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Prof. Dr. Eric Schoop eCollaboration in KMU

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Mit "512 kByte mit..." profitieren Sie vom Wissen hochkarätiger IT-Experten. Den Auftakt macht Prof. Schoop vom Lehrstuhl Wirtschaftsinformatik der TU-Dresden: Er berichtete über eCollaboration in KMU, d.h. wie Kleinunternehmen effizienter zusammenarbeiten ...

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Prof. Dr. Eric Schoop

eCollaboration in KMU

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Whitepaper eCollaboration in KMU Das gesamte Gespräch im Protokoll

Lesen Sie das gesamte Interview. Alle Fragen und Antworten . Von der Definition über die Möglichkeiten und Gren-

zen von eCollaboration bis hin zur Beschreibung von erfolgreichen oder gescheiterten Referenzprojekten. Prof.

Schoop hatte viel zu erzählen.

Wie verstehen Sie aus Ihrer fachlichen Perspektive den Begriff eCollaboration?

Der Begriff eCollaboration kommt aus der interaktiven Welt des Web 2.0, bzw. des Internet und bezieht sich in ers-

ter Linie auf die Situation des sich Vernetzens und des mit anderen in Kontakt Tretens. Die eigenen sozialen Netz-

werke werden über das Internet ergänzt. Es handelt sich zunächst einmal um die Computerunterstützung arbeits-

teiliger Geschäftsprozesse aus Sicht von Unternehmen und deren Interessenslage. Die Computerunterstützung

arbeitsteiliger Prozesse ist eigentlich ein altes Thema. Das ging los in der ersten Generation mit der Bereitstellung

und Nutzung von E-Mail, Telefon, VoIP, Online-Kalendersysteme und in der zweiten Generation folgte die Automati-

sierung von Prozessunterstützung durch Dokumenten-Managementsysteme, Content-Managementsysteme und

Projekt-Managementwerkzeuge sowie Instant Messaging und Foren. In der aktuellen dritten Generation kam die

soziale Dimension, durch das Web 2.0. Der klassische Begriff der eCollaboration ist also über 20 Jahre alt: nämlich

CSCW (Computer Supported Cooperative Work). Dies wird natürlich sehr stark durch die aktuelle Social Software

Debatte überlagert. Aber wenn wir das einmal normieren, dann ist die Arbeitsteiligkeit von Geschäftsprozessen

unterstützbar im Rahmen des CSCW als Forschungsgebiet: auf der einen Seite durch Automatisierung der Abläufe,

zum Beispiel durch Workflow-Managementsysteme und Prozessautomatismen. Dahinter steht ein betriebswirt-

schaftliches Rationalisierungsmodell, das sogenannte Autarkiemodell. Es geht dabei um Verringerung der Arbeits-

teiligkeit und den Abbau von Personalkosten auf der Prozesseingangsseite. Durch höhere Automatisierung sind

weniger Akteure in der Lage, das gemeinsam, also kollaborierend zu erledigen, was früher deutlich mehr Akteure

vollzogen haben. Auf der zweiten Seite ist CSCW das, was man klassischerweise als Groupware benannte, das

heißt also die Unterstützung von Projektteams. Es handelt sich dabei um gemeinsam geteilte Informationsräume,

die man online und offline mit entsprechenden Replikationsmechanismen unterstützt betreiben konnte.

Genau an diesem Punkt greift heute die aktuelle Social Software Debatte. Es kommen Werkzeuge wie Wikis und

Blogs zum Tragen. Man setzt also beispielsweise Wikis für das Projektmanagement ein und nutzt Blogs zur inner-

betrieblichen Kommunikation. Das heißt Prozessautomatisierung oder Projektarbeitsoptimierung sind die beiden

CSCW-Ansätze, und dabei das, was wir heute als eCollaboration bezeichnen.

„Der klassische Begriff der eCollaboration ist über 20 Jahre

alt: nämlich CSCW (Computer supported cooperative work).“

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Whitepaper eCollaboration in KMU Das gesamte Gespräch im Protokoll

In welchem Abschnitt seines Lebenszyklus befindet sich diese Technologie und

wie viel Potential haben deutsche KMU bis heute ausgeschöpft?

Das sind jetzt zwei verschiedene Fragen. Zum einen die Frage nach dem Reifegrad, bzw. zum Lebenszyklus. Zum

anderen die Relevanz für eine bestimmte Form von Unternehmen, nämlich KMU.

Zur ersten Teilfrage. Wenn ich eCollaboration als eine eigentlich durchaus wesentliche Komponente der klassi-

schen CSCW-Forschung sehe, dann sind wir auf einem hohen Reifegrad angelangt. Das gibt es alles schon seit 20

Jahren. Allerdings haben wir nun die Chance dadurch erhalten, dass wir eine paradigmatische Weiterentwicklung

des klassischen Enterprise 1.0, basierend auf dem Web 1.0 erleben. Dies operierte nach dem klassischen Sender-

Empfänger-Modell, nach dem 1:N-Prinzip, in dem das Unternehmen über die Inhalte und über die Zielgruppen ent-

scheidet und keine wirkliche Interaktion stattfindet. Dieses Paradigma wird gerade abgelöst durch Web 2.0-

Werkzeuge, die tatsächlich im Enterpreise 2.0 nicht nur die Interaktion zwischen Unternehmen und Kunden ermög-

lichen, sondern auch genau dieselbe Interaktion innerhalb des Unternehmens kultivieren.

Es gibt eine sehr schöne Aussage eine Firmenchefs: “Eines morgens kam ich in mein Unternehmen, und das Wiki

war einfach da.“ Das bedeutet zwar zunächst einmal Kontrollverlust. Das kann man negativ sehen aus der Perspek-

tive der Unternehmensleitung. Es ist aber auch ein Potentialgewinn, ein Vertrauensvorschuss „da kommt etwas

neues von unten“ und eine Selbstorganisation da solche Werkzeuge nun verfügbar sind. Das heißt, das was wir

immer fordern: die Softskills, die Teamfähigkeit der Menschen wird nun noch einmal zusätzlich „enabled“, bzw.

ermöglicht und verbessert, letztendlich auch potenziert, dadurch dass einfach nutzbare Werkzeuge vorhanden

sind. In diesem Sinne hat eCollaboration gerade erst begonnen. Obwohl das Konzept der Zusammenarbeit und der

Arbeit in Projektgruppen und deren Unterstützbarkeit grundsätzlich schon sehr alt sind. Die volkswirtschaftlichen

Rahmenbedingungen der Globalisierung führen dazu, dass im gesamten Technologiesektor die Produktlebenszyk-

len schrumpfen. Gleichzeitig wird dies auch flankiert durch die vorhandenen Informations- und Kommunikations-

systeme.

Lassen Sie mich die besondere Rolle der KMU noch einmal beleuchten. Das Potential ist auf alle Fälle da. Die KMU,

wenn sie sich im globalen Wettbewerb erhalten wollen, sind gezwungen sich zu vernetzen, sind gezwungen mitzu-

gehen mit ihren Abnehmern als Schlüssellieferanten, sind damit also auch gezwungen, grenzüberschreitend zu

kollaborieren und Projektarbeit über moderne Unterstützungsplattformen zu betreiben. Das heißt, die KMU kom-

men gar nicht umhin, sich dieser Technologie anzunehmen. Wenn sie es nicht tun, geraten Sie in einen Wettbe-

werbsrückstand.

„Die KMU kommen gar nicht umhin, sich dieser Technologie an-

zunehmen. Wenn sie es nicht tun, geraten Sie in einen Wettbe-

werbsrückstand.“

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Whitepaper eCollaboration in KMU Das gesamte Gespräch im Protokoll

In welchem Abschnitt seines Lebenszyklus befindet sich diese Technologie und

wie viel Potential haben deutsche KMU bis heute ausgeschöpft?

Und jetzt sind wir in einem besonderen Problembereich. Während große Unternehmen in ihren eigenen Personal-

abteilungen und Information Centers Experten ausbilden können, die sich unter der Überschrift des Wissensmana-

gements um die Mitarbeiter und um die Weiterentwicklung und Ausstattung der Mitarbeiter für Teamarbeit bemü-

hen können, hat das KMU dafür gewöhnlich keine Ressourcen. Sie müssen die selben Aufgaben machen, jedoch

mit einer deutlich geringeren Mannstärke.

Also ist die Erkenntnis der Notwendigkeit, sich dieser Werkzeuge zu bedienen und den Umgang mit diesen Werk-

zeugen für die Kollaboration zu erlauben, zu fördern, gut zu heißen und Mitarbeiter zu motivieren, extrem wichtig.

KMU sind traditionell flexibler am Arbeitsmarkt. Sie können sich leichter restrukturieren, in Krisen wie auch in gu-

ten Zeiten. Sie haben auch eine deutlich bessere Durchmischung der Alterspyramide bei den Mitarbeitern. KMU

sollten, das würde ich einmal als Postulat darstellen, die Chance der digital native Generation nutzen. Sie bekom-

men vor Ort interessierte und motivierte Mitarbeiter. Die sind bereits als sie in die Schule gingen mit dem Internet,

mit Mobiltelefonen und den technischen Möglichkeiten der individuellen Vernetzung und Teamarbeit konfrontiert

worden. Man muss die Leute dort, wo sie in ihrem privaten Facebook-Leben sind, abholen und in den Kontext des

überschaubaren, klein strukturierten Unternehmens einstellen und ihnen dann die Möglichkeit geben, positive

Erfahrungen zu transferieren. Zum Wohle des Unternehmens.

„KMU sollten, das würde ich einmal als Postulat darstellen,

die Chance der digital native Generation nutzen.“

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Whitepaper eCollaboration in KMU Das gesamte Gespräch im Protokoll

In wieweit sind eCollaboration-Systeme heute in der Lage, Informationen oder so-

gar Wissen zu speichern, bzw. bereitzustellen?

Nehmen wir beispielsweise ein komplexes Projekt. Dessen Dokumentation (Plan, Verlauf, Ressourcenauslastung,

Meilensteine, Ergebnis) kann kollaborativ, also arbeitsteilig, zusammengestellt werden und stellt dann abgespei-

cherte Information (Daten im Verwendungskontext) dar. Verknüpft man diese Information mit weiterem Kontext

(Verweis auf Akteure als menschliche Wissensträger, auf situative Rahmenbedingungen oder Besonderheiten, ein-

gebrachte oder aktuell gemachte Erfahrungen, etc.), zum Beispiel im Sinne einer durch das Projektteam gemein-

sam entwickelten "lesson learned" ("was war da noch?" "warum haben wir das so gemacht?" "was hätte man

alternativ tun können?") oder eines "best practice" Dokumentes, dann liegt nicht mehr nur Information vor. Jetzt

kann diese besser interpretiert werden, es lässt sich "zwischen den Zeilen" lesen, wir finden Referenzen auf An-

schlussinformation oder Wissensträger, hier sprechen wir von explizitem Wissen.

Diese Assoziativleistung des sich Erinnerns und das Abgleichen der Erinnerung mit der aktuellen Situation be-

schreibt den Prozess der Explikation von Wissen. Dieses Wissen ist jedoch stark personen- und situationsgebun-

den und kann zu einem gewissen Teil in Wikis und Dokumenten direkt abgebildet werden. Indirekt erschließen

entsprechende Kontextverweise jedoch den zusätzlichen Wissensraum.

„Wissens ist stark personen- und situationsgebunden und

kann zu einem gewissen Teil in Wikis und Dokumenten direkt

abgebildet werden.“

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Whitepaper eCollaboration in KMU Das gesamte Gespräch im Protokoll

Kann für KMU durch den Einsatz von eCollaboration tatsächlich eine Effizienzstei-

gerung bzw. Kostensenkung realisiert werden oder wird wieder nur die bestehen-

de Masse an Informationen auf ein anderes Medium verlagert?

Eine gute Frage. Das ist schwer messbar und auch nur schwer nachweisbar. Der erwartete bzw. erhoffte Effekt soll

sich auf kollektiver Ebene einstellen. Also bei der gemeinsamen Informationserarbeitung, -nutzung und anschlie-

ßenden bzw. mitläufigen Teilung von Wissen (im Sinne von Erfahrung). eCollaboration Werkzeuge helfen dem

Team, Dokumentationen, Hinweise, Referenzen der Anderen leichter aufzufinden, eigene Ablagen strukturiert und

wieder auffindbar zu organisieren und somit gemeinsame Informationsspeicher aufzubauen. Für die individuelle,

persönliche Informationsverarbeitung ist die Frage schwierig zu beantworten. Lassen Sie mich ein Beispiel dazu

bringen. Die heute leider typischen hundert E-Mails pro Tag erhalte auch ich. Nun gibt es drei Möglichkeiten.

1. Morgens fleißig abarbeiten und dann immer aktuell dranbleiben. Es heißt hier „lesen und Papierkorb“ oder

„lesen, machen, Ablage“. Also die klassische Verarbeitungstechnik.

2. Ich lasse die Information nach unten wegrutschen und sie wird irgendwann vergessen. Wenn es wichtig war,

dann bekomme ich erneut einen Push in Form einer Erinnerungsmail. Das machen wir alle. Das ist eine Entlas-

tungsfunktion.

3. Die Technologie verspricht uns intelligente Filter, die die einkommende Post automatisch in meine gewohnte

Ablagestruktur verteilt. Wunderschön. Nun kann ich die Informationen aber nicht sehen, wenn sie automatisch

irgendwo eingeordnet werden. Hier sind wir beim bekannten Pull-Prinzip. Aber „was ich nicht sehe, das kenne ich

nicht“. Wenn ich mir nicht systematisch die Zeit zum Nachgucken und wieder Rausholen von Informationen nehme,

dann werde ich die Informationen nie kennenlernen und sie veralten genauso schnell. Der Wechsel vom „Push zum

Pull“ alleine ist keine Rettung vor der Überflutung von potenzieller Information.

Übrigens: Nicht alles ist wirklich Information. Information hat für mich als Informationsnutzer subjektiven Wertcha-

rakter. Eine Information ist für mich umso wertvoller, je neuartiger sie ist. Ansonsten, wenn ich die Information

schon hatte, dann stellt sie bestenfalls, sofern sie noch benötigt wird, als alte Information etwas bereits Bekanntes

dar. Dann weiß ich das also schon. In dem Fall ist es nämlich Wissen.

„Information hat mir mich als Informationsnutzer subjektiven

Wertcharakter. Eine Information ist für mich umso wertvol-

ler, je neuartiger sie ist.“

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Kann für KMU durch den Einsatz von eCollaboration tatsächlich eine Effizienzstei-

gerung bzw. Kostensenkung realisiert werden oder wird wieder nur die bestehen-

de Masse an Informationen auf ein anderes Medium verlagert?

Der Informationswert als Neuigkeitscharakter muss vorhanden sein und dieser muss zu meiner Handlungssituati-

on passen. Diese zwei Bedingungen machen Informationen wichtig und das ist genau der Filter, den ich brauche.

Ob ich die 50 oder 100 E-Mails automatisch verteilen lasse oder ob ich die Inbox auf diese Art durcharbeite. Ich

werde immer schauen, ist es eine Information oder ist es leeres Rauschen oder vielleicht noch etwas, das ich durch

Delegieren als Informationswert an dritte Stellen zum Abarbeiten zu meiner Entlastung nutzen kann.

Zusammenfassend: auf individueller Ebene erspart mir Informationsverarbeitungstechnologie keineswegs den

durchdachten, systematischen Umgang und die Entscheidung bezüglich der Relevanz von Informationen. Auf der

kollektiven Ebene erleichtern eCollaboration Werkzeuge jedoch die gemeinsame Nutzung von Informationen und

Verweisen durch erleichterte Zugänglichkeit und Kontextualisierung erheblich.

„Information hat mir mich als Informationsnutzer subjektiven

Wertcharakter. Eine Information ist für mich umso wertvoller

je neuartiger sie ist.“

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Whitepaper eCollaboration in KMU Das gesamte Gespräch im Protokoll

Wie wird eCollaboration die Zusammenarbeit in Zukunft verändern und welche

Maßnahmen sollten Unternehmer und IT-Entscheider bereits heute treffen, um

technologischen Rückstand zu vermeiden?

Dieses systematische Umgehen, Bewerten und Reagieren auf die informationellen Reize - das ist etwas, was wir

lernen müssen. Natürlich schaffen die neuen Medien völlig neue Mengen an Reizen. Nur ich selbst werde nicht

gleichzeitig schneller. Und die Vernetzung, die mir dann permanent das Verhalten von zehn, zwanzig, dreißig ande-

ren Akteuren noch einmal zusätzlich einspielt, ob ich es denn jetzt gebrauchen kann oder nicht, ist nur bedingt von

Vorteil für mich. Was zu einem neuen Aufwand von wieder abgrenzen, wieder ausfiltern, wieder leeren, wieder

weglegen, wieder weiter delegieren führt, kann mich auch zumüllen und mich auch völlig blockieren. Wir haben im

Extremfall tatsächlich nur noch Verwertungs- und Filteraktivitäten und kaum noch Zeit für schöpferisches, kreatives

Agieren. Insofern gilt vielleicht, und da spreche ich auch vielen leitenden Personen in KMUs aus der Seele:

„Manchmal ist weniger mehr“. Das soll aber nicht heißen, dass wir jetzt alle die Computer abzuschalten haben.

Was wir brauchen sind organisatorische Maßnahmen und ggf. Filterinstanzen und auch Verhaltensnormierungen

wie zum Beispiel eine Social Media Etikette oder Social Media Guidelines, damit mir also nicht alles und jede Tasse

Kaffee durch irgendein Kollaborationswerkzeug auf meinen digitalen Schreibtisch geschwappt wird, sondern nur

das, was mich zu interessieren hat.

Die gute alte Tradition ist wichtig, dass der Sender einer Nachricht sich ihrer vier Aspekte besinnt.

1. Worum geht es? Also der Inhalt der Nachricht.

2. Wen adressiere ich und was ist meine Beziehung zu dem Adressaten?

3. Was ist meine Beziehung zu der Botschaft? Bin positiv oder negativ eingestellt? Sehe ich die Sache als dringlich

oder als „nice to have“ an?

4. Der konkrete Appell. Was soll denn der Empfänger mit der Nachricht tun?

Egal ob ich eine E-Mail sende, einen Blog-Beitrag schreibe oder telefoniere. Ich muss immer als Sender diese vier

Aspekte berücksichtigen und explizit, transparent und zielgruppenorientiert kommunizieren. Wenn dies eingehal-

ten wird, dann ist das Pushing oder Pulling als Transport- oder Wissensteilungskanal eher sekundär.

„Was wir brauchen sind organisatorische Maßnahmen und

ggf. Filterinstanzen und auch Verhaltensnormierungen wie

zum Beispiel eine Social Media Etikette oder Social Media Gui-

deline.“

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Whitepaper eCollaboration in KMU Das gesamte Gespräch im Protokoll

Wie wird eCollaboration die Zusammenarbeit in Zukunft verändern und welche

Maßnahmen sollten Unternehmer und IT-Entscheider bereits heute treffen, um

technologischen Rückstand zu vermeiden?

Wir kommen um die eCollaboration unter zu Hilfenahme von kollaborativen Werkzeugen nicht herum. Das ist heute

schon Stand der Erkenntnis. Also gilt es, diese Systeme effizient zu nutzen, indem ich wie eben angesprochen ent-

sprechende organisatorische, kommunikations- und verhaltensbezogene Maßnahmen treffe, vor allen Dingen

auch, indem ich die Akteure zu einem wirtschaftlichen Umgang mit diesen potentiell sehr mächtigen Werkzeugen

qualifiziere. Nicht alles, was mir über Twitter auf dem Tisch kommt ist wirklich wichtig oder relevant für das Ge-

schäft.

Wir müssen also strikt trennen zwischen Privatem und Geschäftlichem, es gilt nach wie vor im Geschäftsgang die

Effizienz- und Produktivitätsorientierung nicht aus dem Auge zu verlieren und nach diesem Primat individuell und

in Arbeitsgruppen diese Werkzeuge zu nutzen. Wir werden also mehrere Arten der Mediennutzung und der Intensi-

täten feststellen. Auf aktiver Teamebene im operativen Geschäft werden die neuen Medien sehr viel schneller Ein-

zug halten, sie werden dort sehr viel mehr auch Referenzinformation über Wissensträger und Erfahrungen abspei-

chern und so zu einer Entlastung führen und zusätzlich potentielle Senken für Information schaffen. Auf der nächst-

höheren Ebene beginnen wir allerdings, dies alles zu bewerten und in eine Wertsteigerung zu überführen. Dies ist

Aufgabe des Führungssystems in einem Unternehmen. Das können einem die Werkzeuge nicht abnehmen.

Nehmen wir ein Beispiel: Ein ansprechendes Wiki zur internen Projektunterstützung mit mehreren tausend Knoten

führt leicht zu Orientierungsverlust und keiner guckt mehr dort hinein, weil man sich nicht mehr zurecht findet. Es

ist wild gewachsen, da eine organisatorische Maßnahme des Wissensmanagements zur Restrukturierung fehlte,

indem man einen Wiki-Gärtner einsetzt. Also einen Profi, der hier neu vernetzt, Redundanzen rauslöscht, neue Ver-

knüpfungen visualisiert, restrukturiert, vielleicht auch Zugangssysteme und Metaknoten schafft. Vielleicht kann

dieser Wiki-Gärtner in wenigen Jahren mit einer Web 3.0 Anwendung, also durch Systemleistung unterstützt, ggf.

eines Tages auch ersetzt, werden.

Die Systeme werden versuchen, sich selbst in ihren Inhalten zu verstehen, sich neu auszubalancieren und sich neu

zu sortieren. Relevanz im Kontext zur Anfrage und der Teamaufgabe zu erkennen und auf diese Relevanz hin aktiv

Informationsfindungsleistung anzubieten ist entscheidend. Anders kommen wir nicht klar. Ohne diese Systeme

geht es also nicht. Wir müssen allerdings schauen, dass uns die Systeme nicht durch hektisches Doing überschüt-

ten. Es gilt, die intelligente Distanz für einen positiven Nutzen des Systemeinsatzes zu wahren.

„Wir müssen strikt trennen zwischen Privatem und Geschäftli-

chem, es gilt nach wie vor im Geschäftsgang die Effizienz- und

Produktivitätsorientierung nicht aus dem Auge zu verlieren.“

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Sind Ihnen Fallbeispiele bekannt, in denen die Einführung und Nutzung von eCol-

laboration besonders erfolgreich verlief, bzw. hoffnungslos gescheitert ist?

Aus der eigenen Erfahrungswelt kann ich mich an ein negativ gelaufenes Beispiel der ursprünglichen kollaborati-

ven Sicht, also der Computerunterstützung von arbeitsteiligen Prozessen erinnern. Das betrifft allerdings einen

Bereich aus der Verwaltung, für den wir einmal eine Begleitforschung durchgeführt haben, bei der Einführung ei-

nes Workflowmanagementsystems im behördlichen Dokumentenverwaltungsbereich, in Bezug auf arbeitsteilige

Vorgangsunterstützung. Solche Pilotprojekte scheitern letztendlich häufig, weil die gewünschte Kollaboration über

die neue Plattform nicht stattfand, weil die Nutzer nicht vorher an der Entscheidung beteiligt wurden. Außerdem

wurden sie ohne technische Schulung mit dem neuen System überrannt, also unter Zeitdruck gesetzt. Die Lernkur-

veneffekte wurden nicht berücksichtigt. Und noch viel fundamentaler: die Akteure dieser standortübergreifenden

Behördenprozesse, die hier automatisiert, verknüpft und somit zur Kollaboration befähigt werden sollten, trugen

vielfach Scheuklappen. Mehrere Akteure hatten nur sehr wenig ganzheitliches Prozessverständnis. Man kannte nur

seine eigene Abteilung, die eigene Rolle, man schaute vielleicht noch einmal nach links und einmal nach rechts. Es

scheiterte also letztendlich an dem Faktor der Qualifizierung der Akteure auf unterschiedlichen Ebenen.

Ein anderes Beispiel, was eher positiv zu nennen ist: ein Beratungsunternehmen, das wir ebenfalls begleiten, wel-

ches bereits sehr früh verschiedene Wikis im Intranet einsetzte und wo man nach mehreren Jahren der intensiven

Nutzung feststellte, dass es gewisse Systematiken des Wiki-Einsatzes gab. Zum Beispiel Kollaborationsbeispiele

zur Selbstdarstellung bestimmter Bereiche, die Nutzung von Wikis im Rahmen eines Projektmanagements oder

auch der Aufbau eines Glossars, also eines Fachbuches für die Mitarbeiter zum Nachschauen, was auch wiederum

genutzt werden kann für Neueinsteiger in die Projektkontexte. Dieses Beispiel verlief sehr erfreulich wie unsere

Analysen zeigen.

„Die meisten Projekte scheitern letztendlich an der mangelhaf-

ten Qualifizierung der Akteure.“

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Welche noch nicht angesprochenen Aspekte halten Sie beim Thema eCollaborati-

on ebenfalls für besonders wichtig?

Was wichtige noch unerwähnt gebliebene Aspekte um das Thema herum betrifft, so greife ich mir an dieser Stelle

auch an den eigenen Frack. Das A und O ist die Befähigung der Akteure, über diese Kanäle auch tatsächlich zu kol-

laborieren.

eCollaboration funktioniert nur, wenn die entsprechenden Handlungskompetenzen, Sozialkompetenzen und

Selbstorganisationskompetenzen der Akteure vorhanden sind. Die Softskills, diese auszubilden und zu prägen und

zu trainieren ist eine sehr wichtige Aufgabe. Das Befähigen der Handelnden zum Umgang miteinander, zur Teamfä-

higkeit, darf nicht erst in den Unternehmen stattfinden. An dieser Stelle greife ich mir wie gesagt an den eigenen

Frack. Diesbezüglich stehen unsere oft archaischen, traditionellen, akademischen Institutionen ganz schön unter

Beschuss. Dadurch dass wir durch unsere Ressourcen-, Qualifikations- und Interessenlage an den Universitäten

Forscher sind, die im stillen Kämmerlein lesen und schreiben (das klassische Bild), haben wir eigentlich auch nicht

die Ressourcen und die Qualifikation, um Teamfähigkeit wirklich gezielt zu fördern. Das beginnt erst in relativ spä-

ten Ebenen eines akademischen Qualifikationsgangs. Nämlich dann, wenn man Autorenteams bildet. Die 80-90%

der Absolventen jedoch, die nicht in die Wissenschaft gehen und für den Arbeitsmarkt qualifiziert werden, brau-

chen berufliche Handlungskompetenz.

An dieser Stelle Kollaborationsfähigkeit zu verbessern, sehe ich persönlich als einen sehr wichtigen Auftrag von

uns an uns selber. Wir können nicht Mittzwanziger, die nicht kommunikationsfähig sind, in die Wirtschaft entlas-

sen. Damit sind gerade die KMU, die oft keine eigene Qualifizierungsabteilung haben, überfordert.

Bei dieser Frage sind wir aber nicht bei der Stunde null in Sachsen. Wir haben eine ganze Reihe von aktueller, ex-

tern geförderter Förderprojekte. Anders als durch Drittmittelförderung können wir an der Hochschule praxisrele-

vante Forschung und gleichzeitig Implementierung nicht gestalten. Ich möchte darum hier an dieser Stelle zwei

Förderprojekte, aus dem europäischen Sozialfonds finanziert, erwähnen. Das Ziel ist die Unterstützung der KMU-

strukturierten Wirtschaft in der Region Sachsen.

Das eine Projekt ist ein postgradualer Ausbildungsgang von Absolventen, Berufstätigen im Bereich der Unterneh-

menskommunikation mit Hilfe von Social Media. Hier gibt es einen komplett ins Internet verlegten blended learn-

ing Lehrgang zur Weiterbildung, wo man als Lernender mit Hilfe von Social Software erfährt, was für eine Wirkung

Social Software haben kann. Die Fallstudienaufgabe, die in Teams in virtuellen Klassenzimmern zu lösen ist, ist die

Entwicklung einer Social Media Strategie in einem Unternehmen.

„eCollaboration funktioniert nur, wenn die entsprechenden

Handlungskompetenzen, Sozialkompetenzen und Selbstorgani-

sationskompetenzen der Akteure vorhanden sind.“

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Whitepaper eCollaboration in KMU Das gesamte Gespräch im Protokoll

Welche noch nicht angesprochenen Aspekte halten Sie beim Thema eCollaborati-

on ebenfalls für besonders wichtig?

Gemeint ist die Nutzung der Lernwerkzeuge, um eine Strategie für ein greifbares Fallbeispiel im Umgang mit den

Werkzeugen für die Geschäftsprozesse zu erfahren. Und das im Team. Dieser Ausbildungsgang existiert, die Förde-

rung ist abgeschlossen und die Dokumentationen sind offen gelegt.

Es sollte noch ein zweites Förderprojekt erwähnt werden. Auch hier ist das Ziel die Vernetzung der sächsischen

Wirtschaft mit den Forschungsinsitutionen und den Hochschulen, die in unterschiedlichen Arten zusammenarbei-

ten und ein Weiterbildungsnetzwerk aufbauen. Gerade gestern war der Kick-Off zu diesem Fallstudienverbund.

Eine erste Durchlaufphase des Projektes, in der wir Fallstudien aus der realen Praxis anonymisiert und abstrahiert

für die Gruppenarbeit und den Führungskräftenachwuchs bereitstellen und die Akteure wiederum Social Media

Instrumente verwenden, um gemeinsam sowohl synchron als auch asynchron in einem begrenzten Zeitfenster zu

einer Lösung eines komplexen Problems zu gelangen und sich somit Führungsqualitäten anzueignen. Was wir mit

solchen Projekten zusammen mit der regionalen Wirtschaft anstreben, ist der Aufbau eines Weiterbildungsnetz-

werkes. Ich spreche da immer vom virtuellen Trainee als Führungskräftenachwuchs. Dieser aktuelle Ansatz ermög-

licht es, einen Trainee in eine konkrete Projektsituation zu versetzen, ohne ihn für mehrere Wochen auf Dienstreise

schicken zu müssen.

Um mein zentrales Anliegen noch einmal zu unterstreichen: wir müssen qualifizieren! Wir müssen die Kompetenz

aufbauen, mit diesen Werkzeugen produktiv umgehen zu können. Wir müssen motivieren, diese Technologien zu

nutzen, auch seitens der Unternehmensführung durch ein gewisses Zurückfahren von Kontrolle. Vertrauensvor-

schuss ist wichtig. Wenn wir dies schaffen, ist es realistisch, dass sich das individuelle und kollaborative Kommuni-

kationsverhalten auf der sozio-psychologischen Ebene nachhaltig zum Positiven verändert. Insofern ist das Thema

eCollaboration aktuell. Und das Thema wird uns dann nicht wieder verlassen.

Wir danken

Prof. Dr. Eric Schoop

Karsten Ulferts (Interview und Texte)

Melanie Wolf (Layout)

„Wir müssen motivieren, diese Technologien zu nutzen, auch

seitens der Unternehmensführung durch ein gewisses Zurück-

fahren von Kontrolle.“