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16.11.2009. Welche Begriffe muss ich kennen? Aspekte der Wissenschaftsgeschichte

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Welche Begriffe muss ich kennen?Aspekte der Wissenschaftsgeschichte

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Sprachwandel / Sprachwandeltheorien Externe Sprachgeschichte Interne Sprachgeschichte Sprachkontakt Substrat Superstrat Adstrat Korruptionsthese Quelle

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Die Variablen einer Innovation innerhalb eines Kommunikationsmodells

◦ Sender◦ Nachricht◦ Kanal◦ Empfänger◦ Wirkung

http

://ww

w.st

riscio

nist

adio

.com

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http

://ww

w.st

riscio

nist

adio

.com

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Heterogenitätshypothese

Der Zusammenhang zwischen synchroner Variation und diachronem Wandel◦Gegenseitige Konditionierung◦Synchrone Variation ist das Ergebnis

diachronen Wandels ◦Diachroner Wandel entsteht durch synchrone

Variation

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Sprachwandel durch Sprachgebrauch

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Herman Paul, Prinzipien der Sprachgeschichte◦ Die eigentliche Ursache für die Veränderung des

Usus ist nichts anderes als die gewöhnliche Sprechtätigkeit.

◦ Bei dieser ist jede absichtliche Einwirkung auf den Usus ausgeschlossen.

◦ Es wirkt dabei keine andere Absicht als die auf das augenblickliche Bedürfnis gerichtete Absicht seine Wünsche und Gedanken anderen Verständlich zu machen.

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Herman Paul, Prinzipien der Sprachgeschichte◦ Es liegt auf der Hand, dass die Vorgänge bei der

Spracherlernung von der allerhöchsten Wichtigkeit für die Erklärung der Veränderung des Sprachusus sind,

◦ dass sie die wichtigste Ursache für diese Veränderungen abgeben.

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Herman Paul, Prinzipien der Sprachgeschichte◦ Wenn wir, zwei durch einen längeren zwischenraum von

einander getrennte Epochen vergleichend, sagen, die Sprache habe sich in den Punkten verändert, so geben wir ja damit nicht den wirklichen Tatbestand an,

◦ sondern es verhält sich vielmehr so:◦ die Sprache hat sich ganz neu erzeugt und diese

Neuschöpfung ist nicht völlig übereinstimmend mit dem früheren, jetzt Untergegangenen ausgefallen.

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Halten wir zunächst folgende Gedanken Hermann Pauls fest:

1. Sprachwandel erfolgt über den Sprachgebrauch (Usus)

2. Sprachwandel erfolgt unwillkürlich3. Eine entscheidende Rolle spielt ebenfalls die

Spracherlernung

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Die Verschränkung von synchroner Variation und diachronischem Wandel

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Idiolekte der Erwachsenengeneration und der Kindergeneration

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Sprachweitergabe zwischen den Generationen – ein sozialer Vorgang

Der Spracherwerb des Kindes beruht primär nicht auf Nachahmung der Erwachsenensprache,

sondern um eine eigenständige Systembildung auf der Basis der parole-Daten der sprachlichen Umwelt

Diese Daten stammen aus verschiedenen Individualsprachen (Idiolekten),

wobei jeder Idiolekt eine systematisierte Kombination bestimmter Sprachvarietäten darstellt

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Die Sprachübertragung führt zu Sprachmischung und damit zur Entstehung neuer Varietäten durch die Kombination von Merkmalen vorhandener Varietäten.

Innerhalb einer Sprachgemeinschaft koexistieren die neuen Varietäten der Kindergenerationen mit den bisherigen der Erwachsenengenerationen.

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Sprachübertragung als Voraussetzung für den „biologischen“ Fortbestand der Sprache

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Hermann Paul nimmt eine Klassifizierung der Veränderungen des Sprachusus vor

Unterscheidung zwischen positiven und negativen Vorgängen auf der einen Seite und der Unterschiebung auf der anderenPOSITIV: Schöpfung von etwas NeuemNEGATIV: Untergang von etwas AltemUNTERSCHIEBUNG: der Untergang des Alten und das

Auftreten des Neuen erfolgt durch den selben Akt (z.B. beim Lautwandel)

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Klassifizierung der Veränderungen des Sprachusus nach H. Paul◦ Wenn man die Zwischenstufen nicht beachtet, kann einem

entgehen, dass ein Nacheinander von positiven und negativen Vorgängen vorliegt

◦ Die NEGATIVEN VORGÄNGE beruhen immer darauf, dass in der Sprache der jüngeren Generation etwas nicht neu erzeugt wird, was in der Sprache der älteren vorhanden war

◦ Genau genommen handelt es sich nicht um NEGATIVE VORGÄNGE, sondern vielmehr um das NICHTEINTRETEN VON VORGÄNGEN

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Klassifizierung der Veränderungen des Sprachusus nach H. Paul◦ Das NICHTEINTRETEN muss allerdings dadurch vorbereitet

sein, dass das das später Untergehende auch schon bei der älteren Generation selten geworden ist.

◦ Eine Generation, die ein bloß passives Verhältnis dazu hat, schiebt sich zwischn eine mit noch aktivem und eine mit gar keinem Verhältnis.

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Dokumentation des „NICHTEINTRETENS“ im Sinne H. Pauls, d.h. Wörter, die nicht von einer bestimmten Generation an die folgende weitergegeben worden sind

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LEMMA GLOSSE vgl. mod. Frz. (Grundform)

adferam pro apportam apporter

ager pro campus champ

ait pro dixit dire

caseum pro formaticum fromage

cecinit pro cantavit chanter

dem pro donem donner

hedunt pro manducant manger

ictus pro colpus coup

in ore pro in bucca bouche

queaso pro preco prier

uvas pro racemos raisin

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artemon pro mastus navis mât

castro pro heribergo auberge

Gallia pro Frantia France

galea pro helmus heaume

pignus pro wadius gage

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LEMMA GLOSSE vgl. mod. Frz.

hiems pro hibernus hiver

iecore pro ficato foie

novacula pro

rasorium rasoir

opilio pro custos ovium vel berbicarius berger

pueros pro infantes enfant

Germanismen

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Die Sprachspaltung (wird im 2. Kap. der Prinzipien behandelt)◦ Es ist eine durch die vergleichende Sprachforschung

zweifellos sicher gestellte Tatsache, ◦ dass sich vielfach aus einer im wesentlichen einheitlichen

Sprache mehrere verschiedene Sprachen entwickelt haben, ◦ die ihrerseits nicht einheitlich geblieben sind, sondern sich

in eine Reihe von Dialekten gespalten haben

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Die Sprachspaltung (wird im 2. Kap. der Prinzipien behandelt)

Einige Gedanken H. PaulsWir müssten eigentlich soviele Sprachen unterscheiden als es

Individuen gibtDer Verkehr ist es allein, wodurch die Sprache des

Individuums erzeugt wirdSolange Nachbarorte einen regen Verkehr untereinander

unterhalten, kann es sein, dass sich zwischen ihnen noch kein deutlich hervorstechender und dauerhafter Unterschied bildet

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Die Sprachspaltung (wird im 2. Kap. der Prinzipien behandelt)

Einige Gedanken H. Pauls Es kann auch der Fall eintreten, dass der Verkehr

zwischen mehreren teilen einer Sprachgemeinschaft vollständig unterbochen wird◦ durch starke natürliche oder politische Grenzen,◦ durch Auswanderung des einen Teils, ◦ durch Dazwischenschiebung eines fremden Volkes etc.

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Die Sprachspaltung (wird im 2. Kap. der Prinzipien behandelt)

Einige Gedanken H. Pauls Alle natürliche Sprachentwicklung führt zu einem stetigen

unbegrenzten Anwachsen der mundartlichen Verschiedenheiten

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Gedanken zum Lautwandel Innerhalb der nämlichen Generation werden immer

nur sehr geringfügige Verschiebungen zu stande kommen

Merklichere Verschiebungen erfolgen erst, wenn eine ältere Generation durch eine neu heranwachsende verdrängt ist

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Gedanken zum Lautwandel „Man wird … wohl sagen können, dass die Hauptveranlassung

zum Lautwandel in der Übertragung der Laute auf neue Individuen liegt.

„Für diesen Vorgang ist also der Ausdruck Wandel, wenn man sich an das wirklich tatsächliche hält, gar nicht zutreffend, es ist vielmehr eine abweichende Neuerzeugung.“

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Sprachwandel durch Sprachkontakt (= dominante Position)

Sprachkontakt in der Zeit der Völkerwanderung Sprachkontakt in der Zeit der römischen Expansion

◦ Negative Bewertung: eine bestehende Sprache (klass. Latein) wird verdorben (korrumpiert) (= dominante Position)

◦ Dauerhaft: korrumpierte Sprachen sind als Kultursprachen unbrauchbar

◦ Nicht dauerhaft: sprachliche Korrumpierung kann durch die Leistung von Schriftstellern überwunden werden

◦ Positive Bewertung es entsteht etwas Neues (= Minderheitenposition)

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Sprachwandel durch diastratische Variation (= Minderheitenposition)◦ Die innere Variation kann durch externe Faktoren verstärkt

werden◦ Hypothesenbildung auf der Grundlage allgemeinen

historischen Wissens◦ Untermauerung der Argumentation durch das Studium

historischer Quellen

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Celso Cittadini – ein Vorläufer des systematischen Quellenstudiums

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Quelle ◦ "alle Texte, Gegenstände oder

Tatsachen, aus denen Kenntnis der Vergangenheit gewonnen werden kann„ (Kirn)

◦ Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Sachquellen Bildquellen abstrakten Quellen Textquellen

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Paul Kirn: Einführung in die Geschichtswissenschaft, fortgeführt von Joachim Leuschner, 5. Auflage, De Gruyter. Berlin 1968 (1947).

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Tradition◦ Informationen, die - in

mündlicher oder schriftlicher Form - in der Absicht weitergegeben werden, um Zeitgenossen, vor allem aber Nachwelt über Gegenwart oder Vergangenheit zu unterrichten.

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Ein Überrest hingegen wurde ursprünglich zu einem eigenen Zweck hergestellt,

beispielsweise eine Rechnung, die nur einen Geschäftsvorgang dokumentieren sollte.

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http://ww

w.bdcrusca.it/scheda.asp?radice=000177171_1&

seq=1&file_seq=1#

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Charles du Fresne, sieur du Cange,Glossarium ad scriptores mediae et infimae latinitatis (11678) und die Rezeption in Italien

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Korrumpiertes Latein Wichtig für die

Entstehungsgeschichte der romanischen Sprachen

Einfluss auf die Questione della lingua

sprachhistorische Interpretation in Italien

Ludovico Antonio Muratori

Scipione Maffei Giusto Fontanini

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Der Begriff der lingua romana (in den Straßburger Eiden erwähnt, die seit dem 16. Jh. Bekannt waren)

Sie wurde von Fontanini als mehr oder minder einheitliche Zwischenstufe zwischen klassischem Latein und Volgare betrachtet

Muratori teilte diese Auffassung nicht Muratori, Maffei und Fontanini begaben sich auf die

Suche nach ähnlichen Dokumenten in Italien Insbesondere Muratori entdeckte und publizierte

historische Quellen in korrumpiertem Latein

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und die Analyse historischer Quellen

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Der Direktor der Biblioteca Estense in Modena, Ludovico Antonio Muratori (1672-1750), gilt als einer der Wegbereiter der modernen Geschichtswissenschaft.

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Zu seinen wichtigsten Arbeiten zählen die 25 Bände umfassenden Rerum italicarum scriptores (1723-51), die Antiquitates italicae medii aevi (1743), der Novus thesaurus veterum inscriptionum (1738-42), die zwölfbändigen Annali d’Italia (1744-49) sowie die Dissertazioni sopra le antichità italiane (1751).

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Muratori hat sich in seinen Schriften mit unterschiedlichen sprachhistorischen Themen beschäftigt, z.B. mit dem Ursprung des Italienischen aus der diatopischen und diastratischen Variation des Lateinischen, mit dem Einfluss des Germanischen auf den italienischen Wortschatz sowie mit der Etymologie einzelner italienischer Wörter.

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Diss. XXXII - über den Ursprung der italienischen Sprache

Diss. XXXIII - über die Etymologie einzelner italienischer Wörter

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Auszug aus der Diss. XXXII Lesen Sie den Text bitte aufmerksam durch und

beantworten Sie folgende Fragen(1) Welche Auffassung vertritt Muratori in Bezug auf den

Wandel des Lateinischen in der Antike/Spätantike?(2) Welche Faktoren macht er für den Wandel verantwortlich?(3) Wie bewertet er den sprachlichen Wandel?(4) Welche Unterscheidung unternimmt Muratori in Bezug auf

die Variation des Lateinischen in der Antike?(5) Welches Phänomen beschreibt er in dem Ausschnitt?

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Korrumpierung des Lateinischen nicht erst seit der Herrschaft der Goten und Langobarden, sondern bereits früher, d.h. im 4. und 5. Jh. n.Chr.

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Analyse spätantiker Quellen

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ME BIBO ARCHA FECI◦ Betazismus◦ Ausfall von auslautendem -M

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Gradueller Wandel des Lateinischen◦ …CON TVTA CONGREGATIONE SVA…◦ > it. con tutta

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Sprachkontakt als Quelle des Sprachverfalls

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Diatopische Variation des Lateinischen◦ lat. Stadtsprache vs. lat.

Landsprache

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Vom Lateinischen zum Romanischen

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Quellen des sprachlichen Wandels◦ antike und spätantike Texte

objektsprachlich (z.B. literarische Texte, Sachtexte, Inschriften)

Metasprachlich (Äußerungen über die Sprache, z.B. in Traktaten zur Rhetorik, in Briefen etc.)

◦ antike Grammatiken ◦ antike Glossare

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Übereinstimmung zwischen dem vorklassischen Latein und den romanischen Sprachen◦ In die altlateinische Epoche fällt das Auftreten erster

literarischer Werke. ◦ Insbesondere die Komödiendichter Titus Maccius Plautus (ca.

250-184) und Publius Terentius (ca. 190-159) gewähren einen kleinen Einblick in die lateinische Umgangssprache ihrer Zeit.

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Morphosyntax und Phonetik◦ Die ersten Spuren des künftigen präpositionellen Genitivs

(entstanden aus der Präposition DE + Ablativ), der sich erst in spätantiker Zeit endgültig durchgesetzt hat, finden sich bereits bei den vorklassischen Dichtern Plautus („NIL GUSTABIT DE MEO“) und Terentius („EXPERS PATRIS… DE NOSTRIS BONIS“).

◦ Die Belege nehmen in spätantiker Zeit stark zu.

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Morphosyntax und Phonetik◦ Es ist ferner interessant, dass einige Neuerungen der

klassischen Latinität von der Umgangssprache nicht aufgenommen worden sind, so dass wir punktuelle Übereinstimmungen zwischen dem vorklassischen Latein auf der einen Seite sowie zwischen dem späten Vulgärlatein und den romanischen Sprachen auf der anderen vorfinden.

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Morphosyntax und Phonetik◦ So verwendet der

vorklassische Schriftsteller Terentius Afer durchgäng die Pronominalform VOSTER (VOSTRA, VOSTRUM etc.), während die Autoren der klassischen Epoche VESTER (VESTRA, VESTRUM etc.) bevorzugen.

Vgl. die tradierte Form in den romanischen Sprachen◦ It. vostro, -a◦ Sp. vuestro, -a◦ Frz. vôtre

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◦ P. Terentius Afer, Heauton timorumenos […] arbitrium vostrum, vostra existumatio

valebit. Quare omnis vos oratos volo,ne plus iniquom possit quam aequom oratio.facite aequi siti', date crescendi copiamnovarum qui spectandi faciunt copiam

[…]

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In der klassischen Literatur hat sich die Variante VESTER, -TRA, -TRUM als alleinige Norm durchgesetzt, wir zitieren einen Textausschnitt aus dem Geschichtswerk von *Titus Livius.

◦ Etsi nihil ultra malorum est, patres conscripti, quam quod passi sumus, ut ad ultimum fidem vobis praetaremus, tamen ea vestra merita imperatorumque vestrorum erga nos fuerunt, ut nos cladium nostrarum non paeniteat.

◦ *Titus Livius (* 59 v. Chr. in Patavium, (Padua); † 17 n. Chr.), römischer Geschichtsschreiber zur Zeit des Augustus.

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[voster], [vostra], [vostrum] … [vostru], [vostra] …

…ARBITRIVM VOSTRVM, VOSTRA EXISTVMATIO VALEBIT…

[TERENTIVS]

Mündliches Kontinuum

Variante: [vester], [vestra], [vestrum] …

Vers

chrift

ung

…TAMEN EA VESTRA MERITA IMPERATORUMQUE VESTRORUM ERGA NOS FUERUNT…

[LIVIVS]

Schriftliche Norm

Wird in der populären Sprechsprache aufgegeben

Wird weiter benutzt

200 v.Chr. 0 200 n.Chr.

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• Die Grammatiker und die Volkssprache• Der spätantike Grammatiker Aelius Donatus wollte im späten 4.

Jahrhundert (n.Chr.) in seiner Ars minor die klassischen Formen festschreiben:

• […] singularis vester vestri vestro vestrum a vestro, et pluraliter vestri vestro vestrum a vestro, et pluraliter vestri vestrorum […]

• Durchgesetzt hat sich, wie wir gesehen haben, in allen romanischen Sprachen ausschließlich die ältere Form…

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Phonetischer und morphosyntaktischer Wandel◦Das analytische Futur Die älteste Dokumentierung

des analytischen Futurs finden wir ausgerechnet bei Cicero, und zwar in der Schrift Pro Sexto Roscio Amerino…

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HABEO DICERE

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[100] „Audio praeterea non hanc suspicionem nunc primum in Capitonem conferri; multas esse infamis eius palmas, hanc primam esse tamen lemniscatam quae Roma ei deferatur; nullum modum esse hominis occidendi quo ille non aliquot occiderit, multos ferro, multos veneno. Habeo etiam dicere quem contra morem maiorum minorem annis LX de ponte in Tiberim deiecerit. Quae, si prodierit atque a eo cum prodierit scio enim proditurum esse audiet.”◦ Vgl. Robert Coleman: „The Origin and Development of Latin Habeo+Infinitive“ . In. The Classical

Quarterly, New Series, Vol. 21, No. 1 (May, 1971), pp. 215-232. Vgl. auch A. S. Gratwick: „Habeo and Aveo: The Romance Future“. In: The Classical Quarterly, New Series, Vol. 22, No. 2 (Nov., 1972), pp. 388-398.

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Weitere Belege finden sich bei Lucrez, Kampanien, 98 a.C. – 55 a.C.) (6.710)…

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DICERE HABEMVS

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Lucrez (6.710):◦ […] nam neque eum ferro nec frigore vincere possis

Inferisse neque a morbo neque forte veneno, verum aliquid genere esse ex hoc quod contigit ei scimus, item in multis hoc rebus dicere habemus.

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Phonetischer und morphosyntaktischer Wandel◦Das Futur konnte ursprünglich auch über

Hilfsverben ausgedrückt werden.◦Doch, warum hat sich am Ende

ausgerechnet diese Konstruktion durchgesetzt?

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Verantwortlich waren vor allem phonetische Gründe…◦ /b/ entwickelte sich zwischen Vokalen zu /v/◦ So war z.B. das Futur AMABIT vom Perfekt AMAVIT in der

gesprochenen Sprache nicht mehr unterscheidbar …

/amabit/ /amavit/

*/amait/

/amavit/

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Während in der klassischen Latinität die konjugierte Form von HABERE vor oder hinter dem Infinitiv stehen konnte und durch weitere Einschübe voneinander getrennt werden konnten (HABEO ETIAM DICERE),

setzte sich im Laufe der Zeit die Reihenfolge Infinitiv + direkter Anschluss der konjugierten Form von HABERE immer mehr durch (DICERE HABEO) und bildete die Voraussetzung einer Verschmelzung beider Komponenten.

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Kurzer Exkurs ins Mittelalter◦ Im römischen Dialekt des Mittelalters stoßen wir auf die

Form diceremo, ◦ welche das lateinische Syntagma DICERE (HAB)EMUS

unmittelbar fortsetzt, ◦ wie folgendes Beispiel aus der Chronik Vita di Cola di Rienzo

aus der Feder eines anonymen Schreibers…

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… diceremo…

…Rom im ausgehenden Mittelalter…

Cola di Rienzo

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Anonymus, Vita di Cola di Rienzo (14. Jh.◦ “Diceremo in prima dello granne diluvio lo quale fu in Roma.

Mai tanta acqua non abunnao nello Tevere.”

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Übrigens …

… in diesm Textausschnitt ist auch vorrömischer Substrateinfluss Erkennbar ...

[nd] > [nn]

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Um Chr. Geburt um 350 n.Chr. um 1350 n.Chr.

AQVA ABUNDAVI

T

[akkwa abbunnavit]

[illa akkwa abbunnawt]

[l‘akkwa abbunnao]

oskischerSubstrateinfluss

Etablierung desbestimmten Artikels

Mündliches Kontinuumauf der Grundlage dervlat. SubstandardvarietätDiglossie

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[akwa abbundavit][akwa abbunnavit] [illa akkwa abbunnawt] [lakkwa abbunnao] (…)

Oskisches Substrat

AQVAABVNDAVIT

AQVAABVNDAVIT

aqua abundauit

l‘acqua abbunnao

Diglossie Diglossie + einsetzender Bilinguismus Bilinguismus + Diglossie

um Chr. Geburt um 350 n.Chr. um 1350 n.Chr.

Gesp

roch

ene

Spra

che

Gesc

hrie

bene

Spra

che