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1 Feuilleton Bremens freies Unimagazin NIMM MIT Hohe Decken und viel Kultur ab | bib | ben Bibbst du schon oder lebst du noch? Echte Liebe Amateurfußball in Bremen Ausgabe 16 | Juni 2015

16. Ausgabe

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Feuilleton

B r e m e n s f r e i e s U n i m a g a z i n

N I M M M I T

H o h e D e c k e n u n d v i e l K u l t u rab | bib | ben

Bibbst du schon oder lebst du noch?

Echte LiebeAmateurfußball in Bremen

A u s g a b e 1 6 | J u n i 2 0 1 5

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Inhalt

Kurzmeldungen 4

Die Campusdebatte: Zivilklausel 5Die Gremien 6Das Privileg von 20 000 8Kommentar zur Wahl 9Novellierung des Hochschulgesetzes 10Hunger an der Grazer Straße 12

Bachelor of Life Heute: Bei der Wahl 13Uni-Wahnsinn: In der Bibliothek 14Psychotest - Wie online bist du? 16Abgabefrist! 18

Die Macht des Wahl-O-Maten 19Das Kukoon in der Neustadt 20Heute noch was vor? 22Das Mütterzentrum Tenever 24Echte Liebe – Amateurfußball in Bremen 25

Impressum

30 Eine Provinzband auf dem Weg zum Headliner

14 Uni-Wahnsinn: In der Bibliothek

© owieole

Das große Missverständnis 27 Lesetipps 29Provinzband auf dem Weg zum Headliner 30Feine Sahne Fischfilet – Interview 31Ethik im Journalismus 31Faszination Mittelalter 33

20 Hohe Decken, hohe Erwartungen und ganz viel Kultur

Feuilleton

Bremen

Campusleben

Hochschulpolitik

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Editorial

Liebe Kommilitoninnen, liebe Kommilitonen!Bremens größter Wunsch ist leider nicht erfüllt worden – der HSV bleibt in der ersten Liga. Trotzdem kein Grund zum Wei-nen, denn ihr haltet die neue Scheinwerferausgabe in den Hän-den! Und wir haben uns nicht nur an der Uni sondern in ganz Bremen herumgetrieben und geguckt, was die Sommermonate so bieten, um euch den HSV-Klassenerhalt vergessen zu lassen.

Zum Beispiel könnt ihr als Pionier*innen in die Geschichte eingehen. Denn in der Uni Bremen hat eine bisher undefinierte Aktivität das Licht der Welt erblickt und kann stunden-, tage- oder monatelang umgesetzt werden. Ab|bib|ben. Unser Autor stellt euch 10 wirklich schräge Ideen für den Bibliotheksall-tag vor, so dass sich auch Abbibb-Neulinge trauen dürfen, die stickigen Hallen der Bibliothek zu betreten.

Sauerstoff ist natürlich auch eine Option. Besonders viel da-von kann man beim Fußballspielen atmen und sich so auf Schlammwüsten an verregneten Sonntagvormittagen oder in

der sommerlichen Gluthitze mit Fußball vom Fußball ablen-ken. Wer mehr darüber wissen will, wie der Kopf auf Heizungs-temperatur hochheizt, wenn der Restalkohol abgebaut wird, sei unser Artikel zu Amateurfußball in Bremen empfohlen.

Abgebauter Restalkohol hinterlässt Lücken, die gefüllt werden müssen. Gut, dass es in der Neustadt seit Januar dieses Jahres nicht nur eine tolle neue Kneipe, sondern auch ganz viel Kultur gibt – im KulturKombinatoffeneNeustadt, kurz Kukoon. Un-sere Autor*innen haben sich zwischen hohen Decken und nied-rigen Schwellen einen Tee bestellt und mit den Macher*innen des selbstverwaltete Projekt gesprochen. Ihr Fazit: Die Neustadt lebt!

Wir wünschen euch heißen Lesespaß und jede Menge Sonnen-brand!

Lina Schwarz Yannik Roscher

Ihr erreicht uns bei Fragen, Anregungen oder Kritik entweder persönlich auf dem Campus, unter [email protected] oder auf der Facebook-Seite:https://www.facebook.com/scheinwerfer.bremen

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KurzmeldungenBremer Professor spricht bei AfD-VeranstaltungIm Zuge der vergangenen Senatswahl hat der Bremer Professor Zdzislaw Krasnodębski auf einer Veranstaltung der „Alternative für Deutschland“ (AfD) gesprochen. Der Professor, der neben seiner Universitätstätigkeit Mitglied der polnischen rechtskonser-vativen Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) ist, nahm an einer Podiumsdiskussion im Bremer Swissôtel teil. Mit dabei war die AfD-Europaabgeordnete Ulrike Trebesius. Der Titel der Veranstal-tung lautete: „AfD und PiS: Gemeinsam für Europa?“Schon zuvor gab es Kritik am politischen Hintergrund des Pro-fessors der Integrierten Europastudien. Nach den aktuellen Ereig-nissen nahmen die kritischen Stimmen jedoch noch einmal zu. Der AStA forderte in Anbetracht der Situation klare Worte von der Universitätsleitung, die primär formal reagierte. Unverständnis herrschte auch darüber, wie der universitäre Einsatz im Zusam-menhang des „Bremen ist bunt“-Aufrufes zur zurückhaltenden Reaktion seitens des Rektorats passt.

An der Bus- und Straßenbahnhaltestelle im Zentralbereich gibt es seit Neuestem einen kleinen Raum für Kunst und Kultur. Die „fast art gallery“ im ehemaligen Imbiss ist ein Projekt des Fachbereichs 9. Der neue Kreativraum soll Ideenreichtum fördern und zu einer Aufwertung des Uni-Eingangsbereiches beitragen. Zuvorderst soll der Raum für studentische Arbeiten zur Verfügung stehen. Dazu sollen Objekte, Installationen, experimentelle medienübergreifen-de Projekte, plastische Exponate und vieles andere gehören.

Kontakt ist über den Fachbereich 9 bei Herrn Gunther Gerlach möglich.

Kleine Galerie an der Haltestelle

Kurzmeldungen

Langzeitstudiengebühren bleibenDie in Bremen geltenden Langzeitstudiengebühren werden nun wohl unbefristet beibehalten. Ursprünglich sollte die Re-gelung, dass alle Studierenden nach sieben Jahren Studium 500 Euro pro Semester zahlen müssen, nach zehn Jahren gekippt werden. Im Zuge der Novelle des Bremer Hochschulgesetzes wurde dies nun jedoch festgeschrieben. Etwaige Hoff nungen, dass das Bremer Gebührenmodell zum Ende dieses Jahres, ab-geschaff t würde, erfüllen sich damit nicht. In der Bürgerschaft gab es dafür Kritik seitens der Partei Die Linke. Die Möglichkeiten zur Aufschiebung bei Krankheiten oder für Opfer von Straftaten, die das Studium unverschuldet in die Länge gezogen haben, bleiben indes wohl bestehen.

© Ulrike Bausch

Platz

Listen zur SR-Wahl

Listenname*

Kürzel

1 Die Monarchisten Die Monarchisten

2 Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik MINT

3 Herms, Herms! -

4 Ring Christlich-Demokratischer Studenten RCDS

5 Vielfalt im Studierendenausschuss ViStA

6 Grün-Alternative Liste GAL

7 Liste des Studierendenzusammenschlusses der Rechtswissenschaften Stuzu Jura

8 Fachbereichsliste Geistes- und Sozialwissenschaften FABELI

9 Sozialistisch Demokratischer Studierendenverband SDS

10 Liste der Studiengangsaktiven LISA

11 Liste Promotion Promotion

12 AStA für Alle AfA

13 Jan Jagmann -

*Die grün unterlegten Listen sind bereits bei der Wahl 2014 angetreten.

SR 2015Diese Listen stehen

zur Wahl!

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Hochschulpolitik

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© Ulrike Bausch

Die Campusdebatte Für diese Rubrik bitten wir ausgewählte Personen des Hochschullebens um ihren Kommentar

zu den drängenden, den großen und manchmal auch den kuriosen Fragen des Campusalltags. Das Thema diesmal: Die gesetzlich verankerte Zivilklausel.

Ein wichtiger Schritt vorwärts

Mit der „Mini-Novelle“ des bremischen Hochschulge-setzes (bremHG) wurde für alle Hochschulen im Land Bremen eine gesetzliche Zivilklausel eingeführt. Die Verankerung der Zivilklausel in das Hochschulgesetz ist ein sehr wichtiger Schritt und eine überaus erfreu-liche Nachricht – auch wenn der Gesetzestext einige Schwächen birgt. Die gesetzliche Zivilklausel bietet endlich ein juristi-sches Mittel für den Kampf gegen Militär- und Rüs-tungsforschung an der Uni. Bisher wurde die friedliche und zivile Forschung nur als Selbstverpfl ichtung in der Grundordnung der Uni begriff en. Selbst der Passus in der Grundordnung wurde immer wieder von Geg-ner*innen der zivilen Forschung angegriff en. Die Zi-vilklausel in Gesetzesform hat nun eine starke Position inne und ist nur schwer angreifbar.Doch leider ist der Gesetzestext auch enttäuschend. Es fehlen klare Regelungen für die Umsetzung der Klau-sel. Das Gesetz besagt lediglich: „Sie [die Hochschu-len] legen ein Verfahren zur Einhaltung der Zivilklau-sel fest. In den Hochschulen kann eine Kommission zur Umsetzung der Zivilklausel gebildet werden.“ Die Mehrheit im Akademischen Senat, darunter auch Rektor Bernd Scholz-Reiter (BSR), haben sich gegen die gesetzliche Zivilklausel ausgesprochen. Gerade des-halb muss es ganz klare Vorgaben vom Gesetzgeber ge-ben, welche den Aufbau einer solchen Kommission be-schreiben. Die Gefahr ist groß, dass über den Köpfen der Studierenden eine halbgare Kommission gebildet wird, in der sie vermutlich, wie in fast allen universitä-ren Gremien, in der Minderheit sind. Doch eine kritische Auseinandersetzung mit der uni-versitären Forschung innerhalb der Gremien reicht nicht aus. Die Novelle sollte als Anstoß gesehen wer-den, der Einfl ussnahme von Unternehmen, speziell Rüstungsunternehmen, vermehrt kritisch zu begegnen und die Zivilklausel mit Leben zu füllen. Denn ein solches Gesetz darf nicht eine leere Worthülse bleiben. Diskussion, Öff entlichkeitsarbeit und Protest für eine zivile und friedliche Uni müssen jetzt folgen. In der Debatte um die Novelle des bremHG hat sich die Uni-Leitung um BSR sehr stark gewehrt. Dies ist wohl ein gutes Zeichen.

Kommentar: Jannik Sohn (AStA-Referat für Politische Bildung & Soziales)

„Die militarisierte Hochschule ist ein Phantasieprodukt“

Die Einführung einer gesetzlichen Zivilklausel ist ein schwerwiegender Fehler! Eine Grenzziehung zwischen ziviler und militärischer Forschung ist in der Praxis kaum möglich, folglich sind solche Rege-lungen willkürlich und nehmen dem Einzelnen den Freiraum, selbst die Folgen seiner Forschungstätig-keit einzuschätzen. Die Freiheit der Forschung ist ein überragend wichtiges Gut unserer Gesellschaft, Motor für Fortschritt und deshalb auch in Artikel 5 Absatz 3 des Grundgesetzes geschützt. Freiheit der Forschung bedeutet das Recht und die Pflicht für jeden einzelnen Forscher, sich mit den ethischen und sozialen Folgen seiner Tätigkeit auseinander-zusetzen. Aus diesem Grund ist eine pauschale Be-grenzung von Forschung in Gesetzen der falsche Weg. Zudem muss auch der Begriff „militärisch“ erst ein-mal genauer definiert werden. So ist beispielsweise unklar, wie Vorhaben zu bewerten sind, die nur in-direkt mit der militärischen Forschung im Zusam-menhang stehen, da sie von privaten Unternehmen gefördert werden, die militärische Forschung betrei-ben. Verstößt das dann auch gegen die Zivilklausel und muss abgelehnt werden? Nur eine der vielen Unklarheiten bei diesem Gesetz. Auch scheinen viele Befürworter zu verdrängen, dass aus der militärischen Forschung nicht nur klassisch Waffen und Panzer entstehen. Auch Dinge, die uns in unserem alltäglichen Leben begegnen, wie etwa GPS Systeme oder das Internet, werden durch die augenscheinliche „militärische Forschung“ stetig weiterentwickelt. Gleiches gilt für die Polizei. Dabei sind die Hochschulen im Land Bremen keinesfalls militarisierte Einrichtungen, die vollends auf die Rüstungsforschung ausgerichtet sind. Betrachtet man die oben genannten Punkte im Allgemeinen, wirkt es zynisch, dass eine rot-grüne Bundestagsmehrheit im Jahr 2001 die Bundeswehr in einen Einsatz schickt und eine rot-grüne Land-tagsmehrheit im Jahr 2015 alles dafür tut, dass den Soldatinnen und Soldaten die Unterstützung und der Schutz durch technische Neuerungen versagt werden!

Kommentar: Anonym

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Hochschulpolitik

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Die Gremien der student ischen Selbstverwaltung

Studierendenrat (SR)

Der Studierendenrat (SR) wird alljährlich gewählt und ist das höchste ständige beschlussfähige Organ der Studie-rendenschaft. Wahlberechtigt sind alle Studierenden der

Universität Bremen. Im Fokus des SR stehen die Wahl und Kon-trolle des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA), und der Beschluss von Richtlinien und Vorgaben für den AStA.

Im SR sind derzeit zwölf Listen vertreten.

Die 25 zu besetzenden SR-Plätze sind (bis jetzt) wie folgt verteilt:AStA für Alle 5Basisdemokratische Linke 1Campusgrün 3Die PARTEI 4Liste der StudiengangsAktiven 2Hochschulpiraten 2Queer-Feminitische Liste 1Ring Christlich Demokratischer Studenten 3Sozialistisch-Demokratischer Studierendenverband 1Studierendenzusammenschluss der Rechtswissenschaften 1Vielfalt im Studierendenausschuss 1Wok & Pfanne 1

Abends im SR…(Die regelmäßige Kurzkolumne)

Auch in Parlamenten herrscht manchmal ein recht freundlicher Umgang. So überraschte die Mai-Sitzung des SR mit gegenseitigen Danksagungen und Höflichkeitsfloskeln innerhalb des AStAs, aber auch zwischen selbigem und der Opposition. Ein „Danke“ hier, ein lobendes „Cool“ dort und selbst bei offensichtlich beinahe zynischer Kritik blieb der Tonfall fast schon übertrieben freundlich. Diesen Eindruck musste es freilich erwecken. Schließlich ist der Um-gangston – im Rat und außerhalb – auch schon ganz anders gewesen. So offenbart dann auch das kollektive Kichern, nachdem das erste „Danke“ ausgesprochen wurde, eine gewisse Irritation. Genießt es! In der Sitzung kurz vor den Wahlen sieht das vielleicht schon wieder anders aus.

Mehr Informationen unter: http://sr.uni-bremen.de

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Hochschulpolitik

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Die Gremien der student ischen Selbstverwaltung

Akademischer Senat (AS)

Im AS werden zentrale Entscheidungen getroffen, die die gesamte Universität betreffen. Hierzu zählen vor allem die Entscheidungen bezüglich der Mittelzuweisungen und -beschaffung, des

Hochschulentwicklungsplans und die Wahl des Rektors beziehungsweise der Rektorin. Aktuell ist dies Professor Doktor-Ingenieur Bernd Scholz-Reiter, der während der Sitzungen auch den Vorsitz inne hat. Des Weiteren wird hierin beispielsweise auch darüber entschieden, ob bestimmte Studiengänge aufgelöst oder finanziell beschnitten werden. Nicht zuletzt beschließt der AS auch über die Grundordnung und nimmt den jährlichen Rechenschaftsbericht des Rektorats entgegen. Somit sind viele der getroffenen AS-Entscheidungen für uns Studierende unmittelbar bemerkbar. Darum sind in diesem Gremium auch Vertreter der Studierendenschaft repräsentiert, jedoch lediglich mit vier von 22 Plätzen. Insgesamt setzt sich der AS nun wie folgt zusammen:- 7 Professoren & Professorinnen- 5 Dekane & Dekaninnen- 4 Akademische Mitarbeiter & Mitarbeiterinnen- 4 Studierende (AfA, CG, LiSA, PARTEI)- 2 Sonstige Mitarbeiter & Mitarbeiterinnen

Morgens im AS…(Die regelmäßige Kurzkolumne)

…und dann war da noch: Der lustige Bremer Uni-Rektor. Sicher: Bei der AS-Sitzung im Februar gab es Wichtigeres. Beispielsweise die Kürzungsthematik. Doch oft sind es die Ran-depisoden, die aufmerken lassen. So handelte sich Rektor Bernd Scholz-Reiter beim Thema Open Access, dem freien Zugang zu Forschungsdokumenten, eine Rüge der Studierenden ein. Zuvor forderte er nämlich mit vermeintlichem Witz, doch gleich alle Texte ins Chinesische zu übertragen: „Dann machen die beim Kopieren wenigstens keine Fehler.“ Die Kritik musste ihm dann auch erst von der ironischerweise beisitzenden Konrektorin für Interkulturalität und Internationalität erklärt werden. Seine Verteidigung: „Oder eben in an-dere Sprachen.“ Nichts begriffen.

Mehr Informationen unter: http://www.uni-bremen.de/as

Text: Zusammengestellt von Björn Knutzen & Yannik Roscher Grafik: Katrin Pleus, Quelle: AStA Uni Bremen

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Hochschulpolitik

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Das Privileg von 20 000

Gerade etwa einen Monat liegt die Bremer Bürgerschaftswahl zurück. An der Uni gibt es indes noch eine weitere Wahl zu bestreiten. Ein Wahlakt, der der Mühe wert ist.

Vor etwa 40 Tagen wurde eine neue Bürgerschaft gewählt. Das Ergebnis steht längst fest. Gewählt haben wohl auch die meisten Studierenden. Na-

türlich sind nicht alle in Bremen wahlberechtigt gewesen. Andere werden von ihrem Wahlrecht keinen Gebrauch ge-macht haben. Und doch deuten Studien darauf hin, dass besonders akademisch gebildete Personen wählen gehen. Welche Probleme gesamtgesellschaftlich daraus resultieren, ist an dieser Stelle nicht zu behandeln. Im Zuge der Bürger-schaftswahl ist für die anstehenden Wahlen zum Akademi-schen Senat (AS), zum Studierendenrat (SR) und schließ-lich den Fachbereichsräten (FBR) jedoch offen, wie aktiv die Studierenden ihr weiteres Wahlprivileg diesmal nutzen werden.

Worum es geht

Vom 22. bis zum 26. Juni wird an der Uni gewählt. Der SR umfasst 25 Plätze, die besetzt werden wollen. Im AS wiederum sind die Studierenden zu viert neben Vertreterin-nen und Vertretern anderer Statusgruppen. Beide Gremien werden jährlich gewählt. Was ihr zur Wahl benötigt? Bloß euren Studierendenausweis.

Der AS

Beim AS handelt es sich um das höchste beschlussfassende Gremium der Universität. Hier werden die zentralen Ent-scheidungen getroffen, die die ganze Universität betreffen. Das betrifft die Vergabe von Geldern und den Beschluss des Hochschulentwicklungsplans. Auch Rektor und Rektorin werden hier gewählt. Der aktuelle Rektor heißt Prof. Dr.-Ing. Bernd Scholz-Reiter. Zu den Aufgaben des AS gehört es auch, über die Zukunft

von Studiengängen zu entscheiden. Auf diese Weise sind bereits einige Fächer abgeschafft worden. Auch aufgrund dieser weitreichenden Kompetenzen betreffen die dortigen Entscheidungen letztlich alle Studierenden.

Der SR

Der SR ist das höchste ständige beschlussfähige Organ der Studierendenschaft. Seine Hauptaufgaben sind die Wahl und Kontrolle des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA). Außerdem werden dort Richtlinien und Vorgaben beschlossen, die die AStA-Arbeit mitbestimmen. Darüber hinaus sind hier alle Studierenden dazu berechtigt, eigene Anträge einzubringen.

Der AStA

Beim AStA handelt es sich schließlich um die direkte stu-dentische Vertretung. Wird der SR als Parlament der Stu-dierenden betrachtet, entspricht der AStA quasi der Re-gierungskoalition. Häufig setzt er sich aus verschiedenen Listen zusammen, die allein nicht über eine ausreichende Anzahl der 25 zu vergebenen Sitze verfügen. Die Listen sind in diesem Bild so etwas wie Parteien, wenngleich die meisten dies nicht sonderlich gern hören.Der AStA vertritt die Studierenden vor der Unileitung und kontrolliert den studentischen Haushalt. Dieser setzt sich aus Beiträgen zusammen, die alle Studierenden zusammen mit ihrem Semesterbeitrag entrichten. Aus diesen Geldern finanzieren sich unter anderem auch die AStA-Druckerei und der ScheinWerfer.

Eine große Rolle spielt der AStA zudem bei der Aushand-

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2004 2005 2006 2007 2008 2009* 2010* 2011 2012 2013 2014*In diesen Jahren sind AfA und CG als gemeinsame Liste angetreten

Anzahl der angetretenen Listen bei vergangenen SR-Wahlen (2004-2014)

9,54%

6,77% 6,70%

8,23% 7,54%

8,69%

12,31% 11,59%

11,10%

2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014

SR-Wahl: Verlauf der Wahlbeteiligung (in Prozent)

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Hochschulpolitik

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lung des Semestertickets. Ansonsten führt er hochschulpo-litische oder allgemeine studentische Veranstaltungen durch und finanziert studentische Arbeits- und Hochschul-gruppen sowie Initiativen und Projekte. Bei der kommenden Wahl geht es also um jede Menge Geld, studentische Kultur und den Fortbestand wie auch die Entwicklung von Studiengängen. Das sind bloß wenige von vielen guten Gründen, zur Wahl der genannten Gre-mien an die Urne zu treten.

Kommentar:

Die Mehrheit bleibt stumm

Wie bei jeder Wahl gibt es viele, die sich nicht daran beteiligen. Die Gründe sind vielfältig, offenbaren aber auch immer wieder eine recht einfach gestrickte Kritik.

Vier schlechte Gegenargumente

Einige gehen nicht zur Wahl, weil sie Wahlen generell ablehnen. Es liegt dieser Einstellung meistens keine grundsätzliche Ablehnung von Mitbestimmung zu-grunde. Im Gegenteil: Vielen ist es nicht genug, bloß repräsentiert zu werden. Die Wahlenthaltung ändert daran aber nichts. Außerdem treten einige, die sich der radikaldemokratischen Fraktion zurechnen lassen, so-gar selbst zu den Wahlen an. Andere behaupten, es bringe sowieso nichts, wählen zu gehen. Das ist so bequem wie falsch. Es würde sicher-lich einiges verändern, wenn ganze Gruppen plötzlich nicht mehr wählen gehen würden. Und die Erfahrung zeigt, dass von der eigenen Wahlenthaltung meist die Falschen profitieren.Trotzdem denken auch viele, es betreffe sie nicht. Ei-nerseits ist das nicht wahr: Drei oder fünf Jahre Stu-dium mögen keine lange Zeit sein und doch können in diesem Rahmen weitreichende Entscheidungen ge-troffen werden. Andererseits betrifft es immer irgendje-manden. Wenn es manche Studiengänge bereits heute nicht mehr geben würde, hätten etliche Studierende womöglich keinen Studienplatz. Vielleicht auch Du! Wie weit hochschulpolitischer Widerstand dagegen möglich ist, sei dahingestellt. Es gar nicht erst zu pro-bieren, ist jedoch nichts anderes als Kapitulation vor den Verhältnissen. Zuletzt gibt es die Ahnungslosen. Die Uninformier-ten. Die „Wir-wären-gern“-Beteiligten. Diese Gruppe erklärt indirekt: „Weil andere daran scheitern, uns zu informieren, können wir gar nicht wählen gehen. Wir würden ja. Doch uninformiert zu wählen, fühlt sich falsch an. Dann wählen wir lieber gar nicht.“In einer Umgebung, die zur Wahlzeit regelmäßig mit Wahlplakaten zugepflastert wird, ist diese Aussage schlicht Unsinn. Etliche Blogs, Webseiten, Magazine und Seiten in Sozialen Netzwerken bemühen sich zu

den Wahlen darum, die Studierenden zu informieren. Wenn selbige aber derart optimierte Methoden ent-wickelt haben, alles konsequent zu ignorieren, dann liegt die Schuld woanders. Demokratie bedeutet auch, Verantwortung für das eigene Wahl- oder Nichtwahl-verhalten zu übernehmen. Also informiert Euch, sape-re aude! Oder gebt zu, dass Ihr einfach keinen Bock habt.

Es ist Wahl!

Letzten Endes ist vielleicht jede Wahlaufforderung zum Scheitern verurteilt. Jeder Hinweis ist ein verzweifelter Appell an Gefühl oder Vernunft. Es bleibt die Hoff-nung, dass mehr Menschen erkennen, welches Privileg ihr Wahlrecht darstellt.Schließlich ändert sich nichts daran, dass Wählen bes-ser ist, als nicht zu wählen. In einer Welt, in der noch immer Menschen für noch so kleine Wahlmöglichkei-ten ihr Leben aufs Spiel setzen, sollte Wählen keine Frage sein. Oder, und näher an unseren Lebensverhält-nissen: In einer Welt, in der sich beinahe alle – auch die Wahlverweigernden – über irgendeine politische Entscheidung beschweren, ist es eine Schande, dass die meisten der 20 000 Studierenden ihr Privileg nicht wahrnehmen, zur Wahl zu gehen. Sie verzichten auf das Privileg, an einer mehr oder weniger demokratisch verfassten Einrichtung mitzubestimmen. Und sie ver-zichten auf das Privileg, gleich zwei Mal in diesem Jahr ihren Einfluss politisch geltend zu machen. Wer aber behauptet, dass Wahlen nichts verändern, kann doch nicht ernsthaft glauben, dass Wahlenthaltung zielfüh-rend ist.Am Ende werden sich trotzdem fast alle beschweren: Wenn studentische Initiativen nicht mehr möglich sind. Wenn Studiengänge geschlossen werden. Wenn Kürzungen drohen. Vieles davon ist in der Vergangen-heit bereits geschehen. Womöglich auch, weil viele von uns stumm geblieben sind. Wer nun wählen ginge, könnte zumindest ein Zeichen setzen:

Unsere Stimme soll gehört werden! Jede Stimme zählt!

Kommentar: Björn Knutzen

Infos:www.uni-bremen.de/aswww.sr.uni-bremen.dewww.facebook.com/SRUniBremenwww.asta.uni-bremen.de

Text: Björn Knutzen Grafik: Katrin Pleus

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Hochschulpolitik

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Hochschulgesetz vor dem Wahlkampfendspurt

Im März dieses Jahres ist die Novellierung des Bremer Hochschulgesetzes durch die rot-grüne Landesregierung beschlossen worden. Im Mittelpunkt der Änderungen stehen die bindende

Zivilklausel - das bedeutet einen Verzicht auf Rüstungsforschung - und die größere Transparenz der Forschung bei Drittmittelprojekten.

Noch in der laufenden 18. Legislaturperiode tritt der erste Teil des dritten Hochschulreformgesetzes in Kraft. Ohne die Novelle würden rechtliche Re-

gelungen noch in dieser Periode entfallen. In seiner jetzigen Form, mit einigen Änderungen 2012, existiert das Bremer Hochschulgesetz nun seit 2007. In der Bremer Bürgerschaft sprachen sich die SPD, die Grünen und die Linken in der zweiten Lesung dafür aus. Nur die CDU stellte sich ebenso dagegen wie die Leitungen der Hochschulen des Landes Bremen. Studierende jedoch sehen das anders.

Friedliche Zwecke

Im Vordergrund der Diskussion steht die Idee, dass For-schung allein zu zivilen Zwecken genutzt werden soll. Das wird zukünftig durch eine Zivilklausel realisiert, die laut Hochschulgesetz besagt, dass „die Hochschulen [...] in Forschung, Lehre und Studium ausschließlich friedli-che Zwecke“ verfolgen dürfen und „die den Hochschulen vom Land und von Dritten zur Verfügung gestellten Mittel sollen ausschließlich für Vorhaben verwendet werden, die diesen Zwecken dienen.“ Überwacht wird die Einhaltung der Zivilklausel von der Universität selbst. Dazu wird vor-geschlagen, eine Kommission zu bilden, die ein Verfahren zur Einhaltung festhält. Diese Regelung wird vom Allge-meinen Studierendenausschuss (AStA) der Uni Bremen stark kritisiert, da es keine zusätzliche staatliche Kontrolle gibt. Damit wird nicht in das Selbstverwaltungsrecht der Hochschulen eingegriff en. Aber auch die Formulierung „friedliche Zwecke“ ist nicht zur Zufriedenheit des AStA gelöst. Sie schließe die Rüstungsforschung und das Militär nicht eindeutig aus, so Jannik Sohn vom Arbeitskreis für Militär & Universität (AKMU) der Uni Bremen.Die Idee dahinter ist aber nicht neu. Seit 1986 besteht an der Universität Bremen schon eine Selbstverpfl ichtung, die eine Kooperation mit der Rüstungsindustrie ausschließt. Verstöße dagegen haben bisher aber keine harten Sank-tionen zur Folge gehabt. Begründet wird dies mit der For-schungsfreiheit. In diese Wissenschaftsfreiheit nach Artikel 5 des Grundgesetzes wird nach Ansicht der Vertretungen der Hochschulen durch die Zivilklausel eingegriff en. Dabei weisen Beteiligte auch auf die Dual-Use-Problematik hin, dass Forschungsprojekte sowohl für friedliche als auch für militärische Zwecke genutzt werden können. Der Deut-sche Hochschulverband – Landesverband Bremen (DHV) sieht eine Schwierigkeit in der Trennung von ziviler und militärisch nutzbarer Forschung im Einzelfall, besonders in

der Pharma-, Laser- und Satellitenforschung. Dem wider-spricht die Bremische Bürgerschaft, und auch der Senator für Justiz und Verfassung sieht darin keinen Eingriff . Außer-dem gibt es bereits eine vergleichbare gesetzliche Regelung, die in das Niedersächsische Hoch-schulgesetz aufgenommen wurde. Grundsätzlich widerspricht der DHV der Zivilklausel vehe-ment: „Jede Wissenschaftlerin und jeder Wissenschaftler ist in der Wahl und Bearbeitung ihres/seines Forschungsthemas frei“ und sollte sich nicht einem Diktat der Forschungsinhalte unterwerfen müssen. „Mit dem Strafrecht, dem Kriegswaff enkontrollrecht und dem Außenwirtschaftsrecht stehen ausreichende Rechtselemen-te zur Verfügung“, heißt es laut einer Stellungnahme des DHV.Fakt ist, dass es in der Vergangenheit Forschungsprojekte gab, die nicht ausschließlich zivilen Zwecken dienten. 2013 fi nanzierte das Pentagon zwei Doktorandenstellen an der Uni Bremen zu einem Weltraumforschungsprojekt. Sie un-tersuchten die Wechselwirkung zwischen Meteoritenstaub, der Sonne und der oberen Atmosphäre. Laut Universität Bremen handelte es sich um eine rein zivile Grundlagen-forschung. 2007 gab es einen Forschungsauftrag an das Bremer Raumfahrtunternehmen OHB zur Entwicklung komplexer Funktechnik. Bezahlt wurde das alles vom Bun-desverteidigungsministerium. Von vornherein wurde nicht ausgeschlossen, dass die Technik auch für den Kriegseinsatz genutzt wird. Umstritten war im Jahr 2011 auch die Stif-tungsprofessur, die ebenfalls vom OHB fi nanziert werden sollte.

Gläserne Uni

Dass überhaupt Verstöße gegen die Zivilklausel passieren können, liegt vor allem daran, dass bisher noch keine voll-ständige Transparenz in der Forschung erreicht wurde und die Bürgerschaft nicht ausreichend informiert wird. Als Mittel zur Überprüfung der Einhaltung gilt auch der Auf-bau von öff entlich zugänglichen Forschungsdatenbanken und Open-Access-Regelungen, das heißt: eines kostenlosen Zugangs zu wissenschaftlichen Veröff entlichungen in digi-taler Form. Diese sollen eine größere Transparenz garan-tieren.In der Forschungsdatenbank werden zukünftig alle Dritt-

die in das Niedersächsische Hoch-schulgesetz aufgenommen wurde.

seines Forschungsthemas frei“ und sollte sich nicht einem Diktat der

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mittelverträge ab 50.000 Euro off engelegt. Ursprünglich sollte die Grenze schon bei 5.000 Euro liegen. Unter Drittmitteln versteht man die Anteile an der Fi-nanzierung, die nicht aus dem Etat der Hochschulen (so genannte Erstmittel) oder der zuständigen Ministerien (Zweitmittel) stammen. Sie können von Firmen, Stiftun-gen, Privatleuten oder aus Öff entlicher Hand kommen. In den Datenbanken werden der wesentliche Inhalt und die Zielsetzung, die Identität des Geldgebers, die genaue För-dersumme, sowie die Laufzeit des Projektes dokumentiert. Das Ziel hinter der Veröff entlichung ist die Vermeidung ei-ner verborgenen Einfl ussnahme auf Forschungsergebnisse. Diese Transparenz ist in anderen Ländern schon Norma-lität. Ironischerweise sind die USA in diesem Bereich ein Vorreiter.Bei den Hochschulen kommt das Gesetz nicht gut an; sie lehnen eine gesetzliche Regelung dazu grundsätzlich ab. Bernd Scholz-Reiter, Rektor der Universität Bremen, sieht darin einen Konkurrenznachteil gegenüber anderen For-schungsstätten, die keinem Veröff entlichungszwang unter-liegen, sowie drohende Verluste von Forschungsaufträgen, Finanzierungsgeldern und Arbeitsplätzen. Doch die Förde-rung von Seiten der Privatwirtschaft beträgt zurzeit unter fünf Prozent des Gesamtetats, der den öff entlichen Hoch-schulen im Land Bremen zur Verfügung steht. Im Durch-schnitt erhalten Hochschulen 280 Millionen Euro, davon kommen 255 Millionen Euro aus öff entlichen Mitteln und nur 13 Millionen aus Drittmitteln. Die Mehrheit der Drittmittel stammt nicht von Firmen, sondern von Geld-gebern wie der deutschen Forschungsgemeinschaft, die steuerlich fi nanziert werden. Doch für Herrn Scholz-Rei-ter sind „diese Einnahmen von mehreren Millionen Euro jährlich […] für die Hochschulen überlebenswichtig“. Bre-mens Senatorin für Bildung und Wissenschaft, Prof. Dr. Eva Quante-Brandt, hält dagegen: „Mit dieser gesetzlichen Grundlage wird die Wissenschaft in die Lage versetzt, ihrer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft gerecht zu wer-den“, und das solle im Mittelpunkt stehen.

Studiengebühren bleiben

Ein weiterer Punkt der Agenda betriff t die Langzeitstudi-engebühren. Die Linke forderte die gänzliche Abschaff ung, nun werden sie aber im Gesetz festgeschrieben. Studierende müssen, wie auch in den Jahren zuvor, nach 14 Semestern 500 Euro zusätzlich zahlen. Bisher waren die Gebühren nur für einen Zeitraum von zehn Jahren in das Hochschulgesetz

aufgenommen worden.Außerdem wird eine Ombudsperson als Vertrauensperson eingeführt, die sich außerhalb der bestehenden Hierarchien der Universitäten befi ndet. Sie soll weisungsunabhän-gig agieren und zuständig für Probleme in Prüfungs- und Studienangelegenheiten sein. Dabei werden sowohl die Interessen der Studierenden als auch die der Doktoran-den und Doktorandinnen berücksichtigt und müssen mit Verschwiegenheit behandelt werden. Diese Person wird künftig von den Vertretern und Vertreterinnen des Aka-demischen Senats vorgeschlagen und vom Rektor oder der Rektorin für zwei Jahre bestellt. Die Hochschulen führen an, dass schon genügend Beschwerdemöglichkeiten vor-handen sind; die Ombudsperson soll aber eine einheitliche und unabhängige Unterstützung zu den bestehenden Ange-boten werden. Meist wissen die Studierenden nicht, welche Rechte sie besonders in Prüfungssituationen besitzen und trauen sich nicht, diese einzufordern. Das soll sich mit der Ombudsperson ändern.Trotz der großen Kritik der Hochschulen, vor allem gegen die Zivilklausel und die Forschungsdatenbanken, werden die Änderungen noch innerhalb des kommenden halben Jahres realisiert.

Text: Meret RupprechtIllustration: Ulrike Bausch

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Kommentar aus der Fachschaft Ein ganzer Fachbereich hungert an der

Grazer StraßeSeit einem Jahr ist die Versorgung des Fachbereichs 11 an der Grazer Straße und damit von

2000 Universitätsangehörigen nicht mehr gewährleistet. Universitätsleitung und das Studen-tenwerk nehmen sich der Situation nicht ernsthaft an und stellen lieber Automaten mit minder-

wertigen Lebensmitteln auf.

Ein ganz normaler Tag am „kleinen Campus“ in der Grazer Straße. Zwischen 11 und 14 Uhr ist es Zeit für ein Mittagessen. Doch die meisten Studieren-

den des Fachbereichs 11 haben keine Zeit, zur Mensa zu fahren, welche auf dem Hauptcampus und somit eine hal-be Stunde entfernt liegt. Aber auch das ist kein Problem, denn vier Automaten sichern die Versorgung des komplet-ten Fachbereichs. Diese sind großzügig mit Süßigkeiten, eingeschweißten Schnitzelbrötchen oder auch einfachen Bouletten gefüllt. Mit diesen Automaten soll die Versor-gung von fast 2000 Universitätsmitgliedern, darunter 100 Festangestellten, an der Grazer Straße gesichert werden. Das Angebot reicht weder in der Quantität noch in der Qualität aus, um einen ganzen Fachbereich zu versorgen; es werden zum Beispiel keine vegetarischen und veganen Speisen angeboten.Bis vor einem Jahr sah die Situation an der Grazer Straße noch ganz anders aus. In der Grazer Straße 4 wurde eine kleine Mensa von der Fraueninitiative „Quirl“ betrieben, welche wegen der Insolvenz der Fraueninitiative im Juni 2014 schließen musste. Die Räumlichkeiten vor Ort gingen daraufhin wieder zurück an das Studentenwerk, welches für die Versorgung auf dem Campus zuständig ist. Eine gesetz-liche Regelung (Rechte und Pflichten bei Betriebsübergän-gen nach §613a BGB) macht es unmöglich, vor Juni 2015 die Räumlichkeiten wieder in Betrieb zu nehmen, da die entlassenen Mitarbeiterinnen bis dahin einen Rechtsan-spruch auf Wiedereinstellung haben. Dies gestaltet sich in diesem Fall jedoch schwierig, da die Fraueninitiative mehr

als 30 Personen im Wechsel einsetzte.Innerhalb des letzten Jahres haben wir und das Dekanat des FB11 auf unterschiedlichste Weise versucht, die Versor-gungssituation für alle zu verbessern. Wir haben dem Kanz-ler Dr. Mehrtens und dem Studentenwerk verschiedene Vorschläge unterbreitet: von der Installation von Mikrowel-len und Wasserkochern bis hin zur Versorgung mit frischen belegten Brötchen vom Hauptcampus. Doch jedes Mal wurden diese Vorschläge mit fadenscheinigen Argumenten abgelehnt. Ein Beispiel hierfür ist, dass man eine Versor-gung mit frischen Brötchen vom GW2 ablehnte, weil das Studentenwerk kein Auto für den Lebensmitteltransport besitzt. Jeden Tag wird allerdings die Mensa im NW1 mit Essen aus der Mensa beliefert.Wir können verstehen, dass es wegen der Rechtslage schwierig ist, vor Juni 2015 eine Wiederinbetriebnahme zu starten. Dies aber als Ausrede zu verwenden, um sich der Problematik einfach nicht anzunehmen, und zu versuchen das Ganze auszusitzen, ist für uns absolut inakzeptabel. Momentan wird sich nur darin geübt, die Verantwortung für die Versorgung zwischen Studentenwerk und Kanzler mit Forderungen nach weiteren finanziellen Mitteln hin und her zu schieben. Währenddessen wird die Versorgung eines Fachbereichs vier Automaten überlassen. Dass nun seit kurzem eine Planung für die Wiederinbe-triebnahme im nächsten Jahr anläuft, ist immerhin ein ers-ter Schritt. Allerdings kommt dieser Schritt zum einen ein Jahr zu spät, zum anderen bleibt bis dahin die alltägliche Versorgung höchst unzureichend. Auch ist die Argumenta-tion hinfällig, dass nicht alle dem Fachbereich Angehörigen auf ein Angebot vor Ort zurückgreifen würden, da diese sich schon seit einem Jahr anderweitig versorgen müssen und somit keine Grundlage für eine eventuelle Auslastung besteht. Auf diese Art und Weise mit der Ernährung von 1840 Studierenden und 100 Angestellten umzugehen, be-deutet für uns, dass Kanzler und Studentenwerk die Aufga-ben nicht wahrnehmen, für die sie berufen wurden.Wir haben uns eine relativ einfache Lösung für unser Versorgungsproblem überlegt: Wir fordern die Entschei-dungsträger*innen auf, sich eine Woche lang von den Au-tomaten in der Grazer Straße zu ernähren. Wir sind uns ziemlich sicher, die Problematik würde sich dann fast wie von selbst lösen.

Text: Fachschaft PsychologieIllustration: Ulrike Bausch

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Campusleben

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Heute: Bei der Wahl

Letzte Sonnenstrahlen, Feierabend, auf dem Weg zum Rewe City. Meine Augen leuchten, doch plötzlich – ein fl aues Gefühl im Magen. Ich laufe schneller,

dann wieder langsamer, ich denke an die schönen vollen Regale mit Käse und Weintrauben, dann werden mir jäh die Füße schwer. Ich bin getrieben vom Hunger, doch mich hält eine langsam zur Panik auswachsende Nervosität zurück. Es ist: Die Angst vor dem Wählen. Schon bevor ich durch das Drehkreuz trete fängt es an: Wagen oder Korb? Zwischen Obst und Gemüse: Jonagold, Braeburn oder Royal Gala? Einmal stand ich lange vor dem Regal mit Küchenutensilien und konnte mich nicht entscheiden, ob ich vorgerissenes Backpapier (praktisch, weil vorgerissen) oder normales Backpapier (billiger, weil nicht vorgerissen) kaufen sollte. Man könnte in so einer Situation denken: Hey, es ist nur Backpapier, ich kann hier nicht viel falsch machen. Ich denke: Jede Entscheidung ist ein Massenmord an Möglichkeiten – besser noch eine Nacht drüber schlafen. Oder warten - auf dieses hochge-lobte Bauchgefühl, von dem alle so schwärmen. Mit dem natürlichen Instinkt als Entscheidungshilfe wird alles gut. Sagen sie. Seltsam nur: Wann immer ich meinem Bauchge-fühl folge, dreht es sich meistens hinter der nächsten Ecke um und streckt mir die Zunge raus. Und mein Kopfgefühl aka Intelligenz muss mich dann an die Hand nehmen und wieder auf den rechten Weg bringen. Surprise! Die Welt ist wohl doch komplex. Und dass komplexes Wählen nicht leicht ist, weiß keine so gut wie ich: Wenn ich könnte, würde ich jemanden engagieren, der für mich entscheidet. Ein Decision Assistant. Damit wäre nicht nur mir, sondern vielen geholfen. Denn mit meiner Angst bin ich nicht allein. An der Uni scheint Wählen ein allgemeines Unbehagen hervorzurufen. Nur 11, 1 % der Bremer Studierenden hatten im letzten Jahr Lust, die sie vertretendeStudierendenschaft mit zu bestimmen. Das sind ungefähr 2000 Menschen – bei der kom-menden Wahl könnten es noch weniger sein. Nach den Ereignis-sen der letzten Monate kommt bei der einen oder anderen viel-leicht das Gefühl auf, dass der de-mokratischer Mitbestimmung an dieser Uni nicht gerade der rote Teppich ausgerollt wird. Der Kö-nig, ähh Rektor, entscheidet doch

lieber allein über Kürzungsmaßnahmen. Sachzwänge eben, was soll er machen? Dabei sind die Proteste, die die AS-Sit-zungen verhinderten, einMusterbeispiel an Mitbestimmungsfreude: Wer dreimal freiwillig um acht Uhr zur Uni fährt und sich den nicht zu unterschätzenden Gefahren des Trillerpfeifentinitus aussetzt, hat defi nitiv eine Entscheidung getroff en. Und wundert sich jetzt, wie wenig das dann doch ändert, die-ses Wählen und Entscheiden. Ein Gefühl, als ob man – die Augen halb geschlossen - das 100ste Mal drecki-ge Löff el in der WG-Küche in den Geschirrspüler fallen lässt. Nachdem die Phasen von Ärger, Wut, das-muss-auf-dem-WG-Plenum-thematisiertwerden, jetzt-räum-ich-nichts-mehr-weg, jetzt-hab-ich‘s-doch wieder-weg-geräumt und Verzweifl ung schon vorbei sind und nur das Schul-terzucken bleibt. Als ob man in der Bib endlich mal am Fenster sitzen will, es aber wieder erst zu um 11.38 Uhr geschaff t hat. Oder, als ob man nicht zwischen Braeburn und Royal Gala, sondern zwischen Äpfeln und Äpfeln entscheiden soll, die am Ende alle mehlig schmecken. Ein Gefühl wie - Resignation. Im Fachjargon: Wahlmüdigkeit. Menschen die, obwohl sie könnten, nicht wählen wollen, ist ein Phänomen, dem sich die Wissenschaft mit großen Augen neugierig zuwendet. Dabei habe ich längst die zwei möglichen Erklärungen auf-gedeckt: Entweder diese Menschen haben wie ich ein Pro-blem mit Entscheidungen und haben nach dem Anfertigen einer Pro- Contra-Liste, dem obligatorischen Wurf des Ent-scheidungswürfels und der Beratung durch externe Fach-kräfte wie Freunde nur Kopfschmerzen aber keine Wahl ge-troff en. Hier könnte die Einführung des Decision Assistant bzw. die frühkindlichem Vermittlung von decision making skills weiter helfen. Oder Menschen wollen nicht wählen, weil sie das Gefühl haben, sich zwischen mehligen Äpfeln und mehligen Äpfeln entscheiden zu sollen und – time is money - nutzen die Zeit lieber, um ihren Highscore bei

2048 zu knacken. Hier würde ich davon abraten, so aus dem Bauch heraus und der Einfachheit halber Apfelmus anzubieten. Vielleicht würde es stattdessen helfen, von Sachzwängen befreite Birnen zur Wahl zu stellen.

Text: Lina SchwarzIllustration: Samira Kleinschmidt

Letzte Sonnenstrahlen, Feierabend, auf dem Weg zum Rewe City. Meine Augen leuchten, doch plötzlich

lieber allein über Kürzungsmaßnahmen. Sachzwänge eben, was soll er machen? Dabei sind die Proteste, die die AS-Sit-

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Nicht alles, was wir auf dem Campus erleben und worauf wir so kommen, ist der Weisheit letz-ter Schluss. Doch was wäre das Leben ohne ein wenig Wahnsinn? 10 wirklich schräge Ideen für

den Bibliotheksalltag.

Uni-Wahnsinn: In der Bibliothek

1. Aufgewacht und abgebibbt!

Das soll hier zwar keine hierarchische Top-Ten-Liste sein, aber eines ist doch klar: „Abgebibbt“ wird auf der 1! Keine Ahnung, was gemeint ist? Bremen hat’s erkannt und hat’s benannt: „Abbibben“ – das ist um-gangssprachlich bremisch für „in der Bibliothek ab-hängen“. Doch auch, wenn die ganze Republik am Abbibben ist, so bibbt doch niemand extremer ab als die Bremerinnen und Bremer. Und während die Studis woanders noch rummensen oder Vorlesungsbingo spielen, wird in der schönen Hansestadt schon längst wieder abgebibbt. Läuft bei Dir!

4. Die Wohnung von alten Büchern befreien!

Diesen alten Wälzer, jene Vorkriegsenzyklopädie: Bü-cher in die Bücherei!Ganz ehrlich: Es ist in Ordnung, dann und wann ein-mal bei den Bibliotheken anzufragen, ob Bedarf nach Euren alten Schinken besteht. Wenn die Leute aber schubkarrenweise Bücher anschleppen, ist das doch zuviel des Guten. Viele Bibliotheken sind längst mit der schieren Menge alter Bücher überfordert und am Ende müssen sie diese dann selbst entsorgen. Dann aber heißt es: „Das sind Bücher! Die. Dürfen. Nicht. Weggeschmissen. Werden.“. Sollten sie nicht. Völlig korrekt. Die guten Stücke aber hoffnungsvoll ins Bi-bliotheksarchiv zu kippen, auf deren Gebrauchtwerden zu hoffen, oder mit einem schlichten „Nach mir die Sintflut“ abzuhauen und froh zu sein, die Bücher zu-mindest nicht selbst in die Tonne befördern zu müssen, ist schäbig. Wer sie nur für das reine Gewissen vorbei-bringt, bekommt in Reflexionsvermögen eine glatte sechs.

5. Die eigene Hausarbeit DOCH NOCH als Buch!

Du lebst in Bremen und schreibst in Bremen? Tatsäch-lich muss die Bibliothek alle Bremer Bücher archivie-ren. Deines kann dazugehören! Ein Verlag, ab in den Druck und der Ruhm ist Dir sicher!

3. Frag doch einfach die Bibliothek!

Wo andere Siri fragen, stellst Du Deine Fragen lieber direkt dort, wo alles Wissen in Büchern steht. „Wel-ches Buch hatte ich noch einmal im Februar des ver-gangenen Jahres ausgeliehen? Es war so eines in blau – mit roter Schrift vorn drauf.“ Natürlich kann Euch da geholfen werden! „.Ach das meinst Du! Wie gut, dass Du Dich an die Farbe erinnerst!“ Und wer jetzt meint, das käme nicht vor: Ihr könnt’s Euch denken.

2. Die eigene Hausarbeit als Buch!

Ganz generell? Nein, keine Chance. Obwohl der Ver-kauf von Hausarbeiten im Internet immer weiter zuzu-nehmen scheint, sind Hausarbeiten grundsätzlich kei-ne akzeptierte Literatur. Und mal ganz ehrlich: Kauft die jemand von Euch? Immerhin: Wer herausragende Hausarbeiten schreibt, dem steht es offen, in die Wissenschaft zu gehen und das dann noch einmal vertiefte, fundierte Wissen zwi-schen zwei stabile Buchdeckel zu kleben. Sowieso: Schlecht ausgedruckte, mit Büroklammern zusam-mengehaltene Hausarbeiten zwischen Weber, Goethe, Newton, Brecht, Smith oder Marx? Ich weiß ja nicht …

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Text: Björn KnutzenIllustration: Jann Blodau

7. Ganz ohne Bücher studieren!

Es gibt Studierende, deren erster Bibliotheksbesuch zwei Wochen vor Abgabe ihrer Abschlussarbeit erfolgt. Dass auch ganze Studiengänge komplett auf das Bü-cherstudium verzichten, erscheint jedoch kurios. Laut sicherlich total repräsentativen Einschätzungen, gehen insbesondere die Studierenden der Naturwissenschaf-ten relativ selten auf Büchersuche. Bevor es aber „Hab ich’s doch gewusst!“ aus dem GW2 ertönt: Jene Fächer erfordern nicht bloß häufig ganz andere Materialien; die Studierenden profitieren auch davon, dass viele ih-rer Publikationen mittlerweile digital vorhanden sind. Und mal ehrlich: Wer von uns könnte nicht auch auf das Bücherschleppen verzichten?

6. Auf zur künstlichen Nachfragesteigerung!

Was viele nicht wissen: Im Eingangsbereich der Uni-Bibliothek gibt es Sensoren, die täglich die Besuchs-zahlen erheben. Wer also die universitäre Bücherei zur meistbesuchten überhaupt machen möchte, kann – rein und wieder raus – ganz erheblich zum Renommee der Uni Bremen beitragen.

8. Vandalismus! Aber mit System.

Gelangweilt vom Steineschmeißen, Autos anzünden und andere verkloppen? Kreativer und bunter Vanda-lismus mit Stil – und System – lautet die Devise: Wie-so in Bibliotheksbüchern nicht einfach mal mit Bunt- statt Bleistiften unterstreichen? Da hat man was für’s Auge! Oder Bilder aus Büchern schneiden – aber im-mer bloß zum selben Thema! Die Möglichkeiten sind schier unbegrenzt. Dreist genug scheinen einige schon heute.

9. Privatsphäre? Brauchst Du nicht!

Wohnst Du noch zu Hause? Oder lässt man Dich in Deiner WG nicht allein? Dann mach doch die Uni-Bib zu Deinem Arbeitsplatz: Schreibtisch und Prokrastina-tion inklusive. Wenn Du Dich aber am liebsten mit ge-wissen Bildern oder Filmen ablenkst, dann tu das lieber nicht hier. Und surf auf solchen Seiten doch zumindest nicht dort, wo alle an Deinem Bildschirm vorbeigehen. Du weißt doch genau: Die Leute schauen drauf.

10. Das Geld selbst einfordern!

Schon wieder die Ausleihe überzogen und die Kosten sind mittlerweile im dreistelligen Bereich. Was machst Du jetzt? Ganz genau: Ab zur Theke und den Zustän-digen erst einmal verklickern, dass Du nicht zahlen wirst. Die Gebühren sind schließlich eine Frechheit. Außerdem hast Du gar keine Erinnerungsmail bekom-men! Und wieso kennen die denn Deine neue Adresse nicht? Dann ist es kein Wunder, dass die Mahnung nicht im Briefkasten lag. Wegen deren Versagen auch noch zahlen?Nein, allein für die Androhung von Strafzahlungen verdienst Du Schmerzensgeld. Und sowieso: Können die nicht dieses eine Mal ein Auge zudrücken?

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Der Tag hat 24 Stunden. Bestimmt hast du dich schon immer gefragt, wie viele davon du ei-gentlich im Internet verbringst. Ob Firefox für dich das Tor zur Welt ist oder nur die englische

Übersetzung von Feuerfuchs. Ob dein Sozialleben unter deinen Online-Aktivitäten leidet oder ob du manchmal was verpasst, weil du dem WWW eher fern bleibst. Schluss mit der Unwissen-

heit! Der große SchweinWerfer Psychotest verrät dir, wie online du bist!

Psychotest - Wie online bist du?

Du trinkst seit langem mal wieder Berentzen Apfel und musst gleich an deine Jugendfreundin Claudia denken. Was macht die eigentlich jetzt? Mhh, vielleicht meldest du dich mal wieder… Aber wie?

C Ich stalke auf Facebook, wo sie grad ist und wie ihr letzter Urlaub war. In der Nachricht spreche ich sie gleich auf die super Urlaubsbilder an – darauf muss sie einfach antworten. A Irgendwo müsste ich noch ihre Nummer haben. Ach Mist, ich hab ja mein Handy und damit alle Nummern verloren. Ich denk einfach ganz fest an sie, dass merkt sie bestimmt.B Facebooklehne ich ab, wegen Datenschutz - klar. Also schreibe ich – ganz klassisch – eine Mail.

Soll im öffentlichen Raum schon vorgekommen sein: Kein Internet. Stell dir vor du wärst dauerhaft offline - wie sehr würde sich dein Leben ändern?

A Gar nicht. Ich bin eh meistens in der Stadtbibliothek und lese Nietzsche, Hesse und Co. Ganz ausgedruckt. B Ich müsste Strecken wieder selbst berechnen, mit Lineal und dem Maßstab im Straßenatlas statt dies von Google Maps erledigen zu lassen. Das wäre blöd. Und statt Mails wieder Briefe zu schreiben, na gut, ich könnte mich daran gewöhnen. C Welches Leben? #schock. Ohne das Weltgehirn Wikipe-dia, ohne nicht-lineares Entertainment, ohne gutefrage.net, ohne Dr. med. google.de – das wäre kein Leben.

Kinder sind die Zukunft und mit Kind hat dein Leben plötzlich einen Sinn. Wie viel teilst du der Welt davon mit?

B Nur Menschen, denen ich auch face-to-face begegne, haben Zugriff auf das Instagram-Album. Ist ja auch nichts anderes, als das Fotoalbum in der Familie herum zu zeigen.C Kind mit breiverschmierten Gesicht, Kind mit Giraf-fe-Kuscheltier, Kind schlafend, Kind atmend: Alle meine 678 Facebook-Freunde müssen Bescheid wissen, also ab ins Internet. Zum ersten Geburtstag kriegt mein Kind seinen eigenen Facebook-Account!A Meine Freunde und Familie sind online nicht so aktiv - ich schicke ein Familienfoto in Schneekugeloptik.

Das Internet macht die Welt besser - oder was meinst du?

C Ja klar. Alle können partizipieren. Sogar Revolutionen werden über Social Media organisiert.B Wenn ich so durch die Kommentare unter Youtube-Videos scrolle, kann ich die bessere Welt partout nicht entdecken. Der Stammtisch wurde einfach verlegt, an-onymisiert , und vom „zwanglosen Zwang des besseren Ar-guments“ ist weiterhin keine Spur. A Meine Welt macht es definitiv nicht besser. Früher habe ich mich mit Freunden getroffen und geredet, heute bastele ich meistens Origamis, während ich warte, dass die anderen von ihrem Smartphone hochgucken und mir vorschlagen, meine Papierkunst auf dawanda.de zu verkaufen.

Jan Böhmermann hat sich einen lustigen Hashtag ausge-dacht und alle reden darüber. Und du?

A Jan Böhmermann? Wer ist das? Ich übe gerade „Für Eli-se“ auf dem Klavier. B Irgendwas hab ich gehört, aber so richtig weiß ich nicht, worum es geht. Ich war in letzter Zeit immer nur auf Chef-koch.de und habe viel Cupcakes gebacken.

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C Mein Kommentar dazu wurde von Jan Böhmermann retweetet! Ich bin im 7. Tweet-Himmel.

Welche dieser Handlungsmöglichkeiten aus dem Inter-net vermisst du im analogen Leben am meisten?

B Seite neu laden/aktualisieren, wäre bei diesem Regenwet-ter schon nicht schlecht... A Nichts, was soll ich vermissen? Solange ich eine Fernbe-dienung habe. C Die Verlaufschronik. Fehlt besonders Sonntagmittag, wenn ich gegen den Kater kämpfend versuche die letzte Nacht zu rekonstruieren.

Wenn du deinen Enkelinnen erzählen wirst, wo ihre Großeltern sich kennengelernt haben – welche Ge-schichte bekommen sie zu hören?

C Wieso Enkelkinder? Ich hoffe nicht, dass auf meinen Tinder-Dates jemals Kinder bzw. Enkelkinder entstehen. A Oh, bei uns war es Liebe auf den ersten Blick. Ich habe ihn auf dieser Party im Magazinkeller tanzen gesehen. B Ja… ähm … soll ich euch nicht lieber von der Zeit mit Internet über 33,6 k Modem erzählen? (Die Online-Da-ting-Geschichte klingt irgendwie nicht so romantisch.)

Typ A – Offline

Dein Leben unterscheidet sich nicht von einem Leben vor Erfindung des Internets. Du verbringst viel Zeit in Stadtbibliotheken, im Kino und bei Spieleabenden. Dei-ne Freunde bewundern deine entspannte Art und dass du auch mal länger als 4-5 Sekunden auf etwas gucken kannst, ohne Wisch- oder Klickbewegungen zu machen. Klar ist es manchmal schwierig, wenn du auf deine Briefe eher wenig bis keine Antworten erhältst. Oder alle über Hashtags und das eine Katzenvideo reden und du nicht weißt, worum es geht. Und dieses Game of thrones? Ist das ein neues Brett-spiel? Egal, die reale Welt ist dir groß genug.

Typ B – Nutznießer

Im www bist du vor allem, weil es praktisch ist. Emails schreiben, Probleme googlen und durch online-shopping

Menschenmassen in Einkaufscentern meiden. Darüber hi-naus interessiert dich nichts und es ärgert dich eher, dass du so viel Zeit damit verbringst, den Sticker rauszusuchen, der deine Gefühle in der Facebook-Nachricht richtig transpor-tiert. Power Ranger? Oder lieber … Mist, jetzt ist wieder der halbe Vormittag rum.

Typ C - 16 Tsd. Follower

Deinen Laptop hast du schon lange nicht mehr herunterge-fahren. Du lebst im, vom und fürs Internet: Geld verdienst du mit der Klickzahl auf deinem Blog über vegane Rezepte. Dabei kochst du selbst kaum – viel zu analog. Und länger als drei Minuten, ohne deinen Twitter-Account zu aktuali-sieren, hältst du sowieso nicht aus. Ansonsten schnürt dir das Gefühl, etwas zu verpassen, die Luft ab. Du musst onli-ne bleiben – allein schon aus Karrieregründen. Schließlich ist das alles nur Training für deinen späteren Job als So-cial-Media-Betreuerin bei der Bundesregierung. Leute, das Internet bringt Frieden, Demokratie und löst die Probleme dieser Welt, also #yolo #ftw.

Text: Lina Schwarz, Jonas MielkeIllustration: Jann Blodau

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CampuslebenCampusleben

Vier Wochen bis zur Abgabe

Wenigstens die Bücher kann man ja mal rechtzeitig auslei-hen. Die Literaturrecherche verläuft wie immer, entweder gibt es zu wenig oder zu viel Auswahl. Die besten Bücher sind dennoch bereits vergriff en. Ein besonders schlauer Fuchs hat es sogar geschaff t, ein Werk aus dem Semesterap-parat verschwinden zu lassen. Natürlich investiere ich gerne mein Essensgeld in die Fernleihe.Die Bibliothek erwartet mich schon. Der Spürhund am Eingang auch. Ob er einmal in den Korb gucken könnte. Natürlich, tun Sie sich keinen Zwang an. Akribisch durch-sucht er meine Utensilien nach Kaugummis oder Schoko-riegeln. Woher kommt wohl dieser Eifer? Seine Kollegen blicken in der Regel nicht mal auf, wenn ich schwerbepackt an ihnen vorbei schreite.Anscheinend ist die Wohnungsnot auch in Bremen ange-kommen. Off ensichtlich wohnen einige Kommilitonen vorübergehend in der Bibliothek. Eine Dame hat sich ihre Schuhe ausgezogen und hält ein Nickerchen. Wenige Me-ter dahinter fi ndet off enbar ein Picknick statt. Kulinarische Köstlichkeiten werden herumgereicht.Wenn ihr den Grill anschmeißt, gebt mir Bescheid.

Zwei Wochen bis zur Abgabe

Hoch auf die zweite Ebene. Die Geier kreisen. Es ist Diens-tagvormittag, zwei Wochen vor Abgabefrist. Dutzende Leu-te wandern monoton an den äußeren Bücherregalen vorbei, jederzeit bereit, sich auf einen frei werdenden Platz zu stür-zen. In meinen düsteren Zukunftsvisionen sehe ich schon mit Handtüchern reservierte Arbeitsplätze vor mir. Im dritten Stock erblicke ich zeitgleich mit einem Kon-trahenten einen freien Fensterplatz. Endlich zahlt sich das Sprinttraining aus. Er zieht verbittert ab, während ich mei-nen Bücherturm errichte. Ein Blick in die Ferne off enbart weitere Festungen aus tausenden Seiten geballter Weisheit.

Eine Woche bis zur Abgabe

Der Wachhund am Eingang hat wieder Dienst. Ob ich waff enfähiges Plutonium in meinem Korb hätte? Wie bitte? Essen? Äh ja, das ist tatsächlich ein Müsliriegel. Bevor er die Handschellen zücken kann bin ich schon wieder an der Garderobe und verstaue das Gefahrgut in meiner Hosenta-sche. Auf Leibesvisitation wird glücklicherweise verzichtet, sodass ich diesmal unbehelligt vorbeiziehen kann. Das Exzerpieren geht schleppend voran. Manche Titel klin-gen tatsächlich so vielversprechend wie ein Blockseminar

am Wochenende: „Faustina minor - Ehefrau eines Idealkai-sers und Mutter eines Tyrannen. Quellenkritische Unter-suchungen zum dynastischen Potential“ Manchmal wäre eine Ausbildung echt besser. Zumindest bis zum nächsten Morgen um acht. Da schlafe ich nämlich noch.

Zwei Tage bis zur Abgabe

Das Th ema wurde erneut abgeändert, das Inhaltsverzeich-nis überarbeitet, ein Kapitel gestrichen und ein Neues hin-zugefügt. Gilt zumindest für die Überschriften. In der Pra-xis sind die Kapitel noch inhaltsleer und die gesamte Arbeit umfasst eine halbe Seite. Am Freitagabend ist die Bibliothek fast ausgestorben. Nur vereinzelt sieht man Leidensgenossen über den Büchern hocken. Irgendwas läuft hier falsch. Statt Bier wird war-me Club Mate und widerlicher Automatenkaff ee serviert. Anstelle ansprechender Musik erklingt die monotone Lautsprechstimme und erschreckt die gequälten Seelen fast zu Tode: „Die Bibliothek schließt in zwanzig Minuten.“Die Spätschicht am vergangenen Abend verschaff te ein bisschen Luft in der knappen Zeitplanung. Etwas später soll’s heute losgehen. Zehn Uhr ist angedacht, zwölf Uhr verpasst, vierzehn Uhr verdrängt. Dann ist Bun-desliga. Und dann Sportschau. Jetzt bleiben noch 28 Stun-den bis zur Abgabe. Ein Rennen gegen die Zeit. Ob Liam Neeson helfen kann?

Ein Tag bis zur Abgabe

Eine Nacht ohne Schlaf ist äquivalent zu einem Promille Alkohol. Sagt man so. 18 Stunden dauert die letzte Schicht. 18 Stunden im totalen Schreibrausch. Das ist defi nitiv ein persönlicher Rekord. Die Sonne geht unter und wieder auf, Kaff ee fl ießt in Strömen und hat seine Wirkung wahr-scheinlich längst verloren. Um zwei Uhr nachts kommt der erste Tiefpunkt, um sieben Uhr der nächste. Dazwischen und danach läuft alles wie geschmiert. Das Adrenalin ver-richtet seinen Job wie immer zuverlässig. Erfahrungsgemäß verzichte ich auf Pausen. Um 14 Uhr am Sonntag ist die Arbeit fertig. Tatsächlich sogar einige Stunden vor der Ab-gabefrist. Selbstverständlich rufe ich noch 37 Leute an, um mein Meisterwerk Korrekturlesen zu lassen. Deren vielfäl-tige und engagierte Anmerkungen refl ektiere ich und lasse sie in meine Arbeit einfl ießen. Spaß beiseite, vielleicht bei der Bachelorarbeit.

Autor: Felix Wendler

Das Semester geht dem Ende entgegen, die Abgabefristen nähern sich. Die Bibliothek platzt aus allen Nähten, Literatur wird gesichtet und Seite um Seite produziert. Erst wenn der

Trubel sich lichtet, kommen die notorischen Späteinsteiger auf die Bühne, um die Fristen komplett auszureizen. Ein Tagebuch gewährt Einblicke.

Abgabefrist!

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Schuhe ausgezogen und hält ein Nickerchen. Wenige Me-ter dahinter fi ndet off enbar ein Picknick statt. Kulinarische ter dahinter fi ndet off enbar ein Picknick statt. Kulinarische Köstlichkeiten werden herumgereicht.Wenn ihr den Grill anschmeißt, gebt mir Bescheid.

Zwei Wochen bis zur Abgabe

Hoch auf die zweite Ebene. Die Geier kreisen. Es ist Diens-tagvormittag, zwei Wochen vor Abgabefrist. Dutzende Leu-te wandern monoton an den äußeren Bücherregalen vorbei, jederzeit bereit, sich auf einen frei werdenden Platz zu stür-zen. In meinen düsteren Zukunftsvisionen sehe ich schon mit Handtüchern reservierte Arbeitsplätze vor mir. Im dritten Stock erblicke ich zeitgleich mit einem Kon-trahenten einen freien Fensterplatz. Endlich zahlt sich das Sprinttraining aus. Er zieht verbittert ab, während ich mei-nen Bücherturm errichte. Ein Blick in die Ferne off enbart weitere Festungen aus tausenden Seiten geballter Weisheit.

Eine Woche bis zur Abgabe

Der Wachhund am Eingang hat wieder Dienst. Ob ich waff enfähiges Plutonium in meinem Korb hätte? Wie bitte? Essen? Äh ja, das ist tatsächlich ein Müsliriegel. Bevor er die Handschellen zücken kann bin ich schon wieder an der Garderobe und verstaue das Gefahrgut in meiner Hosenta-sche. Auf Leibesvisitation wird glücklicherweise verzichtet, sodass ich diesmal unbehelligt vorbeiziehen kann. Das Exzerpieren geht schleppend voran. Manche Titel klin-gen tatsächlich so vielversprechend wie ein Blockseminar

zu Tode: „Die Bibliothek schließt in zwanzig Minuten.“Die Spätschicht am vergangenen Abend verschaff te Die Spätschicht am vergangenen Abend verschaff te ein bisschen Luft in der knappen Zeitplanung. Etwas später soll’s heute losgehen. Zehn Uhr ist angedacht, zwölf Uhr verpasst, vierzehn Uhr verdrängt. Dann ist Bun-desliga. Und dann Sportschau. Jetzt bleiben noch 28 Stun-den bis zur Abgabe. Ein Rennen gegen die Zeit. Ob Liam Neeson helfen kann?

Ein Tag bis zur Abgabe

Eine Nacht ohne Schlaf ist äquivalent zu einem Promille Alkohol. Sagt man so. 18 Stunden dauert die letzte Schicht. 18 Stunden im totalen Schreibrausch. Das ist defi nitiv ein persönlicher Rekord. Die Sonne geht unter und wieder auf, Kaff ee fl ießt in Strömen und hat seine Wirkung wahr-scheinlich längst verloren. Um zwei Uhr nachts kommt der erste Tiefpunkt, um sieben Uhr der nächste. Dazwischen und danach läuft alles wie geschmiert. Das Adrenalin ver-richtet seinen Job wie immer zuverlässig. Erfahrungsgemäß verzichte ich auf Pausen. Um 14 Uhr am Sonntag ist die Arbeit fertig. Tatsächlich sogar einige Stunden vor der Ab-gabefrist. Selbstverständlich rufe ich noch 37 Leute an, um mein Meisterwerk Korrekturlesen zu lassen. Deren vielfäl-tige und engagierte Anmerkungen refl ektiere ich und lasse sie in meine Arbeit einfl ießen. Spaß beiseite, vielleicht bei der Bachelorarbeit.

Autor: Felix Wendler

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Bremen

Die Macht des Wahl-O-Maten

38 Th esen. Mehr braucht es anscheinend nicht, um bei der Parteienwahl zu helfen. Offi ziell dient der Wahl-O-Mat als Hilfe für Wählen-

de, um für einen Überblick über die Parteienlandschaft zu sorgen – doch sollte die „Macht“ dieser Hilfeleistung nicht unterschätzt werden. Denn ist es am Ende nicht häufi g eine unterschwellige Wahlempfehlung und richtet sich der Nut-zende nicht in der Regel nach dem Ergebnis? Daher möchte euch der ScheinWerfer einen Einblick hinter die Kulissen dieses machtvollen Instrumentes geben und aufzeigen, wie es zu den 38 Th esen kommt – denn zufällig kommen diese nicht zustande.

Seit 2002 gibt es den Wahl-O-Maten in Deutschland. Auch wenn er seit seiner Einführung eine Reihe von Wandlun-gen hinter sich hat, sind die Grundlagen stets die gleichen geblieben. Das Frage-Antworten-Tool bietet dem Nutzen-den die Möglichkeit 38 Th esen mit „stimme zu“, „stimme nicht zu“ und „neutral“ zu beantworten sowie die Th ese zu über-springen. Im Vorfeld hatten die zur Wahl antreten-den Parteien die gleiche Möglichkeit, wodurch am Ende die Überein-stimmung der Antworten von Nutzenden und Parteien verglichen werden kann. Hierdurch ergibt sich ein Ranking, wie der Wählende im Vergleich zu Partei A, B oder C steht und wo es gleiche beziehungsweise unter-schiedliche Ansichten gibt.

Die Findung

Der Wahl-O-Mat für die Bremer Bürgerschaftswahl am 10. Mai 2015 bietet den Wählenden die Möglichkeit Stellung zu beziehen zu Th emen wie der Weservertiefung, der Wi-dereingliederung von IS-Kämpfern, zu Flüchtlingen und zu gefähr-lichen Hunderassen. Was wie zufällig aussieht ist das Ergebnis zweier Workshops, in welchenm in ers-ter Linie Jung – und ErstwählerInnen mitarbeiten – aber auch eine Reihe von Studierenden der Universität Bremen waren dieses Jahr beteiligt. Des Weiteren sind Politikwis-senschaftlerInnen, PädagogenInnen und StatistikerInnen als begleitende Perso-nen mit im Prozess integriert. Ziel

ist es im ersten Workshop anhand der Partei – und Wahl-programme sowie Aussagen der Parteien Th esen zu Arbeit, Soziales, Inneres, Finanzen, Bildung und weitere aufzustel-len. Am Ende stehen um die 80-100 Aussagen, welche in einem weiteren Schritt den zur Wahl antretenden Parteien zugesandt werden. Diese haben nun die Möglichkeit selbst einmal den Nutzenden zu „spielen“ und die Th esen zu be-antworten und bestmöglich zu begründen. Was im ersten Moment hierbei erstaunlich erscheint, wenn man sich die Begründungen der Parteien am Ende durchliest – die Dis-krepanz zu den Antworten. So scheinen eine Reihe von Parteiantworten sehr taktisch moti-viert zu sein und sind in ihrer Begründung abweichend. Aus parteipolitischer Sicht sinnvoll – wer am Ende eine höhere Kohärenz mit dem Nutzenden aufweist wird gegebenenfalls eher gewählt – si-cher aber nicht der Zweck des Wahl-O-Maten.

Die Auswahl

Aus 86 mache 38 – so hieß die Aufgabe beim zweiten Workshop anlässlich der Bremer Landtagwahl. Denn die im ers-ten Schritt erstellten Th esen mussten nun noch ein-mal gefi ltert werden. Im Vordergrund standen hierbei die wich-tigsten Th emen der Wahl aufzugreifen sowie Th esen zu wählen, welche kontroverse Antworten der Parteien darstellten und des Weiteren die Unterscheidbarkeit gut sichtbar machen. Aus diesem Grund ist es auch von Bedeu-tung eine Reihe - sechs bis acht Th esen - von gut sichtbaren rechtspopulistischen und rechtsextreme Aussagen aufzu-führen, um hierdurch bestimmte Listen deutlich einordnen zu können. Im Endeff ekt entscheidet das gesamte Team in-klusive der Jung – und ErstwählerInnen über dieas Auswahl der Th esen. Da das diesjährige Team eine Reihe von Stu-dierenden der Universität innehatte, ist auch ein gewisser Einfl uss von uns - der Studierendenschaft - auszumachen. Wie stark ist nun der Einfl uss auf die Wählenden? Dies he-rauszufi nden obliegt wohl jedem selbst – doch sollten die Th esen genau betrachtet werden, denn dahinter stecken häufi ger mehr oder weniger subtile Wegweiser im Partei-enspekt-rum von links nach rechts bis hin zu rechtsextrem. Das Medium des Wahl-O-Maten ist nicht nur Instrument zur Ent-scheidung für Wählende, sondern auch ein Weg zur politischen Bildung, bei welchem Jung – und Erstwäh-lerInnen gemeinsam sich direkt beteiligen können - von jungen Wählenden für junge Wählenden sozusagen. Ob diese machtvolle Hilfeleistung auch zur Wahl am 10. Mai viele Nutzende haben wird, muss sich zeigen. Doch soll-te man sich bewusst sein – der Zufall spielt hierbei keine Rolle.

Text: Yannik RoscherFoto: Ulrike Bausch

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Bremen

Hohe Decken, hohe Erwartungen und ganz viel Kultur

Die Neustadt lebt. Bremens größter Stadtteil gilt derzeit als beliebtes Wohngebiet für Stu-dierende und Kreative. Wie es aussieht, könnte das Kulturzentrum Kukoon diese Wirkung

maßgeblich verstärken. Eine Szene blüht auf.

Bianca hat es sich mit angewinkelten Beinen auf ei-nem Sofa gemütlich gemacht. „Ich bin schon so ein bisschen Stammgast im Kukoon“, sagt die Neustäd-

terin. „Das gemischte Publikum ist super und natürlich die vielen unterschiedlichen Veranstaltungen.“ Ihre Begleiterin Birte aus Findorff ist zum ersten Mal da. Sie genießt einen hübsch angerichteten Salat und lobt die „heimelige, gemüt-liche Atmosphäre“.Auch Laura ist begeistert. Die Studentin sitzt mit einem Freund beim Wein und erzählt: „Ich wohne ganz in der Nähe und bekomme mit, dass hier immer was los ist. Be-sonders schön finde ich, dass viele Familien mit Kindern da sind und sich niemand davon gestört fühlt.“ Ihr Blick streift die stuckverzierten Decken, die Säulen und das Mo-saik auf dem Boden. „Und der Raum ist toll, so schön hell und groß“, fügt sie hinzu. „Der Stadtteil braucht noch mehr solche Locations.“

Das Kukoon (KulturKombinat offene Neustadt) hat im Ja-nuar dieses Jahres eröffnet und erfreut sich seitdem großer Beliebtheit im aufstrebenden Stadtteil links der Weser. Be-trieben wird es von der Gesellschaft für bunte Steine mbH, deren GesellschafterInnen sich das Ziel gesetzt haben, einen offenen Kulturraum für den Stadtteil und darüber hinaus zu bieten. Dort sollen für ein gemischtes Publikum unter-schiedliche kulturelle Veranstaltungen angeboten werden, es soll aber auch ein Raum für Begegnung und zum Ver-weilen bei vegetarischen Speisen oder Tee und Kaffee sein.

Die ersten Schritte

„Die Idee entstand, weil wir durch das mittlerweile ge-schlossene Kulturzentrum DETE gesehen haben, wie gut so etwas in der Neustadt funktioniert und wie hoch die Nachfrage ist“, erzählt Sandra Carlson. Die Gruppe von neun Personen ist schnell gewachsen – mittlerweile sind siebzehn Leute im Kollektiv. Bei der Suche nach einer ge-

eigneten Immobilie wurden die Kulturschaffenden schnell fündig: Das schon länger leer stehende Haus am Bunten-torsteinweg 29, das ehemalige Bäderparadies Behrend, sollte es werden. „Dann ging alles ganz schnell“, erinnert sich Dominik Lülsdorf. „Zwei Monate intensive Planung, ein knapper Monat Umbau und dann war es auch schon offen. Mit am längsten hat die Namensfindung gedauert, deshalb konnten wir auch erst ziemlich kurzfristig unsere Flyer drucken.“

Bei der Realisierung hatte die bunt gemischte Gruppe mit Bürokratie zu kämpfen und stieß immer wieder auf uner-wartete Probleme. Andererseits gab es aber auch viel Hilfe, sei es durch kostenlose Beratungen oder durch Unterstüt-zung aus der Nachbarschaft. „Das war Wahnsinn“, berich-tet Sandra. „Wir hatten an die Fensterscheiben geschrieben, was wir noch für die Einrichtung brauchen, und innerhalb weniger Stunden kamen die ersten Nachbarn mit Sofas, Geschirr und Besteck vorbei. Die Resonanz in der Nach-barschaft ist sehr gut, wir haben uns schnell integriert.“

Die Organisation erfolgt in mehreren Arbeitsgruppen von circa fünf Personen pro Bereich, wobei die Beteiligten auch rotieren und so verschiedene Bereiche ausprobieren können. Sonntags treffen sich alle zu einem Plenum, das durchaus auch mal bis zu fünf Stunden dauern kann. Der Hintergrund der Beteiligten ist unterschiedlich, aber vie-le kommen aus dem kulturellen oder gastronomischen Bereich. „Jeder bringt ein, was er kann.“, sagt Dominik. „Manche arbeiten Vollzeit, die sieht man tagsüber nicht so oft. Andere konzentrieren sich vor allem auf das Kukoon.“

Ein Laden mit Charakter

Das Besondere am Kukoon sei das Unperfekte, wie Sandra erklärt. Das Projekt scheint immer in Bewegung zu sein, es gibt ständig neue Ideen. Und weil sich alle einbringen,

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Bremen

kann auch so etwas entstehen wie das Huckepack-System. Wer bereit oder in der Lage ist, etwas mehr zu zahlen, kann für Menschen, denen es finanziell nicht ganz so gut geht, ein Extragetränk oder etwas zu essen bestellen. Dabei wer-den kleine Bildchen an eine Tafel gehängt, die vom kosten-losen Angebot künden und an der Bar gegen das jeweilige Getränk oder die jeweilige Speise eingetauscht werden kön-nen.. Ein womöglich flüsterndes Fragen, wie andernorts bei solchen Angeboten nötig, braucht es hier nicht, um zu erfahren, was es gibt. Wo immer es geht, wird auch auf Bioprodukte geachtet; indes soll natürlich alles bezahlbar bleiben. Dominik wiederum schwärmt vom Interieur: „Die Fassade ist relativ unscheinbar, aber drinnen dann die ho-hen Decken! Das hat man nicht oft in Bremen.“ Es sei toll, eine solche Location allen und nicht bloß exklusiven Krei-sen anbieten zu können.

Wer in Bremen Augen und Ohren für Veränderungen hat, der spürt, dass dort in der Neustadt etwas am Entstehen ist. Einerseits gebe es hier zwar noch nicht so viele Orte, zu denen man gehen könne, wie Sandra bemerkt. „Im Viertel gibt es mehr. Kultur und Projekte wie das Kukoon sind dort nicht notwendig.“ Doch andererseits bietet der Stadtteil den notwendigen Freiraum für Experimente. „Die Neustadt ist ein unbeschriebener Raum. Ein schönes Pflas-ter!“, erklärt Dominik.

Die Zukunft

Nach einem Fazit für die ersten Monate befragt, klingen die beiden verhalten positiv. „Es ist schon ziemlich gut ge-laufen.“, urteilt Dominik nach kurzer Denkpause. Sandra weist darauf hin, dass sich niemand für das Projekt selbst ausbeuten solle. Das Kukoon stehe außerdem weiterhin im steten Austausch mit anderen Kulturprojekten und hole sich noch immer Rat ein.

Das Kukoon soll aber keine und keinen von ihnen reich machen. Um Geld scheint es niemandem aus dem Kollek-tiv zu gehen. Wer Dominik und Sandra zuhört, der spürt etwas von der vorsichtigen Lust am Experiment, die viele Kulturschaffende umtreibt. Es ist dieser Wunsch nach ei-nem Miteinander, der 17 Menschen zusammenbringt und diese auf Nachfragen keineswegs müde oder gar erschöpft reagieren lässt. „Es soll neue Projekte geben.“, hören wir.

Und das Kukoon soll noch mehr in Kontakt mit der Neu-städter Umgebung treten. Die Immobilie ist unterdessen vorerst für drei Jahre gemietet. Was danach kommt, weiß noch niemand. Vielleicht wird versucht, das Gebäude zu erwerben. Doch das steht in den Sternen. Als wir aufstehen, erzählt uns Dominik im Nachgespräch noch eine kleine Anekdote. Die beiden Stühle, auf denen wir saßen, hatte eine Nachbarin kürzlich vorbeigebracht und mitgeteilt: „Von jetzt an sitze ich hier auf den Stüh-len, wie ich vorher zu Hause auf ihnen gesessen habe.“ Für manche ist das Kukoon schon ein zweites Zuhause.

Kukoon, Buntentorsteinweg 29www.kukoon.dewww.facebook.com/kukoon.bremenÖffnungszeiten: Di bis Fr ab 11.30 Uhr Sa ab 14 Uhr So 10 bis 18 Uhr

Text: Björn Knutzen und Dunja RühlIllustration: Andres Stucke

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Bremen

Heute noch was vor?

3 Dinge, die man in Bremen getan haben muss

Beck’s Bier löscht nicht nur Männerdurst – Brauerei-Führung mit Bierverköstigung mitten in Bremen

Wer kennt das nicht? Familie oder Freunde kün-digen sich über das Wochenende zum Besuch in Bremen an und es stellt sich die Frage: Was

wird unternommen? Um niemanden mit einer standard-mäßigen 08/15-Stadtführung zu langweilen, muss die Lis-te der vielen tollen Attraktionen Bremens stetig erweitert werden – gerade für diejenigen, die nicht zum ersten Mal nach Bremen kommen, bereits mehrmals an den Eselshu-fen der Bremer Stadtmusikanten gerubbelt haben und das Glockenspiel in der Böttcherstraße auswendig mitpfeifen können. Jetzt, da der Sommer vor der Tür steht, geht’s bei schönem Wetter natürlich nach draußen: Picknick machen im Bürgerpark, grillen am Werdersee oder ein kühles Bier an der Schlachte genießen. Was aber, wenn die Sonne sich nicht blicken lässt und die Lust auf einen Museumsbesuch auf der Skala ganz weit unten steht?Dann trinkt man sein Bier eben woanders und lernt gleich-zeitig noch einiges dazu, nämlich im Rahmen einer Braue-reiführung. Um das Bier zu finden, das für den Stadtstaat an der Weser steht, bedarf es keiner langen Suche: An einem Beck’s kommt bei einem Besuch Bremens fast nie-mand vorbei.Die Brauerei Beck GmbH und Co. KG befindet sich links der Weser. Schon von weitem kann man das Gebäude mit seinem Logo deutlich erkennen. Es gehört praktisch wie die Weser untrennbar zum Stadtbild dazu. Die Straßenbahn 1 sowie die Buslinien 26 und 27 fahren vom Hauptbahn-hof in wenigen Minuten zur Haltestelle „Am Brill“. Von dort aus kann man gemütlich über die Bürgermeister-S-midt-Brücke schlendern und gelangt „am Deich“ entlang

direkt zum Haupteingang.Die Brauereiführung, die mehrmals täglich (teilweise auch englischsprachig) donnerstags bis samstags stattfindet, startet mit einem ca. 20-minütigem Film, der eine kurze Einführung über das Unternehmen gibt. Danach geht es in orangefarbener Sicherheitsjacke auf Entdeckungs-Tour. Neben einigen interessanten historischen Daten und Fak-ten – „Wie und wo entstand das erste Bier?“, „Vom Ex-portbier zum Bier auf dem deutschen Absatzmarkt“, „War-um wurde das Beck’s weltweit als ‚Schlüsselbier‘ bekannt? “- können Führungsteilnehmer diverses Zubehör ansehen, mit dem das Bier früher gebraut wurde. Im Anschluss daran wird das heutige Brau-Verfahren erklärt und veranschau-licht. Besonders zum Schmunzeln bringt einen die Tatsa-che, dass beispielsweise den Mitarbeitern in München ein größerer Anteil Bier pro Monat zusteht als denjenigen in Bremen: Während der Angestellte in Bremen zwei Kisten Beck’s im Monat geschenkt bekommt, sind es für seinen Kollegen in Bayern ganze acht Kisten.Das Highlight dürfte für viele Besucher die Bierverkostung sein (insgesamt drei Biersorten, darunter eins nach Wahl), die im Anschluss an die Führung stattfindet. Durch die auf der Führung neu gewonnenen Informationen darf fleißig geraten werden, ob man denn nun ein klassisches Beck’s trinkt oder ein Haake-Beck vor sich stehen hat.Eine Führung durch die Beck’s Brauerei ist nicht nur für Touristen interessant, sondern auch für alteingesessene Bre-mer, die sich auf die Spurensuche ihres Lieblingsbieres be-geben wollen. Karten für die Tour erwirbt man am besten auf www.bremen-tourismus.de oder aber direkt vor Ort. Die Führung dauert ca. 2h. Der Preis beträgt pro Erwach-senem 10,90 Euro (inkl. Bierverkostung), Studentenrabatt gab es leider nicht (Stand: Januar 2015). Voraussetzungen zur Teilnahme an der Führung sind ein Mindestalter von 16 Jahren sowie festes Schuhwerk.

Text: Veronika NeftFoto: Isabel Weiss

Kamayan - Ein kleines Stück Orient

in Bremen

Dem zumeist eher weniger exotischen Unialltag ent-fliehen, sei es auch nur für einen Abend… Für alle, die ebenfalls diesen Wunsch hegen, gibt es hier die

optimale Lösung gegen Fernweh.Etwas versteckt hinter dem Viertel gelegen, befindet sich ein gemütliches kleines Restaurant mit dem gewissen Extra: das Kamayan.Es verbirgt sich hinter der Tür eines unscheinbar wirkenden Eckhauses Am Hulsberg, Ecke Verdener Straße. Der Name Kamayan kommt aus dem Philippinischen und bedeutet „mit den Händen essen“, was den besonderen Clou des Re-staurants bereits erahnen lässt.Schon beim Betreten des Lokals - wobei man sofort den weichen Sand unter seinen Füßen spürt - zieht einen das be-sondere Ambiente des von orientalischen Lampen erleuch-

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Bremen

teten Raumes in den Bann. Statt auf Stühlen sitzt man auf bunten Sitzkissen direkt auf dem Boden, um dunkle Holz-tische herum. Gegessen wird, wie der Name schon sagt, mit den Händen, was jedem „Neuling“ im Kamayan erst ein-mal von der Bedienung erklärt wird. Zu jeder Hauptspeise wird Brot gereicht, welches nicht nur die Beilage, sondern auch das Besteck ersetzt.Zu den Gästen zählen neben Studenten und anderen jun-gen Menschen Personen unterschiedlichster Altersgruppen. Einzige Voraussetzung für einen Besuch: Zeit, Offenheit und Neugier für ein besonderes Ess-Erlebnis. Das Kamayan bietet nicht nur leckere Gerichte, es punktet vielmehr als Gesamtpaket. Wüsste man es nicht besser, könnte man meinen, irgendwo in der fremden Ferne gelandet zu sein, weit weg von der norddeutschen Mentalität Bremens.Das Kamayan ist der perfekte Ort für einen kulinarischen, entspannten und gemütlichen Abend in netter Gesell-schaft. Und vor allem: mit leckerem Essen. Die angebo-tenen Speisen kommen aus den verschiedensten Länder, unter anderem aus Afrika, Indien, den Philippinen und Kuba. Sowohl für Vegetarier als auch für Fleischesser hält die Speisekarte ein ausreichendes Angebot bereit. Zu den regulären Gerichten gibt es monatlich wechselnde Speisen, die zum Experimentieren einladen und immer wieder neue Länder vertreten.Das Fazit: Neben einer exotischen und sehr entspannten Atmosphäre, welche nicht zuletzt durch die durchweg freundliche und zuvorkommende Bedienung verstärkt wird, bietet das Kamayan eine kulinarische Bereicherung für jeden Gaumen.

Text: Jannika LiesenbergFoto: Marius Barth

Stadtführung mal anders -

Der Nachtwächter-Rundgang

Die historische Aufgabe eines Nachtwächters be-stand in früheren Zeiten darin, nachts einsam durch die Straßen und Gassen der Stadt zu gehen

und für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Doch heute sorgt der Bremer Nachtwächter für Spannung und Unterhaltung bei seinem nächtlichen Rundgang. Mit ihm zusammen entdeckt man die schönsten Sehenswürdigkeiten Bremens: den Marktplatz mit dem Rathaus, die Böttcherstraße und den Schnoor. Er erklärt historische Verfehlungen und die Geschichte der alten Hansestadt. Durch spannende Ge-schichten über längst vergangene Zeiten ist der Rundgang wie eine Reise in Bremens düstere Vergangenheit. Tradi-tionell erscheint der Nachtwächter mit Laterne, Horn und Hellebarde in den dunklen Gassen und gruselt mit seinen Geschichten von vergangenen Nächten. Mit kleinen Anek-doten lockert er die Atmosphäre auf. Aufregend und gru-selig könne es etwa werden, wenn jemand den Anschluss zur Gruppe nicht hält: Die bedauernswerte Person würde womöglich einer Straftat verdächtigt oder Opfer einer der uns heutzutage unbekannten Gefahren werden. Ja, es ist eine wirklich gelungene Mischung aus Unterhaltung und Informationen – quasi eine bremische Zeitreise.

Text: Katharina NowakBild unten: Älteste erhaltene Ansicht der Stadt Bremen Quelle: Wikimedia Commons

Treffpunkt: Stadtmusikanten am RathausBeginn: 21:30 UhrPreis: € 9,- / ermäßigt 8,-Ganzjährig jeden Freitag und Samstag Januar-April/November-Dezember 20:30 UhrMai-Oktober 21:30 Uhr und zusätzlich jeden Donnerstag Mai-Oktober 21.00 UhrGruppenbuchungen zu individuellen Terminen möglich.

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Wo fängt die Hilfe an? – Ein Projekt des Mütterzentrums Tenever

Fünfzehn Frauen aus acht verschiedenen Länder - und nur sechs sprechen Deutsch. Unter diesen Umständen begann im Februar das Projekt „Sprachcafé“. Einige der beteiligten Frauen sind seit Jahren in Deutschland und sprechen gebrochen Deutsch, andere leben seit Dezember 2014 in dem neu gebauten Flüchtlingsheim in Tenever. Wo beginnt nun die Hilfe, die wir leisten können?

Initiiert wurde die Idee von Jennifer Paul-Göcke. Sie leitet in Tenever einen „Mama-lernt-Deutsch“-Kurs des Paritätischen Bildungswerks und hatte das Gefühl, dass

einige ihrer Frauen die Sprache noch mehr anwenden müs-sen. Ihr Gedanke: Einen Raum für Sprache zu schaffen, in dem sich unterhalten wird wie in einem Café. Mit diesem Gedanken ist sie an die Uni und an das Mütterzentrum gegangen und hat sich nach Möglichkeiten und Helfern umgehört. Das Mütterzentrum in Tenever bietet Raum für solche Projekte seit mittlerweile 25 Jahren. Das Mütterzen-trum entstand aus einer Initiative von Frauen und wurde zu einer Institution in Tenever. Hier helfen Frauen anderen Frauen. Das Mütterzentrum bietet den Frauen eine Bera-tungsstellte für alltägliche Fragen, berufliche Orientierung, Sprachkurse, Weiterbildungen und vieles mehr. Ihnen wird geholfen, ein Leben in Deutschland zu führen.

So kam eine Gruppe von drei Mitarbeiterinnen und drei Studentinnen zusammen, die sich hinsetzte und überlegte, wie das Sprachcafé umzusetzen ist, welche Frauen eingela-den werden und was von unserer Seite aus getan werden soll. Ob nur Kaffee und Kuchen hingestellt wird und die eingeladenen Gäste schon miteinander sprechen wie in einem Café? Oder bieten wir ihnen wöchentlich ein Pro-gramm? Wir haben uns darauf geeinigt, die Gruppe erst einmal kennenzulernen und um dann mit ihnen ein Kon-zept zu entwickeln. Als das Projekt startete, standen wir vor einer großen He-rausforderung: Die Flüchtlinge, die im Dezember nach Deutschland kamen, konnten sich kaum auf Deutsch un-terhalten. So unterhielten wir uns die ersten Wochen mit Händen und Füßen. Da einige Frauen aus den gleichen

Ländern stammen und viele von ihnen mehrere Sprachen sprechen, schafften wir durch Übersetzungen die grund-legende Kommunikation. Das Sprachcafé wurde für die ersten Wochen zu einem Deutschkurs. Nach und nach merkten wir, dass sich eine Gemeinschaft bildete. Wir veranstalteten ein großes Frühstück und begleiteten die Frauen zum Frauentag in Tenever. Wir zeigten ihnen, dass sie willkommen sind, und die Frauen, die bereits Deutsch sprechen, halfen uns bei der Kommunikation. Von Woche zu Woche merkten wir kleine Veränderungen. Der Sprach-kurs entwickelte sich immer mehr zu einem Sprachcafé. Die Frauen kannten sich mittlerweile untereinander. Jeder wusste, bei wem er Übersetzungshilfe bekommt, und so wurde immer mehr gesprochen. Wir sprechen über alltägli-che Dinge, es werden Rezepte ausgetauscht und Tipps von Müttern an werdende Mütter gegeben. Das Sprachcafé hat sich zu einem Raum entwickelt, wo sich Frauen austau-schen können und neue Frauen aufgenommen werden. Es ist eine Anlaufstelle für diejenigen, die neu in Bremen und oder in Deutschland sind. Hier helfen die Frauen sich un-tereinander, die Sprache besser zu lernen. Trotz dieser enormen Fortschritte gibt es immer wieder Momente, in denen Schwierigkeiten aufkommen. Vor kur-zem wurde uns erst wirklich bewusst, dass viele der Frauen in ihrem Herkunftsland kaum eine reale Chance auf Bil-dung bekommen haben und daher gerade ihren Namen schreiben können. Des Weiteren kommt hinzu, dass fast jede Woche eine neue Frau hinzukommt. Wir nehmen ger-ne jede Frau, die unsere Hilfe möchte, auf, nur fängt jede einzelne dort an, wo das Projekt vor drei Monaten startete. Sowohl wir als auch die Frauen helfen den Neuankömmlin-gen, sich bei uns einzufinden und zu verstehen. Wir als Stu-denten sind weder ausgebildete Lehrer noch Sozialarbeiter, aber wir merken, dass durch unsere Hilfe die Frauen sich trauen, Deutsch zu lernen. Auch wenn jede Woche eine neue Herausforderung auf uns wartet und wir an manchen Tagen keine Fortschritte erkennen, kommt unsere Hilfe bei den Frauen an und wird gebraucht.

Text /Fotos: Antonia Cohrs

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Echte Liebe – Amateurfußball in Bremen

Mittelfeldregisseure mit Restalkohol im Blut und die obligatorische Kippe nach dem Spiel. Fer-nab vom Hochglanzfußball des Profi geschäfts erfreut sich der Amateurfußball immer größerer Beliebtheit. Dort, wo das Spiel noch echt ist, auf Schlammwüsten an verregneten Sonntagvor-

mittagen im November oder in der Gluthitze Mitte August.

immerhin bis zur Halbzeit ein 0:0. Ein Jahr später verpasste die Mannschaft des Bremer SV nur knapp die Sensation, als sie sich nach großem Kampf mit 0:1 der Elf von Eintracht Braunschweig geschlagen geben musste. Die Bremen-Liga ist zudem ein Sammelbecken regionaler Talente, die noch auf den großen Sprung hoff en.

Verständlicherweise schaff en es nur einige wenige in den Profi fußball. Als Musterbeispiel sei hier Terrence Boyd zu nennen, der über die Jugendmannschaft des FC Bremer-haven seinen Weg in die Reserveteams von Hertha und Dortmund fand, dann in die österreichische Bundesliga zu Rapid Wien wechselte und mittlerweile für RB Leipzig seine Fußballschuhe schnürt. Zudem machte ihn Jürgen Klinsmann 2012 zum Nationalspieler der USA.

Auf der anderen Seite fi nden sich hier viele Spieler, die eben diesen ganz großen Sprung verpasst haben – ehemalige Re-gionalligaspieler, Talente aus den Jugendabteilungen der Bundesligisten oder sogar Jugendnationalspieler. Akteu-re mit früheren Marktwerten im fünf- oder sechsstelligen Bereich sind zwar keineswegs die Regel, aber durchaus vorhanden. Insgesamt ist das Niveau gerade in der oberen

Der Bremer Amateurfußball gliedert sich im Her-renbereich in neun Klassen. Hinzu kommen vier Klassen im Damenbereich sowie unzählige Ligen

in den verschiedenen Altersklassen der Jugendmannschaf-ten. Besonders in den unteren Spielklassen lassen sich so manche Klischees nicht von der Hand weisen. Schlacke-plätze, nicht vorhandene Abwehrreihen, sich selbst verwal-tende Mannschaften und Torhüter mit Bierbauch dominie-ren - nicht ganz unberechtigt - gängige Vorstellungen des Amateurfußballs. Trotz aller Klischees darf man den Professionalisierungs-grad nicht unterschätzen, der mittlerweile in den (oberen) Amateurligen Einzug gefunden hat. Bereits in der Landes-liga erhalten viele Spieler Zuwendungen, etwa in Form von Ausrüstungsmaterial oder fi nanziellen Vergütungen. In der höchsten regionalen Spielklasse, der Bremen-Liga, sind fes-te Gehaltszahlungen und Ablösesummen für Neuverpfl ich-tungen keine Seltenheit. Hier messen sich Teams, die unter anderem alljährlich um den DFB-Pokal-Einzug spielen. 2013 schaff te bspw. die SG Aumund-Vegesack aus dem Bremer Norden die Qualifi kation und hielt in der ersten Runde gegen den Bundesligisten TSG 1899 Hoff enheim

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Bremen

anzuziehen. Dies zeigt sich nicht zuletzt beim alljährlich in der ÖVB-Arena stattfindenden Bremen-Cup. Bis zu 7000 Zuschauer sind dabei, wenn die besten acht Teams der Bre-men-Liga aufeinandertreffen.

Auch hinsichtlich ihrer Fan-Basis müssen einige Bre-men-Ligisten keine Vergleiche mit höherklassigen Teams scheuen. So hüllte alleine der Blumenthaler SV beim letz-ten Bremen-Cup eine komplette Tribüne in seine Farben und sorgte für lautstarke Unterstützung der eigenen Mann-schaft. Darüber hinaus besitzen die Blumenthaler einen ei-genen Fanshop, in dem Trikots und Fanschals verkauft wer-den, und schicken eigene Fanbusse zu besonders wichtigen Auswärtsspielen. So auch beim letztjährigen Bremer Pokal-finale, als die Begegnung zwischen den Blumenthalern und dem Bremer SV 2500 Zuschauer anzog.

Doch auch unterhalb der Bremen-Liga lohnt sich ein Be-such. Für echte Fußballpuristen gestaltet sich ein Kreisli-ga-Match möglicherweise sogar noch interessanter als das oftmals sehr gepflegte Spiel der Bremer Spitzenklubs. Da wird Fußball noch wirklich gearbeitet. Die Bezahlung der Spieler erfolgt höchstens in Form von Bier, Eisspray ist das Patentrezept gegen jegliche Art von Verletzungen und nur zur Kohlfahrt ist der gesamte Mannschaftskader vollständig angetreten. Doch selbst hier, wo die Seitenlinien nicht im-mer gerade und der Schiri nicht immer pünktlich ist, un-terscheidet sich die Fußballwelt gar nicht mal so sehr vom Profifußball. Der Ehrgeiz der Spieler ist der gleiche, die Ver-bundenheit der Fans ist mindestens ebenso eng. Auch hier

riecht es nach Bier und Bratwurst, auch hier bevorzugt der Schiedsrichter grundsätzlich den Gegner, auch hier hätte jeder Zuschauer den 40-Meter-Pass besser unter Kontrol-le gebracht. Und eine bessere Aufstellung als der Trainer würde man ja allemal hinbekommen. Fußballexperten an der Seitenlinie und Fußballprofis auf dem Platz – wie in der Bundesliga. Nur halt auf Schlacke. Wenn sich also das nächste Mal bereits am Freitagabend dein Geld in Alko-holdunst aufgelöst hat, du schon wieder keine Karte für Werder bekommen hast oder einfach nur eines Tages durch die Gegend spazierst und merkwürdige Rufe wie: „Schiri, immer der Fünfer“ oder „Gönn dir einen“ vernimmst, fol-ge ihnen und lass dich auch von fehlenden Linienrichtern nicht abschrecken. Eigentlich ist es wie Bundesliga. Nur das Bier ist günstiger.

Text: Felix WendlerFotos: Katrin Pleus

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Feuilleton

Wird unsere Sprache irgendwie ergänzt oder verändert, ist regelmäßig mit heftigen Reaktionen zu rechnen. In Bremen stand angesichts der aktuellen Wahl das Thema Leichte Sprache zur Debatte.

Eine Auseinandersetzung.

Das große Missverständnis

Normalerweise ist Sprache für die meisten Men-schen kaum mehr als ein bloßes Instrument. Trotzdem empfinden viele Menschen eventuelle

Veränderungen als Angriff auf ihre Identität. Wer erinnert sich beispielsweise nicht an die Rechtschreibreform? Der Kampf gegen Anglizismen gehört innerhalb bestimmter Kreise gar zur Folklore. Dass darüber hinaus aber ein großer Teil der Bevölkerung zumindest in der gesprochenen Spra-che zum Beispiel auf die richtige Verwendung des Genitivs verzichtet, hat angesichts der aktuellen Debatte eine ganz eigene Ironie.

Leichte Sprache – was ist das?

Leichte Sprache ist der Versuch, eine verständlichere Varie-tät der sogenannten Standardsprache zu entwickeln. Große Bekanntheit erlangte sie dieser Tage bei der aktuellen Bür-gerschaftswahl, denn diesmal erhielten alle Bremer Wahlbe-rechtigten ihre Wahlunterlagen in Leichter Sprache. Viele haben sich darüber zunächst einmal gewundert. Die Idee dahinter wurde von Menschen mit Lernschwie-rigkeiten selbst vorangetrieben. International gesehen spielt das Thema bereits seit 1974 eine Rolle. Damals wurde in den USA die Organisation People First gegründet. Das Easy Read-Konzept entwickelte sich etwa 20 Jahre später. In den Folgejahren kam die Idee dann auch nach Deutschland, wo es in Bremen seit 2004 das erste Büro für Leichte Spra-che überhaupt gibt. Dort werden Texte in Leichte Sprache übersetzt und von Menschen mit Lernschwierigkeiten auf ihre Verständlichkeit hin überprüft. „Mittlerweile gibt es schon über 80 Büros, die sich dem Thema widmen“, erklärt Anne Wrede, stellvertretende Leiterin des Bremer Büros. Auch daran ist ersichtlich, wie ernst das Thema mittlerweile genommen wird. Um zu verstehen, was Leichte Sprache ist, genügt es aber nicht, sich ein einfacheres Alltagsdeutsch vorzustellen. Im Gegensatz zur kaum reglementierten einfachen Sprache steht dahinter ein ganzer Katalog an Regeln, der Empfeh-lungen zur Orthografie und Grammatik ebenso beinhaltet wie typografische und Layout-Fragen.

Die Regeln

So wird empfohlen, einfache Wörter schwierigen vorzuzie-hen. Statt umfassender Begriffe sollen konkrete verwendet werden. Komposita werden durch einen Bindestrich ge-trennt. Ist mehrfach dasselbe gemeint, sollen auch dieselben Bezeichnungen herangezogen werden. Darüber hinaus sind

lange Wörter ebenso zu vermeiden wie unbekannte Abkür-zungen. Auf Substantive und das Passiv ist zugunsten von Verben und Aktiv-Konstruktionen genauso zu verzichten wie auf den Gebrauch des Genitivs. Das Regelwerk umfasst noch weitere Hinweise. Neben einer angemessenen Schrift-größe und der Verwendung leicht zu lesender Schriftarten empfiehlt das Netzwerk Leichte Sprache unter anderem, die Texte mit einfachen Bildern zu ergänzen.

Sinn und Zweck

Dahinter steht der Versuch, benachteiligten Menschen den Zugang zu Wissen und Information zu ermöglichen. Dass gerade sie es sind, die Übersetzungen prüfen, betont das noch einmal besonders.Der wahre Kern der Kritik aufseiten der Bevölkerung und vieler Wahlberechtigter besteht darin, dass jene Leute of-fensichtlich keinen Bedarf an einer einfacheren Sprache hatten. Um diese Menschen geht es bei diesem Pilotprojekt jedoch nicht. Die UN-Behindertenrechtskonvention von 2009 fordert Inklusion auf allen Ebenen ein. Der Zugang zu Wissen gehört dazu und genau daraus speisen sich die aktuellen Bemühungen der Bremer Politik. Denn obwohl die damit angesprochenen Menschen Lernschwierigkeiten haben, folgt daraus nicht, dass bei ihnen nicht das Bedürf-nis besteht, ihr Recht auf politische Mitbestimmung wahr-zunehmen. „Außerdem gibt es Erkrankungen, die zu einer Beeinträchtigung des Sprachverständnisses führen können. So können beispielsweise Schlaganfallpatienten eine „Apha-sie“ genannte Sprachstörung erleiden und somit unerwartet auf eine verständlichere Sprache angewiesen sein“, erklärt Wrede. Die Botschaft daraus: Es kann alle betreffen.

Ein paar Regeln:

Einfache WörterSchlecht: genehmigenGut: erlaubenWörter, die etwas genau beschreibenSchlecht: Öffentlicher NahverkehrGut: Bus und BahnAktive WörterSchlecht: Morgen wird der Heim-Beirat gewählt.Gut: Morgen wählen wir den Heim-Beirat.

(Auszug aus dem kostenlosen Ratgeber für Leichte Spra-che vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales.)

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Feuilleton

Die Kritik

Der Großteil der Kritik beruht darauf, dass viele ihre intellektuellen Fähigkeiten angezweifelt sehen. In den Publikumsbriefen des Weser-Kuriers ist von „unnöti-ger Vereinfachung“ die Rede; an anderer Stelle wird eine „Misshandlung der deutschen Sprache“ wahrgenommen. Wrede, selbst Germanistin, erklärt dazu: „Es tut mir nicht weh, Leichte Sprache zu lesen. Es tut mir aber weh, wenn Menschen ausgeschlossen werden.“ Der wiederholte Ver-weis auf einen fehlenden Genitivgebrauch und „bewusste Grammatikfehler“ in den Reaktionen offenbart aber auch, dass die Menschen nicht wissen, dass es sich hierbei um ein durchdachtes, aus der Praxis stammendes Konzept handelt. Der Vorwurf, es handele sich um eine infantile Sprache, erscheint manchen vielleicht als nachvollziehbar. Char-mant ist das jedoch nicht. Eine Kritikerin teilte den be-teiligten Einrichtungen sogar mit: „Wer den Genitiv nicht beherrscht, der sollte auch nicht wählen dürfen.“ Wer ande-ren derart nonchalant ein Grundrecht abspricht, offenbart, dass es bei der eigenen Sprache mit der Toleranz schnell vorbei sein kann.Stellenweise ist die Kritik durchaus nachvollziehbar. Die meisten Menschen dürften im Zuge der Bürgerschaftswahl erstmals mit der Leichten Sprache in Berührung gekom-men sein. In mehreren Gesprächen haben sich die Leute so etwas wie ein beigelegtes Karteikärtchen oder einen konkre-ten Hinweis auf eine erklärende Internetseite gewünscht.

Und trotzdem

Doch in Politik und Behörden gehört die Sprache vermehrt zum Standardangebot. Politische Organisationen ergänzen ihre Internetpräsenz darum und Parteien bieten entspre-chende Versionen ihrer Wahlprogramme an. Wir könnten diese Debatte indes nun auch zum Ausgangs-punkt neuer Fragestellungen machen: Kann es sich die postulierte inklusive Gesellschaft wirklich leisten, Menschen vom Wahlakt und vom Recht auf freie Information auszu-schließen? Und darüber hinaus: Ist die Frage verständlicher Sprache wirklich eine bloß wenige Menschen betreffende? Wie oft moniert die breite Masse die undurchdringbaren Fachwortmauern politischer Reden? Wer kennt nicht auch jemanden, der der Boulevardpresse bei aller Antipathie zu-gute hält, die Dinge in einfacher Sprache zu benennen? Sol-cherlei Kritik gibt es selbst an den Hochschulen.Das Bedürfnis nach verständlicher Sprache ist von gesamt-gesellschaftlicher Bedeutung. Niemandem geht es darum, die sogenannte Standardsprache abzuschaffen. Wer nicht will, muss auf nichts verzichten, Fachbücher und Weltlite-ratur bleiben erhalten – glücklicherweise! Auch in diesem Fall bedeutet Inklusion kein Weniger, sondern ein Mehr, indem mehr Menschen zum eigenständigen Handeln be-fähigt werden. Vielleicht ist die Universität ein guter Raum, um sachlich über Leichte Sprache zu diskutieren. Im kritischen Fragen ist die Forschungsgemeinschaft eigentlich geübt: Lässt sich die Evaluation der Leichten Sprache verbessern? Welche Regeln werden noch benötigt? Gibt es Elemente der Va-rietät, die für geübte Sprechende der sogenannten Stan-dardsprache unverständlich sind oder besonders irritieren könnten? Ist die Kritik berechtigt, dass es wichtiger wäre, allen Menschen beizubringen, schwierigere Sprache zu ver-stehen, anstatt diese zu vereinfachen? Ist das denn immer möglich?Es handelt sich um eine Diskussion, die von allen ehrlich Interessierten und den Betroffenen selbst offen und nach-vollziehbar geführt werden muss. Die Forschungsgemein-schaft kann die Entwicklung derweil kritisch-konstruktiv begleiten. Am Ende sollte jedenfalls klar sein, dass die Frage von Inklusion und Menschenrechten keine ist, die in den Publikumsreaktionen des Weser-Kuriers entschieden wird.

Text: Björn Knutzen

© Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung Bremen e.V. Illustrator Stefan Albers, Atelier Fleetinsel, 2014

In der Leichten Sprache werden solche Bilder vielfach eingesetzt.

Das Bremer Büro für Leichte Sprache:www.leichte-sprache.de

Die Nachrichten in einfacher Sprache:www.nachrichtenleicht.de

Freies Wörterbuch für Leichte Sprache:www.hurraki.de

Fußballregeln in Leichter Sprache:www.lebenshilfe-bremen.de/files/Fus-sball-Regeln_in_Leichter_Sprache.pdf

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Feuilleton

Solange Bied-Charreton:

Enjoy

Lesetipps

Der Bildschirm versperrte die Sicht, da, wo der Traum das Leben ermöglichte.

Charles Valérien lebt lieber virtuell als real. Er genießt nicht die Partys, sondern feiert deren Ankündigung im sozialen Netzwerk ShowYou, findet die Mäd-

chen in den Online-Alben schöner als in der Wirklichkeit und zieht eigentlich nicht in seine neue Wohnung, sondern mehr und mehr in den Show-Room ein, in den er Videos und Fotos des Umzugs hochlädt. Wenn er nicht klickend am PC sitzt, lebt er durch die Beobachtung anderer Leben: Da sind die alte Dame von gegenüber mit ihrer Katze sowie der gescheiterte Sportler in der Wohnung darüber, der zum zynischen Bestsellerautor geworden ist und fast jede Nacht neue Groupies mit in sein Bett bringt. Charles nimmt die Welt durch die Erfahrungen der Anderen wahr und vergisst dabei, sich selbst ins Leben zu stürzen. Bis er Anne-Laure trifft. Die hat keinen ShowYouAccount – und lebt. In eindrücklicher Sprache beschreibt die junge französische Autorin Solange Bied-Charreton, was passiert, wenn zwei Welten aufeinanderprallen, und wie wichtig es sein kann, das eigene Verhalten in Frage zu stellen. Sie macht dabei auf die Gefahr des Selbstverlustes aufmerksam, der entsteht, wenn man vergisst, etwas zu wagen. Enjoy zeigt nicht nur die Allgegenwärtigkeit der Medien und die aufkommende Gefahr, wenn der Bildschirm zunehmend die Realität er-setzt, sondern betont auch die Wichtigkeit von Erinnerung, von Familie, von neuen Chancen und Entdeckungen. Und vor allem aber die Wichtigkeit, den Sprung ins Leben zu wagen und es mit allen Sinnen zu fühlen.

Unter dem Sonnenschirm behielten wir unseren Ganz-körperanzug an, aus Angst vor Hitze und Kälte. Doch um ins Meer zu springen, musste man sich ausziehen, auch auf die Gefahr hin, im Spott zu ertrinken und den

Tod zu verlieren.

Text: Aaltje Anhalt

Weitere Rezensionen, Arti-kel und Kurzgeschichten von Aaltje Anhalt auf: federnd.wordpress.com

Vor 18 Monaten erschienen die Geister: Bewegungs-los, leuchtend, ungefährlich und die Gesichter der Sonne zugewandt, drehen sie sich auf der Stelle, wo

sie einst gestorben sind. Sie sind überall auf der Welt, und stündlich werden es mehr Geister, die die Städte und das Land in ihr unheimliches Totenlicht tauchen. Das wirkli-che Problem entsteht aber erst mit ihrem Lächeln.Die 19-jährige Ich-Erzählerin Rain und ihre jüngere Schwester Emma sind an der Absturzstelle des Flugzeugs, in dem ihre Eltern vor drei Jahren ums Leben kamen. Mitten in der Wüste Andalusiens warten sie und ein fremder Mann auf das Erscheinen der Geister. Kurz nach ihrem Erschei-nen beginnt das Lächeln. Die Leiche des Unbekannten inmitten der leuchtenden Geister zeigt, wie tödlich dieses Lächeln ist.Nach dieser ersten Smilewave erscheint der Norweger Ty-ler an der Absturzstelle. Sein Verdacht verhärtet sich, der Flugzeugabsturz sei inszeniert, um einer Personengruppe habhaft zu werden, die jeweils ein Nahtoderlebnis hatten. Denn es fehlen zwölf Geister. Tylers Freundin Flavie ist ei-ner dieser fehlenden Geister, einer der Nahtod-Menschen. Was geschah mit diesen Menschen? Steckt die fragwürdige Sekte „Tempel des liebenden Lichts” dahinter und gibt es einen Zusammenhang zu den Geistern und ihrem tödli-chen Lächeln?Und so beginnt ein apokalyptischer Road Trip, bei dem die drei herauszufinden versuchen, was passiert ist. Während die Erzählerin Rain leider insgesamt etwas farblos bleibt, ist Emma die eigentliche Hauptperson. Ihre fremdartige Art, Situationen zu analysieren, und ihre emotionslosen, aber zweckdienlichen Aktionen sind es, die die Story voran bringen und uns mitfiebern lassen. Wirklich überzeugend ist aber vor allem die gesamte Story. Als Leser erlebt man ein auf technische Entwicklungen basierendes, düsteres Endzeit-Szenario. Die einfache, aber anschauli-che Schreibweise von Kai Meyer lässt einen Seite um Seite umblättern, in dem Verlangen endlich heraus-zufinden, was es mit dem Erscheinen der Geister, ihrem tödlichen Lächeln und den verschwundenen Menschen auf sich hat.

Text: Pia Zarsteck

Kai Meyer:

Phantasmen

© Sujet Verlag© Carlsen Verlag

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Feuilleton

„Feine Sahne Fischfilet“ und ihr Abriss im Schlachthof

Eine Provinzband auf dem Weg zum

Headliner

Es ist wieder Ruhe eingekehrt, nachdem die fünf Jungs aus dem wunderschönen Mecklenburg-Vor-pommern hier in Bremen spielten. Das mittlerweile

dritte Konzert der Band sorgte schnell für einen ausver-kauften Schlachthof. Grandiose Entwicklungsstrategien à la Audiolith, dem Hamburger Plattenlabel, wie einst bei Frittenbude, die genauso auf große Bühnen und in coole Locations geschickt wurden. Obwohl ich die Musik und die Aussagefähigkeit der Texte nicht vergleichen will. Den-noch ist Feine Sahne Fischfilet eine Band, die ich mir nach meinem ersten Konzert in Wolgast, der tiefsten Provinz Mecklenburg-Vorpommerns, immer wieder ansehen wer-de. Warum? Das frage ich mich bis heute, aber die aussage-kräftigen Texte gegen Rassismus, Faschismus, Homophobie und Staat faszinieren genauso wie die musikalische Unter-malung. Das Album „Bleiben oder Gehen“ erschien Anfang des Jah-res und sollte mich nunmehr begeistern wie die letzten Al-ben. Musikalische Weiterentwicklung und Texte, die kurz und knapp alles sagen, was in der heutigen Gesellschaft verschwiegen wird. Texte wie: „Ständig nur Gelaber, stän-dig Phrasendrescherei. Ach, was seid ihr doll schockiert, ich nenne es nichts als Heuchelei“ von dem Album „Scheitern & Verstehen“ zum Beispiel. Oder auch auf dem neuen Al-bum: „Ganz egal was es verspricht. Was hat der Staat damit zu tun? Wer steht hinter dem NSU? Nennen druckvoll das, was nicht jeder laut sagen würde.“ Ein Hauch von Drama-tik, harte Gitarrenriffs und heftige Schlagzeugsoli machen das Album zum echten Hinhörer. Außerdem können Songs wie „Warten auf das Meer“ und „Ruhe“ auch mal zum ent-spannten Kaffeetrinken mit Oma und Opa einladen. Der Hörer erkennt in diesem Album die Nähe zu Mecklenburg, aber auch, dass private Dinge wichtiger Bestandteil der Tex-te sind. Vor Beginn des Konzertes hier in Bremen machte die Band ironisch darauf aufmerksam, dass sämtliche pyrotechni-schen Mittel strengstens untersagt sind, aber dennoch der Schlachthof abgerissen wird. Die beiden Vorbands waren, wie man es vom Familienunternehmen Audiolith kennt, natürlich Freunde der Band. Vodka Revolte konnten die Stimmung mit geistreichem Punkrock anregen und auch den letzten Biertrinker von der Bar holen. Waving the Guns übernahmen die Stimmung nahtlos und luden mit politi-schem Rap zu Tanzeinlagen und Mitsingen ein. Als dann Feine Sahne Fischfilet auf die Bühne kamen, war kein Hal-ten mehr. Dass „Bleiben oder Gehen“ ein Brett ist, weiß

meine Anlage zuhause schon, aber Live gibt es sicher we-nige Alben, die so begeistern können. Kein Zaun vor der Bühne forderte das Publikum geradezu dazu auf, auch mal stagedivend die Musik zu genießen. Bei alten Songs wie „Komplett im Arsch“ oder „Wasted in Jarmen“ grölten aus-nahmslos alle im ausverkauften Schlachthof mit. Der Sän-ger und Frontmann Monchi konnte zwischen den Songs einige politische Themen ansprechen, stieß aber bei einigen im Publikum nicht auf Gehör. Manchen Besuchern war es anscheinend wichtiger, Fotos zu machen, um zu Hause zu erzählen, wie schön das Konzert doch war. Monchi wies da-rauf hin, dass es nicht nur darum geht, Parolen auf Konzer-ten zu schreien und im Internet die dicken Eier zu zeigen, sondern auch mal auf die Straße zu gehen und was zu be-wirken. Man soll dort den Faschos entgegentreten und sich darüber informieren, was in diesem Land alles falsch läuft. Auch Monchi engagiert sich auf vielen Demonstrationen und macht in dem Video von dem Song „Verliebt“ der An-tilopen Gang auf Homophobie aufmerksam und knutscht dort mit Danger Dan.Ich denke, dass Feine Sahne Fischfilet eine Band ist, die bereits dabei ist, sich politisch und vor allem musikalisch im Musikgeschäft zu etablieren. Der harte Kern der Fans steht hinter ihnen und da ist es egal, ob 200 Leute irgend-wo auf einer Wiese bei Anklam zur nächsten Releaseparty kommen oder ob man im Sommer bei Rock am Ring die Hütte abreißt. Auf dem Teppich geblieben sind sie und das zeichnet sie aus. Übrigens das nächste Mal live zu sehen auf dem Deichbrand Festival in Cuxhaven.

Text: Clemens Knüppel

Herkunft: Mecklenburg-VorpommernGründungsjahr: 2007Genre: Punkrock

Aktuelle Besetzung Jan „Monchi“ Gorkow (Gesang)Christoph „Tscherini“ Sell (E-Gitarre, Gesang)Jacobus „Köbi“ North (Trompete)Max „Mäxer“ Bobzin (Trompete)Kai „Champ“ Irrgang (E-Bass)Olaf „Oleg“ Ney (Schlagzeug)

Monchi (in der Badewanne) und seine Bandkollegen

© owieole

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FeuilletonFeuilleton

Feine Sahne Fischfi let – Interview mit dem Sänger Monchi

Feine Sahne Fischfi let… bitte stellt euch doch mal vor: Wer seid ihr eigentlich und was hat es mit dem Namen auf sich?

Zu sechs geilen, heißen Beachboys gehört ganz einfach auch ein geiler Bandname.

Was macht euch und eure Musik aus? Was ist euch besonders wichtig? Politik?

Politik und Scheine!

Was wollt ihr euren Zuhörern und Fans mitgeben?

Unseren Merchandise.

Wie wichtig sind euch die Konzerte – muss Musik heute noch live funktionieren?

Ja!

Ihr habt ein neues Album am Start – wie zufrieden seid ihr? Habt ihr ein Lieblingsstück und war-um/warum nicht?

Wären wir nicht zufrieden gewesen, hätten wir es nicht ver-öff entlicht. Gibt Hit auf Hit!

Ihr wart im März in Bremen und habt den Schlachthof auseinandergenommen. Ist Bremen für euch ein wichtiger Stopp auf euren Tourneen?

Ja, weil hier Homies für uns extra ein Grünkohlessen or-ganisiert haben.

Wie gefällt es euch in Bremen, das Pu-blikum und das Nachtleben? Stichwort Aftershow-Party im Tower!

Tower war top. Richtig abgefuckt war die Party auf‘m Schiff danach. Zig Leute, die zu Happy Hardcore abgehen. Defi -nitiv eine der abgefucktesten Aftershow-Partys der bisheri-gen Tour. Nur Freaks. Sah aus wie inne 90er. 1a!

Und wie steht ihr zu eurer Heimat?

Heil Mecklenburg-Vorpommern. Wir werden dir immer folgen, egal welchen Weg du gehst. Für dich funktionieren wir einfach. Immer und überall. Geschlossen ...

Und zum Abschluss: Gibt es eine Inter-viewfrage, die euch noch nie gestellt wurde, die ihr aber immer schon mal beantworten wolltet?

„Was hat es mit euren Bandnamen auf sich?“

Interview: Pia Zarsteck

Schreiben mit reinem Gewissen - Ethik im Journalismus

Egal, ob man für Tageszeitungen, Online-Medien, den lokalen Radiosender oder ein Uni-Magazin arbeitet: Wer publiziert, trägt eine große Verantwortung.

Dabei steht man als Journalist in einem Spannungsfeld zwischen dem Informationsbedürfnis der Öff entlichkeit, dem Schutz der Privatsphäre jener, über die berichtet wird, und einem kommerziellen Interesse, dem man wohlmög-lich nachzugehen hat. Hinzu kommt das eigene Gewissen. Doch nach welchen Maximen richtet man sich, um mo-ralisch vertretbare Entscheidungen für seine Veröff entli-chungen zu treff en? Und lässt sich das Ganze auch wirklich praktisch umsetzen?

Publizistische Selbstkontrolle

1973 wurden zum ersten Mal die Publizistischen Grund-sätze veröff entlicht. Der Pressekodex ist eine Art freiwillige Selbstverpfl ichtung, die im Rahmen von 16 Ziff ern Maßstä-be hinsichtlich der Berichterstattung und journalistischen Verhaltens setzt. Regelmäßig überarbeitet und ergänzt der Presserat diesen Kodex. So wurde in den vergangenen Jah-ren beispielweise die Gültigkeit der ethischen Grundätze auf Online-Medien und Social Media-Kanäle erweitert. Mit der Verpfl ichtung zur Einhaltung des Pressekodex – die die meisten deutschen Verlage eingegangen sind – geht

© Clemens Knüppel

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auch einher, Beschwerden anzuerkennen, wenn gegen den Inhalt des Kodex verstoßen wurde, und diese auch zu pu-blizieren. Dennoch wird sich nicht immer daran gehalten: Im September 2014 sprach der Presserat eine Missbilligung gegen den Spiegel aus, der unter dem Titel „Stoppt Putin jetzt!“ die Opfer des Fluges MH17 auf dem Magazin-Cover abdruckte. Laut Presserat habe das Nachrichtenmagazin die Persönlichkeitsrechte der abgebildeten Opfer verletzt und sie „zur Emotionalisierung für die im Titel enthaltene po-litische Th ese instrumentalisiert“. Auch wenn das Magazin online Stellung zu der Kontroverse bezog, die sich nach der Magazinveröff entlichung entwickelte – die Kritik des Pres-serates wurde nicht veröff entlicht. Folgen hat dies keine, die Urteile des Presserates halten keine weitreichenden Sankti-onsmöglichkeiten inne.

Selektive Realität

Der Pressekodex gibt jedem, der journalistisch tätig ist, Leitsätze an die Hand. Die wahrhaftige Widergabe von Beobachtungen, Sorgfalt beim Recherchieren und Unab-hängigkeit im Urteil sind drei Maximen, die im Journalis-mus gelten. Doch selbst bei Einhaltung aller moralischen Ideale – vollständig wahrhaftig ist der Journalismus nie, egal in welchem Format. Das beginnt schon mit der Aus-wahl neuer Artikelthemen. Relevanz, Nachrichtenwert und Subjektivität wirken immer auf die Selektion mit ein. Das Ideal, der Leserschaft alle Informationen wiederzugeben, ist schlichtweg eine unlösbare Aufgabe. Stattdessen muss refl ektiert werden, wie über die ausgewählten Th emen be-richtet wird. Sind Recherchewege klar erkennbar? Persön-

liche Meinungen kenntlich gemacht? Quellen nachvoll-ziehbar? Guter Journalismus bedeutet nicht, alle Aspekte abzudecken, aber er gibt der Leserschaft die Möglichkeit, sich eine eigene Meinung zu bilden.

Wächter der Presse

Ob Journalisten moralische Maximen in ihren Publikatio-nen richtig umsetzen, kontrolliert die Öff entlichkeit. Mitt-lerweile steht der Deutsche Presserat nicht mehr alleine da mit seiner Wächterfunktion. Mit der Zunahme der Digi-talisierung der letzten Jahre und Jahrzehnte häuft sich die Existenz sogenannter „Watchblogs“. Diese setzen sich mit einem bestimmten Th emengebiet auseinander, beobachten und beurteilen dies kritisch und informieren über aktuelle Entwicklungen. 2004 tauchte bildblog.de erstmals im Inter-net auf mit der Aufgabe, sich kritisch mit der deutschen Presselandschaft auseinanderzusetzen. Das Team bildet eine kleine Gruppe von Journalisten, die in Zusammenar-beit mit ihren Lesern „tagesaktuelle sachliche Fehler, Sin-nentstellendes und bewusst Irreführendes in der Berich-terstattung“ aufzeigen wollen. Anfangs setzen sie sich mit Bild, Bild am Sonntag und Bild.de auseinander – seit 2009 auch mit anderen Medien. Fragwürdige Publikationen werden nachrecherchiert, Originalquellen herangezogen und Betroff ene sowie Experten befragt. Mit den Th emenfeldern digitale Öff entlichkeit, Politik und Ökonomie setzt sich der Autoren-Blog Carta aus-einander. 2009 wurde dieser mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet: Die Website biete unabhängigen, relevanten und seriösen Journalismus, der nicht aus einem Haus der alten Medien stammt. Darüber hinaus engagiert sich der gemeinnützige Carta e.V. für einen off enen Infor-mationsaustausch in der Gesellschaft, indem zum Beispiel Diskussionsveranstaltungen organisiert werden, die insbe-sondere Meinungs- und Medienfreiheit thematisieren.

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Gegen wen sich die beim Presserat 2013 eingereichten Beschwerden richteten:910 Beschwerden insgesamt (exklusive 119 Sammelbeschwerden)

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Journalismus als öffentlicher Diskurs

Ein besonderes Angebot des digitalen Journalismus ist die Seite krautreporter.de. Das Crowdfunding-Projekt ist im Herbst 2014 gestartet. Es geht um Journalismus mit Zeit, schreiben die Autoren. Zeit für Recherche, um eine Ge-schichte erzählen zu können und Hintergründe verständ-lich zu machen. Krautreporter bildet eine Community, der nicht nur die aktiven Journalisten der Seite angehören. Un-terstützer, Leser und Autoren setzen die Krautreport-Red-aktion zusammen – eine gewollte öffentliche Debatte für besseren Journalismus. Zentral ist dabei eine unabhängige Berichterstattung. Auf krautreporter.de gibt es keine bezahl-ten Anzeigen, Klickzahlen müssen nicht erreicht oder der Nachrichtenwert beachtet werden. Stattdessen finanziert sich die Community durch Mitgliedsbeiträge, die sich auf monatlich 5 Euro belaufen. Ermöglicht wird dadurch eine fundierte Berichterstattung, die auf einer größtmöglichen Transparenz basiert. Autoren müssen ihre Nebentätigkeiten sowie bezahlte Aufträge, die nicht journalistisch sind, ver-öffentlichen. Damit sollen mögliche Interessenskonflikte kenntlich gemacht werden. Fehler, Befangenheit und per-sönliche Beziehungen müssen aufgeklärt werden und die Leserschaft soll möglichst alle Originalquellen nachvollzie-hen können. Krautreporter.de setzt sich aktiv mit dem Pres-sekodex auseinander, doch das idealistische Unterfangen geht auch mit Kritik einher. Zu wenige Beiträge, zu geringe Auswahl an Autoren, langweilige Beiträge, hieß es in der

allgemeinen Kritik anderer Medien. Doch in einem eigens eingeforderten Feedback drückte ein Großteil der Befrag-ten Zufriedenheit mit der journalistischen Plattform aus. Regelmäßig stehen deutsche Massenmedien unter starker Kritik. Journalistische Grundsätze werden öffentlich ange-zweifelt – Unabhängigkeit, Wahrhaftigkeit, Glaubwürdig-keit stehen in der Kritik. Das Buch „Gekaufte Journalisten“ rangiert in den Top Ten der Spiegel-Bestseller-Liste – der Bürger ist offen für Medienkritik. Doch der deutsche Jour-nalismus setzt sich mit sich selbst kritisch auseinander, auch wenn viele Projekte noch im Beta-Stadium sind. Jetzt gilt es dran zu bleiben!

Text: Lisa UrlbauerIllustration: Ulrike Bausch

• Alle Informationen zur Arbeit des Presserates und der Pressekodex sind unter www.presserat.de zu finden• Medienkritische online Berichterstattung gibt es beispielsweise unter www.bildblog.de und www.carta.info • Unabhängigen Journalismus im Netz gibt es unter www.krautreporter.de. Für monatlich 5 Euro kön-nen Mitglieder an Diskussion teilnehmen, Themen vorschlagen und exklusive Inhalte lesen.

Vor wenigen Tagen erschien mit „Die Schlacht der fünf Heere“ der letzte Teil von Peter Jacksons äußerst erfolgreicher „Hobbit“-Trilogie auf DVD und Blu-ray. Nur wenige Wochen zuvor startete „Game of Thrones“ mit viel Getöse in die neue Staffel. Warum Mittelalter-Fantasy so erfolgreich

ist wie noch nie.

Gewalttätig und blutdürstig - oder edel und prunkvoll: Warum das Mittelalter so anziehend wirkt

Die Vorfreude ist riesig. Millionen Fans weltweit fiebern dem 12.04.2015 entgegen. Der amerika-nische Pay-TV-Sender HBO setzt in der mittler-

weile fünften Staffel seiner Erfolgsserie „Game of Thrones“ die Machtkämpfe um den „Eisernen Thron“ fort. Die neue Staffel soll fast zeitgleich in 170 Ländern starten.Doch selbst das ist einigen Fans nicht genug. Am Vorabend der Staffelpremiere werden die ersten vier Episoden – im-merhin fast die Hälfte der gesamten Staffel – geleaked und bereits vor offiziellem Staffelstart eine Million Mal herun-tergeladen. Ohne das illegale Downloaden von Filmen und Serien kommentieren zu wollen – diese Zahlen zeigen, wie

begehrt die Mittelalter-Fantasy-Serie ist. Und ganz so furchtbar kann selbst HBO die geleakten Epi-soden nicht finden; immerhin brüstet sich der Sender da-mit, die am meisten illegal heruntergeladene Serie weltweit zu sein. Mit 5,9 Millionen Downloads pro Episode hat sie es sogar ins Guinnessbuch der Rekorde geschafft. Bei fast 20 Millionen Zuschauern pro Folge unterstreichen auch die offiziellen Zuschauerzahlen die Popularität der Serie und machen sie zur erfolgreichsten des Senders.Damit reiht sich „Game of Thrones“ ein in eine lange Reihe ausgesprochen erfolgreicher Filme mit Mittelaltersetting: Vom Heldenepos „Braveheart“ (1995) über den roman-

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tischen Actionfi lm „Ritter aus Leidenschaft“ (2001) bis hin zu den diversen Robin Hood-Verfi lmungen, deren wohl bekannteste Versionen die mit Kevin Costner und Russell Crowe sein dürften.

Ein düsteres Bild vom „dunklen“ Mittelalter

Dreckig, gewalttätig, blutdürstig – so wird die mittelal-terliche Welt hier dargestellt und so stellen sich wohl viele das „dunkle“ Mittelalter vor. Das Leben besteht aus Armut, Krankheit, Leiden und einem frühen Tod. Abwechslung zum tristen Alltag bieten höchsten der nächste Krieg, die Pest oder vielleicht eine Hungersnot. Doch auch die heroi-sche Seite des Mittelalters wird häufi g aufgegriff en: Ritter in schillernden Rüstungen, die mutig gegen böse Gegner kämpfen und die Wehrlosen und Schwachen verteidigen, schöne Burgfräulein, deren Herz es zu erobern gilt, Könige in prunkvollen Schlössern.Dieses Bild vom europäischen Mittelalter stimmt zwar nur zu einem sehr geringen Teil mit der von der Forschung re-konstruierten Realität überein, kommt aber nicht selten als erstes in den Sinn, wenn vom „Mittelalter“ die Rede ist.Wer möchte von sich behaupten, noch nie in eine dieser vermeintlich authentischen Darstellungen des europäischen Mittelalters abgetaucht zu sein? „Vermeintlich“, weil sich, so Jan Ulrich Büttner, der Abteilung Geschichte des Mit-telalters der Universität Bremen, zwar durchaus mittelal-terliche Versatzstücke in den Erzählungen fi nden lassen. In der Regel reichen jedoch bereits wenige stimmige Details aus, um den Gesamteindruck mittelalterlicher Erzählungen hervorzurufen. Und dies, obwohl sich die Geschichte selbst eigentlich eher dem Abenteuer-, Liebes-, Kriminal- oder Fantasy-Genre zuordnen lässt.Büttner bezieht sich hierbei auf Romane, doch lässt sich die Idee leicht auf Film und Fernsehen übertragen. Auch die Welt in Peter Jacksons „Herr der Ringe“- und „Hob-bit“-Trilogien erweckt den Anschein eines mittelalterlichen

Europas – was wohl nicht zuletzt auf Tolkiens Buchvorla-gen zurückzuführen ist. Tolkien übernahm als leidenschaft-licher Mittelalterforscher viele Aspekte der Forschungs-literatur in seine Werke, jedoch teils verfremdet und mit Fantasy-Elementen aufbereitet. Ganz ähnlich wie auch George R.R. Martin, Autor der „Game of Th rones“-Buch-vorlage „Ein Lied von Eis und Feuer“.

Historische Epoche meist nur zweitrangig

Gerade die Verbindung von Mittelalter und Fantasy er-freut sich in den letzten Jahren immer größerer Beliebtheit. Dabei steht gar nicht so sehr das Mittelalter als solches im Mittelpunkt, meint Historiker Rainer Pöppinghege. Seiner Meinung nach ist der Stellenwert des Historischen grund-sätzlich „nicht so hoch, als dass er nicht auch austauschbar wäre. Kriege kann man auch interstellar führen und das Mittelalter lässt sich mit Zombies und Drachen befrach-ten.“

Wer möchte da widersprechen? Umberto Ecos Bestseller „Der Name der Rose“, der mit Sean Connery 1986 erfolg-reich verfi lmt wurde, erzählt letztendlich die Aufklärung eines Kriminalfalls. Der Mörder hätte statt durch einen mittelalterlichen Mönch auch durch Detektiv Sherlock Holmes im viktorianischen England überführt werden können. Russell Crowes „Robin Hood“ aus dem gleich-namigen Ridley Scott-Film von 2010 bringt gute Unter-haltung – ähnelt jedoch verdächtig dem zehn Jahre zuvor

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die Idee leicht auf Film und Fernsehen übertragen. Auch die Welt in Peter Jacksons „Herr der Ringe“- und „Hob-bit“-Trilogien erweckt den Anschein eines mittelalterlichen

haltung – ähnelt jedoch verdächtig dem zehn Jahre zuvor

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ebenfalls von Crowe gespielten „Gladiator“ Maximus. An-tike oder Mittelalter – Handlung oder Charakterzeichnung machen den Unterschied jedenfalls nicht deutlich.Kernelement ist häufi g die Einfachheit der Welt. In aller Regel ist völlig klar, wer gut und wer böse ist. Auch die Geschlechterrollen sind klar defi niert. Der Mann muss mit den klassischen Tugenden körperlicher und charakterli-cher Stärke überzeugen: Ehre, Mut und Loyalität. Frauen befi nden sich auf der Suche nach der großen Liebe, der sie schmachtend entgegensehen. Errettet der edle Ritter schließlich sein holdes Burgfräulein, bleibt kaum ein Auge trocken und kaum ein Wunsch unerfüllt. Nur selten ver-mischen sich männliche und weibliche Attribute oder wer-den Charaktere in Graustufen gezeigt. Gerade „Game of Th rones“ bildet hier eine bemerkenswerte Ausnahme: Die fi ktive Serienwelt „Westeros“ wird von einer Menge äußerst vielschichtiger Protagonisten bevölkert.Die klare Rollenverteilung, die eindeutigen Geschlechter-konventionen, die stärkere Einbindung des Individuums in die Gemeinschaft – all diese Aspekte lassen die dargestellte Welt so verlockend erscheinen. Die Bereitschaft des Zu-schauers, sich hierauf einzulassen, ist groß. Filmemachern bietet sich wiederrum eine Projektionsfl äche für aktuelle Probleme. So spielt bei „Game of Th rones“ die hohe Ver-schuldung des regierenden Königshauses ebenso eine Rolle wie der Einfl uss von Glaube und Religion auf Krieg und Kriegsführung. Manchmal werden Problemlösungen ange-boten, manchmal auch einfach nur bestehende Schwierig-keiten oder Ungerechtigkeiten angesprochen.Doch auch der gegenteilige Eff ekt ist denkbar: Indem man eine besonders abstoßende Version einer vergangenen Zeit zeigt, macht man deutlich, wie weit sich die Menschheit seitdem entwickelt hat und wie gut es uns heute geht. „Das Klischee des brutalen und verklemmten Mittelalters ist nicht

deshalb so beliebt, weil es der damaligen Zeit besonders gerecht würde, sondern weil es unseren Fortschrittsglauben bestätigt“, schreibt Bettina Bildhauer von der Alexander von Humboldt-Stiftung.

Blick zurück immer aus Sicht der Moderne

Ob Verherrlichung der Vergangenheit oder Selbstbeweih-räucherung der eigenen Gegenwart - entworfen wird stets eine Version des Mittelalters zu einem bestimmten Zweck. Die Darstellung zeigt nicht, wie es damals „tatsächlich“ war, sondern gibt vielmehr Aufschluss über unsere Selbst-wahrnehmung, die Sicht auf die eigene Zeit und den damit verbundenen Blick zurück. In einer immer hektischer werdenden Welt, in der wir uns sowohl als Individuen als auch als Gemeinschaft täglich neuen Herausforderungen gegenübersehen, ist der Wunsch nach einer weniger komplizierten Gesellschaft groß. Aus ähnlichen Gründen erfreuen sich vermutlich auch die di-versen Superheldenfi lme entsprechend großer Beliebtheit. Wer möchte nicht ab und zu einfach mal Abschalten und sich in eine übersichtliche und einfache Welt begeben? Und solange wir Freude daran haben und nicht unser gesamtes Wissen über das Mittelalter aus diesen erfundenen Kons-trukten ziehen, ist es sicher nicht schlimm, solche Welten zu erschaff en und zumindest eine Zeit lang zu bewohnen.

Text: Annette BögelsackIllustration: Ulrike Bausch

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Redaktion:Scheinwerfer - Bremens freies Unimagazin

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Mitwirkende Redakteure: Aaltje Anhalt, Annette Bögelsack, Clemes Knüppel, Jannika Liesenberg, Veronika Neft, Katharina Nowak, Meret Rupprecht, Jannik

Sohn, Felix Wendler, Pia Zarsteck

ÖffentlichkeitsarbeitJennifer Gätjen (Ressortleitung)

Lektorat: Gerd Klingeberg

Titelbild: Andres StuckeDruck: Druckerei Brüggemann

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