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CONCERTO 1|2018 risma. Nachdem Kreusch das meiste auf dieser CD schon im Studio besser aufgenommen hat, stellt sich die Sinnfrage. Ein seltsam aus der Zeit gefallenes Album. schu Florian Hoefner Coldwater Stories llllw Origin Records, Vertrieb: New Arts International Erst vor einem Jahr fiel Florian Hoef- ner mit seiner CD „Luminosity“ posi- tiv auf, damals in Quartettbesetzung. Nun wagt sich der aus Deutschland stammende Pianist an sein Solo- Debüt, dessen Musik zur Gänze von Naturerlebnissen und -phänomenen in seiner neuen Heimat Neufundland inspiriert ist: Meeresvögel, Natur- parks, Eisberge, Wasser und Wellen als Ausgangspunkt für vielfältige Kompositionen. Hoefner hat die Wor- te seines Lehrers John Hollenbeck („Make your compositions sound like an improvisation and make your improvisations sound like a composi- tion“) als Motto für seine pianistische Reise gewählt. Die individuellen kom- positorischen Ideen zu den einzelnen Stücken wirken wie Inseln in einem Meer aus Improvisation, mit Referen- zen zu Impressionisten wie Ravel und Debussy, aber auch zu Jazzmeistern wie Fred Hersch und Keith Jarrett. So entsteht tief empfundene, uns Hörer direkt ansprechende Musik, die einen gespannt auf die weitere Karriere die- ses Pianisten macht. schu Lia Pale The Schumann Song Book llll Lotus Records Das Erfolgsrezept der Zusammenar- beit von Arrangeur und Pianisten mathias rüegg mit der Sängerin Lia Pale geht in eine weitere Runde. Nach „A Winters Journey“ („Schuberts Winterreise“) wagt sich die junge Vokalistin mit ihrem Mentor und Pia- nisten an den Liedzyklus von Robert Schumann und präsentiert 16 Songs des insgesamt mehr als 300 Werke umfassenden Zyklus des Komponis- ten. Neben den bekannten Liedern wie etwa „Mondnacht“ und „Erstes Grün“ finden sich auf dem Album auch einige unbekannte. Im Gegen- satz zur „Winterreise“ kommen hier in jeder Bearbeitung auch Teile der jeweiligen Originalversionen vor. Die- se sind aber mit den übersetzten englischen Bearbeitungen eng verwo- ben. Rüegg hat – wie schon zuvor – auf einer möglichst genauen Umset- zung der Vorlage bestanden. Melodie und Form blieben unangetastet. Die Harmonisierung orientiert sich immer am Original – rückt aber das Werk, bedingt durch die stark verän- derte Rhythmik und Phrasierung, in ein völlig neues Licht. Mitwirkende sind zudem Hans Strasser am Bass und Ingrid Oberkanins an den Percus- sions sowie als Gastsolisten die bei- den Violinisten Roman Jánoska und Stanislav Palúch sowie der Trompeter Mario Rom. Sämtliche Texte sind im Booklet dieser hörenswerten CD ent- halten. Die gesamte Aufmachung ist sehr liebevoll gestaltet. Ein großarti- ges Werk! woolf Michael Mantler Comment Cest lllll ECM, Vertrieb: Lotus Zutiefst widerwärtige politische Zustände bzw. die Niedertracht unter den Gesellschaften thematisiert der Trompeter und große Konzeptionist orchestraler Jazzereignisse Michael Mantler mit seinem aktuellen, famo- sen Opus (englischer Titel: „How It Is“). Solistisch herausgestellt sind die französische Sängerin Himiko Pagan- otti, hauptberuflich Vokalistin der Art-Rock Band Magma, der österrei- chische Pianist David Helbock und Mantler selbst. Wobei die Solo-Parts, ebenso wie die Ensemble-Parts, mit enormer Präzision und Hingabe vom bestens disponierten österreichi- schen, auf „Neue Musik“ spezialisier- ten Max Brand Ensemble, unter der souveränen Leitung von Christoph Cech realisiert, fein säuberlich ausge- schrieben sind. Mantlers Faible für Stimmen ist hinlänglich bekannt. Erneut hat er diesen Liederzyklus in den für ihn typischen dunklen Klang- farbenschattierungen und aperiodi- schen Gliederungen gehalten, der Sängerin auf den Leib geschrieben. Mantler etablierte eine unvergleichli- che, eigenständige, aperiodisch gegliederte Kunstliedform, die primär seiner Jazzzuneigung entspringt, aber für die sich der Musiker auch von klassischen Funktionalismen, spe- ziell jenen der Impressionisten res- pektive der Avantgardisten, Anregun- gen holt. Bestechend einerseits wie Himiko Paganotti mit bravouröser Hingabe und Fertigkeit die komplexen melodischen Linien sowie die auf- wühlenden Texte mit Leben erfüllt, andererseits das Ensemble die harmo- nischen, wie melodischen Nuancen mit all den nonkonformistischen, auf- regenden Verzweigungen aus der Par- titur heraus kitzelt. Trotz all der struk- turellen Gebundenheit versprüht der Zyklus eine anregende elastische Beweglichkeit. Freigeist Mantler schuf mit „Comment c´est“ ein Werk von kontemplativ kammermusikali- scher Grandezza mit pluralistischem Gestus, dem, gegeben durch die eigenwillige Instrumentierung, wahr- haftige, dunkelgetränkte Schönheit innewohnt. Ein Soundtrack zum Wahnsinn der Zeit. Alles andere als desillusionierend, sondern wachrüt- telnd. Übrigens, die Aufnahme ent- stand im zum Studio umfunktionier- ten Porgy & Bess. hasch Pericopes What What llll Unit, Vertrieb: Harmonia Mundi Pericopes ist ein italienisches Jazz- Duo, bestehend aus dem Pianisten Alessandro Sgobbio und dem Saxo- phonisten Emiliano Vernizzi. Bis jetzt war man von ihnen sehr agile, spiel- freudige Jazzklänge gewohnt, auch zuletzt als sie gemeinsam mit dem Schlagzeuger Nick Wight zu Pericopes +1 wurden. Bei What What gehen es die Pericopes wesentlich ruhiger an, präsentieren eine intime Sammlung melodischer Fragmente und ein „in sich gekehrt sein“, das man dem sonst auch so humorvollen Duo nicht zuge- traut hätte. „What What“ gerät musi- kalisch sogar in die Nähe von Sounds, die man sonst nur vom Label ECM gewohnt ist. Sobald man sich aber von diesem „ersten Schock“ erholt und sich auf die Musik eingelassen hat, merkt man, dass diese andere Musik der Pericopes aus ihren echten Ichs entstanden ist, sie jedoch nur noch nicht die Gelegenheit hatten, sie prä- sentieren zu können, was ihnen aber ein echtes Bedürfnis zu sein schien. „What What“ ist eine spannende Saxophon-Piano Platte, die keine Ver- gleiche mit anderen in dieser Beset- zung eingespielten Platten scheuen muss. Und als gutes Beispiel ihrer nicht verlorenen Agilität möge man sich den Track vier der Platte zu Gemü- te führen, „Danza Di Kuwa“. bak Roman Rofalski Trio Sonar llll Berthold Records, www.berthold-records.de Mit Roman Rofalski meldet sich ein weiterer sehr talentierter deutscher Pianist zu Wort. „Wie es häufig so ist, habe ich klassische Musik studiert, aber Jazz gehört. Bill Evans war mein großes Idol. Inzwischen, da ich mehr auf dem Feld der improvisierten Musik arbeite, höre ich sehr viel Klas- sik.“ Dieser Satz stammt von Roman Rofalski und entspricht dem Hörver- halten vieler junger Musiker, deren eigene Programme absolut hörens- wert sind. Auch Rofalski gelingt es mit seiner Kombination, Vermischung, grenzenloser Verschmelzung von Jazz, Klassik auch Pop und Avant- garde zu begeistern. Gemeinsam mit Johannes Felscher, Bass und Ruben Steijn, Schlagzeug, entwickelt der junge Pianist aus Hannover einen Sog an Melodien, die ein weltoffenes Publikum fesseln können. Ab und an drängen sich manchmal Vergleiche mit anderen Klavier-Trios auf, doch diese wollen hier nicht gemacht wer- den, denn der Start mit „Sonar“ ist absolut vielversprechend. bak Mark Wade Trio Moving Day lll Edition 46, www.edition46.com Jazz Klavier Trio die 22469ste. Der Unterschied zunächst ist, dass dieses Trio unter dem Namen des Bassisten verzeichnet ist. Mit Tim Harrison hat Mark Wade allerdings einen Pianisten an seiner Seite, der seine Ideen her- www.concerto.at t onträger 58 jazzINTERNATIONAL

jazzINTERNATIONAL · 2018-02-16 · habe ich klassische Musik studiert, aber Jazz gehört. Bill Evans war mein großes Idol. Inzwischen, da ich mehr auf dem Feld der improvisierten

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Page 1: jazzINTERNATIONAL · 2018-02-16 · habe ich klassische Musik studiert, aber Jazz gehört. Bill Evans war mein großes Idol. Inzwischen, da ich mehr auf dem Feld der improvisierten

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risma. Nachdem Kreusch das meisteauf dieser CD schon im Studio besseraufgenommen hat, stellt sich dieSinnfrage. Ein seltsam aus der Zeitgefallenes Album. schu

Florian HoefnerColdwater Storiesllllw

Origin Records, Vertrieb: New Arts International

Erst vor einem Jahr fiel Florian Hoef-ner mit seiner CD „Luminosity“ posi-tiv auf, damals in Quartettbesetzung.Nun wagt sich der aus Deutschlandstammende Pianist an sein Solo-Debüt, dessen Musik zur Gänze vonNaturerlebnissen und -phänomenenin seiner neuen Heimat Neufundlandinspiriert ist: Meeresvögel, Natur-parks, Eisberge, Wasser und Wellenals Ausgangspunkt für vielfältigeKompositionen. Hoefner hat die Wor-te seines Lehrers John Hollenbeck(„Make your compositions sound likean improvisation and make yourimprovisations sound like a composi-tion“) als Motto für seine pianistischeReise gewählt. Die individuellen kom-positorischen Ideen zu den einzelnenStücken wirken wie Inseln in einemMeer aus Improvisation, mit Referen-zen zu Impressionisten wie Ravel undDebussy, aber auch zu Jazzmeisternwie Fred Hersch und Keith Jarrett. Soentsteht tief empfundene, uns Hörerdirekt ansprechende Musik, die einengespannt auf die weitere Karriere die-ses Pianisten macht. schu

Lia PaleThe Schumann Song Bookllll

Lotus Records

Das Erfolgsrezept der Zusammenar-beit von Arrangeur und Pianistenmathias rüegg mit der Sängerin LiaPale geht in eine weitere Runde. Nach„A Winters Journey“ („SchubertsWinterreise“) wagt sich die jungeVokalistin mit ihrem Mentor und Pia-nisten an den Liedzyklus von RobertSchumann und präsentiert 16 Songsdes insgesamt mehr als 300 Werkeumfassenden Zyklus des Komponis-ten. Neben den bekannten Liedern

wie etwa „Mondnacht“ und „ErstesGrün“ finden sich auf dem Albumauch einige unbekannte. Im Gegen-satz zur „Winterreise“ kommen hierin jeder Bearbeitung auch Teile derjeweiligen Originalversionen vor. Die-se sind aber mit den übersetztenenglischen Bearbeitungen eng verwo-ben. Rüegg hat – wie schon zuvor –auf einer möglichst genauen Umset-zung der Vorlage bestanden. Melodieund Form blieben unangetastet. DieHarmonisierung orientiert sichimmer am Original – rückt aber dasWerk, bedingt durch die stark verän-derte Rhythmik und Phrasierung, inein völlig neues Licht. Mitwirkendesind zudem Hans Strasser am Bassund Ingrid Oberkanins an den Percus-sions sowie als Gastsolisten die bei-den Violinisten Roman Jánoska undStanislav Palúch sowie der TrompeterMario Rom. Sämtliche Texte sind imBooklet dieser hörenswerten CD ent-halten. Die gesamte Aufmachung istsehr liebevoll gestaltet. Ein großarti-ges Werk! woolf

Michael MantlerComment C’estlllll

ECM, Vertrieb: Lotus

Zutiefst widerwärtige politischeZustände bzw. die Niedertracht unterden Gesellschaften thematisiert derTrompeter und große Konzeptionistorchestraler Jazzereignisse MichaelMantler mit seinem aktuellen, famo-sen Opus (englischer Titel: „How ItIs“). Solistisch herausgestellt sind diefranzösische Sängerin Himiko Pagan-otti, hauptberuflich Vokalistin der

Art-Rock Band Magma, der österrei-chische Pianist David Helbock undMantler selbst. Wobei die Solo-Parts,ebenso wie die Ensemble-Parts, mitenormer Präzision und Hingabe vombestens disponierten österreichi-schen, auf „Neue Musik“ spezialisier-ten Max Brand Ensemble, unter dersouveränen Leitung von ChristophCech realisiert, fein säuberlich ausge-schrieben sind. Mantlers Faible fürStimmen ist hinlänglich bekannt.Erneut hat er diesen Liederzyklus inden für ihn typischen dunklen Klang-farbenschattierungen und aperiodi-schen Gliederungen gehalten, der

Sängerin auf den Leib geschrieben.Mantler etablierte eine unvergleichli-che, eigenständige, aperiodischgegliederte Kunstliedform, die primärseiner Jazzzuneigung entspringt,aber für die sich der Musiker auch vonklassischen Funktionalismen, spe-ziell jenen der Impressionisten res-pektive der Avantgardisten, Anregun-gen holt. Bestechend einerseits wieHimiko Paganotti mit bravouröserHingabe und Fertigkeit die komplexenmelodischen Linien sowie die auf-wühlenden Texte mit Leben erfüllt,andererseits das Ensemble die harmo-nischen, wie melodischen Nuancenmit all den nonkonformistischen, auf-regenden Verzweigungen aus der Par-titur heraus kitzelt. Trotz all der struk-turellen Gebundenheit versprüht derZyklus eine anregende elastischeBeweglichkeit. Freigeist Mantlerschuf mit „Comment c´est“ ein Werkvon kontemplativ kammermusikali-scher Grandezza mit pluralistischemGestus, dem, gegeben durch dieeigenwillige Instrumentierung, wahr-haftige, dunkelgetränkte Schönheitinnewohnt. Ein Soundtrack zumWahnsinn der Zeit. Alles andere alsdesillusionierend, sondern wachrüt-telnd. Übrigens, die Aufnahme ent-stand im zum Studio umfunktionier-ten Porgy & Bess. hasch

PericopesWhat Whatllll

Unit, Vertrieb: Harmonia Mundi

Pericopes ist ein italienisches Jazz-Duo, bestehend aus dem PianistenAlessandro Sgobbio und dem Saxo-

phonisten Emiliano Vernizzi. Bis jetztwar man von ihnen sehr agile, spiel-freudige Jazzklänge gewohnt, auchzuletzt als sie gemeinsam mit demSchlagzeuger Nick Wight zu Pericopes+1 wurden. Bei What What gehen esdie Pericopes wesentlich ruhiger an,präsentieren eine intime Sammlungmelodischer Fragmente und ein „insich gekehrt sein“, das man dem sonstauch so humorvollen Duo nicht zuge-traut hätte. „What What“ gerät musi-kalisch sogar in die Nähe von Sounds,die man sonst nur vom Label ECMgewohnt ist. Sobald man sich aber vondiesem „ersten Schock“ erholt und

sich auf die Musik eingelassen hat,merkt man, dass diese andere Musikder Pericopes aus ihren echten Ichsentstanden ist, sie jedoch nur nochnicht die Gelegenheit hatten, sie prä-sentieren zu können, was ihnen aberein echtes Bedürfnis zu sein schien.„What What“ ist eine spannendeSaxophon-Piano Platte, die keine Ver-gleiche mit anderen in dieser Beset-zung eingespielten Platten scheuenmuss. Und als gutes Beispiel ihrernicht verlorenen Agilität möge mansich den Track vier der Platte zu Gemü-te führen, „Danza Di Kuwa“. bak

Roman Rofalski TrioSonarllll

Berthold Records, www.berthold-records.de

Mit Roman Rofalski meldet sich einweiterer sehr talentierter deutscherPianist zu Wort. „Wie es häufig so ist,habe ich klassische Musik studiert,aber Jazz gehört. Bill Evans war meingroßes Idol. Inzwischen, da ich mehrauf dem Feld der improvisiertenMusik arbeite, höre ich sehr viel Klas-sik.“ Dieser Satz stammt von RomanRofalski und entspricht dem Hörver-halten vieler junger Musiker, dereneigene Programme absolut hörens-wert sind. Auch Rofalski gelingt es mitseiner Kombination, Vermischung,grenzenloser Verschmelzung vonJazz, Klassik auch Pop und Avant-garde zu begeistern. Gemeinsam mitJohannes Felscher, Bass und RubenSteijn, Schlagzeug, entwickelt derjunge Pianist aus Hannover einen Sogan Melodien, die ein weltoffenesPublikum fesseln können. Ab und an

drängen sich manchmal Vergleichemit anderen Klavier-Trios auf, dochdiese wollen hier nicht gemacht wer-den, denn der Start mit „Sonar“ istabsolut vielversprechend. bak

Mark Wade TrioMoving Daylll

Edition 46, www.edition46.com

Jazz Klavier Trio die 22469ste. DerUnterschied zunächst ist, dass diesesTrio unter dem Namen des Bassistenverzeichnet ist. Mit Tim Harrison hatMark Wade allerdings einen Pianistenan seiner Seite, der seine Ideen her-

www. c once r t o . a ttonträger

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