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Mitteilungsblatt der Schützen der Alpenregion Bozen, Innsbruck, Weyarn, Kronmetz im September 2004 Die Schützen in der sich dauernd wandelnden Gesellschaft von Dr. Luis Zingerle Liebe Schützenkameraden, liebe Marketenderinnen, wir Schüt- zen gehören einer traditionsreichen Organisation an, die sich zu ihren Aufgaben und Zielen öffentlich durch das Tragen der Tracht bekennt. Wir Schützen gehören nicht zu jenen Zeitgenossen, die weder Fisch noch Fleisch sind; wir bekennen uns offen, aber ohne Aufdringlichkeit zum Tirolertum, und treten für jene zeitlosen Werte ein, welche die Tiroler Wesensart ausmachen. Die Männer der ers- ten Stunde, die unter erschwerten Bedingungen und in einem Klima harter politischer Auseinandersetzungen um die Zukunft unseres Tiroler Landes die Schützenkompanien wiedergegründet haben, waren beseelt vom Schützengeist, von Mut und Opferbereitschaft und waren getragen von einer Begeisterung für das Schützenwesen und für dessen Zielsetzungen. Treue zum Väterglauben, Liebe und Treue zur Heimat und Treue zum Tiroler Schützenbrauch waren für sie selbstverständliche Pflichten. Lassen wir uns als Schützen nicht von der vielfach allgemein feststellbaren Bequemlichkeit und Gleichgültigkeit anstecken; Bequemlichkeit und Gleichgültigkeit haben noch nie zu einer Vertiefung und Stärkung der Heimatliebe und des Heimatbewusstseins geführt. Geldzählen ist kein Einsatz für Weltanschauung, für Bildungswesen, für Geschichts- und Kulturbe- wusstsein. Geldzählen und volkstumspolitisch bequem, gleichgültig und nur auf den eigenen Vorteil aussein, hat noch nie zu einem verstärkten Selbstverständnis und Selbstbewusstsein als Tiroler ge- führt. Wir Schützen wollen uns verstärkt unseren statutarischen Aufgaben und Zielsetzungen zuwenden; wir wollen in verstärktem Maße uns unserer religiösen, unserer volkstumspolitischen, kultur- und bildungsmäßigen Aufgaben bewusst werden und entsprechend handeln. Wir werden diesbezüglich noch mehr Mahner und Sauer- teig in unserer Gesellschaft werden müssen. Der Südtiroler Schützenbund hat im Arbeitsjahr 2004, dem „Jahr der Kompanien“, seine Initiativen im Kultur- und Bildungs- bereich fortgesetzt, und zwar mit folgender Zielsetzung: Hauptleute und Mitglieder der Kommandantschaften, sowie in- teressierte Schützen und Marketenderinnen sollen in die Lage ver- setzt werden, ihren statutarischen Auftrag mit Selbstvertrauen und Freude erfüllen zu können. Die Schützen und Marketenderinnen sollen mit dem nötigen Grundwissen der Geschichte, der Kultur und der Gesellschaft un- seres Landes vertraut gemacht werden, das für das eigene Selbst- verständnis wichtig ist. Dabei soll ihnen das Bewusstsein vermittelt werden, „dass alle Tiroler in einer in sich geschlossenen Landesge- meinschaft zusammengehören. Eine der wichtigsten Aufgaben der Schützen ist deshalb die Pflege eines starken Tirolbewusstseins und eines verantwortungsvollen geschichtlichen Denkens. Unser Hei- matland heißt Tirol, mag es auch seit 1919 zwei Staatsoberhoheiten unterstehen. Die geistig- kulturelle Landeseinheit kann durch keine Staatsgrenze zerrissen werden, wenn wir nicht wollen. Und dieser Wille ist heute in der Bevölkerung zu beiden Seiten der Staatsgren- ze eher schwach. Tirol ist für viele kein Begriff mehr, und das geo- grafische Raumdenken unserer Leute operiert heute fast ausschließ- lich mit Staatsräumen: hie Österreich, hie Italien, und dazwischen Sondernummer 28. Jahrgang Versand im Postabonnement Art. 2, Abs. 20c Ges. 662/96 Fil. Bozen

2004 XX Tiroler Schützenzeitung Sondernummer 2004

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2004 XX Sondernummer Tiroler Schützenzeitung - Informationen aus Tirol - Süd-Tirol, Nord-Tirol und Ost-Tirol über das Tiroler Schützenwesen.

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Mitteilungsblatt der Schützen der Alpenregion

Bozen, Innsbruck, Weyarn, Kronmetz im September 2004

Die Schützen in der sich dauernd wandelnden Gesellschaft

von Dr. Luis Zingerle

Liebe Schützenkameraden, liebe Marketenderinnen, wir Schüt-zen gehören einer traditionsreichen Organisation an, die sich zu ihren Aufgaben und Zielen öffentlich durch das Tragen der Tracht bekennt. Wir Schützen gehören nicht zu jenen Zeitgenossen, die weder Fisch noch Fleisch sind; wir bekennen uns offen, aber ohne Aufdringlichkeit zum Tirolertum, und treten für jene zeitlosen Werte ein, welche die Tiroler Wesensart ausmachen. Die Männer der ers-ten Stunde, die unter erschwerten Bedingungen und in einem Klima harter politischer Auseinandersetzungen um die Zukunft unseres Tiroler Landes die Schützenkompanien wiedergegründet haben, waren beseelt vom Schützengeist, von Mut und Opferbereitschaft und waren getragen von einer Begeisterung für das Schützenwesen und für dessen Zielsetzungen. Treue zum Väterglauben, Liebe und Treue zur Heimat und Treue zum Tiroler Schützenbrauch waren für sie selbstverständliche Pflichten. Lassen wir uns als Schützen nicht von der vielfach allgemein feststellbaren Bequemlichkeit und Gleichgültigkeit anstecken; Bequemlichkeit und Gleichgültigkeit haben noch nie zu einer Vertiefung und Stärkung der Heimatliebe und des Heimatbewusstseins geführt. Geldzählen ist kein Einsatz für Weltanschauung, für Bildungswesen, für Geschichts- und Kulturbe-wusstsein. Geldzählen und volkstumspolitisch bequem, gleichgültig und nur auf den eigenen Vorteil aussein, hat noch nie zu einem

verstärkten Selbstverständnis und Selbstbewusstsein als Tiroler ge-führt. Wir Schützen wollen uns verstärkt unseren statutarischen Aufgaben und Zielsetzungen zuwenden; wir wollen in verstärktem Maße uns unserer religiösen, unserer volkstumspolitischen, kultur- und bildungsmäßigen Aufgaben bewusst werden und entsprechend handeln. Wir werden diesbezüglich noch mehr Mahner und Sauer-teig in unserer Gesellschaft werden müssen. Der Südtiroler Schützenbund hat im Arbeitsjahr 2004, dem „Jahr der Kompanien“, seine Initiativen im Kultur- und Bildungs-bereich fortgesetzt, und zwar mit folgender Zielsetzung: Hauptleute und Mitglieder der Kommandantschaften, sowie in-teressierte Schützen und Marketenderinnen sollen in die Lage ver-setzt werden, ihren statutarischen Auftrag mit Selbstvertrauen und Freude erfüllen zu können. Die Schützen und Marketenderinnen sollen mit dem nötigen Grundwissen der Geschichte, der Kultur und der Gesellschaft un-seres Landes vertraut gemacht werden, das für das eigene Selbst-verständnis wichtig ist. Dabei soll ihnen das Bewusstsein vermittelt werden, „dass alle Tiroler in einer in sich geschlossenen Landesge-meinschaft zusammengehören. Eine der wichtigsten Aufgaben der Schützen ist deshalb die Pflege eines starken Tirolbewusstseins und eines verantwortungsvollen geschichtlichen Denkens. Unser Hei-matland heißt Tirol, mag es auch seit 1919 zwei Staatsoberhoheiten unterstehen. Die geistig- kulturelle Landeseinheit kann durch keine Staatsgrenze zerrissen werden, wenn wir nicht wollen. Und dieser Wille ist heute in der Bevölkerung zu beiden Seiten der Staatsgren-ze eher schwach. Tirol ist für viele kein Begriff mehr, und das geo-grafische Raumdenken unserer Leute operiert heute fast ausschließ-lich mit Staatsräumen: hie Österreich, hie Italien, und dazwischen

Sondernummer 28. Jahrgang

Versand im Postabonnement Art. 2, Abs. 20c Ges. 662/96 Fil. Bozen

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bestenfalls Südtirol als eine italienische Provinz mit mehrheitlicher deutscher Bevölkerung. In zunehmendem Maße wird die Alpensüd-seite Tirols nicht mehr als ein Teil Tirols, sondern als eignes Land gesehen. Sogar in der allernächsten Zone des Staatsgrenzengebietes fahren die Leute >nach Österreich<, wenn sie sich nach Sillian be-geben, obwohl man sowohl in Innichen als auch in Sillian nicht nur im gleichen Land Tirol, sondern sogar im gleichen Tal, im Pustertal, ist. Das geografische Raumdenken scheint nur mehr Staatsräume zu kennen. Unter Tirol verstehen viele nur mehr das angrenzende österreichische Bundesland. Das schwindende Tirolbewusstsein wi-derspricht jedem europäischen Denken, das (...) mit geschichtlich gewachsenen Regionen operiert. Wir selber zerreisen unser Land in die Fetzen Nord-, Süd- und Osttirol und beklagen gleichzeitig die ungerechte Zerreißung Tirols. Den Schützen muss klar bewusst werden, dass unser Heimatland nicht Südtirol, sondern Tirol ist!“ (Egon Kühebacher) Die Schützen und Marketenderinnen sollen deshalb in die Lage versetzt werden, im Rahmen des Statutes und der Satzungen des Südtiroler Schützenbundes bewusst und fundiert Aktionen zu setzen, die ihnen in der Gesellschaft unseres Landes einen unent-behrlichen Stellenwert sichern und welche die Tiroler Identität und Kulturlandschaft wahren und erhalten können. Daher wurde unter anderem die Großtagung „Aufgaben des Südtiroler Schützenbundes in der sich dauernd wandelnden Gesellschaft“ mit sechs hochkarä-tigen Referenten am Samstag, dem 3. April 2004, durchgeführt, an deren Vorträgen sich eine Diskussion in Arbeitskreisen angeschlos-sen hat. Sinn und Zweck dieser Tagung war es, die kulturpolitischen Ak-tionen des Südtiroler Schützenbundes auf eine möglichst breite Grundlage innerhalb des Bundes zu stellen und die Kompanien, Bezirke und einzelnen Schützenkameraden und Marketenderin-nen stärker als bisher in diese wichtige kulturpolitische Tätigkeit einzubauen, damit sie mitreden, mitwirken, mitgestalten und so-mit bewusst und überzeugt mitentscheiden können, wenn es um grundlegende Anliegen unserer Heimat, unseres Dorfes, unserer Tiroler Kulturlandschaft und unserer Tiroler Identität geht. Jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin an dieser Tagung sollte in sich den Aufruf verspüren: „Wir alle brauchen nicht den Mut, auf dem Schlachtfelde zu kämpfen und müssen nicht immer Helden sein. Wir bräuchten nur manchmal etwas Zivilcourage, wenn es die Umstände erfordern, um für unser Recht und unsere Freiheit zu kämpfen. Für unsere Heimat das Wort zu erheben und eine Hand zu rühren. Freiheit und Gerechtigkeit verlangen einen permanenten Kampf gegen jene, die sie beschneiden wollen. Nur wo Freiheit und Gerechtigkeit gelebt wird, ist auch Frieden. Wir sind deshalb aufge-rufen, täglich den Mut zu haben, als ganze Tiroler zu leben und dies auch öffentlich zu bekennen. Auf seine Freiheit verzichten, so Jean Jacques Rousseau, heißt, auf seine Menschenwürde verzichten. Auf seine Identität verzichten oder sie leugnen, heißt, sich lebendig be-graben. Lasst uns deshalb als Tiroler leben in Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden, eingedenk der Verantwortung, die wir dafür tragen.“ (Richard Piock)Die Vorträge der Referenten werden in dieser Sonderausgabe der Tiroler Schützenzeitung abgedruckt und sollen als Stütze für die Arbeit der Schützen und Marketenderinnen in den Kompanien die-nen. Ebenso finden sich am Ende des jeweiligen Berichtes die Er-gebnisse der Arbeitsgruppen. Diese wurden so niedergeschrieben, wie sie den Teilnehmern spontan eingefallen sind.

In diesem Sinne wünsche ich allen Schützen und Marketende-rinnen weiterhin viel Freude am Tiroler Schützenwesen und fordere Euch alle auf: „Haltet fest an den Grundsätzen des Tiroler Schüt-zenwesens, die da heißen: Glaube und Heimat“.

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Schutz der Umwelt, der Natur- und Kulturlandschaft als historische Verpflichtung

von Dr. Peter Ortner

Die Globalisierung fördert als Gegenreaktion zur Entpersönli-chung, Vermassung, allseitiger Abhängigkeit und Zukunftsangst das Bedürfnis nach Heimat. Es steigt das Verlangen nach Klein-räumigkeit, Überschaubarkeit, Geborgenheit und Identität. Die Menschen interessieren sich wieder verstärkt für die Kultur der kleinen Räume, unter anderem für Geschichte, Brauchtum, Trach-ten, Mundart, Musik und Tanz. Zum Thema Heimat gehören nicht zuletzt die historische Bausubstanz und die Kulturlandschaft. Hei-mat ist eine menschliche Ursehnsucht. Das Heimweh gehört zu den bedrückendsten Leiden von Kindern. Wenn man mit Südtiroler Hei-matfernen zusammenkommt, sprechen viele von Heimweh, obwohl sie bereits seit langem in der Ferne weilen. Die Heimatbindung ist ein prägender Zustand. Die regionale Verankerung gibt uns Halt und Orientierung in einer pluralistischen, multikulturellen Gesell-schaft. Wir brauchen die Bindung an die Heimat für unser körper-liches, seelisches und soziales Wohlbefinden.

Ist Südtirol noch eine lebenswerte Heimat?

Eine Region im Sinne von lebenswerter Heimat wird von ihrer Unverwechselbarkeit geprägt. Das ist das Besondere ihrer Natur -und Kulturgüter, die Schönheit ihrer Landschaftsbilder, die Cha-rakteristik ihrer Geschichte und Tradition. Es gibt keinen lebens–und liebenswerten Ort ohne organisch Gewachsenes an Natur und Kultur. Die identitätsstiftende Eigenart der Heimat betrifft gleicher-maßen Natur, Kultur und Geschichte. Ist Südtirol noch eine lebens – und liebenswerte Heimat? Südtirol ist eine uralte Kulturlandschaft, in der jede Epoche menschlichen Handelns ihre Spuren hinterlassen hat. Das Land vermittelt sowohl was die Natur, als auch die Kultur anbelangt zwi-schen Nord und Süd. Viele mediterrane Arten von Pflanzen und Tieren erreichen im Etsch- und Eisacktal sozusagen die Polargrenze ihrer Verbreitung. Von den Mittelmeerpflanzen sind es beispiels-weise Mäusedorn und Diptam, von den Tieren Smaragdeidechse, Äskulapnatter, Gottesanbeterin und Siebenschläfer. Südtirol reicht von der Rebe bis zum „Ewigen Schnee“. In Südtirol liegen ganz unterschiedliche Welten nahe beisam-men: die Korallenriffe der Dolomiten und die Schieferberge des Al-penhauptkammes. Durch unser Land zieht die größte Störungslinie der Alpen, die Pusteral –Judikarien – Linie, auch Periadriatische Naht genannt. Sie trennt das Südalpin vom Ostalpin. Die dadurch bedingte außergewöhnliche Vielfalt des Reliefs hat eine besondere Mannigfaltigkeit und Gegensätzlichkeit der Landschaft zur Folge. Man begebe sich etwa von Bruneck ins Ahrntal oder von St. Loren-zen ins Gadertal: Welch ein Kontrast der Landschaft! Südtirol kann auch mit vielen Superlativen aufwarten. Der Ortler ist mit 3905 m Höhe der höchste Berg der Ostalpen. Die Dolomiten werden nach wie vor als Weltkulturerbe gewertet. Die Drei Zinnen, der Rosengarten oder der Schlern mit Seiser Alm sind unverwechselbare Landschaftsbilder der Alpen. Die Rittner Erdpyramiden sind Gotik in Perfektion! Die Malser Haide mit ihren Waalen ist der größte Schuttkegel der Alpen. Das alles und anders mehr macht Südtirol zu einer lebenswerten Heimat. Hier begegnen sich auf beeindruckende Weise kulturelle Vielfalt und landschaftli-cher Reichtum. Wir Vereine bzw. Verbände, die die Erhaltung der Heimat auf ihre Fahne geschrieben haben, müssen immer wieder offen sagen, was an unserer Heimat wertvoll und einzigartig ist, aber auch wo-ran sie krankt und worin die Therapie bestehen könnte. Ich habe bisher von unserem, an Kulturgütern und landschaftlichen Schön-heiten reich gesegneten Land gesprochen. Im Folgenden möchte ich auch aufzeigen, woran unser Land krankt und was wir Verbände/Vereine dagegen tun können.

Radikaler Wandel der Südtiroler Kulturlandschaft

Unserer bäuerlichen Kulturlandschaft kommt eine lebenswich-tige Bedeutung als Arbeitsraum für die Land –und Forstwirtschaft, Voraussetzung für den Fremdenverkehr und nicht zuletzt für die einheimische Bevölkerung zu. Doch sie ist zur Zeit im hohen Maße gefährdet. Südtirol ist vom Wirtschaftsraum einer noch vorwiegend bäuerlichen Bevölkerung zum Erholungsraum und sportlichen Be-stätigungsfeld einer zunehmend städtischen Freizeitgesellschaft ge-worden. Vielerlei Nutzungsformen, vom Verkehr über die zahlreichen Sportanlagen (bes. Wintersport) bis zur Verbauung zu Wohnzwe-cken, haben unsere Landschaft besonders in den vergangenen 10 Jahren radikal und tiefgreifend verändert. Ich zeige in den „Dolo-miten“ fast wöchentlich Fallbeispiele aktueller Eingriffe und Bedro-hungen auf. Die zunehmende Liberalisierung der Raumordnung ab 1993 hat zu einer gewaltigen Zunahme des Bauvolumens geführt. Wir sind ein Baggerland geworden. Im landwirtschaftlichen Grün stehen

Unser Land – unverwechselbar in seiner Schönheit, seiner Geschichte und ural-ten Kulturlandschaft, in der viele Epochen der Menschheit Spuren hinterlassen haben; letzthin sind wir aber zum Baggerland geworden. Der frühere Landesrat Achmüller brachte es auf den Punkt: „... bald ist alles aufmarendt“.

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heute mehr Kräne als in Erweiterungszonen. Im landwirtschaftli-chen Grün, das früher der Landwirtschaft vorbehalten war, spielt sich ein Viertel der Südtiroler Bautätigkeit ab. Schauen wir uns beispielsweise die Haufendörfer des unteren Vinschgaus an. Diese traditionell gewachsenen Siedlungen werden immer mehr zu lang gezogenen Bereichen mit peripheren Satellitenstrukturen. Mitten im landwirtschaftlichen Grün werden in einiger Entfernung vom Dorfzentrum landwirtschaftliche Gebäude, Gewerbegebiete und touristische Zonen errichtet. Der Hauptgrund für den Bauboom in der grünen Wiese liegt in der Erweiterung des Gastgewerbes. Die quantitative Erweiterung macht es möglich, dass aus kleinen Pensionen gewaltige Hotelbur-gen mit Türmen, Erkern und massiven Holzbalkonen entstehen, die die Landschaft verschandeln. Die im ganzen Land vorhandene Bau-sucht hat auch eine Überhöhung der Grundstückspreise und einen Ausverkauf der Heimat zur Folge (z.B. Innichen). Viele Einheimi-sche können nicht mehr mithalten. Immer mehr Grund und Boden fällt einer maßlosen Spekulation zum Opfer. Mit der Verbauung und Zweckentfremdung des landwirtschaftlichen Grüns ist nicht nur eine Zersiedlung verbunden, sondern auch ein höheres Ver-kehrsaufkommen und ein Verlust der typischen Siedlungsstruktur. Unsere Dörfer verlieren ihr Gesicht! Jeder, der mit offenem Auge durch Südtirol wandert, kann das Baufieber feststellen, das eine in Jahrhunderten gewachsene Kulturlandschaft in kurzer Zeit völlig verändert. Trotz ständiger Warnungen, Kritik und Wider-stand nimmt die Erschließung und Verbauung unserer Landschaft von Jahr zu Jahr zu. Die Verhüttelung ganzer Gebiete schreitet un-aufhaltsam voran, aufgeputscht durch die kaufkräftige Nachfrage und gefördert von der Lockerung der Raumordnungsgesetzgebung. Hotels, Zweithäuser, gewerbliche Bauten, Verkehrswege, Hofaus-siedlungen, Aufstiegsanlagen, Skipisten und Sportanlagen, Kräne und Baustellen, Betonklötze, ausufernde Gewerbegebiete und kras-se Bausünden beherrschen das Landschaftsbild. Mit dieser Entwicklung können die Heimatpfleger oder die Schützen doch nicht einverstanden sein. Wir müssen daher der Be-völkerung diesen Verlust an Heimat stärker bewusst machen. Es gilt der Öffentlichkeit und der Politik den Wert einer intakten Kultur-landschaft zu vermitteln. Die Touristiker werben mit der Schönheit der Südtiroler Landschaft, die aber der Gast und der Einheimische in Wirklichkeit immer weniger erleben kann. Ich mache die Erfah-rung , dass noch viel zu wenige Mitbürgerinnen und Mitbürger die schleichende Veränderung im Gesamtbild der Natur – und Kultur-landschaft, den Verlust an landschaftlicher Schönheit, im kleinen Ensemble wie im gesamten Talblick, bemerken. Auch andere ne-

gative Auswirkungen der Zersiedelung und Übererschließung, von den ökologischen Folgekosten bis zur Belastung der öffentlichen Haushalte, dringen zu wenig in das Bewusstsein des Einzelnen. Es ist kaum bekannt, wie der Verbrauch der Landschaft auf unser Hei-matgefühl und auf unsere Lebensqualität wirkt. Wir müssen auch unseren Politikern klar sagen, dass wir ein Recht auf Heimat haben, dass Heimat ein verpflichtendes Erbe und ein Auftrag ist. Es ist die wichtigste Aufgabe der Landesregierung, die kulturelle Vielfalt und den landschaftlichen Reichtum unseres Landes zu erhalten. Wir helfen dabei selbstverständlich mit! Man muss sie auch auf den LEROP, das Südtirol- Leitbild 2000, hinweisen, das heuer 10 Jahre in Kraft ist. Der LEROP schreibt Grundsätze wie den Vorrang von Raum und Ökologie, den Schutz der Natur – und Kulturlandschaft sowie den Schutz der Ökosyste-me fest. Der später verabschiedete Fachplan Landschaft, das so ge-nannte Landschaftsleitbild, hat diese Vorgaben konkretisiert. Doch was ist in der Praxis daraus geworden? Wo sind die Wirkungen dieser Pläne und Schutzinstrumente geblieben. Sensibilisieren und bewusst machen, das ist eine wichtige Auf-gabe von uns Verbänden und Vereinen. Wir müssen uns gemeinsam bemühen, die Werte der Kulturlandschaft vor Ort, etwa in unserer Gemeinde oder im Stadtviertel, bewusst zu machen. Wir müssen im Sinne einer Wertediskussion zum Begreifen des Wesens unseres be-drohten Kulturerbes anregen, damit verbunden zum Bewahren und Pflegen. Es ist notwendiger denn je eine Wertediskussioon zu füh-ren, die wir jahrzehntelang durch Wachstum und Wohlstand ersetzt haben. Die Jugendlichen suchen nach Werten in den Vereinen und Verbänden. Sie sind interessiert am Wissen um eigene, gewachsene Kulturformen. Welches sind die charakteristischen Landschaftsele-mente meines Dorfes?

Die Korallenriffe der Dolomiten. Die Touristiker werben mit der Schönheit des Landes, die der Gast aber auf Grund der zunehemenden Verbauung immer weniger erleben kann.

Zu den äußerlich prägenden Elementen eines Dorfes gehören neben Kirchen, Burgen und Schlössern, Gassen und Straßen auch unsere alten Bauernhöfe. Mit ihnen verschwinden Zeugen jahrhundertealter Tradition und bäuerlicher Sied-lungstätigkeit in unserem Land. Foto: H. Stampfer

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- Dorfbäume (Arten, Zustand, wer kümmert sich darum?)- Gärten und Parkanlagen, Streuobstwiesen- Gewässer (Dorfbach, Gräben, Quellen, Weiher, Moore, Auen)- Wegenetz (Feld- und Hohlwege), Holzzäune, Trockenmauern, Bildstöcke, Kapellen, Wegkreuze, Marterlen)- Hecken, Feldgehölze, Magerwiesen, Dämme und Feldraine, Waldinseln- Alte Bausubstanz (Geschichte)

Wir erleben zur Zeit leider einen starken Schwund an Flurdenk-malen. So manches Flurdenkmal hat die Ruhe des Feldes mit einer Bauzone eintauschen müssen. So manches Kreuz, das in einsamer Landschaft einen ungestörten Platz hatte, ist plötzlich von einer Gewerbezone umringt. Viele Kleindenkmäler sind an den Rand moderner Asphaltstraßen zu stehen gekommen. Mit den Flurdenk-malen sind Botschaften verbunden, die eine eindringliche Sprache sprechen. Es gilt, diese Botschaften auf breiter Ebene bekannt zu machen, um auch heute noch Interesse, Achtung und Liebe zu fin-den und damit ihren Fortbestand zu gewährleisten. Flurdenkmale sind Botschafter von den kleinen Dingen. Sie setzen in die Fluren und Dörfer Zeichen und geben geschichtliche Farbe.

Einzelthemen zur Landschaft

Für die Diskussion empfehle ich besonders folgende Themen:- Die Landschaft als ästhetischer Wert Kriterien in der Ästhetik der Kulturlandschaft. Wann ist eine Landschaft schön? Geschichte der Kulturlandschaft.- Landschaft und Heimat Die Schönheit der Landschaft als menschliches Grundbedürfnis. Die Bedeutung der Landschaft für die Seele. Die Sehnsucht nach Wildnis, intakter oder harmonischer Landschaft (Motor des Fremdenverkehrs)- Wohin entwickelt sich die Landschaft heute? Radikaler Wandel der Kulturlandschaft Südtirols. - Ursachen des massiven Landschaftsverbrauchs Analyse der Ursachen: Wohnbau, Verkehr, Gewerbe, Landwirt- schaft, Tourismus, Sport und Freizeitanlagen.- Die rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen unter der Lupe.- Landschaft und Architektur Maßstäbe für landschaftsgerechtes Bauen und Verantwortung der Architekten. Wechselwirkung zwischen Architektur und Landschaft.- Landschaftsschutz und Landschaftsplanung Welche Ziele verfolgt die öffentliche Aufgabe des Landschafs- schutzes in Südtirol? Wo liegen die Defizite?- Dem Landeschutz mehr Gewicht!- Alternativen zu Landschaftszerstörung und Zersiedelung Gangbare Alternativen in Planung rechtlich – politischer Steu- erung und politischer Praxis. Grundlegende Konzepte der Entwicklungsplanung und des Landschaftsschutzes. Wie stellen wir uns die Zukunft der Südtiroler Landschaft vor?- Lebensqualität und Landschaft

Ich habe versucht aufzuzeigen, was an unserer Heimat einma-lig ist, aber auch, woran sie krankt und worin unser gemeinsamer Einsatz gegen Fehlentwicklungen bestehen könnte. Die Gefahr der totalen Ökonomisierung der Landschaft ist groß! Wir müssen uns verstärkt um Werteverständnis und Wertevermittlung für organisch Gewachsenes an Natur und Kultur einsetzen. Wir brauchen die Heimat. „Colere“ oder „conservare“ heißt: nicht alles Gewachsene oder Traditionelle wegwerfen, sondern Respekt haben, ehren und pflegen. Wir sind eine Wertgemeinschaft. Wertvolles und zeitlos

Gültiges darf nicht dem Profit und der Spekulation geopfert wer-den. Konjunkturen ändern sich. Berge, Almen, Wälder und Dörfer sind Südtirols einzige Garantie für die Zukunft. Nichts anderes hat bleibende Gültigkeit. Gehen wir mit den Kulturgütern und land-schaftlichen Schönheiten des Landes an der Etsch und im Gebirge so um, dass wir uns dafür bei unseren Nachkommen nicht schämen müssen.

Bericht der Arbeitsgruppe: „Schutz der Umwelt, der Natur- und der Kulturlandschaft als historische Verpflichtung“.

Feststellung der heutigen Situation: Wir stellen fest, dass sich die Naturlandschaft in Südtirol vor allem in den letzten 35 Jahren stark verändert hat. Bei den Veränderun-gen handelt es sich vorwiegend um die maßlose Verbauung der Kul-turgrundflächen. In diesen letzten 35 Jahren wurde mehr Kultur-grund verbaut als in der gesamten Besiedelungsgeschichte der 1500 Jahre vorher. Ungefähr 1⁄4 der Neubauten wird heute im landwirt-schaftlichern Grün errichtet, obwohl diese Flächen als „Grünzo-ne“ in den Bauleitplänen ausgewiesen sind. Dies alles wurde auf-grund der Lockerung des Landesraumordnungsgesetzes ermöglicht. So zum Beispiel: Kubaturverschiebungen, schwarze Betten in den Gastbetrieben auf der Seiser Alm, Monsterbauten inmitten der grü-nen Wiese usw. Diese planlose Verbauung bewirkt die Zersiedelung und Verhüttelung unserer Landschaft. Ein großes Problem bildet der ständig steigende Verkehr auf den Hauptverkehrswegen mit all seinen negativen Nebenwirkungen. Der kulturpolitische Auftrag der Schützen ist zweifellos die Er-haltung unserer Kulturlandschaft mit seinen Naturdenkmälern. Um diesen Schutz besser zu gewährleisten, sind Maßnahmen erforder-lich. Unmittelbar zu ergreifende Maßnahmen könnten sein: -Eine Initiative für Gesetzesänderungen im Bereich der Raum-ordnung und des Landschaftsschutzes, mit Gewährleistung einer gediegenen Rechtssicherheit. Die primäre Zuständigkeiten auf die-sem Gebiet hat das Land Südtirol. -Außerdem wird vorgeschlagen, dass in den Gemeinden ein-mal im Jahr eine „Dorfbegehung“ durch die Schützenkompanien durchgeführt werden soll. Bei der Begehung sollen die positiven und negativen Eindrücke notiert werden. Gegebenenfalls sollen auch Fachleute herangezogen werden. Bei der Begehung kann auch fest-gehalten werden, was sich seit der letzten Begehung verschlechtert oder verbessert hat. -Das Ergebnis der Dorfbegehung soll in einem Bericht festge-halten und dem Bürgermeister der zuständigen Gemeinde übergeben werden. Solche Berichte sollen auch in den Medien veröffentlicht werden, damit die Bevölkerung besser informiert wird.

Schlussbemerkung: Südtirol profitiert vor allem vom Fremdenver-kehr und von der schönen Kulturlandschaft. Wenn wir diese jedoch weiter zerstören und die Luft verpesten, werden Gäste mir Sicher-heit ausbleiben. Dies zu vermeiden und die Heimat zu erhalten ist u.a. unverzichtbarer Auftrag der Schützen.

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schen Brücken und frühen Industriebauten umso deutlicher erken-nen ließen. Nach diesem allgemeinen Überblick möchte ich kurz die Ent-wicklung in unserem Land skizzieren. Das Geburtshaus des Tiro-ler Freiheitshelden Andreas Hofer und Burgen in der Umgebung von Meran und Bozen wie Schloss Tirol und Runkelstein waren die ersten Denkmäler vaterländischer Geschichte, wie es damals hieß, denen sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Interesse von Künstlern und Historikern zuwandte. 1850 setzte Kaiser Franz Josef I. die k. k. Central-Commission zur Erforschung und Erhal-tung der Baudenkmale ein. Schon im ersten Band der Mitteilungen dieser Institution finden wir einen ausführlichen Bericht über den Brixner Kreuzgang und seine Wandmalereien. Die Bedeutung von mittelalterlichen Burgen und Wandmalereien, bis auf den heutigen Tag Schwerpunkte der Denkmalpflege in unserem Lande, wurde so-mit schon sehr früh erkannt. 1911 trat an die Stelle der ehrenamt-lich tätigen Zentralkommission das Staatsdenkmalamt mit Sitz in Wien und Außenstellen in allen Kronländern. Bis zum Weltkrieg machte die Erforschung ebenso wie die Restaurierung von Kunst- und Bauwerken große Fortschritte. Das von Josef Weingartner im Einmannbetrieb während des Krieges erstellte und in den 20er Jah-ren veröffentlichte Inventar der Kunstdenkmäler Südtirols hat als wahres Jahrhundertwerk heute noch Gültigkeit. Die staatliche italienische Denkmalpflege von 1921 bis 1973 führte die Bemühungen der österreichischen Behörde weiter, eine härtere Vorgangsweise der italienischen Beamten brachte der neuen Verwaltung aber wenig Sympathien ein. Vor mehr als 30 Jahren, genau am 1. Dezember 1973, ging in-folge des neuen Autonomiestatutes die Zuständigkeit für diesen Sachbereich vom Staat auf das Land Südtirol über. Seit damals wurde, aufgrund des allgemein gestiegenen Interesses und dank beachtlicher Landesbeiträge, so viel saniert und restauriert wie nie zuvor. Trotzdem hat es in letzter Zeit immer öfter den Anschein, als ob nicht nur Denkmalschutz, sondern auch Landschaftsschutz und Raumordnung nicht mehr richtig greifen und unser Land zusehends verbaut wird. Wie kommt es dazu und was können wir tun? Eine Unterscheidung ist notwendig.- Sonntagsdenkmalpflege (eine glückliche Wortschöpfung von Michael Kummer) umfasst Maßnahmen an Kirchen, Burgen, Schlös-ser, Bildstöcken, Kriegerdenkmälern und Wegkreuzen. Hier gibt es keine Konflikte zwischen Denkmalpflege und Wirtschaft, die Politik mischt sich kaum ein, qualifizierte Restauratoren und Handwerker leisten gute, manchmal auch sehr gute Arbeit, an der Abschlussfei-er, die meist am Sonntag stattfindet, herrscht eitel Freude. In dieser Hinsicht bestehen auch hierzulande kaum Probleme.- Alltagsdenkmalpflege bezeichnet die mitunter schwierigen, manchmal erfolglosen Bemühungen zur Erhaltung von Bürgerhäu-sern, Villen, Bauernhöfen. Selbst interessierte Heimatfreunde stel-len den vermeintlichen Schandfleck in ihrem Dorf an den Pranger und fordern dessen Abbruch. Der Gegensatz zwischen der Forde-rung nach Erhaltung von Gewölben, Stuckdecken, Täfelungen und wirtschaftlichen Nutzungsansprüchen wird von Jahr zu Jahr härter. Da die Vorschriften des Denkmalamtes mitunter von der Landesre-gierung abgeschwächt oder gar aufgehoben werden, ist heute jeder, dem die Erhaltung des kulturellen Erbes unserer Heimat am Herzen liegt, aufgerufen sich persönlich dafür einzusetzen.

Der Begriff Heimat umfasst nicht nur den geographischen Raum, die Naturlandschaft, sondern ganz wesentlich auch die vom Men-schen geprägte Kulturlandschaft. Höhepunkte sind darin Kirchen und Burgen, die breite Grundlage bilden aber Bauernhöfe, Weiler, Dörfer und Städte. St. Andreas in Garn und St. Nikolaus in Mittelberg, übrigens 1975 mit tatkräftiger Unterstützung der Rittner Schützen restauriert, sind heute noch Juwele in ihrer Umgebung. Auch die meisten Burgen werden von den privaten Eigentümern liebevoll gepflegt und erhalten. Weit schlechter ist es um viele bäuerliche Denkmäler und um so manches Ortsbild bestellt. Der ins Spätmittel-

Denkmalpflege, Heimat, Identität

von Dr. Helmut Stampfer

Beim Wort Denkmal im alltäglichen Sprachgebrauch denkt man spontan an Standbilder oder Grabdenkmäler berühmter Persönlich-keiten. Die Denkmalpflege beschäftigt sich aber nur am Rande mit diesen „gewollten“ Denkmälern. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, Bauten und Kunstwerke aus verschiedenen Epochen, die ursprüng-lich nicht als Denkmäler entstanden sind, zu erhalten. Die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Umwälzungen nach der Französischen Revolution und die Romantik führten dazu, dass Künstler, Architekten und Literaten bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur Erhaltung von mittelalterlichen Kirchen und Burgen aufriefen. Wenig später wurden Denkmalschutz und Denkmalpflege in ganz Europa institutionalisiert und sind seit da-mals aus der Kulturpolitik nicht mehr wegzudenken. Gegen 1900 berücksichtigte das Denkmalverständnis, das sich am Mittelalter entzündet hatte, bereits Werke aus neuerer Zeit bis hin zum Barock. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurden auch Bauten des Historis-mus und Jugendstils, ja sogar solche der klassischen Moderne aus den 20er und 30er Jahren in ihrer Bedeutung erkannt und als erhal-tenswert eingestuft. Das vom Europarat 1975 ausgerufene Jahr des Denkmalschutzes stärkte die Bemühungen zur Erhaltung wertvoller Bauten. Vorausgegangen waren die Verluste der 60er und frühen 70er Jahre, die den kulturellen Wert von alten Bürger- und Bauernhäu-sern, aber auch von Zeugnissen der Technik wie Mühlen, histori-

Das Geburtshaus des Tiroler Freiheitshelden Andreas Hofer gehört zu den ersten Denkmälern der vaterländischen Geschichte.

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dung gebracht wird, über unser Land zu stürzen. Die ungebremste Bautätigkeit, die seit einiger Zeit im Zeichen des Neoliberalismus wie ein Fieber wütet, zerstört langfristig nicht nur die Heimat, son-dern auch die Grundlagen des heute noch blühenden Tourismus. Außerdem, so fürchte ich, untergräbt sie auf Dauer den sozialen Frieden im Lande. Dies, weil dem konkreten wirtschaftlichen Vor-teil von einigen Privatpersonen ideelle Werte, die ein öffentliches Interesse beanspruchen, geopfert werden. Freilich denkt niemand daran, Schloss Tirol oder den Brixner Kreuzgang abzubrechen, der Verlust erfolgt immer dort, wo man sagen kann, es sei ja nicht so schlimm, ein Hof weniger, ein Gewölbe weniger, eine Stubentäfe-lung weniger, was sei schon dabei. Denkmalschutz vollzieht sich an einer Front, die sich ständig verschiebt. Vor 130 Jahren sollte die Landesfürstliche Burg einem Schulhausbau der Gemeinde Meran weichen, vor 20 Jahren wollte die Gemeinde Bozen auf Biegen und Brechen die Talferbrücke abreißen: beide, die spätgotische Fürsten-residenz und die Metallkonstruktion aus dem Jahre 1900 sind heute außer Gefahr. Unsere Identität bedarf neben Sprache, Volksmusik und Brauch-tum ganz wesentlich der Kulturdenkmäler in ihrer Doppelfunktion als Zeugen der Vergangenheit und Bereicherung der Gegenwart. Mittelalterliche Burgen, Flügelaltäre und Wandmalereien, Höhe-punkte allein, genügen dabei nicht, ähnliches gibt es auch in ande-ren Gegenden. Im vereinten Europa kommt es darauf an, im Gegen-satz zur fortschreitenden Globalisierung die kulturelle Besonderheit einer Region als Ganzes ausgewogen zwischen Erhaltung und Er-neuerung in die Zukunft hinüber zu bringen. Nicht mehr die Nationaldenkmäler, wie man im 19. Jahrhundert die Spitzenleistungen genannt hat, während man heute von Welt-

alter zurückreichende Neuhauserhof in Untermais ist seit Jahren unbewohnt und geht einer ungewissen Zukunft entgegen. Der ehemals adelige Ansitz Thalegg in Eppan, einer der schöns-ten Bauten im Überetscher Stil, dämmert unbewohnt vor sich hin, ein Gewölbe mit barocken Malereien ist bereits eingestürzt. Ein Lichtblick zeichnet sich insofern ab, als der neue Eigentümer dem-nächst mit der Restaurierung des prächtigen Baues beginnen will. Abbrechen will hingegen der Eigentümer den Festnerhof in Gei-selsberg –1453 erstmals genannt – obwohl das Denkmalamt die Erhaltung gefordert hatte. Die Reihe der Problemfälle im ganzen Land könnte beliebig fortgesetzt werden, wir wollen aber auch ein positives und beson-ders gelungenes Beispiel, die Sanierung des Psoar Hofes in St. Va-lentin/Kastelruth hervorheben. Die wertvollen Bauelemente, darun-ter die spätgotischen Fassadenmalereien blieben alle erhalten, im ungenutzten Dachboden wurden Ferienwohnungen untergebracht.Überdimensionierte Hotelerweiterungen und Gewerbebauten, nicht selten in der Nähe von Kulturdenkmälern, sprengen die gewachse-nen Dorfbilder und verändern den ländlichen Raum. Die Beispiele aus Schenna, Kastelruth und Klausen, sprechen für sich. Wenn die am meisten gefährdeten Gebiete, das Burggrafenamt und die Dolo-miten, nicht zu einem anonymen Siedlungsbrei verkommen sollen, in dem vereinzelte Bauten aus alter Zeit schwimmen, so ist es höchste Zeit, etwas dagegen zu unternehmen. Um Missverständnissen vorzubeugen, muss klar gesagt werden, dass Veränderung zum Gesetz des Lebens und der Geschichte ge-hört. Es geht nicht darum, Weiterentwicklung zu unterbinden und die Käseglocke, mit der die Denkmalpflege zu Unrecht in Verbin-

St. Andreas in Garn ( im Bild) und St. Nikolaus in Mittelberg, übrigens 1975 mit tatkräftiger Unterstützung der Rittner Schützen restauriert, sind heute noch Juwele in ihrer Umgebung. Bei kirchlichen Objekten sowie bei Schlössern und Burgen gibt es in Erhaltungsfragen kaum Konflikte zwischen Denkmalpflege und Wirtschaft. Foto: H. Stampfer

Hotelerweiterung im Dorfkern von Kastelruth. Veränderung gehört zwar zum Ge-setz des Lebens, ungebremste Bautätigkeit und identitätslose Ästhetik sollten da-bei aber nicht gewachsene harmonische Dorfbilder überlagern. Foto: H. Stampfer

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kulturerbe spricht, werden künftig im Mittelpunkt des Interesses stehen, sondern die kulturelle Eigenart eines historisch gewachse-nen Raumes.

Es liegt an uns allen, ob hierzulande weiterhin bedenkenlos ab-gebrochen und betoniert wird, oder ob man mit dem baulichen Erbe schonender als bisher verfährt. Da Ämter und Kommissionen immer weniger entscheiden können, muss sich jeder einzelne in seinem Bereich und nach seinen Möglichkeiten mit Überzeugung einsetzen. Geschieht das nicht, so wird die Zukunft unserer Kultur-landschaft der Situation von Mariaheim in Bozen / Gries gleichen. Neubauten bedrängen von allen Seiten den barocken Gutshof des Augustinerchorherrenstiftes Neustift, die ausgedehnten Weinberge, einst wirtschaftliche Grundlage und wesentliches Umfeld der Ge-samtanlage, sind bis auf eine kleine Restfläche verbaut.

Bericht der Arbeitsgruppe: „Denkmalpflege – Heimat – Identität“

Wir Schützen haben die Möglichkeit uns bei den zuständigen Verantwortlichen dafür stark zu machen, um den Schutz solcher Objekte zu fordern. Es wäre wünschenswert, dass sich die Kompanien in den Ge-meinden und Dörfern mit diesem Thema beschäftigen und in der Kommandantschaft oder unter ihren Mitgliedern (Schützen, Marke-tenderinnen, unterstützende Mitglieder) Personen namhaft macht, die sich verstärkt diesen Aufgaben widmen. Vorschläge sollten da-bei an die zuständigen Behörden (Gemeindeverwaltung, Baukom-mission usw.) weitergeleitet werden. Ebenso schützenswert sind Wiesen, Auen, Hecken, Bäume, Al-men usw. All diese Objekte prägen ebenfalls unsere Heimat und sind es wert, dass wir uns für sie einsetzen. Den Stellenwert des Denk-

malschutzes drückt sich am Besten in der Freude darüber aus, einen Teil der Geschichte der Nachwelt erhalten zu haben. So erzählt ein Kamerad: „Ich habe vor zwei Jahren mein Gasthaus umgebaut und woll-te es ursprünglich bis zum Boden abreisen lassen, so wie es vom Architekten auch vorgesehen war. Die Gemeinde machte mir al-lerdings zur Auflage, dass die Außenfassade - welche nicht unter Denkmalschutz stand - stehen bleiben muss. Zuerst war ich ver-ärgert, weil damit mehr Kosten entstanden und auch Zeit verloren ging, aber heute muss ich zugeben, dass damit ein weiterer Teil des historischen Dorfbildes gerettet wurde.“

Heimatschutz im weiteren Sinne kann aber auch bedeuten, gegen den „falschen Denkmalschutz“, sprich den pseudoitalienischen-faschsitischen Denkmalschutz, die „Italianità“, die Beinhäuser in Burgeis, Innichen und Gossensaß, gegen das Siegesdenkmal in Bo-zen und alle faschistischen Symbole, die man heute noch verherr-licht, anzukämpfen.

Die Fuggerstadt Sterzing - Kirchen und Wandmalereien allein würden nicht genügen, ähnliches gibt es auch in anderen Gegenden. Das Gesamtensemble muss erhal-ten bleiben, um so wie hier die Eigenart des historisch gewachsenen Raumes zu zeigen. Foto: Archiv effekt! ohg

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Religiöses und weltliches Brauchtum

von Dr. Hans Grießmair

Nach der Meinung des großen Völkerpsychologen Wilhelm Wundt besteht die Kultur des Menschen, oder genauer der mensch-lichen Gemeinschaften im wesentlichen aus Sprache, Religion und Sitte. Zwischen den beiden – zwischen Religion und Sitte – steht, wenn auch mit einem geringeren Anspruch auf Gültigkeit, der Brauch. Sitte und Brauch wurden und werden in der Wissenschaft der Volkskunde als gleichbedeutende Begriffe angesehen. In neuer Zeit spricht man gerne von Ritualen. Und wie wir Men-schen deutscher Zunge nun einmal sind, alles klingt besser oder bedeutsamer, wenn es als Fremdwort daherkommt. Die Volkskunde versteht unter Brauch gemeinschaftliches Handeln, durch Traditionbewahrt, von der Sitte gefordert, in Formen geprägt und gesteigert, ein Inneres sinnbildlich ausdrückend, funktionell an Zeit oder An-lass gebunden. Es sind also Handlungen mit zeichenhaftem Charak-ter, die über das Alltägliche hinausweisen, nicht beliebig stattfin-den, sich in besondere Formen kleiden, vor allem geht es um eine regelmäßige Wiederkehr. Alt heißt dabei aber nicht immer uralt. So wie Sprache, Religion und Sitte, sind auch Bräuche Äußerungen, Verständigungsmittel von Gemeinschaften, in unterschiedlichen Sinnschichten lebendig, aber einem steten Wandel unterworfen. Mit der Gesellschaft ändern sich die Träger der Bräuche, die Er-scheinungsformen und schließlich auch die Funktion. Auch wenn wir sagen können, das Brauchtum lebt – es gibt keine ortsgebundene Gemeinschaft ohne Bräuche, so ist doch fest-zustellen, dass die technische Welt die alten Horizonte aufbricht,

einen rasanten Wandel mit sich bringt und eine Änderung der Brauchtumslandschaft herbeiführt. Da und dort ist auch der Begriff Kahlschlag angebracht. In früherer Zeit – und das etliche Jahrhunderte lang – war die Gesellschaft in Ständen gegliedert und räumlich gebunden, viel sesshafter als heute. Diese Lebensform war viel stärker von man-nigfachen Bräuchen durchwirkt als es die unsere ist. Bräuche las-sen sich nach mehreren Gesichtpunkten einteilen: man spricht von Lebens-, Jahres-, Arbeitsbrauchtum, von religiösen und profanen Bräuchen und so fort. Die Grenzen bleiben fließend. Auch Bräu-che des Lebenslaufs sind manchmal an Jahreszeiten gebunden. Die

Erstkommunion z.B. findet im Frühjahr, etwa zwischen dem Weißen Sonntag und dem Muttertag statt, geheiratet wurde in früherer Zeit mit Vorliebe in der Zeit zwischen Dreikönig und Fasnacht, festliche Hochzeiten finden heute im Frühjahr und zeitig im Herbst statt. Die Arbeitswelt hat sich vom Brauchtum weitgehend verab-schiedet. Wer weiß heute noch etwas vom Schlenggln, von den alten Dienstbotenbräuchen, die das Leben auf den Bauernhöfen so schön führten. Vielen, nicht nur den Drescherbräuchen, hat die Maschi-ne den Garaus gemacht. Wozu braucht es das Aperschnalzn, wenn doch andere auf eine möglichst lange Schneedecke hoffen. Früher hieß es, wenn viele Klöckler umgehen, gibt es ein gutes Kornjahr. Vielleicht haben sich die Meinungen inzwischen geändert. Getrei-deanbau gibt es jedenfalls kaum noch. Ein Großteil dessen, was wir heute an Brauchtum kennen und begehen, ist religiöses oder liturgienahes Brauchtum. Das liegt im Wesen der Religionen allgemein und der katho-lischen Kirche insbesonders begründet, wo ja die Tradition, die Überlieferung in manchen Bereichen gleichwertig neben die Bibel gestellt wird. Die Religion und das religiöse Brauchtum haben alle, das Menschendasein berührenden Elemente geformt. Da ist einmal das wichtige Element Zeit. Die Erdenzeit, der Lebensweg des Men-schen wird von der Kirche mit Sakramenten, die ihrerseits wieder von Bräuchen umrahmt werden, begleitet. Abgesehen von der Auf-nahme des Kindes in die Gemeinschaft der Gläubigen sind Geburt und Taufe Anlässe, ihre bergende Kraft zu betonen. Die Wahl der Paten und der Taufnamen war Zeichen der Zusammengehörig-keit. Hilfe mit dem „Weisatgehen“ und Schutzbedürfnis treten hier – in einem Bereich, wo allerlei ängstigender Aberglaube wucherte–ausdrücklich zutage. Die Patenschaft brachte ihrerseits wieder Ge-schenktermine mit sich, die brauchmäßige Verpflichtung reichte bis zur Hochzeit oder etwa zur Primiz des Patenkindes, sonst wa-ren es Ostern und Allerheiligen, heute sind es Weihnachten oder Nikolaus. Auch im Erwachsenenalter konnten Pate und Patenkind auf ge-genseitige Hilfe im Notfall rechnen. Bei aller Hochschätzung dieses Sakraments wurde der Begriff „Taufe“ auch auf sehr weltliche Bräuche übertragen, sie gab das Muster ab für Namengebungen und für die Aufnahme in die Zünf-te. Die „Gesellentaufe“ gab es seit dem 14. Jahrhundert, die nicht selten im öffentlichen Brunnen erfolgte. Besonders gemeinschaftsbetonend ist die Feier der Erstkommu-nion. Eltern mit geringen religiösen Bindungen verursachen nicht selten großen Kummer, wenn Kinder nicht wie ihre Schulgenossen zur Erstkommunion gehen dürfen. Rechtscharakter und in die Öffentlichkeit reichende Wirkung hatte einst – jedenfalls stärker als heute, die Ehe. Der Vollzug der Bräuche um die Heirat zeigte eine außerordentliche gemeinschafts-bildende Kraft, im positiven wie im negativen Sinne. Heute ist die Hochzeit auch ein Geschenkfest für Freunde und Verwandte, früher wie heute bezeugt die Teilnahme die Hochschätzung der Brautleute und ist so ein sinnfälliges Zeugnis lebendiger, bergender Gemein-schaft. All dies kommt bei einer kirchlichen Trauung viel stärker zum Ausdruck. Die Abnahme der kirchlichen Trauungen hat viele Bräu-che absterben lassen. Der Kastelruther Hochzeitszug ist ein folklo-ristisches Beispiel für einen vergangenen Brauch um die Eheschlie-ßung in einem Dorf. Religiöses Brauchtum umgibt auch das Ende des Menschen-lebens und hilft den Angehörigen in tröstender Weise, mit dieser Grenzsituation fertig zu werden. Früher stand der Jenseitsglaube deutlicher im Vordergrund; nur die Hinterbliebenen konnten dem Verstorbenen helfen. Daher der Glaube an das Fegfeuer, an die Ar-men Seelen, an die Macht der Seelenmessen, der Ablasse und des Gebetes im Allgemeinen. Von dieser Haltung geben auch unsere schönen Friedhöfe Kunde, und es ist gut und wichtig, dass nicht nur die Kirche, sondern auch der Friedhof im Dorf bleibt. Im To-tenbrauch kommen heute Wertschätzung für die Angehörigen und

Einer der ältesten Bräuche, die sich im Sarntal durch Jahrhunderte erhalten haben, ist das Klöckeln. Foto: Remsi

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tröstender Beistand in stärkerem Ausmaß zutage als früher. Dazu tragen die heutigen Kommunikations- und Verkehrsmittel beson-ders bei. Bei der Gestaltung der Begräbnisse treten Bräuche in Funktion, die als Symbole der Zugehörigkeit zu Vereinen – z.B. zu einer Schützenkompanie – von allen als solche verstanden werden. Von den Sterbebräuchen und vom Totengedenken geht viel Trost aus, daher ist der Wunsch vieler, in der Heimaterde begraben zu werden, so gut nachzuvollziehen. Im Brauch um das Sterben ist die sonst so deutlich sichtbare Säkularisierung am wenigsten zu merken. Wir haben gesehen, wie die Kirche die wichtigsten Wegmarken des Lebens mit dem Angebot der Sakramente zu heiligen versucht hat und wie das mehr oder weniger gläubige Kirchenvolk diese Ereignisse noch mit einem Kranz von Bräuchen ausgestaltet, die vor allem die Gemeinschaft, in denen sich das Leben vollzieht, in Erscheinung treten lassen. Angesichts steter Bedrohung ist aus dem religiösen Lebensbrauch eine wichtige Quelle der Sicherheit und somit ein Stück geistige Heimat geworden. Von Anfang an musste der Christenglauben mit Mysterienreligionen z.B. dem Mittraskult in Konkurrenz treten, es wurden heidnische Feste und Götter vorerst des Mittelmeerraumes, dann auch der germanisch-keltischen Welt sozusagen umgetauft. Sogar in unseren Namen der Monate und Wochentage leben solche Götter weiter. Die Kirche hat alte, zum Gefühlshaushalt des Menschen gehö-rige Symbole in das religiöse, liturgienahe Brauchtum eingebaut, um dem Heilsanspruch gerecht zu werden und Hilfsmittel für alle Gefährdungen in diesem Erdenleben anzubieten. Man konnte sich Gott anheim stellen, aber auch zu magischen Mitteln greifen um feindliche Mächte abzuwehren und andere hilfreich zu stimmen. In der heutigen Hinwendung vor alten, vor allem keltischen Kulten,

ist ein Brückenschlag zu einer naturreligiösen Geisteshaltung, wohl weil in unseren Bräuchen dieses Bedürfnis nicht mehr abgedeckt ist.

Religiöses Brauchtum wird auch in der Gestaltung der Zeit im Lauf des Jahres sinnfällig und sichtbar. Wie in allen Kulturen ver-waltet auch in unserer Religion die Priesterschaft oder genauer die Kirche den Kalender. Seit dem vierten, fünften Jahrhundert erleben die Menschen im Abendland das Jahr anhand des christlichen Ka-lenders. Der Großteil der Bräuche waren und sind den Hochfesten und den Heiligenfesten zugeordnet. Zu Stephani werden nicht nur Wasser und Salz geweiht, auch Pferde werden in manchen Orten im Rahmen der Umritte gesegnet, zahlreich sind die Bräuche zu Ni-kolaus, Lichtbräuche zu Martini und so fort. Bis vor wenigen Jahr-zehnten waren die Bauernfeiertage wichtige Termine im Arbeits- und Wirtschaftsleben, Georgi als kleiner Schlenggltag, Urban als Fest der Weinbauern, St. Veit als Tag des Almauftriebes, Magdale-na, Jakobi und Barthlmä als Tage des Almsegens und Almkirchtags, Heiligkreuz, Micheli als Endpunkte des Almsommers, Martini als wichtiger Zinstag, so ließe sich die Aufzählung beliebig fortsetzen.Das Jahr wurde geformt durch heilige Zeiten, durch die Hochfeste, die an die Heilsgeschichte erinnern. Den zwei wichtigsten Festen der Christenheit, Weihnachten und Ostern geht mit dem Advent und der Fastenzeit eine Vorbereitung voran, und die Feste selbst sind ein fruchtbarer Boden reichen Brauchtums. So manche Bräu-che werden als je Eigenes empfunden, das Identität stiftet, wir den-ken da an das Klöckln im Sarntal und in Schalders, aber auch im Krippenbau erfährt sich eine Pfarrei als besonders wichtiger Träger, was wiederum geistigen Zusammenhalt und Geborgenheit bedeu-ten kann. Wiederum im Kommen sind die Heiligen Gräber, die aus dem Volksbarock stammen, in der Aufklärung wie andere heilige Spiele verboten, durch die Reform der Karwochenliturgie vor etwa

Die Kirche ist mit dem Vollzug der Liturgie auch die tragende Kraft des liturgienahen Brauchtums, aber zur Zeit ist ihre Kraft im Sinken begriffen. Damit schwindet auch das Brauchtum als Bildgebärde, als gemeinschaftliche Äußerung dahin. Ausschnitt aus dem ehemaligen Deckengemälde in Maria Weißenstein.

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50 Jahren noch mehr ins Abseits gestellt und erst in den letzten Jahrzehnten wieder aus den Dachböden hervorgeholt werden. Hier haben sich vor allem Schützen verschiedentlich entscheidend be-teiligt und hervorgetan. Die Prangfeste, wie Fronleichnam, Herzjesu und der Hohe Frauentag oder Hoch-Unser-Frauentag sind mit fei-erlichen Prozessionen und Bergfeuern mit einem hochgradigen Be-kenntnischarakter gekennzeichnet. Die Vereine haben die Funktion der einstigen Bünde übernommen, Schützen und Musikkapellen tragen wesentlich zur feierlichen Gestaltung bei.

Auch die Siebentage-Woche mit dem Sonntag als Tag ohne körperliche Arbeit und der Heiligung ist durch das Christentum eingeführt worden. Wie wir alle wissen, schwindet die Teilnahme am sonntäglichen Gottesdienst und das Empfinden für die brauch-mäßige Gliederung der Woche und der Zeit. Denn auch von den großen Kirchenfesten, den heiligen Zeiten, ist bei vielen Menschen nur noch der Freizeitwert geblieben, man vergisst, dass diese Gele-genheit zu Ferien ihre Begründung in den Kirchenfesten haben. Der Sonntag ist zum Wochenende verschmolzen, der Hohe Frauentag, ein Tiroler Landesfeiertag ist vielen nur als „ferragosto“ bekannt, eine Bezeichnung, die immerhin in die klassische Römerzeit zu-rückreicht. Es ist bekannt, dass Bräuche nur schwer aufrecht erhalten blei-ben, wenn ihnen der Sitz im Leben fehlt. Religion und Glaube sind nicht nur in den Verfassungen der europäischen Staaten zur Pri-vatsache geworden, das Maß der Entfremdung beweist auch die Diskussion um den Hinweis auf den Gottesbezug in der Präambel der Europäischen Verfassung oder auf die christlichen Wurzeln der abendländischen Kultur. Je mehr Religion zur Privatsache wird, zieht sie sich aus dem öffentlichen Raum zurück, damit schwindet auch das Brauchtum als Bildgebärde, als gemeinschaftliche Äuße-rung dahin. Bräuche sterben ab, neue erstehen, doch sind die re-ligiösen Bewegungen der jüngeren Zeit eher auf innerliche Erneu-erung ausgerichtet und weniger brauchbildend. Die Kirche ist mit dem Vollzug der Liturgie auch die tragende Kraft des liturgienahen Brauchtums, aber zur Zeit ist ihre Kraft im Sinken begriffen. Mit heiligen Zeiten und heiligen Zeichen hat die Kirche in der Öffent-lichkeit gewirkt und durch Lehre und Predigt auf die gesamte Be-völkerung eingewirkt. Auch in dem, was wir weltliches oder profanes Brauchtum nen-nen, steckt noch die Einflussnahme oder die Einbindung in das Kir-chenjahr als Vollzug der Heilsgeschichte. Da ist etwa der Fasching oder die Fasnacht vor die lange Fastenzeit gesetzt, weshalb einige Forscher glaubten, der Fasching sei gewissermaßen eine christli-che Festzeit, die Darstellung des Reiches des Bösen, das dann vom Reich Gottes abgelöst wird. Der im Pustertal bekannte „Kirschta-michl“, die von den Burschenschaften zum Kirchweihfest aufge-stellte Puppe auf hoher Stange ist nach Form und Funktion kein religiöser Brauch, aber immerhin ist die Kirchweihe ein religiöser Brauchtermin. Zuwachs an Brauchtum gibt es im öffentlichen Bereich, wofür Leopold Schmidt den Begriff Brauch ohne Glaube geprägt hat. Da-mit ist nicht gemeint, dass die Bräuche sinnentleert sind, es wird nur gezeigt, dass diese Formen weder zeitlich noch funktionell an die Religion geknüpft sind. Es sind dies Formen die sich z.B. bei Er-öffnungen vollziehen mit Banddurchschneiden, Schlüsselübergabe, Siegerehrungen, oder neue Feste, Altstadtfeste, Wolkenstein- oder Burgenritt, folkloristische Almabtriebe und ähnliches. So wird der Maibaum wiederbelebt in der Meinung, es sei ein alter Frucht-barkeitskult, was er nie war und nicht zu sein braucht. Genügt es nicht, ihn als Zeichen einer funktionierenden Dorfgemeinschaft, als Zeichen eines Wir-Gefühls, einer Identität zu sehen? Daher rühren doch die früher damit verbundenen Stehlrechte wie beim Kirschta-Michl auch. Brauch ist auch Spiel, gewiss, manchmal auch heiliges Spiel, aber es sollte nicht zum folkloristischen, zum vorgeführten Brauchtum im Dienst des Fremdenverkehrs verkommen. Das wäre dann der Missbrauch des Brauchs.

Es bleibt abzuwarten, wie diese neuen Bräuche gemeinschafts-bildend wirken. Das religiös geprägte Brauchtum ist für viele von uns ein Bezugspunkt im kulturellen Gedächtnis geworden. Wir alle haben unsere eigenen Erinnerungen, aber auch gemeinsame, was wohl ein wichtiger Bestandteil einer geistigen Heimat sein kann. Sprache, Religion und Sitte bilden, wie schon gesagt, nach Wilhelm Wundt die Kultur. Durch die technische Welt aufgelöste Horizonte gehen über in die Globalisierung, die vielen zu Recht Angst macht.Neben der Sprache, der Religion und den Bräuchen gibt es noch an-dere wichtige Symbole der Identität, die uns im Lauf der Geschichte zugewachsen sind. Es sind für die jeweiligen Gemeinschaften sinn-stiftende Wappen, Fahnen, Hymnen, Trachten oder Uniformen. Die Kenntnis dieser Symbole ist in Zeiten des Umbruchs und der Gren-

Der Kirschta-Michl. Vor allem im Pustertal hat sich dieser noch in einigen Orten halten können und macht dann am Kirchtag dem Kirchturm für kurze Zeit Kon-kurenz. Foto: Albert Steger

Das Scheibenschlagen: Dabei werden auf einer Anhöhe kleine glühende Holz-scheiben mittels langer Stangen über ein schräg aufgelegtes Brett abgeschlagen, sodaß sie - ähnlich Sternschnuppen - Richtung Tal fliegen. Unmittelbar vorher spricht der Schläger einen Vers. Foto: Andreas Mair

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zen des Kulturraumes wichtig genug. Die Festigung in der eigenen Kultur, Sprache, Religion und Brauch inbegriffen, kann dazu bei-tragen, der Globalisierung wo nötig etwas entgegenzusetzen oder sie ohne allzu große Berührungsängste zu erleben. Eine große Völ-kerwanderung bringt Menschen anderer Hautfarbe, anderer Spra-chen, Religionen, Sitten und Bräuche nach Europa. Die Festigung in der eigenen Kultur wird sich zum friedlichen Zusammensein, darin wir in Südtirol ja schon viele Jahrzehnte lang Übung haben, als Halt und Stütze erweisen. Es gibt keine Gemeinschaft ohne Bräuche, ohne Gedenkfeiern und ohne Denkmäler und Mythen, ohne geistige Erinnerungsorte, von denen aus die Verbindungslinien als Orientierung in die Ver-gangenheit, sondern auch in die Zukunft gehen. Ich möchte schließen mit dem Satz eines Weltbürgers, einer, der noch in der Emigration von sich sagen konnte, wo ich bin ist Deutschland, nämlich Thomas Mann: „Ich weiß mich in den Tradi-tionen, den Überlieferungen meines Volkes sicher geborgen. Eben darum bleibt mir Freiheit und Würde, das Fremde zu bewundern und es aufzunehmen.

Bericht der Arbeitsgruppe: „Religiöses und weltliches Brauchtum stärkt Identität, schafft Heimat und Geborgenheit im deutschen Sprach- und Kulturraum“

Wir stellen fest, dass das Wochenende mehr und mehr für die „freie“ Freizeitgestaltung verwendet wird und somit oftmals den ge-lebten Brauchtum von seinem Platz in der Tiroler Kultur verdrängt. Der Sonntag ist in vielen Familien kaum noch dazu da, den Gottes-dienst zu besuchen. Für uns Schützen soll Glaube und Brauchtum oberster Grund-satz sein und wir könnten hier deshalb ein Vorbild für die anderen sein. Deshalb sollten wir auch selbst öfters „die Kirche von innen sehen“ und nicht – wie es mancherorts passiert – während der Messe vor der Kirche warten, oder gar nach Hause gehen. Das le-bendige Tiroler Brauchtum ist nur durch den christlichen Glauben aufrechtzuerhalten, schließlich geht ein Großteil der Bräuche auf den Glauben zurück. Im Herbst 2005 finden wieder Pfarrgemeinderatswahlen statt. Mancherorts ist es oft schwierig geeignete Leute, bzw. überhaupt Freiwillige zu finden, die sich für solche Ämter hergeben. Die Schützen sollten selbst aktiv im Pfarrgemeinderat mitarbeiten. Das Brauchtum hält eine Dorfgemeinschaft zusammen. Im Brauchtum treffen sich die verschiedenen Menschen aus allen Ge-sellschaftsschichten des Lebens. Die Schützen müssen dafür eintre-ten, dass die alten Tiroler Bräuche nicht in Vergessenheit geraten und wenn möglich, bereits Vergessenes wieder aufleben lassen. Erstkommunionen und Firmungen haben vielfach ihren eigentli-chen Sinn verloren und verkommen zu Geschenkfesten. Die Schützen sollten aber auch darauf achten, dass mit Brauch-tum nicht Missbrauch betrieben wird (Tourismus). Oft ist es schon vorgekommen, dass es mancherorts im Herbst gleich sechs Mal ei-nen Almabtrieb gab, nur der lieben Touristen wegen. Auch Schützen sollten sich diesbezüglich nicht missbrauchen lassen! So sollen die Schützenfeste nicht ausschließlich veranstaltet werden, um die Ver-einskasse aufzufüllen, denn dann hat das Schützenfest seinen Sinn gänzlich verfehlt.

Auch sinnstiftende Wappen, Fahnen, Hymnen, Trachten sind wichtige Symbole der Identität und tragen zur Festigung der Kultur und Religion viel bei.

Foto: Elmar Thaler

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Musik und Liedgut stärken Hei-matgefühl und Kulturbewusstsein

von Heinrich Pramsohler

Kultur ohne Musik ist nicht denkbar. In der Entwicklung der Menschheit ist uns keine Epoche ohne Musik bekannt. Was offen-sichtlich bedeutet, die Kultur ist ohne Musik nicht lebensfähig. Bei großer Freude und auch bei großer Trauer erreicht uns die Musik in besonderem Maße. Musik ist Zufluchtsstätte für individuelles Leben und zugleich Form der Kommunikation. Diese Erkenntnisse treffen das Volkslied und die Volksmusik in ihrer zentralen Funktion und wecken in jedem von uns großen Respekt davor und erfüllen uns mit innerer Freude. Es liegt an uns, uns diese Musik und dieses Liedgut so anzueignen und es so zu pflegen, dass es aktuell und lebendig bleibt wie die Sprache. Über das Kulturbewusstsein und das Heimatgefühl eines Vol-kes zu sprechen und darüber, wie tief verankert dieses Gefühl und dessen Bewusstsein sein muss, damit ein eigenständiges Kulturgut entsteht und welche Zeitspanne für dessen Entwicklung benötigt wird, allein diese Vorgänge zu beleuchten, würde wesentlich mehr Raum beanspruchen, als in einem Kurzreferat zur Verfügung steht. Fest steht: Es gibt kein Volk ohne Heimatgefühl, auch kein Volk ohne Kulturbewusstsein und damit auch kein Volk ohne Musik. Denn die Kultur ist es, die Menschen vereint, ihnen das Gefühl der Zusammengehörigkeit und der Identität vermittelt und damit auch das Bewusstsein, im betreffenden Einzugsbereich geborgen und daheim zu sein. Wie nun dieses Kulturgut aussieht, auf welchem Niveau es sich befindet und in welchem Zustand es ist, hängt von verschiedensten Faktoren ab, die ich hier nicht tiefer beleuchten möchte. Die ge-schichtliche Entwicklung der Bevölkerung ist untrennbar mit dem kulturellen Werdegang verbunden und so einem ständigen Wandel unterworfen. Klar ist, dass Liedgut und Musik, genauso wie die Sprache, vor allem die Mundart, nur überleben und attraktiv blei-ben, wenn sie gebraucht und ständig erneuert werden. Ich bin kein Musikwissenschaftler, kein Historiker und auch kein Soziologe, sondern komme als Musikpädagoge und Praktiker. Damit ich meine Gedanken und mein Gefühl für Kulturbewusstsein, Heimatgefühl, Musik und Liedgut besser vermitteln kann, möchte ich an das geistliche Volkslied „Gott hat alles recht gemacht“ er-innern. In diesem Lied preist das Tiroler Volk Gott für seine wun-derbaren Taten. Was in der Liturgie das Wort „Alleluja“ bedeutet, findet hier seinen Ausdruck im alpenländischen Jodler: „Hoi di ridl dri didl jo“. „Gott hat alles recht gemacht“ Franz Friedrich Kohl, ein Volksliedsammler und Feldforscher hat dieses Lied in Kastelruth (um 1900 herum) aufgezeichnet. Im Vorwort zu seiner Sammlung schreibt er folgendes: „(...)mit dieser Arbeit will ich der Heimat ihr Lied wieder näher bringen“ und er schreibt weiter - „Der Wert liegt in den Liedern selbst. Die Pflege der Lieder steht ganz im Zeichen des Heimatschutzes und der hei-matlichen Gemütspflege. So mögen nun diese frohen Lieder den Weg in die Täler der Heimat und zu den Herzen ihrer Bewohner finden. Das Lied möge überall erklingen, am Herd der Familie, im trauten Heimgarten der Winterabende, auf den sonnigen Matten der Almen, in Berg und Wald, auf Wiese und Feld, da wo sich bei feurigem «Etschländer» fröhliche Gesellen zusammenfinden, in den Unterkunftshütten der Bergwanderer, es wird denen, die es pflegen, bei der Unrast unserer Zeit ein Quell des ungetrübten Frohsinns sein, der ihm innewohnt“. Das Volk lebt in seinem Volkslied weiter. Durch dessen Pflege sollen die Enkel, mit «Sehnsucht» nach einer versunkenen Welt sich pietätvoll des Stammes erinnern, dem sie Wesen und Sein verdanken.“ Das sind gute Wünsche und aussagekräftige Feststellungen. Mit der versinkenden Welt meint er wohl die Welt des Brauchtums und

des Volksliedgutes. Da hat Kohl, was das Volkslied betrifft, wohl nicht mit dieser Hartnäckigkeit des Tiroler Volkes gerechnet. Es ist nämlich unschwer festzustellen, dass das Volkslied und damit auch die Volksmusik nach wie vor einen bedeutenden Platz in unserem kulturellen Leben einnehmen und zur Zeit sogar eine Art Renais-sance erkennbar ist. Natürlich sieht das Leben mit der Volksmusik heute anders aus als vor 100 Jahren. Es erklingt kaum mehr auf den Almen, im Heimgarten, in Berg und Wald und auch nicht mehr im Gasthaus, denn die Umgebung und die Ansprüche haben sich ge-ändert. Vor allem wird das Volklied, mit wenigen Ausnahmen, jetzt dort praktiziert, wo der geeignete Rahmen dafür vorhanden ist. Volksmusik Ausübende wissen sehr wohl die richtige Umgebung für ihre Musik zu schaffen: Offenes Singen, Volkstanzgruppen, Offenes Tanzen, Alpenländische Sing- und Wanderwochen, Musik und Fa-milie, die „Tanzlmusig“ der Blaskapellen, kleine Singgruppen und Singkreise, Kirchensinger, Bäuerinnen-Chöre, Hausmusikgruppen, Volksmusikklassen in den Musikschulen, Schwegelwochen, und viele andere Gruppierungen haben Freude an der Volksmusik. Ich bin überzeugt, dass es nur an uns liegt, Möglichkeiten zu schaffen um Volksmusik auszuüben. Jede Gruppe, die Wert auf Volkskultur legt, hat auch die Aufgabe Volksmusik zu pflegen. Auch die Schüt-

Kaum erklingt mehr das Lied auf den Almen, in den Gasthäusern, im Heimgar-ten, in Berg und Wald. Volksmusik und die damit zusammenhängenden Bräuche finden heute fast nur in organiserten Vereinen statt Foto: Elmar Thaler

Franz Friedrich Kohl, ein Volksliedsammler und Feldforscher hat viele Lieder im Rahmen seiner Feldforschungen aufgezeichnet. Damit hat er viele alte Volkswei-sen für die Nachwelt erhalten. Foto: Archiv Richard Wolfram

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zen haben viele Möglichkeiten, überall dort wo sie sich treffen, die Gelegenheit zu suchen und zu nützen, um ein gutes Lied zu singen. Heute wird Kultur vorwiegend nur mehr dort gepflegt oder ausgeübt, wo sie von Vereinen und Verbänden organisiert wird. Deshalb werden diese immer mehr Träger der Volksmusik und des Volksliedgutes. Die Struktur der Familien, hat sich in den letzten Jahrzehnten weitgehend verändert. Die bäuerlich Familie, einst Heimstätte des Volksliedes und Vermittlerin der Tradition, hat sich seit der Zwischenkriegszeit von 60% auf rund 12% verringert. In der heutigen Kleinfamilie ist Liedpflege schwieriger geworden und nicht mehr selbstverständlich. Vor allem hat sich der Rahmen ge-ändert. Wie viele Familienväter mag es wohl geben, die zuhause gelegentlich ein Lied singen? Der Feierabend hat andere Inhalte be-kommen. Durch die Medieninvasion, die permanente Musikberie-selung, die Mobilität und das Überangebot an Unterhaltungsmög-lichkeiten ist die Umwelt singfeindlicher und damit auch singärmer geworden. Fortschritte in der Technik hat es immer schon gegeben, sie hat die Kultur jedoch nie verdrängt, immer nur gewandelt. So ist es auch bei uns. Die Begeisterung für das Volkslied und für die Volksmusik ist weiterhin ungebrochenen und lässt sich auch so er-klären: der Musikbegeisterte sucht in dieser technisierten Welt nach warmen Nischen für ein Baumeln seiner Seele und findet sie viel-fach in organisierten Gemeinschaften. Ein Volkslied, das im Verein gelernt wird, hat immer auch eine Chance in der Familie oder in Gesellschaft gesungen zu werden. Soll das Volkslied lebendig bleiben, ist es ständig einem Wan-del unterworfen, es muss immer wieder neu entstehen. Dazu einige Beispiele: Ein Kinderlied, das wir aus unserer Schulzeit kennen: „Im Märzen der Bauer die Rösslein einspannt“ Wo trifft das heute noch zu? Seit 30 Jahren sehe ich dieses Bild mit dem Pflug nicht mehr – außer ich gehe in eine Ausstellung und sehe mir die Bilder von Egger – Lienz an. Um das Lied für uns und unsere Schuljugend attraktiv zu machen, müsste man zumindest den Text abwandeln; z.B. „Im Märzen der Bauer den Traktor auftankt“ oder „Im Mär-zen der Bauer den Golfplatz einsät“. Natürlich passt zu diesem Text

nicht mehr die gleiche Musik. Sie können sich über diesen Gedan-ken ruhig wundern ja vielleicht auch lachen, aber so verhält es sich mit Volksliedern. „Gott hat alles recht gemacht“, singen wir auch nur so lange wir noch etwas von Gott halten. Wenn die Almen und damit auch die Sennerin verschwinden sollten, werden auch die Lieder, in denen diese Lebenshaltung, diese Einstellung und Idylle festgehalten ist, an Attraktivität verlieren. Ein weiteres Beispiel wä-ren das Gedicht „Himmelschlüssel“ von Anni Kraus und die Musik von Sepp Unterhofer.

Himmlschlüssl, HimmlschlüsslDie ganze Wiesn gelb und grüan, so weil tausend, tausend Schlüsslverschlafn auf oan Füaßl stiahn. So jetzt suach und schaug und rat, der wölle’s richtige Bartl hat des zun Himmls-Schlössl gheart und die Himmls-Tür aufsperrt. So viel sunnengelbe Schlüssl da auf der weitn Wiesn blüahn! Der Himml, - wundert mi koa bissl,so long dös Wiesl so schian! Wenn erst einmal dieses Wiesl gründlich kunstgedüngt ist, werden die Himmelschlüssel verschwinden. So wird auch dieses Gedicht und damit auch dieses Lied zum Museumsstück. So wird Volkskultur realitätsfremd und als überholt empfunden und darum auch nicht mehr gesungen. Sie wird aufgezeichnet und ausgestellt, damit wir unsern Enkeln und Urenkel zeigen können, wie es bei uns einmal war. Wie wir unschwer erkennen können, hängt Volkskultur und das Musikgut eng mit unserem täglichen Brauchtum, also mit unserem täglichen Handeln, zusammen. Ich hoffe, sie haben mich richtig verstanden. Wenn ich von der Volksmusik und vom Volkslied spreche, dann meine ich nicht die Schürzenjäger mit „Sierra Madre“ oder die Kastelruther Spatzen, ich meine auch nicht den „Grand Prix der Volksmusik“ und auch nicht den „Musikantenstadel“. Das ist rein kommerzielle überregi-onale Unterhaltungsmusik und ähnelt viel mehr dem Schlager als unserem Volkslied. Diese musikalische Mischrichtung bezeichnen wir als volkstümliche Musik. Der Unterschied ist vergleichbar mit einem Bayrischen Dirndl oder einem „Steirergwandtl“ und einer Tiroler Tracht. Diese Kleidungsstücke sollten nicht verwechselt werden und wenn wir sie tragen sollten wir wissen was wir tra-gen und woher diese Volkstrachten kommen. Jedes Kleidungsstück, auch jede Musikrichtung hat ihre Berechtigung, hat ihre bequemen, guten und wertvollen Seiten. Diese Einstellung hat nichts mit Pa-

„Im Märzen der Bauer das Rösslein einspannt.“ Kaum ein Kind kennt noch das Bild vom Einspannen der Pferde, vom Bebauen des Ackers, von dem im Volkslied die Rede ist. So wirkt dieses Bild realitätsfremd, wird als „alt-väterisch“ empfunden und darum als Lied auch nicht mehr gesungen.

Die ländliche Familie als Vermittler des Volksliedes und der heimatlichen Tradi-tionen - längst eine Idealvorstellung, die Realität sieht oft anders aus.

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triotismus und auch nichts mit Rückständigkeit zu tun, sondern mit Bildung, Offenheit, Geschmack, Qualität und Verantwortungs-bewusstsein. Übrigens können wir mit diesen Maßstäben auch die verschiedenen Musikrichtungen auseinander halten.

Wie schaut nun unsere Volksmusik oder unser Volkslied aus?Die Wurzeln für die Volkslieder und die Volksmusik finden wir ohne Zweifel in der Sprache. Aus dem Fluss des Sprechens, aus den, der Sprache anhaftenden Bildern und dem feinen Nachemp-finden von Sprachrhythmus und Sprechmelodie, wurde und werden größtenteils die Volksmusik und ihre Lieder geboren. Jedem Volk seine Lieder, wie jedem Volk seine Sprache. Genaue Grenzen zwi-schen Volkskultur und Volksklischee, zwischen Original und Kopie, sowie zwischen Kunst und Kitsch sind schwer festzulegen. Nichts ist schwerer zu trennen und abzugrenzen wie die echte Volksmusik, von allerlei engen Verwandten. Die Übergänge sind oft fließend und hängen wie schon oben erwähnt, von der Bildung, vom guten Geschmack, von der Offenheit und natürlich auch von bestimmten Qualitätsmerkmalen des Stückes ab. Volkskultur stiftet Identität und fördert die Stabilität unserer Gesellschaft. Wir befinden uns nicht auf einer Insel der Seeli-gen. Eine Epoche der weltweiten Zusammenhänge – „Globalisie-rung“ genannt – ist eingetroffen. Nicht das Zurückziehen in einen Schmollwinkel und alles Fremde und Neue verdammend ist hilf-reich, vielmehr wird die Weltoffenheit das Bedürfnis für Individu-alität in uns wecken. Die Tendenzen der Globalisierung haben eine verstärkte Identitätsfindung und Identitätsbesinnung zur Folge. Der „Allerweltskultur“ fehlen nämlich die persönlichen Beziehungen. Wie schon erwähnt, sind Sprache und Volksmusik untrennbar ver-wandt. Die Sprache ist ein Spiegel für das Denken und Fühlen der

Menschen. Mit der Sprache bauen wir unser rationales und emotio-nales Gebäude. Diese Sprache, gepaart mit Melodie und Rhythmus, vermag noch weit tiefer unser Inneres anzusprechen und zu berüh-ren. Das Konservieren, Archivieren und Bewahren von Volksgut ist sehr wichtig, aber noch viel wichtiger ist das Lebendighalten. So wie Sprache lebendig bleiben muss, ist auch das Volkslied und da-mit auch die Volksmusik nur von Bestand, wenn auch sie lebendig bleibt. Das bedeutet, das Alte bewahren, aber für Neuschöpfungen offen sein, sie zulassen, und zu unterstützen, damit die Attraktivität für die heimische Musik und das Liedgut weiterhin, auch für die Jugend, erhalten bleibt. Echtes Volksmusikgut stärkt nicht nur das Heimatgefühl und das Kulturbewusstsein, sondern gibt zusätzlich Zufriedenheit, Geborgenheit und Lebensfreude.

Arbeitsgruppe: „Musik- und Liedgut stärken Heimatgefühl und Kulturbewusstsein“.

„Es gibt keine Kultur ohne Musik. Es gehört zu den Urbedürf-nissen des Menschen, Freude und Trauer, alles, was ihn bewegt, durch Musik und Gesang zum Ausdruck zu bringen. Es gibt kein Volk ohne Heimatgefühl, ohne Kulturbewusstsein und damit ohne Musik.“ Dies hat uns zu folgenden Überlegungen bzw. Vorschlägen ange-regt: Das Lied wieder verstärkt als Kulturgut zu sehen – Einseitigkeit zu vermeiden; nicht nur die Begeisterung über das Schützenwesen und die Liebe zum Tirolertum zu besingen, auch für uns Schützen gibt es die Schönheit der Jahreszeiten, die Natur, den Advent, Weih-nachten usw. Ein überschaubares Liederprogramm sollte ein Muss in jeder Kompanie sein; die Kommandantschaft konnte dabei z.B. jedes Jahr 3 – 4 Lieder vorschlagen, die im Lauf des Jahres dann eingelernt werden. Jede Kompanieversammlung sollte mit einem Lied beginnen bzw. enden – es muss nicht immer die Landeshymne oder ein Tiroler Lied sein – und es ist nicht „unmännlich“, einmal ein sogenanntes „stads Liadl“ zu singen. Hier noch einige Anregun-gen: -Mit einem Chordirigenten/Chormitglied des ortseigenen Kir-chen- oder Männerchores Kontakt aufnehmen, wenn Hilfe beim Er-lernen der Lieder gebraucht wird. -Wenn ein Schützenfest ausgerichtet wird (ganz gleich ob Kom-panie-, Bezirks- od. Alpenregionsfest): Warum muss es immer nur die Blaskapelle sein, die für die musikalische Gestaltung in Frage kommt? Vielleicht gibt es im Ort/Nachbarort eine Gesangsgruppe? Diese Leute aus dem Volksmusikkreis können eine Vielzahl von al-penländischen geistlichen Liedern (Messlieder, Marienlieder usw.) singen. Man kann sie bitten, 2 – 3 Lieder zu singen, dies wäre eine gute Ergänzung zur Instrumentalmusik der Blaskapelle. Die Schüt-zenkompanie gestaltet selbst eine Messfeier musikalisch mit. -Singen beim Marschieren, z.B. wenn eine Kompanie vom Treff-punkt (Schützenheim, Parkplatz od. Ähnl.) zum Aufstellungsort marschiert. Diese wenigen hundert Meter kann man gut singend zurücklegen, und es könnte eine Kameradschaft fördernde Aufgabe sein, zu diesem Zweck passende Lieder zu lernen. Beispiele: Es lebt der Schütze froh und frei, Das Schönste auf der Welt, Wohl ist die Welt so groß und weit, usw. -Jugendliche haben in der Musik zwar andere Prioritäten. Es wirkt sich aber innerhalb der Kompanie sicherlich positiv aus, wenn man diese nicht ablehnt, sondern nach Kompromissen sucht und sie auf ihre Weise musikalisch mitwirken lässt.

Nachtrag der Vorsitzenden:Eine Kompanie, die beim Ausrichten von sommerlichen Festen oder Schützenbällen den Musikgruppen mit bodenständiger Unterhal-tungs- und Tanzmusik den Vorzug gibt (Böhmische, Tanzlmusig), erreicht damit, dass die Leute gern zuhören und es gemütlicher fin-den. Hiermit können auch die Schützen einen Beitrag zur Pflege und Förderung der echten Volksmusik leisten, sowie die Ausgaben verringert werden da, diese Gruppen oft nicht so teuer sind.

Auch in Schützenkreisen sollten das Volkslied und die echte Volksmusik wieder vermehrt gepflegt werden. Im Bild ein ungezwungener Unterricht auf der Steiri-schen im Rahmen des Zeltlagers „Abenteuer Heimat“ im Sommer 2004.

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Die Pflege der Muttersprache

von Dr. Egon Kühebacher

Die Pflege der Muttersprache sichert die Identität unseres Volkes und seine Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturraum. Nichts bindet Menschen so stark zu einer Kulturgemeinschaft zu-sammen wie die gemeinsame Sprache. Die unlösbare Einheit von Sprache und Denken einer Sprachgemeinschaft bringt das Univer-salgenie Wilhelm von Humboldt mit folgenden Worten zum Aus-druck: „Ihre Sprache ist ihr Geist und ihr Geist ist ihre Sprache. Mann kann beide nicht genug identisch nennen.“ Gemeint ist die Muttersprache, die folglich weit mehr als ein bloßes Verständi-gungsmittel ist. Ohne sie ist klares Denken unmöglich und jeder Gedanke bleibt verworren, solange er nicht sprachlich genau erfasst ist. Jede Kultursprache lebt als Sprechsprache und als Schreibspra-che. Das mag nach Binsenweisheit klingen, doch lohnt es sich, über diese Binsenweisheit nachzudenken. Die sprechsprachige Funktion ist nicht nur viel wichtiger, sondern auch viel älter als die schreibsprachige. Jede Sprache war schon Jahrhunderte lang gesprochen worden, als man begann sie auch als Schreibsprache zu verwenden. Es gibt heute noch bekanntlich viele Sprachen, die nur gesprochen werden. Auch unsere deutsche Muttersprache lebte bis ins 12. Jahrhundert nahezu ausschließlich als Sprechsprache, während im Schrifttum das Latein alleinherrschend war. Erst als im Hochmittelalter ein des Lateins unkundiger Laienstand, nämlich die höfische Welt des Adels, Träger der höheren Bildung wurde, be-gann man, auch in der Sprache des Volkes zu schreiben. Das Wort „deutsch“, entstanden aus dem althochdeutschen diutisk, bedeutete ursprünglich nichts anderes als „volkssprachig“. Mit der Verschrift-

lichung Hand in Hand ging die Entwicklung einer überlokal und überregional geltenden Sprachform, einer zunehmend genormten und als Schreibsprache verwendeten Hochsprache. Die deutsche Sprache lebte also bis ins 12. Jahrhundert in der bunten Vielfalt der landschaftsgebundenen Mundarten und die übermundartlichen Sprachebenen entstanden erst im Laufe des Spätmittelalters und der beginnenden Neuzeit. Die aus der sprachlichen Mutterschicht, nämlich den Mundar-ten, herausgewachsene Hochsprache hat sowohl schreibsprachige als auch sprechsprachige Funktion. Die Mundarten und die über-mundartlichen Umgangssprachen hingegen sind ausschließlich Sprechsprache. Als Schreibsprache folgt unsere Hochsprache einer genauen Norm, die im gesamten deutschen Sprachraum Gültigkeit hat. In ihrer sprechsprachigen Verwirklichung klingt aber immer der landschaftsgebundene sprachliche Unterbau mit. Und das ist auch gut so, da die Hochsprache ohne Verbindung zur mundartli-chen Ebene zu einem farb- und leblosen Kunstprodukt verkommen würde. Die „reine“ Hochsprache gibt es als Sprechsprache genau so wenig wie das, was wir als „echte“ Mundart empfinden. Beide sind letztlich Ideale, die immer nur in Annährungswerten verwirklicht werden. Man könnte die Ideale Hochsprache und Mundart mit zwei Ma-gnetpolen vergleichen, in deren Kraftfeld sich Sprechsprache ver-wirklicht. Liegt diese Verwirklichung dem hochsprachigen Pol nahe oder ganz nahe, so ergibt sich eine hochsprachige Form; liegt sie hingegen dem mundartlichen Pol nahe oder ganz nahe, so ergibt sich eine mundartliche Sprachform; und befindet sich die Verwirk-lichung in der Mitte des Kraftfeldes, so ergibt sich eine zwischen Hochsprache und Mundart liegende Umgangssprache. Erst die drei Ebenen Mundart- Umgangssprache- Hochsprache bilden das mut-tersprachige Ganze und das Ganze jeder Kultursprache. Die Kraft beider Pole ist gleich wichtig, und fällt einer der beiden Pole aus, so bricht das Kraftfeld zusammen. Der hochsprachige Pol ist über-all im gesamten deutschen Sprachgebiet und zugleich nirgends beheimatet, der mundartliche Pol hingegen wurzelt in einem be-stimmten geografischen Raum und hat somit eine Heimat. Und da dieser heimatliche Pol immer mitwirkt, ist auch die hochsprachige Verwirklichung eines Tiroler Sprechers anders als die eines Hessen, Sachsen oder Schwaben. Die „reine“ Hochsprache bleibt ein Ideal, selbst im Sprechen der besten Schauspieler. Die „reine“ Hochspra-che – erlauben Sie mir einen Vergleich aus der Chemie – ist wie chemisch reines Wasser, das geschmacklos und ungenießbar ist; das Wasser bekommt erst Frische und Geschmack durch die darin gelösten Minerale, nämlich die Minerale des heimatgebundenen, mundartlichen Pols. Damit ist auch bereits der Unterschied zwischen Mutterspra-che und Fremdsprache signalisiert. Lerne ich eine Fremdsprache so interessiert mich nur die genau genormte hochsprachige Ebe-ne. Die Muttersprache hat hingegen mehrere Ebenen. Die deutsche Hochsprache gilt im gesamten deutschen Sprachraum und natür-lich auch im Verkehr mit Anderssprachigen; die Mundart hingegen hat nur einen kleinen geografischen Geltungsraum; und zwischen beiden Ebenen vermittelt die regional gebundene Umgangssprache, die entweder hochsprache- oder mundartnäher sein kann. Man beherrscht nicht das muttersprachige Ganze, wenn man nur eine dieser Sprachebenen im Griff hat. Man muss vielmehr imstande sein, jede Sprachebene in den Griff zu bekommen und in Einsatz zu bringen, je nachdem mit wem, wo und worüber man spricht. Jede Sprachebene hat ihren Geltungs- und Funktionsbereich. Die Beherrschung der „Sprachregister“ muss ein Leben lang geübt werden,, aber die Grundlage dafür muss schon in der Grund- und Mittelschule vermittelt werden. Mit dem Hineinwachsen in das bewusste Erleben des muttersprachigen Ganzen ist ein Schulkind bis zu seinem achten Lebensjahr völlig ausgelastet und sollte nicht mit der zusätzlichen Erlernung einer fremden Hochsprache belastet werden. Unsere Hochsprache ist nicht, wie immer wieder behauptet wird, die erste Fremdsprache für unsere Kinder, sondern ein Teil

Walther von der Vogelweide (ca.1170-1230): Zu seiner Zeit wurden aus dem alt-hochdeutschen namo, willo, erdu, rihhi, giheilagot die heutigen Vokabeln name, wille, erde, rich, geheiliget. Aber das lange „i“ der betonten Silbe (din, rihhi) zeigt sich erst bei Luther als „ei“ (dein, Reich), wie wir es heute noch sprechen.

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unserer Muttersprache, dessen Beherrschung in der Schule gelernt und geübt werden muss. Leider wird in den Schulen vornehmlich die schreibsprachige Funktion der Hochsprache gelernt, und zu wenig die sprechsprachige. Schreibsprache ist nicht geschriebene Sprechsprache, und Sprechsprache ist nicht gesprochene Schreib-sprache. Beide haben ihre bestimmten Ausdrucksmöglichkeiten. Als Schreibsprache ist die Hochsprache durchwegs jedem geläufig, nicht jedoch als Sprechsprache.

Die Hochsprache braucht die Verbindung zu ihrem sprachlichen Unterbau, um nicht zu abstrakt, leblos und blutleer zu werden. Aber umgekehrt braucht die Mundart auch den sprachlichen Überbau. Die Hochsprache ist zwar aus den Mundarten herausgewachsen, fungiert aber nun rückwirkend als gewaltige Erzieherin des Sprach-unterbaues. Was mit Mundarten, die kein hochsprachiges Leitbild haben, geschieht, zeigt das Sprachleben der deutschen Sprachinseln Fersental, Pladen, Zahre, Sieben und Dreizehn Gemeinden. Dort ist die deutsche Mundart erstarrt, nicht mehr entwicklungsfähig und muss das ihr fehlende Wortgut einer anderen Sprache entnehmen, von der sie zunehmend überlagert wird. Wenn z.B. Fersentaler über Ackerbau, Viehzucht und Probleme ihres Dorfes reden, kommen sie mit der Mundart aus; kommen sie aber über Probleme der Technik, der Politik und dergleichen zu reden, so sind sie gezwungen, ins Trentinische umzuschalten, weil die Mundart für manche Themen zu arm ist. Die Elsässer verwenden zwar ihre alemannische Mund-art als Haussprache, aber ihre Bildungssprache ist längst das Fran-zösische, und sie fühlen sich nicht mehr als Deutsche, sondern als Franzosen wie ich kürzlich in einem Elsassführer las: „Die Elsässer sprechen eine Sprache, die dem Deutschen ähnlich ist.“ Die Elsäs-ser empfinden die deutsche Hochsprache als Fremdsprache, die zur alemannischen Mundart jede Verbindung verloren hat. Man kann zwar Südtirol nicht mit Elsass vergleichen, aber dennoch kann man ab und zu aus dem Munde unserer Leute er-schreckende Äußerungen hören. In Leserzuschriften des Tagblattes „Dolomiten“ las ich: „Die Südtiroler sind Italiener, wenn sie auch deutsch sprechen“ oder: „Die Südtiroler sind deutsche Italiener“. Bei solchen Äußerungen kommt man in Atemnot. Richtig müsste es heißen: „Die Südtiroler sind Deutsche mit italienischer Staatszuge-hörigkeit.“ Natürlich nur die Südtiroler deutscher Muttersprache, die Ladiner innerhalb der Provinzen Bozen, Trient und Belluno bil-den eine eigene Sprach- und Kulturgemeinschaft, deren Sprache bis in die neuere Zeit ausschließlich als Sprechsprache diente und deshalb von Tal zu Tal Verschiedenheiten aufweist; eine übermund-

artige ladinische Hochsprache ist erst im Entstehen. Die Deutsch-südtiroler gehören folglich zur deutschen Sprach- und Kulturge-meinschaft und ihre Heimat ist ein Teil des in sich geschlossenen deutschen Sprachraumes. Diese Zugehörigkeit ist absolut wichtiger und verpflichtender als die staatliche. Wir sind noch weit entfernt von einem geeinten Europa, in dem die Staatsgrenzen verschwin-den, wenn unser geografisches Raumdenken weiterhin hartnäckig mit Staatsräumen operiert und die Sprach- und Kulturräume als zweitrangig betrachtet. Wenn wir wirklich europäisch denken, darf für uns die österreichisch/italienische Staatsgrenze nicht existieren. Die Ladiner sind eine Minderheit, die Deutschsüdtiroler aber nicht, da sie ja von der deutschen Sprachgemeinschaft, der stärksten Sprachgemeinschaft Europas, nicht getrennt leben. Aber offenbar zieht man es immer noch vor, eine Minderheit innerhalb des itali-enischen Staatsraumes zu sein, und fühlt sich bestenfalls als Aus-landsdeutsche. Zu den Auslandsdeutschen gehören die Deutschen der deutschen Sprachinseln in Amerika und in aller Welt, nicht jedoch die Südtiroler. Aber leider verkümmert dieses Bewusstsein

Mit dem bewussten Erleben und Erlernen des muttersprachigen Ganzen ist ein Schulkind bis zu seinem achten Lebensjahr völlig ausgelastet und sollte nicht mit der zusätzlichen Erlernung einer fremden Hochsprache belastet werden. Unsere Hochsprache ist nicht die erste Fremdsprache für unsere Kinder, sondern ein Teil unserer Muttersprache, dessen Beherrschung in der Schule erlernt und geübt werden soll und muss.

Wenn die Südtiroler sich nicht bemühen, neben ihren angestammten Mundarten auch die übermundartige Tiroler Umgangssprache und die bairisch-österreichi-sche Form der deutschen Hochsprache in den Griff zu bekommen, entfremden sie sich immer mehr der deutschen Sprachgemeinschaft. Es darf nicht ein eige-nes „Südtiroler Deutsch“ entstehen! Foto: Elmar Thaler

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zusehends. Man bemüht sich weiterhin, aus Südtirol ein eigenes Land zu machen, und erlebt es nicht mehr als Teil und Herzstück des Landes Tirol. Man denkt weiterhin in uneuropäischer Weise in Staatsräumen: hier Österreich, hier Italien – und bezeichnet die Südtiroler als „österreichische Minderheit in Italien“, als ob Öster-reich nicht auch ein Teil des deutschen Sprachraumes wäre. Die Österreicher sind, abgesehen von den slowenischen, magyarischen, kroatischen und anderen Minderheiten, Deutsche, wenn sie es auch nicht sein wollen. Das gesamte bairisch/österreichisches Gebiet hebt sich zwar durch manche Eigenheiten vom übrigen deutschen Sprachraum ab, gehört aber dennoch zur deutschen Sprach- und Kulturnation. Der deutsche Sprachraum ist schon seit dem Hoch-mittelalter in mehrere untergeordnete Sprach- und Kulturräume zerfallen, die aber immer durch die gemeinsame Hochsprache ver-bunden bleiben. Und diese Hochsprache führt als Spruchsprache in allen Teilen des deutschen Sprachraumes ein Eigenleben. Das gilt besonders für die übermundartliche Sprachebene Österreichs. Deutlich hörbar ist der Unterschied in der Sprache der österreichi-schen und bundesdeutschen Rundfunksprecher. Es gibt zudem eine übermundartliche Tiroler Umgangssprache, die z.B. durch die welt-bekannte Exlbühne zu einer ausdrucksstarken Sprachform heran-reifte. Jeder Tiroler empfand die Sprache dieser Schauspieler als seine Sprache, obwohl sie eine übermundartige Sprachebene war. Abschließend noch ein Wort über das Nebeneinander der deut-schen und italienischen Sprache in Südtirol. Man hört zunehmend die Forderung, die Südtiroler müssten ein zweisprachiges Volk wer-den und es dürfe nicht mehr deutsche und italienische Südtiroler ge-ben. Diese Forderung beachtet nicht den Unterschied zwischen dem deutschen und dem italienischen Sprachleben in Südtirol. Deutsch lebt als Sprechsprache vor allem im bunten Bild der bodenständi-gen Mundarten, aber auch in übermundartlicher Form. Das Itali-enische hat hingegen keine bodenständige Sprachform und kann auch keine haben. Es lebt ausschließlich als Hochsprache, wenn man einmal von der Trentiner Mundart der altansässigen Welschti-roler Siedler im Unterland absieht. Die Italiener, die in den vergan-genen acht Jahrzehnten aus den verschiedensten Mundartgebieten Italiens zugewandert sind, sehen sich gezwungen die Hochspra-che zu gebrauchen, um sich gegenseitig verständigen zu können und von uns verstanden zu werden. Die italienische Hochsprache in Südtirol wird von italienischen Sprachwissenschaftlern als eine „lingua non viva“ bezeichnet, weil ihr der sprachliche Unterbau fehlt. Wenn Deutsch und Italienisch in Südtirol völlig gleichwertige Sprachen sein sollten, müsste folglich auch das Deutsche seinen angestammmten Unterbau verlieren und ebenfalls eine „lingua non viva“ werden. Offenbar will das die Forderung, dass die Südtiroler ein zweisprachiges Volk werden müssten. Die Verwirklichung dieser Forderung würde keinen Fortschritt, sondern eine gewaltige geisti-ge Verarmung bringen. Die Zweitsprache muss sowohl für die deut-schen als auch für die italienischen Südtiroler eine Fremdsprache bleiben, eine vertraute Fremdsprache, von der nur die hochspra-chige Form gelernt und beherrscht werden muss. Der Unterschied von Muttersprache und Fremdsprache muss bleiben, wenn auch die Fremdsprache als Zweitsprache fungiert. Nur so bleibt Südtirol ein Teil des deutschen Sprach- und Kulturraumes, ein Teil, in dem auch Italiener leben.

Bericht der Arbeitsgruppe: „Die Pflege der Muttersprache sichert die Identität unseres Volkes und seine Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturraum“.

Die deutsche Sprache ist indogermanischen/germanischen Ur-sprungs. Durch die Völkerwanderung vom 7. bis 10. Jahrhundert kam die deutsche bzw. die bairische Sprache zu uns nach Tirol. Im Laufe der Geschichte war sie einigen Gefahren ausgesetzt, unter anderem während der Faschistenzeit und heute durch Sprachvermi-schung aus dem Italienischem und Englischem.

Die deutsche Sprache ist die größte Sprachgemeinschaft Eu-ropas. 100 Millionen europäische Bürger sprechen deutsch. Die deutsche Sprache ist überall vorhanden. In unseren Medien; in der Schule, in öffentlichen Wesen, Fremdenverkehr, in der Politik, im Alltag. Es ist ausdrücklich festzuhalten, dass die Hochsprache Schrift- und Sprechsprache, der Dialekt aber nur Sprechsprache ist. Was können wir tun, um den Gefahren, denen die deutsche Sprache ausgesetzt ist, entgegenzuwirken? In der Arbeitsgruppe haben wir folgende Vorschläge ausgearbeitet:Zum Schutz und zur Pflege der Hochsprache: -Wir selbst sollen Schützen, Freunde und Bekannte, in der Fa-milie, im Verein, in der Schule oder am Arbeitsplatz darauf auf-merksam machen, deutsche Wörter zu verwenden. -Publikationen, Preislisten, Einladungen, Festschriften usw., sollen von kompetenten Leuten korrigiert werden. -Die Kompanien sollen Vorträge und kulturelle Abende in den Dörfern und Städten organisieren. -Mit den Bibliotheken und dem Bildungsausschuss in Verbin-dung setzen und Buchvorstellungen machen. -Schützen in den Schulrat einbinden und die Lehrer darauf auf-merksam machen, die deutsche Hochsprache zu verwenden.

Als nächstes haben wir uns Gedanken über die Pflege des Dialekts gemacht: Der Dialekt ist ein Teil der Muttersprache. -In Festschriften kann man einige Seiten einbauen, wo man Dialaktsprache in die Hochsprache übersetzt. Dadurch wird ein Empfinden für die Wichtigkeit der Erhaltung des Dialekts gegeben. -Immer und überall darauf aufmerksam machen, dass die Schriftsprache und Sprechsprache strikt zu trennen sind. -Auch kann man in der Kompanie Ausflüge in Heimatmuseen organisieren. Dort werden für viele Objekte noch alte Dialektwörter verwendet. -Auch kann man einen Abend mit verschiedenen Mundartge-dichten organisieren. -Im Pustertal wurde ein Büchlein mit Kinderreimen herausgege-ben. Diese kann man Kindern vorlesen.

Zuletzt erfolgt der Aufruf, die deutsche Sprache in allen öffentlichen Ämtern und bei den Polizeiorganen zu verwenden. Diese sind vom Gesetz verpflichtet, mit uns in unserer Muttersprache zu sprechen. Wenn nicht wir Schützen darauf beharren, wer dann? Wir müssen mit gutem Beispiel vorausgehen. Die Sprache im südlichen Teil Ti-rols ist stark gefährdet, vor allem durch italienische und englische Einflüsse. Pflegen wir also die deutsche Muttersprache! Geht sie unter, so ist die österreichische Minderheit im fremdartigen Staate Italien verloren.

Impressum:

Sondernummer der Tiroler Schützenzeitung 4-2004

Eigentümer und Herausgeber: Südtiroler Schützenbund, Schlernstraße 1, Bozen und Bund der Tiroler Schützenkompa-nien, Landhaus, Innsbruck

Eingetragen beim Landesgericht Bozen 6/77. Verantwortlicher Schriftleiter im Sinne des Pressegesetzes: Hartmuth Staffler. Die Tiroler Schützenzeitung versteht sich als Mitteilungsblatt des Südtiroler Schützenbundes, des Welschtiroler Schützen-bundes, des Bundes der Tiroler Schützenkompanien und der Bayerischen Gebirgsschützenkompanien

Schriftleiter SSB: Elmar Thaler, Schlernstraße 1, 39100 Bozen

Schrift: Rotis Serif von Otl AicherHerstellung: EFFEKT! ohg, NeumarktDruck: Athesiadruck, Bozen

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Historisch gewachsenes Namengut als Zeugen der Sprach- und Sied-lungsgeschichte unserer Heimat

von MMag. Cristian Kollmann Im Jahr 1904, also heuer vor 100 Jahren, bestieg Ettore Tolomei mit seinem Bruder Ferruccio und weiteren Begleitern den Klocker-karkopf (2913 m). Es wird wohl ein schöner Sommertag gewesen sein. Die Kulisse, eine unberührte Naturlandschaft am vermeintlich nördlichsten Punkt des mitten durch Tirol verlaufenden Alpen-hauptkamms, schien sicher gut gewählt. Wofür gut gewählt? Für die Setzung eines symbolischen Aktes: Hier trennt sich der Süden vom Norden, hier scheiden sich die Flüsse, das Einzugsgebiet des Schwarzen Meeres von jenem der Adria. Stichwort „Naturgrenzthe-orie“. Stichwort „Wasserscheidentheorie“. – Scheiden sich auf dem Klockerkarkopf aber auch die Kulturen, die Völker und die Staaten? Tolomei wusste zu gut, dass dem nicht so ist; und er wollte aber um jeden Preis, dass dem so sei. Er wusste sehr wohl, wie er sei-nem Wunschdenken, seiner Vision von einer italienischen Nation bis zum Alpenhauptkamm, ein kleines, aber immerhin wesentliches Stück näherkommen konnte: Nomen est omen! Aus dem Klocker-karkopf wurde die „Vetta d’Italia“, d. h. der „Gipfel Italiens“. Wir schreiben noch keineswegs das Jahr 1918, in dem, nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, Tirol südlich des Brenners und westlich von Arnbach durch Italien annektiert wurde. Wir schreiben, wie bereits erwähnt, das Jahr 1904, und wir befinden uns mitten in Tirol und unter der Herrschaft des Kaiserstaates Österreich. Die Staatsgrenze zu Italien verläuft immer noch südlich von Ala. Nicht nur, dass Tolomei dem Klockerkarkopf einen neuen Namen, besser gesagt: eine Etikette verpasste; er ritzte auf dem Stein ein „I“ für „Italia“ ein und gab sich als Erstbesteiger aus; was aber nicht stimmte. Au-ßerdem übersah Tolomei, dass das östlich vom Klockerkarkopf ge-legene Zwillingsköpfl (2834 m) zwar niedriger ist, aber noch nördli-cher liegt als der Klockerkarkopf. Tolomeis Umbenennung war also nichts anderes als ein Schwindel, ein Bluff, wie man im anglisierten Deutsch sagen würde; aber trotzdem: Tolomei hatte mit seiner Me-thode Erfolg! Tolomei wusste sehr wohl: Namen haben einen hohen symbolischen und emotionalen Wert. Namen sind identitätsstiftend. Namen geben Heimat. Namen sind Zeugen der Sprach- und Sied-lungsgeschichte eines Landes, eines Volkes. Und diese Zeugen galt es mundtot zu machen. Die Sprach- und Siedlungsgeschichte galt es „umzuschreiben“! Berge, Jöcher und Wasserscheiden waren für die Völker nie ein Hindernis; im Gegenteil: Sie waren immer schon Verbindungen. Obwohl der Alpenhauptkamm quer durch Tirol ver-läuft, sind sowohl auf der nördlichen als auch auf der südlichen Seite keine spezifischen Unterschiede in der Siedlungsgeschichte auszumachen. Sogar in vorrömischer, also prähistorischer Zeit fin-det man gleiche bzw. eng verwandte Volksstämme auf beiden Sei-ten der Alpen. Man merkt dies wunderbar auch an dem historisch gewach-senen Namengut: Den Namen Telfs bzw. Telfes gibt es nicht nur im heutigen Nordtirol, also westlich von Innsbruck und im Stubai, sondern auch bei Sterzing im heutigen Südtirol gibt es ein Telfes. Den Namen Sill finden wir im nördlichen Wipptal sowie auch bei Bozen. Ein Nauders begegnet uns im heutigen Nordtirol, aber auch bei Rodeneck. Ein Imst gibt es im Nordtiroler Oberland und eine Alm Imescht gibt es im hinteren Passeier. Den Namen Völs finden wir westlich von Innsbruck als auch im Schlerngebiet. Schließlich gibt es auch den Namen Brixen im Nordtiroler Unterland sowie im Eisacktal. Beispiele für gleiche oder zumindest sprachlich verwand-te Namen könnten mehrere angeführt werden. Worum es hier geht, ist Folgendes: All diese Namen sind Zeugen dafür, dass der Tiroler Raum seit vorrömischer Zeit kontinuierlich besiedelt ist. Nach der

Eroberung des Alpenraumes um 15 vor Christus durch Drusus und Tiberius, den Stiefsöhnen des Kaisers Augustus, übernahmen die Römer viele der vorrömischen Namen in ihre eigene Sprache und prägten nebenbei neue Namen. Auch die deutschen, im engeren Sinn bairischen Siedler, die sich seit dem Beginn des Mittelalters in diesem Land im Gebirge niederließen, taten dasselbe wie die Römer: Sie übernahmen die vorrömischen und romanischen Namen und prägten dabei ebenfalls neue Namen. Dazu gehört z. B. der Name Klockerkarkopf.

Der Name Klockerkarkopf klang in Tolomeis Ohren freilich zu deutsch, und in diesem Fall sicher auch zu banal. Der Name „Vetta d’Italia“ haucht dem Berg und somit auch dem ganzen Land eine fremde, italienische Seele und eine italienische Geschichte ein. No-men est omen! Tolomei dachte Folgendes: Wenn ein Fremder, ein Nicht-Eingeweihter, den Namen „Vetta d’Italia“ vernimmt, dann meint er freilich, der Name spreche praktisch für sich. Man merkt hier ganz deutlich: Man kann Namen manipulieren und sie für po-litische Zwecke missbrauchen. Mit der „Vetta d’Italia“ war es daher keineswegs getan. Zwei Jahre später, also im Jahr 1906, kam Ettore Tolomei mit dem Begriff „Alto Adige“ daher. Dieser Begriff hatte über 90 Jahre zuvor – und dies nur vier Jahre lang – für folgendes Gebiet gegol-ten: Für den von Napoleon dem Königreich Italien zugewiesenen Teil Tirols zwischen Gargazon, Kollmann und Ala. Nördlich der Linie Gargazon-Kollmann fiel Tirol an Bayern und hieß offiziell „Südbayern“. Im Jahr 1814 waren Napoleons „Alto Adige“ und der Begriff „Südbayern“ von der Landkarte wieder verschwunden. Ti-rol wurde wiedervereinigt und kehrte zurück zu Österreich. Es war Tolomei, der Napoleons „Alto Adige“ ausgrub und es auf das im Einzugsgebiet der Etsch befindliche deutsche und ladinische Tirol südlich des Brenners, nördlich der Salurner Klause und westlich des Toblacher Feldes und auf das schweizerische Münstertal übertrug. Die Bezeichnung schien gut gewählt zu sein: „Alto Adige“, d. h. „Hochetsch“. Jeder Bezug zu Tirol und damit zum Vaterland Öster-reich (und im Fall vom Münstertal zur Schweiz) ist aus dem Weg geräumt. Den Namen Tirol, der für ein Land steht, das seit 1363 zu Österreich gehört, durfte es im Einzugsgebiet der Etsch nicht mehr geben. Die Etsch fließt nach Süden, nach Italien, sie mündet in die Adria. Das „Alto Adige“ musste daher naturbedingt zu Italien gehö-ren. Vielleicht noch einmal zur Erinnerung: Wir schreiben das Jahr 1906 und nicht das Jahr 1918. Die weiter hinten abgebildete Karte, in der Tolomei die Grenzen des „Alto Adige“ genau einzeichnet und den Namen „Tirol“ sogar nördlich des Brenners und östlich des

Der Klockerkarkopf – hier auf einer altösterreichischen Karte aus dem Jahr 1877 – hat seinen Namen von dem zu Füßen des Klockerkars gelegenen Hof Klocker in der Krimml. Der Name „Vetta d’Italia“ ist dagegen ein Hirngespinst Tolomeis.

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Toblacher Feldes leugnet, stammt auch nicht aus dem Jahr 1918, sondern aus dem Jahr 1908! – Nomen est omen. Gut Ding braucht Weile. Tolomeis Vision von seinem „Alto Adige“ hat sich erfüllt. Sogar mehr, als er sich erträumt hätte: Zwölf Jahre später, also im Jahr 1918, wurden nach dem Ende des Ersten Weltkrieges die zum Bezirk Lienz gehörigen Gemeinden Sexten, Innichen, Innich-berg, Vierschach und Winnebach von Italien gleich mit annektiert, obwohl sie sich im Einzugsgebiet der Drau befinden und mit dem „Alto Adige“ gar nichts zu tun haben.

Trotzdem – und jetzt machen wir einen Sprung in die Gegen-wart, denn seit dem Faschismus hat sich in der amtlichen Ortsna-mengebung ja nichts getan – fährt man von Arnbach Richtung Westen und betritt man italienisches Staatsgebiet, wird man gleich bei Winnebach von der Tafel mit der Aufschrift „Südtirol Willkom-men“ – „Alto Adige Benvenuti“ begrüßt! Rhetorische Frage: Wer ist es, der hier mit „Alto Adige“ grüßen lässt? Ist es im Grunde nicht immer noch Tolomei? Oder sind es seine Nacheiferer? Ist es nicht so, dass Tolomei, der Erfinder des „Alto Adige“, auch durch alle übrigen nur scheinbar italienischen Ortsnamen grüßen lässt? Namen sind mehr als nur Namen. Namen können auch Grußwor-te sein: Siste signa! Zeichen setzen! Tolomeis Namen waren und sind Programm. Tolomeis Namen waren und sind Etiketten. Durch die tolomeisch-faschistische, also pseudoitalienische Namengebung wird immer noch der Eindruck erweckt, dieser Teil Tirols, der im Italienischen ja immer noch vorzugsweise „Alto Adige“ genannt wird, sei flächendeckend seit der Römerzeit kontinuierlich von Ro-manen und deren modernen Nachfahren, den Italienern, besiedelt. Da tröstet es relativ wenig, wenn wir alle wissen, dass dem nicht so war und immer noch nicht ist. Wie viele Touristen und sonstige Durchreisende fahren tagtäglich durch unser Land und lesen nichts ahnend „Alto Adige“, „Vipiteno“, „Resia“, „Silandro“, „Prato alla Drava“ usw.? Unlängst habe ich bei einem Italiener, genaugenom-men bei einem Welschtiroler aus dem Nonsberg, sogar die Bezeich-nung „Passo della Drava“ aufgeschnappt. Dieser Nonsberger ist si-cher kein italienischer Nationalist; und sicher auch kein Verteidiger von Tolomeis Namen. Aber er musste an sich selbst feststellen, dass auch er bereits von der tolomeisch-faschistischen Namengebung unbewusst beeinflusst war. Was ist denn eigentlich der „Passo della Drava“? Der „Draupass“! Und was ist der „Draupass“? Ein faschis-tisches Hirngespinst! Es geht also darum, sogar hier eine womög-liche Naturgrenze heraufzubeschwören, nachdem Italien nach dem Ersten Weltkrieg die neue Grenze weit östlich vom Toblacher Feld gezogen hatte. Alles, was östlich von diesem „Draupass“ kommt, ist demnach wohl eine Wüstenlandschaft. Und was ist mit uns Tiro-lern? Sind wir etwa weniger gefeit vor dieser „Alto-Adige“-Menta-

lität? Von unseren führenden Landespolitikern möchte ich erst gar nicht reden; aber heißt dies deswegen, dass wir – und insbesondere die Touristiker – immer und überall alles nachmachen müssen, was von der Politik vorgegeben wird? Für wie viele von uns hört das Pustertal schon nach Winne-bach auf? Für wie viele von uns ist alles, was bei Arnbach anfängt, einfach nur mehr Osttirol oder gar nur mehr Österreich? Zur Er-innerung: Das Pustertal erstreckt sich von der Mühlbacher Klause bis zur Lienzner Klause. Das westliche Pustertal liegt im Einzugs-gebiet der Rienz und das östliche Pustertal liegt im Einzugsgebiet der Drau, umfasst also auch einen Teil des Pustertals auf heutiger Südtiroler Seite (also Sexten und Innichen)! Ähnlich ist es mit dem Wipptal. Das Wipptal reicht historisch von Matreiwald bis zur sogenannten Brixner Klause, also ein-schließlich Franzensfeste. Dies ist aus geografischen Karten des 18. und 19. Jahrhunderts eindeutig ersichtlich. Das Wipptal unterteilt man in ein nördliches Wipptal (zum Einzugsgebiet der Sill gehörig) und in ein südliches Wipptal (zum Einzugsgebiet des Eisacks gehö-rig). Für wie viele von uns fängt das Wipptal aber erst nördlich des Brenners an? Gerade unlängst ist mir eine Werbeanzeige von einem Gasthof in Mauls untergekommen, auf der draufsteht: „Mauls im Eisacktal“. Freilich durfte auch das pseudoitalienische „Mules“ nicht fehlen.

Bereits 1908 projizierte Tolomei seine Vision vom „Alto Adige“ auf eine Land-karte. Sogar einen Teil der Schweiz beanspruchte er; Sexten und Innichen hin-gegen sollten nach seinen Vorstellungen ursprünglich bei Österreich bleiben, weil sie zum Einzugsgebiet der Drau gehören.

Das Wipptal – hier zu sehen auf einer Karte von Franz Karl Zoller aus dem Jahr 1831. Noch heute geistern für das südliche Wipptal die geschichtslosen Bezeichnungen „Alta Val d’Isarco“ und die deutsche Rückübersetzung „Oberes Eisacktal“ herum.

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Oder ein anderes Beispiel: Im deutschsprachigen Fernsehen aus dem Ausland wurde kürzlich mit „Sterzing im Eisacktal“ geworben. Und dieses „Sterzing im Eisacktal“ befinde sich zudem in „Nordita-lien“. Im Italienischen ist dann freilich von „Vipiteno nell’Alta Val d’Isarco“ die Rede. „Vipiteno“ geht eindeutig auf das Konto von To-lomei: Tolomei hat diesen Namen aus dem Lateinischen ausgegra-ben und ihn kurzerhand für „italienisch“ erklärt. Dieses „Vipiteno“ hatte es seit über 1500 Jahren nicht mehr gegeben, und außerdem war es lateinisch und nicht italienisch! Im Deutschen wurde „Vipi-teno“ durch den Namen „Sterzing“ keineswegs verdrängt, sondern der lateinische Name lebt immer noch weiter, und zwar im Namen „Wipptal“. Und dieses „Wipptal“ wurde − irgendwann nach To-lomeis Schaffenszeit − von irgendeinem tolomeischen Nacheiferer mit „Alta Val d’Isarco“ übersetzt. Und von deutscher Seite wurde und wird diese ahistorische Bezeichnung leichtfertig mit „Eisacktal“ oder „oberes Eisacktal“ rückübersetzt. Dass das Ganze an „Hoch-etsch“ für „Alto Adige“ erinnert, ist sicher kein Zufall.

Die Werbung der Südtirol-Marketing-AG, die im Jahr 2003 von der Landesregierung sage und schreibe elf Millionen Euro zur Ver-fügung gestellt bekommen hat, trägt Früchte: Früchte, die immer noch tolomeisch-faschistisch verseucht sind. Warum beginnt in den Köpfen der meisten Italiener und mittlerweile auch vieler Südtiroler das Eisacktal schon am Brenner und warum reicht das Pustertal nur bis Winnebach? Es ist diese „Mir-sein-Mir-Mentalität“, diese „Süd-tirol-Alto-Adige“-Mentalität, diese „Südtirol-Italia“-Mentalität, die immer noch grassiert! All dies sind Symptome der „Altoatesini-sierung“, d. h. einer unbemerkten und schleichenden kulturellen und geistigen, um nicht zu sagen ideologischen Assimilierung der Südtiroler zugunsten von Tolomeis Vision vom „Alto Adige“. Um Tolomei zu zitieren: „Alto Adige è quà; Austria è là“. Jeder Bezug zu Tirol nördlich des Brenners und östlich von Winnebach sollte ge-leugnet werden. Heute sind wir mittlerweile sogar soweit, dass viele Südtiroler sich nicht mehr trauen dürfen, sich als Tiroler zu fühlen. Tirol sei schließlich ausschließlich das Bundesland Tirol. Und auch von der Politik und von den Medien wird dies stets so vorgegeben. So heißt es z. B. „im Tiroler Unterland“, statt im „Nordtiroler Un-terland“, oder – aus Südtiroler Sicht – „im Tiroler Ötztal“ statt im „Nordtiroler Ötztal“ oder statt einfach nur „im Ötztal“. Was Südtirol betrifft, so scheint man sich gar nicht einmal mehr bewusst zu sein, dass dieser Name ein Kompositum ist und immer noch das Element „Tirol“ enthält. Dies zeigen auch viele Abkürzungen von Parteien und Ver-bänden, in denen der Name „Südtirol“ einfach mit „S“ abgekürzt wird. Es heißt z. B. SVP, UfS, AVS und sogar SSB. Warum wird „Südtirol“ nicht mit „ST“ abgekürzt? Der Name „Tirol“ geht in der Abkürzung „S“ doch völlig unter! Wo bleibt das „T“ für „Tirol“? Dem Südtiroler Schützenbund würde ich daher die Abkürzung

STSB statt SSB empfehlen. Das einfache „S“ könnte höchstens für Salzburg, Schweden oder die Schweiz stehen (in der Schweiz gibt es z. B. auch eine SVP), aber niemals für Südtirol.

Unlängst wurde im Fernsehen das Büro der Europaregion Tirol in Brüssel vorgestellt. Auf dem Schild war zu lesen: „Tirol – Südtirol – Alto Adige – Trentino“. Auch auf der Internetseite der Europare-gion ist – und dies sogar im deutschen Text – „Tirol-Südtirol/Alto Adige-Trentino“ zu lesen. Diese Textwurst soll also der neue offizi-elle Name für die Europaregion sein? Man muss sich schon fragen: Was hat diese umständliche Bezeichnung, die zudem mit „Alto Adi-ge“ faschistisch belastet ist, mit dem Gedanken der Europaregion Tirol zu tun? Betont sie nicht das Trennende zwischen den Tiroler Landesteilen statt das Verbindende? Warum braucht es neuerdings vier Bezeichnungen für ein und dasselbe Gebiet, wo früher eine, nämlich Tirol und im Italienischen Tirolo, genügte? Sollte es in die-ser Europaregion nicht auch darum gehen, historische, geistige und kulturelle Gemeinsamkeiten zu unterstreichen und zu fördern? Es stimmt: Tirol war in der Geschichte immer die Heimat von drei Volksgruppen. Gerne wird dies aber in bestimmten politischen Kreisen so interpretiert, als sei somit das heutige Südtirol schon immer flächendeckend zweisprachig gewesen. Dem war aber nicht so, und dem ist auch heute nicht so. Das historisch gewachsene Namengut ist ein wichtiger Zeuge dafür: Das heutige Südtirol ist in erster Linie ein deutsches Land, dann italienisch und dann la-dinisch. Oder chronologisch betrachtet: ladinisch, deutsch, italie-nisch. Südtirol war nie flächendeckend zweisprachig deutsch-ita-lienisch, und das ist es auch heute nicht. Genau der gegenteilige Eindruck sollte aber durch diese pseudoitalienische Namengebung immer noch vermittelt werden. Im Italienischen historisch gewach-sene Namen gibt es nur an den Grenzgebieten zum italienischen Sprach- und Kulturraum, insbesondere im Bozner Unterland, und für größere Orte und Täler wie Bozen, Meran, Brixen, Bruneck, Vin-schgau, Pustertal, die für die Italiener verkehrsmäßig schon vor der Annexion von Bedeutung waren. Nur die historisch gewachsenen Namen (d. h. deutschen, ladinischen und echten italienischen) sind die wahren Zeugen unserer Sprach- und Siedlungsgeschichte. Sie sind die wichtigsten Sprachdenkmäler und im weiteren Sinn Kul-turdenkmäler unseres Landes schlechthin. Diese Namen gehören zum ältesten sprachlichen Erbe unseres Landes und dessen Völker überhaupt. Viele von ihnen blicken auf mehrere hundert, ja gar mehrere tausend Jahre Geschichte zurück. Diese Namen gilt es zu schützen, insbesondere vor imperialistisch bedingten Manipulatio-nen, wie sie seit dem Faschismus landauf, landab gang und gäbe sind. Unsere historisch gewachsene Namenlandschaft hat dieselbe Würde und Existenzberechtigung wie die übrigen Kulturdenkmäler

Tolomei lässt grüßen, angefangen mit der faschistischen Etikette „Alto Adige“. Auch Landesregierung und Landesverwaltung lassen keine Gelegenheit aus, sich mit „Alto Adige“ zu schmücken. Da darf es nicht verwundern, wenn Tourismus und sonstige private Einrichtungen diese Unsitte ebenfalls praktizieren.

Homepage der „Europaregion Tirol“. Wer glaubt, dass dies die offizielle Bezeich-nung ist, muss sich hier eines Besseren belehren lassen. Im offiziellen Ungebilde „Europaregion Tirol-Südtirol/Alto Adige-Trentino“ kommt der leichtfertige und unsensible Umgang mit tolomeisch-faschistischen Namen- und Gedankengut einmal mehr zum Ausdruck.

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und wie unsere Naturlandschaft. Ihnen allen gebührt in gleichem Maß Respekt und gesetzlicher Schutz. Die Pflege, der sensible und faschistisch unbelastete Umgang mit unserem geografischen Na-mengut ist weniger eine Frage von Volkstumspolitik, sondern eine Frage der Verantwortung unserer Kultur gegenüber. Namenschän-dung ist Denkmalschändung und somit Schmähung unserer Heimat und Identität. Angefangen bei „Vetta d’Italia“, über „Alto Adige“, bis hin zu „Südtirol-Italia“: Tolomei geistert unweigerlich immer noch herum! Der Erfinder des „Alto Adige“ und der Faschismus lassen unweigerlich immer noch grüßen: Siste signa! – Sind dies wirklich noch die Zeichen unserer Zeit? Ist es nicht an der Zeit, neue Zeichen zu setzen?

Bericht der Arbeitsgruppe: „Historisch gewachsenes Namengut als Zeugen der Sprach- und Siedlungsgeschichte unserer Heimat.“

Das „S“ als Abkürzung für Südtirol (SSB, SBB, SBJ, ...)MMag. Cristian Kollmann hat dieses Problem bei seinem Referat angeschnitten und dabei bemängelt, dass für Südtirol in Abkürzun-gen immer nur das „S“ verwendet wird. Er findet, dass auch das „T“ für Tirol jedoch sehr wichtig wäre.

Auch wir im Arbeitskreis haben uns nun Gedanken darüber ge-macht und über einen einheitlichen Namen für die Schützen Tirols nachgedacht. Nachdem die Tiroler Sportschützen bereits den Namen „Tiroler Schützenbund“ tragen, haben wir uns auf die Bezeichnung „Bund der Tiroler Schützen (BTS)“ geeinigt.Der Vorschlag wäre also:BTS – Nord- und OsttirolBTS – SüdtirolBTS – Welschtirol. Da die Kompanien im Bund vereinigt sind, muss das Wort „Bund“ in der Abkürzung bzw. im Namen vorhan-den sein. Man sollte also unbedingt versuchen, einen gemein-samen Namen für die Bünde der Tiroler Schützen zu finden. Dabei sollten alle Mitglieder aufgefordert werden, sich Gedanken darüber zu machen. Weiters haben wir uns in dieser Arbeitsgruppe auch Gedanken über die Bezirksbezeichnungen gemacht.

Peter Piock erklärte uns, dass die heutigen Bezirksbezeichnun-gen des Schützenbundes aus den parteipolitischen Bezirkseinteilun-gen der SVP herausgewachsen sind. Die frühere Bezeichnung war „Viertel“. MMag. Kollmann wies darauf hin, dass die Bezeichnung „Süd-Tiroler Unterland“ insofern falsch sei, da es in Südtirol ja nicht nur ein Unterland gebe. Auch im Vinschgau und im Puster-tal gibt es ein Unter- und ein Oberland. Die richtige Bezeichnung wäre also „Bozner Unterland.“ Für das Pustertal gilt Ähnliches, da das Pustertal ja eigentlich bis zur „Lienzer Klause“ reicht. Deshalb sollte die Bezirksbezeichnung „Westliches Pustertal mit Sexten und Innichen“ lauten. Deutsche Ortsnamen: Das zweite Thema, worüber wir uns in unserer Arbeitsgruppe Gedanken machten war, dass die deutschen, also die historischen Namen in Südtirol nicht amtlich, sondern nur geduldet sind. Beispiele:- Navigationssysteme verwenden nur die sogenannten italieni- schen Namen- Beim Ötzi-Fundbericht wurden nur die sogenannten italienischen Ortsnamen verwendet- Auf ausländischen Bahnhöfen sowie Flughäfen werden nur die sogenannten italienischen Namen angezeigt. Im letzten Jahr, als eine Firma Landkarten ausschließlich mit den sogenannten italienischen Ortsnamen drucken wollte, hat der Schützenbund gleich interveniert. Erst als dieser damit drohte, dass 25.000 Mitglieder diese Karten nicht mehr kaufen würden, als es also ums Finanzielle ging, hat sich besagte Firma umstimmen las-sen und die deutschen Ortsnamen auf den Landkarten doch bei-behalten. MMag. Kollmann hat uns angehalten, zwischen echten

italienischen und unechten bzw. pseudoitalienischen Namen zu unterscheiden. Historisch gewachsene italienische Namen (siehe nachfolgende Auflistung) sind beizubehalten. -Aktionsvorschlag für den Gesamttiroler Schützenbund:Die Errichtung von Schildern mit der Aufschrift „Europaregion Ti-rol“ an allen historischen Landesgrenzen Tirols. -Gebrauch von faschistischen Namen vermeiden! Wir haben uns auch Gedanken darüber gemacht, was jeder dazu beitragen könnte, um den Gebrauch der faschistischen Namen zu vermeiden:Besonders in Festschriften, Briefen und Werbung sollte darauf ge-achtet werden. Bei Adressen sollten nur die richtigen Straßenna-men verwendet werden, für die Ortsnamen gilt natürlich dasselbe. -Bei Höfenamen ist nur die Bezeichnung zu nennen, ohne den Zusatz „Hof“. z. B. „Weber“ oder „beim Weber“, jedoch nicht „We-berhof“. Banales Beispiel: „Hofstätterhof“. Hier ist das Wort „Hof“ zweimal enthalten. Das gilt es zu vermeiden. -Bezeichnung „südlich des Brenners“. MMag. Kollmann klärte uns auf, dass die Bezeichnung „südlich des Brenners“ für Südtirol nicht nur auf Südtirol zutrifft, da sich auch Osttirol südlich des Brenners befindet. Osttirol wird immer vergessen, man spricht auch immer vom „Nordtiroler Landtag“ usw... !

Der Name Tirol war Tolomei ein Dorn im Auge. Auf seinen Karten gebrauchte er diesen Namen nicht einmal für das Gebiet des heuti-gen Nord- und Osttirol. Statt Nordtirol schrieb er „Innsbruck“ und statt Osttirol „Carinzia“.

Lösungsungsvorschlag zur Ortsnamengebung Schon seit über einem Jahrzehnt hat sich der Südtiroler Schüt-zenbund für die Lösung der Südtiroler Ortsnamenfrage im histori-schen, wissenschaftlichen und faschistisch unbelasteten Sinne aus-gesprochen. Diese Lösung, die kurz auch als „historische Lösung“ bezeichnet werden kann, meint Folgendes:- Die Entfernung der sog. „italienischen“ Kurzbezeichnung „Alto Adige“ für die Autonome Provinz Bozen aus dem amtlichen Ge-brauch und deren Ersatz durch „Sudtirolo“, das ist die im Italieni-schen faschistisch unbelastete Übersetzung der deutschen Kurzbe-zeichnung „Südtirol“. „Alto Adige“ ist die tolomeisch-faschistische Etikette der ersten Stunde. „Alto Adige“, das übersetzt „Hochetsch“ bedeutet, ist immer noch dazu da, jeden Bezug zu Tirol zu leugnen.- Die Abschaffung der faschistischen Namensdekrete von 1923, 1940 und 1942, mit denen ausschließlich den über 8000 pseudo-italienischen Ortsnamen von Ettore Tolomeis „Prontuario dei nomi locali dell’Alto Adige“ (1. Auflage 1916, 2. Auflage 1929, 3. Auflage 1935) und über 100 echten italienischen Ortsnamen amtliche Gül-tigkeit verliehen wurde.- Die amtliche Einführung der historisch gewachsenen Namen, d. h. deutschen, ladinischen und echten italienischen Namen. Als historisch gewachsen kann ein Ortsname dann bezeichnet werden, wenn er unmittelbar vor Tolomei und vor dem Faschismus bezeugt ist; und dies unabhängig von der Frage, ob er bereits im alten Österreich amtlich gebraucht wurde oder nicht. Alle sogenannten „italienischen“ Namen, die nachweislich von Tolomei bzw. vom Faschismus stammen und jeder sprachwissen-schaftlichen Grundlage entbehren, sind als „tolomeisch-faschis-tisch“ bzw. „pseudoitalienisch“ zu bezeichnen und aus dem amtli-chen Gebrauch zu entfernen. Es geht nämlich darum, die Sprach- und Siedlungsgeschichte des heutigen Südtirol weitestgehend rich-tig zu stellen. Dieses Gebiet war in seiner Geschichte nie flächen-deckend zweisprachig deutsch-italienisch besiedelt und ist es auch heute nicht. Nur die historisch gewachsenen Namen sind Ausdruck der wahren Sprach- und Siedlungsgeschichte. In folgenden Fällen sind die geografischen Namen unserer Heimat in mehreren Spra-chen überliefert, und nur diese sollten amtlich gebraucht werden:

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a) historisch mehrsprachige Namen der Gemeinden

1. Altrei / Anterivo 2. Auer / Ora 3. Badia / Abtei 4. Bolzano / Bozen 5. Brenner / Brennero 6. Brixen / Bressanone 7. Bronzolo / Branzoll 8. Bruneck / Brunìco 9. Burgstall / Póstal 10. Corvara / Kurfar 11. Deutschnofen / Nova Tedesca 12. Eppan / Appiano 13. Franzensfeste / Fortezza 14. Gargazon / Gargazzone 15. Innichen / San Candido16. Kaltern / Caldaro17. Karneid / Corné 18. Kastelruth / Ciastel / Castelrotto19. Klausen / Chiusa20. Kurtatsch / Cortaccia 21. Kurtinig / Cortina22. La Val / Wengen / La Valle23. Laives / Leifers24. Lajen / Laion 25. Laurein / Lauregno26. Mareo / Enneberg / Marebbe27. Margreid / Magré28. Martell / Martello 29. Meran / Merano30. Montan / Montagna 31. Neumarkt / Egna32. Proveis / Proves33. Salorno / Salurn34. San Martin de Tor / Sankt Martin in Thurn / San Martino35. Sankt Leonhard in Passeier / San Leonardo in Passiria36. Sankt Lorenzen / San Lorenzo37. Sankt Martin in Passeier / San Martino in Passiria38. Sankt Pankraz / San Pancrazio39. Santa Cristina / Sankt Christina40. Sëlva / Selva / Wolkenstein41. Sexten / Sesto42. Sterzing / Stérzen 43. Stilfs / Stelvio 44. Taufers / Tubre 45. Terlan / Terla 46. Tirol / Tirolo 47. Tisens / Tesimo 48. Toblach / Dobbiaco 49. Tramin / Termeno50. Truden / Trodena51. Ulten / Oltemo 52. Unsere liebe Frau im Walde - Sankt Felix / Senale - San Felice53. Urtijëi / Sankt Ulrich / Ortisei54. Vadena / Pfatten55. Welschnofen / Nova (Ladina/Italiana)

b) historisch mehrsprachige Namen der Fraktionen und kleineren Einheiten

1. Al Plan / Sankt Vigil in Enneberg / San Vigilio di Marebbe 2. Altenburg / Castello (Kaltern / Caldaro) 3. Antermëia / Untermoi / Antermoia (San Martin de Tor / Sankt Martin in Thurn / San Martino) 4. Basling (/ Basiano [Tscherms]) 5. Cauria / Gfrill (Salorno / Salurn) 6. Colfosch / Kolfuschg / Colfosco (Corvara / Kurfar / Corvara) 7. Dogana / Zur Lende (Bronzolo / Branzoll) 8. Gfrill (/ Cauria [Tisens / Tesimo]) 9. Girlan / Ghirla (Eppan / Appiano) 10. Graun / Curon (Kurtatsch / Cortaccia) 11. Grissian (/ Grissano [Tisens / Tesimo])12. Gschnon (/ Casignano [Montan / Montagna])13. Guggal / Cucal (Altrei / Anterivo)14. Innichberg / Monte San Candido (Innichen / San Candido)15. Kalditsch / Doladizza (Montan / Montagna)16. Kaltenbrunn / Fontanefredde (Montan / Montagna / Aldein)17. Kaltenbrunn / Fontanefredde (Truden / Trodena)18. Koppara / Copara (Truden / Trodena)

19. La Ila / Stern / La Villa (Badia / Abtei)20. La Pli / Pfarre / La Pieve (Mareo / Enneberg / Marebbe) 21. Laag / Laghetto (Neumarkt / Egna)22. Le Malgreien / Zwölfmalgreien (Bolzano / Bozen)23. Longiarü / Campill / Lungiarù (San Martin de Tor / Sankt Martin in Thurn / San Martino)24. Masetta / Wachsbleiche (Vadena / Pfatten)25. Missian (/ Missano [Eppan / Appiano])26. Monte / Gmund (Vadena / Pfatten)27. Montiggl (/ Montìchel [Eppan / Appiano])28. Mühlen / Molini (Aldein)29. Mühlen / Molini (Truden / Trodena)30. Niclàr / Entiklar (Kurtatsch / Cortaccia) 31. Oberfennberg / Favogna di Sopra (Kurtatsch / Cortaccia)32. Obermais / Maia Alta (Meran / Merano)33. Oberplanitzing (/ Planezza di Sopra [Kaltern / Caldaro])34. Pfuss (/ Fus [Kaltern / Caldaro])35. Pinzon / Pinzano (Montan / Montagna)36. Pochi / Buchholz (Salorno / Salurn)37. Säben / Sabiona (Klausen / Chiusa)38. San Ciascian / Sankt Kassian / San Cassiano (Badia / Abtei / Badia)39. Sankt Andrä / Sant’Andrea (Brixen / Bressanone) 40. Sankt Anton / Sant’Antonio (Kaltern / Caldaro)41. Sankt Florian / San Floriano (Neumarkt / Egna)42. Sankt Georgen / San Giorgio (Bruneck / Brunìco)43. Sankt Gertraud / Santa Geltrude (Barbian)44. Sankt Gertraud / Santa Geltrude (Ulten / Oltemo)45. Sankt Jakob / San Giacomo (Ahrntal)46. Sankt Jakob / San Giacomo (Villnöss)47. Sankt Johann / San Giovanni (Ahrntal)48. Sankt Konstantin / San Constantino (Völs)49. Sankt Leonhard / San Leonardo (Brixen / Bressanone)50. Sankt Lugan / San Lugano (Truden / Trodena) 51. Sankt Magdalena / Santa Maddalena (Gsies)52. Sankt Magdalena / Santa Maddalena (Villnöss)53. Sankt Martin / San Martino (Gsies)54. Sankt Michael / San Michele (Eppan / Appiano)55. Sankt Michael / San Michele (Kastelruth / Ciastel / Castelrotto)56. Sankt Moritz / San Maurizio (Villanders)57. Sankt Nikolaus / San Nicolò (Kaltern / Caldaro)58. Sankt Nikolaus / San Nicolò (Ulten / Oltemo)59. Sankt Oswald / Sant’Osvaldo (Kastelruth / Ciastel / Castelrotto)60. Sankt Pauls / San Paolo (Eppan / Appiano) 61. Sankt Peter / San Pietro (Ahrntal)62. Sankt Peter / San Pietro (Lajen / Laion)63. Sankt Peter / San Pietro (Villnöss)64. Sankt Sigmund / San Sigismondo (Kiens)65. Sankt Stefan / Santo Stefano (Villanders)66. Sankt Valentin / San Valentino (Villanders)67. Sankt Valentin / San Valentino (Villnöss)68. Sankt Vigil / San Vigilio (Kastelruth / Ciastel / Castelrotto)69. Sankt Walburg / Santa Valburga (Ulten / Oltemo) 70. Scofahof / Maso Scofa (Truden / Trodena) 71. Sulden / Solda (Stilfs / Stelvio)72. Tonna / Sinaplana (Laurein / Lauregno)73. Unterfennberg / Favogna di Sotto (Margreid / Magré)74. Untermais / Maia Bassa (Meran / Merano)75. Unterplanitzing (/ Planezza di Sotto [Kaltern / Caldaro])76. Vill / Villa (Neumarkt / Egna)77. Völlan / Foiana (Lana)

c) Auswahl historisch mehrsprachiger Namen der Pässe, Täler, Gebirge und Gewässer

1. Antersass / Infra i Sassi / Zwischenkofel (Sella) 2. Armuntarora / Armentarola (Badia / Abtei) 3. Bozner Unterland / Basso Lungadige, Basso Bolzanino 4. Brennerpass / Passo del Brennero 5. Burggrafenamt / Burgraviato 6. Dolomiten / Dolomites / Dolomiti 7. Drau / Drava 8. Drei Zinnen / Tre Cime di Lavaredo (Sexter Dolomiten / Dolomiti di Sesto) 9. Dreiherrenspitz / Picco dei Tre Signori 10. Dürrensee / Lago di Landro (Rienz / Rienza) 11. Eggental / Val d’Ega12. Eisack / Isarco13. Eisacktal / Val d’Isarco14. Elferkofel / Cima Undici (Sexter Dolomiten / Dolomiti di Sesto)15. Etsch / Adige

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Sondernummer 200424

16. Etschland / Lungadige17. Etschtal / Val d’Adige18. Gampenpass / Passo Palade19. Gandkofel / Macaion (Etschtal - Nonsberg / Val d’Adige - Val di Non)20. Gherdëina / Gröden / Gardena 21. Gran Ega / Gader / Gadera22. Großer Fossessee / Lago Grande (Fanes-Sennes)23. Großer Göller / La Cerva (Etschtal - Nonsberg / Val d’Adige - Val di Non)24. Halseck / Dosso del Colle (Etschtal - Zimmerstal / Val d’Adige - Val di Cembra)25. Haselgruber Seen / Laghi Corvo (Ultental - Rabbital / Val d’Oltemo - Val di Rabbi)26. Hinterer Eggenspitz / Cima Sternai (Ultental - Rabbital / Val d’Oltemo - Val di Rabbi)27. Hinterer Nonnenspitz / Cima di Rabbi (Martelltal - Rabbital / Val Martello - Val di Rabbi)28. Hochbrunnerschmied / Monte Popera (Sexter Dolomiten / Dolomiti di Sesto)29. Hofbichl / Solomp (Etschtal - Nonsberg / Val d’Adige - Val di Non)30. Hofmahd / Castrin (Ultental - Nonsberg) 31. Hohe Geisel / Croda Rossa (Pragser Dolomiten / Dolomiti di Prags)32. Hohe Schneide / Monte Cristallo (Ortler / Ortles)33. Hohe Tauern / Alti Tauri34. Höhlensteintal / Val di Landro35. Höhlental / Val dei Molini (Margreid / Magré)36. Höhlentalbach / Val Molino (Kalterer See / Lago di Caldaro)37. Hornspitz / Monte Corno (Etschtal - Zimmerstal / Val d’Adige - Val di Cembra)38. Jochbodenkopf / Piz Russenna (Sesvenna)39. Jochgrimm / Occlini40. Ju de Frea / Grödner Joch / Passo Gardena 41. Kalterer See / Lago di Caldaro42. Karer Pass / Passo di Costalunga (Eggental - Fassatal / Val d’Ega - Val di Fassa)43. Karer See / Lago del Latemar44. Kirchbergjoch / Passo di Rabbi (Ultental - Rabbital / Val d’Oltemo - Val di Rabbi)45. Kleiner Kornigl / La Vècla (Ulten - Nonsberg)46. Kleiner See / Lago Piccolo (Fanes-Sennes)47. Köllkuppe / Cima Marmotta (Martell - Peio - Rabbi / Martello - Peio - Rabbi)48. Königsspitz / Gran Zebrù (Ortler / Ortles)49. Kornigl / La Gióuna (Ulten - Nonsberg)50. Kreuzbergpass / Passo di Monte Croce (Drau - Piave / Drava - Piave) 51. Kristallspitz / Cima di Campo (Ortler / Ortles)52. Langenfernerjoch / Passo del Cevedale 53. Laugen / Luco (Ultental - Nonsberg / Val d’Oltemo - Val di Non)54. Mandlspitz / Monte ometto (Ultental - Nonsberg / Val d’Oltemo - Val di Non)55. Maraunbach / rio Morona (Sankt Pankraz / San Pancrazio)56. Martelltal / Val Martello57. Mendelpass / Passo della Mendola58. Mont de Sela / Sellajoch / Passo di Sella59. Montiggler Seen / Laghi di Montìchel 60. Nebelspitz / Cima Tuatti (Ultental - Rabbital / Val d’Oltemo - Val di Rabbi) 61. Ortler / Ortles62. Ötztaler Alpen / Alpi di Ötztal63. Passeier / Passiria64. Paternkofel / Monte Paterno65. Pescara / Fischbach66. Poppekanzel / Cima Poppe (Latemar)67. Pustertal / Pusteria68. Rienz / Rienza69. Rosengarten / Ciadenac / Catinaccio 70. Rote Wand / Remeda Rossa (Pragser Dolomiten / Dolomiti di Prags) 71. Rotwandsee / Lago di Remeda (Fanes-Sennes) 72. Sallentjoch / Passo di Saént (Martelltal - Rabbital / Val Martello - Val di Rabbi)73. Sallentspitz / Cima di Saént (Martelltal - Rabbital / Val Martello - Val di Rabbi)74. Sam / Monte Ori (Laurein - Kastelpfund / Lauregno - Castelfondo)75. Sarntaler Alpen / Alpi della Sarntal76. Sas Mesdì / Sasso di Mezzodì / Mittagskofel (Sella)77. Saslonch / Langkofel / Sassolungo78. Scharljöchl / Cruschetta (Sesvenna)79. Schöngrub / Chìbel (Ultental - Nonsberg / Val d’Oltemo - Val di Non)80. Schwarzes Rienztal / Val di Rimbòn (Rienz / Rienza) 81. Schwarzhorn / Cima di Rocca (Etschtal - Fleimstal / Val d’Adige - Val di Fiemme)82. Seespitz / Cima Lavazzé (Nonsberg - Ulten / Val di Non - Val d’Oltemo)83. Sexter Dolomiten / Dolomiti di Sesto84. Stilfser Joch / Giogo dello Stelvio (Ortler / Ortles)85. Stubaier Alpen / Alpi di Stubai

86. Trudner Horn / Corno di Trodena87. Überetsch / Oltradige88. Ultental / Val d’Oltemo89. Vajolettürme / Torri di Vajolet (Rosengarten / Catinaccio)90. Val Badia / Gadertal 91. Val Stanàusera / Steinhauser Tal (Salorno / Salurn)92. Veneziaspitz / Cima Venezia93. Vinschgau / Venosta94. Walscher Berg / Cima Trenta (Ultental - Brisental / Val d’Oltemo - Val di Bresimo)95. Zanggenberg / Pala di Santa (Fassatal - Eggental / Val di Fassa - Val d’Ega)96. Zillertaler Alpen / Alpi di Zillertal97. Zwölferspitz / Croda dei Toni (Sexter Dolomiten / Dolomiti di Sesto)

d) ladinische Namen für Orte in Deutsch-Südtirol

- Namen der Gemeinden:

Antaríf = Altrei (Fassa); Aóra = Auer (Fassa); Balsàn (Gadertal), Bulsàn (Grö-den), Busàn (Fassa) = Bozen; Bornéch = Bruneck (Gadertal); Braies (Gadertal) = Prags; Branzuél (Gröden), Branzél (Fassa) = Branzoll; Ciastél (Gröden), Ciastelrót (Fassa) = Kastelruth; Cornéi (Fassa) = Karneid; Chìenes (Gadertal) = Kiens; Ci-udàr = Kaltern (Gröden, Fassa); Diér (Fassa) = Tiers; Falzes (Gadertal) = Pfalzen; Fíe (Gröden) = Völs; Funés (Gröden), Fonés (Gadertal) = Villnöß; Le Sest (Ga-dertal) = Sexten; Maràn = Meran; Neva Todescia (Fassa) = Deutschnofen; Neva (Ladina, Taliana) (Fassa) = Welschnofen; Pêrbian (Gröden, Gadertal) = Barbian; Laión (Gröden, Fassa), Laiùn (Gadertal) = Lajen; Lujón (Gröden), Lijùn (Gadertal) = Lüsen; Olàneres (Gadertal) = Villanders; Pèrca (Gadertal) = Percha; Persenón (Gröden, Fassa), Porsenù (Gadertal) = Brixen; Prèner = Brenner; Pruca (Gröden), Bruca (Fassa) = Waidbruck; Redànch, Redànt (Gröden, Gadertal) = Rodeneck; Renón (Gröden), Rignùn (Gadertal), Retenón (Fassa) = Ritten; Sanciana (Gader-tal) = Innichen; San Lorònz, San Laurënz (Gadertal) = Sankt Lorenzen; Tluses (Gröden), Tlüses (Gadertal) = Klausen; Toblàch (Gadertal) = Toblach; Türesc (Ga-dertal) = Taufers; Valdàora (Gadertal) = Olang; Vàlsperch (Gadertal) = Welsberg; Vandóies (Gadertal) = Vintl.

- Namen der Fraktionen und kleineren Einheiten:

In Brixen: Albëies = Albeins; Èores (Gadertal) = Afers; Planciós (Gadertal) = Palmschoß; San André = Sankt Andrä. In Bruneck: Plan de Corones (Gadertal) = Kronplatz; Ràiscia (Gadertal) = Reischach; San Iere, San Iöre = Sankt Geor-gen; San Sciomùn = Stegen. In Deutschnofen: Biaséch (Fassa) = Birchabruck. In Karneid: Gómber (Fassa) = Gummer. In Kastelruth: Cepëi = Tschapit; Fórcia de Sëura = Oberfurtsch; Mont de Sëuc (Gröden), Munt de Sûc (Gadertal) = Seiser Alm; Sëuc (Gröden), Sûc (Gadertal) = Seis; Scilíer (Gröden) = Schlern; Tisàn = Tisens; Trebe = Treba. In Klausen: Gudón (Gröden), Godùn (Gadertal) = Gufi-daun; Jévun (Gröden), Jên, Jéun, Jôn, Jéo (Gadertal) = Säben. In Lajen: Cíeves (Gröden) = Tschöfas; Tanúrz (Gröden) = Tanirz. In Mühlbach: Spines = Spinges. In Olang: La Pli de Valdàora = Niederolang; Sorafurcia = Geiselsberg; Valdàora damèz = Mitterolang; Valdàora dessóra = Oberolang. In Rasen-Antholz: Rasùn (Gadertal) = Rasen. In Sankt Lorenzen: Àrnpurch = Ehrenburg; Ciastel Badia = Sonnenburg; Florònz = Pflaurenz; Le Crist = Heiligkreuz; Mantëna Todëscia = Montal; Moja = Moos; Ognes = Onach; Rina Todëscia = Ellen; San Martin = Sankt Martin; San Stefo = Stefansdorf; Sares = Maria Saalen. In Sexten: Moja = Moos. In Villnöss: San Madalena = Sankt Magdalena; San Pire = Sankt Peter; Tëies = Teis. In Vintl: Vandóies dessóra = Obervintl.

e) rätoromanische Namen für Orte in Deutsch-Südtirol

- Namen der Gemeinden:

Cluorn = Glurns; Curón = Graun im Vinschgau; Damàl = Mals, Maràn = Me-ran; Prada = Prad; Schlònder = Schlanders; Schlüdèrn = Schluderns; Stielva = Stilfs.

- Namen der Fraktionen und kleineren Einheiten:

In Graun im Vinschgau: Raisch = Reschen. In Laas: Dür = Eyrs. In Mals: Bar-gùsch = Burgeis; Schlü = Schleis; Lad = Laatsch; Schléngia = Schlinig; Planüra de Damàl = Malser Haide; In Stilfs: Sulda = Sulden.