20
§ 20 Internationales Privatrecht Pf Dr Götz Schulze Literatur Kommentare: Bambergeroth (Hrsg.), BeckOK-BGB, 42. Edition, Stand 1.2.2017; Cal/iess, Rome Regulations, 2. Aufl. 2015; Dauner-Lieb/HeideRing (Hrsg.), NomosK-BGB, Bd. 1, 3. Aufl. 2016 und Bd. 6, 2. Aufl. 2016; Erman, BGB, 14. Aufl. 2014; Ferrar Kieninger/MankowskOtte/Saenger/Schulze/Staudinger, Inteationales Vertragsrecht, 3. Aufl. 2017; Geimer/Schütze (Hrsg.), Inteati- onaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Loseblatt, 52. Aufl. 2016; Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 76. Aufl. 2017; Rauscher (Hrsg.), EuZPR/Eu!PR, 4. Aufl. 2016; Säcker!Recker/Oetker!Limperg (Hrsg.), MüKo-BGB, Bd. !, 7. Aufl. 2015 sowie Bd. 10 u. II, 6. Aufl. 2015; Rauscher/Krüger (Hrsg.), MüKo-ZPO, Bd. !, 5. Aufl. 2016 u. Bd. 3, 4. Aufl. 2013; Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, EGBGB/Inteationales Privatrecht; l/er (Hrsg.), ZPO, 31. Aufl. 2016. Handbücher/Monografien/ Lehrbücher: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Europäisches Zivilrecht, 3. Aufl. 2018 i. Vorb.; Knke/Melis!Kuhn, Handbuch inteationa- les Wirtschaftsrecht, 2. Aufl. 2017; Piltz (Hrsg.), Münchener Anwaltshandbuch, Inteationales Wirtschaftsrecht, 2017; Reithmannl Martiny (Hrsg.), Inteationales Vertragsrecht, 8. Aufl. 2015; v. Bar!Mankowski, Inteationales Privatrecht, Bd. I: Allgemeine Lehren, 2. Aufl. 2003 und B. 2: Besonderer Teil, 1991. Materialien: Jayme!Hausmann, Inteationales Privat- und Verfahrensrecht, 18. Aufl. 2016 (Textsammlung). Formularbücher: Hausmann!Oders (Hrsg.), Das Inteationale Privatrecht in der notariellen Praxis, 3. Aufl. 2017; Kersten!Bühling (Hrsg.), Formularbuch und Praxis der eiwilligen Gerichtsbarkeit, 25. Aufl. 2016; Schütze/WeiperRieder (Hrsg.), Münchener Vertragshandbuch, Bd. 4: Wirtschaftsrecht III, 7. Aufl. 2012. Auätze: Finkel, The sky is the limit- Anwaltshaf- tung im inteationalen Mandat, PHi 2013, 188; Jungk, Globalisierung und Haftung: Risiken beim grenzüberschreienden Mandat, AnwBI 2012, 1000; Kauold, Internationale Webshops - anwendbares Vertrags- und AGB-Recht im Verbraucherverkehr, EuZW 2016, 247; MäscGausing/Peters, Deutsche Ltd., PLC und LLP: Gesellschaften mit beschränkter Lebensdauer?- Folgen des Brexits für pseudo-englische Gesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland, IPRax 2017, 49; Mankowski, Verbandsklagen, AGB-Recht und Rechtswahlklauseln in Verbraucherverträgen, NJW 2016, 2705; Piltz, Praktische Handreichung r die Gestaltung inteationaler Kaufverträge - Vorteile des UN-Kaufrechts gegenüber nationalem Recht, NJW 2012, 3061; Reithmann, Urkunden ausländischer Notare in inländischen Verfahren, IPRax 2012, 133; Schmidt-Kessel, Unentgeltlich oder entgeltlich?- Der vertragliche Austausch von digitalen Inhalten gegen personenbezogene Daten, ZW 2017, 84; Staudenmayer, Verträge über digitalen Inhalt, NJW 2016, 2719; R. Wagner, Aktuelle Entwicklungen in der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen, NJW 2017, 1796. Inhalt A. Einleitung ............................... 1 B. Vorprüfung . ... .......................... 3 1. Verbindung zu einem ausländischen Staat ..... 4 II.Relevanz der aufgeworfenen Rechtsage und Rechtslage im Ausland .................... 5 III.Vorentscheidungen im Ausland und Tat- bestandswirkung (Verjährung) .............. 6 IV.Anwendung ausländischen Rechts ........... 7 1.Inhalt und Methode des ausländischen Rechts ............................... 7 2.Muster: Vortrag zum ausländischen Recht ... 10 3.Mandatsbeschränkung .................. 11 4.Muster: Mandatsbeschränkung ............ 12 5.Haftungsbeschränkung .................. 13 6. Muster: Individualvertragliche Vereinbarung mit Beschränkung der Haftung auf einzelne Sozietätsmitglieder ..................... 15 V.Checkliste: Vorprüfung .................... 16 C. Rechtsquellen (Rangfolge) .................. 17 1. Primäres Unionsrecht ..................... 18 II.Sekundäres Unionsrecht ................... 19 1.EU-Verordnungen ...................... 19 2.EU-Richtlinien ........................ 20 III.Völkervertragliches Kollisionsrecht .......... 23 1.Typischer Sachverhalt .................. 23 2.Rechtliche Grundlagen .................. 24 3.Checkliste: Geltung und Anwendbarkeit des kollisionsrechtlichen Staatsvertrags (hier: Wiener UN-Übereinkommen über Verträge über den inteationalen Waren- kauf - CISG) ......................... 26 IV. Unionsrechtliche Einflüsse auf das Kolsions- recht .................................. 27 V.Checkliste: Rechtsquellen .................. 29 D. Subjektive Anknüpfung (Rechtswahl) ......... 30 1. Gestaltungsspielräume (Partei- und Privat- autonomie, Schiedsabrede) ................. 30 II. Grundlagen der Parteiautonomie (Rechtswahl- möglichkeiten) .......................... 33 III.Form und Inhalt der Rechtswahl im Vertrags- recht (Art. 3 Rom I-VO) ................... 34 1.Zulässigkeit und Inhalt der Rechtwahl (Art. 3 Abs.1 Rom 1-VO) ................ 34 2.Muster .............................. 37 a) Rechtswahlklausel - Grundrm ........ 37 b) Anmerkungen zum Muster ............ 38 c) Rechtswahlklausel - mit Inkorporation anderer Regelwerke .................. 39 d) Rechtswahlklausel - Kauecht ......... 40 3. Zustandekommen und Wirksamkeit (Art. 3 Abs. 5, 10 Rom I-VO) ............ 42 4.Form, Rechts- und Geschäftsfähigkeit (Art.3 Abs. 5, 11 u. 13 Rom 1-VO) ........ 44 5.Checkliste: Rechtswahl im Schuldrecht ..... 46 IV. Wirkungsbeschränkungen der Rechtswahl (Schutzbestimmungen) .................... 47 1.Reine Inlandsfälle (Art. 3 Abs.3 Rom I-VO) ............................... 47 2. Verbraucherschutz und Arbeitsrecht (Art. 6, 8 Rom 1-VO, 46 b EGBGB) ............... 48 a) Art. 6 Abs. 2 Rom 1-VO (Günstigkeits- prinzip für Verbraucher) ....: .......... 48 b) Muster: Rechtswahlklausel in Verbraucherverträgen (AGB) ........... 49 c) Art. 46b EGBGB (Drittlandwahl) ....... 50 Schulze 1415

§20 Internationales Privatrecht - uni-potsdam.de · IV. Anwendung ausländischen Rechts 1. Inhalt und Methode des ausländischen Rechts Die nach der deutschen Rechtslage zur Anwendung

  • Upload
    others

  • View
    1

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

  • § 20 Internationales Privatrecht

    Prof Dr. Götz Schulze

    Literatur

    Kommentare: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK-BGB, 42. Edition, Stand 1.2.2017; Cal/iess, Rome Regulations, 2. Aufl. 2015; Dauner-Lieb/Heidel/Ring (Hrsg.), NomosK-BGB, Bd. 1, 3. Aufl. 2016 und Bd. 6, 2. Aufl. 2016; Erman, BGB, 14. Aufl. 2014; Ferrari/ Kieninger/Mankowski/Otte/Saenger/Schulze/Staudinger, Internationales Vertragsrecht, 3. Aufl. 2017; Geimer/Schütze (Hrsg.), Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Loseblatt, 52. Aufl. 2016; Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 76. Aufl. 2017; Rauscher (Hrsg.), EuZPR/Eu!PR, 4. Aufl. 2016; Säcker!Rixecker/Oetker!Limperg (Hrsg.), MüKo-BGB, Bd. !, 7. Aufl. 2015 sowie Bd. 10 u. II, 6. Aufl. 2015; Rauscher/Krüger (Hrsg.), MüKo-ZPO, Bd. !, 5. Aufl. 2016 u. Bd. 3, 4. Aufl. 2013; Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, EGBGB/Internationales Privatrecht; Zöl/er (Hrsg.), ZPO, 31. Aufl. 2016. Handbücher/Monografien/ Lehrbücher: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Europäisches Zivilrecht, 3. Aufl. 2018 i. Vorb.; Kronke/Melis!Kuhn, Handbuch internationales Wirtschaftsrecht, 2. Aufl. 2017; Piltz (Hrsg.), Münchener Anwaltshandbuch, Internationales Wirtschaftsrecht, 2017; Reithmannl Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, 8. Aufl. 2015; v. Bar!Mankowski, Internationales Privatrecht, Bd. I: Allgemeine Lehren, 2. Aufl. 2003 und B. 2: Besonderer Teil, 1991. Materialien: Jayme!Hausmann, Internationales Privat- und Verfahrensrecht, 18. Aufl.2016 (Textsammlung). Formularbücher: Hausmann!Odersky (Hrsg.), Das Internationale Privatrecht in der notariellen Praxis, 3. Aufl.2017; Kersten!Bühling (Hrsg.), Formularbuch und Praxis der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 25. Aufl. 2016; Schütze/Weipert!Rieder(Hrsg.), Münchener Vertragshandbuch, Bd. 4: Wirtschaftsrecht III, 7. Aufl. 2012. Aufsätze: Finkel, The sky is the limit- Anwaltshaftung im internationalen Mandat, PHi 2013, 188; Jungk, Globalisierung und Haftung: Risiken beim grenzüberschreienden Mandat,AnwBI 2012, 1000; Kaufhold, Internationale Webshops - anwendbares Vertrags- und AGB-Recht im Verbraucherverkehr, EuZW2016, 247; Mäsch/Gausing/Peters, Deutsche Ltd., PLC und LLP: Gesellschaften mit beschränkter Lebensdauer? - Folgen des Brexitsfür pseudo-englische Gesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland, IPRax 2017, 49; Mankowski, Verbandsklagen, AGB-Rechtund Rechtswahlklauseln in Verbraucherverträgen, NJW 2016, 2705; Piltz, Praktische Handreichung für die Gestaltung internationalerKaufverträge - Vorteile des UN-Kaufrechts gegenüber nationalem Recht, NJW 2012, 3061; Reithmann, Urkunden ausländischerNotare in inländischen Verfahren, IPRax 2012, 133; Schmidt-Kessel, Unentgeltlich oder entgeltlich?- Der vertragliche Austausch vondigitalen Inhalten gegen personenbezogene Daten, ZfrW 2017, 84; Staudenmayer, Verträge über digitalen Inhalt, NJW 2016, 2719;

    R. Wagner, Aktuelle Entwicklungen in der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen, NJW 2017, 1796.

    Inhalt

    A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

    B. Vorprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1. Verbindung zu einem ausländischen Staat . . . . . 4

    II. Relevanz der aufgeworfenen Rechtsfrage und Rechtslage im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

    III. Vorentscheidungen im Ausland und Tat-bestandswirkung (Verjährung) . . . . . . . . . . . . . . 6

    IV. Anwendung ausländischen Rechts . . . . . . . . . . . 7 1. Inhalt und Methode des ausländischen

    Rechts ............................... 7 2. Muster: Vortrag zum ausländischen Recht . . . 103. Mandatsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 4. Muster: Mandatsbeschränkung . . . . . . . . . . . . 12 5. Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 6. Muster: Individualvertragliche Vereinbarung

    mit Beschränkung der Haftung auf einzelne Sozietätsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

    V. Checkliste: Vorprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

    C. Rechtsquellen (Rangfolge) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 1. Primäres Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

    II. Sekundäres Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1. EU-Verordnungen ...................... 19 2. EU-Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

    III. Völkervertragliches Kollisionsrecht . . . . . . . . . . 23 1. Typischer Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2. Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 3. Checkliste: Geltung und Anwendbarkeit des

    kollisionsrechtlichen Staatsvertrags(hier: Wiener UN-Übereinkommen überVerträge über den internationalen Waren-kauf - CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

    IV. Unionsrechtliche Einflüsse auf das Kollisions-recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

    V. Checkliste: Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

    D. Subjektive Anknüpfung (Rechtswahl) . . . . . . . . . 30 1. Gestaltungsspielräume (Partei- und Privat-

    autonomie, Schiedsabrede) . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 II. Grundlagen der Parteiautonomie (Rechtswahl-

    möglichkeiten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 III. Form und Inhalt der Rechtswahl im Vertrags-

    recht (Art. 3 Rom I-VO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 1. Zulässigkeit und Inhalt der Rechtwahl

    (Art. 3 Abs. 1 Rom 1-VO) . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2. Muster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

    a) Rechtswahlklausel - Grundform . . . . . . . . 37 b) Anmerkungen zum Muster . . . . . . . . . . . . 38 c) Rechtswahlklausel - mit Inkorporation

    anderer Regelwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 d) Rechtswahlklausel - Kaufrecht . . . . . . . . . 40

    3. Zustandekommen und Wirksamkeit (Art. 3 Abs. 5, 10 Rom I-VO) . . . . . . . . . . . . 42

    4. Form, Rechts- und Geschäftsfähigkeit(Art. 3 Abs. 5, 11 u. 13 Rom 1-VO) . . . . . . . . 44

    5. Checkliste: Rechtswahl im Schuldrecht . . . . . 46 IV. Wirkungsbeschränkungen der Rechtswahl

    (Schutzbestimmungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 1. Reine Inlandsfälle (Art. 3 Abs. 3 Rom

    I-VO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 2. Verbraucherschutz und Arbeitsrecht (Art. 6, 8

    Rom 1-VO, 46 b EGBGB) .. .. .. .. .. .. .. . 48a) Art. 6 Abs. 2 Rom 1-VO (Günstigkeits-

    prinzip für Verbraucher) .... : . . . . . . . . . . 48 b) Muster: Rechtswahlklausel in

    Verbraucherverträgen (AGB) . . . . . . . . . . . 49 c) Art. 46b EGBGB (Drittlandwahl) . . . . . . . 50

    Schulze 1415

  • (CFR).13 Das darauf beruhende Projekt eines (optionalen) Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts (GEKR) 14

    wird seit 2014 nicht weiter verfolgt.

    B. Vorprüfung 3 Das Internationale Privatrecht (IPR, Kollisionsrecht) ist im Grundsatz nationales Recht, das bei Sachverhalten

    mit einer Verbindung zu einem ausländischen Staat das anzuwendende Recht bestimmt (Art. 3 EGBGB). Aus deutscher Sicht ist das IPR im Wesentlichen in den Art. 3-46 EGBGB positiv geregelt, richterrechtlich bestimmt (Stellvertretung, Gesellschaftsrecht) oder in Einzelvorschriften verstreut (etwa § 32b UrhG, §§ 335 ff. InsO, siehe näher Rdn 85). Es wird jedoch in weiten Bereichen durch vorrangig geltendes Unionsrecht und ebenfalls vorrangig geltender Staatsverträge verdrängt und ergänzt (zur Rechtsquellenlage vgl. Rdn 17).

    1. Verbindung zu einem ausländischen Staat

    4 Einstiegskriterium für die ip-rechtliche Prüfung ist eine Verbindung des Sachverhalts zu einem ausländischen Staat, Art. 3 EGBGB. Derartige Verbindungen sind: !III ausländische Staatsangehörigkeiten, 11111 der gewöhnliche Aufenthalt eines Beteiligten liegt im Ausland, 11!11 der Ort des Vertragsschlusses und/oder der Vertragserfüllung liegt im Ausland (anderes relevantes Gesche-

    hen hat sich im Ausland zugetragen oder soll sich dort zutragen 15), !III die streitgegenständliche Sache befindet sich im Ausland (Auslandsbelegenheit, Registrierung im Ausland), 11111 der Tatort (Handlungsort, Erfolgsort, Schadensort) liegt im Ausland usw.

    II. Relevanz der aufgeworfenen Rechtsfrage und Rechtslage im Ausland

    5 Die maßgebliche Ausgangsfrage lautet, vor den Gerichten welcher Staaten wird ein Konflikt ausgetragen werden (vgl. § 21 Rdn 4 f.: Gerichtsstand und Gerichtsstandsvereinbarung) und von welchen staatlichen Behör-den wird die Rechtsfrage, die Rechtslage oder der Inhalt und die Wirksamkeit eines Vertrags oder auch nur der Gebrauch einer Vollmacht beurteilt werden. 16 Die ip-rechtliche Fragestellung ist dann getrennt aus den jeweiligen nationalen Blickwinkeln zu beantworten. So kann sich ergeben, dass etwa eine bestimmte vertragli-che Gestaltung (bspw. ein Erbvertrag) zwar im Inland, nicht aber in den anderen für den Mandanten relevanten Ländern anerkannt werden wird. Derart hinkende Rechtsverhältnisse bleiben oft unerkannt, sollten aber nach Möglichkeit vermieden werden (zur entsprechenden Beratung und den Haftungsgefahren vgl. Rdn 11 ). Erläutert wird nachfolgend nur aus der Sicht des in Deutschland geltenden nationalen, EU- und völkervertraglichen Kollisionsrechts.

    III. Vorentscheidungen im Ausland und Tatbestandswirkung (Verjährung)

    6 Rechtskräftige Entscheidungen 17 ausländischer Gerichte sind von Amts wegen zu berücksichtigen. 18 Es erfolgt eine automatische (dh inzident festzustellende 19) Anerkennung. Die Rechtswirkungen der ausländischen Entscheidung werden auf das Inland erstreckt. 20 Inhalt und Bindungswirkung (res iudicata) richten sich nach dem Recht des Urteilstaats, so dass u.U. auch präjudizielle Rechtsverhältnisse bindend festgestellt sein kön-

    13 Vgl Schulte-Nölke, NJW 2009, 2161. . 14 Vorschlag für eine Verordnung über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht v. 11.10.2011 KOM (2011) 635 endg.; beruhend

    auf dem Grünbuch v. 1.7.2010, KOM (2010) 348 endg.; Mankowski, RIW 2012, 97 f.; zu den aktuellen Entwicklungen zweier Verbraucherschutzrichtlinien (Online-Warenhandel u. Digitale Inhalte) siehe Staudenmayer, NJW 2016, 2719, Schmidt-Kessel, ZfPW 2017, 84.

    15 Die bloße Wahl eines ausländischen Rechts durch inländische Vertragsparteien genügt, Palandt/Thorn, Art. 3 Rom I-VO Rn 2; abl. Staudinger/Hausmann, (Bearb. 2013) Art. 3 EGBGB Rn 8.

    ? 16 Führt diese Analyse ins EU-Ausland, so können über den Europäischen Gerichtsatlas die zuständigen Gerichte etwa für Zustellun-gen, Beweisaufnahmen oder für die Vollstreckung von Entscheidungen abgerufen werden unter https://e-justice.europa.eu/con-tent_going_to_court-32-de.do.

    l 7 Noch nicht rechtskräftige Entscheidungen sind im Anwendungsbereich der EuGVO bereits anerkennungsfähig (arg. Art. 46 Abs. 1 EuGVO). Entscheidungen ausländischer Behörden besitzen dagegen grds. keine Bindungswirkung, vgl. mit Ausnahmen: Zöller/ Geimer, § 328' Rn 67 f. Sie haben aber lndizwert und ihre privatrechtlichen Wirkungen werden ggf. anerkannt (etwa Administrati-venteignungen); zur Anerkennung ausländischer Hoheitsakte v. Bar/Mankowski, Bd. 1, § 4 Rn 71 f.

    18 Bei identischem Streitgegenstand ist als unbegründet abzuweisen, BGH NJW 1987, 1146; a.A.: als unzulässig, Zöller/Geimer, § 328 Rn 36.

    19 Eine Ausnahme gilt nur noch für die Anerkennung von Entscheidungen in Ehesachen nach § 107 FamFG außerhalb des Anwen-dungsbereichs der EuEheVO. Hier muss ein gesondertes Anerkennungsverfahren durchlaufen werden. Praktisch bedeutsam ist dies vor allem für die Anerkennung von ausländischen Ehescheidungen aus nicht EU-Staaten (Drittstaaten).

    20 Zöller/Geimer, § 328 Rn 20. Nach a.A. bedeutet Anerkennung die Gleichstellung mit inländischen Urteilen, so dass die ausländi-schen Urteilswirkungen aus dem nationalen Gleichstellungsakt und somit primär nach deutschem Recht zu bestimmen sind, vgl. BGH NJW 1983, 1977, 1978.

    1418 Schulze

    · neu. 21 Eine Klage auf Anerkennung einer ausländischen Entscheidung bleibt als (Zwischen-) Feststellungsklage möglich (§ 256 ZPO), bzw. Feststellungsantrag nach Art. 36 Abs. 2 EuGVO (2015) u. Art. 21 Abs. 1 EuEheV0. 22 Die materiellen Anerkennungsvoraussetzungen sind in den Art. 45 Abs. 1 EuGVO (2015) u. Art. 22f. EuEheVO und autonom in§ 328 ZPO (vgl. näher§ 21 Rdn41 ff.) sowie in§ 109 FamFG geregelt.

    Anhängige Verfahren in Mitgliedstaaten der EU führen zur Aussetzung bzw. Abweisung der Klage nach Maßgabe von Art. 29-34 EuGVO (2015). Inhalt und Umfang der Rechtshängigkeitssperre reichen nach der Schwerpunkttheorie des EuGH23 weiter als nach deutschem Recht. Gerichtsverfahren in Drittstaaten führen nur bei positiver Anerkennungsprognose zum Einwand anderweitiger Rechtshängigkeit und damit zur Abwei-sung oder zur Aussetzung des inländischen Verfahrens nach §§ 261 Abs. 3 Nr. 1, 148 ZP0 24 (vgl. § 21 Rdn 21 ff.). Eine Klage im Ausland kann grundsätzlich nicht gerichtlich unterbunden werden. 25 Rechtskräftige ausländische Entscheidungen können aber unter engen Voraussetzungen auch auf der Grundlage von § 826 BGB abgewehrt werden. 26

    Bedeutung hat eine ausländische Klage ferner in Bezug auf die Verjährung. Ist deutsches Verjährungsrecht anwendbar, so wird die Verjährung des Anspruchs bei einer Klageverfolgung im Ausland gehemmt, § 204 Nr. 1 BGB.27 Dasselbe gilt bei einem ausländischen Mahnbescheid (§ 204 Nr. 3 BGB),28 bei einer Drittbeteili-gung durch Streitverkündigung in einem ausländischen Prozess.(§ 204 Nr. 6 BGB) und bei einem Beweissiche-rungsverfahren im Ausland, § 204 Nr. 7 BGB.29

    IV. Anwendung ausländischen Rechts

    1. Inhalt und Methode des ausländischen Rechts

    Die nach der deutschen Rechtslage zur Anwendung berufenen 7 1111 ausländischen Kollisionsnormen (bei Gesamtnormverweisung nach Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB)

    und/oder die lllll ausländischen Sachnormen (Art. 3a Abs. 1 EGBGB, Art. 20 Rom I-VO, Art. 24 Rom II-VO)

    muss das Gericht von Amts wegen feststellen. Es muss das ausländische Recht aber nicht kennen und ist deshalb berechtigt, ermessensgebunden auch verpflichtet, 30 gutachterlichen Rat in Anspruch zu nehmen (siehe § 293 ZPO). Das gilt in entsprechend beschränktem, Umfang auch für einstweilige Verfügungsverfahren.3 1

    Ferner besitzt (nur) das Gericht die Möglichkeit, Auskunft nach dem Londoner Europäischen Übereinkommen betreffend Auskünfte über ausländisches Recht vom 7.6.1968 32 über Empfangsstellen in den betreffenden Staaten ~inzuholen. 33 Daneben ermöglicht das Europäische Justizielle Netz für Zivil- und Handelssachen die Stellung abstrakter Rechtsfragen in den Europäischen Mitgliedstaaten. 34

    21 Die Rechtskraftwirkung gilt nach EuGH v. 15.11.2012 - C-456/11 - Gothaer Allgemeine Versicherung AG, EuZW 2013, 60 auch für Prozessurteile hinsichtlich aller tragenden Zwischenergebnisse; abl. Zöller/Geimer, § 328 Rn 39a; Roth, IPRax 2014, 136, 138.

    22 Vgl. zur Anerkennung nach der EuGVO Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 26 Rn 157 f. 23 Ausgehend von EuGH v. 6.12.1994 C-406/12 - Tatry, EuZW 1995, 309 Rn 40 f.; nach dieser sog. Kernpunkttheorie ist „derselbe

    Anspruch" bereits gegeben, wenn es in den Prozessen im Kern um denselben Streit (um die Rechtsfolgen aus ein und demselben Sachverhalt) geht, vgl. MüKo-ZPO/Gottwald, Art. 27 EuGVO Rn 10.

    24 BGH NJW 2001, 524; BGH NJW-RR 2009, 1652; Zöller/Geimer, IZPR Rn96f. 25 Die nach angelsächsischem Recht möglichen anti-suit injunctions durch ein staatliches Gericht sind unzulässig, vgl. EuGH v.

    27.4.2004 - C-159/02 - Grovit, RIW 2004, 541; EuGH v. 10.2.2009 - C-185/07 - West Tankers, NJW 2009, 1655 (zum Schutz eines Schiedsverfahrens); aber offen bei Anordnung durch ein Schiedsgericht, EuGH v. 13.5.2015 - C-536/13 - Gazprom, EuZW2015, 509, Anm. Pfeijfer, LMK2015, 370522.

    26 Vgl. MüKo-ZPO/Gottwald, § 322 Rn 206 f.; eingehend M. Stürner, RabelsZ 71 (2007) 597. 27 MüKo-BGB/Grothe, § 204 Rn 9; eingehend C. Wolf, IPRax 2007, 180. 28 BGH NJW-RR 2002, 937 (Zahlungsbefehl nach Schweizer Recht); verneinend noch OLG München IPRax 2001, 579. 29 NomosK-BGB/Mansel, § 204 Rn 106 (vgl. unten Rdn 111, Fälle sog. Substitution). 30 BGH RIW 2013, 488 Rn29f.; BGH NJW 1992, 2026, 2029. Es ist eine Frage des pflichtgemäßen Ermessens, inwieweit eine

    eigene Feststellung des Rechts mit „Bordmitteln" ausreicht, Lindacher, in: FS Ekkehard Schumann, 2001, S. 283, 286; Zöller/ Geimer, § 293 Rn 15 u. 20.

    31 Der Umfang der Prüfung hängt von den präsenten Erkenntnismöglichkeiten (,,Bordmittel") ab. Ersatzweise wird deutsches Recht (als !ex fori) angewendet; vgl. Staudinger/Sturm!Sturm, (Bearb. 2012) Ein!. IPR Rn 219 f., 222.

    32 BGB! II 1974, 938; Jayme/Hausmann, Nr. 200. 33 Das Gericht darf sich aber nicht mit der erteilten Auskunft zufriedenstellen, sondern muss, falls nötig, alle zugänglichen Erkennt-

    nisquellen ausschöpfen, BGH NJW 2014, 1244, 1245; Jastrow, IPRax 2004, 402; krit. Staudinger/Sturm/Sturm, (Bearb. 2012) Einl. IPR Rn 342: Dauer und Ertrag derartiger Auskunftsersuchen entsprechen den praktischen Bedürfnissen häufig nicht und es erfordert erneut die Einholung eines Sachverständigengutachtens (,,dialogue des sourds").

    34 https://e-justice.europa.eu/content_ejn_in_civil_and~commercial_matters-21-de.do; vgl. Entsch. des Rates v. 28.5.2001 über die Einrichtung eines Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen (Abi. EG Nr. L 174, S. 25). Nach§ 16a EGGVG ist Kontaktstelle für das Europäische Justizielle Netz der Generalbundesanwalt beim BGH sowie auf Länderebene jeweils eine Landesbehörde.

    Schulze 1419

  • Die Anwendung des ausländischen Rechts hat so zu erfolgen, wie es in dem jeweiligen staatlichen Geltungs-bereich von den dortigen Gerichten tatsächlich angewendet werden würde35 (vgl. § 21 Rdn 38 f.). Das kann in der Berufungsinstanz wie jede Rechts- und Tatfrage überprüft werden. In der Revisionsinstanz findet eine Überprüfung der richtigen Rechtsanwendung des ausländischen Rechts nicht statt (§§ 545 Abs. 1, 560 ZP0).36 Kontrolliert wird aber die hinreichende Ermittlung ausländischen Rechts nach§ 293 ZPO.

    8 Schriftsätzlich kann zum ausländischen Recht frei und zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens 37 vorgetragen werden. Je nach den Umständen kann eine Unterstützungspflicht der Parteien gegenüber dem Gericht entste-hen.38 Soweit die eigene Mitwirkungspflicht hier im Einzelfall reicht, muss fremdes Recht vorgetragen werden. Die Rechtsausführungen können - wegen der amtswegigen Feststellung - als einfache Rechtsbehauptungen gefasst oder durch Anregung von Gutachten/ Auskünften ausgeforscht werden. Das ausländische Recht ist keine (vorzutragende) Tatsache. Es ist daher nicht erforderlich, wenn auch üblich, die eigene Rechtsbehauptung unter Sachverständigenbeweis zu stellen (§ 293 S. 1 ZPO).

    Vortrag zur Rechtsanwendungsfrage und zum ausländischen Recht etwa aus prozesstaktischen Gründen (zu-nächst) ganz wegzulassen, begründet die Gefahr einer (stillschweigenden) Rechtswahl zugunsten des Rechts, das den Erörterungen zur Rechtslage zugrunde gelegt wird (vgl. Rdn 41 ). Insbesondere das deutsche Recht kann so durch Ignoranz zur Anwendung gelangen. Das mag erwünscht sein, muss aber in die prozesstaktischen Überlegungen mit einbezogen werden. Die Einholung von Sachverständigengutachten löst nach dem RVG keine Beweisgebühr aus.39 Beigebrachte Privatgutachten sind freibeweislich zu würdigen. 40

    9 Der Anwalt darf auch im Interesse seines Mandanten nicht darauf verzichten, das ausländische Recht zu ergründen und sollte dem Gericht ggf. entsprechende Hilfe anbieten. Erkenntnisquelle und Orientierung kann zunächst die mittlerweile umfangreiche deutschsprachige Literatur über ausländisches Recht geben. 41 Ferner können über das Internet verschiedene Quellen erschlossen werden. 42

    35 St. Rspr., BGH NJW 2003, 2685, 2686; BGH v. 24.9.2013 - VI ZB 12/13, NJW 2013, 3656 Rn 21; BGH v. 14.1.2014 - II ZR 192/13, NJW 2014, 1244 Rn 15; BGH v. 7.6.2016 - KZR 6/15, NJW 2016, 2266 Rn 70 (Pechstein); ähnlich: BGH v. 9.2.2017 -V ZB 166/15, NZG 2017, 546 Rn 7 (der Tatrichter ist gehalten, das Recht als Ganzes zu ermitteln, wie es sich in Lehre und Rechtsprechung entwickelt hat); bei noch nicht entschiedenen Fa11gestaltungen kann das ausländische Recht auch fortentwickelt werden; vgl. Zö11er!Geimer, § 293 Rn 26.

    36 BGH NJW 2013, 3656, 3657; zust. Anm. Roth, NJW 2014, 1224f. 37 Die Parteien trifft keine prozessuale Prozessführungslast, BGHZ 120, 334, 342; BGH RIW 2005, 463, 464. Lediglich der Umfang

    der amtswegigen Ermittlungspflicht kann durch den Vortrag der Parteien beeinflusst werden. Die Anforderungen sind umso größer, je detaillierter die Verfahrensbeteiligten eine ausländische Rechtspraxis vortragen, BGH MDR 2007, 487 f.; BGHZ 118, 151, 164; BGH RIW 2005, 463,464. Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Prozessförderung aus§§ 282 Abs.!, 531 Abs. 2 ZPO mit möglicher Präklusionsfolge ist zu verneinen, weil es sich um Rechtsvortrag handelt, vgl. RGZ 151, 44; aber offengelassen von BGH RIW 1984, 686. Verneinend auch MüKo-ZPO/Prütting, § 293 Rn 6 u. 5 l f.; Stein!Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl. 2008, § 293 Rn 48.

    38 Wenn die Partei „unschwer Zugang zur maßgeblichen ausländischen Rechtsordnung hat, muss sie den Inhalt regelmäßig konkret darstellen", BGH NJW 1992, 2026 und 3098. Die Partei kann entsprechend auch zur Mitwirkung bei der Ermittlung ausländischen Rechts vom Gericht aufgefordert werden. Ein Auflagenbeschluss über das Vorbringen zum ausländischen Recht ist aber unzuläs-sig, MüKo-ZPO/Prütting, § 293 Rn 53. Lässt eine Partei es an der ihr zumutbaren Mitwirkung fehlen, kann das Gericht zum Nachteil der Partei davon ausgehen, dass durchgreifend neue Erkenntnisse nicht zu gewinnen sind, BGH NJW 1976, 1583. Mangels objektiver Beweislast (Ermittlung des ausländischen Rechts von Amts wegen, ausländisches Recht ist keine Tatsache) darf aber grds. keine Partei wegen der Nichtbeibringung benachteiligt werden, Zöller/Geimer, § 293 Rn 16a.

    39 Zöller/Geimer, § 293 Rn 31; MüKo-ZPO/Prütting, § 293 Rn 71; es gelten für die Beweisaufnahme aber die allgemeinen Vorschrif-ten, wie Ladung und Anhörung des Sachverständigen, §§402, 377,397 ZPO.

    40 Zur Erstattungsfähigkeit von Parteigutachten zum ausländischen Recht nach Maßgabe des§ 91 ZPO, OLGR München 2005, 306. Diese sind nach den allgemeinen Grundsätzen erstattungsfähig, vgl. Mankowski, MDR 2001, 194 f.; zur Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Verkehrsanwalts siehe Fn bei Rdn 11. Es gilt eine allg. typisierende Betrachtungsweise, vgl. BGH NJW-RR 2005, 725, 727 m.w.N.

    41 Deutschsprachige Literatur zum ausländischen Recht: Basedow/Coester-Waltjen/Mansel, Gutachten zum internationalen und aus-ländischen Privatrecht (IPG), Jahresbände, zuletzt 2013/2014 - speziell zum ausländischen Kollisionsrecht: umfangreiche Fund-stellennachweise nach Rechtskreisen bei Staudinger/Sturm!Sturm, (Bearb. 2012) Ein!. IPR Rn 682-815; Länderberichte über das Kollisionsrecht von 87 Staaten über Rück- und Weiterverweisungen sowie zur Unteranknüpfung bei Mehrrechtsstaaten, Staudinger/Hausmann, (Bearb. 2013) Anh. zu Art. 4 EGBGB; zum ausländischen materiellen Recht: Süß/Raas, Erbrecht in

    · Europa, 3. Aufl. 2015; v. Bar, Ausländisches Privat- und Verfahrensrecht in deutscher Sprache, systematische Nachweise aus Schrifttum, Rspr. und Gutachten 1995-2016, 10. Aufl. 2017; zum ausländischen materiellen und Kollisionsrecht: Bergmann/ Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Loseblatt; Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Internationales Erb-recht, Loseblatt. Vgl. ferner Kulms (Hrsg.), Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiete des Internationalen Privatrechts im Jahre 2014, sowie die aktuelle Übersicht bei PalandUThorn, Ein!. v. EGBGB 3 vor Rn!; ferner die laufenden Schrifttumshinw. und Materialien in IPRax, RJW und ZEuP.

    42 Literaturrecherchen zum ausländischen Recht: juris - Das Rechtsportal, Westlaw, LexisNexis, HeinOnline, JSTORE; Gesetzes-texte lassen sich häufig über die Websites der jeweiligen Staaten über dortige Links finden. Linksammlungen: Deutsches Notarins-titut: Notarlinks international, http://www.dnoti.de/informationen/linksarnmlungen/notarlinks-international; Universitätsinstitute, etwa http://www.ipr.uni-koeln.de und http://www.ipr.uni-heidelberg.de. Vgl. die regelmäßig aktualisierten Übersichten in der IPRax und der RJW zu entsprechenden Links.

    1420 Schulze

    2. Muster: Vortrag zum ausländischen Recht

    "' Nach Art. 4 Abs. 1 lit. a, 20 Rom 1-VO untersteht der geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises i.H.v. 10.000 EUR dem französischen Recht. Die Voraussetzungen nach dem französischen Kaufrecht liegen vor. Beweis: Sachverständigengutachten Die Klage ist daher begründet. A

    3. Mandatsbeschränkung

    10

    Besteht eine Verbindung zu einem ausländischen Staat (siehe Rdn 4) muss zunächst geprüft werden, ob es zu 11 einer Anwendung ausländischen Rechts auf der Grundlage des im Inland geltenden Kollisionsrechts kommt. Führt diese Prüfung zur Anwendung eines fremden Sach- oder Kollisionsrechts (dazu gehört nicht das Unions-recht oder das für Deutschland geltende Völkervertragsrecht), so muss der Anwalt bei fehlender Kenntnis das Mandat insgesamt oder zumindest eine Beratung in ausländischen Rechtsfragen ablehnen (eingeschränktes Mandat). Anderenfalls ist der Rat Fachkundiger einzuholen (Sachverständigengutachten, 43 fachkundiger Kol-lege, ausländischer Anwalt). Zu beachten sind dabei die kostenrechtlichen Beschränkungen der Erstattungsfä-higkeit nach§ 91 Abs. 1 ZPO. Ersetzt werden nur die nötigen und zweckdienlichen Maßnahmen, 44 wobei die Aufwendungen für einen ausländischen Verkehrsanwalt grundsätzlich auf die Sätze nach dem RVG beschränkt sind.45 Ferner muss der Anwalt den Mandanten über die Risiken aufklären, die sich aus den Grenzen seiner Erkenntnismöglichkeiten und - im Falle eines beschränkten Mandats - aus dieser Beschränkung ergeben. 46

    Die Aufklärung geht weiter als die bloße Hinweispflicht des Notars über die Anwendung ausländischen Rechts (§ 17 Abs. 3 S. 1 BeurkG) und kann im Einzelfall dazu führen, dass das Mandat insgesamt abgelehnt werden muss.

    Wird ein ausländischer Anwalt hinzugezogen, so sollte eine gesonderte Mandatierung zur Vermeidung einer Zurechnung nach § 278 BGB erwogen werden. Der Anwalt muss aber auch in diesem Falle für ein Auswahl-und Überwachungsverschulden einstehen. 47 Er sollte vorab deshalb zumindest überprüfen, ob der hinzugezo-gene Kollege mandatsbezogen die notwendige Erfahrung besitzt und nachträglich, ob er hinsichtlich der entscheidungserheblichen Punkte in der Angelegenheit tätig war.48

    4. Muster: Mandatsbeschränkung

    "' In Sachen wird [in Bezug auf (die Vereinbarung zwischen der Mandantin und der Fa. XY)] die 12 rechtliche Prüfung allein aus der Sicht des in Deutschland geltenden Rechts vorgenommen. Auf eine danach mögliche Anwendung ausländischen Rechts wird der Auftraggeber mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen hingewiesen. Die sachliche Rechtsprüfung wird in jedem Falle auf das im Inland geltende Recht beschränkt. A

    43 Gutachten im In- und Ausland: Max-Planck-Institut für Ausländisches und Internationales Privatrecht (Hamburg); Institut für internationales und ausländisches Privatrecht der Universität zu Köln; Institut für ausländisches und internationales Privatrecht der Universität Heidelberg ua. Ferner kC>mrnen sämtliche Lehrstuhlinhaber für Internationales PrivatrechURechtsvergleichung der juristischen Fakultäten in Deutschland, Osterreich oder der Schweiz als Gutachter in Frage. Eine Gutachterliste auf der Grundlage einer Selbstbenennung erscheint regelmäßig in der DNotZ (DNotZ 2003, 310f.). Eine kostenlose Datenbank mit Gutachtern für !PR und ausländisches Familienrecht ist abrufbar unter http://www.ftcarn.de/ sowie http://sachverstaendige.ftcam.de/. Gutachter zum ausländischen Recht sind über die Rechtsfakultäten der Landesuniversitäten erreichbar. Gutachten ausländischer Anwälte werden bislang nur als Privatgutachten anerkannt.

    44 OLG Düsseldorf NJW-RR 2007, 428 (anerkannt für Informationsreise der ausländischen Partei zum Prozessbevollmächtigen am Ort des Prozessgerichts im Inland).

    45 Betreffend englischen Verkehrsanwalt vgl. BGH NJW 2005, 1373 (bestätigt durch BGH NJW 2012, 938; BGH NJW 2013, 1310; OLG Stuttgart NJW-RR 2004, 1582); OLGRep. Celle 2008, 543: auch gezahlte USt ist nicht ersatzfähig, a.A. OLGRep Stuttgart 2008, 74; OLG München NJW-RR 2004, 1508; überzeugend gegen eine deutsche Obergrenze aber: Mankowski, NJW 2005, 2346, 2347, 2349; ebenso jetzt Escher, IPRax 2014, 233, der die Deckelung für verfassungswidrig hält; dagegen Kostenerstattung ohne Kappungsgrenze für den aus dem Ausland (Österreich) zur Beweisaufnahme im Rechtshilfeweg nach Deutschland gereisten Prozessanwalt, BGH NJW-RR 2005, 725, 726. Die kostenrechtliche Beschränkung ist dagegen zulässig, wenn ausländischer Anwalt im Inland vor Gericht neben einem deutschen Einvernehmensanwalt auftritt, vgl. EuGH v. 11.12.2013 - C-189/02 -AMOK, NJW 2004, 833; auch dazu krit.: Kilian, MDR 2004, 358.

    46 Einschränkungen des anwaltlichen Pflichtenkreises durch ein beschränktes Mandat, vgl. BGH NJW 1996, 2929, 2931; BGH WM 1998, 2246; BGH WM 2000, 1591; BGH AnwBl. 2002, 300; Strahl, in: Beck'sches Rechtsanwalts-Handbuch, II.Aufl. 2016, § 50 Rn 49 f.; Strahl, in: Beck'sches Prozessformularbuch, 13. Aufl. 2016, I A. 3. Rn 4.

    47 Träger, in: Feuerich/Weyland, BRAO, 9. Aufl. 2016, § 51 BRAO Rn 13 f.; Jungk, AnwBI 2012, 1000, 1001. 48 Schaltet der deutsche Anwalt einen ausländischen Kollegen ein und will diesem gegenüber nicht für Honorare und anfallende

    Kosten haften, so muss er ihn gemäß § 29a BORA darüber informieren; die Hinweispflicht entfällt, wenn der eingeschaltete Anwalt ohnehin davon ausgeht, dass der deutsche Anwalt nicht haften will, Grunewald, NJW 2013, 3620, 3621.

    Schulze 1421

  • 5. Haftungsbeschränkung

    13 Eine Haftungsbegrenzung ist aufgrund der Komplexität ausländischer Rechtslagen ratsam.49 Für eine Freizeich-nung bestehen die nachfolgenden Möglichkeiten: 50 llll Durch eine individualvertragliche Vereinbarung kann die Haftung für jede Fahrlässigkeit (einfache und

    grobe) auf den Betrag der Mindestversicherungssumme beschränkt werden (§ 52 Abs. 1 Nr. 1 BRAO). Damit kommt die Freizeichnung für jede Fahrlässigkeit erst oberhalb der Haftungshöchstgrenze zum Tragen (bestimmt nach der Mindestversicherungssumme: bei Einzelanwälten 250.000 EUR; bei Rechtsanwaltsge-sellschaften 2,5 Mio. EUR, § 59j Abs. 2 S. 1 BRAO). Die Haftungsbeschränkung muss schriftlich und auf den jeweiligen Einzelfall bezogen abgefasst werden. Ist der Anwaltsvertrag Verbrauchervertrag (§ 13 BGB), so findet eine AGB-rechtliche Einbeziehungskontrolle bereits dann statt, wenn die Vertnigsbedingun-gen zur einmaligen Verwendung bestimmt sind(§ 310 Abs. 3 BGB). Das macht eine klare individualvertrag-liche Vereinbarung (Aushandeln, Belehren, Dokumentieren) erforderlich.

    llll Durch vorformulierte Vertragsbedingungen kann die Haftung für einfache Fahrlässigkeit auf den vierfa-chen Betrag der Mindestversicherungssummen beschränkt werden, § 52 Abs. 1 Nr. 2 BRAO (bei Einzelan-wälten 1 Mio. EUR; bei Rechtsanwaltsgesellschaften 10 Mio. EUR).

    1111 Bei Sozietäten ist ferner eine Beschränkung der persönlichen Haftung auf diejenigen Mitglieder ratsam, die das Mandat bearbeiten. Diese Beschränkung der persönlichen Haftung ist zwingend in gesonderter Urkunde abzufassen und bedarf der schriftlichen Zustimmung des Mandanten (§ 52 Abs. 2 S. 3 BRAO, § 126 BGB).

    14 Die Möglichkeit, eine sog. Scheinauslandsgesellschaft, etwa eine Anwalts-LLP (Limited Liability Partnership) nach englischem oder US-amerikanischem Recht, zu gründen,51 ändert das Haftungsregime nicht.52

    15

    16

    Erfolgshonorare und quota-litis-Vereinbarungen (Beteiligung am erstrittenen Betrag) sind auch bei auslandsbe-zogenen Mandaten nur unter den engen Voraussetzungen des § 4a RVG zulässig (§ 49b Abs. 2 S. 1 BRAO). Das Erfolgshonorar muss danach insbesondere zur Sicherstellung der Rechtsverfolgung notwendig sein.53

    6. Muster: lndividualvertragliche Vereinbarung mit Beschränkung der Haftung auf einzelne Sozietätsmitglieder

    'V In Sachen erfolgt die Bearbeitung des Mandats diese jeweils bis zur Höchstsumme von Fahrlässigkeit ausgeschlossen.

    durch die Sozietätsmitglieder und Die Haftung wird auf

    Zustimmung des Auftraggebers: (Unterschrift) ... V. Checkliste: Vorprüfung

    EUR beschränkt. Über diese Summe hinaus wird die Haftung für jede

    1111 Die Auslandsverbindungen des Sachverhalts feststellen: Mitgliedstaat der EU (Sonderstellung Dänemarks), Drittstaat.

    1111 Relevanz der aufgeworfenen Rechtsfrage und Rechtslage (auch) im Ausland: ausländische Gerichtstände oder Beurteilungen durch ausländische Behörden und Gerichte (zweite und ggf. weitere Prüfungsperspektiven); Gefahr hinkender Rechtsverhältnisse (gegenteilige Beurteilung im Ausland).

    1111 Anhängige oder abgeschlossene ausländische Gerichts- oder Verwaltungsverfahren feststellen: Einwand der Rechtskraft, Einwand der Rechtshängigkeit,

    ~ !l'I Verjährung durch Rechtsverfolgung im Ausland.

    49 Zur Anwaltshaftung im internationalen Mandat Finkel, PHi 2013, 188 f. 50 Vgl. insb. zu den versicherungstechnischen Fragen C. Zimmermann, NJW 2005, 177 f. 51 Weller/Kienle, DStR 2005, 1060 u. 1102 auf BGH v. 14.3.2005, DStR 2005, 839; siehe aber die Einschränkung: BGH

    v. 12.7.2011 - II ZR 28/10, NJW 2011, 3372 (ausschließlicher Gerichtsstand für Gesellschafterstreitigkeiten am ausländischen Gründungssitz). Bei einem Gründungssitz im Vereinigten Königreich führt der (harte) Brexit zum Erlöschen der Gesellschaft, siehe Mäsch/Gausing/Peters, IPRax 2017, 49, 54 f. (mit Vorschlag für eine ergänzende Übergangsfrist gern. Art. 7 Abs. 2 EGBGB analog).

    52 Die vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten bezüglich einer Haftungsbeschränkung bleiben davon unberührt. Lediglich die geson-derte Zustimmungserklärung für eine Beschränkung auf die persönliche Haftung gern. § 52 Abs. 2 BRAO entfiele in diesem Fall. Auch vor deutschen Gerichten zugelassene, aber im Ausland arbeitende Anwälte sind verpflichtet, eine Berufshaftpflicht gemäß § 51 BRAO zu unterhalten, AnwGH Hamm v. 20.5.2005 - 1 ZU 110/04.

    53 Kilian, NJW 2008, 1905, 1906.

    1422 Schulze

    1111 Die kollisionsrechtliche Bestimmung des anwendbaren Rechts für eine konkrete Rechtsfrage zunächst auf das im Inland geltende Kollisionsrecht (einschließlich des Unionsrechts und des Völkervertrags-rechts) beschränken. Für den Fall der Anwendung ausländischen Rechts Erkenntnismöglichkeiten prüfen und aufklären:

    ll!il Mandatsbeschränkung prüfen und schriftlich vereinbaren; il!l Haftungsbeschränkung prüfen und schriftlich vereinbaren.

    C. Rechtsquellen (Rangfolge)

    Das einschlägige Kollisionsrecht ist zunächst gern. Art. 3 Nr. 1 u. 2 EGBGB zu ermitteln.54 Die im Inland 17 geltenden Kollisionsnormen stammen danach aus dem Unionsrecht, aus völkervertraglichen Vereinbarungen und aus nationalem deutschen Recht.

    1. Primäres Unionsrecht

    Art. 3 Nr. 1 EGBGB erklärt den Vorrang der „Regelungen der Europäischen Union in ihrer jeweils geltenden 18 Fassung". Das primäre Unionsrecht, insbesondere der Vertrag über die Europäische Union (EUV) und der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), enthält keine unmittelbar anwendbaren kollisionsrechtlichen Bestimmungen, 55 insbesondere keine allgemein geltende kollisionsrechtliche Regelung zugunsten des Herkunftslandes (dagegen ist in einzelnen Richtlinien bereits eine Regel zugunsten der Vorschrif-ten des Herkunftslandes verankert, siehe Rdn 20) und auch kein Günstigkeitsprinzip zum Schutz der Grundfrei-heiten.56 Der EuGH hat aus der Niederlassungsfreiheit für das Internationale Gesellschaftsrecht sowie aus der Unionsbürgerschaft für das Internationale Namensrecht jedoch ein (vorrangiges) primärrechtliches Anerken-nungsprinzip für privatrechtliche Rechtslagen entnommen. Danach wird das Kollisionsrecht durch die Anerken-nung von Rechtslagen überlagert und ergänzt. 57

    II. Sekundäres Unionsrecht

    1. EU-Verordnungen

    Mehrere EU-Verordnungen ersetzen im Umfang ihres Anwendungsbereiches das deutsche Kollisionsrecht (EGBGB) vollständig (Auflistung in Art. 3 Nr. 1 lit. a-e EGBGB): 111!1 Die EG-VO Nr. 593/2008 v. 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht

    (Roml). Die Verordnung gilt für Vertragsschlüsse ab dem 17.12.2009 (Art. 28 RomI-VO). Für Altfälle gelten die Art. 27 ff. EGBGB a.F., 3 ff. EVÜ.

    111!1 Die EG-VO Nr. 864/2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II) v. 11.7.2007 gilt für schadensbegründende Ereignisse ab dem 11.1.2009 (Art. 31 f.). Die Art. 38-42 EGBGB gelten außer für Altfälle noch für Spezialmaterien, wie etwa Persönlichkeitsdelikte, und wurden daher nicht aufgehoben.

    111!1 Die Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18.12.2008 über die Anerkennung und Vollstreckung und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (EuUnthVO) verweist in ihrem Art. 15 auf das Haager Protokoll vom 23.11.2007 über das auf Unterhaltspflichten anwendbare Recht.58

    111!1 Die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates vom 20.12.2010 zur Durchführung einer Verstärkten Zusam-menarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwenden-den Rechts (Rom III) gilt für 14 der 27 EU-Mitgliedstaaten seit 21.6.2012 (Art. 21 Rom III-VO).

    111!1 EU-Verordnungen zum anwendbaren Recht im Ehegüterrecht (VO (EU) Nr. 2016/1103) und im Güterrecht von eingetragenen Partnerschaften (VO (EU) Nr. 2016/1104) (EuGüVO und EuPartVO = Rom IVa-VO und Rom IVb-VO) gelten ab 29.1.2019 für derzeit 18 Mitgliedstaaten (Art. 70 Abs. 2).

    111!1 Die Verordnung (EU) Nr. 650/2012 vom 4.7.2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (EuErbVO = Rom V-VO) gilt für Erbfälle ab dem 17.8.2015.

    54 Das Grundgesetz enthält keine Kollisionsnormen und begründet auch durch Art. 25 GG (Vorrang von „allgemeinen Regeln des Völkerrechts") keinen formellen Vorrang von völkervertragsrechtlichen Regeln.

    55 Die Grundfreiheiten enthalten nach ganz h.M. auch keine versteckten Kollisionsnormen; vgl. Reithmann/Martiny, Rn 1.53 f. 56 Das Kollisionsrecht muss aber den Vorgaben der EUV / AEUV entsprechen, insb. diskriminierungsfrei und grundfreiheitenkonform

    sein. 57 Zur Rechtslagenanerkennung siehe NK-BGB/Freitag, Art. 3 Rn 56 f.; Nordmeier, IPRax 2012, 31 f. 58 Dabei handelt es sich um einen völkerrechtlichen Staatsvertrag, dem die EU in Wahrnehmung ihrer Außenkompetenz beigetreten

    ist.

    Schulze 1423

    19

  • Die genannten Verordnungen gelten auch für Drittstaatensachverhalte, so dass sie in ihrem sachlichen Anwen-dungsbereich das nationale Kollisionsrecht vollständig ersetzen.

    In anderen EU-Verordnungen kommen sehr vereinzelt ebenfalls Kollisionsnormen vor. Dabei handelt es sich um Sachnormverweisungen auf das Recht der einzelnen Mitgliedstaaten (Art. 2 Abs. 1, 15 Abs. 1, 19 Abs. 1 EWIV-Verordnung (Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung), Art. 9 Abs. lc, 5, 15 Abs. 1, 51, 53, 61-63 SE-VO (Societas Europaea); vgl. § 31, ,,Personengesellschaften", und § !, ,,Aktienrecht") oder um Gesamtverweisungen, die auf das jeweilige nationale Kollisionsrecht des angerufenen Gerichts verweisen, etwa bei den unionsweiten gewerblichen Schutzrechten (z.B. Art. 97 Abs. 2 VO Nr. 40/94 über die Gemein-schaftsmarke59). 60

    2. EU-Richtlinien

    20 Auch in einigen EU-Richtlinien 61 sind kollisionsrechtliche Vorschriften 62 enthalten. Die Rom-Vüen haben diese Vorschriften nicht aufgehoben, sondern deren kollisionsrechtliche Regeln als vorrangig ausgewiesen (Art. 23 Rom I-VO, Art. 27 Rom II-VO). Das Richtlinienrecht erlangt erst durch die entsprechenden mitglied-staatlichen Umsetzungsgesetze Geltung (§ 46b EGBGB für die in Abs. 4 aufgelisteten RiLi). Daneben verwei-sen einige Richtlinien auf Vorschriften des Herkunftslandes, umgesetzt etwa in § 3 Abs. 1-3 TMG. 63 Richtli-nien, die nicht rechtzeitig umgesetzt wurden, können im Privatrechtsverhältnis nicht angewendet werden (keine horizontale Direktwirkung= keine unmittelbare Drittwirkung von Richtlinien).

    21 Das Unionsrecht ist bei der Auslegung der Umsetzungsgesetze zur Erzielung der vollen Wirksamkeit (effet utile) zu berücksichtigen (richtlinienkonforme und allgemein unionsrechtskonforme Auslegung), was zu einem „Konformbiegen" des nationalen Rechts führen kann. Sind die Grenzen möglicher Auslegung überschrit-ten, kommt eine unionsrechtliche Staatshaftung in Betracht. 64 Für die richtlinienkonforme Auslegung ist der Text der Richtlinie heranzuziehen. 65

    22 Fehlt einer EU-Richtlinie eine Regelung über die Anwendbarkeit auf Drittstaatensachverhalte, so ist durch Auslegung zu ermitteln, ob sie diese Fälle erfasst. Der EuGH 66 hat das in Bezug auf den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters auf der Grundlage der Handelsvertreterrichtlinie (Richtlinie 86/653/EWG vom 18.12.1986) unter der Voraussetzung bejaht, dass der Sachverhalt einen starken Unionsbezug aufweist (Tätig-keit des Handelsvertreters im Gebiet eines Mitgliedstaates). Das transformierte Sachrecht (hier § 89b HGB) ist dann als international zwingende Norm (Eingriffsnorm) gern. Art. 9 Abs. 2 Rom I-VO (Art. 34 EGBGB a.F.) anwendbar. 67

    III. Völkervertragliches Kollisionsrecht

    1. Typischer Sachverhalt

    23 Ein in Belgien ansässiger Gebrauchtwagenhändler verlangt Zahlung des Kaufpreises für einen an einen deut-schen Händler verkauften Pkw.

    59 Die GMV wurde von der Unionsmarken-VO (EG) Nr. 207/2009 ersetzt. Nun mehr erfolgt die Bestimmung des geltenden nationa-len Rechts nach Maßgabe der Rom 11-VO, vgl. BGH v. 12.1.2017 - I ZR 253/14, GRUR 2017, 397 Rn 105 f.

    60 Ebenso Art. 88 Abs. 2 der VO Nr. 6/02 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster und ähnlich Art. 97 VO Nr. 2100/94 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz.

    61 Vgl. den vollständigen Bestand an EU-RiLi mit kollisionsrechtlichem Gehalt: http://www.ipr.uni-koeln.de. 62 Anders aber die Versicherungsrichtlinien (bspw. Art. 7 Abs. 3 der zweiten RiLi über Direktversicherung 88/357/EWG, ABI EG

    Nr. L 172 v. 4.7.1988; Art. 32 Abs. 5 der RiLi über Lebensversicherungen 2002/83/EG, ABI EG Nr. L 345 v. 19.12.2002), die auf das Internationale Privatrecht der Mitgliedstaaten für vertragliche Schuldverhältnisse verweisen (bei Verweisung auf deutsches Recht damit auf die Art. 27-37 EGBGB a.F., bzw. mit dem Inkrafttreten der Rom I-VO Nr. 593/2008 zum 17.12.2009 auf diese).

    63 Bei Art. 3 Abs. 1 TMG handelt es sich jedoch nicht um eine Kollisionsnorm, sondern um ein sachrechtliches Beschränkungsver-bot, BGH NJW 2012, 2197; das war auch nach der Entscheidung des EuGH v. 25.10.2011 - C-509/09 u. C-161/10 - eDate Advertising; umstritten, Leible, LMK 2012, 329468.

    64 EuGH v. 30.9.2003 - C-224/01 - Köhler, NJW 2003, 3539; zur Staatshaftung Schulze in: Gebauer/Wiedmann, Kap. 16. 65 Getrennt nach RiLi mit kollisionsrechtlichem Gehalt und solchen privatrechtlichen Gehalts: http://ipr.uni-koeln.de. 66 EuGH v. 9.11.2000-C-381/98-Ingmar, NJW 2001, 2007, 2008f. 67 Die Möglichkeit eines solchen Durchgriffs gilt auch für EU-Binnensachverhalte, sofern das angerufene Gericht substantiiert

    feststellt, dass der Gesetzgeber des Staates dieses Gerichts es für unerlässlich hält, den Handelsvertreter weitergehend zu schützen als nach der Richtlinie vorgesehen, EuGH v. 17.10.2013 - C-184/12 - United Antwerp, EuZW 2013, 956.

    1424 Schulze

    2. Rechtliche Grundlagen

    Art. 3 Nr. 2 EGBGB weist die Kollisionsnormen in völkervertraglichen Vereinbarungen gegenüber den Kollisi- 24 onsnormen des EGBGB als vorrangig aus.68 Die Vorrangfrage zwischen EU-Kollisionsrecht und völkervertrag-lichem Kollisionsrecht wird dagegen durch die EU-Verordnungen bestimmt. 69

    Geltung und Anwendbarkeit eines völkerrechtlichen Staatsvertrags sind genau festzustellen. Dabei ist darauf zu achten, dass der Staatsvertrag völkerrechtlich und innerstaatlich gelten muss und dass sein Anwendungsbe-reich im gegebenen Fall zeitlich, sachlich, persönlich und räumlich eröffnet ist. Der Anwendungsbereich wird im Ubereinkommens- oder Abkommenstext ausdrücklich geregelt. Die Anwendungsbereiche sind zum Teil nur auf einzelne spezielle Aspekte beschränkt, für die sie dann neben dem im Übrigen geltenden Recht zur Anwendung kommen. Die staatsvertraglichen Kollisionsregeln gelten oftmals auch nur im Verhältnis der Ratifikationsstaaten untereinander, so dass neben dem Anwendungsbereich auch die Geltung im Verhältnis zu Deutschland oder zu einem anderen betroffenen Staat geprüft werden muss.

    Alle Gerichte sind berechtigt und das verfahrensbezogen letztinstanzliche Gericht ist ermessensgebunden 25 verpflichtet, Auslegungsfragen betreffend die Rom-VOen (siehe Rdn 19) dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen (Art. 267 AEUV). 70

    3. Checkliste: Geltung und Anwendbarkeit des kollisionsrechtlichen Staatsvertrags (hier: Wiener UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf - CISG)

    Art. 25 Abs. 1 Rom 1-VO erklärt diejenigen Internationalen Übereinkommen für unberührt, die zwischen einem 26 oder mehreren Mitgliedstaaten und einem Drittstaat zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der VO galten. Daraus folgt der Vorrang des UN-Kaufrechts (CISG) gegenüber der Rom 1-VO. 1111 Geltung des Staatsvertrags? i!i!1 Innerstaatlich: Ratifikation auf Grundlage eines Ratifikationsgesetzes (Art. 59 GG). 71 Für den vorliegenden

    Fall: Das übereinkommen ist für Deutschland im Verhältnis zu Belgien seit dem 1.11.1997 in Kraft. 72

    Völkervertraglich: Ggf. notwendige Mindestanzahl von Ratifikationen. Hier: keine. 11111 Anwendungsbereich des Staatsvertrags?

    Zeitlich: Anwendbar im Verhältnis zu Belgien seit 1.11.1997 (Tag des Inkrafttretens, Art. 100 CISG). Sachlich: Ansprüche aus Kaufverträgen über Waren (Art. 1 Abs. 1 CISG). Erfasster Regelungsbereich (Art. 4): Anspruch auf Kaufpreiszahlung gern. Art. 53 CISG. Kein vertraglicher Ausschluss (Art. 6 CISG). Hier: keine opt out Erklärung. Räumlich: Die Parteien haben ihre Niederlassung in verschiedenen Vertragsstaaten (Art. 1 Abs. 1 lit. a CISG)? Verkäufer hat seinen Sitz in Belgien (Vertragsstaat). Persönlich: Juristische und natürliche Personen. Keine Verbraucher (Art. 2 lit. a CISG: Ware für den persönlichen Gebrauch).

    11111 Kollision mit anderen einschlägigen Staatsverträgen (ausdrückliche Regelung in den Staatsverträgen, sonst Vorrang der lex specialis und der lex posterior). Hier: Kein anderes vorrangiges Abkommen zwischen Deutschland und Belgien.

    Ergebnis: CISG ist anwendbar. Der Kaufpreisanspruch ergibt sich aus Art. 53 CISG.

    IV. Unionsrechtliche Einflüsse auf das Kollisionsrecht

    Das gesamte nationale Recht unterliegt einem Konformitätsgebot. Die Kollisionsregeln müssen daher mit 27 den Grundfreiheiten und den sonstigen Grundsätzen des Unionsrechts (bspw. Diskrirninierungsverbot in Art. 18 AEUV) übereinstimmen.

    Das Unionskollisionsrecht erstreckt sich auch auf Sachverhalte im Verhältnis zu Drittstaaten (sog. Außenkolli- 28 sionsrecht). Von den in Art. 3 EGBGB aufgelisteten Verordnungen werden daher auch reine Drittstaatensach-verhalte erfasst. Für Wettbewerbsabsprachen drittstaatlicher Unternehmen hat der EuGH die Anwendung des Art. 101 AEUV (= Art. 81 ff. EGV a.F.) bejaht, soweit sich die Absprachen auf den gemeinsamen Markt auswirken. 73

    68 Nachweise zu den geltenden völkerrechtlichen Vereinbarungen: Jayme/Hausmann, !PR-Texte; Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, und Fundstellennachweis B zum BGB! 11 (erscheint jährlich am Jahresende).

    69 Vorrang des Völkervertrags, sofern an dem Vertrag ein Drittstaat beteiligt ist, Art. 25 Rom I-VO und Art. 28 Rom II-VO. 70 Mit dem Vertrag von Lissabon sind Sonderregeln für den Bereich der Justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen abgeschafft

    worden. Die Vorlage gilt nun einheitlich, Schwarze in: Schwarze, EU-Kommentar, 3. Aufl. 2012, Art. 267 AEUV Rn 7. 71 Datum des Inkrafttretens bei Jayme/Hausmann, !PR-Texte, jeweils in den Fußnoten angegeben, sonst meist am Ende des Staats-

    vertrags. 72 BGB! II 1997, S. 719; vgl. Ratifikationsstaaten in Fn 1 bei Jayme!Hausmann, Texte, Wiener UN-Übereinkommen über den

    internationalen Warenkauf v. 11.4.1980, Nr. 77 (CISG). 73 EuGH v. 27.9.1988, Slg. 1988, 5193- Zellstoff. Marktortprinzip bei Wettbewerbsverstößen, BGHZ 167, 91 (zur Bedeutung eines

    Disclaimers im Internet); vgl. zum Marktortprinzip Handig, GRURint 2008, 24, 27, 29.

    Schulze 1425

  • V. Checkliste: Rechtsquellen

    29 !III Einschlägiges vorrangiges Unionsrecht feststellen: Primäres Unionsrecht (EUV, AEUV), Sekundäres Verordnungsrecht (Art. 3 Nr. 1 EGBGB, VO: Rom I, II, III usf.).74

    !III Einschlägiges nationales Kollisionsrecht feststellen: Innerstaatlich geltende multi- und bilaterale Staatsverträge:75 Prüfung der Anwendungsvoraussetzungen (zeitlich, sachlich, persönlich, räumlich). Falls nein: autonomes Kollisionsrecht bestimmen (insbesondere Art. 3-46b EGBGB und ungeschriebene Kollisionsregeln). Ggf. transformiertes Richtlinienrecht (Art. 46b EGBGB: richtlinienkonforme Auslegung an Hand der zugrunde liegenden EU-Richtlinien), 76 Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht prüfen (Grundfreiheiten, Diskriminierungsverbote).

    1111 Kollisionsrechtsanwendung: Tatbestandsvoraussetzungen der deutschen IPR-Norm - Verweisung auf ausländisches IPR und/oder ausländisches Sachrecht.

    D. Subjektive Anknüpfung (Rechtswahl)

    1. Gestaltungsspielräume (Partei- und Privatautonomie, Schiedsabrede)

    30 Für die Vertragspraxis ist die Rechtswahlfreiheit (Parteiautonomie) bedeutsam, sei es, um die häufig schwer kalkulierbare Anwendung ausländischen Rechts zu vermeiden, sei es, um ein bestimmtes Ergebnis nach fremdem Recht gezielt herbeizuführen oder nur, um ein bestimmtes Recht zu fixieren, das auch im Falle eines Wegzugs in ein anderes Land weiter gelten soll.77 Die Wahl einer Rechtsordnung führt zur Befreiung von denjenigen zwingenden Bestimmungen, die ohne diese Wahl gelten würden. Übernommen werden dafür die zwingenden Bestimmungen des gewählten Rechts. Nicht abwählbar sind international zwingende Bestimrimn-gen des deutschen Rechts (Art. 9 Abs. 2 Rom I-VO, 16 Rom II-VO).

    31 Die Parteiautonomie geht weiter als die Privatautonomie. Letztere nutzt „nur" die Dispositionsspielräume innerhalb einer Rechtsordnung. Durch sie ist zwar ebenfalls eine Inkorporation konkret bestimmbarer ausländi-scher Rechtssätze möglich78 und wie in reinen Inlandsfällen zugelassen (vgl. ErwG. (13) Rom I-VO; vgl. Rdn 2). Auf diesem Wege kann auch eine Einbeziehung nichtstaatlichen Rechts (Verbandsrecht [bspw. im Sport],79 Sharia,80 UNIDROIT-Principles,81 Principles of European Contract Law,82 sog. Cyberlaw83) stattfin-den,84 etwa in Form von Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder durch konkreten Verweis auf diese Regel-werke. 85 Das ist nichts anderes, als würde man diese Regeln in den Vertrag hineinschreiben, wie es bei den zum Teil sehr umfangreichen Vertragswerken im internationalen Handel regelmäßig auch geschieht (zB: Incoterms wiefree on board (,,fob Hamburg") usw.86).

    74 Alle VO-Texte unter http://eur-lex.europa.eu/de/index.htm. 75 Abgedruckt nach Sachgebieten bei Jayme/Hausmann, !PR-Texte. 76 Texte unter http://eur-lex.europa.eu/de/index.htm. 77 Das setzt allerdings voraus, dass auch nach dem Kollisionsrecht dieses Landes die Rechtswahl beachtet wird. 78 Ausdrückliche Verbote wie in § 1409 BGB (Verbot der materiellrechtlichen Wahl eines ausländischen Güterstandes) sind seltene

    Ausnahmen. Die kollisionsrechtliche Güterstandswahl ist zulässig (Art. 15 Abs. 2 EGBGB). 79 Zur Inkorporation von Sportverbandsrecht durch (dynamische) Verweisungen, vgl. MüKo-BGB/Reuter, Vor§ 21 Rn 131 f. 80 Die bei Verträgen des Islamic banking anzutreffende Wahl der religiösen Sharia führt nur zur Integration im Rahmen des dispositi-

    ven Rechts, vgl. Becker, RNotZ 2014, 22 f.; Hecke/, Integration islamischer Rechtsinstitute im Inland? - das Beispiel Mudaraba-vertrag, in: Hecke! (Hrsg.), Rechtstransfer, 2011, S. 61; Bälz, IPRax 2005, 44, 46 zu Shamil Bank of Bahrain EC v. Beximco Pharmaceuticals Ltd. [2004] 2 All ER (Comm) 312,327 = [2004] I WLR 1784, 1800.

    81 UNIDROIT, Principles of International Commercial Contracts, 2004 (moderne Formulierung der !ex mercatoria). Deutsche Über-setzung von Schlechtriem/Zimmermann!Kleinheisterkamp, ZEuP 2005, 470 f.; Brödermann, RIW 2004, 721. Das UN-Kaufrecht (CISG) ist Bestandteil des (wählbaren) staatlichen Rechts. Eine isolierte Wahl wird nach h.M. ebenfalls nur als materiell-rechtliche Verweisung für zulässig gehalten; vgl. Rdn 2.

    82 Lando/Beale, The Principles of European Contract Law Parts I and II, 1999; Lando/Clive/Prüm/Zimmermann, Principles of European Contract Law Part III, 2003. .

    83 Gleichfalls ist dadurch keine vollständige Abwahl aller nationalen Rechte möglich, Pfeiffer, JuS 2004, 283, 283 (Verbot rechtsord-nungsloser Verträge). Allgemein darf eine negative Rechtswahl nicht zu einer vollständigen Abwahl allen staatlichen Rechts führen, weil dies einem Recht auf Lossagung von jeglicher Rechtsbindung gleichkäme, siehe Mankowski, RIW 2005, 481, 492 unter Hinw. auf Tribunale di Padova v. 21.1.2005 - n. 40287 de! 2001.

    84 Palandt/Thorn, Art. 3 Rom I-VO Rn4 m.w.N; für die Wählbarkeit auch nichtstaatlichen Rechts NomosK-BGB!Leible, Art. 3 Rom 1-VO Rn 33 (funktionaler Begriff des Rechts) u. W. H. Roth, Zur Wählbarkeit nichtstaatlichen Rechts, in: FS Erik Jayme, 2004, S. 757, 763 f.

    85 Auch die parteiautonome Rechtswahl nach Art. 3 Rom I-VO erlaubt nur die Wahl staatlichen Rechts (ErwG 13). Eine Ausnahme gilt für materielle Vertragsregeln in einem unionsrechtlichen Rechtsakt, wie sie mit dem Common Frame of Reference (CFR) einmal entstehen (ErwG 14); zur neueren Entwicklung für das GEKR siehe Mankowski, RIW 2012, 97 f.

    86 Wertenbruch, ZGS 2005, 136 f.; Baumbach/Hopt, HGB, 37. Aufl. 2016, Anh. (6).

    1426 Schulze

    Gleichzeitig unterliegen die so inkorporierten Normen damit aber auch den Rahmenregeln der Rechtsordnung, die für den Vertrag gelten. Das objektive Vertragsstatut oder die meist ergänzend eingestellte Rechtswahlklausel (oft am Ende etwa unter Miscellaneous: [ ... ] This agreernent shall be governed by Gerrnan Law. oder Le contrat est sournis au droit allernand.) bestimmt dann die staatliche Rahmenordnung (sog. Einbettungsstatut), deren Dispositionsspielräume genutzt werden. Einbeziehung und Wirksamkeit der jeweils inkorporierten Re-geln richten sich nach den Regeln des Vertragsstatuts, bei Anwendbarkeit des deutschen Rechts nach den §§ 134, 138, 242, 305-310 BGB,§ 346 HGB. Zur möglichen Kombination aus Inkorporation und Rechtswahl siehe das Muster Rdn 39. Eine weitergehende Autonomie besteht im Fall von Schiedsabreden. Vor Schiedsge-richten kann auch nichtstaatliches Recht gewählt werden (§ 1051 Abs. 2 ZP0) 87 oder bei entsprechender Ermächtigung durch die Parteien nach Billigkeit zu entscheiden sein(§ 1051 Abs. 3 ZP0).88

    Rechtswahl und Gerichtsstandbestimmung sollten aufeinander abgestimmt sein und idealerweise gleich 32 laufen (deutscher Gerichtsstand und deutsches Recht). Bei einem ausländischen Gerichtsstand ist gesondert zu klären, ob nach dem IPR des ausländischen Forums auch die gewünschte Rechtswahl zulässig ist (vgl. Rdn 5).

    II. Grundlagen der Parteiautonomie (Rechtswahlmöglichkeiten)

    Die Zulässigkeit und Reichweite einer Rechtswahl bestimmt das Kollisionsrecht des Forums. Gegenwärtig 33 bestehen aus der Sicht des deutschen Kollisionsrechts89 die folgenden Rechtswahlmöglichkeiten geordnet nach Sachgebieten:90 1111 Personenrecht: ili!l Namensrecht für natürliche Personen (Art. 10 Abs. 2 und 3 EGBGB), ili!l Gesellschaftsrecht (Wahl des Gründungsrechts, sog. Gründungstheorie). 11111 Familienrecht:91 1\11 Eherecht (Allg. Ehewirkungen Art. 14 Abs. 2-4 EGBGB), ~ Ehegüterrecht (Art. 15 Abs. 2 u. 3 EGBGB), 1\11 Ehescheidung (Art. 5 Abs. 1 Rom III-VO), !.1lil Unterhalt (Art. 7 u. 8 HUP). III Erbrecht: lll Wahl des Rechts der Staatsangehörigkeit (Art. 22 EuErbVO). 1111 Schuldrecht: ' 1iil Vertragsrecht (Art. 3 Rom I-V0, 92 Art. 27-37 EGBGB a.F.), 1Nl Ungerechtfertigte Bereicherung, GoA und Deliktsrecht gern. Art. 14 Abs. 1 S. 1 lit. a Rom II-VO, Art. 42

    S. l' EGBGB. Danach ist eine Rechtswahl grundsätzlich nur nach Eintritt des Schadens zulässig. Indirekt wirkt sich eine vertragliche Rechtswahl auch auf die außervertraglichen Ansprüche aus.93 Nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 lit. b der Rom II-VO kann bezogen auf das Delikts- und auf das Wettbewerbsrecht im kommerzi-ellen Bereich auch vor Eintritt des schadensbegründenden Ereignisses das anzuwendende Recht gewählt werden.94

    87 Zöller/Geimer, § 1051 Rn 3. Zu den wählbaren Prinzipienkatalogen siehe oben Rdn 2. 88 Vgl. Schulze, in: FS Athanassios Kaissis, 2012, S. 875 f.; zu Mustern bei Vereinbarung von Schiedsklauseln eingehend Bröder-

    mann, in: Piltz, § 6 Rn 381-398. 89 Andere Länder eröffnen z.T. wesentlich weiter gehende Wahlmöglichkeiten. Im Falle einer Verweisung auf ein solches großzügi-

    geres ausländisches Internationales Privatrecht können die dortigen Wahlmöglichkeiten genutzt werden, v. Bar/Mankowski, Bd. 1, §7 Rn 74.

    90 Im Internationalen Sachenrecht ist eine Rechtswahl nicht ausdrücklich vorgesehen. Eine gleichwohl erfolgte Rechtswahl wird aber als Indiz für eine wesentlich engere Verbindung zugunsten des gewählten Rechts gewertet (Art. 46 EGBGB), v. Bar/Mankow-ski, Bd. 1, § 7 Rn 72. Nicht weiter behandelt werden hier die Art. 10 Abs. 2-4 (Namenswahl), Art. 14 Abs. 2-4 EGBGB (allg. Ehewirkungen) sowie die gesellschaftsrechtliche Fremdrechtsgründung (zur Gründung von Auslandsgesellschaften im Inland vgl. MüKo-BGB/Kindler, IntGesR Rn 506 f.).

    91 Zu den Rechtswahlmöglichkeiten und den damit verbundenen Risiken bei Ehevereinbarungen: Rieck, NJW 2014, 257. 92 Vom Anwendungsbereich sind die in Art. 1 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 Rom I-VO genannten Materien ausgenommen. Die Rom I-

    VO gilt insbesondere nicht für Schuldverhältnisse aus Verhandlungen vor Abschluss eines Vertrages einschlägig. Die „culpa in contrahendo" als deliktisches oder vertragliches Schuldverhältnis ist von Art. 12 Rom II-VO erfasst.

    93 Besteht zwischen den Parteien auch ein Vertrag mit einer Rechtswahlvereinbarung, unterstehen die gesetzlichen Tatbestände ebenso dem gewählten Recht (Art. 4 Rom II-VO Abs. 3 S. 2); NomosK-BGB/Lehmann, Art. 4 Rom II-VO Rn 156.

    94 G. Wagner, IPRax 2008, 1; Junker, NJW 2007, 3675, 3677.

    Schulze 1427

  • III. Form und Inhalt der Rechtswahl im Vertragsrecht (Art. 3 Rom 1-VO)

    1. Zulässigkeit und Inhalt der Rechtwahl (Art. 3 Abs. 1 Rom 1-VO)

    34 Die Rechtswahlabrede ist ein verselbstständigter Vertrag im Vertrag. Das gilt auch dann, wenn er durch eine einfache Klausel ggf. in AGB95 vereinbart wurde (Art. 3 Abs. 5 Rom I-V0). 96 Dieser Verweisungsvertrag kann zu jeder Zeit, insbesondere auch erst nachträglich (im Prozess) geschlossen, aufgehoben oder geändert werden (Art. 3 Abs. 2 Rom I-V0). 97

    Die Wahl wird regelmäßig positiv auf ein bestimmtes Recht98 hin formuliert. Möglich ist aber auch eine negative Wahl (,,Dieser Vertrag untersteht nicht dem deutschen Recht."). Damit wird nur die genannte Rechtsordnung ausgeschlossen. Durch objektive Anknüpfung ist dann das ohne Rechtwahl anwendbare Recht festzustellen (vgl. Rdn 83).99

    35 Die Wahl kann auf eine oder mehrere trennbare selbstständige Rechtsfragen bezogen werden. Dabei können nur einzelne oder auch mehrere Vertragsteile jeweils einer anderen Rechtsordnung unterstellt werden (Teil-rechtswahl gern. Art. 3 Abs. 1 S. 2 Rom I-V0). 100 So lässt sich etwa der Vertragsschluss einer Rechtsordnung, dagegen die Erfüllung einer anderen Rechtsordnung zuweisen.101

    Die Rechtswahl kann auch unter eine Bedingung gestellt werden (im Falle der Klageerhebung durch Partei X gilt das Recht von [ ... ]102) und/oder mit einer Gerichtsstandvereinbarung verknüpft werden (bei Klagerhe-bung in E gilt das Recht von E) (sog. floating choice of law-clauses 103). Das Zustandekommen und die Wirksamkeit der Rechtswahl beurteilen sich nach dem gewählten Recht. Dieses bestimmt auch über die Auslegung oder Nichtigkeit Art. 10 Abs. 1, Art. 12 Rom I-VO sowie über die Formerfordernisse. Die Parteien können die Ortsform aber ausdrücklich genügen lassen. Art. 11 Abs. 1 Rom I-VO bleibt dann ungeachtet der Rechtswahl für den Hauptvertrag anwendbar.

    36 Die Wahl richtet sich auf die innerstaatlich geltenden Sachnormen einer frei wählbaren 104 Rechtsordnung ggf. die einer Gebietseinheit (Art. 22 Rom I-V0 105). Sie sollte möglichst umfassend formuliert werden. Im unternehmerischen Verkehr kann die Vereinbarung auch auf außervertragliche Ansprüche erweitert werden (siehe Rdn 55). Zu beachten ist, dass zum gewählten Sachrecht auch die Vorschriften des sog. Einheitsrechts zählen (siehe Rdn 2). Die Wahl der Klausel „Auf den Vertrag findet deutsches Recht Anwendung." führt daher z.B. im Bereich des Warenkaufs zu dem in grenzüberschreitenden Sachverhalten vorrangigen UN-Kaufrecht und nicht zu den Regelungen im BGB. Erforderlich ist hier die Hinzufügung einer Ausschlussklausel.

    95 Eine Rechtswahlvereinbarung in AGB ist zulässig, BGHZ 123, 380, 383. 96 Im Falle des Dissenses über die Rechtswahl scheitert grds. nur diese nicht auch der Hauptvertrag. Für diesen ist das anwendbare

    Recht dann nach den Grundsätzen der objektiven Anknüpfung zu bestimmen (siehe Rdn 83 f.). 97 Die nachträgliche Rechtswahl unterliegt den gleichen Grundsätzen wie die anfängliche Rechtswahl. Ein durch sie bewirkter

    Wechsel des Vertragsstatuts kann aber eine einmal erlangte Formgültigkeit des Vertrags nicht mehr beseitigen und auch Rechte Dritter (Bürgen, Pfändungsgläubiger, Drittgläubiger) nicht mehr verschlechtern, Art. 3 Abs. 2 S. 2 Rom 1-VO.

    98 Auch das Recht eines Nichtmitgliedstaates kann gewählt werden, vgl. Art. 2 Rom 1-VO. · 99 Führt sie zu der ausgeschlossenen Rechtsordnung, gilt das Recht, zu dem die nächst engste Verbindung besteht, s. NomosK-

    BGB/Leible, Art. 3 Rom 1-VO Rn 47. Werden alle staatlichen Rechte ausgeschlossen, liegt keine wirksame Rechtswahl vor, so dass objektiv (Art. 4 Rom 1-VO) anzuknüpfen ist (Art. 4 Rom I-VO). Verbot rechtsordnungsloser Verträge.

    100 So kann eine nicht gewollte Drittbegünstigung durch eine Teilrechtswahl verhindert werden, Staudinger/Magnus, (Bearb. 2016) Art. 3 Rom 1-VO Rn 126f.

    101 OLG Frankfurt IPRax 1992, 314, 316; LG München I IPRax 1983, 244 (zwingendes Recht von Malysia und im Übrigen deutsches Recht auf einen Anstellungsvertrag eines Geschäftsführers einer malayischen Gesellschaft). Möglich ist auch die Wahl eines Rechts isoliert nur für eine Indexklausel, vgl. W. H. Roth, Zur Wählbarkeit nichtstaatlichen Rechts, in: FS Erik Jayme, 2004, S. 757, 762. Die Grenzen dieser Teilrechtswahl sind erreicht, wenn sie zu widersprüchlichen Ergebnissen führen.

    102 OLG München IPRspr. 1975, Nr. 26. 103 Die bedingte Rechtswahl ist wie eine nachträgliche Rechtswahl zu behandeln, wobei durch Auslegung zu klären ist, ob die Wahl

    auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zurückwirken soll. 104 Das gewählte Recht muss keinen Bezug zum Fall haben (neutrales Recht). Zu reinen Inlandsfällen siehe Rdn 47. 105 Bei der Wahl des „amerikanischen Rechts" ist durch Auslegung derjenige US-Bundesstaat zu ermitteln, dessen Schuldvertrags-

    recht nach dem Parteiwillen zur Anwendung kommen sollte. Scheitert diese Auslegung, ist die Rechtswahl unwirksam und das Vertragsstatut wird objektiv angeknüpft (str.), vgl. NomosK-BGB/Doehner, Art. 22 Rom 1-VO Rn 9 f.

    1428 Schulze

    2. Muster

    a) Rechtswahlklausel - Grundform

    T Der Vertrag einschließlich der Form seines Zustandekommens sowie sämtliche sich aus ihm ergebenden Rechte und 37 Pflichten unterstehen dem deutschen Recht. [Ergänzung nur für Verträge zwischen Unternehmern:] Das gilt ebenso für sämtliche außervertraglichen Ansprüche, die im Zusammenhang mit diesem Vertrag stehen. .A

    b) Anmerkungen zum Muster

    Die ergänzende Einbeziehung von deliktischen und sonstigen gesetzlichen Ansprüchen ist nach Art. 14 Abs. 1 38 lit. b Rom II-VO nur zulässig, wenn beide Vertragsparteien „einer kommerziellen Tätigkeit" nachgehen und damit auf b2b-Geschäfte beschränkt. Siehe näher Rdn 55.

    c) Rechtswahlklausel - mit Inkorporation anderer Regelwerke

    T Dieser Vertrag inkorporiert die Regeln [siehe oben Rdn 31] in ihrer jeweils gültigen Fassung [oder: in der 39 Fassung v. +Zltw1;ßt;f:q]. Er unterliegt dem der Bundesrepublik Deutschland. [Ergänzung nur für Verträge zwischen Unternehmern:] Das gilt ebenso für sämtliche außervertraglichen Ansprüche, die im Zusammenhang mit diesem Vertrag stehen. .A

    d) Rechtswahlklausel - Kaufrecht

    T Der Vertrag einschließlich der Form seines Zustandekommens und sämtliche sich aus ihm ergebenden Rechte und 40 Pflichten unterstehen dem deutschen Recht unter Ausschjuss des UN-Kaufrechts. .A Die Rechtswahlvereinbarung kann ferner auch stillschweigend bzw. konkludent durch schlüssiges Verhalten 41 geschlossen werden. Davon ist aber nur auszugehen, wenn sich ein kollisionsrechter Gestaltungswille (konkre-tes Rechtswahlbewusstsein) mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrags oder aus den Umständen des Falles ergibt; die Ermittlung eines hypothetischen Parteiwillens genügt nicht.106 Abzuwägende Indizien sind: 11111 Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstands, 107 lill ausdrückliche Bezugnahme auf Normen und Rechtsinstitute einer bestimmten Rechtsordnung (im Vertrags-

    text, 108 in Formularen, AGB oder Nutzungsbedingungen einer Internet-Plattform, Tarifvertrag 109), 11111 ausdrückliche Bezugnahme auf einen anderen Vertrag, der eine ausdrückliche Rechtswahlklausel enthält

    oder der eine wirtschaftlich enge Verbindung zu dem Vertrag besitzt, no 1111 übereinstimmendes Verhandeln nach ausländischem Recht vor einem deutschen Gericht, 111 übereinstimmen-

    des Verhandeln unter deutschem Recht nach einem richterlichem Hinweis oder der Erörterung der Rechtsan-wendungsfrage, 112

    11111 sonstige Umstände (Abschlussort, vereinbarter Erfüllungsort, Vertragssprache, Vertragswährung, Wohn-oder Gesellschaftssitz der Vertragsparteien usf.)

    106 BGH IPRax 2005, 342, 344 (im Ergebnis verneint); nach Art. 3 Abs. 1 Rom 1-VO muss sich die stillschweigende Rechtswahl ,,eindeutig" aus dem Vertrag oder den Umständen ergeben. Zu Anhaltspunkten für eine stillschweigende Rechtswahl: MüKo-BGB/Martiny, Art. 3 Rom I-VO Rn 48 f.

    107 Für Art.3 Abs.! S. I Rom 1-VO ist dieses Indizkriterium ausdr. in ErwG (12) erwähnt. 108 Trotz Vereinbarung einer Morgengabe keine Wahl ägyptischen Rechts, KG StAZ 2013, 285; krit. Gruber, IPRax 2014, 53. 109 BAG NZA 2008, 761 Rn 32. 110 BGH NJW 2001, 1936, 1937; BAG NZA 2008, 761 Rn33 (vorvertragliche Vereinbarung). 111 BGH NJW 1990, 248, 249; OLG Koblenz NJW-RR 2005, 1048 f. 112 Das erforderliche Rechtswahlbewusstsein wurde bejaht von BGH NJW-RR 2000, 1002, 1004 (beiderseitiger Gestaltungswillen

    erforderlich), nur geringe Anforderungen stellt, BGH NJW 1999, 950f.; BGH NJW 2003, 3620; BGH NJW 2004, 2523; BGH IPRax 2005, 342, 344.

    Schulze 1429

  • 3. Zustandekommen und Wirksamkeit (Art. 3 Abs. 5, 10 Rom 1-VO)

    42 Die Einigung und die materiellen Wirksamkeitsvoraussetzungen des Verweisungsvertrags richten sich nach dem Recht, dem der Hauptvertrag unterstehen soll (Art. 10 Abs. 1 Rom 1-VO). Die Regeln des gewählten Rechts entscheiden damit über Angebot und Annahme, Dissens, Willensmängel (Irrtum, Drohung, Täuschung, Scheingeschäft usf.) ebenso wie über ein etwa bestehendes Widerrufsrecht. 113 Zur Feststellung des rechtsge-schäftlichen Erklärungswerts des Parteiverhaltens, kann einschränkend das Recht am gewöhnlichen Aufent-haltsort einer Partei nach Billigkeit zu berücksichtigen sein, sofern diese sich darauf beruft, sie habe dem Vertrag nicht zugestimmt (Art. 10 Abs. 2 Rom 1-VO). Die Schutzvorschrift betrifft nur das Zustandekommen. 114

    Bedeutung erlangt dies etwa für die Bewertung von Schweigen (als Vertragsannahme oder Vertragsänderung, Bestätigungsschreiben), für den Dissens(§ 154 Abs. 2 BGB) oder für die Einbeziehung von AGB (etwa§ 305c Abs. 1 BGB „überraschende Klauseln"). 115

    43 Das gewählte Recht entscheidet auch über Zustandekommen und Wirksamkeit einer Rechtswahl durch AGB (Einbeziehungskontrolle nach dem gewählten Recht).116 Die §§ 305 Abs. 2-306 BGB finden daher nur Anwendung, wenn deutsches Recht gewählt wurde. Das gilt ebenfalls für die Frage, ob die Rechtswahlklausel überraschend war, 117 sowie für die Behandlung von kollidierenden AGB .118 Für eine Vertragspartei mit gewöhn-lichem Aufenthalt im Inland können ausnahmsweise die §§ 305b BGB (Vorrang der Individualabrede), 305c BGB (Überraschende und mehrdeutige Klauseln) auch nach Maßgabe des Art. 10 Abs. 2 ROM 1-VO Anwen-dung finden (siehe Rdn 42). Die Rechtswahlklausel unterliegt ferner, und zwar unabhängig vom gewählten Recht, einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle, so dass jedenfalls im Verbraucherrecht (siehe Rdn 48 f.) auch eine Angemessenheitskontrolle stattfindet (str.).119

    4. Form, Rechts- und Geschäftsfähigkeit (Art. 3 Abs. 5, 11 u. 13 Rom 1-VO)

    44 Die Rechtswahlvereinbarung ist formwirksam, wenn sie den Formvorschriften des für den Hauptvertrag gewählten Rechts oder den Formvorschriften am Ort des Vertragsschlusses entspricht (Art. 3 Abs. 5, 11 Rom 1-VO). Der Vornahmeort (!ex loci actus) ist der Ort, an dem die Annahmeerklärung abgegeben wurde. Auf den Zugangsort kommt es nicht an. Die Formbedürftigkeit des Hauptvertrags (etwa eines Grundstücksgeschäfts nach § 311b BGB oder einer Anteilsveräußerung nach § 15 Abs. 4 GmbHG) führt nicht auch zur Formbedürftigkeit der sie betreffenden Rechtswahlvereinbarung. Die Wirksamkeit von Verweisungs- und Hauptvertrag sind voneinander unabhän-gig.120

    45 Die Rechts-, Geschäfts- und Handlungsfähigkeit einer natürlichen Person richtet sich nach dem Recht ihrer Staatsangehörigkeit (Art. 7 Abs. 1 EGBGB, Personalstatut). Ergänzend schützt Art. 13 Rom I-VO (Art. 12 EGBGB) das Vertrauen des (inländischen) Rechtsverkehrs in das Bestehen dieser Fähigkeiten nach Maßgabe des deutschen Rechts.

    113 BGHZ 135, 124, 138; BGH RIW 2005, 463; vgl. Martiny, ZEuP 2008, 79, 100 . • 114 BGHZ 135, 124, 137 (nur die rechtsgeschäftliche Relevanz, nicht die Wirksamkeit der Willenserklärung).

    115 BGH v. 19.7.2012 - I ZR 40/11, IPRax 2013, 557 Rn30 m. Anm. W.-H. Roth (515); vgl. auch BGH IPRax 2005, 446 (stillschweigende Einbeziehung von AGB-Banken).

    116 Länderübersicht zu ausländischen AGB-Normen bei Reithmann!Martiny, Rn 3.55 f.; BGH RIW 2005, 463 (Schweiz). 117 Abschlusskontrolle: BGHZ 123,380,383; BGH NJW-RR 2005, 1071, 1072 (jeweils verneint); OLG Düsseldorf NJW 1994,

    1132 (bejaht). 118 Sind beide Rechtswahlklauseln nach dem jeweils gewählten Recht wirksam, so fehlt eine Einigung und der Vertrag ist nach

    Art. 4 Rom 1-VO objektiv anzuknüpfen. 119 EuGH v. 28.7.2016- C-191/15, NJW 2016, 2727 - Amazon (missbräuchlich, weil irreführend, wenn auf den Verbrauchschutz

    nach Art. 6 Abs. 2 Rom 1-VO nicht hingewiesen wurde); BGH v. 19.7.2012 - I ZR 40/11, IPRax 2013, 557 Rn 30 m. Anm. W.-H. Roth (515) (unangemessene Benachteiligung beim Kauf von Arzneimitteln über eine Versandapotheke); die h.L. geht davon aus, dass nur eine Abschluss-, aber keine Inhaltskontrolle stattfindet, weil die Zulässigkeit einer Rechtswahl durch das Kollisions-recht positiv entschieden ist, Pfeiffer, LMK 2013, 343552; Palandt/Thorn, Art. 3 Rom 1-VO Rn 9.

    120 BGH NJW 1969, 1760; OLG Nürnberg NJW-RR 1997, 1484; möglich ist auch die stillschweigende Unterstellung eines formbe-dürftigen Rechtsgeschäfts unter das deutsche Recht.

    1430 Schulze

    Die Rechtsfähigkeit einer juristischen Person bestimmt sich nach dem Gesellschaftsstatut. Für Gesellschaften aus einem Mitgliedstaat der EU entscheidet das Recht am Ort des Gründungssitzes. 121 Im Drittstaatenfall gilt weiterhin das Recht am Ort des effektiven Verwaltungssitzes (Sitztheorie 122). 123

    5. Checkliste: Rechtswahl im Schuldrecht

    1111 Rechtswahlvertrag (Verweisungsvertrag) in Bezug auf den (Haupt-) Vertrag ggf. durch einfache 46 Vertragsklausel im Hauptvertrag oder AGB (Art. 3 Abs.1 Rom 1-VO). Die Rechtswahl kann durch AGB erfolgen.

    11! kann auch stillschweigend getroffen werden (Art. 3 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 Rom 1-VO). Voraussetzung ist hier aber ein konkretes Rechtswahlbewusstsein.

    filll kann noch nachträglich (im Prozess) vereinbart, aufgehoben oder geändert werden (Art. 3 Abs. 2 Rom I-VO).

    filll kann auf eine oder mehrere trennbare selbstständige Rechtsfragen bezogen werden (Teilrechtswahl gern. Art. 3 Abs. 1 S. 3 Rom 1-VO). kann unter eine Bedingung gestellt und/oder mit einer Gerichtsstandvereinbarung verknüpft werden (floa-ting choice of law-clauses). richtet sich auf die innerstaatlich geltenden Sachnormen einer frei wählbaren Rechtsordnung. Falls bestehen-des Einheitsrecht (etwa CISG) nicht gewollt ist, bedarf es einer Ausschlussklausel.

    1111 Für Einigung und Wirksamkeit des Verweisungsvertrags gelten die Regeln des gewählten Rechts (Art. 3 Abs. 5, 10 Rom I-VO). Das gilt auch für die Einbeziehungskontrolle von AGB. Ggf. Einschränkungen nach Art.10 Abs. 2 Rom 1-VO.

    1111 Formerfordernisse richten sich nach Art. 3 Abs. 5, 11 Abs. 1 Rom 1-VO. Ein gesetzliches Formerfordernis für den Hauptvertrag (etwa§ 311b BGB) führt nicht auch zur Formbedürftigkeit der Rechtswahlvereinba-rung. Die Rechts- und Geschäftsfähigkeit ergibt sich aus dem Personalstatut (Art. 7 EGBGB oder bei juristischen Personen aus Gründungs- oder Sitzanknüpfung).

    IV. Wirkungsbeschränkungen der Rechtswahl (Schutzbestimmungen)

    1. Reine Inlandsfälle (Art. 3 Abs. 3 Rom 1-VO)

    Besitzt der Sachverhalt im Zeitpunkt der Rechtswahl außer der Bestimmung eines ausländischen Rechts und 47 ggf. ein'es ausländischen Gerichtsstands keinen sonstigen Auslandsbezug, so ist die Rechtswahl zwar wirksam, aber die einfach zwingenden Normen des inländischen Rechts bleiben anwendbar, Art. 3 Abs. 3 Rom I-VO. (Bsp.: Inländische Vertragspartner einer inländischen Transaktion wählen Schweizer Recht: Anwendbar bleibt das zwingende deutsche Recht, §§ 134-138, 242, 276 Abs. 3, 311b Abs. 2-5 BGB usf.). Die Begrenzung der Wirkung der Rechtswahl gilt auch bei einer Abwahl des Unionsrechts nach Art. 3 Abs. 4 Rom I-VO (sog. ,,Binnenmarktklausel").

    2. Verbraucherschutz und Arbeitsrecht (Art. 6, 8 Rom 1-VO, 46 b EGBGB)

    a) Art. 6 Abs. 2 Rom 1-VO (Günstigkeitsprinzip für Verbraucher)

    Der Verbraucher kann sich ungeachtet des gewählten Rechts gern. Art. 6 Abs. 2 S. 2 Rom 1-VO auf die für ihn 48 günstigeren zwingenden Verbraucherschutzvorschriften seines Aufenthaltsstaats stützen.124 Dies gilt für jede Art von Verbrauchergeschäften. Ausgenommen sind nur die Verbrauchergeschäfte in Art. 6 Abs. 4 lit. a-c Rom 1-VO (aber mit Rückausnahmen für Pauschalreisen und Timesharingverträge, Art. 6 Abs. 4 lit. b u. c Rom I-VO). Geschützt wird grundsätzlich nur der passive Verbraucher, der im Staat seines gewöhnlichen Aufenthalts von dem Anbieter adressiert wird (Art. 6 Abs. 1 Nr. 1-3 u. Erwägungsgrund (25 S. 2) Roml-

    121 Gründungssitz (= Satzungssitz, Gründungs- und Registrierungsort) liegt in einem Mitgliedstaat der EU. Der EuGH hat aus der Niederlassungsfreiheit für Gesellschaften (Art. 49, 54 EUV) die Anknüpfung an den Gründungssitz vorgegeben, vgl. BGH NJW 2003, 1461 (Abschlussentscheidung Rs. Überseering); Weller, in: Gebauer/Widmann, Kap.18 Rn22f.

    122 Der BGH hält an der Sitztheorie in Drittstaatenkonstellationen fest, vgl. BGH NJW 2009, 289 (Schweiz). Im Verhältnis zu den USA gilt Gründungsrecht kraft Art. 3 Abs. 2 EGBGB vorrangig die völkervertragliche Vereinbarung aus Art. XXV Abs. 5 S. 2 des deutsch-amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Konsularvertrags v. 8.12.1923 (RGBI 1925 II, S. 795), vgl. BGH JZ 2005, 298 (GEDIOS Corporation) m. Anm. Ebke; BGH JZ 2005, 303 m. Anm. Rehm.

    123 Der Entwurf des BMJV für ein Gesetz zum Internationalen Gesellschaftsrecht, mit dem die Entscheidungen des EuGH in diesem Bereich umgesetzt werden sollen, wird gegenwärtig nicht weiter verfolgt; zum gegenwärtigen Diskussionsstand M.-P. Weller, IPRax 2017, 167.

    124 Der hier anzustellende Günstigkeitsvergleich erfolgt von Amts wegen und setzt bei dem konkreten Verbraucherbegehren an. Das Recht seines Aufenthaltslandes garantiert dem Verbraucher damit einen Mindeststandard an Verbraucherschutz, vgl. MüKo-BGB/Martiny, Art. 6 Rom I-VO Rn51; Palandt/Thorn, Art. 6 Rom 1-VO Rn 8.

    Schulze 1431

  • 49

    V0). 125 In diesen Fällen bleiben die zwingenden Vorschriften des Verbraucherlandes anwendbar, die für den Verbraucher günstiger sind als die zwingenden Vorschriften des gewählten Rechts. Erfolgt eine Rechtswahl durch AGB, so muss der Verbraucher auf den Schutz durch Art. 6 Abs. 2 Rom I-VO ausdrücklich hingewiesen werden (siehe Muster Rdn 49). 126 Betroffen sind all jene gesetzlichen Bestimmungen, die auf den Ausgleich typischer Ungleichgewichtslagen zwischen den Parteien gerichtet sind, ohne deshalb spezifische Verbraucher-schutzvorschriften sein zu müssen. 127 Bei inländischen Verbrauchern kommen für den einzelfallbezogenen Günstigkeitsvergleich danach bspw. die allgemeinen Schutzvorschriften der Rechtsgeschäftslehre (§§ 134-138, 242, 276 Abs. 3, 311b Abs. 2-5 BGB) wie auch speziellere Bestimmungen in Betracht, etwa jene über den Reisevertrag (§§ 651a ff. BGB), Allgemeine Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB), Haustürgeschäfte (§§ 312, 312a BGB), Fernabsatzverträge (§§ 312b ff.), Verträge im elektronischen Geschäftsverkehr (§ 312e BGB), Verbrauchsgüterkauf (§§ 474 ff. BGB), Verbraucherdarlehen (§§ 491 ff. BGB) oder Anlegerschutzvor-schriften (§ 37d Abs. 4 WpHG und richterrechtliche Aufklärungs-, Hinweis- und Warnpflichten 128). Der Rechts-wahlvertrag mit einem Verbraucher muss zwingend den Formvorschriften des Verbraucherlandes entsprechen (Art. 6 Abs. 2 S. 1, 3 Abs. 5, 11 Abs. 4 Rom I-V0). 129

    b) Muster: Rechtswahlklausel in Verbraucherverträgen (AGB)

    "' Dieser Vertrag - einschließlich der Form seines Zustandekommens sowie sämtlicher sich aus ihm ergebenden Rechte und Pflichten - unterliegt dem deutschen Recht. Zwingende Schutzvorschriften des Rechts des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, bleiben anwendbar. J..

    c) Art. 46b EGBGB (Drittlandwahl)

    50 Art. 46b EGBGB kommt nur 130 nachrangig zur Anwendung, wenn 1111 die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 Rom 1-VO nicht erfüllt sind (etwa für aktive deutsche Urlauber im

    Ausland oder für die nach Art. 6 Abs. 4 Rom 1-VO ausgeschlossenen Fälle) oder 1111 die Rechtswahl zum Recht eines Nicht-EU oder Nicht-EWR Mitgliedstaates (Drittland) führt.

    Anzuwenden sind nach Art. 46b EGBGB die Umsetzungsgesetze der Verbraucherschutzrichtlinien (abschlie-ßend aufgezählt in Art. 46b Abs. 4 EGBGB). Berufen ist dasjenige Recht, zu dessen Gebiet der Vertrag eine enge Beziehung aufweist (Regelbeispiele hierfür in Art. 46b Abs. 2 EGBGB). Eine Sonderregelung enthält Art. 46b Abs. 3 EGBGB speziell für Time-Sharing-Immobilien, die in einem EU-/EWR-Staat belegen sind. Ungeachtet einer Drittlandwahl sind immer die Vorschriften des BGB über Teilzeit-Wohnrechteverträge (§§481-487 BGB) anzuwenden. 131

    d) Art. 8 Abs. 1 Rom 1-VO (Günstigkeitsprinzip für Arbeitnehmer)

    51 Die Rechtswahl bei lndividualarbeitsverträgen 132 gern. Art. 8 Abs. 1 Rom I-V0 133 darf dem Arbeitnehmer nicht den Schutz durch die zwingenden Vorschriften des Rechts an seinem Arbeitsort nehmen. Sofern er seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat verrichtet, schützt ihn das Recht am Ort der einstellenden Niederlassung oder jene im Staat der sonst engsten Verbindung des Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses (objektive Anknüpfung nach Art. 8 Abs. 2 Rom I-VO). Das gewählte Recht wird verdrängt, sofern dies für

    125 Erweiternd aber zur Parallelvorschrift über den Verbrauchergerichtsstand EuGH v. 17.10.2013 - C-218/12 - Emrek, NJW 2013, 943 (Art. 17 Abs. 1 lit. c EuGVO (2015)). Danach muss das „Ausrichten" der unternehmerischen Tätigkeit auf den Verbraucher-staat nicht ursächlich für den Vertragsschluss geworden sein. Die Übertragbarkeit dieser Rspr. auf Art. 6 Rom I-VO ist eine noch offene Frage. Eine Ausweitung durch analoge Anwendung kommt jedenfalls nicht in Betracht, vgl. Palandt/Thorn, Art. 6 Rom I-VO Rn 1. Zur Diskussion nach früherem Recht vgl. BGHZ 135, 124, 134 (Time-Sharing-Verträge). Zu den sog. Gran Canaria-Fällen, dh Kauf- oder Time-Sharingverträge deutscher Verbraucher im Ausland (Gran Canaria): Jayme, IPRax 1995, 234; LG Tübingen NJW 2005, 1513, 1514.

    126 EuGH v. 28.7.2016 - C-191/15, NJW 2016, 2727 - Amazon (Rechtswahlklausel in AGB ist i.S.v. Art. 5 S. 1 der RL 93/13/ EWG (ABI 1993 L 95, 29) missbräuchlich, weil irreführend, wenn nicht auf den Verbraucherschutz nach Art. 6 Abs. 2 Rom I-VO hingewiesen wurde); Mankowski, NJW 2016, 2705; Kaujhold, EuZW 2016, 247.

    127 BGH IPRax 2005, 150 (§ 138 BGB: überhöhte anwaltliche Stundenhonorare bei Auslandsmandat). Dazu Anm. Spickhojf, IPRax 2005, 125, Staudinger, IPRax 2005, 129 u. Mankowski, AnwBI. 2004, 63 f.

    128 BGH RIW 2005, 463,464 (zu§§ 52 ff. BörsG aF bei Börsentermingeschäften); zust. Mankowski, RIW 2005, 481,492. 129 Zu Rechtswahlklauseln in Verbraucherverträgen siehe auch BGH IPRax 2013, 557 ff. m. Anm. Roth, IPRax 2013, 515. l30 Palandt/Thorn, Art. 6 Rom I-VO Rn2 (str.). 131 Palandt/Thorn, Art. 46b EGBGB Rn 7. [32 Musterklausel einer arbeitsvertraglichen Rechtswahl bei Mävers, ArbRAktuell 2009, 83, 85. 133 Der Begriff des Arbeitsverhältnisses ist unionsrechtlich autonom zu bestimmen. Auch nichtige Arbeitsverträge und De-facto-

    Arbeitsverhältnisse werden erfasst, Rauscher/v. Hein, Art. 8 Rom I-VO Rn 19; Junker in Ferrari/Leible, Rome !, 2009, Arbeits-verträge, 111, 113.

    1432 Schulze

    den Arbeitnehmer günstiger ist. Dazu sind die Rechte in dem betreffenden Teilbereich miteinander zu verglei-chen (etwa Kündigungsschutz im Einzelfall). 134 Zwingende Bestimmungen, die durch Rechtswahl nach Abs. 1 nicht ausgeschaltet werden können, finden sich im gesamten Bereich des individuellen Arbeitsrechts (bspw. Gleichbehandlungsgrundsätze, Arbeitnehmererfindungen, Kündigungsschutz, Betriebsübergang, Mutterschutz, Arbeitszeit usw.). Die Arbeitnehmer-Entsenderichtlinie (EG v. 16.9.1996) wurde durch das Arbeitnehmerent-sendegesetz umgesetzt und überlagert Art. 8 Rom 1-VO (siehe Art. 23 Rom 1-VO). Die zwingend geregelten Bereiche (§ 7 AEntG) werden als Eingriffsnormen über Art. 9 Abs. 2 Rom 1-VO zur Anwendung gebracht. 135

    3. Deutsche international zwingende Normen (Art. 9 Abs. 1 u. 2 Rom 1-VO)

    Art. 9 Rom I-VO stellt den Vorrang international zwingender Sachnormen gegenüber dem kollisionsrechtlich 52 berufenen Sachrecht klar. Diese Normen werden als Eingriffsnormen bezeichnet. Es handelt sich um ord-nungspolitische Vorschriften öffentlich- oder privatrechtlicher Natur, die stets einen besonderen wirtschafts-oder sozialpolitischen Gehalt haben. 136 Zu nennen sind: Ausfuhrverbote, Preis- und Devisenvorschriften, Kartellbestimmungen, Urheberschutz, Mieterschutz- und Verbraucherschutzvorschriften (str.), Kulturgüter-schutzregeln, BRA0 137 (str. anerkannt für die HOAl138), der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters 139 sowie der Anspruch aus Gewinnzusagen. 140 Soweit bereits über den insoweit abschließenden Art. 6 Rom I-VO zwingende Vorschriften des Verbraucherrechts zur Anwendung berufen werden, kommt eine subsidiäre Prüfung von Eingriffsnormen nach Art. 9 Rom 1-VO nicht mehr in Betracht (str.). 141

    Ausländische Eingriffsnormen des Rechts am tatsächlichen Erfüllungsort sind ebenfalls anzuwenden (Art. 9 Abs. 3 Rom I-V0). 142 Andere Eingriffsnormen können dagegen grundsätzlich 143 nur bei der Sachrechtsanwen-dung (Konkretisierung von Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen 144) berücksichtigt werden. Ist deutsches Recht berufen, so sind im Rahmen von§§ 138, 242, 313 f. BGB faktische Rechtslagen im Ausland in die Auslegung dieser Normen einzubeziehen. 145

    4. Ordre public (Art. 21 Rom 1-VO)

    Grenzen der Rechtswahl können sich auch aus Art. 21 der Rom I-VO (ordre public) ergeben. 53 Die §§ 138, 242 BGB bedeuten dagegen lediglich einfach zwingende (dh internrechtlich durch Vertrag nicht abdingbare) Rechtsnormen, die auf die Rechtswahl •keine Anwendung finden. 146

    5. Checkliste: Mögliche Wirkungsbeschränkungen der Rechtswahl

    1111 R~chtswahl ohne sonstigen Auslandsbezug (Art. 3 Abs. 3 Rom 1-VO) hat nur die Wirkung einer 54 materiellen Verweisung auf das gewählte Recht. Die zwingenden Normen des objektiven Vertragssta-tuts bleiben anwendbar.

    1111 Sonderregeln für Verbraucherschutz und Arbeitsrecht (Art.6, 8 Rom 1-VO, 46 b EGBGB): Art. 6 Abs. 2 (Schutz für den Verbraucher). Die zwingenden Vorschriften des Aufenthaltslandes des Verbrau-chers bleiben anwendbar (einzelfallbezogener Günstigkeitsvergleich).

    ~ Art. 46b EGBGB kommt nur zur Anwendung, wenn Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO nicht erfüllt oder die Rechts-wahl zum Recht eines Nicht-EU oder Nicht-EWR Mitgliedstaates (Drittland) führt. Anzuwenden sind die nationalen Umsetzungsgesetze der Verbraucherschutzrichtlinien (Art. 46b Abs. 4 EGBGB). Sonderregelung

    134 In Deutschland sind v.a. die Vorschriften über Kündigungsschutz, Jugendarbeits- und Mutterschutz zu beachten; vgl. Rauscher/ v. Hein, Art. 8 Rom I-VO Rn 27 f.; Junker in: Ferrari/Leible, Rome I, 2009, Arbeitsverträge, 111, 114-115.

    135 Palandt/Thorn, Art. 8 Rom I-VO Rn 6. 136 Die nun in Art. 9 Abs. l Rom 1-VO enthaltene Definition orientiert sich an der Entscheidung des EuGH v. 23.11.1999 - C-369/

    96 u. C-376/96, Slg. 1999, I 8453 - Arblade. 137 Ob es sich bei § 49b Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BRAO (Verbot der Vereinbarung eines anwaltlichen Erfolgshonorars) um eine Eingriffs-

    norm handelt, wird ausdrücklich offengelassen von BGH IPRax 2005, 150, 151 (§ 134 BGB). Das Verbot ist mit Einführung der §§ 4a u. 4b RVG gelockert, aber nicht aufgehoben, so dass die Streitfrage fortbesteht, Kilian, NJW 2008, 1905. Daran hat auch die eingeschränkte Rechtsfolge bei Verstößen (Deckelung auf die gesetzliche Gebühr) nichts geändert, BGH NJW 2014, 2653 Rn 26; die h.L. bejaht die Eingriffsnormqualität bei Kanzleisitz des Anwalts im Inland, Palandt/Thorn, Art. 9 Rom I-VO Rn 10; bei Auslandsbezug kommt ein Verstoß gegen den ordre public in Betracht (vgl. unten Rdn 104).

    138 BGH NJW 2003, 2020, 2021; BGH NJW 2001, 1936, 1937. 139 § 89b HGB; OLG München IPRax 2007, 322 m. Anm. Rühl, IPRax 2007, 294; EuGH NJW 2001, 2007, 2008 f. (Ingmar). 140 § 661a BGB; BGH NJW 2006, 230. 141 Palandt/Thorn, Art. 6 Rom 1-VO Rn 2 u. Art. 9 Rom I-VO Rn 8. 142 Palandt/Thorn, Art. 9 Rom I-VO Rn 12; die frühere sog. Einheitsanknüpfung (i.e.S. Schuldstatutstheorie), BGH NJW 1998,

    2452, 2453; Palandt/Heldrich, 66. Aufl. 2007, Art. 34 EGBGB Rn 6 wurde in Art. 9 Abs. 3 Rom I-VO nicht übernommen. 143 Ausnahme: Nach Art. VIII des Abkommens von Bretton-Woods über den Internationalen Währungsfonds v. 1./22.7.1944, sind

    ausländische Devisenbestimmungen zu berücksichtigen (BGBl II 1952