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OTXWORLD | Nr. 149 | April 2018 | www.otxworld.ch 28 | MARKT UND MENSCHEN HILFE BEI SPORTVERLETZUNGEN Nach einem Winter ohne Bewegung locken die ersten warmen Frühlingstage viele zum Sport im Freien. Wer zu stark forciert, sich überschätzt oder einfach nur Pech hat, holt sich leicht einen Muskelkater, eine Verspannung oder eine noch ernsthaſtere Blessur. Dann gilt es, klug zu reagieren, um schneller wieder fit zu werden. OTXWORLD hat in der Apotheke nachgefragt. Text: Jürg Lendenmann Wie könnten Verletzungen vermieden werden? Alexander Bützberger: Ungenügendes Aufwär- men ist der Klassiker. Dazu kommen ein schlech- ter Trainingszustand und die Gefahr, sich zu überschätzen. Auch die heutzutage neuere und bessere Sportausrüstung kann einen verleiten, unvorsichtig zu sein – dann, wenn sie Möglich- keiten bietet, einen Sport mit mehr Risiko zu betreiben. Ursache von Verspannungen sind oſt auch neue Bewegungsmuster und zu wenig trai- nierte Muskulatur. Was hilſt bei den einzelnen Verletzungsarten? Ein Muskelkater geht von selbst innert weniger Tage wieder weg. Leichtes (!) Bewegen oder Massieren hilſt in der Regel. Um den Heilungs- prozess zu unterstützen, eignen sich entzündungs- hemmende Mittel, eine Salbe oder ein Gel mit Wallwurz-Extrakt und durchblutungsfördernde Badezusätze. Muskelverspannungen treten vorwiegend in der stabilisierenden Muskulatur auf. Zur Behand- lung sind Massage und Wärme sehr wertvoll. Beliebt sind auch Produkte mit durchblutungs- fördernden ätherischen Ölen oder dem Scharf- stoff Capsaicin. Bewährt haben sich auch Kine- sio-Tapes: Durch die Fixierung an der Haut wird diese bei Bewegung gegen das darunterliegende Gewebe verschoben. Dies führt zu einer Aktivie- rung verschiedener Rezeptoren, welche die Mus- kelspannung regulieren. Dadurch kommt es auch zu einer Durchblutungsförderung und somit zu einer Schmerzlinderung. Zudem wirken sie leicht stabilisierend, ohne die Bewegungsfreiheit ein- zuschränken. Bei Zerrungen ist es wichtig, umgehend nach der PECH-Regel zu handeln: Pause, Eis (Küh- len), Compression (Druckv erband, Bandagen) und Hochlagern. Wird zu einem Schmerzmittel gegriffen, eignet sich Ibuprofen, das entzün- dungshemmend wirkt und verhältnismässig gut verträglich ist. Nach vier, fünf Tagen hilſt Wärme an der verletzten Stelle, die Durchblu- tung zu verbessern. Leichte Muskeldehnung kann den Schmerz verringern. Massieren ist erlaubt, solange es nicht schmerzt. Im Vergleich zu einer Zerrung ist der Schmerz bei einem Muskelfaserriss meist stärker, stechen- der. Die erapie ist analog: PECH-Regel und Schmerzmittel. Um den Muskel aufzubauen, bie- tet sich die Substitution mit Molkenprotein an. Auch bei Verstauchungen – ein Gelenk wird dabei durch rasche Belastung überbeansprucht – gilt es, die PECH-Regel zu befolgen. Entzündungs- hemmende Schmerzmittel können in der ersten Phase hilfreich sein; diese können auch in Form von Gels, Salben oder Pflastern angewendet wer- den. Auf pflanzlicher Ebene hat man mit Wall- wurz einen absolut konkurrenzfähigen «Player». Zum Stabilisieren eines Gelenkes kommen heute vorwiegend Bandagen statt der früher oſt ver- wendeten klassischen Tapes zum Einsatz. Prellungen entstehen durch eine direkte stumpfe Gewalteinwirkung von aussen. Sie sind meist sehr schmerzhaſt, gehen aber in der Regel rasch von alleine wieder vorbei. Hilfreich sind Salben und Gels mit Heparin, insbesondere wenn ein Bluterguss entstanden ist. Wann schicken Sie Kunden zum Arzt? Wenn Verdacht auf eine Hirnerschütterung, innere Blutungen oder einen Knochenbruch besteht. Ebenfalls bei starker Bewegungsein- schränkung und grossen offenen Wunden. Auch bei chronischen Schmerzen, die nicht mehr mit der Bewegung in Zusammenhang stehen, sowie bei Schmerzen, die trotz längerer Bewegungs- pause nicht weggehen, ist ein Gang in die Arzt- praxis angezeigt. Welche Trends gibt es im Sportbereich? Generell gilt: Wer sich gesund und ausgewogen ernährt, führt dem Körper wichtige Nährstoffe zu, was die Heilungsverläufe beschleunigt. Erfahrungen von (Spitzen-)Sportlern zeigen: Mit Omega-3-Fettsäuren, hochdosiert zugeführt, kommt es aufgrund der entzündungshemmen- den Eigenschaſten nach intensivem Training zu weniger Muskelkater. Vitamin D und K₂ sind für eine Heilung wichtig, da sie durch Mineralisa- tion der Knochenmatrix zur Knochengesund- heit beitragen. Zudem hat sich – speziell bei Vitamin D – auch eine beschleunigte Regenera- tion der muskulären Kraſt gezeigt. Kreatin hat einen guten Effekt auf Muskel- masse und -kraſt, was insbesondere bei Kraſt- sportarten und älteren Personen Sinn macht. Vorsicht bei zu rascher Steigerung der Belas- tung, da die Muskulatur rascher an Kraſt zu- nimmt, als sich Sehnen und Bänder anpassen können! Ebenfalls wird durch Kreatin die Kno- chensubstanz im Alter verbessert, wodurch nicht nur die Bewältigung des Alltags und der Freizeit verbessert, sondern auch die Gefahr von Stürzen und Knochenbrüchen vermindert wird – insbe- sondere wenn Kreatin mit Vitamin D, K₂ und Molken-Proteinpräparaten eingenommen wird. In der Regeneration nach intensiven Belas- tungen oder in der Heilung von Verletzungen ist eine ausreichende Proteinzufuhr in Form von Molkenproteinen oder proteinhaltigen Nah- rungsmitteln ein «Muss», um die Mikroverlet- zungen unserer Muskulatur heilen zu können und den Körper auf weitere bevorstehende Be- lastungen vorzubereiten. Alexander Bützberger ist eidg. dipl. Apotheker und MAS ETH Ernährung und Gesundheit. Er ist Mitglied der Geschäſtsleitung der Apotheke Hotz in Küsnacht. Foto: Sanatrend AG

28 MARKT UND MENSCHEN HILFE BEI SPORTVERLETZUNGEN · Gewebe verschoben. Dies führt zu einer Aktivie rung verschiedener Rezeptoren, welche die Mus kelspannung regulieren. Dadurch

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Page 1: 28 MARKT UND MENSCHEN HILFE BEI SPORTVERLETZUNGEN · Gewebe verschoben. Dies führt zu einer Aktivie rung verschiedener Rezeptoren, welche die Mus kelspannung regulieren. Dadurch

OTXWORLD | Nr. 149 | April 2018 | www.otxworld.ch

28 | MARKT UND MENSCHEN

HILFE BEI SPORTVERLETZUNGEN

Nach einem Winter ohne Bewegung locken die ersten warmen Frühlingstage viele zum Sport im Freien. Wer zu stark forciert, sich überschätzt oder einfach nur Pech hat, holt sich leicht einen Muskelkater, eine Verspannung oder eine noch ernsthaftere Blessur. Dann gilt es, klug zu reagieren, um schneller wieder fit zu werden. OTXWORLD hat in der Apotheke nachgefragt. Text: Jürg Lendenmann

Wie könnten Verletzungen vermieden werden?Alexander Bützberger: Ungenügendes Aufwär­men ist der Klassiker. Dazu kommen ein schlech­ter Trainingszustand und die Gefahr, sich zu überschätzen. Auch die heutzutage neuere und bessere Sportausrüstung kann einen verleiten, unvorsichtig zu sein – dann, wenn sie Möglich­keiten bietet, einen Sport mit mehr Risiko zu betreiben. Ursache von Verspannungen sind oft auch neue Bewegungsmuster und zu wenig trai­nierte Muskulatur.

Was hilft bei den einzelnen Verletzungsarten?Ein Muskelkater geht von selbst innert weniger Tage wieder weg. Leichtes (!) Bewegen oder Massieren hilft in der Regel. Um den Heilungs­prozess zu unterstützen, eignen sich entzündungs­hemmende Mittel, eine Salbe oder ein Gel mit Wallwurz­Extrakt und durchblutungsfördernde Badezusätze.

Muskelverspannungen treten vorwiegend in der stabilisierenden Muskulatur auf. Zur Behand­lung sind Massage und Wärme sehr wertvoll. Beliebt sind auch Produkte mit durchblutungs­fördernden ätherischen Ölen oder dem Scharf­stoff Capsaicin. Bewährt haben sich auch Kine­sio­Tapes: Durch die Fixierung an der Haut wird diese bei Bewegung gegen das darunterliegende Gewebe verschoben. Dies führt zu einer Aktivie­rung verschiedener Rezeptoren, welche die Mus­kelspannung regulieren. Dadurch kommt es auch zu einer Durchblutungsförderung und somit zu einer Schmerzlinderung. Zudem wirken sie leicht stabilisierend, ohne die Bewegungs freiheit ein­zuschränken.

Bei Zerrungen ist es wichtig, umgehend nach der PECH­Regel zu handeln: Pause, Eis (Küh­len), Compression (Druckv erband, Bandagen) und Hochlagern. Wird zu einem Schmerzmittel gegriffen, eignet sich Ibuprofen, das entzün­dungshemmend wirkt und verhältnismässig gut verträglich ist. Nach vier, fünf Tagen hilft Wärme an der verletzten Stelle, die Durchblu­tung zu verbessern. Leichte Muskeldehnung kann den Schmerz verringern. Massieren ist erlaubt, solange es nicht schmerzt.

Im Vergleich zu einer Zerrung ist der Schmerz bei einem Muskelfaserriss meist stärker, stechen­der. Die Therapie ist analog: PECH­Regel und Schmerzmittel. Um den Muskel aufzubauen, bie­tet sich die Substitution mit Molkenprotein an.

Auch bei Verstauchungen – ein Gelenk wird dabei durch rasche Belastung überbeansprucht – gilt es, die PECH­Regel zu befolgen. Entzündungs­hemmende Schmerzmittel können in der ersten Phase hilfreich sein; diese können auch in Form von Gels, Salben oder Pflastern angewendet wer­den. Auf pflanzlicher Ebene hat man mit Wall­wurz einen absolut konkurrenzfähigen «Player». Zum Stabilisieren eines Gelenkes kommen heute vorwiegend Bandagen statt der früher oft ver­wendeten klassischen Tapes zum Einsatz.

Prellungen entstehen durch eine direkte stumpfe Gewalteinwirkung von aussen. Sie sind meist sehr schmerzhaft, gehen aber in der Regel rasch von alleine wieder vorbei. Hilfreich sind Salben und Gels mit Heparin, insbesondere wenn ein Bluterguss entstanden ist.

Wann schicken Sie Kunden zum Arzt?Wenn Verdacht auf eine Hirnerschütterung, innere Blutungen oder einen Knochenbruch be steht. Ebenfalls bei starker Bewegungs ein­schrän kung und grossen offenen Wunden. Auch bei chronischen Schmerzen, die nicht mehr mit der Bewegung in Zusammenhang stehen, sowie bei Schmerzen, die trotz längerer Bewegungs­pause nicht weggehen, ist ein Gang in die Arzt­praxis angezeigt.

Welche Trends gibt es im Sportbereich?Generell gilt: Wer sich gesund und ausgewogen ernährt, führt dem Körper wichtige Nährstoffe zu, was die Heilungsverläufe beschleunigt.

Erfahrungen von (Spitzen­)Sportlern zeigen: Mit Omega­3­Fettsäuren, hochdosiert zugeführt, kommt es aufgrund der entzündungshemmen­den Eigenschaften nach intensivem Training zu weniger Muskelkater. Vitamin D und K₂ sind für eine Heilung wichtig, da sie durch Mineralisa­tion der Knochenmatrix zur Knochengesund­heit beitragen. Zudem hat sich – speziell bei Vitamin D – auch eine beschleunigte Regenera­tion der muskulären Kraft gezeigt.

Kreatin hat einen guten Effekt auf Muskel­mas se und ­kraft, was insbesondere bei Kraft­sport arten und älteren Personen Sinn macht. Vorsicht bei zu rascher Steigerung der Belas­tung, da die Muskulatur rascher an Kraft zu­nimmt, als sich Sehnen und Bänder anpassen können! Ebenfalls wird durch Kreatin die Kno­chensubstanz im Alter verbessert, wodurch nicht nur die Bewältigung des Alltags und der Freizeit verbessert, sondern auch die Gefahr von Stürzen und Knochenbrüchen vermindert wird – insbe­sondere wenn Kreatin mit Vitamin D, K₂ und Molken­Proteinpräparaten eingenommen wird.

In der Regeneration nach intensiven Belas­tungen oder in der Heilung von Verletzungen ist eine ausreichende Proteinzufuhr in Form von Molkenproteinen oder proteinhaltigen Nah­rungsmitteln ein «Muss», um die Mikroverlet­zungen unserer Muskulatur heilen zu können und den Körper auf weitere bevorstehende Be­lastungen vorzubereiten.

Alexander Bützberger ist eidg. dipl. Apotheker und

MAS ETH Ernährung und Gesundheit. Er ist Mitglied

der Geschäftsleitung der Apotheke Hotz in Küsnacht.

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