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4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft Die Idee des mündigen Patienten Dr. Stefan Etgeton
Bremen, 26. Oktober 2012
DER MÜNDIGKEIT
26. Oktober 2012
4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft
Seite 2
26. Oktober 2012 Seite 3
Mündigkeit als regulative Idee
„Es ist nicht genug, daß wir unserem Willen, es sei aus welchem Grunde, Freiheit zuschreiben, wenn wir nicht ebendieselbe auch allen vernünftigen Wesen beizulegen hinreichenden Grund haben ... Ich sage nun: ein jedes Wesen, das nicht anders als unter der Idee der Freiheit handeln kann, ist eben darum in praktischer Rücksicht wirklich frei“.
4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft
Immanuel Kant
26. Oktober 2012 Seite 4
Das spekulative Sein der Freiheit
„Wenn das Wissen von der Idee, d.i. von dem Wissen der Menschen, daß ihr Wesen, Zweck und Gegenstand die Freiheit ist, spekulativ ist, so ist diese Idee selbst als solche die Wirklichkeit der Menschen, nicht die sie darum haben, sondern [die] sie sind. … Es ist dies Wollen der Frei-heit nicht mehr ein Trieb, der seine Befriedigung fordert, sondern der Charakter, – das zum trieblosen Sein gewordene geistige Bewußtsein.“
4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft
Georg Wilhelm Friedrich Hegel
26. Oktober 2012 Seite 5
Repressive Mündigkeitszumutung
„Freiheit ist einzig in bestimmter Negation zu fassen, gemäß der konkreten Gestalt von Unfreiheit. Positiv wird sie zum Als ob. … Gesellschaftlicher Nachdruck auf Freiheit als einem Existenten koaliert mit ungeminderter Unterdrückung.“
4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft
Theodor W. Adorno
DIE IDEE DES MÜNDIGEN PATIENTEN, VERSICHERTEN, KUNDEN
26. Oktober 2012
4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft
Seite 6
Nutzerrollen im Gesundheitswesen
Patient/in Versicherte/r Kunde/Kundin Motivlage
akute / chronische Bedürftigkeit
umfassende Risi-koabsicherung
Anbieterwechsel, Gesundheitsmarkt
Status asymmetrisches Verhältnis zum/r Behandler/in
Mitgliedschaft in der jeweiligen Krankenkasse
Vertragsver-hältnis auf Augenhöhe
Wahl-optionen
freie Arztwahl, qualifizierte Therapiefreiheit
Kassenwahl, Wahltarif, Zusatz-versicherung
freie Anbieter-wahl, volle Therapiefreiheit
30. Septermber 2011 Seite 7
„Versorgung verbessern - Patienten informieren“
Versicherte als Kunden – Krankenkassenwechsel
26,1%
6,0%
67,9%
Ja, schon einmal
Ja, schon zweimal oder öfter
Nein
Haben Sie seit 1996 die Krankenkasse gewechselt?
Gesundheitsmonitor 2012 (n = 1.772)
26. Oktober 2012
4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft
Seite 8
Zusatzbeitrag als Anreiz zum Kassenwechsel
7,2%
92,8%
Ja
Nein
Haben Sie im Jahr 2010 wegen eines Zusatzbeitrages die Krankenkasse gewechselt?
Gesundheitsmonitor 2012 (n = 1.772)
26. Oktober 2012
4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft
Seite 9
Potenzial für Kassenwettbewerb
0,5%
5,4%
94,0%
Ja, auf jeden Fall
Ja, wenn das Angebot stimmt
Nein
Beabsichtigen Sie in nächster Zeit die Krankenkasse zu wechseln?
Gesundheitsmonitor 2012 (n = 1.772)
26. Oktober 2012
4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft
Seite 10
EXKURS: DER „MÜNDIGE“ VERBRAUCHER
26. Oktober 2012
4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft
Seite 11
Mündigkeitskonzepte in der Ökonomie
Klassische Ökonomie: homo oeconomicus consumens
Utilitaristische Zielsetzung = individueller Vorteil (Nutzenmaximierung) Überschaubarkeit der
Marktbedingungen (Transparenz als Nebenbedingung) Uneingeschränkt rationales
Verhalten (Rationalprinzip als Verhaltensfiktion)
Verhaltensökonomie: Konsum zwischen Vertrauen & Kontrolle
Hedonistische Zielsetzung = persönlicher Genuss („no risk no fun“) informational overload: neue
Unübersichtlichkeit in übersättigten Märkten bounded rationality: Dominanz
der Erfahrungs- und Vertrauensgüter
26. Oktober 2012
4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft
Seite 12
Die Patientenposition im Spannungsfeld zwischen …
…Urvertrauen und Erfahrung und guter Glaube Kompetenzübertragung für das
Behandlungsgeschehen Delegation von (Eigen-)
Verantwortung an Professionelle Qualitätsprozesse im Hintergrund
(Qualitätsmanagement) lebensweltlich: Familie
… Mündigkeit kritische Prüfung autonome Entscheidung über
Diagnose und/oder Therapie Übernahme der Verantwortung für
die Entscheidungsfolgen Nutzer als Schiedsrichter im Quali-
tätswettbewerb (Transparenz) systemisch: Markt
26. Oktober 2012
4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft
Seite 13
Auswahl der Anbieter von Gesundheitsinformationen
31,0% 28,9%
25,5% 22,0%
12,3% 11,7% 9,6%
6,3% 4,0%
2,8% 1,2%
0,4% 1,5%
Kostenlose Apotheken-Zeitschriften
Krankenkassen-Zeitschriften
Tageszeitungen
Arzt (beim Arzt persönlich oder über Material in der…
Fernsehsendungen, Radio
Internet: spezielle Gesundheits-Seiten und Portale
(Fach-) Bücher, Lexika
Wochen-Zeitschriften (z. B. Stern, Spiegel, Focus, Zeit)
Krankenkasse (Internetportal, Anruf)
Internet: Gesundheitsseiten großer Zeitungen,…
Patientenverbände, Selbsthilfegruppen
Call Center, Telefonberatung
Sonstige Quellen
Genutzte Informationsquellen nach Häufigkeit Gesundheitsmonitor 2010 (n = 1.789)
26. Oktober 2012
4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft
Seite 14
Glaubwürdiger Absender von Information
25%
16%
16%
16%
9%
2%
2%
12%
Verbraucherschutz
Patientenberatung
Krankenkasse
Ärzteverband
staatl. Einrichtung
wisssenschaftl. Institut
Selbsthilfe
Keiner
Wer soll über Ärzte informieren? Gesundheitsmonitor 2006 (n = 1.572)
26. Oktober 2012
4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft
Seite 15
Relevanz von Qualitätsinformationsbedarf für Patienten
87,7%
86,1%
80,4%
72,1%
59,3%
37,6%
23,0%
10,5%
Behandlungshäufigkeit
Ärztequalifikation
Patientenerfahrungen
Komplikationen
Personelle Ausstattung
Behandlungsanteil
Trägerschaft
Bettenzahl
Welche Informationen helfen bei der Kliniksuche? Gesundheitsmonitor 2010 (n = 1.233)
26. Oktober 2012
4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft
Seite 16
Mündigkeit im Arzt-Patient-Verhältnis
83,0%
14,7%
1,8%
0,5%
Nein, ich würde nicht darüber hinweggehen
Ich würde vielleicht darüber hinweggehen
Ja, ich würde darüber hinweggehen
Keine Angabe
Reaktion auf unverständliche Aufklärung durch den Arzt / die Ärztin
Gesundheitsmonitor 2010 (n = 1.789)
26. Oktober 2012
4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft
Seite 17
Patientenrechte und Patient-Arzt-Verhältnis
36,9%
52,3%
9,6%
1,1%
Nein
Teils / teils
Ja
Keine Angabe
Bestehen auf Patientenrechten stört das Vertrauensverhältnis zum Arzt aus
Gesundheitsmonitor 2010 (n = 1.789)
26. Oktober 2012
4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft
Seite 18
Patientenrechte und Behandlungsverhältnis
50,1%
37,9%
10,0%
2,1%
Nein
Teils / teils
Ja
Keine Angabe
Bestehen auf Patientenrechten wirkt sich negativ auf die ärztliche Behandlung aus
Gesundheitsmonitor 2010 (n = 1.789)
26. Oktober 2012
4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft
Seite 19
26. Oktober 2012 Seite 20
4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft
Vertrauen mit existenziellem Risiko
Vom Paternalismus zur geteilten Verantwortung
Vertrauen zum Arzt ergibt sich nicht mehr automatisch aus der Funktion („weißer Kittel“), sondern muss erworben, verdient und gerechtfertigt werden durch:
- Erfahrung: eigene oder vermittelte (z.B. Bewertungsportale)
- Transparenz: objektiv, unabhängig, vergleichend (z.B. Qualitätsberichte)
- Anerkennung der eigenen Grenzen (Abschied vom „Halbgott“)
Partnerschaft setzt Mitarbeit des Patienten voraus
- eigenständige Informationsbeschaffung
- Beteiligung an Behandlungsentscheidungen (SDM)
- Anerkennung und Transparenz über die eigenen Grenzen (Adhärenz)
Patient und Arzt nehmen gemeinsam Systemverantwortung wahr
- gemeinsames Interesse an Qualität und Wirtschaftlichkeit der Behandlung
- Partizipation auch auf der Systemebene
26. Oktober 2012
4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft
Seite 21
DIE IDEE
26. Oktober 2012
4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft
Seite 22
26. Oktober 2012 Seite 23
Die „Idee“ in ihrem „regulativen Gebrauch“ „eine Idee (focus imaginarius)“ ist „eigentlich nur ein heuristischer und nicht ostensiver Begriff, und zeigt an, nicht wie ein Gegen-stand beschaffen ist, sondern wie wir, unter der Leitung desselben, die Beschaffenheit und Verknüp-fung der Gegenstände der Erfahrung überhaupt suchen sollen.“
4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft
Immanuel Kant
26. Oktober 2012 Seite 24
Die „Idee“ als Einheit von Begriff und Wirklichkeit „die Idee … ist … nicht nur als ein Ziel zu betrachten, dem sich anzu-nähern sei, das aber selbst immer eine Art von Jenseits bleibe... Der Gegenstand, die objektive und sub-jektive Welt überhaupt sollen mit der Idee nicht bloß kongruieren, sondern sie sind selbst die Kongruenz des Begriffs und der Realität; diejenige Realität, welche dem Begriffe nicht entspricht, ist bloße Erscheinung, das Subjektive, Zufällige, Willkür-liche, das nicht die Wahrheit ist. “
4. APOLLON Symposium der Gesundheitswirtschaft
Georg Wilhelm Friedrich Hegel