht und wird immer Unrecht bled.­ben. Es war nicht 1gedeckt durch irgendwelch·e Be­fehle eines Herrn Hitler oder nationalsozialiJstische Gesetze. Die waren für mich kein Recht, sondern Unrecht. Man muß bei di:esen Dingen umgekehrt denken: man muß davon ausgehen, daß eiin natio­nalsozialistisches Gesetz grundsätzlich Unrecht war und nur im Einzelfall durch Gewohnheitsrecht Recht geworden sein kann. Wenn man davon aus­geht, wird man, glaube ich, zu bess•eren Ergebnis­sen kommen und klareres, wirkliches Recht finden.

(Abg. Weishäupl: Man brauchte nicht unbe­dingt den Herrn Kesselring als Sachverstän­

digen!)

- Das ist ein Kapitel für sich, daß ein Herr, der - vorsichtig gesagt - mit die Finger d.n :diesen Dingen gehabt hat, hier als unabhängiger Sach­verständiger auftritt. Das ist, glaube ich, für keinen verständlich. Es gibt bessere Generäle, die das Recht hätten, als Sachverständige aufzutreten.

Also, wie gesagt: Mit dieser Frage sollte man sich einmal ernstlich beschäftigen. Diese Frage ist nicht zuletzt einer der Gründe, die doch immer wieder zu einem gewissen Mißtrauen gegenüber der Justiz und den Juristen führen. Mich hat es sehr berührt, als in der vorigen Woche bei der Verabschiedung der Besoldungsreform das Haus den Antrag des Kollegen Dr. Hoegner und meiner Wenigkeit, hetreffend die Einstufung der Ober­landesgerichtspräsidenten, mit überwältigender Mehrheit abgelehnt hat. Dabei hat mich nicht so sehr die Ablehnung als solche gestört; ich habe aber in den Wandelgängen mehrfach gehört, wie gesagt wurde: Ausgerechnet die Großkopfeten! Die sollen erst einmal besseres Recht sprechen; dann kann; man ihr Gehalt erhöhen. - Ich bin nach wie vor der Meinung, meine Damen und Herren, daß die Ablehnung dieses Antrags, genau genommen, eine Diskriminierung der bayerischen Justiz bzw. der bayerischen Oberlandesgerichtspräsidenten dar­stellt. Es ging bei dem Antrag nicht um finanziel­le Fragen - der finanzielle Unterschied war ja ganz gering -, sondern es ging darum, daß man die bayerischen Oberlandesgerichtspräsidenten nicht schlechter einstufen kann als die außerbayerischen Oberlandesgerichtspräsidenten. Aber der soeben erwähnte Gedankengang, der dahintersteckt und auch schon hier in diesem Hohen Hause vertreten wird, zeigt doch, wie man draußen denkt. Man hat

ein Mißtrauen der Justiz und den Richtern gegen­über.

(Abg. Stock: Sehr richtig!)

U n!d wenn ldem so ist, dann stimmt irgendetwas nicht.Woran das nun liegt, das zu ergründen, wäre des Schweißes der Edlen wert. Es ist ganz klar: Ein Richter kann immer . nur der einen Seite recht gebei:, und diejenige, die den Prozeß verliert, ist auf ihn böse und hält das Urteil für ein Fehlurteil. Also müßte er normalerweise von 50 Prozent der Beteiligten beschimpft werden, daß er kein guter Richter ist. Das werden wir nie vermeiden können. Es gibt noch verschiedene andere Dinge, die da eine Rolle spielen. Es gibt auch Dinge, die man bereinigen kann. Dazu gehört u. a„ daß man etwas mehr darauf achtet, daß das geschriebene Gesetz nicht unbedingt Recht ist und daß Feststellungen, wie sie in dem Simon-Urteil getroffen wurden -die Angeklagten seien zwar moralisch zu verurtei­len, könnten aber strafrechtlich nicht zur Rechen­schaft gezogen werden - bedenklich sind; denn das versteht niemand draußen. Ich habe schon in meiner Ausbildungszeit - sie lag zum Teil vor 1933 - gehört, Gesetz und Moral seien nicht das­selbe. Mir hat das schon als jungem Studenten nicht gefallen. Man sollte doch versuchen, die Ge­setze so zu machen, daß sie der Moral entsprechen, man sollte versuchen, Recht so zu sprechen, daß es der Moral annähernd - soweit das auf unserer Welt möglich ist - entspricht und an sie heran­kommt. Aber die Resignation, die darin liegt, daß man von vornherein sagt: Gesetz ist nicht gleich Moral, gefällt mir nicht, und sie sollte uns allen nicht gefallen. Es wäre noch einiges über diese Urteile ·zu sa·gen; aber ich will Sie nicht länger da­mit ermüden. Ich will Sie nur bitten, doch einmal über diese Dinge nachzudenken.

Man wird auch nachdenken müssen - und das hat der Herr Staatsminister auch angesprochen -über die Frage der Beteiligung von Laien bei die­sen schlechten Gerichtsurteilen und der Gerichts­barkeit überhaupt. Ich bin - um kein Mißver­ständnis aufkommen zu lassen - absolut für die Beteiligung der Laien. Aber ich glaube, wir alle sollten uns an die Brust klopfen und uns einmal fragen: Was haben wir, hier im Parlament, draußen in den Gemeinden usw., dafür getan, daß die rich­tigen Leute Schöffen werden?

(Sehr gut! bei der SPD)

Denken Sie bitte einmal an die Praxis, wie sich das abspielt! Da wird im Einwohnermeldeamt eine Liste erstellt, die wird so nebenbei dein Stadtrat vorgelegt, und der sagt: Das wird schon so richtig sein. - Und dann werden die Leute einfach per Schema zu Schöffen gemacht. Darunter sind auch solche, die weiß Gott nicht geeignet sind, die dann herumsitzen, mehr oder weniger schlafen und dann, obwohl sie vollwertige, gleichberechtigte Richter sind, dem beipflichten, was der Vorsitzende sagt. Es gibt auch andere Leute. Aber vielleicht sind manche der Freisprüche, die auf ein gewisses Ressentiment zurückgehen - merkwürdigerweise hat der Laie manchmal mehr Buchstabengläubigkeit an das Ge­setz -, auch auf unsere Laienrichter zurückzufüh­ren. Wir wissen leider Gottes nicht, wer das Urteil

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(Hirsch [SPD])

gemacht hat - die drei Berufsrichter oder die drei Geschworenen. In diesem Zusammenhang sollte man auch einmal daran denken, ob es nicht - ge­rade wegen .dieser Schwierigkeiten - doch richtiger wäre, die „dissenting opinion", die Möglichkeit, daß ein Richter, der von einem Urteil abweicht, dies auch zum Ausdruck bringen kann, einzuführen. Ich habe es immer für eine unzumutbare Sache gehal­ten, daß ein Richter, der überstimmt worden ist und das Urteil für völlig falsch hält, dieses Urteil noch durch seine Unterschrift decken soll.

(Abg. Dr. Hoegner: Wir haben es beim Verfassungsgerichtshof!)

Beim Schwurgericht aber ist es möglich, daß die sechs Geschworenen die drei Berufsrichter über­stimmen. Dann sollten diese auch die Möglichkeit haben zu sagen: Dieses Urteil ist aus den und den Gründen gegen meine Auffassung zustandegekom­men. - Man kann von einem Richter nicht verlan­gen, daß er den Kopf für etwas, was die anderen gemacht haben, hinhält und das noch mit seinem guten Namen deckt. Das ist eine ziemlich ernste Frage, und es würde, glaube ich, zur Verbesserung unserer Gerichtsbarkeit beitragen, wenn man sich endlich einmal entschlösse, in diesen Dingen etwas zu tun.

Meine Damen und Herren, eines muß ich auch heute noch einmal aufgreifen, was auch in den letzten Jahren - ich habe es selbst nachgelesen -­in jeder Debatte zum Justizhaushalt immer wie­der angesprochen wurde, nämlich die Frage der Armenrechtsbewilligung, insbesondere beim Amts­gericht. Wir haben nach wie vor in der Praxis keine Gleichheit der Staatsbürger vor dem Gesetz. Wir haben zwar theoretisch das Institut des Armen­rechts, aber wir haben bei den Amtsgerichten die Praxis, daß dem Armen, der den. Prozeß nicht auf eigene Kosten durchführen kann, eben kein Anwalt beigeordnet wird. Ich sage das nicht im Interesse der Anwälte oder etwa im eigenen Interesse. Die Anwälte sind im allgemeinen finanziell an der Ar­menrechtsbewilligung nicht interessiert, weil die Gebühren nach wie vor gering sind und weil ein beschäftigter Anwalt im allgemeinen froh ist, wenn diese Armenrechtsdinge nicht auf ihn zukommen. Besorgnis erregt einfach die Tatsache, daß ein Laie, der um Fragen der Wohnung oder sonstige wich­tige Fragen vor dem Amtsgericht einen Prozeß führt - und das Amtsgericht ist immerhin bis zu einem Streitwert von 1000 DM zuständig -, grund­sätzlich keinen Anwalt beigeordnet erhält und daß die Justiz im allgemeinen auf dem Standpunkt steht, es genüge, ihm einen Justizinspektor oder einen Referendar beizuordnen. Nichts gegen In­spektoren und Referendare! Diese können im Ein­zelfall viel tüchtiger sein und sich intensiver einer Sache annehmen. Aber es ist für sie doch an sich eine berufsfremde Tätigkeit. Sie haben nicht die technischen Möglichkeiten. Sie haben im allgemei­nen nicht die Erfahrung, und sie haben - das muß auch gesagt werden - doch nicht die Unabhängig­keit gegenüber dem Gericht, wie sie ein Anwalt hat. Das gilt insbesondere für die Referendare. Ein

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solcher kann ii:n Einzelfall tüchtiger sein und unter Umständen einen Prozeß gewinnen, den ein mittel­mäßiger Anwalt nicht gewonnen hätte. Aber grund­sätzlich ist es keine gute Sache, wenn der Mann oder die Frau, die im Armenrecht prozessieren müssen, allein oder mit einem Ersatzrechtsbeistand einem ev. sehr gewiegten Anwalt gegenüberstehen. Ich habe es manchmal, wenn ich im Gerichtssaal gesessen bin, und die Ungeschicklichkeit einzelner Parteien beobachtet habe, bedauert, nicht mit einem Wort die Situation für den Betreffenden klären zu können. Aber der kam als Laie eben nicht darauf; und es hat ihm leider Gottes keiner gesagt.

(Abg. Dr. Nerreter: Eine rein fiskalische Frage!)

- Leider Gottes ist es eine rein fiskalische Frage. Ich habe einen Brief vor mir, den das Justizministe­rium an den Kollegen Dr. Zdralek geschrieben hat. Dr. Zdralek hatte an das Justizministerium wegen der Beiordnung von Rechtsanwälten geschrieben. Und in diesem Brief teilt nun das Justizministe­rium mit, einerseits könne man nicht auf die Ge­richte einwirken, andererseits könne aber eine zu­sätzliche Beiordnung von Armenanwälten nur in Betracht gezogen werden, wenn der dafür im Haushalt vorgesehene Betrag von 2 450 000 DM er­höht würde.

Eines von beiden kann nur richtig sein. An sich hat selbstverständlich das Ministerium keinen direkten Einfluß auf die Entscheidung des Rich­ters; es steht dem Richter völlig frei zu sagen: Du bekommst das Armenrecht und Du bekommst den Rechtsanwalt beigeordnet. Der Richter hat keine Möglichkeit, zu prüfen, ob das im Rahmen des Etats möglich ist. Soweit wäre das in Ordnung. In der Praxis werden dem Richter aber .laufend Verwal­tungsvorschriften gemacht. Insbesondere halte ich es für bedauerlich, wenn die Kostenrevisoren dem Richter sagen: Wie kannst du das Armenrecht be­willigen und dem Klienten einen Rechtsanwalt geben, du hättest ja einen Referendar dazu be­stimmen können. Eine solche Beanstandung durch die Revisoren halte ich für eine· Unmöglichkeit, weil sie auch ein Eingriff in die richterliche Unab­hängigkeit sein dürfte. Aber diese Frage kann man nicht vom 'Standpunkt fiskalischer Erwägungen her lösen, sondern nur vom Standpunkt der Gerechtig­keit. Und wenn es um die Gerechtigkeit geht, darf die Justiz nicht sparen. Das tut sie schon bei ihren eigenen Belangen; aber in Fragen der Gerechtig­keit dürfte sie es unter keinen Umständen, damit der Arme wirklich sein Recht finden kann. Ich bitte doch das Ministerium und den Minister, darauf die Aufmerksamkeit zu lenken und eine Lösung zu finden, die wirklich dem Rechnung trägt, was wir alle haben wollen.

Im übrigen darf ich bei dieser Gelegenheit auch meinerseits dem Ministerium und allen seinen Be­amten, Angestellten und Richtern für die Tätigkeit in den letzten J.ahren danken. Der Minister hat recht, wenn er gesagt hat, es sei nur eine verhält­nismäßig geringe Zahl von Urteilen, die wir schel­ten müßten, gegen'(iber einer großen Zahl, die be­stehen bleiben könne und an die niemand rühre. Aber auch diese geringe Zahl soll uns nicht zur

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4636 Bayerischer Landtag - 135. Sitzung. Mittwoch, den 11. Juni 1958

(Hirsch [SPD])

Zufriedenheit bringen, sondern dazu, daß wir uns bemühen, sie noch mehr herabzusetzen auf den niedrigst möglichen Status; denn nur, wenn gar kein Fehlurteil mehr da ist, haben,, wir eine Ge­rechtigkeit, wie wir sie uns alle denken.

(Abg. Meixner: Sehr gut! und Beifall)

Präsident Dr. Ehard: Das Wort hat der Herr Ab­geordnete Utz.

Utz (BP): Herr Präsident; meine Damen und Her• ren! Der Herr Staatsminister der Justiz hat seine Etatrede mit einem Satz begonnen und diesen Siatz als ganz besonders wichtig natürlich auch an den Anfang seiner Ausführungen gestellt, daß nämlich die Unabhängigkeit der Gerichte peinlichst be­achtet werden müßte. Es ist niemand in diesem Hohen Hause, der es jemals wagen würde, die Wahrheit dieses Satzes irgendwie in Frage zu stel­len. Der Herr Staatsminister hat aber weiterhin auch - nicht nur der Presse, sondern auch jedem anderen - das Recht eingeräumt, an Aufgaben der Justiz oder Staatsanwaltschaft Kritik zu üben. Er hat hier insbesonders das Urteil Arnsberg und den Freispruch des SS-Generals Simon in Nürnberg erwähnt. Es gibt aber noch eine Entscheidung der letzten Zeit - eine politische Persönlichkeit stand hier im Blickpunkt der Öffentlichkeit -, die auch zu Kritik Anlaß gegeben hat. Es wundert mich eigentlich, daß sich der Herr Vorredner, der Herr Kollege Hirsch, mit dieser Sache nicht befaßt hat. Aber wie kann es zu einer solchen Kritik kommen? Ich brauche nicht die einzelnen Zeitungsartikel zu zitieren, daß man hier der Staatsanwaltschaft vor­wirft, ·sie hätte sich vorher bei der alten Regierung so geäußert und bei der neuen Regierung wieder anders. Woher kommt es, daß hier in der Öffent­lichkeit ein ungutes Gefühl entsteht? Das kann nur daher rühren, daß entweder die Justizpressestelle nicht funktioniert, daß sie uns, der Öffentlichkeit, nicht idi:e nötige AufiltlärU!IlJg gi:bt oder d!aß das Verhältnis des Ministeriums und der Staatsanwalt­schaft zu der Presse und zum Rundfunk - wie es der Herr Staatsminister am Schluß seiner Aus­führungen ganz besonders erwähnt hat - nicht in Ordnung ist, daß also der Versuch, gute Beziehun­gen zu 'diesen NachrichtenJagentur1:m 'ZU unterhal­ten, irgendwie nicht klappt. Wenn uns die Justiz­pressestelle die wahr.en Hintergründe für ein sol­ches Verfahren - das doch alle Leute in Bayern interessiert hat - bekanntgegeben hätte, wäre es nicht zu diesen Kritiken gekommen. Das wollte ich zu dieser Sache sagen bezüglich der Verlautbarun­gen des Justizministeriums und der Staatsanwalt­schaften im Hinblick auf Verfahren, in denen poli­tische Persönlichkeiten beteiligt sind.

Ein anderes Thema, das sehr interessant ist - -

(Unruhe -Abg. Lallinger: Der Fall Feury!) -

- Den habe ich ja gemeint; ich habe nur den Na­men nicht nennen wollen; es ist niemand im Haus, der nicht weiß, was ich gemeint habe.

(Abg. Hanauer: Er war mit Ihrer Diskretion nicht zufrieden!)

- Nun wissen wir es ganz genau, Herr Kollege Hanauer.

Nun eine ganz andere Sache, und zwar folgen­des: Der Herr Staatsminister de:r Justiz hat davon gesprochen, daß die kommende Bundesrechts­anwaltsordnung eine unbeschränkte Freizügigkeit bringen werde. Wir haben es 1945/46 erlebt, als eine große Anzahl von Divisionen der damaligen deutschen Wehrmacht in Bayern aufgelöst wurde, daß sehr viele Ärzte und sonstige Leute in Bayern blieben un!d sich hier ,ansässig machten. Da\s .galt für die Ärzte. Und heute habe ich die feste Über­zeugung, daß es bei den Rechtsanwälten genau so werden wird wie bei den Ärzten - bei denen in Bayern sehr viel weniger Pa"tienten auf den einzel­nen kommen als in den übrigen westdeutschen Ländern - nämlich, daß die Rechtsanwälte einen viel kleineren Klientenkreis haben werden, weil sie sich, angelockt durch unser schönes Land, durch unser~ schöne Heimat und durch. die guten Ver­hältnisse bei uns in Bayern, in viel größerer Zahl bei uns niederlassen werden, wenn die Freizügig­keit im Gesetz Wirklichkeit werden sollte. Es wird tatsächlich Aufgabe der Staatsregierung sein, mit allen Mitteln bei di~ser Gesetzgebung im Bundes­rat mitzuwirken, damit nicht eine weitere große Überfüllung auch auf dem Gebiet des Rechts­anwaltberufes, so· wie bei den Ärzten, in Bayern eintritt.

Der Staatsminister der Justiz hat über die Un­terbringung der Justizbehörden gesprochen und festgestellt, daß von den 90 Mil1i.onen DM, die im Haushalt 1958 für die Hochbaumaßnahmen ent­halten sind, insgesamt nur 3,8 Millionen, also 4,2 Prozent, für die Bauten der Justiz ausgegeben werden sollen. Das ist schon sehr wenig. Wenn schon der Herr Staatsminister wie auch sein Staats­sekretär der größten Partei dieses Hauses ange­hören, so hätte man annehmen müssen, daß sie ihren Einfluß doch etwas mehr zugunsten der Hochbaumaßnahmen der Justiz geltend machten. Freilich, einiges wird gebaut. Aber das meiste, das uns der Herr Staatsminister der Justiz genannt hat, sind noch Pläne, geplant erst für die Zeit nach den kommenden Landtagswahlen.

(Abg. Sackmann: Sie haben den Rucker-Plan und andere Pläne gemacht!)

- Eben, wir haben auch Pläne gemacht. Sie wer­den mir recht geben, Herr Kollege Sackmann, daß nur relativ wenig für heuer im Haushalt steht, das meiste steht drin für die kommenden Jahre. Wenn Sie im Haushalt nachlesen, werden Sie fin­den, daß das richtig ist.

Es freut mich besonders" daß di:e Rechtspfieger­schule endlich Wirklichkeit werden soll. Wenn man selber diesem Beruf angehört, hat man ein be­sonderes Interesse daran, daß die jungen Kollegen hier ausgebildet werden und zur Entlastung der Richter beitragen. Wie weit sich dieses Gesetz, das am 1. Juli 1957 in Kraft getreten ist, schon bis heute in Form von Einsparungen bei Richterstellen ausgewirkt hat, konnte uns der Herr Justizminister nicht sagen. Aber ich kann mir vorstellen, wenn die vielen Aufgaben auf allen Gebieten - Zwangs­verwaltung, Zwangsversteigerung, Voirmund-

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(Utz [BP])

schafts-, Nachlaß- und Registergericht - von Rich- ~

tern auf Rechtspfleger übertragen werden, ergibt sich eines Tages eine gewisse Einsparung bei den Richterstellen. Dann wäre es auch berechtigt, den Rechtspflegern für diese Mehl'belastung durch die richterliche Tätigkeit, die sie ausüben, die mit 40 DM wirklich nicht zu hoch angesetzte Rechts­pflegerzulage zu geben.

(Sehr richtig! bei der BP)

Der Rechtspfleger hat sich in der Öffentlichkeit bewährt. Icii hatte Gelegenheit, von dem Verband der Rechtspfleger zu hören, daß sie über die Stel­lungnahme eines Vertreters des Justizministeriums zum Stand der Rechtspfleger außerordentlich be­trübt gewesen sind. Es geht nicht an, auf der einen Seite zu sagen, der Rechtspfleger erfüllt richter­liche Aufgaben, die bisher der Richter erledigt hat, und auf der anderen Seite: Ja, aber der Rechts­pfleger ist doch nicht so der gute Beamte oder der beste, den wir haben! Entweder - Oder! Man muß hier schon konsequent und klar seine Meinung und

. nicht irgendeine Zweckmeinung zum Ausdruck bringen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Staatsminister der Justiz hat sich sehr lange mit der Durchführung des Beschlusses des Land­tags vom 11. Juli 1957, wonach 10 Prozent der Stellen in den Ministerien abgebaut werden sollen, befaßt. Es ist erfreulich, daß der Herr Staatsmini­ster diesen Beschluß so durchgeführt hat, daß da­von alle Beamtenkategorien gleichmäßig betroffen sind, und nicht etwa so, daß irgendein Berufsstand ausgenommen und die 10 Prozent zu Lasten eines anderen Berufsstandes ausschließlich abgebaut worden wären, was auch eine Möglichkeit gewesen wäre, um im Endeffekt einen zehnprozentigen Ab­bau zu erreichen. Es ist deshalb erfreulich, daß so­wohl 4 Stellen des höheren Dienstes als auch 4 Stel­len im gehobenen Dienst, 1 Stelle des einfachen Dienstes und 3 Stellen für Angestellte eingespart worden sind. Es ist aber auch. wahr, und das kann ich aus eigener Erfahrung berichten, daß gerade das Staatsministerium der Justiz im Vergleich zu anderen Ministerien seit 1945 nur eine sehr, sehr geringe Steigerung des Umfangs seiner Stellen zu verzeichnen hat. Der Abbau, den das Staatsmini­sterium der Justiz mit 7 Prozent im Hinblick auf die 10 Prozent, die verlangt waren, bereits durch­geführt hat, ist also relativ hoch und anerkennens­wert.

Der Herr Staatsminister hat uns weiterhin ver­sichert, daß er im Rechtsausschuß des Bundesrats dafür sorgen werde, daß die Rechte Bayerns und der Föderalismus unter allen Umständen gewahrt werden. Dafür ist ihm zu danken. Er soll sein Be­streben vor allem darauf richten, daß auch nicht der kleinste Finger von den Bundesstellen frgend­wie in Anspruch genommen wird, nicht die kleinste Kompetenz, die Bayern zusteht und die sich die Herren da oben, wie der Ausdruck dort heißt, unter den Nagel reißen wollen. Wenn er diese Aufgabe erfüllt und die Rechte Bayerns wahrt, hat er sich ein besonderes Verdienst erwmben und die An-

erkennung unserer Partei und der Fraktion ver­dient.

(Zuruf des Abg. Hanauer) - Ob Ihnen diese Anerkennung etwas wert ist, das müssen Sie uns überlassen. Vielleicht wird Sie Ihnen einmal sehr viel wert sein.

(Abg. Hanauer: Sie swechen in Rätseln!) - Das kann sein. Aber ist Ihnen das ein Rätsel? Ich bin gern bereit, diese Sache noch mit Ihnen zu besprechen.

(Abg. Hanauer: Ich stehe dafür zur Ver­fügung!)

Meine Damen und Herren, die lange Dauer der Verfahren hat sich vermindert. Ich glaube aber, noch einen Vorschlag hinsichtlich der langen Dauer der Strafverfahren machen zu müssen. Staats­anwalt und Oberstaatsanwalt müßten mehr frei werden für die größeren Sachen, für die Verbre­chen und Vergehen, und sie könnten sehr entlastet werden, wenn man, wie früher und in anderen Ländern auch, den Amtsanwalt dazu hernimmt, um die BagateUfälle, diese Massensachen, zu er­ledigen. Der Staatsanwalt hätte dann mehr Zeit für die schwierigeren Sachen. Er wäre entlastet von dem Kleinkram, den der Amtsanwalt seit Jahrzehnten wirklich gut erledigt. In der Besol­dungsordnung steht der Amtsanwalt und der Ober­amtsanwalt, und e'S ,steht kein Vermerk idrinnen „künftig wegfallend". Trotzdem geschieht nichts, daß Amtsanwälte ernannt und in Bayern wieder zugelassen und befördert werden. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, Herr Staatsminister, wenn Sie uns hier die Pläne Ihres Ministeriums kundtun wür­den. Ich habe nur von den kleinen Sachen gespro­chen, den Bagatellsachen, die dem Amtsanwalt übertragen werden sollten. Dann haben Staats­anwalt und Oberstaatsanwalt Zeit für die schweren Verbrechen. Daß wir gerade in der Zeit, in der wir leben, unsere Oberstaatsanwälte frei machen müs­sen für schwere Verbrechen, leuchtet wohl jedem ein, der die Presseberichte und Nachrichten über die Kapitalverbrechen liest, die sich in West­deutschland mehr und mehr häufen.

(Sehr. gut! bei der BP)

Diese Kapitalverbrechen, Kindsentführungen und dergleichen mehr, zwingen mich auch, für meine Fraktion zu wiederholen: Gegenüber diesen Ver­brechern gibt es keine Humanitätsduselei, für diese Verbrecher gibt es einzig und allein die Todes­strafe!

(Sehr gut! und Beifall bei der BP)

Ich wäre sehr dankbar, wenn das Staatsministe­rium d·er Justiz dies als Alllffassung des, B.ayerlischen Landtags in Bonn kundtun würde. Wer ein Leben mordet, um seine Gelüste und verbrecherischen Triebe zu befriedigen, hat ebenfalls sein Leben verwirkt.

(Abg. Dr. Brücher: Das ist aber sehr ein­fach!)

Meine Damen und Herren! Die Einstufung der Gefängnisbeamten w.ar bisher zu nieder. Wer als GefängnisiJJeamtem. täglich selber!hinter Gittern sitzt,

(Abg. Bantele: Selber eingesperrt ist!)

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(Utz [BP])

- selber eingesperrt ist und weniger Freiheiten hat wie der andere Arbeiter, Angestellte und Be­amte und neben dem schwierigen und verantwor­tungsvollen Dienst in der gefährlichen Umgebung von Verbrechern auch noch erzieherisch auf den wirken soll, der ·einmal gestrauchelt ist, bei dem muß man auch eine gewisse Lehrertätigkeit be­rücksichtigen.

(Sehr gut! - Zuruf: Eine gewisse Lehrer-besoldungsordnung, Herr Kollege!)

- Nein, das nicht; denn die Gefängnisbeamten sind zu weit unten, sie sind gerade in den mittleren Dienst hineingekommen. Aber etwas muß bei ihnen das schwere und verantwortungsvolle Amt, diese Lehrerrtätigk:eit, auch berücksichtigt werden.

Zu einer persönlichen Meinung des Herrn Staats­ministers der Justiz la:ssen Sie mich kurz noch ein paar Worte sagen! Er ist der Auffassung, daß nun­mehr endlich mit der Entnazifizierung Schluß ge­macht und die noch bestehenden Spruchkammern aufgelöst werden sollen. Ich darf Sie aber daran erinnern, daß das Gesetz nicht nur heißt „Gesetz zur Befreiung vom Nationalsozialismus", sondern es steht noch dabei „und Militarismus".

(Heiterkeit - Sehr gut! bei der BP) Zu diesem Teilabschnitt des Gesetzes hat der Herr Staatsminister seine Meinung nicht kundgetan.

(Sehr richtig! bei der BP)

Meine sehr ver·ehrten Damen und Herren! Die Fraktion der Bayernpartei wird sich bei der Ab­stimmung über diesen Etat der Justiz der Stimme enthalten, nicht nur, weil es üblich ist, daß die Opposition dem Haushalt nicht zustimmt, sondern deswegen, weil zu wenig Mittel für die sparsame und seit Jahrzehnten hintan gebliebene Justiz ein­geplant worden sind. Es obliegt mir noch, den Beamten und Angestellten der Justiz für ihre Tätigkeit in den vergangenen Jahren zu danken.

(Beifall bei der BP)

Präsident Dr. Ehard: Das Wort h:at der Herr Ab­geordnete Hanauer.

Hanauer (CSU): Herr Präsident, meine sehr ver­ehrten Damen und Herren! Es ist wohl ein beruhi­gendes Gefühl für den jeweiligen Herrn Justiz­minister, zu wissen, daß sich 1an seinem Etat die Gemüter nicht zu erhitzen pflegen; und so war auch die Kritik - und ich darf dies in Umkehr der Si­tuation des vergangenen Jahres sa.gen - der bei­den Oppositionsredner, des Herrn Kollegen Hirsch und des Herrn Kollegen Utz, nicht eine ernsthafte Kritik in irgendeinem Punkte, sondern letztlich nur eine Kritik in d e m Punkte," worin wir auch im ganzen Hause einig sind: nämlich in der Frage der 1so berühmten Sparsamkeit.

(Abg. Bante1e: Nicht verwunderlich!)

Wenn jemand die Geschichte der Parlamentsdebat­ten zum Justizetat im Bayerischen Landtag schrei­ben würide, dann könnte er nichts :anderes als die

einhellige Meinung von Opposition und Koalition finden, dre sich wie ein roter E1aden durch alle De­batten zieht und d~e besagt, daß der Herr Staats­minfoter der Justiz doch endlich einmaJ diese Spar­samked!t durch ein istärkeres Rückgrat gegenüber dem Herrn Finanzminister überwinden möge. Es ist also der lobende 'I1adel, oder - wenn Sie so woUen - das tadelnide Lob an der Sparnamkett -ein tränendes und •ein lachendes Auge. Aber ich muß meinem Vorredner darin beipfhlchten: In einem Jahr, in dem der Herr Finanzminister die 4-Milliarden-Grenze für seinen Haushalt schon er­reicht, sind 4 Millionen als Teil von 90 Millionen DM im staatlichen Hochbauwesen bei ·dem beste­henden Nachholbedarf und bei den Zuständen im Gebäudewesen und bei der dafür herrschenden DringHchkeiit - :ßast möchte ich ·s1agen - •eine mathematisch 111i.cht meru feiststellbare Größe. Wir wünschen also 1Ulld würden es begrüßen, wenn das Justizministerium eine stärkere Initiative ent­faltete. Wenn wir, um nur den mir naheliegenden F·all Starnberg zu nennen, davon hören, daß seit Jahren 1Schwüerigkeiten in der Grundstücksbeschaf­fung bes·tehen, so möchte ich ·behaupten, daß bei einer stärkeren Initiative, die ja unlängst auch ein­g·eleitet wurde, di-ese schon längst hät;ten behoben werden können.

Im Zuge der Erörterungen :der sparsamen Be­wirtsch!aftung der Mittel im Justizministerium muß wohl 1auch immer der Wunsch nach einer .ausrei­chenden Versorgung unserer Beamten und vor allem unsere'!.' Richter mit Literatur erwähnt wer­den. In dd:e•sem Zusammenhang muß aber etwas auf:flallen. Ich weiß nicht, ob der eine oder andere von Ihnen, meiine Damen und Herren, in den letz­ten Monaten in Büros der Justizv.erwaltung bei Richtern oder Staatsanwälten zu tun hatte. Er würde dmt, und zwar nach der Anzahl der in den einzelnen Büros sitzenden Beamten je sieben dicke rote Bände im Großformat aufgestapelt finden: die bereinigte J ustizverwaltungsvorschriftensiammlung. Sind also drei Be1amte in einem Büro heschäftigt, so sehen S1e 21 devartige Bände schön säuberlich in einer Ecke stehen und Sie erhalten die Zus~che­rung, ·daß sie ni•e gelesen werden und gelesen zu wer­den brauchen, weil s1e nicht den praktizierenden Staats- oder Amtsanwalt betr-effei1, rauch nicht den Richter, sondern nur den Amtsleiter und den ge­schäftsführenden Inspektoa.-, für den ·eine Aus.gabe in der Bibliothek voHauf genügt hätte, um den Be­darf an dieser Literatur zu decken. Es ist mithin i:n einem speziellen Falle des Guten zu viel getan worden, und ich muß dringend bitten, daß man bei künftigen Ansch1affungen die Mittel doch etwas besser steuert und verwendet. Der Wunsch nach besseren Büromaschien zur Erleichterung der nicht allzu zahlreichen Schreibkräfte wird wohl auch mit Recht alljährlich vorgetragen.

Ich habe aber noch eine .andere Frage an das Bayerische Staatsministerium der Justiz: Hat sich das Ministerium schon Gedanken über das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts vom 20. De­zember 1957, wenn es rechtskräftig werden soJlte, gemacht, woTin bei genauer Untersuchung der hi­storischen Entwicklung auf 25 eng beschriebenen Seiten festg.estellt wird, daß die Justizverwaltung

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(Hanauer [CSU])

verpflichtet wäre, in ihrem Bereich tätigen Asses­soren, Richtern und Staatsanwälten Amtsroben z1:r Verfügung zu stellen; ein Verfahren, das durch d~e bescheidene Anfrage eines minderbemittelten As­sesso,rs ausgelöst wurde, man möge ihm doch eine Robe für die Erledigung des Amtsdienstes bereit­stellen. In unserem Rechtswegestaat ist so aus einer bescheidenen Anfrage, die mit einer Rechtsmittel­belehrung verbeschieden wurde, ein hochnotpein­liches Verfahren geworden, das unter Umständen in seinem Ergebnis nicht ganz billig kommen könnte.

Daß die Spruchkammerauflösung 'angekündigt wird, begrüßen wir wohl alle. Ich darf, um dem Henn Kollegen Utz zu antworten, sagen, daß nicht der derzeitige ·amtierende Justizminister verant­wortlich für die Überschrift ist, die das jetzt zu liquidierende Gesetz seinerzeit gefunden hat, das auch nicht rein deutscher Provenienz ist; wie wir alle wi1ssen.

Wenn wir von Sparsamkeitsmaßnahmen der Ju­stizv·erwaltung sprechen, möchte !ich meinerseits noch eine Anregung beifügen: Ich glaube, daß im Zuge ·der Gerichtskassenzusammenlegung noch manche Gerichtskasse .zentral bei den größeren Ge­richten zusammengefaßt und von dort aus gesteuert werden könnte, was gar nicht so sehr einem Per­sonalabbau gleichkäme als im wesentlichen einer Vereinfachung und Beschleunigung und vo·r allem auch einer guten und besseren maschinellen Aus­rüstung der Gerichtskassen. Es bleibt also auch auf diesem Gebiet noch manches zu tun, um die gelobte Sparsamkeit zu verstärken.

Meine Damen und Herren! Die Frage der Per­sonalpolitik, die bei der Besprechung Cles Justiz­etats immer einen sehr weiten Rahmen eingenom­men hat, is·t insofern schon in den letzten Wochen eingehend erörtert worden, als sie ein Teilstück der großen Besoldungsreform war. Wir hoffen, daß vor allem mit dem Stellenkegel auf Grund des Donsbergerschen Planes auch den berechtigten Wünschen der Justizbeamten, die im Hintertreffen waren, nunmehr Rechnung getragen werden kann. Daß Wünsche offen blieben, wissen wir. Ich muß, weil es gerade dem Herrn Justizminister nicht zum Vorwurf gereicht - Sie haben getan, was Sie tun konnten -, auch hier erwähnen, daß es tief be­dauerlich ist, daß das Hohe Haus glaubte, die drei Präsidenten der bayerischen Oberlandesgerichte in einer Weise einstufen zu müssen, daß sie um ein bis zwei Stufen schlechter gestellt sind als fast alle Präsidenten der bundesdeutschen Oberlandesge­richte, obwohl wir in Bayern ein mittleres, ein größeres und ·das zweitgrößte Oberlandesgericht der Bundesr.epublik haben.

Ein anderer Vorschlag, der ebenfalls in den Müh­len des Haushalts- und Finanzausschusses zermah­le:q. und dann vom Plenum abgelehnt wurde, ist die Rechtspflegerzulage, Wenn ich das noch ein.mal aufgreife, dann, um ;festzustellen - ___,

8

(Abg. Gabert: Nach dem Willen d'er Regierungsparteien!)

- Im Haushaltsausschuß kam sie he·riaus; der Be­soldungsausschuß hat sie hineingetan!

(Abg. Gabert: Aber da war er in de;r Zwi­schenzeit auf Vordermann gebracht worden!

- l:Ieiterkeit bei der BP)

- Es war halt aus rein finanztechnischer Einsicht, Herr Kollege Gabert,

(Heiterkeit)

und ich glaube, man hat die sachlich·e Einsicht etwas übersehen; deshalb wollte ich das Problem mit einem ganz bestimmten Grund noch einmal an­schneiden. Ich habe niemals an eine Zulage ge­dacht, die den Rechtspfleger-Inspektor zu einem besseren als die übrigen Inspektoren avancieren lassen sollte, sondern es ging darum, daß für die mit der Erfüllung richterlicher Aufgaben verbun­dene höhere Haftung und höhere Verantwou:tlich­keit ein Ausgleich geschaffen werden· sollte, um für diese Beamten Schadensersatzansprüche, die vielleicht nach Jahren plötzlich auf sie zukommen, auszugleichen und die Möglichkeit zu schaffen, durch Abschluß einer Haftpflichtversich·erung, an der gar nicht vorübergegangen werde.n kann, vor­zubeugen. Ich glaube, ·daß man sich im bayerischen Justizministerium darüber: Gedanken machen muß, wie hier Hilfsmaßnahmen, sei es durch Abschluß eines Gruppenvertrages oder auf andere Weise, ein­geleitet werden können.

Und noch eines: Ich habe den Ausführungen des Herrn Staatsminisrters mit Genugtuung entnom­men, daß man daran geiht !ZU dezentralisieren, daß man insbesondere daran geht, aus dem Justizmini­sterium gewisse Arbeiten, vor allem auf personal­politischem Gebiet, herauszunehmen. Abe:r wir wis­sen auf der anderen Seite, daß die Justiz bei ihrer Sparsoamseit auch auf dem Personalsektor unterbe­setzt ist. Ich möchte wünschen, daß das Justizmini­sterium und sämtliche von ihm mit der Aufsicht über das Personal, ,die Beamten ·und Angestellten, betrauten Persönlichkeiten aber auch alles unter­lassen, was die Leistungsfähigkeit des einzelnen beeinträchtigen könnte. Es geht doch darum, daß gerade derjenige, der im Justizsektor arbeitet und im Höchstmaß ange1spannt :ist, nicht durch kleinliche oder gar ungerechte Kritik in s'einer Arbeitsfreude beeinträchtigt wird. Ich könnte Ihnen hier Beispiele nennen; aber ich möchte hier keine weiteren Aus­führungen machen.

Die Frage der Ausbildung, die der Herr Justiz­minister für die Referendare ·angeschnitten hat, gibt mir Anlaß, den Wunsch aus?:usprechen, daß sie auch für di:e Richter im gleichen Maß wie bisher fortgeführt wird, wobei hier der Gesichtspunkt einer möglichst volksnahen und •allgemein ver­ständlichen Rechtsprechung Berücksichtigung zu finden hat. Daß die Rechtspfleger ausgerechnet in meinem Landkreis S'tarnberg ein würdiges Heim erhalten, befriedigt und freut mich.

Ich glaube aber, daß wir im Zuge der Ausbil­dung nicht nur bedacht sein müssen, das im Justiz­sektor tätige Personal ~ Richter, Staatsanwälte, Rechtspfleger, Inspektoren~ gut auszubilden. Wir müßten uns 1auch einmal im Interesse des Ver­trauens der Bevölkerung zur Rechtspflege inten-

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4640 Bayerischer Landtag - 135. Sitzung. Mittwoch, den 11. Juni 1958 ·

(Hanauer [CSU])

siver urnd ernstlicher mit rdem Gec1anken befassen, da1s Publikum und die heranwachsende Jugend auf diesem Geibi'et auszuNl!den, nicht in FoiTII einer speziellen und detaillierten RecMskJenntnis, 1aber doch in einer Form, die den einzelnen Menschen meihr, .a1ls es bisher der F1all ist, an di!e Gedanken des Rechtsguts heranführt, damit sie die Recht­sprechung auch in ihrer negativen Erscheinungs­formen !besser verstehen können. Ich gl!aube, daß auf dieis•em Gebä:et 1auch .diJe vom Hay.elrischen Land­tag ins Leben gerufene Akademie· für Politische Bildung •ein Betätigungsfel!d seihr wertvollen Aus­maßes hätte. Es ist wohl eine Aufgaibe des Bay.eri­schen Staatsmini:sterJums der Justiz, Mer die Im­puls•e ·zu geben und iTufüativ zu werden; denn wenn ich eine BevöH{!erung - ·die den Sta;art jetzrt :allzu sehr nach dem .geisprnchenen Recht beurteilt und davan den Maßstab für die Demokrat:iie •legt - be­komme, diile ·die 1Schwierigl{,eiten kennt und außer­dem einen allgemeinen Begriff von Recht und Ge­rechtig1kJeirt durch die Schulausbildung mi1Jbringt, dann - glaube ich - haben wir nicht nur v:iel für die Justiz und die Rechtspr.echung, so~dern für den Staat und d5'e Demokrati!e schlechthin ige1sch0affen.

Meine sehr ve·rehrten Damen und Herren! Der Etat ·des Herrn Staiatsministers der Justiz ist ein v;erwaltungsetat. Aber •die Traidition hiat es mit sich .geibmch t, 1daß wir allj äihr lieh einmal dazu über die reine Jus1li'z:verwaltung hinaus Wünsche und Anregungen im Hohen Hause vol'i1Jraigen. Ich hrabe mir die Mühe gienommen, ·einige ProtokoHe der lefaten J:ahre durchzul'esen, unJd habe mit Bedauern festges.teJ:lt, daß die WoTte meist im Rlaum verhall­ten UJ'.lld dJie Wünsche in den Protokollen vell'gd.liben. Ich iha:be vermißt - und 1es wäre ·eigentlich .iun e;in­j ähr.iigen Turnus nichit zu vi'el ver l!angt -, daß man zu 1diesen Anregungen etwas Steltlunig nimmt. Es wäre izum Bedisp1el interessant gewesen zu hören, ob dlie im Bayerischen Landtag tmmeir wieder vor­gietnagene Foriderung, doch den Verkehrssünder, der ii:nihaftiert wird, nicht •schlechtw1eg dem krimi­nellen Stra:flgef.angenen gleichzustellen, miit Impuls dafür war, daß nunmehr hei :der Stnafrechtsreförm eine „•Stnafhad:t" für di!ese FäUe vorgesehen und damit eine Untersch·etlidunig gegenüber Gefängnis un:d Zuchthaus gemacht werden soll.

Ich wül'lc1e es begrüßen - und der Renr: Minister ist mi1r •in seinen Ausführ-ungen insoweirt ·zuivoLr-ge­kommen, a1ls er ·zu der Fra1gie generell .Sterl1ung ge­nommen hat.,--, wenn unsere bayerische Justizver­wialtun1g üiber di1e Buruc1esreg1erung und vor aHem übeir den Bundesrat maßgeb1ichen Einfluß auf die auch für uns so wichti:ge Bundesgesetzgebung, die uns :immer meihr ei:nzuengen sucht, zu gewinnen versuchite. Albeir d:ch muß - und hier hat mir der Herr Kollege Hirsch •aUis dem Konzeprt gesprochen - di:e Forder.ung erheben, daß das Ministerium die Geheilmlhialtung der Akten, d.ie in Straf- und son­stiigen Verfaihren sehr gut 1am Pliatze sein kiann, nicht 1sorw•eit treii:bt, sondern 1c1aß man ibei diesen pin:gen einen mit der Verfassung und der Unab­hängigi}{ieit d:er v;erwa1tung ein Einklang stehenden Weg findet, um dem Hohen Ha1uise di•e An~elegen­hcp:iten 1befoanntgeben zu kö:n.nen. Ich könnte mir

vorsteiilen, id!aß es für UI11S seihr li.nteire'SS•ant wäre, wenn wi!r uns z. B. •einmaI ·zu der Fraig1e äußerten, ob man, wie vorgesehen, dem Meineid allmählich den Charakter eines KaivaHe!'ldeld:kts v.eirleiihen und ihn ·vom Veribrechen zum Vel'igeihen 1a:bwerten soll, was mei'Illes Emchtens eine ernste Gefähr heriauf­beschwfuen würde. Man sollte di1e Infliation der E:üde steuern, aber man soUte den Meinedid nicht zu einem :geringeren De1ikt ausgestalten, da .:ger,ade der Eird die GI'l~dl;age vieler Urteile ist, die d'ie Gerichte iZU. fällen hia:ben.

Ein ·ganz 'beachtlicher Purnklt ilst dn diesem Zu­sammenhang das bevorstehende Richtergesetz, bei dem wir genau so wie bei der HesoJduinigsl'ieg;elung an das Gesetz des Bundes gebunden sein werden. Der Bayeni!sche Landtag wi:rid 1also künftighin bed der Gesrba1ltung der v;erhältnisse ider Richter im bayerischen Landie durch das Rlahmengesetz des Bundes, d!as von den Richtern jetzt schon als die Magna Oh:arta der Richiter bezeichnet wil'ld, ge­handkapt ·sein.

Damit !hängt auch 1cliais Problem der Staatsan­wälte ·zus•ammen. Spricht der .sta,atsanwali Recht? Die staartsanwälte beih1aupten es, weil sie sagen, diaß sie mit der Einstellung eines Verführens praktisch eine einem Freispruch gleichkommende Ehtschei­dung treffen und dam:iit maßgeblich an 1der Recht„ sprechung beteiiliiigt sind. Es sind also sehr wohl Probleme, ,füe es ;zu lösen gilbt und die in irgend­einer Form 1aueh mit dem Bayerischen Landtag be­sprochen und 1eröritert werden sollten, :geraide des­halb, weil damit ·das födemtivie Element stärker zum Ausdruck kommt und die 1So11gen, d1e bei der Hausihalts'deba1tte zum Etat des Herrn Minister.­präisidenten zum Aus1druck g.e:kommen sinid, idann noch weiter e1ingeschränlkrt und 'geschmä1'ert werden können.

Meine Damen und Herren, ·es ist •auch die Recht­sp11echunig erörtevt und dabei die Flrag·e der Ver­fahrensdauer angeschnitten worden. Wenn der Herr Ju•sfizmin1ster einen besoilideTs krassen Fall he11aiusigeri[fen ,hat, Iden man gerade wegen seiner Knaßiheli.t in ei!llilliaUger 1Schnelliigkeit durchpaukte, so 1steht dem: ·eine Großzahl von Fällen entgegen, die nicht mi·t der gleichen Geschwindigkeit erledigt werden. Im großen und ganzen 1aber - und das kann ich auf Grun!d mei111er Erfüihrung sagen -ist di:e Geschwi!lldd.igkeit der Rechtsprechung beacht­lich. So vi:e1e Rückstände wie bei· der Sozialrecht­sprechung oder auch der Verwaltungsrechtspre­chung hat die Justi!z bei Go.tt nicht! Wenn der Herr St:a1ai1Jsmi11iister der Jushlz die Tätigkeit des Bay·eri­schen Obersten Landesgerichts besonders hervor­gehoben h:at, weil dort in ·einem Jiaihr 2783 Hevi­sionen erledigt worden sind, dann muß dazu zur Aufklärung gesagt werden, wie viele von diesen ErJ,ed:iigungen durch Formu1arbeschlüsise oihne Be­gründung dies In!halrts •erfo1gt sinid: Die Revision Wil'ld mit Zustimmung des Herrn Genieralstaiatsan­walts wegen offensichtlicher Unbegründeth:eit iver­worfen. Das i:sit natürlich-·eine Erledi!gung, die zwar nach dem Gesetz mögl:ich ist, die man ab:er nicht einem Reivisionsuriteil :gleichsetzen klann. Die Frage des InJhalts der Rechtsprechung .ist j1a eine F11age, bei der d:er Herr Staatsminister der Justiz und sein

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Bayerischer Landtag - 135. SitzUll!g. Mittwoch, den 11. Juni 1958 4641

(Hanauer [CSU])

Haus n'icht der Kriitik der Öffentlichkeit, 1auch nicht der K!ritik des Landitags unterliegen kann. T:votz­dem .gföt es, so .gllaube ich, sehr viele Wege, daß das Ju~·tfrzrrninhsterium hier 1steilli€rnd un:d 11egelnd -nicht durch Ei!ngr1ff in die Rech.tsprechung, .aber auf dem 1auch sonst 1begiangenen Weg - Einfluß nehmen kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf ein Beispiel erwähnen, das zeigt, wie wichtig

. es ist, daß wir nicht nur klare Gesetze, sondern auch klare Urteile haben. Klare Verhältnisse zu schaf­fen, ist in keinem Fall wichtiger als auf dem Gebiet des Verkehrsrechts. Von dieser Stelle aus habe ich mich vor einem Jahr mit einem Urteil des Bundes­gerichtshofs befaßt, wonach der in ein Grundstüek links abbiegende Verkehrsteilnehmer auf einer breiten Straße sich nicht in der Mitte aufstellen darf, sondern ganz nach rechts heranfahren, not­falls anhalten muß, um dann aus dem Stand über zwei Fahrbahnen hinüberzuwechseln. Ich habe die­ses Urteil als verwirrend kritisiert. Im März konn­ten Sie in der Presse lesen, daß man nunmehr die Ansicht geändert hat und verlangt, daß man vor der Toreinfahrt zur Mitte der Straße einbiegt. -Nun stellen Sie sich bitte folgendes vor: Vor 3 Jah­ren mußte der Fahrer nach der ständigen Recht­sprechung in die Mitte fahren; wenn er rechts fuhr, wurde er bestraft. Vor 2 Jahren mußte er rechts. fahren; wenn er in der Mitte fuhr, wurde er be­straft. Jetzt muß er in die Mitte fahren, und wenn er rechts fährt, wird er bestraft. Und dies alles nur deshalb, weil er sagt: Ich habe ·irgendwann einmal in der Zeitung gelesen, daß irgendein Gericht es so für richtig befunden hat. Will man wirklich die Unsicherheit in der Rechtsprechung, die auf Grund vielleicht nicht ganz klarer Rechtsvorschriften vor­handen ist nunmehr letztlich auf die besondere Verantwortung des einzelnen Verkehrsteilnehmers abwälzen? Hier geht es nicht nur darum, Recht zu sprechen, sondern hier geht es darum, Klarheit zu schaffen· denn man kann den Massenverkehr nur noch da~it bewältigen, daß wir dem Verkehrsteil­nehmer ein ganz klares und möglichst kurzes, mög­lichst einfaches Gesetz mit ganz klaren Verkehrs­regeln an die Hand geben. Zu diesem Zweck muß man sich auch von· der Rechtsprechung her be­mühen, diese Seitensprünge - die nicht nötig sind - zu unterlassen.

Im Zusammenhang mit der Frage der Verkehrs­rechtsprechung habe ich eine ernste Bitte. Ich äußere diese Bitte, weil ich glaube, daß hier in der Praxis etwas geschieht, was gegen Recht und Ver­fassung verstößt. Meine Damen und Herren, Sie wissen, daß selbst die schwersten Strafen nach einer gewissen Zeit getilgt werden; dann sind sie nicht mehr existent. Übertretungen wurden bisher gar nicht in das Strafregister eingetragen. Nun ergab sich die unabweisbare Notwendigkeit, daß man bei Verkehrsdelikten, um den einzelnen Verkehrssün­der besser beurteilen zu können, dessen Verkehrs­sünden für einen gewissen Zeitraum registriert. Man hat deshalb beim Kraftfahrtbundesamt in Flenslburg die Verkehrssünderkartei e'ingerich1tet.

Diese Verkehrssünderkartei sieht - nach den zu­grunde liegenden gesetzlichen Bestimmungen· -vor, daß auch diese Eintragungen nach Umlauf einer gewissen Frist gestrichen werden. - Was macht nun aber die Praxis, wenigstens die Praxis der Münchener Gerichte? Sie können oft in Ver­kehrsstrafakten lange Ausführungen der Polizei finden, die für die letzten 5 oder 10 Jahre alles zu­sammentragen, was sich irgendwann und irgendwo und in irgendeiner Beziehung auf den betreffenden angeklagten Verkehrssünder zugetragen hat. Dort ist keinesfalls nur das aufgeführt, wo er bestraft wurde oder wo er von der Polizei verwarnt wurde, sondern man findet auch all die Fälle, wo er nur beteiligt war, wo das Verfahren gegen ihn einge­stellt oder gar nicht eröffnet wurde. Dann erlebt man es nicht nur einmal, daß die Staatsanwalt­schaft bei ihrer Anklage sagt: Einer, der schon so oft in Verkehrssachen verwickelt war - und seien diese Sachen auch schon 5 oder 10 Jahre alt - ist schon suspekt, selbst wenn er nicht verurteilt wor­den ist. Ein solches Verhalten ist nicht recht, es ist gesetzeswidrig, und es verstößt auch gegen den Grundsat1z der GleicbJheiit. Denn id!as führt dazu, daß einer dann „gut fährt", wenn er so geschickt schlecht fährt, daß er seine Sünden möglichst auf das ganze Bundesgebiet verteilt, weil er dann näm­lich nicht gleich durch die Polizeiakten an Ort und Stelle in seiner fahrtechnischen Vergangenheit auf­gedeckt werden kann. Ich halte das für verfassungs-

. widrig, weil es gegen den Gleichheitssatz verstößt, und ich halte das für einen Verstoß gegen die ge­setzlichen Bestimmungen, die vorsehen, daß diese Bagatellsachen ab einem gewiss_en Zeitabschnitt als nicht mehr existent angesehen werden. Herr Staats­minister der Justiz: Videant consules! Ich glaube, es ist notwendig, daß Sie hier einmal nach dem Rechten seihen und etwas ausbügeln, was nicht schön ist, um es vorsichtig auszudrücken.

Ich darf bei der Frage der Rechtsprechung und Rechtspflege das heute schon angeschnittene Pro­blem der Armenrechtsgewährung bei den Amts­gerichten in einem Punkt kurz streifen. Es wurde behauptet, es sei eine rein fiskalische Frage. Ich möchte mich nun nicht dafür verwenden, daß man den Anwalt, der dafür herangezogen wird, nicht honoriert. Aber ich darf darauf hinweisen, daß früher eine sehr praktische Regelung bestand. Man hat nämlich den Anwälten, die sich dazu bereit gefunden haben - es waren meist jüngere oder weniger beschäftigte -, die Möglichkeit gegeben, sich in Listen einzutragen, die beim Amtsgericht geführt wurden. Diese Anwälte haben dann er­klärt, daß sie auf Gebührenforderungen gegen den Staat verzichten, weil sie die Möglichkeit haben, aus dem dann etwa zu gewinnenden Prozeß einen Titel gegen den verurteilten Beklagten zu bekom­men, der ihnen ohne weiteres die Möglichkeit er­öffnet, und zwar nicht die Armengebühren, son­dern die Regelgebühren einzutreiben. Und per saldo hat sich dies im Ergebnis durchaus ausgeglichen. Dann wäre der Staat nicht belastet, -die recht­suchende Bevölkerung wäre in Amtsgerichtssachen mit entsprechendem Rechtsschutz ausgestattet, und auch der Anwalt, der sich freiwillig zur Verfügung stellt, wäre im Ergebnis wohl nicht geschädigt. Man

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4642 Bayerischer Landtag - 135. Sitzung. Mittwoch, den 11. Juni 1958

(Hanauer [CSU])

kann die Dinge sehr wohl anders betrachten und eine Rege_lung herbeiführen, die im allgemeinen Interesse liegt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich die Ausführungen des Herrn Kollege~ Hirsch an­gehört habe, war ich überrascht, etwas nicht zu hören, was er in den vergangenen Jahren mit viel innerer Überzeugung und Wärme dem Hohen Haus vorgetragen hat. Aber offenbar ~ nehmen Sie mir es nicht übel, wenn ich hier einen Zuruf des Herrn Kollegen Gabert Von vorhin aufnehme - wurde das gute Wollen des Herrn Kollegen Hirsch in sei­ner Fraktion etwas auf Vordermann gebracht. so daß er ein aus innerer Überzeugung vorgetrag~nes Petitum und einen von ihm mit erstellten Gesetz• entwurf im Höhen Hause einfach nicht einbringen durfte. Zu dieser Frage hat auch der Herr Justiz­minister, obwohl sie ihm sehr angelegen ist, ge­schwiegen; nämlich zur Frage des Rechtsprechungs­ministeriums. Das ist eine Problematik, die nicht in Bayern geboren wurde, die zwangsläufig auf sämtliche t.andesregierungen zukommt und die in irgendeiner Form entschieden werden muß. Schon . im vorigen Jahr habe ich, eingehend und mit Zi­taten belegt, auf diese Dinge hingewiesen. Ich darf kurz erwähnen, daß z. B. in Schleswig-Holstein be­reits die Dienstaufsicht und Verwaltung über die Sozialgerichtsbarkeit und Verwaltungsgerichtsbar­keit durch Kabinettsbeschluß vom 21. März 1956 dem Justizminister übertragen wurde. Ich darf wei­ter darauf verweisen, daß unser Nachbarland Ba­den-Württemberg den Entwurf eines GesE)tzes über die Zahl der Minister und die Geschäftsbereiche der Ministerien vorlegt, in dessen § 4 bestimmt ist, daß der Justizminister die Dienstaufsicht über die So­zialgerichte und Verwaltungsgerichte ausübt. Der Entwurf ist bereits in der zweiten Lesung gewesen und angenommen worden; nur wegen anderer Gründe hat man ihn noch zurückgestellt. Dem Landtag Niedersachsen liegt ein sorgfältig begrün­deter interfraktioneller Antrag vom 28. Juni 1957 über ein Gesetz vor, das die Dienstaufsicht in der Verwaltungs- und FinanzgerichtSbarkeit regeln soll. Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg hat in Durchführung eines Ersuchens der Bürger­schaft vom 18. Juni 1957 beschlossen, die Aufsicht über die Verwaltungsgerichte, das Finanzgericht und das Seeamt Hamburg der Landesjustizverwal­tung zu übertragen. Auch in Bremen sind bereits ähnliche Bestrebungen im Gange. Meine sehr ver­ehrten Damen uhd Herren, es handelt sich bei dem Rechtsprechungsministerium :n:icht um ein neues Ministerium, auch nicht um eine Machtzusammen­ballung in der Hand des Justizministers, sondern um eine echte Zusammenziehung zum Zweck der Vereinfachung. Es soll gerade mit der stets wach­senden Vielfalt der Lebensformen in unserer So­zialpolitik, in unserer Wirtschaftspolitik aus einem inneren Zwang heraus wieder das Gemeinschaft­liche gefunden werden, das Gemeinschaftliche in der Gerichtverfassung, das Gemeinschaftliche in den Verfahrensvorschriften und letzten Endes auch das Gemeinschaftliche in der Ausbildung und Er­nennung de;r ~ichter. Es soll die nicht immer unbe-

rechtigte Kritik, daß letzten Endes die von einem Fachministerium abgestellten und aus diesem Mi­nisterium herausgekommenen Richter allzu sehr ihrer eigenen Verwaltung hörig sein könnten, ver• stummen. Meine Damen und.,Herren, es wird nicht zu Unrecht erklärt, daß diese Fachgerichtsbarkeit die Hausgerichtsbarkeit im Bereich der Arbeitsver~ waltung

(Abg. Weishäupl: Das trifft nur bedingt zu, Herr Kollege!)

und der inneren Verwaltung als eine Kontrolle durch von dem zu Kontrollierenden abhängige Kontrolleure bezeichnet wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wenn Wir ein Rechtspflegeministerium ha­ben, dann wird der jeweils amtierende Minister­präsident mit weniger Sorgen der Amtseinführung eines neuen Präsidenten entgegensehen können. Ich möchte Dinge, die der Vergangenheit angehören, nicht wieder in das helle Licht der Gegenwartsbe• trachtung rücken. Aber ich muß schon sagen, es war eine gewisse tragikomische Begebenheit, daß aus~ gerechnet der Herr Innenminister als Ressortmini~ ster sich kurz vorher warm dafür eingesetzt hatte, daß diese Hausgerichtsbarkeit der inneren Ver­waltung bestehen bleibt, bevor eine in der Form zu verurteilende, aber in der Sache meines Erachtens durchaus berechtigte Kritik an der damaligen Er­scheinung einsetzte. Ich bin mir mit dem Herrn Ministerpräsidenten darin einig - und er war es ja, der damals auch diese Forderung erhoben hat-, daß die Gerichte, auch solche Sondergerichte, wie es die Verwaltungsgerichte, die Finanzgerichte, die Sozialgerichte, die Arbeitsgerichte sind, aus dem Korps der Richter auch in den Spitzenstellungen erneuert und besetzt werden. Sie wissen, daß die­ser Fall, aber auch die Besetzung des Finanzge­richts in Nürnberg, heftige Kritik in der Öffentlich­keit ausgelöst hat, eine Kritik, die wir nicht um der Kritik, aber um der Sache willen, uns zu Faden schlagen müssen und aus der sich entsprechende Konsequenzen für uns ergeben müssen. Ich darf, meine Damen und Herren, darauf verweisen, daß sich auch der Landtag von Baden-Württemberg, und zwar in seiner Sitzung vom 26. Februar 1958, erneut mit dieser Sache befaßt hat. Es war - Herr Kollege Dr. Schier, ich möchte Ihnen das deshalb, mit Genehmigung des Herrn Präsidenten, zitieren, weil Sie sich vor einem Jahr dagegen ausgesprochen haben - der Vertreter des Gesamtdeutschen Blocks, Herr Dr. Macker, der erklärt hat:

„In den Sondergerichtszweigen ist es nun einmal so, daß der Richter in der Mehrzahl der Fälle über Verwaltungsakte seiner eigenen Verwaltung entscheidet ...

Die Tatsache, daß eine Prozeßpartei in Form eines verlängerten Armes in eigener Sache ent­scheidet, untergräbt nun einmal das Vertrauen zur Justiz bei der Bevölkerung, die überhaupt eine Einheit der Rechtsprechungsgewalt sehen will. Ein solches einheitliches Justizministe­rium würde auch für die Bildung der dritten Gewalt sehr förderlich sein, jener dritten Ge­walt, die wir als Gegengewicht gegen die all­mächtige Exekutive sehr nötig haben."

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1 ' Bayerischer La:ndtag - 135. Sitzung. Mittwoch, den 11. Juni 1958 4643

(Hanauer [CSU])

So weit Herr Dr. Macker im Baden-Württembergi­schen Landtag. Und es war der Justizminister Dr. Haußmann, der diese Forderung auch für die Staatsregierung übernommen und bekräftigt hat. Ich würde Sie deshalb bitten, meine Damen und Herren, wenn auch die Tätigkeit dieses Landtags nun zu Ende geht, dieses schwere Problem absolut im Auge zu behalten. Herr Ministerpräsident Dr. Hoegner hat damals auf meine Anfrage gesagt: Es ist ein sehr diffiziles Problem. Das kann nicht zu den Akten gelegt werden, sondern es muß im Fluß bleiben und es muß ihm ernste Betrachtung gesichert sein.

(Abg. Weishäupl: Der Antrag der FDP im Bundestag ist aber abgelehnt worden. Wis­

sen Sie das?)

- Selbstverständlich. (Abg. Weishäupl: Aus vielerlei Gründen!)

- Es wird nie so sein, daß dieses ernste Problem auf Anhieb sofort im Sinne der zahlreichen An­tragsteller erledigt wird, Antragsteller, von denen wir wissen, daß sie aus sachlichen Überlegungen diese Forderung erheben und aus guten Gründen, nicht aus materiellen Erwägungen und nicht für sich sprechen. Dabei darf ich vor allem auf die Forderung der Anwaltschaft verweisen.

Meine Damen und Herren! Darf ich mir gerade in diesem Zusammenhang und zum Abschluß mei­ner Ausführungen einen Stoßseufzer zu eigen ma­chen, den ein Richter - nicht ein Richter aus dem Bereich der bayerischen Justizverwaltung - un­längst in der PresS'e geäußert hat: Er meinte, es wäre besser, man würde das Interesse mehr als bisher den Grundlagen einer lebensfähigen und unabhängigen Rechtspflege zuwenden und dadurch den Gesetzgeber veranlassen, nicht nur an die Sicherung der äußeren Existenz des Staates und des Wirtschaftswunders zu denken, sondern auch an die Voraussetzungen für 1all das, nämlich ein in der· Substanz intaktes Staatsgefüge. Dasselbe wird in erster Linie aber nicht garantiert durch· den Staatssicherheitsdienst, sondern durch eine am Gedeihen des Staates interessierte und gesunde Rechtspflege. Diese Rechtspflege hatten wir bis jetzt, und es ist wohl auch an mir, all denen, die mitgewirkt haben, den Richtern, den Staatsanwäl­ten, den Beamten und den Angestellten auch von dieser Stelle aus für ihr Mühen im vergangenen Jahr herzlich zu danken. Ich möchte aber damit auch die Hoffnung verbinden, daß es dem Baye­rischen Staatsministerium der Justiz und dem Herrn Justizminister gelingt, auf dem eingeschla­genen und uns in seiner Rede vorgetragenen Weg weiterzuschreiten im Interesse dieser für unseren Staat so wichtigen und unentbehrlichen Rechts-pflege. ·

(Beifall bei der CSU und dem GB)

Präsident Dr. Ehard: Das Wort hat der Herr Ab­geordnete Dr. Schier.

Dr. Schier (GB): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Staatsministerium der Justiz

kann wohl als eines jener Ministerien betrachtet werden, die außerhalb des Streites der Parteien stehen, weil es als eine der fundamentalen Ein­richtungen eines Rechtsstaates die Garantie gibt, daß auch die Rechtsgrundsätze praktiziert werden, die dem imaginären und dem wirklichen Recht innewohnen.

Meine Damen und Herren! Es wurde immer dar­auf hingewiesen, wie umfangreich die heutige Li­teratur geworden ist, und es kann sich wohl kaum jemand rühmen, ob nun Richter, Rechtsanwalt oder Staatsanwalt, behaupten zu können, daß er all die vielen, die 36 000 noch gültigen Gesetze wirklich kennt. Es ist infolgedessen eine der ober­sten Forderungen, daß eine N eukodifizierung des ganzen Zivil- und Strafrechts und natürlich auch der Zivil- und der Strafprozeßordnung als oberstes Ziel mit dem Richtstrahl der Verwirklichung des wirklichen Rechts angestrebt wird, nämlich dessen, was Recht ist im Sinne des Satzes: Was du nicht willst, daß man dir tu' - -!

Es ist ganz klar, daß die Rechtspflege, so alt sie schon ist, immer im Brennpunkt der öffent­lichen Kritik gestanden ist und wahrscheinlich auch in Zukunft stehen wird, einfach deshalb, weil alles Menschenwerk - und die Richter sind ja auch nur Menschen - unvollkommen ist.

Es wurden hier warme Worte für die Unabhän­gigkeit der Richter zum Ausdruck gebracht. Es wurde auch gesagt, daß die Unabhängigkeit der Richter eines jener Fundamente ist, um eine wirk­liche Rechtsprechung zu garantieren. Das ist ganz klar. Aber es hat.alles seine Grenzen, und die Un­abhängigkeit der Richter kann deswegen nicht ~u e_inem Tummelplatz von Unfähigkeit oder von Überheblichkeit oder von Besserwissertum aus­arten. Es muß zum Schluß doch die Unterschei­dungsgrenze gefunden werden, wo die Unabhän­gigkeitsforderung, die hundertprozentig bejaht werden muß, ihr Ende gegenüber einer grundsätz­lichen persönlichen Ermächtigung findet. Es darf auch nicht so werden, daß daraus ein Staat im Staate wird, weil die Rechtspflege der Spiegel des­sen ist, wie weit jedes Staatsleben als ein Rechts­staat betrachtet werden kann. Auf der Rechtspflege

. beruht das Vertrauen des ganzen Volkes, die Rechtssicherheit gewahrt zu wissen. Daher ist es nötig, auch gerade von dieser Stelle aus immer wieder darauf hinzuweisen, daß die Rechtssicher­heit zwei Seiten hat, einmal, daß der Bürger gegen Angriffe auf sein Recht geschützt wird, und das andere Mal, daß er genau so geschützt ist, daß ihm nicht Unrecht geschieht. Aus diesem Widerspiel der Bestrebungen, meine Damen und Herren, geschieht eben das, was die öffentliche Kritik, berechtigt oder unberechtigt, auslöst.

Wir kommen da gleich zu einem Rechtsgebiet, das in diesem Hause doch immer kritisiert wurde. Die Frage des Beleidigungsprozesses ist in Deutsch­land absolut unbefriedigend gelöst. Das Strafrecht kann die These der Aufrechnung innerhalb von Delikten nicht anerkennen. Eine Kompensation der Beleidigungen ist schlechthin ein Abirren vom Standpunkt und von der Verpflichtung des Staates, für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Gerade auf die-

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4644 Bayerisch!er Landtag - 135. Sitzung. Mittwoch, Iden 11. Jun:i 1958

(Dr. Schier [GB])

sem Gebiet wird sehr viel vernachlässigt. Wir sind heute praktisch bei der Anbetung des Faustrechts,

(Oho!-Rufe)

und wenn Sie ins Volk hineinhören, werden Sie gar nicht erst den Herrn Kardinal Faulhaber be­mühen müssen, der gesagt haben soll, er würde sich. hüten, ein deutsches Gericht anzurufen, wenn er einmal beleidigt würde. Sehen Sie, meine Da­men und Herren, wenn sich zwei prügeln, kann der Richter nicht hergehen und sagen: Der A hat dem Bund der B hat dem A eine heruntergehaut, damit sind sie quitt. -Man muß sich als einfacher Bürg.er fragen: Wozu braucht man dann Gerichte? Dann soll sich jeder auf diesem Gebiet selbst das Recht suchen. Und so übt es ja heute der einfache Mann, wenn er ein wenig Gehirn hat, weil er genau weiß, daß er sonst um sein Recht kommt.

Es wurden hier, meine Damen und Herren, auch sehr wertvolle Sätze über die Beschleunigung des Verfahrens gesprochen. In diesem Zusammenhang muß festgestellt werden, daß immerhin F'ort­schri tte erzielt wurden, insbesondere durch die Besserung der technischen. Einrichtungen, der Ar­beit des damit befaßten Personals und nicht zuletzt der räumlichen Verhältnisse.

Aber es gibt ein Gebiet, wo im Volk ein aus­gesprochener Widerstand hervorgerufen wird: das Gebiet der Kapitalverbrechen. Unmöglich kann bei der Beurteilung von Kapitalverbrechen die heutige Rechtsprechung aufrechterhalten werden. Gerade auf dem Gebiet der Kapitalverbrechen liegen oft­mals - ich sage ausdrücklich: oftmals - die Tat­bestände und die rechtlichen Qualifikationen so einfach, daß sie innerhalb einer Stunde abgeurteilt weTden könnten. -

(Abg. Hanauer: Geschwindigkeit ist keine Hexerei!)

Leider wird, wenn Sie sich die Dinge ansehen, ein Großverbrecher im Schein der Jupiterlampen zu einer Art interessanter Persönlichkeit des Landes und des Staates gemacht und hat, wenn es darauf ankommt, ein ganzes Jahr Zeit, sich Ausreden zu überlegen. Ich weiß, daß man damit ein ebenso gefährliches wie schwieriges Feld betritt.

(Abg. Hanauer: Soll die Verteidigung unter­bunden werden?)

Alles richtig! Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, daß ich ein Gegner der Todesstrafe bin. Aber ich sage Ihnen ganz ehrlich, daß auch ich der Auffassung bin, daß angesichts der Entwicklun­gen, die sich in den letzten Jahren auf diesem Ge­biet angebahnt haben, etwas Grundsätzliches und Durchgreifendes geschehen muß.

(Abg. nr. Becher: Sehr gut!)

Meine Damen und Herren! Ich frage Sie im Ernst: Was wollen Sie mit diesem 17- oder 18jährigen Lümmel machen, der einem siebenjährigen Buben - dem Sohn eines Notars - unter dem Vorwand, Sackhüpfen zu üben, den Sack über dem Kopf zu­sammenbindet und ihn dann ins Wasser wirft, wie

man eine räudige Katze ertränkt? Aus diesem Lump kann nichts werden,

(Abg. Dr. Becher: Sehr gut!)

auch dann nicht, wenn Sie ihm 9 cbm Luftraum in einer Zelle mit elektrischem Licht und Dampf­heizung garantieren. Irgendetwas auf diesem Ge­biet ist faul

(Abg. Dr. Becher: Sehr gut!)

und muß geändert werden. Ich habe doch immer­hin Gelegenheit, auch große Strafanstalten zu sehen, :i!ch kann es ruhig sagen: Wenn ich mir vor­stelle, wie Lebens.längliche, wenn man von der Freiheitsbeschränkung absieht, residieren, und wenn ich mir auf der anderen Seite die Wohnungs­not von freien, anständigen, arbeitenden Bürgern ansehe, idann muß ich schon •sagen, daß ·es vielleicht sogar schon eine· Prämie sein kann, daß jemand überhaupt Verbrecher ist. Es würde zu weit :1$h­ren, auf diesem Gebiet Vergleiche zu ziehen; aber wir wollen doch einmal mit der Sentimentalität auf diesem Gebiet und auch in bezug auf die Be­urteilung j u g e n d 1 i c h er Verbrecher aufhören! Auch ein Sechzehnjähriger weiß, daß er nicht einer alten Frau eine Flasche über den Kopf schlagen darf, um sie zu berauben, um sich einen Kriminal-film anzusehen. "

(Bravo! bei der BP)

Soweit erfordert auch die Jugend keine Rücksicht. Wk lassen uns schon gefallen, daß es Dinge gibt, die man mit jugendlichem Leichtsinn, Unerfahren­heit unld Le'beilSIUiltüchtigkeit entschuldigen kann. Wir aber haben schon mit 6 Jahren gewußt, daß man keine Scheune anzünden darf. Daher möchte ich schon dafür plädieren, daß auf diesem Gebiet -der Herr Staatsminister und der HerT Staatssekre­tär sind dafür nicht verantwortlich - deutlich zum Ausdruck gebracht wird, daß hier das bayerische und deutsche Volk eine etwas schärfere und etwas nachhaltigere Gangart fordert.

(Abg. DJ:. Becher: Todesstrafe! -Bei:fiaH ibei der BP)

Ich komme dann noch zu einem zweiten Kapitel, das allerdings zivilrechtlicher Natur ist: Das sind die berühmten Räumungsurteile. Meine Damen und Herren, Sie wissen, im Gesetz steht, ein Räu­mungsurteil darf nicht vollstreckt werden, solange keine zumutbare Ersatzwohnung vorhanden ist. In denlefatein. Jaihr·en, oder besser 1ges1agt: im letz­ten halben Jahr hat sich bei manchen Zivilgerich­ten die Praxis durchgesetzt, etwa so zu sagen: Der Mieter hat sich bis heute nicht entsprechend um die Aqffindung einer anderen Wohnung geküm­mert; ergo wird er auf die Straße und dann wahr­scheinlich ins Obdachlosenheim oder sonst wohin geräumt. Meine Damen und Herren, ich gebe zu, daß dieses Problem außerordentlich schwierig ist. Aber mari darf nicht so weit gehen, von einem Familienvater mit fünf Kindern im Ernst zu ver­langen, eine zumutbare Wohnung zu finden. Da­mit überwälzt man nämlich dieses schwere Pro-'­blem auf die Gemeinden und Städte, die aber heute praktisch nicht mehr in der Lage sJnd, die­sen Notstand zu beheben.

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Bayerischer Landtag - 135. Sitzung. Mittwoch, den 11. Juni 1958 4645

(Dr. Schier [EG])

Ein zweites Problem wurde schon vom Herrn Kollegen Hanauer am Rand angeschnitten: Die Vergehen gegen die Straßenverkehrsordnung. Sie wissen, daß das heute oft mit Strafbefehlen ab­getan wird. Wenn aber ein Beschuldigter nicht ganz der Auffassung ist und Widerspruch erhebt, dann kommt es zu einer Verhandlung, und die fällt gewöhnlich etwas schwieriger aus. Auch in der Richtung haben meine Vorredner absolut recht, und ich möchte nur an die Frage des Herrn Kol­legen Hirsch erinnern. Es darf nicht so sein, daß jemand bei demselben Tatbestand strenger be­straft wird, nur weil er meint, daß schon die erste Strafe zu hoch war.

Dann darf ich den Herrn Staatsminister auf einen weiteren Übelstand aufmerksam machen. Es gibt heute bei den Gerichten schon wieder junge Staatsanwälte, die sich einen T o n angewöhnt haben, der - sagen wir einmal - ausgestorben sein sollte. Persönliche Werturteile, Höflichkeits­verletzungen anständigen Bürgern gegenüber sind nicht mehr Sache des Gerichts.

(Zuruf: Jawohl!)

Ich würde mir manchmal einen etwas härteren Ton den Kapitalverbrechern gegenüber vorstellen können. Aber wenn jemand falsch geparkt hat und Widerspruch erhebt, so ist kein Staatsanwalt be­rechtigt, ihn schwach anzul'eden und ihn - sagen wir - herabzusetzen. Ich weiß, das sind Ausnah­men; aber es ist immerhin gut, wenn diesen Er­scheinungen gegenüber gleich von vornhel'ein ein wenig der Standpunkt klar gemacht wird.

(Zuruf: Sehr richtig!)

Da wir schon beim Prozeß sind, möchte ich sagen, es sollte einmal überlegt werden, wie man zu einer bess'eren Zusammenarbeit zwischen dem Justiz­ministerium und dem Innenministerium kommen könnte. Bei großen Prozessen lesen wir manchmal unwidersprochene Dinge, die doch n:icht vorkom­men sollten, weil sie abwegi!g ,sind. Sorviel ich weiß, ist :in dem jetzigen Gleich-Prozeß, 1der mit einem Freispruch e1ndete, behauptet woriden, de'T Amg,e­k1agte hiahe ·e'in Gestän!dni:.s abgelegt, weH ·er be­droht wurde und weil rder Polizefüeamte 01stentativ die Pistole auf den Ti!sch gelegt habe. ·Ich glaube, meine Dam~n U!l!d Herren, daß d!ais nicht in Ord­nung rst.

(.A!bg. Dr. Eberhardt: So geht es nricht! Sie könn:en n:icht einfach die Zeit überschreiten!)

- 40 Minuten ha·t mein Vorredner gresprochen. Also was soll ich machen? Ich halte mich an meine 40 Minuten. Ich bin 1g1ar nicht dagegen, a1ber was fuann d.ch denn dra machen?

'(HeJJterkeit)

Der Herr KoHege Hanauer hat von 60 Minuten 40 v·evbraucht.

(&bg. Dr. Elbevhavdt: Aber Sie sprechen schon läng·er als 15 Minuten!)

c:- Ich habe jetzt n·och ·drei Minuten. - {.Nbg. Dr. Elbevhardt: Nein, Sie sprechen

schon drei Minuten ·zu lange!)

Bitte, wir werden schon fürtig werden. Das Armenrecht und rdie Kostenordnung hrabe

ich schon so wiedieriholt kritisier·t, daß wir langsam auch .diese rDinge behandeln müssen.

Wegen des Rechtspflegeministeriums bin iCh nach wie vorr vö'll~g anderer Meinung als mein Vorred­ner, der Herr Kollege Ranauer. Da1zu ist dire Zeit nicht reif, und es hiat sich die soge111:annte schlag­woritmäßig a'ls Hausgerichtsbarkeit bezeichnete Ge­richtsbarik:teit <bis ll'e'Ute .ausgez·eichnet berwäihrt, so ·daß wir fueinen Grund haiben, hier Experimente zu machen.

Damit, meine Damen und Herren, wollen wir zum Schluß kommen. Unsere P,artei, Herr Kollege Dr. Eher.hardt, dankt sowohl dem Herrn Mini!.srter, wie 1auch dem Herrn Suaatss1ekretä·r

(.Nbg. Dr. Eföerhardt: Warum sagen Sie das mir? Dais sargen Sie doch dem ganzen

Hause!)

und allen, die mit der Rechtspflege zu tun haben für die schwere Au:fig.abe, die sie im ve•rgangenen Jahr erfüHt ha:ben. Ich darf namens meiner F.rak­tion die ErklärU!!lJg .abg·i:föen, daß wir für den Haus­halt stimmen werden.

Präsident Dr. Ehard: Da·s Wort h:at der Herr A<bge0<rdnete Dr. Eberhardt.

Dr. Eberhardt (FDP): Herr Präsi1dent, me•ine Da­men und Herren Kollegen! Es ist zwar n:icht ·ganz einfach, sich ,als letzter mit seinen Zeitansprüchen - gar n:icht zu sprechen von den Zeitwünschen -durchzusetzen. Aber ich ·gebe zu: Es ist nlicht mehr viel zu den Dingen zu sagen, da meine Herren v;orredner wirklich schon alles gesagt halben, was zu ·sagen ist. Es hieße Eulen nach .A!then tragen, wenn man insbesondere die Sorgfalt und die Spar­samkeit des Ministeriums a.uch von uns aus noch-

. mals unteT'Streichen wür.de. Ich tue das trotzdem, weil ich •außerordentlich erfreut :bin, daß unser ein­zig·er rb'isiher zur Stiaatsvere:i.n:llachu.nig •ein~germaßen posirf;iv angekommener Antvag, nämlich deT des durchschn:ittlichen Abbaus von zehn Prozent beim Justizministerium verwirklicht worden ist. Das ist von unserem Standpunkt •aus ganz besondens zu be-tonen. ·

Eines, was ich dem Herrn JustizminlsteT unbe­dingt vorhalten muß, weil ich es :in seiner Amts­führung vermißt haibe, ist, ·daß •er nicht in dersel­ben Weise ·Wie sein Amtsvorgänger sich um die Ausbildung rder Richter, Staat&anwälte unrd Refe­rendare durch Kur.se .gekümmert hiat. Es handelt sich, wie !hier schon angeklungen rst, um die Her­anfÜJhrung der Juristen an dars Leben durch di!ese Lehrgänge, di:e immer 1S1tattgefunden haiben, bei de­nen s·o vi:e1le von uns in der Lage waren, ,zu den Richtern, Staatsanwälten und Referen1daren zu sprechen und rdahei einen gesunden unid dem Leben entsp!'echenden Kontakt mit ihnen herbeizuführen. Da1s ii'>t etwas, wa•s nicht ·einschlafen sollte - es ist ·aber •d.abei, •einzuschlafen. Da möchrte ich doch mahnend meine Stimme 'erhe,ben, um so mehr, als der Herr Justi1zminister dar.auf hingewiesen hat, daß die Qualität der Rechtsprechung sein Haupt-

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4646 Bayerischer Landtag - 135. Sitzung. Mittwoch, den 11. Juni 1958

(Dr. Eberhardt [FDP])

anliegen ist. Diese Qualität ·aber •erfordert, daß man sich um den Richter im Sinne 1eines anzustreben­den königlichen Richters und seiner Person und seines Hineing•estelltseins ·ins Leben kümmern muß. Man Jmnn das nicht einfach sehleifen lassen. Den Gedanken des richtigen Rechts .allerdings - Stamm­ler, die berühmte Geschichte, mit der wir als junge Juristen uns alle befaßt haben -, den man mit Fontane als ein reiches F-eld be:z;eichnen muß, kann man in diesen wenigen Minuten nicht behandeln.

Aber nicht recht hat Herr Kollege Hirsch, wenn er gemeint hat - da der Richter jewens nur einer Partei recht geben könne-, daß 50 Prozent immer unzufrieden sein müßten. Die Kunst des Richters besteht doch darin, so zu wirken, daß aueh der Unterlegene einsieht, ,er mußte unterliegen, und deswegen dem Richter nicht bös,e ist. Wenn man sich aber damit zufrieden .gibt, es sei die „Kunst" eines Richters, einfach nur dem ·einen recht zu ge­ben - infolgedessen ist es mir schnuppe, was der andere sagt -, dann steht man 1auf dem falschen Platz. ·

Wenige Worte noch dazu, daß eine gewisse Übereinstimmung zwischen Justizministerium und Innenministerium - idas icl:J. auch einmal bitte, herzuhören - nötig ist, nämlich bei den Gerichts„ ärzten. Der Herr Justizminister hat angeschnitten, daß der landgerichtsärztliche Dienst im argen liege. Mit Recht hat er das getan. Die Landgerichtsärzte beschweren sich darüber, daß sie dauernd in der Art ihrer Behandlung und der Einnahmen zurück­gesetzt würden. Weswegen? - Weil sie sowohl dem Justizministerium als auch dem Innenministe­rium unterstehen; und weil infolgedessen keines der beiden Ministerien die Initiative aufbringt, um das in Ordnung zu bringen, was bei .ihnen in Ord­nung gebraeht werden muß. Die Beschwerden sind bekannt; und es wäre wünschenswert, daß sich ,die beiden Ministerien einmal :z;usamrnensetzen; dienn, meine Damen und Herren„ die Mitwirkung des Arztes in unseren großen Prozessen ist von so gro­ßer Bedeutung, daß wir alles tun müssen, um hier einen qualitativ guten Stand heranzuziehen.

Daß die Rechtsreferendare jetzt endlich in den vollen Genuß ihres Unterhaltszuschusses kommen, begrüßen wir von der Freien Demokratischen Par­tei, die wir immer dafür gekämpft haben, ganz be­sonders. Wir empfinden es aber bitter, daß diese Gleichstellung nicht von Bayern aus, sondern vom Bund aus gekomnien ist,

(Sehr richtig!)

daß wir es also nicht geschafft haben, sondern es der Bund in Ordnung bringen mußte.

Von der zu großen Sparsamkeit - sehr interes.,. sant beleuchtet in dem Vortrag des Herrn Justiz.,. ministers durch den Hinweis, daß di:e in die Wege geleitete Technisierung und Rationalisierung in Zu­kunft eine Beschleunigung ·erhoffen lasse - hören wir seit Jahren. Diese Zukunft muß doch endlich einmal angebrochen sein, daß wir sagen: die Zu­kunft ist schon da, daß wir hören, was nun in die.., ser oder jener Beziehung verbessert wurde. Man

darf nicht die Dinge immer wieder auf die Zukunft verschieben. Da ·sollte es heißen: hie Rhodus, hie .. salta!

Das Justizministerium hat ilie überriagenden Ge­sichtspunkte des Rechts zu vertreten; nicl:J.t nur in seinem eigenen Etat, sondern auch im Mirri:sterrat und auch im Hinblick auf alle anderen Ministerien. Und da muß ich die jetzt schwebende Angelegen­heit des Coburger Staatsvertrages in bezug auf die Lehrerbildungs1anstalten auch hier erörtern. Es

. war alles so weit, daß der Staatsvertrag durch einen Ergänzungsvertrag längst hätte in Ordnung gebracht werden können. Es ist nicht gesi::hehen! Nun liegt der Antrag der Coburger Abgeordneten vor, der die Formulierung für die abzuschließende Staatsvertragsgesetzgebung bringt und deren Ver­.abschi:edung durch einen entsprechenden Beschluß des Landtags fordert. Dazu sollte es doch nicht kommen! Vielmehr möchte ich den Justizminister docl:J. bd.tten, im Ministerrat dafür zu sorgen - das neue Lehrerbildungsge1setz tritt bereits ab 1. August in Kraft ~, daß diese staats·vertragliche Änderung um die Coburger Lehrerbildungsanstalt vom Mini­sterium aus so gemacht wird, wie es zu geschehen hat. Wir können ;nicht mehr tun, als alles vorzu­arbeiten und sogar die Formulierung vorzuschlagen,

Ein Wort zur politischen Befreiung. Seit 11/2 Jah­ren sagen wir, daß das Justizministerium initiativ werden müßte. Und das kann und muß ich hier sagen: Die Viererkoalition hat es mit ihrem Justiz„ .ministerium nicht geschafft.- die jetzige Koalition hat es endlich geschafft. Dafür bin ich dem Herrn Justizminister von HE;!rzen dankbar. Aber auch hier ein Wort an die beiden Minister, die zu meiner Linken sitzen: bedenken Sie, daß das Bund:eswahl­gesetz die vielen Einschränkungen, die wir in un­serem Landtagswahlgesetz noeh finden, nicht mehr hat, und daß es höchste· Zeit ist, d:aß, wenn jetzt eine Änderung des Wahlgesetzes im Innenministe­pium vorgenommen wird, endlich die Einschrän­kungen des Wahlgesetzes, die wir noch als Mo:.. mente aus dem Entnazifizierungsgesetz übrig ha­b.en -~ die jetzt im Bund weggestrichen sind -, auch in Bayern weggestrichen werden. Hier können wir nicht dauernd zweierlei Recht haben.

Über das Rechtspflegeministerium hat dankens ... werterweise Herr Kollege Hanauer gesprochen. Ich hatte mir vorgenommen, darauf einzugehen. Wir sind an diesen Dingen vom anwaltlichen Stand„ punkt aus besonders interessiert. Wir sind auch mit dem nötigen Material versorgt; und d:as, was Kollege Hanauer gesagt hat, ist schon von großer Bedeutung. Und wenn auch der Justizminister in seinen Gedankengängen, die er uns vorgebracht hat, auf diese Frage nicht eingegangen ist, so muß ich mich dem Wunsch des Kollegen Hanauer an­schließen, daß der Justizminister diese Dinge in seinem Herzen nicht nur bedenken, sondern es um­drehen und aus den Worten hören möge, wie nötig es ist, sich mit dieser Frage zu befassen; wobei ich nicht anstehe zu sagen, die erste Ursache liegt beim Bund; denn beim Bund müssen die Voraussetzun­gen geschaffen werd~n, daß auf allen Sparten der Rechtspflege ,ein einheitliches Recht geschaffen werden kann, besonders im Arbeitsrecht.

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Bayerischer Landtag - 135. Sitzung. Mittwoch, den 11. Juni 1958 4647

(Dr. Eberhardt [FDP])

Ich habe mich zum Schluß dem Dank anzuschlie­ßen, den meine Vrnrredner dem Herrn Minister, seinem Staatssekretär sowie allen seinen Mitarbei­tern aus1gesprochen iha:ben. Und damit bim. ich mit der mir zur V:erfügung gebliebenen Z.eit doch noch: ausgekommen.

'(Bei:ßall bei der E'DP)

Präsident Dr. Ehard: Die Redezeit für 1die Koali­tion ist damit ausgeschöpft. Es iist nur noch ein kleiner Rest für die Opposition übrig, ich habe aber keine Wortmeldungen mehr. Damit ±st die Aus­sprache .geschlossen.

Das Wo,r.t ha:t cler Herr Staatsminister der Justiz.

Staatsminister Dr. Ankermüller: Herr Präs1dent, meine Damen und Herren! Es 'ist mir e!ine beson­dere Freude gewesen, daß die Justiz trotz ihrer nicht besonders volkstümlichen Arbeit Un'd ihrer nicht besonders volkstümlichen Aufgaben !in diesem Hohen Hause eine solche Beachtung fand. Ich habe auch meinen Dank auszusprechen für d!ie sachlichen Ausführungen und Anregungen ;aller Diskussions­redner.

Es wurden verschie'dene Probleme angesprochen, die wir mit Interesse und Eifer überprüfen werden; ich möchte nur auf einige Punkte kurz eingehen: Der Herr Kollege U t z hat das Problem der Amts­anwaltslaufbahn angesprochen. Dazu möchte ich folgendes sagen: Die Frage der Amtsanwaltslauf­bahn in Bayern wurde in meinem Ministerium schon mehrfach eingehend geprüft. Herr Staats­minister Weinkamm, einer meiner Vorgänger, hat vor 1diesem Hohen Hause bereits in der Fragestunde vom 29. Juli des Jahres 1954 dazu Stellunggenom­men und die Hintergründe dargelegt, die nach sei­ner Auffas1sung gegen 1eine Wiedereinführurug der Amtsanwaltslaufbahn in Bayern sprechen. Ich selbst bd.n nach reiflicher Überlegung ebenfalls zu dem Ergebnis gekommen, daß eine Wiedereinfüh­rung dieser Laufbahn in Bayern nicht notwendig und zweckmäßig ist. Es empfiehlt sich nach meiner Auffassung nii.cht, die 1staatsanwaltschaftlichen Ge­schäftsaufgaben in zwei Kategorien aufzuteilen, nämlich in solche, die dem Staatsanwalt vorbehalten sind, und in solche minderer Art, die dem Amts·­anwalt zur Erledigung übertragen werden. Ganz allgemein verdient es den Vorzug, wenn alle Straf­taten im ·staatsanwaltschaftlichen Referat ohne Rücksicht auf den Grad der Schwierigkeit von Juri­sten bearbeitet werden. Dadurch wird auch der Eindruck vermieden, als ob es sich bei der soge­nannten kleinen Kriminalität um Bagatellfälle ohne Bedeutung handle. Durch die Wiedereinführung der Amtsanwaltlaufbahn würden ferner dem juristi­schen Nachwuchs, der sich ohnedies in einer sehr bedrängten Lage befindet, weitere Beschäftigungs­möglichkeiten genommen. Es ist heute bereits so, daß nicht einmal ein Fünftel der Assessoren, die die große juristische Staatsprüfung bestanden haben, im öffentlichen Dienst Anstellung finden kann; selbst Bewerber mit Prädikatsexamen müssen man­gels verfügbarer Stellen zurückgewiesen werden und überfüllen in besorgniserregender Weise die

Anwaltschaft. Hier noch weitere Unterbringungs­möglichkeiten zu verbauen, wäre nicht zu verant­worten. Andererseits werden für die Laufbahn des gehobenen Dienste:s· durch den neu beschlossenen Stellenkegel die Beförderungsverhältnisse so ver­bessert, daß das 1b'isher vorgetragene Argument, die Wiedereröffnung der Amtsanwaltlaufbahn sei we­gen der schlechten Fortkommens- und Beförde­rungsverhältnis·s·e im gehobenen Dienst notwendig, nicht mehr ernsthaft in·s Gewicht fallen kann. Zu­dem erfordern die dem gehobenen Dienst durch das Rechtspfiegergesetz übertragenen Aufgaben den Einsatz aller gut qualifizierten Kräfte dieser Lauf­bahn. Ich sehe daher bei objektiver Abwägung aller Argumente keine Möglichkeit, von dem schon bis­her vom Ministerium vertretenen Standpunkt ab­zugehen.

Es i:st weiterhin vom Herrn Kollegen Hanau er die Frage des Rechtsprechungsministeriums ange­schnitten worden. Ich persönlich und mein Haus bejahen das Rechtsprechungsministerium im Grun­de. Ich hin aber der Meinung, daß die Einführung eines Rechtsprechungsminfateriums nur in Abstim­mung aller Ressorts und aller Interessen vorgenom­men werden kann. Ich bin dankbar für das Auf­zeigen dieses Problems und ich halte es für wert, daß sich der Landtag damit befaßt.

Besonders erfreut war ich, daß von allen Red­nern die Sparsamkeit meine.s Hauses anerkannt wurde, und zwar nicht nur 'in den Sachausgaben, sondern auch im PeTsonalhaushalt. Ich freue mich aber noch mehr darüber, daß unsere Bemühungen - ich habe bereits angekündigt, daß diese Spar­samkeit auch künftig wohl beachtet werden soll, daß wir aber :doch auf Notwendiges nicht verzich­ten wollen - in Zukunft eine beachtliche Unter­stützung im Hause finden werden.

Daß die Unabhängigkeit der Justiz von allen Rednern anerkannt wurde, ist wohl eine Selbst­verständlichkeit. Herr Kollege Hirsch hat mit Recht von einem zarten Pflänzchen gesprochen, als das die Justiz anzusehen sei. Ich beziehe das nicht auf das 'Mini:sterium und mich persönlich, sondern auf die Gerichts·barkeit. Ich wiederhole hier meine AusfühDungen aus meiner Etatrede: „Jeder Versvch eines· Eingreifens ist schlimmer als das eine oder andere Urteil, das uns nicht gefällt." Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Ohne Unabhän­gigkeit der Justiz gibt es keinen Rechtsstaat und damit auch keine freiheitliche Demokratie. Mit Recht kennt jede demokratische Verfassung eine Unterteilung in die drei tragenden Säulen: Legis­lative, Exekutive und unabhängige Justiz. Damit wird diese unabhängige Justiz ganz besonders her­ausgestellt un:d gekennzeichnet. Meine sehr ver­ehrten Damen, meine Herren! Kritik an der Recht­sprechung und an der Justiz wird immer sein, so­lange wir die Rechtsprechung und auch die staats­anwaltschaftlichen Aufgaben Menschen übertragen müssen. Die eiine Partei in Zivilprozessen wird im­mer den Prozeß verlieren und ist dann unzufrieden. Der Bestrafte und seine Familie werden die Justiz un:d das Gericht nie loben. Und der Verletzte sowie ein großer Teil der Öffentlichkeit sind oft allzu sehr geneigt, gefühlsmäßig Kritik zu üben. Das wollte ich hier .auch einmal etwas herausstellen.

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4648 Bayerischer Landtag - 135. Sitzung. Mittwoch, den 11. Juni 1958

(Staatsminister Dr. Ankermüller)

Der Herr Kolle1ge S chi er hat für die Aus­bildung· ider Richter im besonderen dJiie Fort­bildungskurse gefordert. Ich darf wohl behiaupten, die UnabhäTugigkeit der Justiz ist - drus. s·a:ge ich meinen Herren uTud Mitarbeitern immer - auch eine besondere Verpflichtung für alle, 'die dn der Justiz mitarbeiten dürfen. Diese UnabhäTugigkeit fot aber nicht nur eine· v·erpfiichtende Aufgabe, viel­mehr muß sich jeder .ein:zJelne Richter und. Staats­anwalt ,bemühen, dieser großen Aufgabe· wert zu sein. Wir im Ministerium legen den größten Wert darauf, bei der .Auswrahl der Justizbeamten, der Richter und der Staatsanwälte die richtig•e Pernon an den richtigen Platz zu stellen.

Ihr Wurrs·ch, Herr Kollege Dr. Schier, die Aus­bi1dungskurse fortzusetzen und zu verstärken, kommt meinen und cten Bemühungen meines Hau­•ses sehr entgegen. Auch der Herr Kollege Dr. E b ·er h 1a r ld t hat besonders dar·auf hirugewi!esen. Ich diarf nur erwähnen, daß 'im Ha1UShalts.jahr 1957/58 und im April/Mai 1958 folg.ende Lehrgä:ruge stattgefun!den haben: 2 kriminologische Lehrgänge, 3 Jugendrichtertagungen, 1 achter Lehl'lgang in Buchführung und BHanzwes•en, 1 Wiederholungs:­lehr:gang auf diesem Gebiet und kraftfohrtechni­sche Au:sbilidungskurse durch !die bay<erische Land­polizei. Neben diesen Kursen fanlden 5 Fach­tagungen statt, an denen 170 Leute von 1956 bis 1958 teilgenommen hahen. Ich glaube •also schon, daß manches getan worden fat.

Die Wünsche und Anregungen ·des Hohen Hauses werden von meinem Ministerium im Rahmen des Möiglichen weitgehend berücksichtigt wertien.

Der Herr Kollege U t z glaubte i!m Rahmen der Unabhängtgkeit"der Ju'Stiz bean'Standen zu dürfen, daß bei einer bestimmten P.ersönlichke!i.t die Hin­tergründe des Verfahrens zu wen1g bekanntge­geben worden sind. Herr Kollege Utz, 1ich darf dar­auf .antworten, wo keine Hintergrünide vorhanden wiar:en, konnten keine mitgeteilt we!'iden. Ich möchte besonlders' dar.auf hinweiisen, .daß ich persönlich kei­nerl'ed. Einfluß auf dieses oder ein anideres· Ver­fahren genommen ha·be. Die Un!abhängigke'it der Justiz zu wahren, betrachte ich aJis ·eine meiner vor­nehmsten Aru:ligaben.

(Bravo!)

Daß meine Bemühun!gen, bei der Gesetzgebung mitzuwirken, •eine wesentl:iche Aufgabe des J.ustiz­mintsterilums, Anerkennung fan!den, freut :mich be­sonders. Ich werde m'ich auch weiterhin bemühen, bei j•edem Bundesgesetz zu prüfen, oh die Bunides­zustän!digkeit g.egeben ist, und ich werde alles tun, daß !der Bund nicht Verwaltungs1aufg.aben für sich in Anspruch nimmt, ,die nach dem Grundgesetz den Län!dern zustehen. Jedem solchen Übergrd.ff ent­gegenzutreten, halte ich für eine meiner wichig.sten Aufgaben.

Meine Damen, meine Herren! Lassen Sie mich zusammenfassen! Da'S in 1der Diskussion ·zum Aus­·druck gekommene Interesse nicht nur am Haushalt, sondern auch an den Problemen der Justiz, hat mich sehr befriediigt. Die Justiz bedarf ides •Inter­esises und des Vertrauens des: P.arlaments' ebenso

sehr wie d:es· V:ertr1auen1s der Öffentlichkeit, um mit der erforderlichen Autorität ihre verantwortungs­volle Aufgabe erfüllen zu können. Sie ist, wie ich nochmals. betonen möchte, einer der tragenden Pfei­ler einer freiheitlichen, rechtsstaatlichen Demokra­ti1e. Diese freiheitliche, rechtsstaatliche Demokratie zu !Stützen und zu erhalten, i1st wohl unser aller vornehmste un!d bed1eutsamste Aufgabe, weil oihne sie unser Leben n'icht mehr lebenswert wäre.

(Beifall be!i. den Koalitionsparteien)

Präsident Dr~ Ehard: Die Aussprache ist be·endet. Wir kommen zur Abs tim m u ng. Der Abstim­mung liegt zugrunde der Einzelplan 04 und die Beilage 3542, der Bericht des Ausschusses für den Staatshaushalt und Finanzfragen. Ich rufe die einzelnen Kapitel auf, die einzelnen Titel nur dann, wenn Änderungen vorgenommen worden sind oder werin es besonders gewünscht wird.

Die Kap i t e 1 04 01 A und 04 01 B sind beide unverändert.

Kap i t e 1 04 03, Gerichte und Staatsanwalt­schaften.

Der Haushaltsausschuß empfiehlt, bei Titel 205 -Seite 26 des gedruckten Haushalts - Kleinere Neu-, Um- und Erweiterungsbauten sowie Erwerb von Haus- und Baugrundstücken, in den Erläute­rungen bei" Ziffer 7 den Betrag von 28 400 DM auf 30 100 DM zu erhöhen und in Ziffer 11 den Betrag von 62 800 DM auf 61100 DM zu kürzen. Im übri­gen ist der Abschluß des Kapitels. 04 03 unver­ändert.

Kap i t e 1 04 04. Bei Titel 1Ö4, Dienstbezüge der nichtbeamteten Kräfte, ist einschlägig folgender An t r a g des Abgeordneten Euerl betreffend Um­wandlung der Stelle des evangelischen Anstalts­geistlichen an der Strafanstalt Amberg in eine Beamtenstelle (Beilage 3439):

Bei der Strafvollzugsanstalt in Amberg wird die Stelle des evangelischen Anstaltsgeistlichen (Kap. 04 04 Tit. 104 a) von TO. A lII in eine Stelle der Besoldungsgruppe A 13 umgewan­delt.

Der Ausschuß für den Staatshaushalt und Fi­nanzfragen schlägt vor,, diesen Antrag abzulehnen. Wer entgegen dem Vorschlag des Ausschusses für den Staatshaushalt und Finanzfragen für diesen Antrag stimmen will, den bitte ich um ein Hand­zeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Stimm­enthaltungen? - Die Ablehnung war die Mehr­heit.

Bei Titel 205, Kleinere Neu-, Um'- und Erweite­rungsbauten sowie Erwerb von Haus- und Bau­grundstücken, schlägt der Haushaltsausschuß vor, in den Erläuterungen bei Ziffer 6, Frauenstraf­anstalt Aichach, die Zweckbestimmung wie folgt zu ändern: „Erweiterung des Gewächshauses im Gartenbaubetrieb". Kapitel 04 04 schließt im üb­rigen unverändert ab.

K a p i t e 1 04 05 ist unverändert.

Dann kommt die An 1 a g e S, Sonderausweis der staatlichen Hochbaumaßnahmen.

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Bayerischer Lai!lidtag - 135. Sitzung. Mittwoch, den 11. Juni 1958 4649

(Präsident Dr. Ehard)

Der Haushaltsausschuß schlägt vor, bei Kapitel 04 03, Gerichte und Staatsanwaltschaften, nach Titel 733 folgenden Leertitel einzufügen:

Tit. 734 Amtsgericht Kaufbeuren.

Umbau und Einbau einer Zentralheizung Gesamtkostenbetrag lt. obersttechnischer Prü­fung vom 9. 9. 1957 IV A 6 - 9825 a 218 137 500 DM.

Bemerkungen: J:?as Gebäude ist Staatseigen­tum. Zur Behebung der Raumnot des Amts­gerichts soll die freiwerdende Richterdienst­wohnung umgebaut und dadurch ein 2. Sit­zungssaal, neue Räume für das Grundbuch­amt und eine Registratur im Dachgeschoß ge­wonnen werden. Gleichzeitig damit soll eine Zentralheizung eingebaut werden.

Diese Bemerkung soll neu eingefügt werden.

Der Haushalt hat folgenden A b g 1 e i c h :

Gesamteinnahmen 66 228 600 DM Gesamtausgaben 145 473 600 DM Gesamtzuschuß 79 245 000 DM.

Wer dieser Gesamtabgleichung und damit dem Haushalt als ganzem zustimmen will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Stimmenthaltungen? - Bei Stimm­enthaltung der Bayernpartei und des· größten Teils der SPD-Fraktion angenommen. Damit ist dieser Haushalt auch erledigt.

Ich schlage jetzt vor, bis 15 Uhr eine Pause ein­treten zu lassen. ·um 15 Uhr werden wir noch einen kleinen Nachtrag behandeln und dann mit dem Haushalt des Arbeitsministeriums beginnen.

Ich habe noch eine Mitteilung zu machen. Nach § 28 der Geschäftso,rdm.ung 1bitte ich d•as Hoihe Haus, davon Kenntnis zu nehmen. daß der Sicher -h e i t saus schuß den Herrn Abgeordneten Dr. Wifüelm Ho ·e 1g n er zu seinem Vorsitze!l'.l!den ge­wählt 'hat.

(Unterbrechung der Sitzung: 12 Uhr 19 Minuten)

Wiederaufnahme der Sitzung: 15 Uhr 2 Minuten.

Präsident Dr. ·Ehard: Meine verehrten Damen, meine Herren! Die Sitzung ist wieder aufgenom­men.

Ich rufe auf den

Haushalt des Bayerischen Staatsministe­riums für Arbeit und soziale Fürsorge für

das Rechnungsjahr 1958 (Enzelplan 10)

Es berichtet über die Verhandlungen des Aus­schusses für den Staatshaushalt und Finanzfragen (Beilage 3541) der Herr Abgeordnete Klammt.

Klammt (GB), B er ich t er s t a t t er : Herr Prä­sident, Hohes· Haus, meine Damen und Herren! Der Ausschuß für den Staatshaushalt und Finanzfragen hat sich in seiner 278. Sitzung am Donnerstag, dem 29. Mai 1958, mit dem Haushalt des Staatsministe-

riums für Arbeit und soziale Fürsorge für das Rechnungsjahr 1958 beschäftigt. Dazu lag das Gut­achten des Senats (Anlagen 84 und 101) vor. Be­richterstatter war ich selbst, Mitberichterstatter Herr Kollege Lindig.

Der B e r i c h t e r s t a t t e r ste1lte fest, daß das Arbeitsministerium nach wie vor notwendig sei, so daß sich eine Genera1debatte darüber erübrige. Wesentliche Veränderungen seien im Bereich des Ministeriums nicht eingetreten. Erfreulich sei, daß dem Wunsch des Ausschusses und des Landtags auf Verstärkung der Gewerbeaufsicht Rechnung getragen wurde, nachdem der Minister und der Staatssekretär im vergangenen Jahr betont hätten, daß die Gewerbeaufsicht von Jahr zu Jahr ver­stärkt werden müsse, bis jener Stand erre!icht sei, der die Erfüllung der Aufgaben jenes wichtigen Zweiges der Verwaltung garantiert. 22 Beamte und 6 Angestellte würden mehr angefordert. Für das Landessozialgericht würden drei neue Senate an­gefordert. Er frage, ob durch die Errichtung 'der drei Senate die Rückstände beim Landessozial­gericht aufgearbeitet werden könnten.

Bei Kap i t e 1 10 02 sei zu Titel 301., Pflegegeld an Zivilblinde, zu fragen, ob der Aruatz ausreiche, nachdem der Landtag die Erhöhung des Pflege­geldes beschlossen habe. Als erfreulich könne :fer­ner festgestellt werden, daß bei den Post- und Fernmeldegebühren für den ganzen Haushalt er­hebliche Einsparungen gemacht wurden. Auch bei der Bewirtschaftung von Dienstgrundstücken dürfe man mit Genugtuung festste1len, daß sich das Mi­n~sterium bemühe, mit den Haushaltsmitteln spar­sam umzugehen.

In K a p i t e 1 10 14 A falle der neue Leertitel 958 auf, der w·egen der Erhöhung des Aufnahme­schlüssels für Sowjetzonenflüchtlinge und Spät­aussiedler notwendig werde. Durch einen Beschluß des Bundesrats sei der Anteil Bayerns von 6,5 auf 12,9 Prozent erhöht worden.

Auffällig sei ferner die bedeutende Stellenmeh­rung bei den Landesversicherungsanstalten, die mit der Zunahme der Aufgaben begründet werde. Der Berichterstatter erbat sich vom Minister Auskunft, ob diese Aufgabenvermehrung mit der Renten­reform zusammenhänge.

Der M i t b e r i c h t e r s t a t t e r , Kollege L i n -d i g, begrüßte gleichfalls die Verstärkung der Be­setzung der Gewerbeaufsichtsämter, insbesondere aber auch des Landesinstituts für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Diese Verstärkung stehe an­scheinend im Widerspruch zu der immer wieder geforderten Verwaltungsvereinfachung, aber nach seiner Auffassung wäre es verkehrt, auf diesem Gebiet mit einem Abbau zu beginnen.

Im einzelnen bat der Mitberichterstatter um Aufklärung über Einnahmen in Titel 96 des Kapi­tels 10 02 aus der Knappschaftsversicherung, die einen Betrag von rund 6 Millionen DM an den Bayerischen Staat zu zahlen habe.

Unklar erscheine ihm ferner die Anrechnung der Erstattung der Verwaltungskosten, die den Ge­meinden bei der Durchführung des Bundesevaku­iertengesetzes entstehen, die in Kap i t e 1 10 02

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4650 Bayerischer Landtag - 135. Sitzung. Mittwoch, den 11. Juni 1958

(Klammt [GB])

Titel 957 mit 85 000 DM ausgewiesen sind. Der Be­trag .erscheine ihm als sehr klein.

Ein wesentlicher Unterschied sei ihm ferner bei den Aufwendungen für die Gemeinschaftsküche aufgefallen. Dieser Aufwand pro Kopf schwanke zwischen 63 DM und 15 DM. Das Ministerium selbst marschiere keineswegs an der Spitze, sondern liege in der Mitte. Das Landesversorgungsamt habe einen Kopfbetrag. von 45 DM, die Versorgungs­ämter 33 DM, die Versorgungsuntersuchungsstellen 38, 15 und 25 DM usw. Der Mitberichterstatter fragte, ob im Bereich des Arbeitsministeriums nicht eine ·einheitliche Regelung durchgeführt werden könne.

Staatsminister Walter St a in antwortete auf die Anfragen des Berichterstatters und des Mit­berichterstatters. - Ich brauche wohl auf die Ant­wort nicht im einzelnen einzugehen, da ich an­nehme, daß sie in der Rede des Herrn Ministers im Grundsätzlichen wiederkehren wird.

Der Ausschuß trat dann in die Ein z e 1 b er a·­t u n g des Etats ein und brachte diese zügig zum Abschluß.

Es wurden folgende V e r ä n d e r u n g e n ge-genüber der Vorlage vorgenommen:

K a pi t e 1 10 02, Allgemeine Bewifügunigen. Bei Ti t e 1 96, Rückerstattung ·erhobener Staatszuschüsse durch die Süddeutsche Knapp­•schaft für die Rechnungsjahre 1945 bis 1949, ist :folgender Vermerk anzubringen: „Der Einnahme bei Titel 96 steht eine vom Land Bayern zu leistende Ausgabe an die Sozial­versicherungsträger im Betrage von rund 7 676 000 DM gegenüber, die aus eillem Aus­gaberest von 1956 abgewickelt wird."

Bei Ti t e 1 301, Pflegegeld an Zivilblinde, ist der Betrag von 6 850 000 DM um 2 300 000 DM auf 9 150 000 DM zu erhöhen.

Begründung dafür: Es liegt e'ine gesetzliche Ver­pflichtung auf Grund des Beschlusses des Hohen Hauses vor. Die Aus•gabe ist also heute' schon dem Grund und der Summe nach bekannt und die Mehrausgabe - darüber war sich der Ausschuß einig - sollte in den Haushaltspl•an eingesetzt werden.

Kap i t e 1 10 05, Kriegsopferversorgung. A. Landesversorgungsamt Bayern.

Bei Titel 104, Dienstbezüge der nichtbeamte­ten Kräfte, ist in den Erläuterungen unter Be­darf an nichtbeamteten Kräften, 1. Angestellte; b. Tarifliche Angestellte, bei VergGr. ·III in dem k.w.-Vermerk die Jahreszahl 1958 durch die Jahreszahl 1960 zu ersetzen.

Begründung: Durch die Änderung des Bundes­gesetzes sind die Zeitsenate der Sozialgerichte bis zum Jahre 1960 verlängert worden.

Kap i t e 1 10 05, E. Versorgungskrankenhäu­ser, Versorgungsheilstätten, Versorgungskur­

. anstalten. Bei Titel 16, Ersatzleistungen durch Dritte für die Inanspruchnahme von Versorgungskran-

kenanstalten, ist der Betrag von 1 850 000 DM um 150 000 DM auf 2 000 000 DM zu erhöhen.

Bei den Titeln 772 bis 778 handelt es sich um die Hochbaumaßnahmen der Versorgungskrankenhäu­ser, Versorgungsheilstätten und Versorgungskur­anstalten gemäß Anlage S des Haushalts. Der Ge­siamtbetrag von 1 406 000 DM wurde um 651 000 DM auf 2 057 000 DM erhöht.

Kap i t e 1 10 07, Sozialgerichte: Bei Titel 101, Dienstbezüge der planmäßigen Beamten, ist unter „Aufsteigende Gehälter" bei Besoldungsgruppe A 13/A 14 (frühere Besoldungsgruppe A 2 a) der Ver­merk wie folgt geändert worden:

Es fallen weg bis spätestens 31.12.1958: 10 Stellen, bis spätestens 31.12.1960: 16 Stellen.

Das hängt mit der Tatsache zusammen, daß die Sozialgerichte als erste Instanz zunehmend mit den ihnen gestellten Aufgaben fertig werden und die Verwaltungsarbeit wesentlich geringer wird.

Bei Kap i t e 1 10 09, Landesinstitut für Arbeits-· schutz, Titel 730, Um- und Erweiterungsbauten im staatlichen Anwesen an der Pfarrstraße 3 in Mün­chen für das Landesinstitut für Arbeitsschutz, das Landesinstitut für Arbeitsmedizin und das Ge­werbeaufsichtsamt München-Land, wurde der Be­trag von 800 000 DM um 495 000 DM auf 1 295 000 DM erhöht. Die Anlage S ist zu berichtigen.

Im Sondemusweis der Staatlichen Hochbaumaß­nahmen, Anlage S, ist hei Kapitel 10 05 E, Versor­gungskrankenanstalten, bei Titel 772, Baumaßnah­men in der Versorgungskuranstalt Baid Kissingen, Um- und Erweiterungsbauten im Gebäude Bis­marckstraße 8 a, in Spalte 3 der Betrag von 400 000 DM auf 697 000 DM, und bei Titel 774, Um­.und Erweiterungsbauten in der Versorgungskuran­stalt BB!d Reichenhall ( einschliießlich Grunderwerb) in Spalte 3 der Betrag von 500 000 DM auf 854 000 DM zu erhöhen.

Mit dem Abschluß der Beratung zu Einzelplan 10 wurde auch dem

A n t r a g der Abgeordneten Högn und Genossen (SPD) betreffend Kostenübernahme anläßlich der Aufnahme von Sowjetzonenflüchtlingen (Bei­lage 3052)

entsprochen. Diesem Antrag wurde in der Fassung des Ausschusses für sozialpolitische Angelegenhei­ten vom 17. April 1958 zugestimmt.

Ich darf das Hohe Haus bitten, den Beschlüssen des Ausschusses für den Staatshaushalt und Finanz­fragen beizutreten und den Einzelplan 10 zu ge­nehmigen.

Präsident Dr. Ehard: Das Wort hat der Herr Staatsminister für Arbeit und soziale Fürsorge.

Staatsminister Stain: Herr Präsident, meine sehr v.erehrten Damen und Herren!

Im Ordentlichen Teil •des vorliegenden Entwurfs ·zum Haushaltsplan meines Ministeriums sind 26 814 700 DM an E·innahmen und 112 073 100 DM an Ausgaben veranschlagt. Der Zuschußbedarf von 85 258 400 DM liegt um 1 829 400 DM unter dem des Rechnungsjahres 1957.

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Bayerischer Landtag - 135. Sitzung. Mittwoch, den 11. Juni 1958 4651

(Staatsminister Stain)

Die Zweckausgaben der Kriegsopferversorgung mit rund 650 Millionen DM und des Lastena;us­gleichs rrcit rund 600 Millionen DM, die von mei­nem Ministerium un!d den nachgeordneten Behör­den geleistet und abgerechnet werden, sind in die­'sen Za1hlen nicht enthalten. Zur Abrundung des Zahlenbfüles bitte ich mir den Hinweis zu gestat­ten, daß die bayerischen 1Sozialversicherungsträger im Rechnungsjahr 1'958 rund 2,56 Müliarden DM ,ausgeben werden. Davon entfallen auf die Arbei­terrentenversicherung 1,585 Milliarden DM, die Krankenversicherung 800 Millionen DM, die Un­fallversicherung 85 Millionen DM, die Familien­ausgleichskassen 50 Millionen DM und auf die Landwirtschaftliche Altersversorgung 40 Millio­nen DM. Die letztverantwortliche Prüfung dieser

· Ausgaben obliegt dem Landesprüfungsamt für So­zialversicherung im Bayerischen Staratsministerium für Arbeit und soziale Fürsorge.

Nach dem Entwurf des Außerordentlichen Haus­halts können im Rechnungsjahr 1958 DarJ:ehen und Zuschüsse für Arbe-itsbeschaffungsmaßnahmen der wertsclraffenden Arbeitslosenhilfe (verstärkte För­derung) im Gesamtbetrage von 7,54 Millionen DM bewilligt werden. In seinem Gutachten zum Ein­zelplan 10 hat der Bayerische Senat mit Rücksicht auf die strukture1le Arbeitslosigkeit in den Grenz­gebieten vorgeschlagen, die Haushailtsbeträge für die verstärkte Förderung zu erhöhen, um damit weitere Mittel der Bundes1arnstalt für Arbeitsve·r­mittlung und Arbeitslosenversicherung binden zu können. Da1bei sollen 'in begründeten Fällen Zu­schüsse statt iDarlehen gewährt werden. Dtesen Anregungen des Bayerischen Senats ist entsprochen worden. Nach den Erläuterungen zu den Ausgabe­ansätzen für „FreiwHlige Zuschüsse zu nichtstaat­lichen Wasserbauten, ländlichen Wegebauten, Was­serversorgungsanlagen, Abwasserbeseitigunigsanla­gen, Wildbach- und Lawinenverbauungen" bei Ka­pitel 03 77, für „Zuschüsse zu Investitionsvol'haben im Grenzgebiet (Bayerisches Grenzhilfeprogramm)" sowie für „Zuschüsse und Darlehen für wirtschafts­fördernde Maßnahmen in strukturell iunterentwik­kelten Gerbieten" bei Kapitel 07 02 und für „Dar­il:ehen und Zuschüsse an Gemeinden und Land­kreise zu den .Straßenbaulasten" bei Kapitel 13 03 können im Rechnungsjahr 1958 zur Bindung ent­sprechender Zuschüsse der Bundesansta,lt für Ar­beitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung ins­gesamt ·bis zu 1,4 Millionen DM aus Landesmitteln zusätzlich bereitgestellt werden.

Der Personaleinsparung innerhalb meines Ge­schäftsbereichs wurde auch in diesem Rechnungs­jahr besonderes Augenmerk gewidmet. Insgesamt 30 Planstellen für Beamte und Angestellte konn­ten abgebaut werden. Weitere 10 Stellen für Be­amte fallen am 31. Dezember 1958 weg. Der Per­sonalabbau findet natürlich dort eine Grenze, wo zusätzliche Aufgaben im Interesse der arbeitenden und rechtsuchenden Bevölkerung erfüllt werden müssen. Dies betrifft vor allem die Gewerbeauf­sicht und das Landessozialgericht. Mit Recht haben Landtag und Senat wiederholt darauf hingewie­sen, daß bei den Gewerbeaufsichtsämtern ein Nach-

holbedarf an geeigneten Fachkräften besteht, um die Zeitspanne zwischen den einzelnen Betriebs­prüfungen verkürzen und dem Bundesdurchschnitt angleichen zu können. Davon ausgehend sind im vorliegenden Entwurf zum Haushaltsplan für die Gewerbeaufsichtsämter zusätzlich 22 Beamtenstel­len und 6 Angestelltenstellen veranschlagt wor­den. Das Landessozialgericht wird in diesem Rech­nungsjahr um 9 Stellen für Berufsrichter, ferner um 13 Stellen für Hilfspersonal verstärkt, um die erhebliche Zahl an unerledigten Fällen in der 2. Instanz der Sozialgerichtsbarkeit rascher auf­arbeiten zu können.

Im Sonderausweis über staatliche Hochbaumaß­nahmen sind die seit Jahren beabsichtigten Um­und Erweiterungsbauten der Versorgungskur­anstalten Bad Aibling, Bad Kissingen und Bad Reichenhall, die im Wege des Kurenausgleichs den Versorgungsberechtigten aller Bundesländer zur Verfügung stehen, ferner Um- und Erweiterungs­bauten für das Bayerische Landesinstitut für Ar­beitsschutz, das Bayerische Landesinstitut für Ar­beitsmedizin und das Gewerbeaufsichtsamt Mün­chen-Land, schließlich auch noch der Neubau einer Hirriverletztenstation im Versorgungskranken­haus Bayreuth ausgewiesen. Die Notwendigkeit dieser Baumaßnahmen hat der Herr Ministerpräsi­dent in seiner Regierungserklärung am 5. Novem­ber 1957 ausführlich begründet.

Die Entschädigungsleistungen des Freistaates Bayern und der Gemeinden für die Inanspruch­nahme von Räumen des Beherbergungsgewerbes zur Flüchtlingsunterbringung in den ersten Nach-

. kriegsjahren werden auch im Rechnungsjahr 1958 fortgesetzt. Bis zum 1. April 1958 konnten 145 An­träge abgewickelt werden. Am gleichen Stichtag waren noch 414 Fälle bei Gericht oder im Abhilfe­verfahren anhängig. Im Rechnungsjahr 1957 sind für solche Entschädigungen aus Landesmitteln rund 3,5 Millionen DM aufgewendet worden. Für den gleichen Zweck stehen im Rechnungsjahr 1958 (einschließlich Ausgaberest 1957) 2 Millionen DM zur Verfügung. Nach vorliegenden Schätzungen der Finanzmittelstellen werden in den folgenden Rech­nungsjahren zur Bereinigung der vorgenannten 414 Fälle noch etwa 7 Millionen DM erforderlich sein. Da anzunehmen ist, daß das Beherbergungs­gewerbe diese Summen zum großen Teil zur Ver­besserung seiner Objekte verwenden wird, tragen die genannten Entschädigungen praktisch zur För­derung des Fremdenverkehrs bei.

Der Arbeitsmarkt stand auch im Jahre 1957 un­ter dem Zeichen der Hochkonjunktur. Zwar stieg die Zahl der Beschäftigten an, doch war auch die Zahl der Arbeitslosen höher als im Jahre zuvor. Die Beschäftigungsausweitung war vor allem bei den Frauen feststellbar, während die Beschäfti­gung der Männer im Zusammenhang mit der Ab­schwächung der Bautätigkeit etwas nachließ. Ende September 1957 befanden sich rund 3,2 Millionen Arbeitnehmer in Beschäftigung. Zum gleichen Zeit­punkt waren 98 000 Arbeitnehmer ohne Arbeit. Diese günstige Situation hielt bis weit in den Herbst hinein ·an, weil sich durch die späte In­angriffnahme des Bauprogramms 1957 die Bau­saison dieses Jahres in den Herbst verlagert hatte.

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4652 Bayerischer Landtag - 135. Sitzung. Mittwoch, rden 11. Juni 1958

(Staatsminister Stain)

Erst Ende November setzten größere Entlassungen in der Bauwirtschaft ein, denen dann im Dezember eine ungewöhnlich hohe Entlassungswelle folgte. Sie führte zu einer höheren Arbeitslosigkeit Ende Dezember 1957 gegenüber dem Vorjahre mit 326 000 Arbeitslosen gegenüber 319 000 im Jahr'e 1956. Trotzdem blieb die Arbeitslosigkeit im Höhepunkt dieses Winters unter der Saisonspitze im Vor­winter. Die ungewöhnlich lange winterliche Wit­terurrgsperiode führte zu einer V'erhältnismäfüg langen Dauer der Saisonarbeitslosigkeit. Dies ist vor allem aus den Arbeitslosenziffern von Ende März zu erkennen. Ende März 1958 lagen wir in Bayern mit 336 000 Arbeitslosen um 113 000 Ar­beitslose höher als zur selben Zeit des Vorjahres. Doch schon im April setzte der Trend zur Voll­beschäftigung wiederum ein; mit 171 526 Arbeits­losen gegenüber 170 440 Ende April 1957 lagen wir in diesem Jahre dann nur noch um 1086 Arbeits­lose höher als im Vorjahre. Diese Entwicklung zu einer gleichbleibenden Beis'chäftiJgungs1age .gegen­über dem Vorjahr hat sich dann auch im Laufü des Monats April fortgesetzt.

Die strukturelle Verschiedenartigkeit des baye­rischen Arbeitsmarktes ist insbesondere im Hin­blick auf die Grenz- und Zonenrandgebiete nach wie vor erkennbar. Es gibt immer noch Gebiete, in denen die Arbeitslosigkeit nur mit Hilfe der wert­schaffenden Arbeitslosenhilfe ·eing,edämmt werden kann. Während es im Bundesgebiet im September 1957 Arbeitsamtsbezirke mit einer Arbeitslosen­quote in Höhe von 0,1 und 0,2 Prozent gab, hatten wir in Bayern in den Arbeitsamtsbezirken Cham 12,7 Proz.ent, in Passau 8,7 P:mzent und in De1ggen­dorf 8,5 Prozent Arbeitslose zru 'Verzeichnen. Es ist dabei alle~dings darauf hinzuweisen, 1diaß wir in den.­selben Bezirken vor wenigen Jahren noch etwa 25 bis 30 Proz·ent Arbeitslose zu verzeichnen hatten. Man müßte deshalb glauben, daß auch der Bund und die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung nicht nur aus rein wirt­schaftlichen, sondern auch aus p o l i t i s c h e n Gründen zu einer grundlegenden Besserung dieser Arbeitsmarktlage alles aufbteten.

Das Land Bayern hat für die produktive Ar­beitslosenhilfe im Außerordentlichen Haushalt bis­her rund 128,6 Millionen DM aufgebracht, der Bund und die Bundesanstalt zusammen 198,7 Mil­lionen DM, wobei die in der Regel als verlorener Zuschuß bewilligte Grundförderung 95,4 Millionen DM, die darlehensweise verstärkte Förderung l0!3,3 Millionen betrug. Diese bisherigen Leistungen wer­den von uns voll anerkannt. Seit der Erreichung der Vollbeschäftigung im Bundesgebiet stößt je­doch die Bewilligung weiterer Mittel auf immer größere Schwierigkeiten. Im gegenwärtigen Zeit­punkt können z. B. die beiden Landesarbeitsämter für beabsichtigte Notstandsarbeiten weder Dar­lehen noch Zuschüsse in Aussicht stellen, da die Mittel hierfür von den zuständigen Selbstverwal­tungsorganen noch rticht freigegeben worden sind. Es besteht dadurch die Gefahr, daß im Herbst die­ses Jahres und im Frühjahr des nächsten Jahres der Anschluß an die auslaufenden Notstandsarbei-

ten nicht mehr erreicht wird. Je günstiger sich die wirtschaftliche und arbeitsmarktpolitische Lage in den übrigen Bundesländern entwickelt, desto auf­fälliger wird die Not in den Grenzgebieten, desto größer das West-Ostgefälle innerhalb der Bundes­republik, das auch politisch ernste Gefahren in sich birgt.

(Abg. Dr. Becher: Sehr richtig!)

Schon im Vorjahr habe ich darauf hingewiesen, daß ein Teil der saisonalen Schwankungen auf dem Arbeitsmarkt -bei uns in Bayern darauf zu­rückzuführen ist, daß wir noch ein sehr großes Reservoir an Hilfsarbeitern haben. Wir ließen des­halb auch nichts unversucht, mit der Umschulung jugendlicher Hilfsarbeiter zu beginnen. Mit einer Bekanntmachung, die am 7. August 1957 im „Baye­rischen Staatsanzeiger" veröffentlicht wurde, er­ließ mein Ministerium „Richtlinien für die Ge~ währung von staatlichen Beihilfen zu den Kosten der Berufsausbildung von Personen, die infolge der Kriegs- und Nachkriegsverhältnisse keine Be­rufsa usbilid ung erliial ten 1konn ten". Nach d1esen Richtlinien können unter bestimmten Vorausset­zungen Ausbildungsbeihil:ßen gewährt werden, um nachträglich eine ordnungsmäßige Berufsausbil­dung zu ermöglichen. Es können vor allem jüngere Personen gefördert werden, die keine oder eine nicht abgeschlossene Berufsausbildung zum Fach­arbeiter oder Gesellen haben und im Alter zwi­schen 19 und 30 Jahren stehen. Damit glaubten wir den Personenkreis erfassen zu müssen, der in den letzten 13 Jahren, also in der Zeit der Berufs­not der Jugendlichen, keine geregelte Berufsaus­bildung genießen konnte. Bei dieser erstmals ge­botenen Gelegenheit zur nachträglichen Aus­bildung älterer Jugendjahrgänge zeigte es sich, daß d1e Bewerber gerne bereit sind, selbst finan­zielle Opfer auf sich zu nehmen, um Facharbeiter zu werden und einen anerkannten Beruf ausüben zu können. In den Einrichtungen des Bayerischen Jugendwerks wurden· mit dem gleichen Ziel von den Arbeitsämtern während der Winterarbeits­losigkeit zahlreiche Umschulungs- .und Fortbil­dUlllgskurse durchgeführt. 'Soweit J1UJgendriche aus der sowjetischen Besatzungszone und den Ost­gebieten aus besonderen Gründen nicht in die Lehvgänge des Bayerischen JugeTI!dwevks einge'VVie­sen werden konnten, wurden mit Hilfe von Bun­desmitteln Förderungskurse durchgeführt, um sie durch geeigneten Unterricht und berufliche Unter­weisung rasch in die Wirtschaft eingliedern zu können. Den vorgenannten Zielsetzungen dienten im Rechnungsjahr 1957 rund 240 Lehrgänge, die von 6700 Jugendlieben besucht worden sind. Z-µ dieser Arbeit trug in vo:rbildlicher Weise auch wieder das Bayerische Berufsförderungswerk bei, das die Lehrpläne und Ausbildungsrichtlinien aus­arbeitet, die im -ganzen Bundesgebiet als muster­gültig verwendet werden; es hat dafür erstmals seit seinem Bestehen vom Bundesministerium für Familien- und Jugendfragen einen Zuschuß von 5000 DM erhalten. Wir waren also bestrebt, meine Damen und Herren,, in Zusammenarbeit mit allen zuständigen Stellen an eines unserer wichtigsten Probleme heranzugehen. Ob es allerdings zweck­mäßig i,st, daß einzelne Großbetriebe des Westens

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Bayerischer La:nidtag - 135. Sitzung. Mittwoch, den 11. Juni 1958 4653

(Staatsminister Stain)

- ich denke hier an eine Bergwerksgesellschaft am Niederrhein - unmittelbar an unsere Lehrer herantreten, ihnen Besichtigungsreisen ermög­lichen, um sie dann als zusätzliche Anwerber von schulentlassenen Jugendlichen zu gewinnen, halte ich für sehr fragwürdig in einer Zeit, da es auch in unserem Land unbesetzte Lehrstellen gibt.

(Sehr gut!)

Die Lehrer sollten im allgemeinen Erziehungsarbeit leisten und die Arbeit der Lehrstellenvermittlung den dafür zuständigen Behörden überlassen.

Auch im Jahre 1957 war, wie schon vorher er­wähnt, eine· Zunahme der weiblichen Arbeitnehmer zu verzeichnen. Das Hauptaugenmerk richtete mein Ministerium jedoch, so wie die Bayerische Ver­fassung dies im Artikel 131 Absatz 4 verlangt, auf die Unterweisung der weiblichen Jugend in der Hauswirtschaft, Säuglingspflege und Kinderpflege. Diesen Aufgaben dienten die seit 1951 eingeführ­ten hauswirtschaftlichen Grundlehrgänge, die von rund 16 000 Mädchen auf die Dauer eines. Jahres besucht wurden, und daneben die Näh- und Haus­haltungskurse, an denen 30 000 Mädchen teilge­nommen haben. Von den ersteren hat der größte Teil einen Beruf der Hauswirtschaft gewählt oder diese Vorschule benützt, um ·sich für einen Sozial­beruf ausbilden zu lassen.

Die Zahl der Beschäftigten in der Heimarbeit ist gegenüber dem Vorjahr leicht zurückgegangen. Die zur Regelung bindender Arbeitsbedingungen in der Heimarbeit. tätigen Heimarbeitsausschüsse konnten die bindenden Festsetzungen von 105 im Jahre 1956 auf 156 erhöhen. Für die Durchführung der Entgeltprüfung sind in 7 Entgeltüberwachungs­stellen 13 Entgeltprüfer tätig. Nach den vorliegen­CLen Erfahrungen wird die Entgeltprüfung u. a.· durch die Beschaffung von Kraftfahrzeugen zu rationalisieren sein, da bisher im Jahresdurch­schnitt nur etwa 50 Prozent der Auftraggeber und 12,2 Prozent der Heimarbeiter besucht werden konnten. Im Jahre 1957 sind in 14 502 Differenz­fällen 748 917 DM an eile Heimarbeiter und Haus­gewE;!rbetreibenden nachgezahlt worden: eine neuerliche Bestätigung dafür, daß der Entgelt­schutz in der Heimarbeit auch bei sehr günstiger Wirtschaftslage für die in Heimarbeit Beschäftig­ten zwingend notwendig ist.

Die Bewe:gung der Tariflohnsätze •aller Arbeiter und Arbeiterinnen im Zeitlohn ist, wie der Durch­schnitt von 24 Industriegruppen zeigt, etwa gleich geblieiben. Die Tariflohrusätze ha:ben •sich von An­fang bis Ende 1957 um 5 Prozent, bis Ende Februar 1958 um weitere 2 Prozent erhöht; im Jahre 1956 hat die Steigerung 6 Prozent betrageni

Die Effektivverdienste im Zeit- und Leistungs­lohn zusammen (ebenfalls für alle Arbeiter und Arbeiterinnen) im Durchschnitt von 24 Industrie­gruppen sind von November 1956 bis November 1957 je Stunde um 7 Prozent, im Vorjahr um 8 Pro­zent, je Woche um 5 Prozent, im Vorjahr ebenfalls um 5 Prozent gestiegen; bis Februar 1958 sind die Stundenlöhne um weitere 1,2 Prozent gestiegen, die Wochenlöhne aber infolge der saisonalen Arbeits-

zeitverkürzungen um 1 Prozent gesunken. Der An­stieg der Industriearbeiterlöhne je Stunde wurde leicht abgeschwächt. Die Wochenarbeitszeit der Industriearbeiter in Bayern hat sich seit November 1956 auf 47,5 Stunden, im November 1957 auf 46,4 Stunden und im Februar 1958 auf 45,2 Stunden ge­senkt, wobei allerdings zu beachten ist, daß bei der letzten Absenkung auch saisonale Gründe maß­gebend waren.

Auch im vergangenen Jahr war es durch lau­fende intensive Beratungs- und Vermittlungstätig­keit möglich, zwischen Arbeitnehmern und Arbeit­gebern in ungezählten Fällen einen Ausgleich von Interessenkonflikten herbeizuführen, bevor es zu offenen Differenzen kam; nur in 23 Fällen glückte es nicht, die aufgetretenen Interessenkonflikte im Vorstadium auszugleichen. In 3 Fällen konnte durch formlose Vermittlung eine materielle Einigung er­zielt werden. 4 Fälle wurden an tarifliche Schlich­tungsstellen abgegeben, in 9 Fällen wurde während der Schlichtungsverfahren eine Einigung der Par­teien herbeigeführt; in 3 Fällen sind die gefällten Schiedssprüche angenommen und in 2 Fällen nicht angenommen worden; in weiteren 2 Fällen ist ein Mehrheitsbeschluß der Schlichtungsstelle nicht zu­stande gekommen.

Ich darf an dieser Stelle, meine Damen und Her­ren, den Tarifpartnern des Landes Bayern für ihre Aufgeschlossenheit bei sämtlichen Verhandlungen und vor ,al1eim für ihre Bere1tschaft ·zur Erhaltung des Ar:b'eitsfriedens !h:el'zlichen Dank :aussprechen.

In das beim Ministerium geführte Tarifregister wurden vom 1. April 1957 bis 31. März 1958 994 neu abgeschlossene Tarifverträge eingetragen; im Vorjahr waren es 997; 35 Tarifverträge wurden als allgemein verbindlich erklärt, im Vorjahr 22.

Aus der Landesgesetzgebung ist zunächst das Gesetz zur weiteren Verlängerung der Amtsdauer der Betriebsräte in allen Verwaltungen und Be­trieben vom 10. Februar 1958 zu erwähnen, durch das die Amtsdauer der Betriebsräte bis zum In­krafttreten des Bayerischen Personalvertretungs­gesetzes, längstens jedoch bis zum 28. Februar 1959, festgelegt worden ist. Das Gesetz über Sonder­urlaub für Jugendleiter vom 29. April 1958 gewährt ehrenamt1ich tätigen Jugendleitern über 18 Jahre auf Antrag der Jugendverbände Sonderurlaub bis zu 12 Arbeitstagen im Jahr, soweit sie als Leiter oder Helfer in Zeltlagern, Jugendherbergen und ähnlichen Einrichtungen tätig sind.

Der Bundesminister für Arbeit und Sozialord­nung prüft derzeit erneut mittels einer eingehen­den Umfrage die Notwendigkeit einer bundesein­heitlichen gesetzlichen Regelung des Hausarbeits­tagsrechts. Diese E;rhebungen gehen mit auf eine' Initiative der Bayerischen Staatsregierung bzw. auf einen Beschluß des Bayerischen Landtags zurück.

Die bayerische Arbeitsgerichtsbarkeit ist, da die Rückstände bei den Arbeitsgerichten in etwa 5 bis 6 Wochen und beim Landesarbeitsgericht in knapp 3 Monaten erledigt werden, auf dem laufen­den.

Von Zeit ·zu Zeit zieihen d~e U3ehörden, die mit der Krregsopferversorgung •beschäftigt sind, immer

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4654 Bayerischer Landtag - 135. Sitzung. Mittwoch, d'en 11. Jurri 1958

(Staatsminister Stain)

wieder ·ed.nmal die öffentliche Kritik vor aJllem aus den Reihen 1der Kriegsopfer selbst auf sich. So war dies auch d.m !Letzten Halbjahr, als auf Grund ·eini­ger ungelöster oder v1elleicht 1a:uch umständlich er­ledigter Fälle und in Anbetracht der Rückstände beim Lan:dessoiZialgericht verschiedentlich Klagen laut wurden. Das Minist·el'iium und ich selbst wo1len keineswegs die Augen vor der Tatsach·e verschlie­ßen, daß es auch berechtigte Klagen .gibt. Schließ­lich und endlich handelt ·es sich um eine sehr große Verwaltung, nicht :zuletzt aber um eine Materie, die 1schon gesetzlich s·ehr kompliz1ert .behandelt wurde. Wenn man überlegt, daß wir bereits 6 No­vellierungen des Bu'Il!desversorgungsgesetzes seit seiner Vel'abschiedung •erlebten, so wird man ver­stehen, d!aß manche vermeintliche Fehlentscheidung schon in der Gesetzgebung begründet liegt. Vor allem anläßlich der letzten N ov·eUierungen wurde deutlich sichtbar, daß sich Gesetzgebung und Rechtsp!'echung änderten ·und infolgedessen auch die Behandlung einzelner Fälle wi:ede·rholt ander~ Grundlagen ·erhielt. Dazu kommt, daß über ge­wisse Folgeerscheinungen von Kriegsverletzungen auch in den Kreisen der medizin1schen Wi•ssenschaft nicht immer einheitliche Auf:fiassungen herrschen, so daß es dem Arzt ·der Kriegsopferverv\naltung nicht immer leicht ·gemacht wir.d, seine medizinische Beurteilung mit den Wünschen der Versorgungs­berechtigten in Einklang zu 'bringen. Ich darf des­halb s1agen, daß die bayerische Kriegsopferverwal­tung auch in Zukunft ·immer ·ein offenes Ohr für berechtigte Kritik haben wird, daß sie 1aiber Verall­gemeinerungen auf Grund kritisierter Einzelfälle ablehnen muß.

Die Zahil der Kriegsopfer, die eine laufende Rente erhalten, hat im vergangenen Jahre etwas abge­nommen und •beträgt nun 691 255. In jährlich über 600 000 Fällen wird ambulante und stationäre Heil­behandlung für Beschädigte und Hinterbli!ebene durchgeführt. Besonderer Wert .aber wir.d auf die Kurbehandlung zur Erhaltung der Arbeitsfähig­keit gelegt. In jedem Jahr nehmen etwa 4000 Kriegsbeschädigte di:e versorgungseigenen und ver­tr.aglichen Kuranstalten in Anspruch.

Die i:n der 5. Novelle zum Bundesversorgungs­gesetz gesetzlich ermöglichte he:i.lgymnasfüsche Be­handlung und Bewegungsthempie Wird nicht rtur von den Kriegsopfern gern in Anspruch genommen, sondern auch von der Verwaltung weitestgehend gefördert. Die stationären heilgymnastischen und 'bewegungstherapeutischen Kuren werden in der Kurabteilung des Versorgungskrankenhauses Bad Tölz durchgeführt, wo ja auch die seit dem Früh­jahr 1957 begonnenen therapeutischen Einrichtun­gen der Fertigstellung entgegengehen, um dann d1eser neuzeitlichen Heilbehandlung einen weiteren Auftrieb geben zu können.

Die d~m Bayerischen Versehrtensportverband übertragene Gruppentherapie hat sich in den letz­ten Jahren sehr gut entwickelt. Diese Organi:sation hat in rund 200 Orten Bayerns Übungsgruppen gebildet, die von besonders geschulten Übungslei­tern und Versehrtensportärzten geleitet und über­wacht werden. So ist der Versehrtensport nicht nur

zu einer ·bewährten Art der Hed.lbehandlung ge­worden, um körperliche Schäden auszugleichen :und Nachfolgekrankheiten vorzubeugen, sondern auch zu einer Art seelischer Nachbehandlung, da der unter fachkundiger Anleitung Sport treibende Kriegsversehrte frischen Lebensmut schöpft und wieder am Leben des Volkes teilnehmen kann. Zahlreiche Sportfeste im Sommer un!d im Winter, von der Öffentlichkeit lebhaft beachtet, geben Zeug­nis von der zunehmenden Breitenarbeit und dem hohen Leistungsistand der Versehrten. Dem Bayeri­schen Versehrten:sportverhand, einer neben den Kriegsopferverbänden stehenden Vereinigung, ge­bühren für die geleistete Arbeit Anerkennung und Dank der Bayerischen Staatsregierung.

Von der Möglichkeit, sich die Grundrente für Wohnungsbauzwecke kapitalisieren zu lassen, wurde auch im letzten Jahre in großem Umfang Gebrauch gemacht. Seit Inkrafttreten des BundesV'ersorgungs­gesetzes 'ist in rund 30 000 Fällen Kapitalabfindung bewilligt worden, wodurch ·dem bayerischen Woh­nungsbau rund 100 Millionen DM zugeflos1sen sind. Im Rechnungsjahr 1958 werden weitere 21,5 Mil­lionen DM aus Bundesmitteln zur Verfügung ste­hen.

Wie •schon vorher erwähnt, befindet sich die Ge­setzgebung zur Kriegsopferversorgung seit Jahren in Bewegung. Wahrscheinlich schon in den nächsten Wochen ist mit einer Rechtsverordnung zu rechnen, ·die die Anrechnung des sonstigen Einkommens auf die Ausgleichs- und Elternrente neu re•gelt, so daß ·die Versorgungsverwaltung mit erneuter Mehr­arbeit rechnen muß. Hatte schon die 6. Novelle zum Bundesversorgungsgesetz die Umrechnung von rund 700 000 Grundrenten zur Folge, wird nun die Umrechnung von rund 200 000 Versorgungsfäl­len eine neue Belastung bringen.

Die seit Jahl'en verlangte Auswertung der in den Krankenbuchlagern in München, Kassel und Berlin mit großem Kostenaufwand registrierten Kranken­urkunden war bisher mit Rücksicht auf die 'Stän­dig notwendige Rentenumrechnung überhaupt nicht möglich. Diese Arbeit kann allerdings nun nicht mehr hinaiusgeschoben werden und muß demnächst beginnen.

Die in den nächsten Jahren zu erwartende Re­form des Bundesversorgungsrechts wird erhebliche Mehrarbeit bringen, so daß selbst bei einem ja immer noch verhältnismäßig geringen Rückgang der Zahl der Rentenberechtigten mit einer Ver­minderung der Arbeit der Versorgungsbehörden auf Jahre hinaus nicht zu rechnen ist.

Zur Reform des Bundesversorgungsrechts liegt, wie bereits voriges Jahr erwähnt, schon seit Januar 1957 dem Bundesarbeitsministerium ein bayerischer Vorschlag vor, der nunmehr mit anderen Vors0lä­gen die Grundlage für die Reformberatungen emes für diesen Zweck eingerichteten Arbeitsausschusses bildet, in dem Bayern durch seine verantwort­lichen Referenten vertreten ist. Soweit iheute über­sehen werden kann, i:st beabsichtigt, den durch die Schädigung ·bedingten Berufsschadeh und den durch die bisherige 100-Prozent-Grenze noch nicht genügend berücksichtigten Mehrschaden, z. B. bei Querschnittslähmungen, Mehrfachamputationen und

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Bayerischer La,ndtag - 135. Sitzung. Mittwoch, den 11. Juni 1958 4655

(Staatsminister Stain)

ähnlichen Häufungen von schweren Schäden, zu­sätzlich auszugleichen. Ferner sollen die Bezüge der Hinterbliebenen, insbesondere der Witwen mit meh­reren Kindern, so festgesetzt werden, daß föe Fa­milien davon leben können und die Mütter nicht gezwungen sind, die Erziehung ihrer Kinder infolge zusätzlicher Berufstätigkeit zu vernachläs1sigen. Die Vorschriften der Heilbehandlung sollen den Er­kenntnissen und Bedürfnissen der Zeitentwicklung im Hinblick 1auf die notwendige Rehabilitation un1d Prävention angepaßt werden. Die Kapitalabfindung soll sämtlichen Beschädigten auch zur Sicherung der Existenz ermöglicht werden, falls die Abfind.ungs­summe dinglich gesichert werden kann.

Bei Berücksichtigung der geschilderten Arbeits­lage und der vielen gesetzlichen Änderungen, «;1.ie die rechtliche Beurteilung immer schwieriger ge­stalten, kann die große z,ahl der Rechtsbehelfe ge­gen getroffene Entscheidungen der Versorgungs­,dienststellen und Sozialgerichte nicht überraschen. Während die anhängigen Versorgungisklagen bei den Sozialgerichten durch die organiisatorischen Maßnahmen der Sta'atsregierung auf ein erträg­liches Maß zurückgegangen sind, weist die zweite Gerichtsinstanz, das Landessozialgericht, einen er­heblichen Überhang nicht erledigter Fälle auf. Die hohe Zahl 1der Streitfälle in der Berufungsinstanz ist nicht z,uletzt darauf zurückzuführen, daß schon vor Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes im Jah­re 1954 in Bayern im Gegensatz zu anderen Län­dern bereits die Möglichkeit des Rekurses bestand und die Zahl dieser Streitsachen kurz vor Inkraft­treten des Sozialgerichtsgesetzes sprunghaft auf 20 000 angestiegen war. Nun sind ungefähr 28 000 Berufungsfälle in der Kriegsopferversorgung zu entscheiden. Zwar konnte im vergangenen Jahr erstmals ein Rückgang der zur Entscheidung her­ansteherrden Fälle um ungefähr 2000 verzeichnet werden, doch ist es, wie eingangs bereits erwähnt, trotzdem dringend notwendig, das Landessozialge­richt in der schon angeführten Weise zu verstär­ken. Das Ministerium hat zwar in der Frage der Fiskusberufungen inzwischen eine Anordnung er­lassen, die zur Einschränkung dieser Berufungen beitragen soll, doch ist zu berücksichtigen, daß nur 1

/5 1der Berufungen von der Versorgungsverwaltung und 4/s von den Klägern eingelegt wurden. Die von mir vor eiinem Jahr erwähnte Änderung 1des So­z1algerichtsgesetzes ist vor kurzem als Zweites Ge­setz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes von den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes verabschiedet worden.

Die Berufungsmöglichkeit in Fällen von geringe­rer Bedeutung wurde gegenüber 1dem bisherigen Wortlaut des Sozialgerichtsgesetzes we1iter einge­schränkt. Übergangsweise können bis zum 31. De­zember 1960 bei den Landessozialgericht~n künftig 3/4 statt bisher nur die Hälfte der Zahl der ordent­lichen Senate als Zeitsenate tätig werden; bis zum gleichen Zeitpunkt können in bestimmten Fällen von rechtlich geringerer Problematik die Kammern und . Senate Entscheidungen ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter im Beschlußverfahren tref­fen. Es ist daher zu hoffon, daß sich die sich bisher

schon schwach abzeichnende Abnahme der Rück­stände verstärken wird, womit wir der Lösung eines ·der schwierigsten Probleme der Bayerischen Ar­beits- und Sozialverwaltung näher kämen.

Zur Frage, meine Damen und Herren, der heute vormittag 1angesprochenen Hausgerichtsbarkeiten habe ich lediglich folgendes festzustellen: Die gegen­wärtige Regelung ist rechtsstaatlich und rechtspoli­tisch vollauf gerechtfertigt. Zweckmäfögkeitserwä­gungen sprechen eindeutig für eine Beibehaltung des gegenwärtigen Zustandes.

(Sehr richtig! bei der SPD)

Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht sind in der Wissenschaft als Sonderdisziplinen anerkannt. Arbeitsgerichtsbarkeit und Sozialgerichtsbarkeiit sind nach dem Arbeitsgerichtsgesetz vom 3. Septem­ber 1953 in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 2. Dezember 1955 und dem Sozialgerichtsge:s'etz vom 3. September 1953 in der Fassung des Änderungs:­gesetzes vom 10. August 1954 und 'in der Fassung des Gesetzes über Kassenarztrecht vom 17. August 1955 als Sondergerichtsbarkeiten ausgestaltet. Die ,endgültige Durchsetzung des Sondergerichtsgedan­kens in der Verwaltung nach 1945 war die Krö­nung von jahrzehntelangen Bemühungen, die von allen beteiligten Tarifpartnern und Verbänden be­grüßt wurde. Man würde es seitens dieser Ver­bände kaum verstehen, wenn ,es nun zu einer Änderung der bisherigen Praxis käme. Der Sonder­gerichtsgedanke und die Verwaltung der Dienst­aufsicht durch d,ie jeweiligen Fachminfaterien wird jedoch nicht nur im Arbeitsgerichts- und Sozial­gerichtsgesetz anerkannt, sondern auch im Grund­gesetz. Da:s Grundgesetz sieht das Prinzip der ge­gliederten Gerichtsbarkeit und die Verdrängung des Justizministers durch den jeweiligen Fachminister bei den Sondergerichtsbarkeiten vor und verbietet somit seinem System nach die Bildung von Ein­heitsgerichten und zentralen Gerichtsministerien.Die Bildung von zentralen Gerichtsministerien und Ein­heitsgerichten widerspricht also dem Verfas:sungs­prinzip der gegliederten Gerichtsbarkeiten und wür­de 1sich somit als systemwidrig verbieten. Die Be­hauptungen, daß die nicht dem Justizministerium zugehörigen Gerichte in ihrer Rechtsprechung ab­hängig oder gar beeinflußt seien, müssen in aller Form zurückgewiesen werden. Die richterliche Un­abhängigkeit der Richter in der Arbeits- und So­zialgerichtsbarkeit ist ebenso gewährleistet, wie dies bei der ordentlichen Gerichtsbarkeit der Fall ist.

Die Deutsche Bundesrepublik, der freie Teil des geteilten Deutschlands, hat es sich zur Aufgabe ge­macht, auf ihrem Boden das Zusammenleben der Menschen eines modernen Massenstaates in gerech­ter Wei:se zu regeln. In einer Zeit, da der über­wiegende Teil des Volkes in abhängiger Arbeit steht, ist es zwingend notwendig, die Grundlagen einer neuen Gesellschaft zu bauen. Während in der Wirt­schaftspolitik eines modernen Staates die Wege ge­funden werden müssen, um im Zusammenleben der Völker den richtigen Einsatz der Kräfte des eigenen Landes zum nationalen und übernationa­len Wohle zu finden, während alle Bestrebungen der Kulturpolitik darauf gerichtet sein müssen, die

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4656 Bayerischer Landtag - 135. Sitzung. Mittwoch, den 11. Juni 1958

(Staatsminister Stain)

gei1sti'gen Kräfte des Volkes zu pflegen 'llll'd eine JugenJd heraru:uziehen, die der ZukU'Ilft gewachs'en ist, sind die Sozialpolitiker ·berufen, fan Z·eichen der Gerechtirgkeit dafür zu sorgen, daß die Staatsbür­ger ihrer Leistung und ihrem Können,entsprechenld gleichmäßig'an den Ergebnissenderwirtls'chaftlichen Produktion teilhaben können. Eine allumfa:ssendre Sozialpolitik hat aber nicht nur die Au:Dgabe, auf der Basis !der Zufriedenstellung der aktiven Kräfte des Volkes wirksam zu werden, son!dern sie muß auch der Ausdruck des Soli!daritätswillens einer Bevölkerung s'ein. Die Sicherung des. Menschen nach vollbrachter Arbeit am Lebensaben!d und in Krankheit und Not gehören ebenfalls. zur sozialen Auf.gabenstellun'g. Dies ist ·es, was uns Ms heute vom bolscheWistischen System wesentlich unter­scheidet.

Das große Werk der Sozialreform befindet sich noch in seiner Anfangsentwicklung. W.ir wollen es als symbolisch betr.achten, wenn 1es mit der Rege­lung der Altersrenten begann und wenn es mit der Unfallversicherung seine Fortsetzung findet. Aus dieser Reihenfolge spricht der Wille ·zur 1Solidarität der Starken gegenüber den Schwachen und Alten.

Immer wenn mit dem Berginn eines Werkes Neu­land betreten wird, werden Stimmen der Kritik laut. So war es auch anläßlich der Verabschiedung der Rentenneureigelungsgesetze und so wird 1es wohl auch in Zukunft bei jedem neuen Gesetz sein. Nun ist ·es heute schon überschaubar, welche Km­ti:k an den ersten Gesetzen zur Sozialreform etwa berechttgt oder unberechtigt war, uind man kiann vieUeicht aus der nachträglichen Bewertung ge­äußerter Beidenken zu verabschiedeten un!d inzwi­schen bewährten Gesetzen Schlüss1e für 1die 'Zukunft ziehen. Die Rentenreform •brachte den Versicherten in der Arbeiterrentenve11sicherung Erihöhurugen durchschnittlich um 60 Prozent, den V:ernicherten in der Angestelltenversicherung im Durchschnitt um etwa 66 Prozent. Noch sind nicht in ·allen Bevölke­rungsschichten die letzten Auswirkungen der Ren­tenreform sichtbar, da ja durch Kriegs- un!d Nach­kriergsereign:isse eine Umschichtung der Be·völke• rung stattgefunden hat, die nicht allen Menschen, die auf eine Altersrente· angewiesen sind, die Betei­ligung an Vierbesserungen der Rentengesetz.ge;bung ermöglicht. Es wird meiner Meinung nach noch zu­sätzlicher Novellierungen bedür:Een, um die letzten Ungerechtigkeiten iauf diesem Gebiete aus der Welt zu schaffen.

Eine der bemerkenswertesten Tatsachen nach der Auszahlung der von den Rentenversicherungsträ­gern. innerhalb weniger Wochen umgestellten lau­fenden Renten und der Anweisung entsprech•en­der NachzahlUn'gen war, daß der von vielen Krei­sen erwartete Konsumstoß ausblfob. Wir können heute nur mit großer Achtung vor uru;eren alten Leuten von der Käuferdisziplin der Rentenachzah­lungsempfänger sprechen. Zu einer Prei:swelle1durch die Rlentennachzahlungen ist es jeden:ßalls nicht.ge­kommen.

Zu den ,erfreulichsten Tatsachen 1der Rentenre­form gehört auch 1die Tats,ache, !daß ·d!1e Finanzlage der Rentenversicherungsträger nicht ,erschüttert

wuvde. Trotz der um 40 bis 50 Proz•ent höheren Rentenausrgaben gegenüber dem Jahre 1956 konn­ten die Versicherungisträger Ende 1957 ,auf ·einen höheren Vermögensstand zurückblicken als um die gleiche Zeit ·des Jahres vor der Rentenreform.

Leider brachte die Rentenreform ein Anwach­sen der Rückstände mit isich. Während dii.e Anstal­ten früher im Durchschnitt 3 bis 4 Monate benötig­ten, um Renten anzuweisen, hat sich die Spanne zwischen Antragstellung und Bes·chedrlerteilung in Auswirkung der Rentenreform v1erdoppelt. Eine ganze Reihe von Gründen ist maßgeblich, um die n:un verlängerte Bearbeitungsdauer, die besonders im Bayerischen Senat kritisiert wurde, veristehen zu können, um gleichzeit1g aber auch Maßnahmen zu treffen, wi'eder zu einer kürzeren Rentenberech­nungszeit zu. ;gelangen. Die Grünlde, <die zu· einer Verzögerung führen, sind ·im wesentlichen foligende:

1. ist durch die Rentenreform der Kreis der ren­tenberechtigten Personen Wes'entlich erweitert worlden, die Zahl der Anträge hat sich ver­mehrt;

2. sind neue Rentenarten hinzugekommen, wo­durch ebenfalls die Zahl der Rent,enanträge gie­stiegen 1st;

3. bei ·etwa 70 Prozent aller eingereichten Neuan­träg1e fehlen noch wichti:g,e Unterlagen über Krankheitszeit, Wehrldienst, Arbeitslo'S.i'gkeit, die für ·die Dauer der anvechnungsfähl!gen Ver­·sicherurrgszeit eine RoUe spielen;

4. föe Berechnung der Renten nach der neuen Rentenformel ist zeitra'llbeln'd; sie beansprucht trotz weitgehender Benutzun•g modernster Bü-· ro- uirrd Rech•enmaischinen etwa dreimal soviel Z•e'it wie eine Rentenberechnung nach altem Recht. Hierzu kommt, daß in jedem Falle Ver­gleichsber,echnun!gen nach altem Recht durch­zuführen sind, weil in der 5jährigen Ü-ber­ganigszeit unter bestimmten Vol"aussetzungen :d!ie etwaige günstigere 1alte Rente zu zahlen ist;

5. die Unterscheidung zwischen Berufsuruähigkeit und Erwerbsunfähiigkeit ver1an'gt gründlichere Begutachtung, manchmal sogar leider durch mehrere Ärzte;

6. bei 'einem Großteil der Rentenberechtigtenhan­delt es siich um Wanderversicherte, di:e teils Beiträge zur Avbeiterrentenversiich!erung, zur knappschaftlichen Rentenv•ersich'erung 'Un!d zrur Angestelltenversicherung entrichtet haben. In 1solchen Fällen ilst ldie Mitwirkung aller drei Versicherungsträger erforld!er lieh;

7. zwei bayerische La:n.desversicherungsan'Stalten haben ZIU all dem auch noch jeweü-s für das ganze Bundesgebiet die Renten aus den Staats­verträ!gen mit Österveich und Italien zu. ge­währen.

Schließlich kommt noch hinzu, daß der Ge­schäftsgang der Anstalten durch vermehrte Anfraig.en der Antragsteller stärker be1'astet ist als früher.

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Bayerischer La:nfüag - 135. Si:tzung. Mittwoch, den 11. Juni 1958 4657

(Staatsminister Stain)

Die Versicherungsträger sind nun bes:trebt, auf G:rund der bisherigen Erfahrnngen zur v;ereinfa­chung der Arbeitsvorgänge zu kommen und durch Rationaltis~ernngsmaßnahmen die Bearbeitruingsdaru­er a·bzukürzen. E:s· ist jetdoch ·erfreulich zu hören, daß eine bayerische Landesversicherungsanstalt re­lativ, gemessen mit den übdgen Anstalten im Bun­desig.ebiet, die geringsten Rück!stände hat.

Ein beson'deres Problem, das bei der Rentenneu­berechnu:ng zunächst ausgieklammert wurde, ilst die Anpassrung der Renten, •auf d'ie •das Fremdrenten­und Auslandsrentengesetz voin 7. Augiust 1953 ·am.­zuweniden ist. Es bes,teht 1der Plan, Anspruchsbe­rechtigte au:s dem Kreise der Heimatvertr.iebenen in dais' Rentensystem nach deutschem Recht einzu­gliedern.

Eine noch schwebende Frage ist die Neuregelung der Altersversorgung des Deutschen Handwerks. Welcher Weig schließlich gegangen werden wird, um die vielseitii'gen Wünsche der Beteili!gten in Überein­stimmung zu •bringen, ist ·zur Zeit noch völl:ig offen. Zru:r Debatte steht die HeralU'Slösung der Hal!l!dwer­kerversicherung auis der Angestelltenversicherung und ihre Eingliederung in die Arbeiterrentenver­sicherung, ebenso wie roe von den bayerrschen Be­rufsverbänden übr1gens abgelehnte berufssfänJdische Alterssicherung der Handwerksmeister durch eirre erst zu schaffende Sondereinrichtung.

Da der GesetZ!geber auf die Durchführunig von Heilverfahren ·bei !den Vemicherten besonderen Wert 1egte, smd dile Lan;de·sversicherungsainstalten Bay­erns dabei, z,usätzl!i.ch :m den schon bestehenden anstaltseigenen Heii1stätten neue spezielle Heilstät­ten zu errichten. Es handelt sich •besonders um1die Behandlung von Kra!D'kheiten, die in den letzten J·ahren in besonders 1erschreckendem Maße ruge­nommen ha:ben, wi:e z. B. ·Erkrankungen <les Her­zens, des Blutkreislaufes 'Ull!d ähinliche.

Das Gesetz zur Neuregelung der sozialen Unfall­versicherung, das dem 2. Deutschen Bunde~tag be­reits vorlag, konnte vor der Neuwaihl nicht mehr verabschiedet wer.dien. Dafür wurde id!a'S Gesetz zlllr vorläufigen Neuregelung von Geldleistungen in der g.esetzlichen. Unfallversichernmg beschlossen. Die nach tatsächlichen Jah11esarbeitsverdienisven· berech­neten Leistungen wurden in der Weise umgestellt, daß der J·ahresarbeitsverdierrst, der der Lei·stung zu­grunde liegt, mit :einem Umstellungsfaktor verviel­fäl fügt wird, der sich nach dem Unfalljahr richtet. Dieser UmsteUun•gs:faktor bewegt isich von 3,2 für Unfälle vor dem 1. Juli 1914 bis 1,1 für Unfälle aus den Jahren 1953 -bis 1954. :B1erner wurden da:s Pflege-

. g,e]d der Unfallversicherung und die Witwenrenten für die Witwen erhöht, die da:s 45., a·ber noch nicht das 60. Lebensjahr vollendet hahen.

Die Bundesregierung überarbeitet gegenwärtig die •ganze Reform der Unfallversicherung nochmals. Die wichti1gsten soziaren Anliegen, :die in dies1er Re­form 1berücksicht1gt werden sollen, sind: eine Er­weite!'llIDg des Kreises der gegen Unfall versoicherten Pensonen um ldie in Erfüllung öffentlich-rechtlicheT Auf1gaben ·ehrenamtlich tätig,en Personen und um dfo zur Beweiserh'ebung herangezogenen Zeurgen,

die Verbesserung des KrankengeMe1s, des 'Dagegel­des, des 1Sterbeige1des, der Waisenrente für Vollwai­s1en, der Witwenrente, der Abfindungen für Unfall­renten sorw'ie die Ei'l1:6üihrung einer Witwenrente für die geschiedene Ehefrau, einer Waisenbeih:il:fie und einer .A!bfindiung für Witwenrenten unter den gleichen Vorau'Ssetzungen wie bei den Abfindungen für Ver letztenrenrenten.

Um 'der Situation der Krankenversicherung Rech­nung zu tragen, soll die Verteilung der Lasten a'UIS Arbeitsunfällen auf die Träger der UnfaUversd.che­rnmg und ddoe. Träger der Kran~enversicherung neu geregelt weriden.

Das Knappschaftsrentenversicherungs - Neurege­lungsgesetz - ein schrecklich l!a111ger Name übri­gens - vom 21. Mai 1957 hat die Eigenständigkeit der knappschaftlichen RentenversicheTUng gewähr­lefatet und die soz'Jiale Sicherheit des Bergmannes erhöht. Im übrigen lehnt sich die Reform der knappischaftlichen Rentenversicherung weitgehend an d~e Reform der Rentenversicherun1g .der Arbeiter und der Rentenversicherung der An1gestellten an.

Das Gesetz zur Änderung und E!'lgänzung von V:orschriften der Kindergeldgesetze vom 27. 7. 1957 hat dli.e Leistungs-, Beitrags- unld V:erfahTens:vor­schriften des Kindergeldgesetzes, des Kindergeldan­passun1gsiges1etzes. und ldes KindergeJJde!'lgänzungsc. gesetzes ·geändert. Wesentlich is.t die ErhöhUillg dies KinldergeMes von 25 auf 30 DM monatlich ab 1. Oktober 1957. Uneheliche Kinder und Stiefkin­der wu:riden den ·eheliichen Kin!dern gleichgestellt.

Am 1. Oktober 1957 ilst das Gesetz über eine Al­tershilfe für Landwirte vom 27. Juli 1957 in Kraft getreten. Die selbständigen hauptberuflichen Lanld.­wirte sind da!durch nach den Handwerkern · zum zweiten großen Berufsstand gewonden, dem eine gesetzliche Altersh'ilfe zuteil wir'd. Es, han!d:elt ·sä.eh ·hierbei j.edoch nicht um eine Vollverso11grung. Die Leistungen der AlteTshilfe bedeuten vielmelhr einen ZUJS1chruß; bei der Bemesoong dieser Leistungen ist .der Ges!etZ'geb'er davon ausgegan:gen, 1daß auch tl.n Zukunft die Übergabeverträge zwischen idem Hof­übernehmer und dem Hofübergeber eiin Recht auf Wohnung und Verpflegung gewähren.

E'ine der wichtigsten Angelegenheiten der Sozial­reform befinJdet sich noch im Sta:dium der Vorver­ha'n!cThungen, ich meine die Reform der Kranken­versicherung. Der breiten Öffentlichk!eit wurde die­ses Problem ins-besondere 1in den ersten Monaten dieses Jahreis1 sichtbar, als es zu den hekannten Ausei'l1aniders<etzru:ngen zwischen den Ärzten un:d tden Kranke'Ilkassen kam. Die Ärzte, durch eine lang anhaltende Grippewelle •sehr stark betanspr:ucht, maichten im. verschiedenen Vo!'stößen, die schon Mrussrenprotesten gleichkamen, An1srt!'engungen, um zu einer Verbesserung der Leistungen ·seitens der Krankenkirus•sen zu kommen. Die Ärzte spürten ge­rade währ·end des V:edaufs der Grippewelle rdiie Folgen eines.Vertraiges über pauschaHerte Leilsitun­gen ganz besonJders.

Ebenso w±e bei den Ärzten machte sich jedoch die Grippeeptdemie aiuch bei den Krankenkassen be­merkbar, wozu noch die Auswirkungen. des am 1. Jrulii 1957 d.n Kraft getretenen Gesetzes zur Ver­besserung der wirtschaftlichen Sicherung d·er Arbei-

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(Staatsminister Stain)

ter im Krankheitsfälle vom 26. Juni 1957, des. sogennanten Lohnfortzahlungsgesetzes, kamen. Die finanziellen Mehrbelastungen infolge dieses Geset­zes waren kaum durch fühlbare Beitragserhöhun­gen aufgefangen, als anläßlich der Grippewelle eine noch nie beobachtete Erhöhung des Kr:ankenstan­des - teilweise bis nahezu 19 Prozent der Mitglie­der - eintrat. Eine nur annähernd sichere Beob-

. achtung der finanziellen Auswirkungen des Lohn­fortzahlungsgesetzes •auf die Finanzlage •der Kran­kenversicherungsträger wurde dadurch verhindert. Um die finanzielle Mehrbelastung .der Kranken­kassen herauszustellen, muß darauf hingewiesen werden, daß die Ausgaben an Haws>- und Kran­kengeld allein bei den bayerischen Krankenkassen im Oktober 1957 um 253 Prozent höher lagen als im gleichen Monat des Vorjahres.

Allein diese Gegenüberstellung charakterisiert nicht nur die Notwendigkeit, sondern auch die Wich­tigkeit der Reform der •sozialen Krankenvers.iche­rung. Ein fast nicht zu vereinbarender Katalog von Wünschen und Erfordernis.s·en muß dabei .ge­setzestechnisch und auch kapitaldeckungsmäßig ver­arbeitet werden. Es ist eines modernen Staates un­würdig, wenn die einer Krankenvers1icherung ange-· hörenden Beitragszahler nach einer .gewissen Krank­heitsdauer ausge1steuert und nach Maßstäben der allgemeinen Fürsorge weiterbehandelt we'l'.'den.

(Sehr richtig!) Auch die Behandlung des Kassenpatienten muß so lange durchgeführt werden, bis sich entweder :seine dauernde Invalidität herausstellt oider er wieder voll einsatzfähig ist. Zweifellos werden auf diesem Ge­biete die einschlägigen Regelungen übeT diePräven­tion und Rehabilitation in den Rentenneuregelungs­gesetzen einige Erleichterungen ermöglichen. Es muß aber auch gewährleistet sein, daß die Kassen arbeitsfähig bleiben und nicht jede Epidemie si:e an den. Rand des wirtschaftlichen Zusammenbruchs bringt. Daß die Ärzte als die Helfer der Menschheit ihrer Ausbildung und ihrem Können entsprechend bezahlt werden müssen, 1scheint gerade in einer Zeit sehr notwendig zu .sein, da es kaum noch Ärzte mit genügend Nichtkassenpatienten gibt. Bei den Bera­tungen zur Reform der sozdalen Krankenversiche­rung wird deshalb unser Ministerium bemüht sein, geeignete Wege zu finden, die uns einer allgemein zufriederus;tellenden Lösung näher bringen.

Die bayerische Gewerbeaufsicht wurde in den letzten Jahren erheblich ·ausgebaut. Auch in die­sem Haushaltsplan ist - wie bereits erwähnt -wiederum eine Stellenmehrung vorgesehen, womit der Personalstand auf insgesamt 168 Aufsichts­beamte ansteigen wird. Im Jahre 1954 waren bei den Gewerbeaufsichtsämtern 94 Aufsichtsbeamte tätig, so daß im Durchschnitt ein Aufsichtsbeamter 1930 Betriebe zu betreuen hatte. Unter Berücksich­tigung der Personalverstärkung in diesem Jahre entfallen nunmehr im Durchschnitt 1065 Betriebe auf einen Aufsichtsbeamten. Damit ist zwar der Bundesdurchschnitt des Jahl'e.S 1956 erreicht, 1doch gehen die Bestrebungen der übrigen Länder schon seit längerem dahin, daß ein Gewerbeaufsichtsbe­amter 800 Betriebe zu betreuen hat. Es wird daher

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nicht zu umgehen sein, auch in den folgenden Rech­nungsjahren noch weitere Stellen für die Gewerbe­aufsicht anzufordern.

Am deutlichsten kommt die Bedeutung •des von der Gewerbeaufsicht überwacchten Arbeitsschutzes zum Ausdruck, wenn man sich die Zahl der Un­fäUe, die den Gewerbeaufäichtsämtern jährlich ge­me1det werden, vor Augen hält. Die fortschreitende Entwicklung der Technik und die in den vergange­nen Jahren erreichte .allgemeine Besserung de·r wirtschaftlichen Verhältnis•s'e haben es noch nicht vermocht, die Gefahr der Unfälle einzus1chränken. Während im Jahre 1954 etwa 75 000 Unfallan:zieigen bei den Gewerbeaufsichtsämtern eingegangen sind, ist in den Jahren 1956 und 1957 die Zahl 100 000 überschritten worden. Glücklicherweise zeigte •sich in den Zahlen der tödlichen Betriebsunfälle •s1chon ein Rückgang, der auch dem Wirken der Gewerbe­aufsicht zu verdanken 1sein mag. Die Zahl der töd­l!ichen Betriebsunfälle ist von 243 im Jahre 1955 auf 179 im Ja.hre 1957 abgesunken.

So sehr ich dem Hohen Hause für die Bewilligung von Personalverstärkungen in den letzten Jahren dankbar bin, dürfen w:ir uns 'in Bayern trotzdem nicht mit dem Erreichten begnügen. Die Erweite­rung ·des Aufgabenbereichs der Gewerbeaufsicht in den. letzten Jahren und in nächster Zukunft -ich erinnere nur an den Strahle:nschute: sowie an die Land- und Hauswirtschaft, die im neuen Ju­gendarbeitsschutzgesetz miteingeschlossen we·rden soll - wird zwangsläufig •einen weiteren Ausbau der Gewerbeaufsichtsämter notwendig machen.

Eine wesentliche Aufgabe der letzten Jahre auf dem Gebi:ete des Arbeits·schutzes war der Abbau der Frauennachtarbeit. Die Kriegsschäden und die schwierigen Nachkriegsverhältnisse haben in Bay­ern dazu gezwungen, in gewissem Umfange Frauen­nachtarbeit im Dreischichtbetrieb zuzulassen. Ich , kann jedoch heute mit Genugtuung feststellen, daß nach langen Bemühungen nun auch in den letzten Betrieben diese Frauennachtarbeit völlig eingestellt wurde.

Ein Problem, mit dem mein Minils<terri.um im ver­gangenen Jahr ganz besonders beschäft[gt war, ist die Durchführung des.Ladenschlußgesetzes. In Zu­sammenarbeit mit dem Wirtschaftsministerium, das für die Regelung des sonntäglichen La,denschlusses zuständig ist, wurden die notwendigen Durchfüh­rungs- und Zustä:ndigkeitsverordnungen erlassen. So ist vor allem die Regelung in den Grenzorten sowie in den Wallfahrts-, Kur- und Erholungsorten getroffen worden. Es war nicht immer leicht, die Bestrebungen nach Ausweitung der Ausnahmen und nach Auflösung der durch das Gesetz klar ge­gebenen Grenzen einzudämmen. Einige Härten in der Durchführung des ambulanten Handels muß­ten bis zu ihrer g·esetzlichen Regelung im Wege der Auslegung behoben werden.

(Abg. Dr. Zdralek: Romantische Straße!)

- Meinen Sie die Sonntagsregelung oder den .am~ bulanten Handel?

(Abg. Dr. Zdralek: Nördlingen, F'eucht­wangen usw.!)

- Wenn wir mit Nördlingen, Feuchtwangen und Dinkelsbühl ·anfangen, Herr Kollege Dr. Zdralek,

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Bayedsche1r La:ndt:ag - 135. Sitzung. Mittwoch, den 11. Juni 1958 4659

(Staatsminister Stain)

sehe ich ,einen Anfang, aber kein Ende mehr in den Ausnahmen. Dann hat das ganze LadeDJschluß'gesetz keine Bedeutung mehr.

(Zuruf von der SPD: Aber ohne Zweigleisig­keit wäre es besser!)

- Wir können nicht alles gut machen, was. das Bundesgesetz darüber verfügt hat.

Nun, meine Damen und Herren, rein Kapitel wei­ter zum gewerbeärztlichen Dienst! Der rgewerbeM ärztliche Dienst des Landesinstituts für Arbeits­medizin wurde ausigebaut. Während im Jahre 1953 nur drei Gewerbeärzte ihren Dienst in Bayern ver­sahen, sind nunmehr acht Gewerbeärzte tätig. Im Zuge der Dezentral<isforung der Verwaltung wurde im obedränkischen Raum mit s'einer vielfältigen Industrie am 1. März dieses Jahres eine neue Zweigstelle deisr Lanidesrinstituts d.n Bayreuth errich­tet.

Schon im vergangenen Jahre kündigte rich an, daß das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und soziale Fürsorge ·es als eine seiner modernsten Auf­gaben betrachtet, die Anwendung der Atomenergie und der radioaktiven Isotopen in der Industrie entsprechend zu überwachen. Inzwischen 'Sri.nd s1ämt­lich·e Betriebe, die mit Röntgenanlagen oder radio­aktiven Strahlen arbeiten, techni!sch und ärztlich überprüft worden. Während die Beamten der GeM werbeaufsichtsämter, mit einfachen Geiger-Zählern ausig·estattet, die Betriebsprüfung·en vo·rnehmen und vor allem darauf achten, daß die in der Strahlen­schutzverordnung des vorigen Jahres vorgesehenen Sicherheitsvorschriften eingehalten werden, ist ein neu geschaffener Strahlenmeßwagen als Werkzeug einer aus besonders ausgebildeten Fachleuten zu­sammengersetzten Meßgruppe bei der Gewerbeauf­sichtdes Ministeriums-dazu bestimmt, Schwerpunkt­messung.en vorzunehmen. Wir haben gerade auf diesem Gebiete in Bayern Wege ·beschritten, die von anderen Ländern sicherlich übernommen werden. Jedenfalls. glaube ich, daß unser Land auf dem Ge­biete des Strahlenschutzes, was AusbiLdung des Personals. - ich darf erwähnen, einige Beamte ha­ben die sorgenannte Isotopenschu:le in Harwell bei London besucht - und Ausrüstung betrifft, an vorderster Stelle d.n der Bundesrepublik steht.

Das Personal 'des Landesinstituts für Arbeits­schutz wird in Zukunft nicht unwesentlich an all den eben aufgezeigten neuen Aufgaben beteiligt sein. Es ist mir sehr angenehm, dem Hohen Hause nun mitteilen zu können, daß der bereits1 eingangs erwähnte Neubau an der Pfarrstraße nunmehr auch finanziell gesichert ist und daß wir damit das Landesinstitut für Arbeitsrschutz in München er­weitern können. Hierdurch kann dieses Institut mit dem Landesinstitut für Arbeitsmedizin und mit den Gewerbeaufsichtsämtern Münchens zusammenge­legt und mit der gemeinsamen Unterbringung die­ser Behörden ein. Haus des Arbeitsschutzes geschaf­fen werden.

Ähnlich wie die Kriegsopferversorgung leidet die Lastenausgleichsverwaltung unter einer· Gesetzge­bung, die 1s1ich fast dauernd in Bewegung befindet. Zum Lastenausgleichsgesetz des J·ahres 1952 wur-

den inzwischen 8 Novellen und 52 Durchführungs'­verordnungen verabsch!i:e'det; dazu kommen noch 1548 Weisungen, Durchführungsbestimmungen und Anordnungen des Bundesausgleichsamts<. Insbeson­dere verursachten die Bestimmungen, die das 8. Änderungsgesetz mit ·sich brachte, bedeutende Mehrarbeit. Auch das Anlaufen der Schadensfest­stellung dürfte zu einer Aufgabenmehrung füh­ren, die sich beson'.ders bei den Ausgleichsämtern der Städte und Landkreise auswirkt.

Der Zugang an Feststellungsanträgen während des Rechnungsjahres 1957/58 betrug 34 794, die Zahl der bd.sher eingereichten Anträge beträgt 894 932. Davon wurden im abgelaufenen Jahr 'ins­gesamt 114 884 Anträg•e erledigt; der Bearbeitungs­stand ist damit von 18,2 auf 29,2 Prozent gestiegen. Zwar liegen wir in Bayern ·aus den schon im Vor­jahr erwähnten Gründen mit 'dieser Zahl noch hin­ter dem Bun!desdurchschrritt, doch 'ist festzustellen, daß sich :in der Erteilung positiver Bescheide un­sere Ausgleichsverwaltung fast an der Spitze in­nerhalb der einzelnen Länder befindet.

Mit dem 8. Änderungsgesetz zum Lastenaus­gleichsgesetz hat die Entschädigungsphase begon­nen, wenn'gleich bis jetzt noch verhältillirsmäßig we­nig Mittel für die Hauptentschädigung zur Ver.fü­gung stehen. Für die Aus'zahlung von Hauptent­schädigungen sind derzeit folgende Lebenstatbe­stände bzw. Voraussetzungen maßgebend: Hohes Alter, in der Ausbildung befindliche Kinder, beson­dere soziale Notstände und das Vorhaben. eigen­tumsbilden:d.er Maßnahmen, wobei in erster Linie an den Wohnungsbau gedacht wird.

Im vorläufi!gen Wirtschafts- und FinanzpLan des Bundesauisgle:ichsamtes für das Rechnungsjahr 1958 stehen für :das Bundesgebiet 3,68 Milliarden DM zur Verfügung. Die beachtliche wirtschaftliche Be­deutung der Leistungen des Ausgleichsfonds für Bayern geht aius einer Anlage, die ·dem Hohen Hause vorliegt, hervor. Danach wurden 'im Rech­nungsjahr 1957 in Bayern 608,4 Millionen DM aus­gezahlt. Wenn man berücksichtigt, daß .dieser Aus­gabesumme e,in Gesamtaufkommen ran Lastenaus­gleichsabgaben einschließlich des Zuschußanteiles des Landes Bayern nach § 6 Absatz 4 LAG von 337,6 Millionen DM gegenübersteht, so folgt dar­aus, 1daß in unser Land 'im Rahmen .des Lasten­ausgle1chs. 210,7 Millionen DM mehr ·eingeflossen sind, die nd.cht unbeachtlich. zur Stärkung unserer Wirtschaft beitrugen.

Neben der Hauptentschädigung wird, 1so hoffe ich, auch in Zukunft die größte Bedeutung des Lasten­ausgleichs für unser Land auf dem Sektor der wirtschaftlichen Wiedereingliederung und des Woh­nungsbaues hlegen. Die gewerbliche Wirtschaft der Geschädigten ist noch lange nicht soweit, daß man mit der Bewilligung billiger öffentlicher Kredite kürzer treten könnte. Der Eigenkapitalanteil, vor allem in den Betrieben der Heimatvertriebenen, ist im Durchschnitt noch nicht über 20 Prozent hinaus­gewachsen, so daß man nach wie vor von einer ge­wissen Krisenanfälligkeit sprechen kann. Erfreu­lich sind die Auswirkungen der Leistungen des La,stenausgleichs für den Wohnungsbau. Im abge­lau:ßenen Jahr wurden 90 Millionen DM ahs Auf-

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(Staatsminister Stain)

bauda;rlehen für den Wohnungisibau aiuisgereicht. Damit silnd ·seit d:em Inkrafttreten des. Gesetzes für Zwecke des Wohnungsb<l!ues ins'gesam.t 456 Millio­nen DM in \F'orm von Aufbaudarlehen .aus.gegeben wor:den, dfe eine n·acliranigige Finanzierung von rumid 120 000 Wohn'llilgen ermöglichten.

Neben der Erh~digung .dier bisher kurz 1skizzier­ten Auf.g~aben betreut unsere AuiSigleichsverwal­tung auch d1e ·ehemaligen Krie!gisgefan1genen nach Abschnitt II des Kriegsgefangenenentschädigungs­gesetzes. Bis zum 28. Februar 1958 wurden von den 1641 Anträgen auf Gewährung eines Aufbau­dadehens für d~e ge:-,vierbJiiche Wirtschaft und die freien Berufe 857 Darlehen mit einem Ge!samthe­triag von 8,6 Millionen DM hewillilgt. Von den 1891 Anträgen ·auf Gewährun'g eines Aufbaudarlehens für dte llandwirtschaft konnten 1185 Fälle mit einem Ge1samt'betrag von 11,1 Millionen DM positiv entschlieden werden. Die AufwenJdllltigen an Au1f­baudarlehen für den Wohnungsbau für diesen Kreis erreichen eine Summe von 10,2 Millionen DM.

Durch § 2 der v;eroJ.1dnung über 1die Zuständigkeit Z.Ur Gewährung von Leistung·en nach § 9 a des Hälftlingshilfegesetzies vom 20. 8. 1957 wurde im Lamde Bayern den Auis1gleichsbehö11den die Ent­scheidung über Anträge auf Leistungen nach dem Häftlingshilfegesetz~ die· in entsprechen!der Anwen- · durrg des Abschnittes. II des Kriegsgefiangenen­entschädigungsgeset:zies zu gewähren sind, übertria­gen. 'Die Anzahl der auf diesem Geb~ete ·zur Be­arbeitung anfallenden Anträge J:st nicht allzu groß.

Weitere Arbeit hat der Vollzug des Vierten Tei­les des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes vom 5. No.viember 1957 zur Fol'ge, Nach der Härterege­lUJ:lJg können Unterhaltsbeihilfen, Ausbildungsbei­hilfen, Ha1usriatsbeihiilfen und Darlehen zum Exi­stenzaufbau .gewahrt weriden. ·

Die Vielfalt der Aufgaben, die den bayerischen Ausgleichsbehörden gestellt sind, läßt erkennen, daß ·es sich 1auch heute noch u:tn eine überlastete Verwaltung han:delt. Dazu kommt, daß im Zug·e der Verwaltungis.vereinfachung .schon 1seit Jahren

.Flüchtlingsämter mit .Aiusgleichsämtern in den Kreisen .zusammengelegt we11den. Zwar läßt sich in diesen zuisia:tnmengefaßtenÄmtern 1in der Reg.el man­che Eingliederungsaktion leichter bewerksteil.liigen als in der Ver.g.angenheit, doch darf man nicht verkennen, daß es auf dem Sektor !der Vertriebe­nen- und Flüchtlingseingliederung noch eine ganze Reihe von Aufgaben gibt, die man nicht ohne wei­teres mit den Maßstäben des Las.tenausgleichs und der hierfür zuständigen Verwaltung messen kaillO.

So brachte die dur·ch Bundesratsbeschluß ver­fügte Erhöhimg des Aufnahmeschlüssels für Sowjet­zonenflüchtlinge beträchtliche Mehrarbeit. Schon bei den vorjährigen Verhandlungen, 1die den baye­r·ischen Anteil von 3,7 auf 6,5 Prozent her1aufäetz­ten, zeigte es sich, daß die bisherigen Hauptauf­nahmeil.änder Nordrhein-Westfalen und Balden­Württemherg mit aller Kraft versuchen würden, ihven Quotenanteil ab 1. Januar 195'8 weiterhin ru verringern. Die Verhandlungen über den neuen Schlüssel wurden durch das Bunidesvertriebenen-

ministerium eingeleitet. Man einilgte isich dahin­gehend, !daß unter Berücksichtigung von neuen vemcl:iliedenartigen Gesichtspunkten wie Bevölke­rungszuwachs, Länderanteil an Vertriebenen und Zugewanderten, Zahl der Beschäftigten,. der Ar­beitslosen, der öffentlichen Fü!"sorgeempfänger, der Kriegsschadenrentner und Beihilfeempfärug1er, Woh­nungsfehlbedarf, Steuerkraftmeßzahlen und Sozial­produkt, ein möglichst objektiver Maßstab für die Beurteilung der Aufnahmelrnpazität :der einzelnen Länder zu ermitteiln ::ist. Der für Bayern auf dies1e We1ise errechnete· Hunderts·atz erg,ab einen Anteil von 14,8 Prozent. Dur·ch das Entgegenkommen des. Saarlan'<les 1und Berlins gelang es dann, diesen Quotenanteil auf 12,9 Prozent zu mindern. In Zah­len ·ausgedruckt bedeutet d1es nach den Erfah­rungssät:Gen des Jahres 1957 und 1des ersten Quar­ta1s 1958 eine Aufnahme von etwa 35 000 Sowjet­zonenflüchtlingen und Spätaussiedlern im Jahre 1958.

Diese 1starke Erhöhung der Quote der aufzuneh­menden Sowjetzonenflüchtlinge und Spätau:ssiedler erforderte einschnetdende Maßnahmen. Zunächist müssen alle durch das „Wohnungsbauprogramm ru•r Lagerauflösung" freiwerdenden Baracken in den alten Vertriebenenl1a:gern nach Instandsetzung erneut für die Unteribringung ·dieses Zustroms in Anspruch genommen we11den. Das Landesdurch­gang:slager Hammelburg koninte durch Ein·beziehung eineSJ benachbarten Lagers - Oberelshach ist es ___,. v·erigrößert wer1dien; g1letchzefög wurden neue Lager in Fe'Stbauten eingerichtet. Die Verdoppelung der AufnJahmequote triaf Bayern besonders. hart, weil diJe biisherigen Unterbringungsmögl:ichk:eiten in einer Reihe von g1Uten Kasernen mit großem Fassungs­vermögen nicht mehr zur Verfügun:g stehen, dia dies•e Objekte von der Bundeswehr beansprucht werden.

Da der Bunid für die ·aurzunehmen!den Sowjet­zonenflüchtlinge und Spätaussiiedler besondere Woh­nungsbaumittel gibt, ist, obzwar da!diurch wieder­um bayerische Mittel .gebunden werden, mit e·iner ger·egelten Unterbringung 1det jeweils einströmen­den Men·schen binnen Jahre:sfrist zu rechnen. Schwierigkeiten bi:?reitet lediglich das Übergangis­staid'ium, d. 'h. dte Zeit, .in der eine Zw1scheniunter­brinigung notwendig wirid. Nach unseren Erfahrun­gen mit Flüchtlingslagern sind wir n1ach wie vor der Meinung, daß es· auch nicht zweckmäßig ist, neue Barackenlager zur Zwischenunterbringung zu hauen und .d1aß wir alles versuchen müssen, den Engpaß 'in •der Unterbrmgung zu ü:berwill'den, der im ersten Jahre· nach der Quotenerhöhung zwangs­läufig eintreten muß. Ich habe daher die eristen nach der Quotenerhöhung zur V:erfügunig istehen­den Wohruu:ngsbaumittel für den Bau von Ober­gangswohnheimen vo~gesehen. Es h'andelt sich da­bei um normale Wohnungen, die mit 2 Pamilien be­legt werlden und somit einen Ersatz für Zwilschen­unterbringungsrager darsteHen. Die Oberiste Bau­behöride hat für solche Über.gangswohnheime, die sich übrigens. in. anderen Ländern schon bewährt haben, einen Mwsterplan a:usigearbeitet. Danach i:St jeder Raum vom Flur aus unmittelbar zugänglich und heizbar, außerdem verfügt jede Familie über eine getrennte Küche und Waschge'l.egenheit. Als

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Bayerische:r La:n1c11Jag - 135. Sitzung. Mittwoch, den 11. Juni 1958 4661 -~~~~~~~~~~~ -~~~~~~~~~~~~~

(Staatsminister Stain)

zweite Küche ,dlient der Baideraum; der Alusdiall des Bades wird durch ·eine gemeirnsame Badeeinrich­tung oder Duschanla!ge während der Dauer der Benützung des Hauses als Übergangswohnheim er­setzt. Vorerst werden 762 Wohneinheiten ·rur Ver­wenidung arls Zwirsch·enunterbr:in:gungswohnungen gebaut; das errgJ.bt zwischen 5000 bi:s 6000 Plätze für dieisen Zweck.

Trotzdem werden wir bis zum En:de .dlieses J.ah­res noch mit Schwierigkeiten bei der Unterbr.ingun:g zu rechnen haben. Da im eristen Vierteljahr 1958 bereits 8200 Personen 1aufgenommen wunden, muß mit der schon vorher genannten :Oahl von 35 000 Personen gerechnet werden. ErfahrurnJgrsgemäß wer­den etwa dioe Hälfte .der neu angekommenen Men­sch,en, vor a11em Späta'U!Ssiedler, von Famil!ienange­hörigen aufgenommen. Die andere Hälfte muß je­doch eine Zw.i:schenunterbringnmg beanspruchen, so daß wir e.twa mit 17 000 bilS 18 000 Lagerplätzen rechnen müssen.' ·Seit Jahresbeginn konnten wir in alten Lagern bereits 7700 Lag·erplätze •schaffien; wenn man dazu die etwa 6000 Plätze dn den Über­giangswohnheii.men rechnet, die finanziert bzw. 'im Bau sind, :die aber erst :im Herbst fert1g werden, kommen wir a:uf ungefähr 13 700 Plätze, so daß uns dann noch ungefähr 4000 Plätze :liehlen. In der Zwi!Schenzeit befinden sich aus dem 9. Bauprogramm für Sowjetzonenfl.üchtl:inge iund aus Überhängen·der vor:hergehentden Programme 2600 Wohnungen im Bau. Ich hlabe alles vel'la:nlaßt, um weni:gs.tens 2/s dieser Wohnungen - ich werde jetzt froh sein, wenn ich 50 PrO'zent bekomme - mit Personen aus den Lagern bel:eigen ·zu können, was eine Ent­lastung um rund 4000 bis 6000 Plätze zur Folge hätte. Aus der Lagerräumung und den sonst ein­geleiteten Maßna1hmen :sind in den nächsten Mona­ten - ich rechne ·etwa im nächisten 'halben Jahr -mindestens 1000 1Ja1ge·rplätze zus·ätzlicl:i. zu erwar­ten, ·so daß wir dann der notwendigen Lösung noch etwas' näherkommen.

Meine Damen und Herren! Es: ist notwendig, dieses Problem so ·eingehend zu beh!an:deln, we'il ich täglich feststellen muß, daß sich da und dort die Presse in zunehmendem Maße mit dieser Frage be­~aßt. Und an einer Stelle - wer wäre berufener da­zu als das Hohe Haus, dem die Mittelbewilli­gun:g obliegt - muß schließlich daziu Stellung ge­nommen werden.

Die Situation die durch die erhöhte Aufnahme­quote für Sowj~tzonenfl.üchtlinge und Spätaussied­ler entstand .darf nicht dazu verführen, in Verall­gemeinerungen von einem Notstand zu 'sprechen. Gemessen an dien Problemen, die durch das Ein­strömen der Vertriebenen und Flüchtlinge in den Jahren 1945 unld 1946 entstanden 1sind, handelt es sich doch um ·eine rein zahlenmäßig verhäJ.tnismä­füg kleine Aufg,a:be. Sie ist aber für !die Verantwort­lichen nur desharb so schwierig zu 'lösen, weil man die Zustände der Nachkriegiszreit nicht gern wieder erleben möchte. So muß ich an ·dieser .Stelle nicht nur 1d1as Holre Haus, sondern ,auch die Betroffenen - ich meine die Bewoihner der Lager - se1bst bit­ten, etwas Geduld zu hahen, bis wir mit unse­ren Maßnahmen nachgekommeJ:J. smd. Ich weiß

s•elbst, daß die Unterbri:nglln'g in e1mg·en La1gern nicht gut ist, un:d muß trotzdem !diese Unterbrin­gung voriäuftg vorziiehen, bevor wir bedeuten;de Geldmittel aufweruden, um neue Lager zu bauen. UI11S'er Ziel ti!st es j eden:flalls, so wen1g als möglich Lager zu unterhalten und auf dem schnellsten Wege :dafür zu sorgen, 'daß 'auch die neu herein­kommen'cl,en Menschen ba1d vollwertig in unsere Gesellschlaft eingegliedert sind.

Unter diesem Vorz·eichen stand auch unS'ere gan­ze bisherige Arbeit 1an tden Menschen, die schon seit Kriegsende im Lande Bayern Zuflucht gefunden haben. DaJsi Lager- und Wohnun:gsprnblem, das da­ma:ls entstanden war, konnte seither in mühevoller Arbeit mit Sonderbauprogrammen fast gelöst wer­den. Währen!d am 1. März 1957 noch 74 IJager mit 10 000 Insassen ·besta!llden, hatten wir am 1. April 1958 nur mehr 24 Lager mit 3552 Bewohnern zu verzeichnen. Durch die getroffenen Maßnahmen wurden im a<b'gelaufenen Rechnungsjahr 50 Lager aufgelöst unJd 7500 Menschen in Wohnungen ein­gewiesen. Die Wohnungen zur Auffösung der rest­lichen Lag·er werden bereits g,ebaut; nur einem verhältni!Smäßii:g kleinen Teil der derzeitigen Lager­insaS'sen, 1deren. Bedarf mit einer Neubauwohnung n!icht gedeckt wer:den kann - es sind vor allem be­tagte Leute rund Erwerbsunfähige -, muß mit Heimunterbringung oder Wohn'Un'gstausch geholfen werden.

Zur Auflösung der al11en Vertriebenenlager, die in diesem Jahre abgeschloss·en wird - ich glaube, daß Bayern •da.is erste· Land ist, rdais mit diesem al­ten Problem ferti!g wird -, wurden bisher insge­samt 21 500 Wohnungen in den Sonlderbauprogram­men geför.dert. In den gl:eichen Programmen wur­den für die Bewohne·r voh riichts1Jaatlichen Barak­kenunterkünften 6090 Wohnungen finanziert. Das Wohnungsnotstandsprogramm 1958 der Bayerischen Staatsregierung sieht dafür neuerdings 15 MiHio­nenDM vor, mit denen mindesterns 1875 Wohnungen gebaut werden können. Damit, daß rdie Bayerische S11a:atsregierung nach 1der farst abgeschlossenen Auf­lösung der sta<atlichen Vertriebenenfager nun die­se Mittel für drie Entfernung von Baracken unld Notunterkünften vorgesehen hat, soll zum Aus­druck g.ebracht werden, daß der Staat bereit ist, dte durch Kriegs- und Nachkriegsereigniis'se eingetrete­nen Wohnungsnotstände in den Kommunen mit beh1eben zu !helfen. Es wird jedoch erforderlich sein, daß auch 'die Städte und Gemeinden noch einige An­strengungen unternehmen, wenn wir !die letzten Spuren der Katastrophe von 1945 beseitigen wol­len.

N e'ben der Lagerauflösung war ·es immer schon ein Anliegen der 'bayerischen Vertriebenen- und Flüchtlings:verwaitunig, durch Wohmmgs'sonderbau­programme die in Unordnung g·er.atene Wirtischafts­struktur unseres Landes zu ordnen. Dieser Auf­gabe dienten die Wohnungsbauprogramme für in­nerbayerische Umsiedlung, in deren Verlauf seit 1951 20 650 Wohnungen geba<ut werden konnten. Rechnet man 'dte im Rahmen der La'g·er.auflösung und der innerbayerischen Umsiedluirug gebauten Wohnungen zusrammen, so kommt man auf eine Zahl von fa!St 50 000 Wohnungen, was wiederum bedeutet, daß nahezu 200 000 Men:schen unse11es

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4662 Bayerischer Landtag - 135. Sitzung. Mittwoch, dein 11. Juni '1958

(Staatsminister Stain)

Landes 'durch Son:dermaßnahmen der Bayerischen Staatsregierung umgesetzt wurden, wobei d:er nor­male soziale Wohnungsbau noch gar nicht berück­sichtigt ist.

Ein ungelöstes Problem der Nachkriegszeit ist nach wie vor die Rückführung der Evakuierten. Die Bundesregierung hat sich bisher leider nur mit ·der Rückführung von Land zu Land befaßt, wofür dann auf Kosten der Länder, die wie Bayern in den letzten Jahren kaum noch Evakuierte aus. anderen Ländern beherbergten, Sondermittel für den Woh­nungsbau ausgegeben wurden. Trotzdem konnte, wie ich rschon voriges Jahr berichtete, durch Woh­nungsbaumaßnahmen eine ·erhebliche Anzahl von Evakuierten in ihre Städte zurückkehren. Im Son­derbauprogramm der Bayerischen Staatsregierung zur Beseitigung von Wohnungsnotständen sind nun 25 Millionen DM zur Förderung von Wohnungen vor allem für Evakuierte, Schwerbeschä:cÜgte, kin­derreiche Familien und obdachlos Gewordene vor­.gesehen. Darüber hinaus ist. zu hoffen, daß die Bundesregierung sich bald dazu bekennen wird, die Versorgung aller Evakuierten mit Wohnungen ·als Kriegsfolgemaßnahme anzusehen. Sie erwägt be­reits, Wohnungsbaumittel auch für diesen Perso­nenkreis zur Verfügung zu stellen. Der derzeitige Stand der Verhandlungen berechtigt uns zu der Hoffnung, daß im Laufe der nächsten Jahre auch die Binnenevakuierten zurückgeführt werden kön.: nen.

Wie schon im Zusammenhang mit der aUgemei­nen Jugendförderung ausgeführt, befaßt sich mein Ministerium auch mit der Umschulung und schu­lischen Förderung der Jugendlichen aus der Sowjet­zone und aus den Kreisen der Spätaussiedler. Die besondere Tragik besteht darin, daß vor allem aus den unter polnischer Verwaltung stehenden deut­schen Ostgebieten Kinder und Jugendlich·e kom­men, die die deutsche Sprache überhaupt nicht mehr beherrschen un:d auch sonst erhebliche Bil­dungslücken aufwe>isen. Um sie berufsreif zu ma­chen, werden si:e in einjährigen Förderungslehrgän­gen zusammengefaßt. Zur Zeit gibt es in Bayern 26 Institutionen dieser Art mit rund 600 Ausbil-dungsplätzen. ·

(Abg. Dr. Zdralek: Wer trägt die Kosten?)

- Die Kosten trägt der Bund. (Abg. Dr. Zdralek: Voll?)

- Ja! - Für alleinstehende jugendliche Flüchtlin­ge aus der Sowjetzone gibt es in Bayern 50 offene Jugendgemeinschaftswerke mit rund 2000 Teilneh­mern. Für die Dauer von 6 bis 9 Monaten erhalten die Jugendlichen dort entsprechende Berufsausbil­dungsbeihilfen und Unterkunft, wobei auch ver­sucht wird, ihnen gesellschaftliche Beziehungen zu ihrer neuen Umwelt zu verschaffen. Für Abiturien­ten aus der Sowjetzone, die noch eine Ergänzungs­prüfung ablegen müssen, wurde eine Reihe von Sonderlehrgängen eingerichtet.

Um ·auf rd:ie Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Zdralek zurückzukommen, darf ich eines sagen:

Dadurch, daß sich die Flüchtlingsverwaltung im Bayerischen Staatsmin:isterium für Arbeit und so­zfale Fürsorge befindet - Sie wissen, das wurde seinerzeit etwas kritiJSiert -, haben wir die Mög­lichkeit, die Mittel, die vom Bund für Sonderför­derung:slehrgänge kommen, mit den Mitteln der allgemeinen Jugendförderung unseres Ministeriums zu koppeln, so daß wir also die allgemeine Berufä­förderung mit der Sonderförderung verbinden kön­nen und auf dies'e Weise zu einem doppelten Effekt kommen. Ich darf nur ein Beispiel sagen: Auf der Fraueninsel im Chiemsee wird eine rsolche Förde­rungsmaßnahme der Jugendlichen durchgeführt, die bisher nur für die einheimischen Jugendlichen ge­dacht war und aus Mitteln unserer Jugendförderung getragen wurde. Nun kam die Jugend aus den Ost­gebieten hinzu, für die der Bund Förderungsmittel bereitstellt. Es entstand ein Mehrbedarf auch an Räumlichkeiten. Wir können nun Bundes- und Landesmittel koppeln, so daß wir zu einer noch •stärkeren Förderungsmaßnahme bei den Benedikti­nerinnen •auf der Fraueninsel kommen. Es ist durchaus eine Bewährung der Zusammenarbeit, die hier gefunden wird. ·

Nicht nur aus menschlichen Gründen, sondern auch aUJ.s. der Überlegun:g heraus, daß man aus dem Satellitenbere'ich sehr aufmerksam die Be._ handlung der zu uns Geflohenen nichtdeutscher Na­tionalität genaue1sten:s beobachtet, wurde den in größerer Zahl ·eingeströmten ungarischen Schülern und Studenten die Gelegenheit zur weiteren Aus­bildung geboten. Erst vor kurzer Zeit konnte auf Burg Kastl bei Neumarkt ein ungarisches Real­gymnasium mit Internat eingeweiht werden.

Obzwar Bayern unter den deutschen Bunde•slän­dern das Land mit den meisten heimatlosen Aus­ländern ist, konnte deren Problem weitgehend ge­löst werden. In den drei noch verbliebenen baye­rischen Regierungslagern für heimatlose Ausländer sind 1033 Personen untergebracht. Maßnahmen zur Heimunterbringung oder zur Bereitstellung billi­ger Wohnungen durch Ausbauten sind im Gange. Daneben gehen unsere gegenwärtigen Bemühungen dahin, das Bundessammellager für Ausländer in Nürnberg belegungsmäßig soweit zurückzuführen; daß es dann eines T.a,ges ohne große Schwierigkeiten verlegt werden kann.

(Bravo!)

In den Verhandlungen mit der Bundesregierung spielen derzeit die Frage eines schnelleren Aner­kennungsverfahrens und eine Änderung der Asyl­ordnun:g eine wesentliche Rolle. Da wir aber immer noch von Zeit zu Zeit in der ausländischen Presse kritisiert werden, .wie dies erst vor kurzem in der amerikanischen Zeitschrift „Reader's Digest" ge­schah, 1sehe ich mich zu der Feststellung veranlaßt, daß die Last der nach dem Westen flüchtenden Mit­tel- und Osteuropäer nicht allein von Deutschland getrage~ werden kann

(Sehr richtig)

und daß die Unterbringung dieser Menschen eine Aufgabe der gesamten freien Welt ist.

(Sehr richtig! und Beifall)

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Bayerischer La:ndtag - 135. Sitzung. Mittwoch, den 11. Juni 1958 4663

(Staatsminister Stairi)

Bevor man uns von Amerika aus kritisiert, sollte man dort lieber einmal Überlegungen anstellen, wie die Einwanderungsbestimmungen der Vereinigten Staaten zu ändern wären.

(Sehr richti:g!)

Eis1 ist für uns unerträglich zu wissen, daß man in bestimmten Ländern der freien Welt immer noch der Meinung ist, bei der Aufnahme von Flüchtlin­gen nach gewissen Auswahlprinzipien verfahren zu müssen, während man uns Deutschen zumutet, je­den Ankommenden be1 uns zu beherbergen.

(Sehr richtig!)

Wie in den vergangenen Jahren werden wir auch heuer wieder versuchen, einer größeren Zahl Ber­liner Kinder einen Erholungsaufenthalt iin unserem Lande zu vermitteln. Die Zahl der im Vorjahr un­te!'>gebrachten Kinder ging zwar etwas zurück, doch hoffe ich, daß die „Berlin-Müdigkeit", von der Bür­germeister Brandt vor kurzem •sprach, nicht noch weitere Ausmaße annimmt. Berlin ist nun einmal, das sollten wir uns auch in Bayern ständig vor Augen halten, ein Bestandteil der freien Welt, der auf Grund seiner Insella.ge in ständiger Bedrohung lebt. Die Bereitschaft, Berlin zu helfen, wird man im Osten immer als einen Maßstab werten, inwie­weit wir ·gewillt 1sind, unsere eigene Freiheit zu ·er­halten.

(Beifall)

Sie haben, meine Damen und Herren, aus mei­nen Ausführungen entnehmen können, daß die Aufgabenstellung im Bereiche der Sozialpolitik von Jahr zu Jahr umfangreicher und schwieriger wi!'>d. Die Sozialpolitiker müssen auch im Zeichen des so­genannten Wirtschaftswunders immer wieder wie der mahnende .Zeigefinger wirken, der auf unge­löste Probleme hinweist. Wir haben 13 Jahre nach dem Zusammenbruch von 1945 noch lange keinen Anlaß zur Selbstzufriedenheit, •sondern sind ver­pflichtet dafür zu sorgen, daß dem Fortschritt in Wissenschaft und Technik ebenso Fortschritte beim Aufbau unserer Gesellschaft folgen. Auf dem um­fangreichen Gebiet der Sozialpolitik sind seit Kriegs­ende eine Unzahl von ehrenamtlichen Kräften tätig; die, inihren Verbänden zusammengefaßt, dem Staate immer wieder wertvolle Hilfestellung le1sten kön­nen. Das Bestreben des Bayerischen Staatsministe­riums für Arbeit und soziale Fürsorge ist es, mit den Verbänden und Organisationen, die sich mit Sozialpolitik befassen, in enger Zwsammenarbeit dem gemeinsamen Ziel einer Besserstellung aller Bewohner unseres Landes zu dienen. Deshalb möchte ich an dieser Stelle den mit uns zusammen­arbeitenden Körperschaften, Organisationen und Verbänden meinen Dank für ihre Aufgeschfossen­heit aussprechen. Schließlich ist es mir aber auch ein Bedürfnis, ailen Beamten, Angestellten und Arbeitern des Ministeriums, seiner nachgeordneten Behörden und beaufsichtigten Körperschaften und deren Selbstverwaltungsorganen für ihre Tätigkeit zu danken. Zugleich aber 'darf ich Sie, meine Da­men und Herren des Hohen Hauses, sowie den Bayerischen Senat dankend bitten, auch in Zu-

kunft das Wohlwollen gegenüber den Angelegen­heiten meines Ressorts zum Wohle uns·erer Bevöl­kerung zu bewahren.

(Beifall)

Anlagen

zur Haushaltsrede 1958 des Staatsministers Stain

Anlage 1

Die Invalidenversicherung in Bayern

(Stand: 31. 12. 1957)

Zahl der Renten (Landesversicherungsanstalten, Bundesbahn, Seekasse)

Berufsunfähigkei tsren ten Erwerbsunfähigkeitsrenten Altersruhegeld Witwenrenten. Waisenrenten .

Betrag der im Jahre 1956 ausgezahlten Renten:

Betrag der im Jahre 1957 ausgezahlten Renten:

Mehrbetrag .

das bedeutet eine Steigerung von .

Heilstätten und Heime:

3 508 194 531 281 510 275 298 119 177

839 727 000 DM

1178 015 000 DM

338 288 000 DM

40,29 v. H.

Die fünf bayerischen Landesversicherungsanstalten verfügen über:

15 Tbc-Heilstätten . mit 2 098 Betten 3 Genesungsheime mit 277 Betten 7 Kurheime . mit 636 Betten 2 Sanatorien mit 246 Betten 2 Invalidenheime . mit 121 Betten

insgesamt . 3 378 Betten

Heilverfahren

Im Jahre 1957 wurden von den 5 bayerischen Lan­desversicherungsanstalten für Heilverfahren aus-gegeben: ·

Bruttoausgaben: Reinausgaben: .

56 907 000 DM 50 127 000 DM

Einnahmen und Ausgaben der 5 bayerischen Lan­desversicherungsanstalten (vorläufige Ergebnisse) im Jahre 1957

Reineinnahmen: davon: Beiträge Reinausgaben: . davon: Renten .

Heilverfahren Verwaltungskosten

1 419 306 000 DM 926 943 000 DM

1 211 362 000 DM 1 039 550 000 DM

50 127 000 DM 20 681 000 DM

Belastung der L VA Oberbayern aus dem Öster-reich-Vertrag

Unerledigte Vertragsrenten am 31. 12. 1956 Neueingänge an Vertragsrenten im Jahre 1957 Erledigung an Vertragsrenten im Jahre 1957 Uner>ledigte Vertragsrenten am 31. 12. 1957

4 604 4 959 5 104 4 459

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4664 Bayerischer Landtag - 135. Sitzung. Mittwoch, den 11. Juni 1958 ~~~~~~~~~~~

Belastung der LV A Schwaben aus dem Italien-Vertrag

Unerledigte Vertragsrenten am 31. 12. 1956 2 659 Neueingänge an Vertragsrenten imJahre 1957 12 721 Erledigung an Vertragsrenten im Jahre 1957 3 863 Unerledigte Vertragsrenten am 31.12.1957 11517

Angestelltenversicherung in Bayern (Stand: 31. 12. 1957)

Zahl der Renten Berufsunfähigkeitsrenten . Erwerbsunfähigkeitsrenten Altersruhegeld Witwenrenten . . . . Waisenrenten

609 48 502 72182 82164 33 800

Betrag der im Jahre 1956 ausgezahlten Renten 333 127 000 DM

Betrag der im Jahre 1957 ausgezahlten Renten

Mehrbetrag . . . . . das bedeutet eine Steigerung von

507 359 000 DM

174 232 000 DM 52,30v. H.

Anlage 2

Heime und Heilstätten der bayeri­s ehe n Landesvers i eher u n g s an st a 1 t e n

LV A Oberbayern

Tbc-Heilstätten Zahl der Betten

Kleinkinder heilstätte Gaißach b. Bad Tölz 166 Kirchseeon bei Ebersberg 138 Schonstett bei Rosenheim 137 Heilstätte {innere Krankheiten) Menterschwaige . . . 38

Genesungsheim Alzing bei Traunstein . 80 Invalidenheim Maxhofen bei Bad Aibling . 50 Kurheim Höhenried . . . . . . . 30

LV A Niederbayern-Oberpfalz Tbc-Heilstätten Donaustauf bei Regensburg . 70 Kinderheilstätte Kostenz bei Straubing . . . . 100 Kohlbruck bei Passau . . 215

Kurheim Trausnitz in Bad Reichenhall . 180

Invalidenheim Tirschenreuth . . . . . . . 71

LV A Oberfranken und Mittelfranken

Tbc-Heilstätten Bischofsgrün bei Bad Berneck . 300 Pappenheim 109 Strüth bei Ansbach . 320 Nürnberg-Tbc . 42 Pottenstein . . . . 60

Genesungsheim Wendelstein bei Feucht 32

Sanatorien

Herzogshöhe . . . . . . „Frankenwarte" Bad Stehen

Kurheim

Zahl der Betten 96

150

Haus „Franken" in Bad Reichenhall. 78

LVA Unterfranken Tbc-Heilstätten

Luitpoldheim bei Lohr am Main . 95 Maria-Theresiaheim in Sackenbach . 92

Kurheim Bad Brückenau . . . . . Franken in Bad Kissingen . Bad Ohlstadt . . . . . .

LV A Schwaben

Tbc-Heilstätte Wasach im Allgäu

Genesungsheim Lindenberg im Allgäu .

Kurheim Schwalten . . . . .

56 132 130

216

165

30

Anlage 3

Die gesetzliche Unfallversicherung im Lande Bayern 1956 1955

1. Versicherte Personen: 6 278 266 6 200 000

2. Rentenberechtigte: a) Empfänger von Verletz-

tenrente am Jahresende 144180 138 022

b) Empfänger von Hinter-bliebenenrente am Jah-resende 27 371 26 863

c) zooammen {au. b) 171 551 164 885

s. Angezeigte a) Arbeitsunfälle 351 042 331 967 b) Wegeunfälle 35 889 30 951 c) Berufskrankheiten 4 047 3 555

d) Schadensfälle insgesamt (a, b, c) 390 978 366 473

4. Erstmals entschädigte a) Arbeitsunfälle 23 593 23 816 b) Wegeunfälle 3 381 2 978 c) Berufskrankheiten 829 1119

d) Schadensfälle insgesamt (a, b, c) 27 803 27 913

5. Aufwendungen 1956 1955

in 1000 DM in 1000 DM

a) Entschädigungen 123 114 115 351 b) Unfallverhütung 4 408 3 636 c) Verfahrenskosten 4 055 3 815 d) Finanzdienst 1385 1103 e) Verwaltungskosten 13 716 12 420 f) sonstige Ausgaben 746 605

g) Gesamtaufwendungen (a, b, c, d, e, f) 147 424 136 930

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Bayerischer LainJdtlag - 135. SitzUllJg. Mittwoch, den 11. Juni 1958 4665

Anlage 4

Knappschaftliche Rentenversicherung

(Süddeutsche Knappschaft)

(gesamter Bereich)

Stand: 31. 12. 1957

Zahl der Renten Knappschaftssold . . . . Knappschaftsren ten wegen

Berufsunfähigkeit . . . Knappschaftsrenten wegen

Erwerbsunfähigkeit . Knappschaftsruhegeld . Einfache Witwenrenten. Erhöhte Witwenrenten Waisenrenten

Im Jahre 1957

Einnahmen ..

davon: Beiträge

Bundeszuschüsse Erstattungen dritter

Ausgaben. . . . .

davon: Renten. . . .

Heilverfahren KV der Rentner. Verwaltungskosten

914

3 683

16 840 1476 2 309

14 627 6 387

91773000 DM

27 804 000 DM

50 189 .QOO DM 13 687 000 DM

91773 000 DM

81142 000 DM

857 000 DM 7 821000 DM 1794 000 DM

Von vorstehenden Zahlen entfallen etwa fünf Sech­stel auf Bayern.

Anlage 5

Kindergeld

Die nachstehenden Zahlen beziehen sich nur auf die landesunmittelbaren Träger der Kindergeld­zahlung (5 landwirtschaftliche Familienausgleichs­kassen, Familienausgleichskasse des Bayerischen Baugewerbes, Bayerischer Gemeindeunfallversiche­rungsverband, Staatliche Ausführungsbehörde für Unfallversicherung, München, Staidtrat München).

1. Anträge auf Kindergeld 1956: Bestand an unerledigten Anträgen aus dem Vorjahr . . . . Eingänge . . . . . . Erledigungen . . . . . unerledigt am 31. 12. 1956

2. Zahl der Kindergeldberechtigten

3 307 24 353 26 795

865

am 31. 12. 56 . . . . . . . . 95 299

3. Zahl der laufenden Kindergelder (monatlich 25 DM je berechtigtes Kind) am 31. 12. 1956 . . . . . . . . 160 177

4 . .Aufwendungen für 1956 a) Kindergeldleistungen b) Verfahrehskosten c) Verwaltungskosten . d) sonstige Ausgaben . . . e) Gesamtaufwendungen (a, b, c, d) .

in 1000 DM 46 348

3 1 094

287 47 732

Anlage 6

Die Sozialgerichtsbarkeit in Bayern

1. Sozialgerichte

Zahl d. Kammern: 104

davon:

Sozialversicherung: 57

Kriegsbeschädigten-versorgung: 47 (davon lOKammern auf Zeit)

Soz.-Vers. KB insgesamt

Unerledigte Klagen am 31. 12. 1953 32 618 115 249 147 867 Neueingänge im Jahre 1954 38 766 19 073 57 839 Erledigungen im Jahre 1954 36 776 55 715 92 491 Unerledigte Klagen am 31. 12. 1954 34 608 78 607 113 215

Neueingänge im J,ame 1955 30 081 20 122 50 203 Erledigungen im Jahre 1955 34 685 50 283 84 968 Unerledigte Klagen am 31. 12. 1955 30 004 48 446 78 450

Neueingänge im Jahre 1956 29 343 17 926 47 269 Erledigungen im Jahre 1956 29 617 30 560 60 177 Unerledigte Klagen am 31. 12. 1956 29 730 35 812 65 542

Neueingänge im Jahre 1957 28 028 12 517 40 545 Erledigungen im Jahre 1957 28 452 22 274 50 726 Unerledigte Klagen am 31. 12. 1957 29 306 26 055 55 361

Neueingänge Januar-April 1958 11382 3 857 15 239

Erledigungen Januar-April 1958 9 661 6135 15 796

Unerledigte Klagen am 30.4. 1958 31027 23 777 54 804

2. L a n d e s s o z i a 1 g e r i c h t ·

~ahl der Senate:

davon:

21

Sozialversicherung: 5 Kriegsbeschädigtenversorg. 16 (davon ·7 Zeitsenate)

Soz.-Vers. KB insgesamt

Unerledigte Berufungen am 31. 12 1953 1 270 19 073 20 343

Neueingänge im Jahre 1954 2 794 10 480 13 274 Erledigungen im Jahre 1954 1 211 3 896 5 107 Unerledigte Berufungen am 31. 12. 1954 2 853 25 657 28 510

Neueingänge im Jahre 1955 3 284 10 836 14120 Erledigungen im Jahre 1955 1779 4 864 6 643 Unerledigte Berufungen am 31. 12. 1955 4 358 ·31 629 35 987

Neueingänge im Jahre 1956 2 568 7 505 10 073 Erledigungen im Jahre 1956 2 285 6 964 9 249 Unerledigte Berufungen am 31. 12. 1956 4 641 32170 36 811

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4666 Bayerischer Landtag - 135. Sitzung. Mittwoch, den 11. Juni 1958

Neueingänge im Jahre 1957 2 009 5 424 7 433 Insassen. Erledigungen im Jahre 1957 2189 7 630 9 819 Unerledigte Berufungen am 1. 1. 1948 787

" 97 809 " 31. 12. 1957 4 461 29 964 34 425 1. 1. 1949 514

" 96 443

" Neueingänge Januar-April 1. 1. 1950 465

" 95 238

" 1958 839 1466 2 305 1. 1. 1951 321

" 76149

" Erledigungen Januar-April 1. 1. 1952 255

" 62 591

" 1958 662 2 779 3 441 1. 4. 1952 248

" 60 355

" Unerledigte Berufungen am 1. 7. 1952 237

" 57 600 "

30.4. 1958 4 638 28 651 33 289 1. 1. 1953 206 "

47 031 " 1. 10. 1953 179 39 000

Anlage 7 1. 1. 1954 167 "

35 109 " Staatliche Vertriebenenlager in Bayern

1. l. 1955 138 "

25 333 " 1. 1. 1956 114 18 458

Belegungszahlen seit 1946 " " 1. 10. 1956 89 "

13 000 " 1946 1381 Lager 151113 Insassen 1. 1. 1957 76

" 10 572

" Jan.1947 1 098

" 109 053 "

1. 1. 1958 27 "

4 250 "

Anlage 8

Leistungen des Lastenausgleichs im Lande Bayern im Rechnungsjahr 1957 /58

An

1. Kriegsschadenrente

2. Hausrathilfe

3. Ausbildungshilfe

4. Heimförderung

5. Beihilfen aus dem Härtefonds:

a) zum Lebensunterhalt b) zur Beschaffung von Hausrat

Tats. Auszahlungen durch d. Ausgleichs­beh. lt. Abschlußnachweisung b. 31. 3. 58

6. Aufbaudarlehen:

a) Gewerbl. Wirtschaft b) Landwirtschaft c) Wohnungsbau

7. Aufbaudarlehen Härtefonds: a) Gewerbl. Wirtschaft b) Landwirtschaft c) Wohnungsbau

Mittelzutei.lungen bzw. ausgesprochene Darlehensbewilligungen:

8. Wohnraumhilfe

9. Leistungen nach § 46 Abs. 2 BVFG

10. Leistungen nach dem W AG

Gesamtleistungen im Rechnungsjahr 1957:

230 884 501,06 DM

164 335 269,54 DM

14 282 281,91 DM

990 360,- DM

614 477,20 DM 2 541 872,- DM

423 715 960,62 DM

19 859 031,39 DM 15 538 350,- DM 89 690 772,- DM

2 968 550,- DM 811000,- DM

1110 000,- DM

129 977 703,39 DM

423 715 960,62 DM

129 977 703,39 DM

32 709 857,02 DM

7 000 000,- DM

15 000 000,- DM

608 403 521,03 DM

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Bayerische!r La:ntdtag - 135. Sitzung. Mittwoch, den 11. Juni 1958 4667

Präsident Dr. Ehard: Es ist der Wunsch ausge­sprochen worden, die Aussprache über diese Rede und über den Haushalt des Bayerischen Staats­min:isteriums für Arbeit und soziale Fürsorge auf die nächste Sitzung zu verlegen. Dem wird wohl Rechnung •getragen werden können.

Ich möchte dann den Nachtrag zur Tagesordnung, der uns auf den Tisch gelegt worden ist, er ledigen.

Ich rufe dann auf den ersten Punkt der Nach-triagstagesordnung, die e r s t e L es u n g zum

Antrag des Abgeordneten Hirsch betreffend Gesetz zur Aufhebung des Gesetzes zur Regelung der öffentlichen Sammlungen und sammlungsähnlichen Veranstaltungen

(Sammlungsgesetz)

Sie finden das auf der Beilage 3543.

Wird dazu das Wort gewünscht? - Da:s iJst nicht der Fall. Dann schlage ich vor, di:esen Gesetzent­wurf dem Ausschuß für Verfassungsfriagen und Rechtsfragen zu überweisen. - Eine Erinnerung dagegen besteht nicht. Es ist dann ·einstimmig so be­schlos1sen.

Ich rufe dann auf den zweiten Punkt der Nach-triagstagesordnung, die zweite Lesung zum

Antrag der Abgeordneten Meixner und Fraktion, von Knoeringen und Fraktion, Dr. Fischbacher und Fraktion, Riediger und Fraktion betreffend Drittes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Auf­wandsentschädigung der Abgeordneten des

Bayerischen Landtags (Beilage 3206)

Über die Verhandlungen des· Ausschusses für den Staatshaushalt und Finanzfragen (Beilage 3562) berichtet der Herr Abgeordnete Kraus. Ich erteile ihm das Wort.

Kraus (CSU), Berichterstatter: Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Ausschuß für den Staatshaushalt und Finanzfragen hat 'in seiner heutigen Sitzung die Beratungen über die Beilage 3206 geführt und ist nach reiflicher Über­legung zu folgendem Beschluß gekommen:

Dem Antrag der Abgeordneten Meixner und Fraktion, von Knoeringen und Fraktion, Dr. Fisch­bacher und Fraktion, Riediger und Fraktion be­treffend Drittes Gesetz zur Änderung und Ergän­zung des Gesetzes über die Aufwandsentschädi­gung der Abgeordneten des Bayerischen Landtags soll in folgender Fassung zugestimmt werden:

§ 1

Das Gesetz über die Aufwandsentschädigung der Abgeordneten des Bayerischen Landtags vom 29. Dezember 1949 (BayBS I S. 91) wird wie folgt geändert:

1. Art. 1 Abs. 2 erhält folgenden Zusatz: Die iseit dem 1. Januar 1951 eingetretenen und künftigen Durchschnittserhöhungen oder Her­absetzungen der Beamtengrundgehälter gel­ten für Satz 1 entsprechend. Die Höhe des Be­trages wird vom Präsidium ·des Landtags im Einvernehmen mit dem Ältestenrat festge­setzt.

2. Art. 1 Abs. 3 Satz 2 wird wie folgt geändert:

Es beträgt 30 DM.

3. Art. 1 erhält folgenden neuen Abs. 8:

(8) Sche1det ein Abgeordneter aus dem Bayeriischen Landtag aus, dann erhält er

als Übergangsgeld

a) wenn er dem Landtag seit 1946 minde­stens eine Landtagsdauer (Legislaturpe­riode) angehört hat, auf die Dauer von 3 Monaten den Grundbetrag (Abs. 2) und •den Pauschalbetrag (Abs. 4),

b) wenn er dem Landtag seit 1946 minde­stens zwei Legislaturperioden angehört hat, auf die Dauer von 3 Monaten Beträge nach Buchstabe a) und für weitere 3 Mo­nate den Grundbetrag,

c) wenn ·er dem Landtag seit 1946 minde­stens drei Legislaturperioden angehört hat, auf die Dauer von 3 Monaten Beträge nach Buchstabe a) und für weitere 6 Mo­nate .den Grundbetrag

gezahlt. Die Buchstaben b) und c) gelten nicht für Beamte, Angestellte, Arbeiter und Empfänger von Beamtenversorgungsbezügen des Bundes, des Bayerischen Staates, der Gemeinden, der Gemeindeverbände und der sonstigen der Aufsicht des. Bundes oder ·des Bayerischen Staates unterstehenden Körper­schaften, Anstalten und Stiftungen des öffent­lichen Rechts.

4. Art. 2 erhält folgenden Zusatz: Art. 1 Abs. 2 Satz 2 und 3 findet entspre­chende Anwendung.

5. Art. 8 Abs. 1 wird gestrichen.

§ 2

Dieses Gesetz tritt am 1. April 1958 in Kraft. Für die Zeit vor dem 1. April 1958 werden Nachzahlungen nicht geleistet.

Der Haushaltsausschuß hat diese Gesetzesvorlag·e bei 1 Stimmenthaltung angenommen. Ich bitte das Hohe Haus, ,dem beizutreten.

Präsident Dr. Ehard: Über die Verhand1ungen de:s Ausschusses für Verfassungsfragen und Rechts­fragen (Beilage 3563) ·berichtet der Herr Abg·eord­nete Dr. Zdralek.

Dr. Zdralek (SPD), Berichter·statter: Herr Prä:sident, meine Damen und Herren! Der Aus­schuß für Verfassungsfragen und Rechtsfragen hat sich in seiner heutigen Sitzung mit dem Antrag der Abgeordneten Meixner und Fraktion, von Knoerin­gen und Fraktion, Dr. Fischbacher und Fraktion, Riediger und Fraktion betreffend Drittes Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über die Aufwandsentschädigung der Abgeordneten des Bayerischen Landtags beschäftigt. Der Beratung des Ausschusses lag der Bericht des Auisschusses für den Staatshaushalt und Finanzfragen zu­grunde.

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6468 Bayerischer Landtag - 135. Sitzung. Mittwoch, 1den 11. Juni 1958

(Dr. Zdralek [SPD])

Der Ausschuß für Verfassungsfragen :und Rechts­fragen hat den Beschlüssen rdes Haiushaltsausschws:­ses gemäß Beilage 3562 bei 1 Stimmenthaltung mit der Maßgabe :rugest'immt, daß in § 1 die Z'iffer 5 gestrichen wi11d.

Ich .darf bitten, diesem Beschluß des Rechts- und V.erfassungsausischusses ·beizutreten. Ich möchte er­gän21end bemerken, daß, wenn der Gesetzentwurf in dieser Form angenommen wfod, s1ch dann wohl der Antrag auf Beilaige 3206 er1edigt.

Präsident Dr. ·Ehard: Das Wort hat deT Herr Ab.geordnete Muth.

Muth (FDP): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Für rdie Fraktion der Freien Demokrati­schen Partei habe ich folgende Erklärung abzuge­ben:

Die Fraktion der FDP hat den Abänderungs­antra1g zum Gesetz über ·die Aufwandsentschädi­g1ung eingehend beraten und isich veranlaßt gesehen, Gegenvorschläge zu machen, die auf die Gedanken des Gesetze,s eingegangen, jedoch über die Bundes­regelung nicht hinau&gegangen sin!d. Nachdem un­sere Gegenvorschläge auf Ablehnung gestoßen sind, sieht sich die Fraktion der Freien Demokratischen Partei als 1S;0lche außerstande, dem Abänderungs­antrag zuzustimmen.

Präsident Dr. Ehard: Wortmeldungen im übri­gen lieg.en nicht vor. Dann ist die Aussprache ge­schlossen.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Abstim­mung liegt die Beilage 3562 zugrunde. Die beiden Ausschüsse stimmen b'iis auf einen Punkt überein.

Ich rufe dann auf den § 1. Gegen die Einleitungs­worte: „Das Gesetz über die Aufwandsentschädi­gun1g ... wird wie folgt geändert: wird keine Er­inne11ung erhoben.

Ich rufe auf die Nr. 1 des § 1. Wer der Fassung der Nr. 1 des § 1, wie sie auf der Beilage 3562 nie­dergelegt 'ist, zutStimmen will, den •bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. -1 Gegenstimme. Stimmenthaltungen? - 6 Stimm­enthaltungen.

Ich rufe dann auf die Nr. 2 des § 1. Wer dem in der Fassung der übereinstimmenden Beschlüsse der bei!den Ausschüsse zustimmen will, den bitte ich um e'in Handzeichen. - kh bitte um >die Gegen­probe. - 3 Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? -4 Stimmenthaltungen.

Ich rufe dann auf die Nr. 3 des § -1, über deren Faissung ebenfalls Übereinstimmung der beiden Ausschüsse vorliegt. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen.-Ich bitte um dieGegenprobe.-1 Gegenstimme. Stimmenthaltungen? - 5 Stimm­enthaltungen.

Dann kommt Nr. 4, ebenfalls übereinstimmend nach den beiden Ausschüssen. Wer dem zustimmen

wiH, den bitte ich um ein Han:dizeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - 1 Gegenstimme. Stimment­haltungen? - 6 Stimmenthaltungen.

Jetzt kommt Nr. 5. Hier weichen die Ausschüsse vonein1ander ab. Der Haush:altsausschuß möchte, daß ider Artikel 8 Absatz 1 des jetzigen Aufwands­·entschäidigungsgesetzes gestrichen wird. !DerVerfas­sungs1ausschuß möchte es bei dem Artikel 8 Ab­satz 1 belassen. Da das eine Abänderung ist, möchte ich wie folgt abstimmen lassen:

Wer entgegen dem Beschluß des VerfassurugsautS;­schwsses der Nr. 5 zoustimmen will, wer also den Artikel 8 Absatz 1 des jetzigen Gesetzes gestrichen ha·ben Will, den bitte ich um ·ein Han.dzei:chen. -Ich bitte um di:e Gegenprobe. - Das erste war die Meh!'heit. - 1Stimmenthaltungen? - Das erste war die Me'hrheit, so daß es bei der Nr. 5blefüt.j1

Dann kommt § 2. § 2 iheißt jetzt, übereinstim­mend nach den Beschlüssen be'ider Ausschüsse:

Dieses Gesetz tritt am 1. April 1958 in Kraft. Für die Zeit vor dem 1. April 1958 werden Nachzahlungen nicht igeleistet.

Wer dem § 2 in dieser Form rusti:mmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - 1 Gegenstimme. Stimmenthaltun­gen? - 4 Stimmenthaltungen.

Damit ist d'ie zweite Lesung beendet. Ich ·schlage vor, die dritte.Lesung gl-eich anzuschHeßen.

Der d r i t t e n Lesung Hegen die Beischlüsse der zweiten Lesung zugrunde.

Ich rufe auf § 1 - keine Erinnerung; § 2 - eben­falls keine Erinnerung. Da'S Gesetz soll den Titel tragen:

Drittes Gesetz zur ÄnderU.ll!g und Ergänzung des Ges1etzes über die Aufwandsentschädigung der Abgeo11dneten des Bayerischen Landtags.

Damit iist die dritte Lesung beendet.

Wir kommen zur Sc h 1 u ß a h s. tim m u n g. Ich schLage vor, ·sie in einrfacher Fo11m vorzuneh­men. - Eine Erinnerung dageg.en wird nicht er­hoben.

Wer dem Gesetz in der nunmehr betSchlossenen Form zustimmen will, iden bitte ich, sich vorn Platz zu ·erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - 1 Gegenstimme. Stimmenthaltungen? - 7.

Das Gesetz trägt, wie ich schon gesagt habe, den Titel:

Drittes Gesetz zur Än:derurug und Ergänzung des Gesetzes über die Aufwandsentschädigung der Abgeordneten des Bayerischen Landtags.

Damit ist auch dieser Punkt der 'Dagesordnung erleldigt.

Von dier Tagesordnung übrig ·ist noch Punkt 9 c:

Antrag des .Abgeordneten Kraus und Ge­nossen betreffend Umorganisation der

Landpolizei (Beilage 3453)

Über die Verhandlungen des Ausschwsses für Verfassungsfragen und Rechtsfragen (Beilage 3503) be:richtet der Herr Abgeo11dnete Dr. Hoegner.

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Bayerischer Landtag - 135. Sitzung. Mittwoch, den 11. Juni 1958 46 69

Dr. Hoegner ·(SPD), •Berichterstatte,r: Es tut mir leid; ich habe die Unterlagen nicht, sie sind m:ir vom Landtagsamt nicht gegeben wor'de:q..

Präsident Dr. Ehard: Dann müssen wird es auf die nächste Sitzung ve11schieben.

Meine 'fägesordnung ist damit erschöpft.

Als Termin für !die nächste Sitzung schlage ich Dienstag, den 1. Juli, vor. Wir haben allerdings nur zwe'i volle Ausschußsitzungswochen; aber wir kön­nen die Vollsitzung immer noch um eine Woche

verschfoben, falls ·es nöti'g ist. Bis jetzt i:st freilich der Haushaltsausschuß so gut vorwärtsgekommen, daß wir, gl1aube ich, am 1. Juli eine Sit:mmg halten können, in der wir V·erschiedene Haushaltspläne -einmal den Haushalt des Arbeitsministeriums, und dann kommen sicher noch zwei oder drei dazu -wegmachen können.

Wenn sonst nichts mehr gewünscht wird, ist die Sitzung für heute geschlossen.

(Schluß der Sitzung: '16 Uhr 44 Minuten)

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