2
Mal sehen, wer es länger aus- hält: Massenproteste gegen die Regierung am 15. November im Zentrum von Kiew Foto: reuters Georgien und die Republik Mol- dau. Beide Staaten haben Ende November ein Assoziierungsab- kommen mit der EU paraphiert. 88 junge Journalisten aus Ge- orgien, Armenien, Aserbaid- schan, Russland, Weißrussland, der Ukraine und Moldau hatten 2013 die Möglichkeit, sich in sechs Workshops der Panter-Stif- tung und unterstützt vom Aus- Osteuropa in Bewegung Neun Jahre nach der Orange Re- volution ist die Ukraine wieder in Aufruhr. Seit mehreren Wochen trotzen Zehntausende auf dem Unabhängigkeitsplatz (Maidan) in der Hauptstadt Kiew klirren- der Kälte und prügelnden Si- cherheitskräften. War es am An- fang die auf russischen Druck hin erfolgte Abkehr der ukrai- nischen Führung von einer Annäherung an die EU, die die Menschen auf die Straßen trieb, so fordern die Demonstranten jetzt nichts Geringeres als den Rücktritt der Regierung. Die jüngste Entwicklung in der Ukraine wird in den an- deren Nachfolgestaaten der Exsowjetunion mit In- teresse verfolgt. Dies gilt insbesondere für wärtigen Amt, der Marion Dön- hoff-Stiftung, der Zeit-Stiftung sowie dem German Marshall Fund weiterzubilden. Fünf von ihnen hat die Panter-Stiftung ge- beten, ihre Sicht der Dinge darzu- stellen – auf ihr Land, Russland und Europa. BARBARA OERTEL FREITAG, 20. DEZEMBER 2013 TAZ.DIE TAGESZEITUNG www.taz.de | [email protected] ähnliche Aktion durch. Zu die- sem Zeitpunkt konnte sich noch niemand vorstellen, in welche Richtung sich alles entwickeln würde. Acht Tage lang, vom 21. bis 29. November, fanden auf dem Un- abhängigkeitsplatz in Kiew friedliche Demonstrationen statt. In diesen Tagen machten Studenten vieler Universitäten auf den Straßen ihrem Unmut über die Nichtunterzeichnung des Assoziierungsgabkommens Luft. Jeder verteidigte seine Träu- me, sich frei in den Staaten der EU bewegen zu können, von ei- nem höheren Lebensstandard und letztendlich von einer euro- päischen Zukunft. Diese jungen Leute hofften, dass der Präsident das Abkom- men mit der EU doch noch unter- zeichnen würde. Doch Januko- witsch wusste nur zu gut, dass er das nicht tun würde. So demons- trierten die Studenten immer weiter. Doch dann passierte etwas Unerwartetes. Am 29. November, nach seiner Rückkehr aus Vilni- us, beschloss der Präsident, die Ordnung in der Hauptstadt wie- derherzustellen. Unter dem zy- nischen Vorwand, den Unabhän- gigkeitsplatz säubern lassen zu müssen, um dort einen Weih- nachtsbaum und einen Weih- nachtsmarkt aufbauen zu kön- nen, trieben Sondereinheiten der Polizei (Berkut) die demonst- rierenden Studenten mit Gewalt auseinander. Diejenigen, die der Polizei ent- kommen konnten, flüchteten in das ukrainisch-orthodoxe Mi- chaelskloster. Alles war wie in ei- nem Horrorfilm: Die Mönche ge- währten den Protestierenden, die am Eingang von den Berkut- Einheiten erwartet wurden, Ob- dach. Am Morgen des 30. November wachten die Ukrainer in einem anderen Land auf. Jetzt teilt sich die Geschichte in ein vor und ein nach dieser Novembernacht. Noch nie war es in der unabhän- gigen Ukraine zu einem Blutver- gießen gekommen und nie war gegen friedliche Demonstranten Gewalt angewendet worden. Die Ukrainer brauchten gerade ein- mal 24 Stunden, um am 1. De- zember aus allen Regionen des Landes nach Kiew zu kommen und gegen diesen Gewaltaus- bruch zu demonstrieren. Jetzt begann die zweite Phase. Die Annäherung an die EU trat in den Hintergrund. Die Hauptfor- derung war, dass die Regierung und Präsident Janukowitsch zu- rücktreten sollten. Auf den Stra- ßen fand sich erstmals seit der Orange Revolution im Jahr 2004 eine große Menschenmenge ein – Schätzungen zufolge bis zu ei- ner Million. Diesmal schlossen sich auch ältere Menschen den Studenten an. Die Regierung hat- te eine Grenze überschritten und Sieg oder Gefängnis – es gibt kein Zurück mehr UKRAINE In Kiew demonstrieren Tausende für den Rücktritt der Regierung. Der „Euro-Maidan“ hat schon jetzt Geschichte geschrieben AUS SIMFEROPOL ANASTASIJA MAGAZOVA Seit mehreren Wochen steht die Ukraine im Fokus der internatio- nalen Öffentlichkeit. Endlich ha- ben sich die unterwürfigen Ukra- iner wieder erhoben. Das Land hat in der Vergangenheit schon öfter die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt: durch Siege der Klitschko-Brüder bei Boxkämp- fen; den ersten Platz beim Euro- vision Contest; durch eine Oran- ge Revolution, die keine Resulta- te hatte; die Durchführung der Fußball-Europameisterschaft. Ja, man kann sogar eine ehemalige Regierungschefin hinter Gitter bringen. Doch dieses Mal ist alles ganz anders. Ernster und viel- schichtiger. Der „Euro-Maidan“ hat bereits Geschichte geschrieben. Und diese Geschichte ist tragiko- misch. Alles begann am 21. No- vember, als die ukrainische Re- gierung eine Woche vor dem EU- Gipfel der Östlichen Partner- schaft in Vilnius den Prozess der Annäherung an die Europäische Union (EU) auf Eis legte. An die- sem Abend sammelten ukraini- sche Journalisten mithilfe von Facebook und Twitter bereits mehrere hundert Stimmen von Bürgern, die mit dieser Entschei- dung nicht einverstanden waren. Parallel dazu führten Studenten einer Hochschule in Lwiw eine Die Partner des Kreml sind vor allem Staaten mit totalitären Re- gimes. Demokratische Länder werden hingegen mit Argwohn betrachtet. In den letzten Jahren verstärkt sich die Tendenz, Staa- ten, die Putins Regime gegen- über loyal sind, zu subventionie- ren und diejenigen, die ihren ei- genen Kurs einschlagen, mit Sanktionen zu belegen. Das zeigt sich vor allem am Beispiel der Ukraine und Weißrusslands. Die offiziellen oppositionel- len Kreise sind der Auffassung, dass eine Annäherung an Europa nicht nur für die Ukraine, son- dern auch für Russland wichtig ist. Sie glauben, dass Putins Poli- tik Russland schadet und zu wirt- schaftlichen und finanziellen Verlusten führt. Für sie ist die Protestbewegung auf dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz (Maidan) – sollte sie erfolgreich sein – ein Weg zu einem besseren Lebensstandard, wovon sowohl die Ukraine und Länder, die in den letzten Jahren der EU beige- Zermürbt und politikmüde RUSSLAND Die meisten Menschen interessieren sich nur wenig für die Protestbewegung in der Ukraine ST. PETERSBURG taz | Die Positi- on des Kreml gegenüber den Pro- testen in der Ukraine ist klar: Die Östliche Partnerschaft der EU ist gegen russische Interessen ge- richtet. Zwar betonen die Abge- ordneten und Präsident Wladi- mir Putin die Unabhängigkeit und Souveränität aller ehemali- gen Sowjetrepubliken. Doch der Umstand, dass Putin zufolge der Zusammenbruch der Sowjetuni- on die größte Katastrophe des 20. Jahrhunderts ist und die Ver- abschiedung von Gesetzen, die Russland in die sowjetische Ver- gangenheit zurückversetzen, las- sen keine Zweifel aufkommen: Putin plant, die Exsowjetrepubli- ken wieder zu vereinigen. treten sind, als auch Russland profitieren. Die Mehrheit hofft auf einen friedlichen Sieg der uk- rainischen Opposition. Die Positionen der Kommu- nisten und Nationalisten ähneln sich sehr. Sie empfinden den „Euro-Maidan“ als Verrat und als Undankbarkeit vonseiten der Ukraine. Sie sind überzeugt, dass die Proteste vom Westen finan- ziert werden und der Ukraine die Spaltung droht, sollte die „Revo- lution“ weitergehen. Die Oppositionellen, die sich außerhalb des Systems verorten, sind skeptisch. Zwar lehnen sie den Druck, den Putin auf die Uk- raine ausübt, ab, glauben aber auch nicht daran, dass die Ab- sichten Europas aufrichtig sind. Die Mehrheit der Russen inte- ressiert sich nicht besonders für die Ereignisse in der Ukraine. Da- bei sind Politikmüdigkeit sowie die Unfähigkeit, die Vorgänge zu verstehen, spürbar. Die Ereignis- se in Russland der vergangenen Jahre haben die Menschen zer- mürbt, eingeschüchtert und das Interesse an Protestbewegungen und den Spielchen der Politiker erlöschen lassen. Diejenigen, die Anteil nehmen, beneiden die Uk- rainer sogar ein wenig. In der nächsten Zeit dürfte der ukrainische Präsident Wiktor Ja- nukowitsch versuchen, nicht übereilt zu agieren – weder ge- genüber der EU noch gegenüber Russland. Und er wird wieder sei- ne traditionelle Schaukelpolitik betreiben. Jedoch sind bislang al- le Versuche, die Ukraine zu mo- dernisieren, an diesem doppel- ten Spiel gescheitert. SWETLANA RJASCHINA Aus dem Russischen Barbara Oertel Präsident Wiktor Janukowitsch seine Kapitulation unterzeich- net. Kein Analyst oder Politologe konnte vorhersehen, wie sich die Ereignisse weiterentwickeln würden. Der größte Unterschied zur Orange Revolution ist, dass die Menschen aus eigenem An- trieb auf die Straßen gingen, oh- ne dass die Oppositionsparteien sie dazu aufgefordert hätten. Bezeichnend war auch das Verhalten der Opposition in die- sen Tagen. Keiner ihrer Führer war auf diese Wendung der Ereig- nisse vorbereitet. Lange Zeit or- ganisierte sich der „Euro-Mai- dan“ selbst – mit der Hilfe von engagierten Menschen, ganz ge- wöhnlichen Ukrainern. Die Staatsmacht versuchte in dieser Zeit zu zeigen, dass sie die Lage im Land kontrollierte. So wurden Demonstrationen orga- nisiert, deren Teilnehmer die Po- litik des Präsidenten und der Re- gierung angeblich unterstütz- ten. Doch für die Journalisten war es ein Leichtes herauszufin- den, dass diese Leute dafür be- zahlt wurden. Nach dem Massenprotest am 1. Dezember in Kiew kamen im- mer mehr Menschen. Vom 1. bis zum 10. Dezember nahmen die Demonstranten Regierungsge- bäude ein und errichteten Barri- kaden in einigen wichtigen Stra- ßen der Hauptstadt. Derzeit erinnert Kiew an Paris im Jahre 1848. Die dritte Phase begann in der Nacht zum 11. Dezember. Noch einen Tag vorher hatte Januko- witsch Vertretern der EU und der USA zugesichert, dass er zu kon- struktiven Schritten bereit sei und keine Gewalt gegen De- monstranten angewendet wer- den würde. Doch schon in der Nacht versuchten Berkut-Einhei- ten erneut, die Barrikaden zu stürmen – vergeblich. Mutig ver- hinderten die Ukrainer, dass in dieser Nacht Blut vergossen wur- de. Das Vorgehen von Januko- witsch ist ein eindeutiger Hin- weis auf die Agonie der Staats- macht. Bereits am Morgen des 11. Dezember verstärkten die De- monstranten die alten Barrika- den und errichteten neue. Dieses Volk weicht nicht zurück, jetzt lautet der Slogan: „Kämpfen bis zum Ende!“ Viele Ukrainer verstehen, dass es nur zwei Wege gibt – zu einem Sieg oder geradewegs ins Ge- fängnis. Deshalb gibt es kein Zu- rück mehr. Die Mehrheit der Uk- rainer hat bereits ihre sowjeti- sche Mentalität verloren. Diese Geschichte wird von einer neuen Generation von Ukrainern ge- schrieben – einer Generation, die fest an eine europäische Zukunft glaubt. Aus dem Russischen Barbara Oertel Gesicht zeigen auf dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz Foto: ap

2012 TZ HP 06 - Die Tageszeitungdownload.taz.de/stiftung_kiew_20131220.pdf · 2013. 12. 20. · derPolizei(Berkut)diedemonst-rierenden Studenten mitGewalt auseinander. Diejenigen,diederPolizeient-kommen

  • Upload
    others

  • View
    1

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

  • Mal sehen, wer es länger aus-hält: Massenproteste gegen dieRegierung am 15. November imZentrum von Kiew Foto: reuters

    Georgien und die Republik Mol-dau. Beide Staaten haben EndeNovember ein Assoziierungsab-kommen mit der EU paraphiert.

    88 junge Journalisten aus Ge-orgien, Armenien, Aserbaid-schan, Russland, Weißrussland,der Ukraine und Moldau hatten2013 die Möglichkeit, sich insechs Workshops der Panter-Stif-tung und unterstützt vom Aus-

    Osteuropa in Bewegung

    Neun Jahre nach der Orange Re-volution ist die Ukraine wieder inAufruhr. Seit mehreren Wochentrotzen Zehntausende auf demUnabhängigkeitsplatz (Maidan)in der Hauptstadt Kiew klirren-der Kälte und prügelnden Si-cherheitskräften. War es am An-fang die auf russischen Druckhin erfolgte Abkehr der ukrai-nischen Führung von einer

    Annäherung an die EU, die dieMenschen auf die Straßen trieb,so fordern die Demonstrantenjetzt nichts Geringeres als denRücktritt der Regierung.

    Die jüngste Entwicklung inder Ukraine wird in den an-deren Nachfolgestaatender Exsowjetunion mit In-

    teresse verfolgt. Diesgilt insbesondere für

    wärtigen Amt, der Marion Dön-hoff-Stiftung, der Zeit-Stiftungsowie dem German MarshallFund weiterzubilden. Fünf vonihnen hat die Panter-Stiftung ge-beten, ihre Sichtder Dinge darzu-stellen – auf ihrLand, Russlandund Europa.BARBARA OERTEL

    FREITAG, 20. DEZEMBER 2013 TAZ.DIE TAGESZEITUNGwww.taz.de | [email protected]

    ähnliche Aktion durch. Zu die-sem Zeitpunkt konnte sich nochniemand vorstellen, in welcheRichtung sich alles entwickelnwürde.

    Acht Tage lang, vom 21. bis 29.November, fanden auf dem Un-abhängigkeitsplatz in Kiewfriedliche Demonstrationenstatt. In diesen Tagen machtenStudenten vieler Universitätenauf den Straßen ihrem Unmutüber die Nichtunterzeichnungdes AssoziierungsgabkommensLuft. Jeder verteidigte seine Träu-me, sich frei in den Staaten derEU bewegen zu können, von ei-nem höheren Lebensstandardund letztendlich von einer euro-päischen Zukunft.

    Diese jungen Leute hofften,dass der Präsident das Abkom-men mit der EU doch noch unter-zeichnen würde. Doch Januko-witsch wusste nur zu gut, dass erdas nicht tun würde. So demons-trierten die Studenten immerweiter.

    Doch dann passierte etwasUnerwartetes. Am 29. November,nach seiner Rückkehr aus Vilni-us, beschloss der Präsident, dieOrdnung in der Hauptstadt wie-derherzustellen. Unter dem zy-nischen Vorwand, den Unabhän-gigkeitsplatz säubern lassen zumüssen, um dort einen Weih-nachtsbaum und einen Weih-nachtsmarkt aufbauen zu kön-nen, trieben Sondereinheiten

    der Polizei (Berkut) die demonst-rierenden Studenten mit Gewaltauseinander.

    Diejenigen, die der Polizei ent-kommen konnten, flüchteten indas ukrainisch-orthodoxe Mi-chaelskloster. Alles war wie in ei-nem Horrorfilm: Die Mönche ge-währten den Protestierenden,die am Eingang von den Berkut-Einheiten erwartet wurden, Ob-dach.

    Am Morgen des 30. Novemberwachten die Ukrainer in einemanderen Land auf. Jetzt teilt sichdie Geschichte in ein vor und einnach dieser Novembernacht.Noch nie war es in der unabhän-gigen Ukraine zu einem Blutver-gießen gekommen und nie wargegen friedliche Demonstranten

    Gewalt angewendet worden. DieUkrainer brauchten gerade ein-mal 24 Stunden, um am 1. De-zember aus allen Regionen desLandes nach Kiew zu kommenund gegen diesen Gewaltaus-bruch zu demonstrieren.

    Jetzt begann die zweite Phase.Die Annäherung an die EU trat inden Hintergrund. Die Hauptfor-derung war, dass die Regierungund Präsident Janukowitsch zu-rücktreten sollten. Auf den Stra-ßen fand sich erstmals seit derOrange Revolution im Jahr 2004eine große Menschenmenge ein– Schätzungen zufolge bis zu ei-ner Million. Diesmal schlossensich auch ältere Menschen denStudenten an. Die Regierung hat-te eine Grenze überschritten und

    Sieg oder Gefängnis – es gibt kein Zurück mehrUKRAINE In Kiew demonstrieren Tausende für den Rücktritt der Regierung. Der „Euro-Maidan“ hat schon jetzt Geschichte geschrieben

    AUS SIMFEROPOL

    ANASTASIJA MAGAZOVA

    Seit mehreren Wochen steht dieUkraine im Fokus der internatio-nalen Öffentlichkeit. Endlich ha-ben sich die unterwürfigen Ukra-iner wieder erhoben. Das Landhat in der Vergangenheit schonöfter die Aufmerksamkeit aufsich gelenkt: durch Siege derKlitschko-Brüder bei Boxkämp-fen; den ersten Platz beim Euro-vision Contest; durch eine Oran-ge Revolution, die keine Resulta-te hatte; die Durchführung derFußball-Europameisterschaft. Ja,man kann sogar eine ehemaligeRegierungschefin hinter Gitterbringen. Doch dieses Mal ist allesganz anders. Ernster und viel-schichtiger.

    Der „Euro-Maidan“ hat bereitsGeschichte geschrieben. Unddiese Geschichte ist tragiko-misch. Alles begann am 21. No-vember, als die ukrainische Re-gierung eine Woche vor dem EU-Gipfel der Östlichen Partner-schaft in Vilnius den Prozess derAnnäherung an die EuropäischeUnion (EU) auf Eis legte. An die-sem Abend sammelten ukraini-sche Journalisten mithilfe vonFacebook und Twitter bereitsmehrere hundert Stimmen vonBürgern, die mit dieser Entschei-dung nicht einverstanden waren.Parallel dazu führten Studenteneiner Hochschule in Lwiw eine

    Die Partner des Kreml sind vorallem Staaten mit totalitären Re-gimes. Demokratische Länderwerden hingegen mit Argwohnbetrachtet. In den letzten Jahrenverstärkt sich die Tendenz, Staa-ten, die Putins Regime gegen-über loyal sind, zu subventionie-ren und diejenigen, die ihren ei-genen Kurs einschlagen, mitSanktionen zu belegen. Das zeigtsich vor allem am Beispiel derUkraine und Weißrusslands.

    Die offiziellen oppositionel-len Kreise sind der Auffassung,dass eine Annäherung an Europanicht nur für die Ukraine, son-dern auch für Russland wichtigist. Sie glauben, dass Putins Poli-tik Russland schadet und zu wirt-

    schaftlichen und finanziellenVerlusten führt. Für sie ist dieProtestbewegung auf demKiewer Unabhängigkeitsplatz(Maidan) – sollte sie erfolgreichsein – ein Weg zu einem besserenLebensstandard, wovon sowohldie Ukraine und Länder, die inden letzten Jahren der EU beige-

    Zermürbt undpolitikmüdeRUSSLAND Die meisten Menschen interessieren sichnur wenig für die Protestbewegung in der Ukraine

    ST. PETERSBURG taz | Die Positi-on des Kreml gegenüber den Pro-testen in der Ukraine ist klar: DieÖstliche Partnerschaft der EU istgegen russische Interessen ge-richtet. Zwar betonen die Abge-ordneten und Präsident Wladi-mir Putin die Unabhängigkeitund Souveränität aller ehemali-gen Sowjetrepubliken. Doch derUmstand, dass Putin zufolge derZusammenbruch der Sowjetuni-on die größte Katastrophe des20. Jahrhunderts ist und die Ver-abschiedung von Gesetzen, dieRussland in die sowjetische Ver-gangenheit zurückversetzen, las-sen keine Zweifel aufkommen:Putin plant, die Exsowjetrepubli-ken wieder zu vereinigen.

    treten sind, als auch Russlandprofitieren. Die Mehrheit hofftauf einen friedlichen Sieg der uk-rainischen Opposition.

    Die Positionen der Kommu-nisten und Nationalisten ähnelnsich sehr. Sie empfinden den„Euro-Maidan“ als Verrat und alsUndankbarkeit vonseiten der

    Ukraine. Sie sind überzeugt, dassdie Proteste vom Westen finan-ziert werden und der Ukraine dieSpaltung droht, sollte die „Revo-lution“ weitergehen.

    Die Oppositionellen, die sichaußerhalb des Systems verorten,sind skeptisch. Zwar lehnen sieden Druck, den Putin auf die Uk-raine ausübt, ab, glauben aberauch nicht daran, dass die Ab-sichten Europas aufrichtig sind.

    Die Mehrheit der Russen inte-ressiert sich nicht besonders fürdie Ereignisse in der Ukraine. Da-bei sind Politikmüdigkeit sowiedie Unfähigkeit, die Vorgänge zuverstehen, spürbar. Die Ereignis-se in Russland der vergangenenJahre haben die Menschen zer-

    mürbt, eingeschüchtert und dasInteresse an Protestbewegungenund den Spielchen der Politikererlöschen lassen. Diejenigen, dieAnteil nehmen, beneiden die Uk-rainer sogar ein wenig.

    In der nächsten Zeit dürfte derukrainische Präsident Wiktor Ja-nukowitsch versuchen, nichtübereilt zu agieren – weder ge-genüber der EU noch gegenüberRussland. Und er wird wieder sei-ne traditionelle Schaukelpolitikbetreiben. Jedoch sind bislang al-le Versuche, die Ukraine zu mo-dernisieren, an diesem doppel-ten Spiel gescheitert.

    SWETLANA RJASCHINA

    Aus dem Russischen BarbaraOertel

    Präsident Wiktor Janukowitschseine Kapitulation unterzeich-net.

    Kein Analyst oder Politologekonnte vorhersehen, wie sich dieEreignisse weiterentwickelnwürden. Der größte Unterschiedzur Orange Revolution ist, dassdie Menschen aus eigenem An-trieb auf die Straßen gingen, oh-ne dass die Oppositionsparteiensie dazu aufgefordert hätten.

    Bezeichnend war auch dasVerhalten der Opposition in die-sen Tagen. Keiner ihrer Führerwar auf diese Wendung der Ereig-nisse vorbereitet. Lange Zeit or-ganisierte sich der „Euro-Mai-dan“ selbst – mit der Hilfe vonengagierten Menschen, ganz ge-wöhnlichen Ukrainern.

    Die Staatsmacht versuchte indieser Zeit zu zeigen, dass sie dieLage im Land kontrollierte. Sowurden Demonstrationen orga-nisiert, deren Teilnehmer die Po-litik des Präsidenten und der Re-gierung angeblich unterstütz-ten. Doch für die Journalistenwar es ein Leichtes herauszufin-den, dass diese Leute dafür be-zahlt wurden.

    Nach dem Massenprotest am1. Dezember in Kiew kamen im-mer mehr Menschen. Vom 1. biszum 10. Dezember nahmen dieDemonstranten Regierungsge-bäude ein und errichteten Barri-kaden in einigen wichtigen Stra-ßen der Hauptstadt.

    Derzeit erinnert Kiew an Parisim Jahre 1848.

    Die dritte Phase begann in derNacht zum 11. Dezember. Nocheinen Tag vorher hatte Januko-witsch Vertretern der EU und derUSA zugesichert, dass er zu kon-struktiven Schritten bereit seiund keine Gewalt gegen De-monstranten angewendet wer-den würde. Doch schon in derNacht versuchten Berkut-Einhei-ten erneut, die Barrikaden zustürmen – vergeblich. Mutig ver-hinderten die Ukrainer, dass indieser Nacht Blut vergossen wur-de. Das Vorgehen von Januko-witsch ist ein eindeutiger Hin-weis auf die Agonie der Staats-macht. Bereits am Morgen des 11.Dezember verstärkten die De-monstranten die alten Barrika-den und errichteten neue. DiesesVolk weicht nicht zurück, jetztlautet der Slogan: „Kämpfen biszum Ende!“

    Viele Ukrainer verstehen, dasses nur zwei Wege gibt – zu einemSieg oder geradewegs ins Ge-fängnis. Deshalb gibt es kein Zu-rück mehr. Die Mehrheit der Uk-rainer hat bereits ihre sowjeti-sche Mentalität verloren. DieseGeschichte wird von einer neuenGeneration von Ukrainern ge-schrieben – einer Generation, diefest an eine europäische Zukunftglaubt.Aus dem Russischen BarbaraOertelGesicht zeigen auf dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz Foto: ap

  • 06 FREITAG, 20. DEZEMBER 2013 TAZ.DIE TAGESZEITUNG

    Moldau wäre sicherlich erstauntüber die Hartnäckigkeit und diegroße Anzahl der Demonstran-ten, wäre da nicht die Mutma-ßung über „den Boxkämpfer“ ander Spitze der Bewegung. Angeb-lich plant Witali Klitschko einenAusverkauf des Landes an dieAmerikaner und Europäer, die jaden Maidan-Protest finanzieren.

    Die Menschen beziehen ihreInformationen vor allem aus denMedien. Diese lassen sich in derRegel der Regierung oder der Op-position zuordnen. Eine nichtunwesentliche Rolle spielenauch die prorumänischen Medi-en, die jenseits des GrenzflussesPrut ihre Geldgeber haben unddie sich eindeutig als proeuropä-isch verstehen. Einige unabhän-gige Medien gehören Privatper-sonen und bedienen deren Inte-ressen.

    Den Ergebnissen einer Umfra-ge aus dem Jahr 2011 zufolge, dievom Zentrum für unabhängigeJournalistik in Moldau in Auftraggegeben wurde, steht der privateFernsehkanal Prime TV, der ei-nem führenden Politiker der Li-beraldemokraten gehört, an ers-ter Stelle in der Beliebtheitsskala.An zweiter und dritter Stelle ste-hen der öffentliche Kanal Moldo-va 1, der im wesentlichen Regie-rungspositionen vertritt, undder Kanal Pro TV Chiinu, der vomAusland finanziert wird. An Po-pularität gewonnen hat in denletzten Jahren der Nachrichten-kanal PublicaTV, der den glei-chen Besitzer wie Prime TV hatund sich als „Motor demokrati-scher Werte und Prinzipien derEurointregration“ versteht.

    Führend in der Print-Pressesind die Komsomolskaja Prawdaund die Antenna, die in russi-scher Sprache erscheinen. Über-schriften in der KomsomolskajaPrawda wie: „Die Demonstran-ten dachten wohl, Europa sei dasParadies“ oder „Eingekreiste Si-cherheitskräfte: Sie haben so aufuns eingedroschen, dass sich dieHelme in die Kopfhaut eindrück-ten“ machen deutlich, wohin dieZeitung tendiert.

    Eine völlig andere Botschaftbietet die Zeitung Timpul mit

    einzelnen Schritte hin zur Inte-gration zu erläutern. Der Bloggerund politische Beobachter Er-nest Vardanjan gesteht, dass erdes Themas „Euro-Maidan“schon überdrüssig sei und sagtein Scheitern der Östlichen Part-nerschaft voraus.

    Doch trotz aller unterschiedli-chen Ansichten – in einem Punktherrscht Konsens: Gut erinnernsich die Moldauer an den Besuchdes stellvertretenden russischenRegierungschefs Dmitrij Rogo-sin in Chisinau, nur wenige Mo-nate vor dem EU-Gipfel in Vilni-us. Rogosin hatte den Moldauernklar gemacht, dass sie im Winterfrieren würden, sollte die Regie-rung Moldaus die Assoziierungmit der EU paraphieren. Die Re-gierung hat unterschrieben, aberdie Menschen frieren trotzdemnicht.

    Könnte es nicht sein, dass dieMoldauer dies dem NachbarnUkraine zu verdanken haben, dersich dem Kreml gebeugt und inVilnius nicht unterschriebenhat? Hat der Kreml vielleicht,nachdem er die Gewissheit er-langte, die weitaus größere Uk-raine gehalten zu haben, seineRache an der Moldau vergessen?Könnte es sein, dass die Moldau-er sich hinter dem Rücken derUkraine verstecken, Kiew dieMoldau durch sein Verhalten garschützt? Und ist es nicht viel-leicht sogar so, dass den Moldau-ern die Entscheidung von Januk-owitsch ganz gelegen kommt,man dies nur nicht laut sagenmöchte?Aus dem Russischen: BernhardClasen

    Noch frieren die Menschen nichtMOLDAU Trotz Drohungen aus Moskau setzt die Regierung auf eine Annäherung an Europa

    Die Opposition machtaus ihrer Ablehnungdes Assoziierungs-abkommens mitder EU kein Hehl

    AUS CHISINAU ANNA GUTSAN

    Treffen die Ereignisse in der Uk-raine den Nerv der Bevölkerungin der Republik Moldau? Einer-seits ja, das zeigen die vielenPosts auf Facebook. Jeder zehnteBeitrag beschäftigt sich mit demMaidan. Doch das heißt nicht,dass die Proteste in Kiew für dieBevölkerung oberste Prioritäthätten. Seit Beginn der Aktionenauf dem Maidan hat es in Chisi-nau nicht eine einzige Solidari-tätsaktion mit den Demonstrie-renden gegeben.

    Die herrschende Machtelite,der Vertreter der regierenden„Allianz für europäische Integra-tion“ und der Opposition sowieneutrale Geschäftsleute angehö-ren, sind vor allem an einer stabi-len Moldau interessiert. Sie stelltsich eindeutig hinter die De-monstranten in der Ukraine. Derehemalige Premierminister undChef der Mehrheitspartei Libe-raldemokratische Partei der Mol-dau, Vlad Filat, rief die Ukrainerin Kiew dazu auf, weiter für dieDemokratie zu kämpfen. Aus So-lidarität mit den Leuten des Mai-dan hat man sich entschlossen,den Triumphbogen auf dem zen-tralen Platz der Hauptstadt Chisi-nau in diesem Jahr mit Girlan-den in den ukrainischen Natio-nalfarben zu schmücken.

    Die Opposition macht aus ih-rer Ablehnung der Paraphierungdes Assoziierungsabkommensmit der EU am 28. November inVilnius kein Hehl und unter-stützt somit die Position des uk-rainischen Präsidenten WiktorJanukowitsch. Die Opposition in

    treten. „Wir haben große Ach-tung vor euch“, rief der Front-mann der Gruppe, Sergej Micha-lok, der Menge zu. „Ihr zeigt, dassman mit Mut und Einheit nichtnur für seine Rechte und Freihei-ten kämpfen, sondern auchstaatlicher und polizeilicherWillkür Einhalt gebieten kann.“

    Natürlich vergleichen dieweißrussischen Medien immerwieder die Demonstrationen inder Ukraine mit der kurzzeitigen„Revolution“ in Weißrusslandnach den Präsidentschaftswah-len 2010. Es gibt Gemeinsamkei-ten, doch die Unterschiede über-wiegen. In Kiew gehen weitausmehr Menschen auf die Straßeals in Weißrussland vor drei Jah-ren. „Im ukrainischen Parlamentgehört fast die Hälfte aller Abge-ordneten zur Opposition“, zitiertdie Zeitung Narodnaja Volja denPolitologen Jurij Dragochrust.„Sogar Bürgermeister und Gou-

    verneure scheuen sich nicht, of-fen die Demonstranten zu unter-stützen, treten in den Streik undermuntern ihre Bürger, zur Un-terstützung der Proteste nachKiew zu reisen. All das wäre inWeißrussland nicht vorstellbar.“

    Auf den weißrussischen Inter-netportalen fallen die Kommen-tare zu Kiew recht unterschied-lich aus. „Erklärt doch mal derUkraine“, schreiben User des Por-tals open.by, „dass der Maidannur das Geld der polnischen undukrainischen Oligarchen vertei-digt, die man dem ukrainischenVolk gestohlen hat. Man benutztdas Volk doch nur als Kanonen-futter, will von den eigenen Inte-ressen und den Plänen mit demBig Business in Europa ablen-ken.“ An anderer Stelle auf tut.byheißt es: „Wer sind eigentlich die-se Leute, die in ihren Zelten aufdem Maidan sitzen? Wo arbeitensie, womit verdienen sie ihrenLebensunterhalt? Da gibt es nureine Antwort: Das sind die Tage-diebe, die am liebsten von derStütze aus Europa leben möch-ten.“ „Ich beneide die Ukrainer“,schreibt ein Wital auf tut.by. „Sietrauen sich, offen ihre Meinungzu sagen, haben keine Angst da-vor, dass ihnen ein Omon-Poli-zist die Beine bricht.“

    Die Menschen in Weißruss-land fühlen mit den Ukrainernmit. Nicht alle glauben an einenErfolg. Laut einer Umfrage vonEvroradio glauben viele Minsker,Russland werde nicht zulassen,dass Kiew das Assoziierungsab-kommen mit der EU unter-schreibt. EKATERINA MORGOLAus dem Russischen BernhardClasen

    In Minsk unvorstellbarWEISSRUSSLAND Viele zeigen sich solidarisch mit Protesten in der Ukraine

    MINSK taz | Weißrusslands weni-ge unabhängige Medien werdennicht müde, aus Kiew zu berich-ten. Fotojournalisten belieferndie Agenturen ständig mit aktu-ellen Bildern, bei Facebook ist dieUkraine Thema Nummer eins.

    Und Weißrussen sind mit da-bei, wenn in Kiew zwischen denSicherheitskräften und den De-monstranten vermittelt wird. Soauch Natalja Gorjatschko, die ei-ne ganze Nacht in der Nähe derBühne des „Euro-Maidan“ derklirrenden Kälte standgehaltenhatte. Sie habe sich auf den Wegnach Kiew gemacht, weil sie mitanderen Frauen den „Euro-Mai-dan“ habe verteidigen wollen.

    Solidarität mit den Demonst-ranten in Kiew kam auch von derweißrussischen Band Ljapis Tru-bezkoj, die auf dem Maidan denFrierenden einheizte. In Weiß-russland kann die Gruppe schonlange nicht mehr öffentlich auf-

    Auch er war 2003 im Zuge der„Rosenrevolution“ an die Machtgekommen. Doch massive Men-schenrechtsverletzungen unddas Bestreben, den politischenFeind zu vernichten, führten da-zu, dass über „Mischa“ das Urteilgefällt wurde. Zum ersten Malseit der Unabhängigkeit Georgi-ens kam es 2012 zu einem Macht-wechsel bei Parlamentswahlen.Ein Jahr später musste auch Saa-kaschwili abtreten.

    Für viele steht fest, dass, wäreer noch an der Macht gewesen,die Präsidentenresidenz schonin den ersten Tagen der KiewerProteste in den ukrainischen Na-tionalfarben erstrahlt wäre.Doch die zögerliche Haltung derRegierung zeigte sich auch hier:Erst am 11. Dezember wurde ei-nes der ältesten Gebäude in Tiflisin Gelb und Blau beleuchtet.

    Offensichtlich fürchtet Tiflis,dass deutliche Kritik an den Poli-tikern im Kreml und Solidaritätmit der Ukraine Moskaus ohne-

    Vornehme ZurückhaltungGEORGIEN Auf Proteste in Kiew reagierte Tiflis lange verhalten – wegen Moskau

    SUGDIDI taz | In Georgien glau-ben viele, dass sich auf demKiewer Unabhängigkeitsplatz(Maidan) nicht nur das Schicksalder Ukraine entscheidet. Des-halb werfen viele Nutzer sozialerNetzwerke der Regierung vor,nicht sofort Unterstützeraufrufefür die Protestierenden in Kiewund in anderen Städten der Uk-raine verfasst zu haben. Die mitder Passivität ihrer Regierungunzufriedenen Georgier erin-nern sich noch gut daran, wie dieUkrainer sie im August 2008während des tragischen Kriegesgegen Russland um Abchasienund Südossetien unterstützten.

    Gleich zu Beginn des „Euro-Maidan“ in Kiew wurde die Stra-tegie in Tiflis klar: die eines pas-siven Beobachters. Gleichzeitigbetonten die Politiker, wie wich-tig die „Hausaufgaben“ seien, dieGeorgien bei dem EU-Gipfel derÖstlichen Partnerschaft in Vilni-us aufgegeben worden waren.Niemand, außer Vertretern derZivilgesellschaft, hatte es eilig,sich zu der Entscheidung des uk-rainischen Präsidenten WiktorJanukowitsch zu äußern, das EU-Assoziierungsabkommen nichtzu unterzeichnen. Doch die ge-waltsame Auflösung der Protestein Kiew brachte den passiven Be-obachter dazu, eine Solidaritäts-erklärung für die Ukrainer abzu-geben, die das Parlament am 11.Dezember annahm.

    Die Opposition bezichtigtedie Regierung, vor Russlands Prä-sident Wladimir Putin in dieKnie gegangen zu sein. Expräsi-dent Michail Saakaschwili trafsich am 7. Dezember mit Vertre-tern der Opposition in Kiew.

    hin schon feindlichen Einstel-lungen weiteren Auftrieb gebenkönnten. Doch unabhängig da-von: Auch so steht Georgien einschwerer Weg bevor. Es geht umProbleme mit der Wirtschaft, Bil-dung und Gesundheitsversor-gung sowie die Intoleranz gegen-über religiösen, ethnischen undsexuellen Minderheiten, die diegeorgisch-orthodoxe Kirchenach Kräften anheizt.

    Natürlich wäre es für Tiflisviel leichter, den Weg nach Euro-pa mit den ukrainischen Part-nern zu gehen. Dennoch: Manmöchte immer noch glauben,dass das Schicksal der Ukrainenicht in den Korridoren desKreml entschieden wird, son-dern auf dem Kiewer Unabhän-gigkeitsplatz. Dort schwenkendie Menschen nicht nur ukraini-sche, sondern auch rot-weiße ge-orgische Flaggen – als Zeichender Solidarität. MALKHAZ CHKADUAAus dem Russischen BarbaraOertel

    Überschriften wie: „Die Hüterdes Gesetzes jagten die KiewerDemonstranten auf den Europä-ischen Platz“ ihrer Leserschaft.

    Seit Beginn der Demonstratio-nen in Kiew sind in den moldau-ischen Medien zahlreiche Artikelund Kommentare erschienen,die versuchen, die Schuldigenauszumachen und die Zukunftvorherzusagen. So erklärt derHistoriker Octavian Ticu, warumsich die Ukraine für den Westenentscheiden werde. Ein andererAutor, Igor Segin, erklärt, warumdie Ukraine auf eine EU-Integra-tion nicht vorbereitet sei, undkommt dann zu dem Schluss,dass es die ukrainische Regie-rung versäumt habe, der Gesell-schaft die Vor- und Nachteile derEuropa-Befürworter am 3. November 2013 in Chisinau Foto: reuters

    Solidaritätskundgebung in der georgischen Hauptstadt Tiflis Foto: ap