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7 *Uzpzwe#--x-xN*6 2020/Nr. 2 CLASS : aktuell MAGAZ IN Mozart Requiem Michael Ostrzygas Neufassung Yeseul Moon Debüt mit Samuel Barber Andrzej Mikołaj Szadejko unterwegs in der Orgellandschaft Danzig Helen Dabringhaus & Sebastian Berakdar Neuentdeckungen von J.W. Wilms Julia Hermanski Debüt mit Franz Liszt Rudens Turku Festival Ensemble Brillantes Jubiläums-Album Christian Thielemann Sächsische Staatskapelle Dresden Die Meistersinger von Nürnberg CLASS‘ Preisträger

67 *Uzpzwe#--x-xN* CLASS :aktuell 2020/Nr. 2 · Frank Bungarten MDG 905 2131-6 (Hybrid - SACD) Virtuose, Komponist, Didaktiker, Musikforscher: In der Person Emilio Pujols vereinen

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Page 1: 67 *Uzpzwe#--x-xN* CLASS :aktuell 2020/Nr. 2 · Frank Bungarten MDG 905 2131-6 (Hybrid - SACD) Virtuose, Komponist, Didaktiker, Musikforscher: In der Person Emilio Pujols vereinen

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-xN*6 2020/Nr. 2

CLASS: aktuellMagazin

Mozart Requiem Michael Ostrzygas Neufassung

Yeseul Moon Debüt mit Samuel Barber

Andrzej Mikołaj Szadejko unterwegs in der Orgellandschaft Danzig

Helen Dabringhaus & Sebastian Berakdar Neuentdeckungen von J.W. Wilms

Julia Hermanski Debüt mit Franz Liszt

Rudens Turku Festival Ensemble Brillantes Jubiläums -Album

Christian ThielemannSächsische Staatskapelle Dresden

Die Meistersinger von Nürnberg

CLASS‘ Preisträger

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Viktor Ullmann (1898 -1944)Klavierkonzert op. 25Klaviersonaten Nr. 3 & 7Annika Treutler, KlavierRundfunk-Sinfonieorchester Berlin Stephan FruchtBerlin ClassiCs 0301463BC

Die Pianistin Annika Treutler widmet sich anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung der Verfemten Musik. Musiker und Komponisten wie Viktor Ullmann, Bohuslav Martinu, Pavel Haas und viele andere: Sie alle bekamen niemals die Möglichkeit, ihre Kreativität voll zu entfalten, weil ihnen ihr künstlerisches Schaffen in Freiheit verwehrt blieb. „Durch den Holocaust wurde eine Generation förmlich ausgelöscht und ein Teil der Musikgeschichte ausradiert. Dadurch ist nicht nur Ullmanns Musik, sondern die einer ganzen Komponistengeneration auch heute, 75 Jahre später, vollkommen unbe-kannt“, so Annika Treutler. Gemein-sam mit Stephan Frucht, dem Diri-genten und Künstlerischen Leiter des Siemens Arts Program, und dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin erzählt Treutler Viktor Ullmanns Geschichte musikalisch auf neue Art und Weise. Sie möchte so die Erinnerung an den Komponisten wachhalten: „Mein Anliegen ist es, dass seine Musik gleichwertig ge-schätzt und bekannt wird, wie die seiner großen, nicht verfolgten Kol-legen aus der Zeit. Sie hat es ver-dient! Ullmann hat in seiner Musik eine ganz besondere Sprache ent-wickelt, eine eigene Tonalität er-schaffen. Dadurch entsteht die für ihn typische enorme Spannung, und trotzdem fühlt sich der Hörer nicht verloren. Wir meinen immer wieder Anklänge anderer Kompo-nisten zu hören, und trotzdem spricht Ullmanns Musik eine ganz eigene, ungewohnte Sprache.“

Konzerteinspielung(Klavier)

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CLASS : aktuell

2CLASS: aktuell -Magazin 2020/2

Dimensionen InnenweltMensch & LiedMarlis Petersen & Stephan Matthias Lademann solo MusiCa sM316

„Innenwelt“ ist der Titel der ab-schließenden CD von Marlis’ Peter-sens Trilogie „Dimensionen“, mit der die Sängerin das Abbild neuer Welten im Kunstlied ausleuchtet.

Das Programm führt aus dem Hier und Jetzt in das geheimnisvolle Reich der Visionen und Träume und ins Unterbewusstsein – in die Nacht, wo Gedanken, Wünsche und Gefühle entstehen, direkt in die Werkstatt der Seele. Hinter der Trilogie „Dimensionen“ steht als leitender Gedanke, die Räume des Seins gedanklich und emotional auszumessen, und auf diese Weise bewusster, wahrhaftiger zu werden und zu erkennen: Neue Welten lie-gen vor uns!

Nacht und Träume – Bewegung im Innern – Erlösung und Heimkehr heißen die Stationen, die Marlis Petersen auf ihrer Reise in den Kern und zum Wesen des Kunst-lieds durchschreitet. Von Schubert spannt sich der Bogen der Kom_ponisten über Johannes Brahms, Hugo Wolf, Richard Wagner, Max Reger, und französische Meister des Lieds wie Gabriel Fauré, Henri Duparc und Reynaldo Hahn bis hin zu bislang zu wenig bekannten Kom-ponisten des 20. Jahrhunderts: Hier warten spannende Entdeckungen auf die Zuhörer!

Die gesamte Trilogie Dimen-sionen bestehend aus den Titeln „Welt“, „Anderswelt“ und „Innen-welt“ erscheint am 16. 10. in ei-ner Box unter der Bestellnummer SM 350 und enthält zusätzlich die CD „Neue Welt“ mit sieben weite-ren Liedern.

Sängerin des Jahres

Emilio Pujol (1886 - 1980)Gitarrenwerke Frank Bungarten MDG 905 2131-6 (Hybrid - SACD)

Virtuose, Komponist, Didaktiker, Musikforscher: In der Person Emilio Pujols vereinen sich viele Talente. Niemand vor ihm (und kaum einer danach) hat sich so intensiv mit den klanglichen Feinheiten des Gitarren-spiels auseinandergesetzt wie der Tárrega-Schüler Pujol, dem Frank Bungarten auf seinem neuesten Album mit dieser Ersteinspielung die ehrende Reverenz erweist. Dass Bungarten dafür von Gary Southwell eigens ein Instrument hat bauen lassen, passt hervorragend zu der Akribie, mit der Pujol seine Minia-turen formte.

Denn mit seinem Lehrwerk „Escuela Razonada de la Guitarra“ zeigt Pujol einen systematischen Weg zur Perfektionierung der Spiel-technik auf der Gitarre auf, die seiner Meinung nach notwendig ist, um sich an die „richtige“ Musik zu wagen. Klangliche Differenzierung spielt eine wesentliche Rolle: Fin-gersätze geben minutiös vor, auf welcher Saite ein Ton zu spielen ist (mitunter ist es nur eine einzige); ein Stück ist gar nur von der linken Hand, also ganz ohne Zupfen mit rechts, auszuführen.

Die hochauflösende, liebevoll ausbalancierte Super Audio CD bringt die klanglichen Raffinessen von Komposition, Bungartens Spiel und dem wundervollen Instrument – ein Torres-Nachbau aus der Samm-lung des Pariser Conservatoire – auf’s Vorteihafteste zur Geltung.

Solistische Einspielung (Gitarre)OPUS KLASSIK übernimmt das bisherige Klassik: XL Vorabendkonzert

A m Samstag den 5. 10. 2013 ver an staltete CLAss e.V., ein Zusammenschluss unab-

hängiger Klassiklabels, das erste Konzert mit Preisträgern des ECHO Klassik in Berlin. Preisträger, die in der ZDF-Gala fehlten, sollten ein ei-genes Podium bekommen. „Es war der Start zu einer außergewöhnlichen Konzertveranstaltung am Vorabend der glamourösen Preisverleihung, dauerte drei Stunden, und war trotz-dem viel zu schnell zu Ende.“

Im Unterschied zur Gala spielen die Künstler hier ganze Werke. Eine Live-Übertragung ins Internet, reali-siert durch Christian Schaaf von Klassik.TV, sorgte von Beginn an für internationale Wahrnehmung.

Über 2014 in München schrieb Harald Eggebrecht: „Dort trat eine stattliche Reihe so engagierter wie hervorragender Musiker auf, um auf abwechslungsreichste Weise zu beweisen, wie unterschiedlich und überraschend man sich im Reich der Musik bewegen kann.“

2015 und 2016 im großen Saal der UdK Berlin. Kommentar: „…mitreißende Interpretationen einer beeindruckenden Künstlerauswahl.“

2017 im Michel, Hamburgs Wahr-zeichen. Kommentar: „Lang anhalten-der Beifall belohnte den krönenden Abschluss eines extra-langen, erfüll-ten und erfüllenden Musik abends.“

2019 Berlin: „Das Publikum konnte sich über (weitgehend) un-gekürzt aufgeführte Werke freuen und Künstler erleben, die als coura-gierte Entdecker stets auf der Suche nach spektakulären musikalisch wertvollen Entdeckungen sind. Für mich haben sie der unkonventionellen Musikrezeption einen nachhaltigen Dienst erwiesen.“

Von diesem Jahr an will der Träger des OPUS KLASSIK in Zusammen-arbeit mit dem ZDF das Vorabendkon-zert selbst durchführen. Hoffen wir auf eine spannende Fortsetzung.

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CLASS: aktuell -Magazin 2020/2

CLASS : aktuell

CLASS: aktuell 2/2020

Inhalt 2 CLASS stellt vor: OPUS KLASSIK-Preis- träger-CDs der Unabhängigen (S. 2, 4, 6 + 8)

5 Christian Thielemann Sächsische Staatskapelle Dresden Die Meistersinger von Nürnberg

7 Mozart Piano Quartet Faurés Klavierquintette

9 Yeseul Moon Debüt mit Samuel Barber

10 Helen Dabringhaus & Sebastian Berakdar Neuentdeckungen von J.W. Wilms

11 Julia Hermanski Debüt mit Franz Liszt

12 Rudolf Innig Bruckner- Werke arr. für Orgel

13 Welturaufführung Friedemann Eichhorn präsentiert Fazil Says 2. Violinsonate

14 Rimsky-Korsakov Sämtl. Opern & Fragmente Alinde Quartett Reise in Schuberts Welt

15 Rudens Turku Festival Ensemble Brillantes Jubiläums - Album

16 Andrzej Mikołaj Szadejko unterwegs in der Orgellandschaft Danzig

17 Andrea Chudak 15 Jahre „Ave Maria“

18 Mozart Requiem Ostrzygas Neufassung

18 - 21 Im Blickpunkt Neuheiten von CLASS

ImpressumHerausgeber/Verlag: CLASS e.V. Association of Classical Independents in Germany Bachstraße 35, 32756 Detmold Tel. 05231-938922 | [email protected]

Redakteur (v.i.S.d.P): Dr. Rainer Kahleyss Titel-Foto: © Matthias Creutziger Grafische Gestaltung: Ottilie Gaigl Druck: Westermann Druck, Braunschweig

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers, nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Druckauflage: 105.000 Exemplare | Alle Tonträger dieser Ausgabe finden Sie auch unter www.bielekat.de

Das große Beethoven-Jahr hatten wir uns irgendwie anders vorgestellt. Wir träumten von nicht enden wollenden Konzerten, Festivals, Feierlichkeiten... von interpretatorischen Offenbarungen, Repertoire-Entdeckungen, journalistischen Höhenflügen... Doch von wegen Eroica, Appassionata und Elise: immer nur Corona, Corona, Corona. Konzerte wurden abgesagt, menschliche Begegnungen vermieden, Abstandsregeln diskutiert. Statt in erhebende Klänge versenkten wir uns in die Lektüre der neuesten Pandemie -Vorschriften. Positive Gefühle wurden zur Mangelware.

Wie anders hätten wir dieses Jahr erleben können mit den monumentalen, dramatischen Tönen Beethovens! Unser Leben wäre die reine Freude gewesen, Glück, Erbauung und Vollkommenheit! Denn über Beethoven kann ja wirklich niemand etwas Schlechtes sagen.

Die Hymne Europas Vor allem und besonders gilt das natürlich für die Neunte, speziell den 4. Satz, die „Ode an die Freude“, die „Europahymne“. Erst kürzlich meinte die Bundeskanzlerin in Brüssel: „Mich erfüllt diese 9. Sinfonie immer noch und immer wieder neu. So lassen Sie mich heute mit dem Wunsch enden, dass die Botschaft dieser Musik, die Idee der Brüderlichkeit und Eintracht, uns in Europa leiten möge.“ Jeder kennt den Schlusssatz der Neunten. Ganz Europa ist von Beethovens Hymne begeistert.

Ganz Europa? Nein! Einige unbeugsame Musikliebhaber hören nicht auf, dieser Begeisterung Widerstand zu leisten. Um es klar zu sagen: Sie halten den Schlusschor für einen ästhetischen Missgriff. Sie empfinden Beethovens Behandlung der Singstimme als grobschlächtig. Sie bemängeln die Schiller-Vertonung als gespreizt und großspurig. Ich gebe zu: Auch ich habe mich bei diesem 4. Satz nie besonders wohlgefühlt. Ich kann Eduard Hanslick verstehen, wenn er beim Eintritt der Menschenstimme „Unbehagen“ empfindet und die Musik des 4. Satzes „unschön“ nennt. Ich kann nachempfinden, dass Louis Spohr sie als „monströs und geschmacklos“ erlebt hat und Beethovens Auffassung von Schiller als „trivial“. David Friedrich Strauß schrieb 1853: „Diesen Schlusschor halte ich für das Platteste in der ganzen 9. Sinfonie.“ Schon bei der Premiere der Neunten zweifelte ein Kritiker, ob „der Genius des großen Meisters“ bei der Komposition so ganz auf der Höhe war.

Die andere Sache – nun, das ist die Botschaft. Denn nicht die Musik, sondern die Message färbt hier das Medium. Freude, Jubel, Freundschaft – es sind Werte, die schon jedes Vorschulkind überzeugen. Und aus der musikalischen Früherziehung scheint auch Beethovens Ausgangsmelodie zu stammen: mal kurz die weißen Tasten rauf und runter... Mir wäre diese kleine Kinderweise in einfacher und bescheidener Form wesentlich sympathischer. Mir würde zum Beispiel die Schlagerversion „A Song Of Joy“ aus dem Beethoven-Jahr 1970 durchaus genügen. Aber nein: Beethoven musste sich unbedingt zum visionären Heilsbringer aufplustern. Kein Wunder, dass Politiker die Neunte schätzen. Der Dirigent Thomas Beecham verglich den Komponisten der Neunten mit William Gladstone, dem britischen Premierminister. Sorry, Ludwig!

Kommen Sie gut durch die nächsten Monate!

Ihr Hans-Jürgen Schaal

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. Gerd Zacher Event(ualitie)s Solo- und Duokompositionen 75 Event(ualitie)s für Orgel, gleichzeitig mit „Siebeneinhalb Dezennien“ für Klavier von Juan Allende-Blin – 2 Versionen Glossar für Flöte und Klavier Projektion für Klavier Transformationen für Klavier Das Gebet Jonas im Bauche des Fisches für Sopran und Orgel Explosiva für Orgel L’heure qu’il est für zwei Klaviere Hasti Molavian, Sopran | Evelin Degen, Flöte | Klavierduo Bächli|Schneider | Thomas Gün-ther, Klavier | Alfred Pollmann, Klavier | Juan Allende-Blin, Klavier | Matthias Geuting, Orgel Ersteinspielung Gerd Zacher – wichtigster Organist der Musik des 20. Jahrhunderts – hier als Komponist

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Enjott Schneider Flute Stories Water – Element of Infinity für zwei Flöten und Orchester Baumwelten – Worlds of Tree für Flöte, Streicher und Harfe Pictures of Yang Guifei für Flöte und Sinfonieorchester Łukasz Długosz, Flöte | Agata Kielar-Długosz, Flöte | Schlesisches Kammerorchester | Schlesische Philharmonie | Dirigent: Mirosław Jacek Błaszczyk Ersteinspielung Facettenreiche Musik für Flöte und Orchester er-zählt Geschichten von Bäumen, Wasser und einer chinesischen Konkubine.

WERGO, Weihergarten 5, 55116 Mainz, Deutschland [email protected] | www.wergo.de

WER_482_CLASS_69x280_4c_. 23.07.2020 10:14 Seite 1

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4CLASS: aktuell -Magazin 2020/2

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CLASS : aktuell

StandardsTrompetenkonzerte von Hummel, Haydn, Arutjunjan, CoplandSimon Höfele, TrompeteBBC Scottish Symphony OrchestraBBC National Orchestra of WalesDuncan WardBerlin ClassiCs 0301314BC

Als Siebenjähriger begann er mit dem Trompetenspiel, in einer Fami-lie voller Holzbläsern. Eine kleine Spielzeug-Fanfare an der Wand gab den Ausschlag für seine Entschei-dung: „Ich habe reingepustet und wusste: ich will Trompete spielen.“ Seitdem ist viel, aber gar nicht mal so viel Zeit vergangen, denn mit nur 25 Jahren ist Simon Höfele Teil einer jungen Künstler-Generation, die sich dadurch auszeichnet, expe-rimentierfreudig bekannt geglaubte Genre-Grenzen zu sprengen.

Von 2017 - 2019 war er New Generation Artist des BBC Radio 3. Mit zwei Orchestern der BBC legt er ein Album vor, das gewisser-maßen als Erinnerung an diese Zeit dienen soll. Ebenso jedoch besticht es dadurch, dass sich ein Künstler, der zuletzt durch zeit genössische Musik von Matthias Pintscher, Olga Neuwirth oder Toshio Hosokawa und Miles Davis‘ Sketches of Spain aufgefallen ist, nun den Klassikern seines Instruments zuwendet. „Ich wollte es einfach machen, weil mir diese Werke genau so am Herzen liegen wie alles andere“, so Höfele. „Ich habe nie gedacht: ‚Oh nein, schon wieder Haydn.‘ Was in diesen Aufnahmen bei mir stattfindet, ist die ganz urtümliche Liebe zur Mu-sik.“ Ihm zur Seite stehen der Diri-gent Duncan Ward, bei Hummel und Haydn das BBC Scottish Sym-phony Orchestra aus Glasgow und bei Copland und Arutjunjan das BBC National Orchestra of Wales aus Cardiff.

A Bernstein StorySebastian Manz, KlarinetteSebastian Studnitzky, Trompete und KlavierBerlin ClassiCs 0301109BC

Eigentlich kommen Sebastian Manz und Studnitzky aus zwei ganz un-terschiedlichen Welten: Hannover trifft auf Schwarzwald, Klarinette auf Klavier und Trompete, klassischer Instrumentalist trifft jazzikalen Grenzgänger. Andererseits verbin-det sie mehr als nur der Vorname: Die beiden ECHO-Preisträger sind angesehene Musiker ihres jeweili-gen Fachs. Sebastian Manz über-zeugte zuletzt durch seine Weber-Gesamteinspielung für Klarinette und „profiliert sich als ein souve-räner Meister seines Instruments“ (Norbert Hornig). Sebastian Stud-nitzky sprengte mit seinem Album Ky Organic die Grenzen des Jazz, initiierte das XJAZZ Festival Berlin und tourt durch die ganze Welt. Die Musiker nähern sich Bernstein auf ihre eigene Art und aus ihrem Genre: Manz als der Klassiker, Studnitzky als Jazzer. Daraus ent-standen ist das Album A Bernstein Story, das genauso sein soll wie der Komponist: fernab formaler Be-stimmbarkeit, stilpluralistisch, eklek-tizistisch bunt zwischen Klassik und Jazz. Nicht nur die musikalische Herangehensweise fällt dabei von der branchenüblichen Konvention ab. Das erste Mal zusammen ge-spielt haben Manz und Studnitzky im legendären Systems Two Studio in Brooklyn, New York – am Tag der Aufnahme mitten im Jubiläumsjahr. Was am Ende dieses besonderen Projekts steht, ist ein Album nicht nur mit, sondern über Bernstein. Musik voller unterschiedlicher Ein-flüsse, modern und trotzdem in der Tradition verwurzelt, gewissenhaft und extrem cool.

Konzerteinspielung (Trompete) Klassik ohne Grenzen

Francois-Joseph Gossec (1734 -1829)Symphonien op. IV Nr. 1-6 (B. 19-24) Deutsche Kammerakademie NeussSimon Gaudenzcpo 555 263-2

Mit seinen circa 50 Sinfonien ist Francois-Joseph Gossec zweifel-los der bedeutendste französische Sinfoniker der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Der je nach Wir-kungsstätte als belgischer oder französischer Komponist apos-trophierte Gossec ist eine der sonderbarsten Erscheinungen der Musikgeschichte, der auf praktisch allen Gebieten von der Kammer-musik bis zu Oper und Ballett mit Zeitgenossen wie Étienne-Nicolas Méhul und Christoph Willibald von Gluck wetteiferte, bevor er zum offi-ziellen Komponisten der Revolution aufstieg und einer der wichtigsten Organisatoren des neugegründeten Conservatoire wurde. Dabei stand seinem Hang zu gigantischen Di-mensionen die Fertigkeit des mu-sikalischen Juwelenschleifers zur Seite, die sich zur Zeit des Ancien Régime vor allem in kostbaren sinfonischen Kollektionen nieder-schlug. Mit dieser traditionsgemäß aus sechs Werken bestehenden Publikation, seinem Opus IV, haben Simon Gaudenz und die Deutsche Kammerakademie Neuss den ers-ten Schritt auf einem Wege getan, den Robert Schumann mit feinem Gespür schon 1834 in seiner Neu-en Zeitschrift zu gehen empfohlen hatte – als er nämlich feststellte, dass Gossecs Bedeutung, wiewohl er »den wahren Charakter der Sym-phonie gegründet« habe, nicht wirklich erkannt worden sei, weil es ihm an einem »zur Ausführung seines Gedankens fähigen Orches-ters« gemangelt habe. Dem Man-ne kann jetzt geholfen werden.

Sinfonische Einspielung(bis einschließlich 18. Jh.)

Ludwig van Beethoven (1770 -1827)Klaviertriosop. 97 (Erzherzogtrio) & op. 1,3Wiener KlaviertrioMDG 942 2155-6 (Hybrid - SACD)

Das Wiener Klaviertrio – wer könnte prädestinierter sein für Ludwig van Beethovens Klaviertrios? Nach ful-minantem Auftakt mit den Trios op. 70 liefert das Wiener Spitzen-ensemble jetzt das große und großartige „Erzherzogtrio“ op. 97, kombiniert mit dem c- Moll-Trio aus op. 1, auf dessen zukunftsweisende Eigentümlichkeiten bereits Joseph Haydn aufmerksam wurde. Zeitge-nössische Hörer muss schon der Beginn irritiert haben: Ist das noch Einleitung oder doch schon The-ma? Dass das Trio in Beethovens „Schicksalstonart“ c-Moll dann auch noch im zartesten Pianissimo en-det, macht dieses jugendliche Werk zu etwas wirklich Besonderem. Das Trio op. 97 widmete Beethoven seinem Gönner und Mäzen Erzher-zog Rudolph von Österreich, der selbst hervorragend Klavier spiel-te; wahrscheinlich hat dieser das großformatige Werk im privaten Kreis des Öfteren musiziert. Der Erzherzog war sehr anspruchsvoll, entsprechend komplex ist die Struktur, wie zum Bespiel die sehr eigene Form des Scherzos zeigt, bei dem das kontrastierende „Trio“ überaus kunstvoll mit dem Haupt-teil des Scherzos verwoben wird.

Das Vienna Piano Trio spürt all diesen Besonderheiten auf unnach-ahmliche Weise nach. Schon der Unisono-Anfang entfaltet auf der fein ausbalancierten Super Audio CD eine suggestive Wirkung. Im dreidimensionalen Format entfal-tet das ausgewogene Klangbild seine volle Pracht; kaiserliche Ho-heit wären sicher beeindruckt!

Kammermusik (Trio)

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5CLASS: aktuell -Magazin 2020/2

CLASS : aktuell

Weil er´s kann Neu bei Profil: Richard Wagners

„Die Meistersinger von Nürnberg“ unter der Leitung von Christian Thielemann

D ie Meistersinger sind für mich der Dreh- und Angelpunkt des Wagner-schen OEuvres. Einerseits sind sie die

Reaktion auf den Tristan, andererseits weisen sie zusammen mit diesem den Ausweg aus der Sackgasse des Siegfried. Das Faszinie-rende an den Meistersingern ist: Man findet alles darin! Held und Anti-Held, Komisches und Tragisches, das hohe und das niedere Liebespaar, Burleske und Reflexion, das Alte und das Neue, die ganze Welt. Die Zauber-worte heißen für mich hier „Atmosphäre“ und „Poesie“. Wie schaffe ich es als Dirigent, diese Musik in ihren Überzeichnungen und Parodien assoziativ glitzern zu lassen – und ihr gleichzeitig Autorität zu verleihen?

Wie schaffe ich es, umgekehrt, dass ihr Pathos nicht nach falschem Pathos klingt, sondern nach Emphase, nach Volks- und Seelenton? Im Grunde verlangt Wagner die Quadratur des Kreises, deshalb sind die Meistersinger ein so scheußlich schweres Stück. Vielleicht können sie nur gelingen,

wenn man alle seine Poren öffnet, osmotisch, wenn man alle Stim-mungen, Farben und Gerüche so weit inhaliert, dass sie im richtigen Augenblick ganz selbstverständ-lich wieder aus einem heraus-strömen.“ Christian Thielemann

„Wagner machen, das kann Thielemann wie kein Zweiter.“ meint die Presse unisono. Fünfeinhalb Stunden dauert der musikali-sche Hochgenuss, der im September 2020 erscheint.

Im Oktober folgt Vol. 50 der Edition Staats-kapelle Dresden: Arnold Schönbergs Gurre-Lieder (PH20052), die „Kapelle“ eben falls un-ter der Leitung Christian Thielemanns und mit den Solisten Stephen Gould, Camilla Nylund, Christa Mayer, Markus Marquardt, Wolfgang Ablinger-Sperrhacke und Franz Grundheber. Aufnahme: 13. / 22. April 2019, Großes Fest-spielhaus, Salzburg. Eine Produktion von Unitel in Zusammenarbeit mit den Osterfest-spielen Salzburg und Ö1. Manuela Neumann

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Die Sächsische Staatskapelle Dresden unter der Leitung von Christian Thielemann

Richard Wagner (1813 - 1883)

Die Meistersinger von Nürnberg

Georg Zeppenfeld, Vitalij Kowaljow,

Iurie Ciobanu, Günter Haumer,

Adrian Eröd, Levente Páll,

Markus Miesenberger, Patrick Vogel,

Adam Frandsen, Rupert Grössinger,

Christian Hübner, Roman Astakhov,

Klaus Florian Vogt, Sebastian Kohlhepp,

Acquelyn Wagner, Christa Mayer,

Jongmin Park

Sächsischer Staatsopernchor Dresden

Bachchor Salzburg

Sächsische Staatskapelle Dresden

Profil Edition Günter Hänssler PH20059

(3 CDs + Begleitbuch / Booklet 184 Seiten)

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6CLASS: aktuell -Magazin 2020/2

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CLASS : aktuell

Heinz Winbeck (1946 -2019)Sämtliche Sinfonien (1 bis 5)Christel Borchers, Günter Binge, Wolf Euba, Werner Buchin, Udo Samel, Bruce Weinberger Konzertchor Darmstadt, Wolfgang SeeligerBeethoven Orchester BonnORF Radio-Symphonieorchester Wien Deutsches Symphonie-Orchester BerlinSymphonieorchester d. Bayer. RundfunksMuhai Tang, Mathias Husmann, Dennis Russell Davies

TYXart TXa17091 (5 CDs)

Intensiv, spannungsvoll und kom-promisslos, so kann man das Or-chesterwerk des großen Sympho-nikers Heinz Winbeck umschreiben. Ein Komponist, der die alte Form der „Symphonie“ mit innerer Wahrhaf-tigkeit, existenzieller Dringlichkeit und handwerklicher Souveränität zu neuem Leben erweckte. Mit dieser Gesamtausgabe, welche unter der persönlichen Regie des Komponis-ten zusammen mit Andreas Ziegler vom Label TYXart entstanden ist, werden erstmals alle Symphonien in einer Edition veröffentlicht und so-mit für ein großes Publikum in erst-klassigen Live- und Studioaufnah-men auch auf CD hör- und erlebbar.

Dennis Russel Davies: „Ich kann mit ziemlicher Sicherheit feststellen, dass ich bisher der einzige Mensch bin, der alle fünf Winbeck-Sinfonien dirigiert hat – und nur hoffen, dass es nicht so bleibt. Viele Zeitgenos-sen damals hatten Schwierigkeiten damit, als ich neben meiner inten-siven Zusammenarbeit mit Berio, Boulez, Henze oder Maderna mich auch der Musik von Glass, Jarrett und Adams gewidmet habe. Gideon Rosengarten sah keine Diskrepanz, und er baute mir eine Brücke zu Winbeck. Eine ähnliche Brücke hat Heinz Winbeck selber gebaut für das heutige Publikum, von der Tradition hin zur Moderne unserer Zeit. Diese Brücken – im Leben, in der Gesell-schaft, in der Musik – werden mehr als je zuvor gebraucht.“

Weltersteinspielung

Johann Sebastian Bach (1685 -1750)Johannes-Passion (2. Fassung von 1725 in solistischer Besetzung)Benedikt Kristjánsson, Tenor Felix Schwandtke, BassÆlbgut: Isabel Schicketanz, Stefan Kunath, Florian Sievers, Martin SchicketanzWunderkammerCoviello ClassiCs

COV92007 (2 CDs)

Die Johannes-Passion war für Bach „eine lebenslange Baustelle“ – so zu lesen im Booklet der bei Coviello erschienenen zweiten Fassung des Werks von 1725 in einer solisti-schen, immer kristallin und durch-sichtig wirkenden Aufnahme mit Benedikt Kristjánsson (Evangelist), Felix Schwandtke (Jesusworte), dem klein besetzten Instrumentalensem-ble Wunderkammer und dem hervor-ragenden Vokalensemble Ælbgut (Isabel Schicketanz, Stefan Kunath, Florian Sievers, Tobias Mäthger, Martin Schicketanz), das sowohl solistisch als auch im Chor voll-kommen überzeugt.

Im Gegensatz zur in einem Guss geschriebenen Matthäus-Passion hat Bach bei der Johannes-Passion immer wieder Teile geändert und er-gänzt, aber nie zu einer endgültigen Fassung gefunden. Dabei haben vor allem die früher entstandenen Teile ihren Reiz: weniger erhaben im Tonfall, dafür spontaner, eckiger, intimer.

Diese Eigenarten haben das En-semble besonders angesprochen: „In ihrem intimeren Tonfall schien uns die zweite Fassung der Johan-nespassion ideal für eine Aufnahme, die ohne Dirigent ganz aus dem Innenleben der musikalischen Li-nien heraus gesteuert wird, aus dem Hören aufeinander, im Geben und Nehmen spontaner Ideen.“ Unge-wöhnlich und absolut hörenswert!

Chorwerkeinspielung

Charles Gounod (1818 -1893)Faust - Urfassung 1859 Véronique Gens (Marguerite)Benjamin Bernheim (Faust)Jean Sébastian Bou (Valentin)Andrew-Foster Williams (Méphistophélès)Les Talens LyriquesFlemish Radio ChoirChristophe Rousset Bru Zane BZ1037 (3 CDs + Buch)

Das Meisterwerk der französischen Oper – Gounods Faust – offenbart hier seine überraschende Werk-geschichte. Ursprünglich im Geis-te der Opéra-Comique konzipiert, wechselt die Partitur von 1859 zwischen gesprochenem Dialog und Musik, wobei unterhaltsame Komödie und romantisches Pathos vermischt wurden. Es ist dieser „erste Faust“, den der Palazzetto Bru Zane in dieser Aufnahme ent-hüllt, mit all seinen vielen Num-mern, die später verworfen oder geändert wurden. Um die Oper in ihren ursprünglichen Farben wieder-herzustellen, hat der Palazzetto Bru Zane Christophe Rousset und sein Ensemble Les Talens Lyriques be-auftragt, eine ungewohnte ästheti-sche Perspektive auf ein Werk zu bieten, das wir alle für gut bekannt hielten. Zusammen mit dem Flä-mischen Rundfunkchor präsentiert ein herausragendes Sänger*in nen-ensemble um Véronique Gens als Marguerite und Benjamin Bernheim in der Rolle des Faust dieses Opernjuwel.

Operneinspielung (19. Jh.)

Alexander Weprik (1899 – 1958)Dances and Songs of the Ghetto, op. 12Two Symphonic Songs, op. 20Five Little Pieces for Orchestra, op. 17Pastorale & Two PoemsBBC National Orchestra of WalesChristoph-Mathias MuellerMDG 901 2133-6 (Hybrid - SACD)

Er galt als Star der jungen sowjeti-schen Komponistengeneration, und auch im Westen wurde seine Mu-sik mit Begeisterung aufgeführt. Dann fiel Alexander Weprik dem stalinistischen Antisemitismus zum Opfer und wurde in den Gulag ver-bannt. Dass Wepriks Rehabilita-tion längst überfällig ist, zeigt Christoph-Mathias Mueller mit dem BBC National Orchestra of Wales eindrucksvoll in dieser Neueinspie-lung, die mit ausdrucksvollen Me lo-dien, zwingender Expressivität und betörenden Klangfarben fasziniert.

Die Auswahl umfasst Werke aus den unterschiedlichsten Lebens-phasen des Komponisten. Die „Fünf kleinen Stücke“, aber auch die „Tänze und Lieder des Ghetto“ spie-len mit überlieferten ostjüdischen Melodien, die den in der Nähe von Odessa Geborenen zeitlebens be-gleiteten. Sie zeigen Weprik auf dem Höhepunkt seiner Popularität – als Professor und Mentor in Moskau. Erst nach Stalins Tod wurde Weprik, schwer gezeichnet von der jahre-langen Lagerhaft, aus dem Gulag entlassen.

Spannend, wie Mueller mit dem großbesetzten Waliser Orchester die sehr persönliche, unverwechselbare Intensität der Musik einzufangen versteht! Meisterhaft instrumen-tiert, geht dieses symphonische Gipfelwerk unmittelbar unter die Haut. Wobei die dreidimensionale Wiedergabe in 2+2+2-Qualität die Wirkung dieser Musik nochmals zu steigern versteht.

Sinfonische Einspielung (20./21. Jh.)

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7CLASS: aktuell -Magazin 2020/2

CLASS : aktuell

E motion und Eleganz – kaum kann das besser zusammengehen als bei Gabriel Faurés Klavierquintetten. Das

auch ansonsten nicht um ausdrucksstarkes Spiel verlegene Mozart Piano Quartet legt mit seiner Neuaufnahme noch eins drauf: Für die beiden selten zu hörenden Quintette versichern sich die vier der Unterstützung von Geigenlegende Régis Pasquier und seiner Schülerin Sachiko Segawa und erweitern damit die hochwillkommene Produktion um eine Facette besonderer Authentizität.

Pasquiers Vater Pierre hat als junger Bratscher selbst noch Fauré vorgespielt, klar dass die Tradition in der an herausragenden Talenten reichen Familie gut gepflegt wurde. Die Wiedergabe von Faurés Quintett op. 89 atmet denn auch französischen Esprit durch und durch, und mit größter Natürlich-keit spannen die fünf Musiker einen Bogen, der sich mit flexibler Agogik über das ganze Werk erstreckt. Im Quintett op. 115 erweist sich Fauré als Meister des Kontrapunkts, und wie im zweiten Satz koboldhaftes Ge-

Von betörender SchönheitFaurés Klavierquintette in feiner Neuaufnahme

Gabriel Fauré (1845 -1924)

Sämtliche Klavierquintette

op. 89 d-Moll, op. 115 c-Moll

Régis Pasquier, Violine

Sachiko Segawa, Violine

Mozart Piano Quartet

MDG 943 2162-6 (Hybrid-SACD)

Sämtliche Klavierquartette

Mozart Piano Quartet

MDG 943 2122-6 (Hybrid-SACD)

husche mit salonfähiger Walzerseligkeit verquickt wird, ist umwerfend.

Wenn er denn fleißiger übern würde, sei ihm eine glänzende Laufbahn als Pianist beschieden, ließ man Fauré wis-sen. Allerdings konnte sein Spiel so schlecht nicht gewesen sein, hat er doch das zweite Quintett mit niemand Geringerem als Eugène Isaye an der Violine selbst urauf-geführt. Paul Rivinius meistert den hochvirtuosen Klavierpart na-türlich mit Bravour.

Wie bei MDG üblich sind Gabriel Faurés Klavierquintette natürlich in allerfeinster Super Audio CD-Technik produziert. Besonders in der dreidimensionalen Wiederga-be öffnet sich der Schalldeckel des ehrwürdigen Steinway-Kon-zertflügels von 1901 und bietet mit den davor platzierten Streichern ein ebenso authentisches wie betörend opulen-tes Klangpanorama. Lisa Eranos

CLASS : aktuell

Weitere Einspielungen:

Georg Hendrik Witte (1843 -1929)

Klavierquartett op. 5

Quintett für Horn und

Streichquartett

Radovan Vlatkovic, Horn

Cornelia Gartemann, Violine

Mozart Piano Quartet

MDG 943 2046-6 (Hybrid-SACD)

Mozart Piano Quartet Live!

Schumann / Brahms

Klavierquartette

MDG 943 1712-6 (Hybrid-SACD)

Aktuelle Konzerte: 05. 10. 2020 Santiago de Chile09. 11. 2020 Singapur29. 04. 2021 Badenweiler29. 07. 2021 Amsterdam

www.m-p-q.de

Gabriel Fauré

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8CLASS: aktuell -Magazin 2020/2

KomponistinnenEine filmische musikalische Spurensuche von Kyra Steckeweh und Tim van Beveren uniqueopia 1087874uiQ (DVD)

Der mehrfach preisgekrönte Do ku-mentarfilm „Komponistinnen gibt Einblick in das Leben und Schaf-fen von Mel Bonis (1858-1937)Lili Boulanger (1893-1918)Fanny Hensel (1804-1847) undEmilie Mayer (1812-1883) – vier Namen, die heute kaum je-mand kennt.

Der Filmemacher Tim van Be-veren begleitet die Pia nistin Kyra Steckeweh auf ihrer Spurensuche quer durch Europa. In Archiven, Bibliotheken und auf Dachböden machen sie spannende Entdeckun-gen. In Interviews mit Expertinnen gehen sie den Fragen nach: Mit welchen Widerständen hatte man als Komponistin im 19. Jahrhun-dert zu kämpfen? Warum werden so selten Werke von Frauen in Konzerten der klassischen Musik gespielt? Ist das überhaupt noch zeitgemäß? Am Klavier lässt die Pianistin Kyra Steckeweh die Musik der vier Frauen lebendig werden. Ein besonderes Highlight ist dabei die nach 150 Jahren entdeckte Kla-viersonate d-Moll von Emilie Mayer, die hier erstmalig zu hören ist.

Der Soundtrack mit den kom-pletten Klavieraufnahmen aus dem Film ist als CD unter der Bestell-nummer Uniqueopia 1041200UIQ erschienen.

Audiovisuelle Musikproduktion

Ludwig van Beethoven (1770 -1827)EgmontSchauspielmusik op. 84Matthias Brandt, SprecherOlga Bezsmertna, SopranBeethoven Orchester BonnDirk KaftanMDG 937 2111-6 (Hybrid - SACD)

Kaum ein Drama Goethes lebt so von den inneren Spannungen und Konflikten seiner Protagonisten wie „Egmont“. Unter seinem neuen Chefdirigenten Dirk Kaftan hat sich das Beethoven Orchester Bonn jetzt Ludwig van Beethovens Schau-spielmusik vorgenommen – mit einem großartigen Matthias Brandt, der die gemeinsam mit Dramaturg Tilman Böttcher erstellte Fassung des Dramenstoffs mit erschüttern-der Intensität zu verkörpern ver-steht.

Weder Musik noch Drama sind ohne einander denkbar. Das zeigen schon die vier Zwischenaktmusiken, die eine echte Scharnierfunktion zwischen den Aufzügen ausfüllen. Und die Siegessinfonie am Ende weist auf die endgültige Befreiung der Niederlande von spanischer Herrschaft hin, die – in ferner Zu-kunft liegend – im Stück gar nicht behandelt wird. Das ganze Werk erhält dadurch einen geradezu revo-lutionären Duktus – sicher ganz im Sinne des Weimarer Meisters.

Die intimste Verbindung gehen Text und Musik wohl im Melodram ein: Zutiefst berührend, wie Mat-thias Brandt als „Egmont“ erst den Schlaf herbeisehnt und dann im Traum Klärchens Erscheinung ge-wahr wird! Für das livehaftige Thea-tererlebnis ist auch diese Bonner Produktion im dreidimensionalen 2+2+2-Klang aufgenommen und in feinster Super Audio CD Tech-nik gefertigt – im wahrsten Sinne audiophil!

Sonderkategorie 2020(Beethoven 250)

Ferdinand Ries (1784 – 1838)KammermusikOktett op. 128Sextett op. 142Streichtrio WoO 70,2Franz EnsembleMDG 903 2136-6 (Hybrid - SACD)

Beethoven vertraute Ferdinand Ries die Uraufführung seines 3. Klavier-konzerts an. Die beiden kannten sich aus gemeinsamen Bonner Tagen, als die Eltern Ries den Halbwaisen Ludwig in ihre Familie aufnahmen. In Wien wurde Ries Beethovens rechte Hand, und was sich der 14 Jahre jüngere beim großen Vorbild abschaute, zeigt das Franz Ensemble auf beeindruckende Weise auf seiner Debüt -SACD.

Das Sextett überrascht mit origi-nellem Instrumentarium: Zum solis-tischen Klavier gesellt sich eine ebenfalls äußerst anspruchsvoll ge-setzte Harfe, während Klarinette, Horn und Fagott über dem Funda-ment eines Kontrabasses gerade-zu orchestral begleiten.

Das Oktett ist ein brillantes Klavierkonzert en miniature – der stürmische Mittelteil des langsa-men Satzes lässt bereits roman-tisches Empfinden erahnen. Das Streichtrio verweist auf die Virtuo-senkunst eines Paganini, eingebet-tet in einen raffinierten Satz, der alle drei Stimmen gleichberechtigt zu Wort kommen lässt.

Unbekannte Musik in ungewöhn-lichen, gerne auch großen Beset-zungen – das ist die Spezialität des Franz Ensembles. In feinster Super Audio CD-Technik produziert, kommen die klanglichen Qualitä-ten des Ensembles auf diesem Debütalbum besonders vorteilhaft zur Geltung.

Innovative Audioproduktion

Heinrich Schütz (1585 -1672)Psalmen & Friedensmusiken (GA Vol. 20)Gerlinde Sämann, Isabel SchicketanzDorothee Mields, David Erler u.a.Dresdner Kammerchor & Instrumen ta listen Hans-Christoph RademannCarus Car83278 (2 CDs)

Fulminanter Abschluss der ersten Heinrich-Schütz-Gesamteinspielung: Mit den Psalmen & Friedensmusiken setzen Hans-Christoph Rademann und der Dresdner Kammerchor ei-nen prächtigen Schlusspunkt unter dieses bahnbrechende Projekt. Die Einspielung vereint größtenteils un bekannte, dabei aber besonders klangprächtige, meist mehrchöri-ge Werke, die Schütz in den Jah-ren 1618 bis 1648 für wichtige poli tische Anlässe oder Dankfeste schrieb. Solisten- und Chorgrup-pen erschaffen im Wechselspiel mit Streichern, Posaunen, Zinken und Gamben ein farbenreiches Klangerlebnis.

Heinrich Schütz, dem ersten deutschen Komponisten von Welt-rang, wurde mit der Gesamtaufnah-me ein bedeutendes Klangdenkmal gesetzt. Mit 20 Folgen auf insge-samt 27 CDs haben Hans-Christoph Rademann und der Dresdner Kam-merchor das Œuvre von Schütz erstmals vollständig eingespielt. Das ehrgeizige Vorhaben einer Schütz-Gesamteinspielung begann 2009 im Rahmen einer intensiven Kooperation zwischen Rademann und den Verlegern Günter und Jo-hannes Graulich. Grundlage bilde-te der wissenschaftliche Notentext der Stuttgarter Schütz-Ausgabe des Carus-Verlags. Schütz’ wunderbare Musik wird damit in all ihren vielen Facetten erstmals in einer exzellen-ten Einspielung vollständig erlebbar.

Editorische Leistung

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CLASS : aktuell

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9CLASS: aktuell -Magazin 2020/2

Anton Bruckner (1824 -1896)

Frühe Orchesterwerke

(übertragen auf die Orgel)

Sinfonie F-Moll, Ouvertüre G-Moll,

Drei Stücke für Orchester, Marsch D-Moll

Rudolf Innig, Goll Orgel

Marktkirche Hannover

MDG 917 2174-6 (Hybrid-SACD)

Z eitlebens war Anton Bruckner vor allem als Organist hochgeschätzt. Rudolf Innig demonstriert mit einem

spektakulären Hörversuch, wie sehr auch der große Symphoniker von „seinem“ Instrument beeinflusst war: Innig hat in liebevoller Detail-arbeit frühe Orchesterwerke Bruckners auf die Orgel übertragen. Das Ergebnis: verblüffend. Und orgelmäßig gut.

39 Jahre alt war Bruckner bereits, als er mit einigen Orchester stücken und einer ausgewach senen Sinfonie den zweijährigen Kompositionsunter-richt beim zehn Jahre jüngeren Otto Kitzler abschloss. Die Werke zeigen

bereits Bruckners phänomenale kontra-punktische Meisterschaft, seine Vorliebe für die Sequenzierung von Motiven an Stel-le motivisch-thematischer Arbeit und über-raschende harmonische Wendungen in ent-legene terzverwandte Tonarten. Dies sind Techniken, die ihm aus der Orgelimprovisation

vertraut waren und die spezielle Dramatur-gie in den Sonatensätzen seiner späteren Sinfonien prägen.

So erhalten die „Drei Orchesterstücke“, die unter anderem Motive aus Beethovens Klaviersonaten verwenden, den typisch brucknerschen Tonfall; mit großer Geste vermeidet Bruckner die so nahe liegende Stilkopie des klassischen Vorbilds. Ausge-dehnte Orgelpunkte in der g-Moll-Ouvertüre und ungrade Perioden in der f-Moll-Sinfonie tun ihr Übriges, und so erhalten die Gesellen-stücke in Innigs Orgeladaption eine er-staunlich überzeugende Plausibilität.

Rudolf Innig hat sich für sein Bruckner-Projekt die Goll-Orgel in der Marktkirche in Hannover ausgesucht. Das große viermanu-alige Instrument ist klanglich hervorragend auf die Bedürfnisse des 19. Jahrhunderts abgestimmt. Perfekt eingebettet in die räumliche Akustik ist die Wiedergabe des Klangreichtums dieses Instruments auf der SACD – einschließlich einer 3-D-Option – ein frappierender Hinhörer. Klaus Friedrich

Samuel Barber (1910 -1981)

Orgelwerke

Rudolf Innig, Schuke-Orgel

Heilig-Kreuz-Kirche Detmold

MDG 917 2010-6 (Hybrid-SACD)

Felix Nowowiejski (1877-1946)

Sämtl. Solo konzerte für Orgel op. 56

Pièces pour Orgue op. 2, 7, 8, 9 & 31

Rudolf Innig, Sauer-Orgel Bremer Dom

MDG 317 1997-2 (2 CDs)

Variations on America

Gioacchino Rossini (1792 -1868)

Dudley Buck (1839 -1909)

Horatio Parker (1863 -1919)

Charles Ives (1874 -1954)

Richard Wagner (1813-1883)

George Gershwin (1898-1937)

Rudolf Innig, The Great Organ

– Methuen Memorial Music Hall

– Methuen, Massachusetts

MDG 917 1809-6 (Hybrid-SACD)

Weitere Einspielungen

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www.rudolf-innig.de

Verblüffend und orgelmäßig gut Rudolf Innig hat Bruckner auf die Orgel übertragen

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10CLASS: aktuell -Magazin 2020/2

CLASS : aktuell

Exquisite NeuentdeckungSchon auf ihrer Debüt-CD „Rendezvous“ gab es eine Ersteinspielung – jetzt wurde das Duo erneut fündig.

Johann Wilhelm Wilms (1772 - 1847)

Sonaten für Klavier und Flöte op. 15 – Volume 1

Sebastian Berakdar, Klavier

Helen Dabringhaus, Flöte

MDG 903 2149 - 6 (Hybrid-SACD)

Rendezvous

Helen Dabringhaus, Flöte

Sebastian Berakdar, Klavier

MDG 903 2043-6

(Hybrid-SACD)

The Young Beethoven

Duo FlautoPiano

Helen Dabringhaus, Fil Liotis

MDG 903 2135-6

(Hybrid-SACD)

Bernhard Molique (1802 - 1869)

Chamber Music – Volume 2

Parnassus Akademie

MDG 303 2132-2

H eiter und sehr angenehm geschrie-ben“, bemerkte ein zeitgenössischer Rezensent zu Johann Wilhelm Wilms´

Instrumentalmusik. Genau das Richtige für Helen Dabringhaus und Sebastian Berakdar, die jetzt die drei Flötensonaten op. 15 des Wahlniederländers in einer Weltersteinspie-lung präsentieren. Dabei erweist sich das unerhörte Programm nicht nur als äußerst kurzweilig, es füllt auch sehr wohltuend eine rezeptionsgeschichtliche Lücke zwischen Mozart und Mendelssohn.

Im Bergischen Land aufgewachsen, ver-schlug es den jungen Wilms bald nach Ams-terdam, wo er als Flötist, Pianist, Organist und Konzertveranstalter schnell Karriere machte. Wie hoch sein Ansehen war, zeigt

Sonate Nr. 2 oder dem ausgedehnten, fanta-siereichen Variationensatz in Nr. 3. Helen Dabringhaus und ihr Klavierpartner Sebas-tian Berakdar treffen den eleganten Ton genau, der mit der exquisiten Klangtechnik dieser Super Audio CD das Repertoire für die Flöte um eine überraschende Facette bereichert. Klaus Friedrich

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die Hochzeit mit der Tochter eines sehr wohlhabenden Amsterdamer Kunstsammlers. Zum Komponieren fand Wilms nur neben- bei Zeit – schade eigentlich, hätte er doch sonst vielleicht noch weitere Preziosen zu Papier gebracht!

Dennoch: Wilms´ Ruf als Komponist er-reichte auch Schwerin, Breslau, Prag und Leipzig, wo seine Werke im Gewandhaus aufgeführt wurden, und niemand Geringe-res als E.T.A. Hoffmann griff für eine wohl-wollende Rezension zur Feder. Dass Wilms als „Ausländer“ im Jahre 1816 die Hymne des neugegründeten Königreichs der Nieder-lande komponierte, belegt die Wertschät-zung, die der umtriebige Musiker in seiner Wahlheimat genoss.

Kein Wunder, verstand Wilms es doch, die Bedürfnisse der Salons in herausra-gender Weise zu befriedigen, so etwa mit der attraktiven Polonaise am Schluss der

www.sebastianberakdar.com www.helendabringhaus.de

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11CLASS: aktuell -Magazin 2020/2

CLASS : aktuell

Ein rauschendes Klavierfestival Julia Hermanski debütiert mit Liszt

Franz Liszt (1811 -1886)

Klavierwerke

Tannhäuser - Ouvertüre

O du mein holder Abendstern

Consolations

(Six pensées poétiques)

Ballade Nr. 2

Ständchen:

Leise flehen meine Lieder

Julia Hermanski, Klavier

MDG 904 2180-6 (Hybrid-SACD)

V om weltgewandten Dandy und Lieb-haber der Salons zum asketischen Geistlichen: Kaum ein anderer

Künstler vollzog eine annähernd so tiefgrei-fende Wandlung wie Franz Liszt. In seinen „Consolations“ meint man diesen Weg nachhören zu können: Enttäuschte Liebe und fromme Wünsche, abgrundtiefe Trauer und erlösende Hoffnung finden sich in die-sem Zyklus, den Pianistin Julia Hermanski in einem aufregenden Debüt für MDG präsentiert. Dass Liszt nicht nur Tastenlöwe, sondern auch und vor allem ein überaus sensibler Poet war: Wer das noch nicht wusste, sollte diese Gelegenheit zur Entde-ckung dieser SACD keines-falls versäumen!

Wie Liszt selbst ist Julia Hermanski auch in der Kam-mermusik zu Hause. Das tut ganz besonders den intime-ren Stücken dieser Sammlung gut: Schuberts „Ständchen“, das Liszt gleich mehrfach be-arbeitete, verlangt nach sen-sibelstem Klangempfinden, um die zarte Einfachheit der Schubertschen Vorlage nicht zu verletzten; und auch Rezi-tativ und Romanze „O du, mein holder Abendstern“ nach Wagners „Tannhäuser“ setzen mehr auf feinfühliges Nuancieren denn auf extrovertierte Klavier-akrobatik.

In der „Tannhäuser“- Ouvertüre geht es mitunter ordentlich zur Sache – virtuose Opernparaphrasen aus eigener Hand gehör-ten zu Liszts ständigem Konzertrepertoire. Deren pianistische Herausforderungen wa-ren ihm sehr wohl bewusst: „… glaube ich, dass sich wenige Spieler finden werden, welche ihre technische Schwierigkeit meis-tern“ schrieb er an seinen Verleger. Julia Hermanski geht das Risiko gerne ein.

Auch im Erfinden eigener Geschichten war Liszt ganz groß, wie etwa in der Ballade h-Moll, die die antike Sage von Hero und

Leander nacherzählt. In dramatischer Ver-dichtung steigert sich die Erzählung von den zwei Königskindern, die durch das tiefe Wasser des Hellespont getrennt sind, bis zum tragischen Finale – ein rauschendes Klangfest für Julia Hermanski, die dem Steinway Konzertflügel „Manfred Bürki“ von 1901 grandiose Klangwirkungen zu entlo-cken vermag. Lisa Eranos

Aktuelle Konzerte

27. 09. 2020 Kunsthaus, Salzwedel

01. 11. 2020 Bayerische Staatsoper, München

08. 11. 2020 Bayerische Staatsoper, München

www.juliahermanski.com

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CLASS : aktuell

Weltpremiere mit Friedemann Eichhorn und Fazil Say

D er Begriff der „zeitgenössischen“ Mu-sik steht für Viele als ein Synonym für Musik, die von der breiten Masse

nicht verstanden und nicht gemocht wird. Der 1970 in Ankara geborene Pianist und Komponist Fazil Say bildet eine Ausnahme von dieser Regel: Seine Werke werden in der ganzen Welt viel aufgeführt.

Vor allem sein Violinkonzert mit dem Titel „1001 Nights in the Harem“ hat es zu inter-nationaler Berühmtheit gebracht und wurde seit seiner Entstehung 2007 bereits über 100-mal aufgeführt. Die Mischung aus klassi-schem Violinkonzert mit orientalisch gefärb-ten Melodien und Einbezug von Perkussions-Instrumenten aus der türkischen Folklore gibt dem Werk einen geradezu einmaligen Klang, der jedem, der das sinnliche Stück zum ers-

Fazil Say komponierte die zweite Violin-sonate als musikalische Reflexion auf das „Massaker an der Natur“ (wie der Komponist es selbst formuliert), das im Zuge der Ein-richtung einer riesigen Goldmine im türki-schen Ida-Gebirge durch großflächige Ab-holzung und Denaturierung der Landschaft stattfindet. Von der Natur inspirierte Klänge treffen auf expressive Passagen, die das Einbrechen des Menschen in das Ökosystem des Ida-Gebirges symbolisieren. Gemein-sam mit dem Kompo-nisten am Klavier hat Friedemann Eichhorn im Zuge dieses Albums nicht nur erstmals beide Violinsonaten eingespielt, sondern

sämtliche Musik für Violine, die Fazil Say bis dato geschrieben hat. So entstand hier also für Friedemann Eichhorns langjähriges Label Naxos eines der interessantesten Alben des Jahres in einer veritablen Traum-besetzung und in Koproduktion mit SWR und SR. Es ist ein klingender Beweis dafür, dass Musik „von heute“ für ein breites Publikum inte ressant sein kann und dies durchaus auch als politisches Statement.

René Brinkmann

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ten Mal hört sofort im Gedächtnis bleibt.Mit Friedemann Eichhorn hat nun einer

der führenden deutschen Violinisten dieses wunderbare Konzert zusammen mit der Deut-schen Radio Philharmonie unter der Leitung Christoph Eschenbachs eingespielt.

Friedemann Eichhorn und Fazil Say verbin-det eine musikalische Zusammenarbeit, die 2019 darin gipfelte, dass Say Eichhorn seine zweite Violinsonate „Mount Ida“ widmete. Dieses Stück erklingt auf dem vorliegenden Album als Weltpremiere: Bedingt durch die Corona-Krise konnte das Stück bisher noch nicht live aufgeführt werden, und so kann jeder, der sich dieses Album zulegt, tatsäch-lich einer Welturaufführung lauschen.

Fazil Say (*1970)

Sämtliche Werke für Violine

Friedemann Eichhorn, Violine

Fazil Say, Klavier

Deutsche Radio Philharmonie

Christoph Eschenbach

NAXOS 8.574085

Friedemann Eichhorn Fazil Say

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13CLASS: aktuell -Magazin 2020/2

CLASS : aktuell

Attraktiver, spannender Husarenritt Yeseul Moon debütiert mit Klavierwerken von Samuel Barber

Samuel Barber (1910 - 1981)

Klavierwerke

Excursions op. 20

Sonate op. 26

Ballade op. 46

Nocturne op. 33

Souvenirs op. 28 (vierhändig *)

Yeseul Moon, Klavier

Hardy Rittner, Klavier *

MDG 904 2177- 6 (Hybrid-SACD)

S amuel Barbers Klaviermusik ist selten zu hören, schon aufgrund der enor-men technischen Anforderungen. Die

junge koreanische Pianistin Yeseul Moon hat sich davon aber nicht abschrecken las-sen und präsentiert für ihr MDG-Debüt auf dem klangstarken Steinway Konzertflügel „Manfred Bürki“ eine atemberaubende Neu-aufnahme dieser grandiosen Musik, bei der leichte Unterhaltung und abgründige Expres-sivität keine Widersprüche sind.

Im Zentrum steht die So-nate op. 26, Barbers einziger Beitrag zur Zwölftonmusik, der aber immer wieder mit Anklängen an traditionelle Harmonik kokettiert. Der le-gendäre Vladimir Horowitz hob das Stück aus der Taufe – nicht ohne zuvor den Komponisten noch um ein paar Extraschwierigkeiten gebeten zu haben. Das rasante Finale besteht aus

einer vierstimmigen Fuge – nichts für schwache Nerven…

Eigenwillige Rhythmen bestim-men die „Excursions“, die vielleicht den „amerikanischsten“ Beitrag

dieses Programms bilden. Ein Blues von unendlicher Traurigkeit (Nr. 2), gleichsam schwebende Septolen (Nr. 3) oder span-nungsvolle Synkopierungen (Nr. 1) – bis zum munteren Kehraus (Nr. 4) wird Einiges geboten. Für die Ballettsuite „Souvenirs“ hat sich Moon ihren Lehrer Hardy Rittner als Secondo-Partner hinzugeholt – ein Glücksgriff, wie das ungemein harmonische Zusammenspiel belegt.

Die Ballade op. 46 ist Barbers Schwa-nengesang – und selten hat man einen Schwan so herzzerreißend klagen hören. Dagegen entfaltet das Nocturne eine gera-dezu idyllische Atmosphäre, die in bester SACD-Qualität, und bei Bedarf auch für drei-dimensionale Wiedergabe im 2+2+2 Recor-ding, eingefangen wurde. Eine ebenso spannende wie attraktive Repertoireerwei-terung in sympathischer Wiedergabe.

Lisa Eranos

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CLASS : aktuell

E in Lied Franz Schuberts gibt dem Quartett seinen Namen. 2018. Sommertage in Italien. Zum ersten Mal kommt der Gedanke auf, Schuberts Streichquartette aufzunehmen. Nicht

besonders einfallsreich, könnte man meinen. Aber es ließ dem Quartett keine Ruhe. Überschwang packte sie, sie waren begeistert. Aufbruchsstimmung. Bald war der Plan gefasst: Im Jahr 2028 wird die Welt Schuberts 200. Todestag feiern. Bis dahin sollen sämtliche Quartette aus seiner Feder auf CD aufgenommen werden. Eine Reise, eine Herausforderung. Vom ersten Werk des 13-jährigen bis zum großen, großartigen G-Dur-Quartett aus dem letzten Lebensjahr knapp 18 Jahre später. Schubert hatte nicht viel Zeit. Er, der wie sein Freund Schwind bemerkte „unmenschlich fleißig“ war.

Auf jeder CD soll zu den Schubertquartetten ein Werk eines zeitgenössischen Komponisten erscheinen. Insgesamt werden sechs Komponisten beauftragt. Die Vorgaben: Alinde. Nicht viel mehr. „Den ersten der Komponisten Thomas Kotcheff lernten wir vor zwei Jahren beim Festival in Aix-en-Provence kennen. Eines Abends saßen wir mit Thomas bei einem gemeinsamen Abendessen im Garten. Die wunderbare Abendluft, ein paar Gläser Wein; wir schmie-deten Zukunftspläne. Ein paar Monate später: Wir fragen ihn, ob er für die erste Aufnahme unseres Schubertprojekts ein Stück schreiben wolle. Er sagt sofort begeistert zu. Im Sommer drauf kamen per Mail die Noten aus Los Angeles.“ schreibt Moritz Benjamin Kolb in seiner Einführung. Manuela Neumann

Eine Reise in Schuberts Welt Bis Schuberts 200. Todestag im Jahr 2028 will das Alinde Quartett sämtliche Streichquartette des Komponisten aufnehmen. Die Besonderheit: Zu den einzelnen Quartetten werden zeitgenös si sche Kompositionen gestellt, die alle eines zum Thema haben: Alinde. Volume 1 ist nun bei Hänssler Classic erschienen.

Schubert 200

The String Quartets Project

Volume 1

Alinde Quartett

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Nikolai Andreyevich Rimsky-Korsakov (1844 - 1908)

Die kompletten Opern und Fragmente

Solisten des Bolschoi Theaters

Profil Edition Günter Hänssler PH19010 (25 CDs)

Pyotr Ilyich Tchaikovsky (1840 - 1893)

Die kompletten Opern, Fragmente & Begleitmusik

Solisten des Bolschoi Theaters

Profil Edition Günter Hänssler PH17053 (22 CDs)

D iese Edition fasst erstmals das gesamte Opern-schaffen von Rimsky-Korsakov inklusive des Fragments „Nausicaa“ sowie der erhaltenen

Aufnahmen von „Vera Sheloga“ und „Servilia“ zusam-men, in authentischen Aufführungen mit SängerInnen aus der Goldenen Ära des Bolschoi Theaters. Einige davon sind hier erstmals auf CD zu hören.

Sie machen immer wieder klar: Rimsky-Korsakov zählt zu den größten russischen Komponisten über-haupt. Die schönste Ehre erwies ihm der Kollege und Beinahe-Zeitgenosse Claude Debussy (1862-1918): „Der Zauber der Themen und der blendende Glanz von Orchestrierung und Rhythmus lassen sich mit Worten nicht schildern. Ich möchte den sehen, der für die Gewalt dieser Musik unempfänglich ist. Das lächerliche Geräusch mit den Händen zu machen ... reicht gewiss nicht hin, einem Manne zu danken, der uns Minuten reinen Glücks geschenkt hat.“

In der gleichen Reihe bereits erschienen: Pyotr Ilyich Tchaikovsky – Sämtliche Opern auf 22 CDs.

Manuela Neumann

Aus dem Bolschoi Theater

www.alindequartett.com

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15CLASS: aktuell -Magazin 2020/2

CLASS : aktuell

Musikalisch-audiophiles Hörerlebnis

Jubiläumsedition des Rudens Turku Festival Ensemble

Jubilee

Antonín Dvorák (1841 - 1904)

American Suite op. 98b

Louis Spohr (1784 – 1859)

Nonet op. 31

Wolf Kerschek (*1969)

Festival Rhapsody

Rudens Turku Festival Ensemble

MDG 903 2169-6 (Hybrid-SACD)

S chon als Student gründete der Geiger Rudens Turku die Musiktage Starnberg. Nach inzwischen 20 Jahren ist das re-

nommierte Festival im Süden Münchens mit seiner attraktiven Kombination aus Meister-kursen und hochkarätigen Konzerten ein Höhepunkt des musikalischen Frühjahrs. Zum Geburtstag bringt Turku die illustre Schar der Dozenten für ein ehrgeiziges Projekt zu-sammen: Großformatige Kammermusik von Dvorák und Spohr, dazu eine Uraufführung mit Künstlern, die heute zu den Besten ihres Faches zu zählen sind.

Wolf Kerschek komponierte zum feier-lichen Anlass eine „Festival Rhapsody“ für zwei Solisten und Kammerensemble, die Turku auf die Violine geschrieben zu sein scheint. Seinen Solopart teilt sich der ge-bürtige Albaner mit Startrompeter Matthias Höfs; mit Einflüssen von „Star Wars“ bis Strawinsky ein wahrhaft festliches mit Pauken und Schlagwerk angereichertes Vergnügen!

Das Nonett von Louis Spohr ist ziemlich selten im Konzertsaal zu erleben: Neun herausragende Kammermusiker findet man eben nur unter besonderen Bedingun-gen. Noch dazu ist insbesondere der Violinpart abenteuerlich vir-tuos. Die populäre „Amerikanische Suite“ von Antonín Dvorák hat Ulf-Guido Schäfer eigens für diesen Anlass bearbeitet, und es ist erstaunlich, wie mit nur acht Musikern Dvoráks orchestrale Far-ben so intensiv zum Leuchten kommen.

Festlich-opulent ist auch das Klangerlebnis auf dieser im 2+2+2 Recording produzierten Super Audio CD. In echten drei Dimensionen umgibt die Akustik des Konzertsaals der Abtei Marienmünster Musiker und Hörer vir-tuell auch im kleinsten Wohnzimmer. Ange-füllt mit großartiger Musik, scheinen sich räumliche Grenzen aufzulösen: Ein großarti-ges musikalisch-audiophiles Hörerlebnis.

Klaus Friedrich

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15 Jahre für ein „Ave Maria“

Orgel berühmten Potsdamer Friedenskirche in einer achttägigen Mammut-Aufnahmeses-sion. „Fast genau so wichtig, wie die akribi-sche Planung der Aufnahmesession war der warme Tee, der die langen Stunden im kalten, hohen Kirchenraum erträglich gemacht hat“, weiß Andrea Chudak zu berichten.

Neben einigen eher erwartbaren, aber natürlich auch erwarteten „Hits“ von Schubert, Bach /Gounod oder Saint-Saëns sind es Besonderheiten wie ein gefälschtes Renaissance-„Ave Maria“ (das sich als Werk eines Gitarristen aus der Sowjetunion ent-puppte) oder eine Komposition des „Winnetou“-Schriftstellers Karl May, die durch ihren kuriosen Charakter immer wieder für besondere „Hinhör-Momente“ sorgen. Den Kernbestand bildet aber oftmals frappierend schö-ne, kaum jemals aufgeführte Musik, die einen ins Grübeln kommen lässt: Wie viele wunderbare Werke führen

ein klangloses Dasein in Noten-Archiven! Andrea Chudak und ihren Mitstreitern

ist es zu verdanken, dass sich auf „68 Ave Maria aus sieben Epochen“ musikalisch Perle an Perle reiht: Eine regelrechte Schatz-truhe für Abenteuerlustige und Entdecker!

René Brinkmann

15 Jahre sind eine lange Zeit – erst recht, wenn man sich in dieser Zeit einem bestimmten künstle-

rischen Projekt widmet. Dabei begann für die Sopranistin Andrea Chudak alles mit einem ganz einfachen Gedanken: „Es gab einfach den Punkt, an dem ich bemerkte, dass das Gebet an die Jungfrau Maria weit-aus mehr Vertonungen hat, als im üblichen Musikbetrieb zum Einsatz kommen. Es ist eine zutiefst religiöse und gleichzeitig sehr persönliche Ansprache, die auch oft medi-tativ genutzt wird. Ich fing an, gezielt nach Vertonungen zu suchen, recherchierte in Bibliotheken, Notenhandlungen, suchte in Antiquariaten, durchforstete Internetdaten-banken und beschäftigte mich mit den Werkverzeichnissen von Komponisten.“

Und was als Idee begann, entwickelte sich zur Passion: Mittlerweile hat Andrea Chudak mehr als 300 verschiedene Vertonun-gen des „Ave Maria“ gesammelt und dürfte damit sicherlich zu den führenden Fachleu-ten für dieses Repertoire zu zählen sein. Dabei entpuppte sich ebendieses als be-sonders vielfältig – wurde das „Ave Maria“ doch schon von gregorianischer Zeit an bis heute immer wieder neu vertont.

Aus dieser Fülle an Musik hat die Branden-burgerin nun 68 Kompositionen für ein ein-maliges Veröffentlichungsprojekt ausgesucht: „68 Ave Maria aus sieben Epochen“ ist auf dem Cover der 5 CDs umfassenden Edition vom Label Antes Edition zu lesen, und man fühlt sich geneigt zu ergänzen: „von mehr als 50 verschiedenen Komponistinnen und Komponisten“.

Eingespielt in den unterschiedlichsten Besetzungen von Solo-Vokalstück bis hin zur (fast) Kammerorchesterbesetzung wurde das Album 2019 in der für ihre Akustik und ihre

ANTES EDITION BM179001 (5 CDs)

oben: Jean Szymczak (Studio P4), Christian Bader (Studio P4), Rainer Killius (Komponist), Andrea Chudak (Sopran), Dr. Jakub Sawicki (Orgel) unten: Götz Höhne (Förderer), Stefan R. Kelber (Viola), Julian Rohde (Tenor); Bo Wiget (Komponist)

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CLASS : aktuell

Musica Baltica 6

Theopil Andreas Volckmar

& Daniel Magnus Gronau

Andrzej Mikołaj Szadejko

Orgel der

St.-Trinitatis-Kirche, Danzig

MDG 906 2139-6

(Hybrid - SACD)

N ach über 70 Jahren Stille gibt es wie-der eine große Orgel in der Trinitatis-kirche der Danziger Franziskaner.

Mit Ausdauer, Leidenschaft und Akribie setz-ten sich die Patres und Andrzej Szadejko für die Rekonstruktion der Barockorgel ein, die 2018 von der Dresdner Firma Weg-scheider abgeschlossen werden konnte. Sein vielfarbiges Portrait repräsentiert die opulente Klangvorstellung des baltischen Orgelbaus vom frühen 17. bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts und erweckt darüber hinaus die grandiose Musikkultur aus Danzigs Glanz-zeiten zu neuem Leben.

Die anonyme Fantasia zu Beginn des Pro-gramms entstammt der Danziger Tabulatur

und Bach und sogar Frescobaldi als Gäste aus südlicheren Regionen belegen die Viel-seitigkeit des neuen, nach historischem Vorbild rekonstruierten Instruments.

Weltweit einzigartig in einer barocken Or-gel dürfte das Großpedal sein, das nach einem Blitzeinschlag 1703 in einem eige-nen Gehäuse an der Südwand der Kirche errichtet wurde, darin der eindrucksvolle 32´-Subbass. Die phänomenale Akustik der gewaltigen hanseatischen Kathedrale ist in allerbester Super Audio CD-Qualität einge-fangen; die dreidimensionale Wiedergabe-möglichkeit des 2+2+2 Recording setzt noch einen Glanzpunkt und lässt die unge-wöhnliche räumliche Anordnung dieses be-sonderen Instruments sehr eindrücklich miterleben. Lisa Eranos

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Wie ein Phoenix aus der Asche…

Ersteinspielung an der Orgel der Franziskanerkirche, Danzig

von 1591 und erklingt in festlich-gotischer Blockwerkregistrierung. Die baltische Metro-pole pflegte Beziehungen in die ganze Welt. Und so verwundert es nicht, dass auch der berühmte Sweelinck im fernen Amsterdam seinerzeit 8 Variationen über einen „Poolsche Dans“ komponierte – für Andrzej Szadejko ein willkommener Anlass, auch die Renais-sancestimmen – wie das wunderbar knar-zende Regal – solistisch einzusetzen.

Buxtehude darf natürlich nicht fehlen: Mit klassischer Sesquialtera-Registrierung in der Choralbearbeitung „Durch Adams Fall ist ganz verderbt“ oder in dem grandiosen „Magnificat“, das Szadejko nach alter Praxis im Wechsel mit der exquisiten Choralschola gestaltet, kommt der Meister der norddeut-schen Orgelkunst hervorragend zur Geltung. Froberger, Muffat, Kerll, aber auch Böhm

www.szadejko.com

MDG 906 1990-6 (Hybrid - SACD) MDG 906 2048-6 (Hybrid - SACD)

Danziger Orgellandschaft

Wie ein Phönix aus der Asche | Vol. 1

Andrzej Mikołaj Szadejko

Dreifaltigkeitskirche der Franziskaner

in Gdansk / Danzig

MDG 906 2157-6 (Hybrid - SACD)

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Im Blickpunkt

Traditionelle Musik

Alberto Hemsi (1898 -1975)Coplas Sefardies Ein judäo-spanischer RomanzeroTehila Nini Goldstein, SopranJascha Nemtsov, Klavierhänssler CLASSIC HC20039 (3 CDs)

Auch jüdische traditionelle Musik aus Osteuropa wurde damals für viele jüdische Komponisten – wie Joachim Stutschewsky, Alexander Weprik, Alexander Krein oder Joseph Achron – eine wichtige Inspiration und Quelle der Erneuerung ihrer Musiksprache. Alberto Hemsi war dagegen der erste – und wohl der bedeutendste – Musiker, der in sei-nen Werken eine Synthese der se-phardisch-jüdischen Musiktradition mit der europäischen Kunstmusik erreichte. Diese sephardische Rich-tung der jüdischen Kunstmusik, zu der auch Werke von Léon Algazi (1890 -1971) und einigen anderen Komponisten gehören, ist noch viel weniger bekannt, als die in Ost-europa begründete Neue Jüdische Schule in der Musik.

Die vorliegende Aufnahme ist die erste Gesamteinspielung der Coplas Sefardies in ihren Original-fassungen. Es ist zu hoffen, dass auch weitere Werke Hemsis dem Vergessen entrissen werden.

CLASS : aktuell

 B ei kaum einem anderen großen Werk der Musikgeschichte gibt es so viele Geheim-nisse und Gerüchte um seine Entstehung

wie bei Mozarts nicht von ihm selbst vollende-tem Requiem: Von der Anekdote vom ominösen maskierten Auftraggeber über die immer wieder geäußerte Kritik an der Vervollständigung des Fragments durch Mozart-Schüler Franz Xaver Süßmayr (die sich dennoch als gängige Fassung im Konzertleben etabliert hat) bis hin zur Spe-kulation, der Komponist habe gewusst, dass er seine eigene Totenmesse schreibe.

Die Quellenlage ist unübersichtlich; eventu-ell waren neben Süßmayr weitere „Vervollstän-diger“ mit am Werk, das Witwe Constanze aus geschäftlichem Interesse als eine von Mozart allein geschaffene Komposition veröffentlichen wollte. Einige Mozart-untypische stilistische Brüche in der gängigen Fassung verstärken die Zweifel daran, dass sie wirklich seinem Willen entspricht. Nach gründlichem Quellenstudium und vergleichenden Stilanalysen legt Michael Ostrzyga nun eine behutsam korrigierte Neufas-sung vor, mit der er den „für November / Dezem-ber 1791 wahrscheinlichsten kompositorischen Lösungen“, die Mozart wohl gewählt hätte, näher kommen will. Das Ergebnis klingt absolut plausi-bel und darf als echte Bereicherung des Reper-toires gelten. Chorwerk Ruhr und Concerto Köln

legen unter der Leitung von Florian Helgath eine erste Referenzeinspielung dieser Version vor – im Zusammenspiel mit dem illustren Solisten-ensemble aus Gabriela Scherer, Anke Vondung, Tilman Lichdi und Tobias Berndt erscheint Mozarts musikalisches Vermächtnis zwar nicht völlig neu, aber doch abgerundeter und in sich stimmiger. Thomas Jakobi

Wolfgang Amadeus Mozart (1756 -1791)

Requiem – Vervollständigung von Michael Ostrzyga

Gabriela Scherer (Sopran), Anke Vondung (Alt),

Tilman Lichdi (Tenor), Tobias Berndt (Bass)

Chorwerk Ruhr | Concerto Köln, Florian Helgath

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Neues zum geheimnisvollen Fall Erste Einspielung von Michael Ostrzygas Neufassung des Mozarts-Requiems

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CLASS : aktuell Im Blickpunkt

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Konzert

Johann Sebastian Bach (1685 -1750)Konzerte für Cembalo und Streicher, Vol. 1:Konzert Nr. 1 d-Moll, BWV 1052Konzert Nr. 5 f-Moll, BWV 1056Konzert Nr. 8 d-Moll, BWV 1059RKonzert Nr. 2 E-Dur, BWV 1053Masato Suzuki, Cembalo und LeitungBach Collegium JapanBIS-SACD-2401

Die erhaltenen Konzerte von Johann Sebastian Bach für Cembalo und Streicher wurden alle vor 1738 kom-poniert, was sie zu einigen der ers-ten, wenn nicht sogar den ersten Klavierkonzerten macht. Höchstwahr-scheinlich schrieb Bach sie für den eigenen Gebrauch (oder den seiner talentierten Söhne) – wahrscheinlich für das Leipziger Collegium Musicum, das er 1729 als Direktor übernom-men hatte. Der frische und über-schwängliche Charakter, den man in den Konzerten findet, scheint zu reflektieren, wie sehr Bach die Ge-legenheit genoss, mit dem Ensem-ble zu interagieren. Aber ein Groß-teil der Musik selbst war tatsächlich nicht neu – viele von Bachs Cembalo-konzerten sind mit ziemlicher Si-cherheit Transkriptionen früherer Werke, die für andere Instrumente geschrieben wurden.

Einige dieser Originalwerke sind nicht mehr erhalten, aber es ist den-noch möglich, die Abstammung des BWV 1052 und die äußeren Sätze des BWV 1056 auf verlorene Violin-konzerte zurückzuführen, während BWV 1053 eine Überarbeitung von drei Kantatensätzen ist, aus denen er wahrscheinlich ein (verlorenes) Orgelkonzert arrangierte. Ein ähn-licher Fall ist BWV 1059, das uns in einem neuntaktigen Fragment in Bachs Originalpartitur bekannt ist. Eine frühere Version des Stückes –ein Orgelkonzert – ist jedoch in Form von drei Sätzen der Kantate Nr. 35 erhalten, „Geist und Seele wird ver-wirret“, die als Grundlage für Masato Suzukis Rekonstruktion des Werks dienten.

Geistliche Musik

Krzysztof Penderecki (*1923)Passio et mors Domini nostri Jesu Christi secundum LucamSarah Wegener, Lucas Meachem, Matthew RoseSlawomir Holland, SprecherWarschauer KnabenchorPhilharmonischer Chor KrakowOrchestre symphonique de Montréal, Kent NaganoBIS-SACD-2287

Krzysztof Pendereckis Vertonung der Passionsgeschichte, wie sie im Lukasevangelium erzählt wird, wurde 1966 uraufgeführt und etablierte sich sofort unter den wichtigsten groß angelegten Chorwerken des 20. Jahrhunderts. Trotz ihrer aus-gesprochen modernistischen Aus-drucksweise sprachen die emotio na-le Kraft, die leuchtenden Farben und die klangliche Wirkung der Musik so-wohl das Publikum als auch die Kri-tiker an, von denen einer die Lukas-Passion als „die wichtigste Brücke zwischen dem Geist der Liturgie und der modernen Musik“ bezeichnete. Stark beeinflusst durch die Passio-nen von J.S. Bach huldigt Penderecki dem großen Komponisten, indem er das BACH-Motiv im gesamten Werk verwendet. Wie Bach hat er seine Passion in zwei Teile gegliedert, wo-bei monumentale Chornummern das Ganze umrahmen.

Pendereckis Partitur ist für ein großes Ensemble gedacht, darunter ein erweitertes Orchester, drei ge-mischte Chöre sowie ein Knaben-chor, ein Sprecher und drei Vokal-solisten (Sopran, Bariton und Bass). Am 20. Juli 2018 trafen sich alle an der Felsenreitschule in Salzburg. Anlass war das Eröffnungskonzert der Salzburger Festspiele, und im Publikum saß der Komponist selbst. Anwesend war auch ein Aufnahme-team unter der Leitung von Robert Suff, Senior Producer bei BIS, und diese SACD ist das Dokument die-ser ganz besonderen Aufführung.

Ralph Vaughan Williams 1872 - 1958)Symphonie Nr. 5 D-DurGerald Finzi (1901 - 1956)Konzert für Klarinette und Streicher, op. 31Philharmonia OrchestraMichael Collins, Klarinette + LeitungBIS-SACD-2367

Der angesehene Klarinettist Michael Collins hat in den letzten Jahren auch als Dirigent Anerkennung ge-funden und trat mit bedeutenden Orchestern auf der ganzen Welt auf. Die vorliegende SACD bietet sein Debüt als Dirigent des symphoni-schen Repertoires, aus dem er Vaughan Williams‘ 5. Symphonie aus-gewählt hat – eines der beliebtes-ten Werke des Komponisten. Die Fünfte wurde während des Zweiten Weltkriegs geschrieben und ist über-raschend gelassen und pastoral, anders als ihr symphonischer Vor-gänger. Vaughan Williams widmete sie „ohne Erlaubnis“ Jean Sibelius – der in seinem Tagebuch seinen Eindruck beim ersten Hören des Werks als „Liebkosung aus einer Sommerwelt“ beschrieb.

Michael Collins als Solist und Dirigent

Auf der vorliegenden SACD folgt Vaughan Williams‘ sein jüngerer Kollege und Freund Gerald Finzi, dem er einmal geraten hat, eine Symphonie zu schreiben: „Das ist immer so einfach“. Finzi war nicht überzeugt und ist nach wie vor als Komponist hauptsächlich von Vokal-musik bekannt. Zu seinen wenigen Instrumentalwerken gehört jedoch ein Konzert für Klarinette, das weit-hin als das gesanglichste von allen angesehen wird. Dafür kehrt Michael Collins zu seiner üblichen Rolle als Solist zurück und dirigiert die Strei-cher des Philharmonia Orchestra von der Klarinette aus.

Edward Elgar (1857 - 1934)Cello Concerto in E-Dur, op. 85Ralph Vaughan Williams (1872 - 1958)Dark Pastoral für Cello und OrchesterDai Miyata, VioloncelloBBC Scottish Symphony OrchestraThomas DausgaardMDG 650 2181-2

Cello spielt Dai Miyata, seit er drei Jahre alt ist, und seit dem Alter von neun hat er alle Wettbewerbe ge-wonnen. Als erster Japaner errang er auch den ersten Preis beim 9. Rostropowitsch - Wettbewerb 2009 und erklomm damit endgültig den Olymp der internationalen Virtuosen-welt. In einer aktuellen Koproduktion mit Denon präsentiert MDG den hierzulande noch viel zu wenig be-kannten Künstler mit einem ganz be-sonderen Programm: Edward Elgars populäres Cellokonzert trifft auf die „Dark Pastoral“, die David Matthews aus unvollendeten Entwürfen von Ralph Vaughan Williams nachemp-funden hat.

Das Cellokonzert ist Elgars letztes vollendetes größeres Werk. Gegen Ende des Ersten Weltkriegs in länd-licher Idylle begonnen, trägt es einen für den britischen Nationalkompo-nisten ungewohnt melan cholischen Tonfall. Die viersätzige Anlage er-innert mehr an ein barockes Con-certo grosso als an die romanti-schen Virtuosenkonzerte.

Ralph Vaughan Williams, Elgars Schüler, hat zu einem geplanten Cello-konzert für den legendären Pablo Casals nur Entwürfe hinterlassen. Lediglich der langsame Satz liegt in einer Reinschrift vor, die jedoch jäh abbricht. In Zusammenarbeit mit der RVW Foundation hat David Matthews daraus ein spielbares Stück gemacht, das er wegen seines elegischen Charakters „Dark Pastoral“ nannte. Das BBC Scottish Symphony Orches-tra trifft unter seinem Chefdirigenten Thomas Dausgaard den Tonfall beider Werke perfekt – ein Glücksfall für Dai Miyata und für die britische Musik.

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CLASS : aktuell Im Blickpunkt

CLASS: aktuell -Magazin 2020/2

Orchester/Kammermusik

Anton Reicha (1770 - 1836)5 Quintette für 1 Blasinstrument und Streichquartett & Grand quatuor concertant op. 104Consortium ClassicumSinfonie Es-Dur, Ouvertüre D-DurSinfonia concertanteIda Bieler, ViolineJean-Claude Gerard, FlöteSinfonieorchester Wuppertal Peter GülkeMDG 301 2179-2 (4 CDs)

Immer schon stand er im Schatten Beethovens, mit dem er zusammen in der Bonner Hofkapelle spielte. Dabei steht Anton Reicha dem Wie-ner Titanen an Kreativität in nichts nach, und Beethoven selbst schätzte seinen gleichaltrigen Kollegen über-aus. Grund genug, zum gemeinsamen 250. Geburtstag ein besonderes Paket zu schnüren: Drei liebevoll produzierte CDs mit Reichas Quin-tetten für je ein Blasinstrument und Streichquartett, dazu eine weitere mit Orchesterwerken ergeben ein Viererpack von weit mehr als nur historischem Wert. Das liegt nicht zuletzt an den famosen Künstlern: Das Consortium Classicum rund um Spiritus Rector Dieter Klöcker ist im-mer eine Bank für hochwertige Kam-mermusikentdeckungen, und Peter Gülke zeigt mit seinem Sinfonieor-chester Wuppertal einmal mehr sein profundes Musikverständnis. Dass ihm mit Ida Biehler und Jean-Claude Gerard für Reichas Sinfonia Con-certante gleich zwei Solisten von Weltrang zur Seite stehen, macht diese Wiederveröffentlichung zu ei-nem erneut spannenden Erlebnis.

Reichas origineller Geist zeigt sich nicht zuletzt im virtuosen Um-gang mit Form und Konvention. Als Verfasser musiktheoretischer und -pädagogischer Werte war er sich der Erwartungen des Publikums durch-aus bewusst. Umso spektakulärer erscheint dann die Ouvertüre D-Dur: Sie steht von vorne bis hinten im 5/8-Takt und bringt so manchen Kenner ins Schmunzeln…

Anton Bruckner (1824 - 1896)Sinfonie Nr. 7Gustav Mahler (1860 - 1911))Sinfonie Nr. 4Christiane Oelze, SopranThomas Christian EnsembleMDG 603 2127-2

Große Musik für kleine Räume – Schönbergs „Verein für musikali-sche Privataufführungen“ machte das möglich. Dass Reduktion der Besetzung ein Plus an Erlebnis be-scheren kann, zeigt das Thomas Christian Ensemble in dieser attrak-tiven Reedition mit der 4. Sinfonie von Gustav Mahler und der 7. von Anton Bruckner. Letztere schlummer-te bis zur Entdeckung durch den Bassisten des Ensembles im Arnold-Schönberg-Archiv – im wahrsten Sin-ne unerhört…

Kurschatten – Erwin Stein, Karl Rankl und Hanns Eisler teilten sich die Bruckner-Bearbeitung, für Mah-ler war Stein allein verantwortlich. Befreit von pastosen orchestralen Farbschichten, erstrahlt die Musik wie nach einer Frischzellenkur. Was einst als Notbehelf gegen schlam-pige Aufführungen gedacht war, gibt auch heute noch neue Einblicke in Substanz und Struktur der inzwi-schen anerkannten Meisterwerke.

Schwebebalken – Zischen und Applaus war in Schönbergs Verein verboten. Wenn die Ausführenden nur halb so gut gespielt haben wie das Thomas Christian Ensemble, wäre es zu Missfallenskundgebun-gen ohnehin wohl kaum gekommen. Christiane Oelze verleiht der himm-lischen Gesangspartie in Mahlers Vierter die notwendige Erdenferne – das Abgründige immer in Sichtweite.

Kammermusik Lied/Kammermusik

Ludwig van Beethoven (1770 - 1827)Werke für Gitarre und KlavierFranz Halász, GitarreDébora Halász, KlavierBIS-SACD-2505

Um 1800 war Wien neben Paris eines der europäischen Zentren für Gitarrenmusik. Das Instrument war gut für die Sprache der Wiener Klassik geeignet und ideal für das heimische Musizieren. Es wurde von Persönlichkeiten wie dem Virtuosen Mauro Giuliani und dem Komponis-ten /Verleger Anton Diabelli gepflegt. Aber Beethoven, der Riese der Wie-ner Musikszene, scheint vom Charme der Gitarre nicht berührt worden zu sein – und komponierte stattdessen für sein Geschwister, die Mandoline.

Beethoven mal korrigiert

Das Ehepaar Halász hat dies nun korrigiert, indem es Beethovens vier erhaltene Stücke für Mandoline und Klavier (WoO 43 und 44) ver-wendet und einige andere frühe Kompositionen adaptiert hat, darun-ter die Serenade in D-Dur für Flöte und Klavier und die Variationen über Mozarts „Se vuolballare“ für Violine und Klavier. Dabei folgen sie dem Beispiel eines bedeutenden Gitar-risten und Zeitgenossen Beethovens, nämlich Ferdinando Carulli, dessen 1825er Arrangement der Variationen über Mozarts „Ein Mädchen oder Weibchen“ das Programm abschließt. Franz und Débora Halász haben zu-sammen und getrennt eine Reihe von Aufnahmen für BIS gemacht, die von der Kritik hoch gelobt wurden, u.a. wurden sie mit einem Grammy für ihr Album Alma Brasileira mit Kammermusikwerken von Radamés Gnattali ausgezeichnet.

Charles Ives (1874 - 1954)In the AlleyLieder und KammermusikJulia Sophie Wagner, SopranSteffen Schleiermacher, KlavierEnsemble AvantgardeMDG 613 2178-2

Charles Ives´ Oeuvre ist ebenso umfangreich wie rätselhaft. Haben „The Unanswered Question“ und „Central Park in the Dark“ so etwas wie Kultstatus erreicht, sind seine Kammermusik und Lieder nahezu un-bekannt. Das Ensemble Avantgarde und die Sopranistin Julia Sophie Wagner machen sich auf die Entde-ckungsreise zu einem Komponisten, der seiner Zeit um Längen voraus war.

Ungewöhnlich und unterhaltsam

Fast gleich alt wie Arnold Schön-berg, war Ives künstlerisch isoliert. Vier Jahre Kompositionsunterricht bei Horatio Parker in Yale hinterlie-ßen deutlich weniger Eindruck als die Jugendjahre mit seinem experimen-tierfreudigen Vater. Dieser ließ als Armeekapellmeister schon einmal mehrere Marching Bands aus un-ter schiedlichen Richtungen auf den Marktplatz von Danbury marschieren – jeweils andere Märsche spielend, natürlich. Das scheinbar kakophone Nebeneinander von Unzusammen-hängendem findet sich denn auch immer mal wieder in den Komposi-tionen des Junior.

Viele seiner Werke liegen in un-terschiedlichen Versionen und Be-setzungen vor. Das träumerische „Remeberance“ findet sich in gleich drei Fassungen auf dieser gleicher-maßen hochkarätigen wie originellen CD. Von ganz romantisch (wie bei „Feldeinsamkeit“) bis zu Gebrauchs-musik („Circus Band“): Bei Ives fin-det sich alles, und mitunter auch alles zu gleicher Zeit.

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Antonín Dvorák (1841 - 1904)Sinfonie Nr. 9, „Aus der Neuen Welt“Akira Ifukube (1914 - 2006)Sinfonia TapkaaraGodzilla (Symphonische Fantasie)Tokyo Philharmonic Orchestra Andrea Battistoni, LeitungMDG 650 2176-2

Ein wahrhaft weltumspannendes Pro-jekt: 2018 veröffentlichte Denon mit der Symphonie Nr. 9 „Aus der Neuen Welt“ von Antonin Dvorák einen echten Publikumsschlager. Dazu spielt das formidable Tokyo Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Andrea Battistoni die „Sinfonia Tapkaara“ von Akira Ifu-kube. Jetzt ist die Produktion dank der Kooperation mit MDG auch au-ßerhalb Asiens erhältlich und zeigt überraschende Gemeinsamkeiten zwischen slawischem Idiom, ameri-kanischer Folklore und den Klängen der Ureinwohner von Hokkaido.

Vor allem durch seine zahlrei-chen Filmmusiken, unter anderem zur legendären „Godzilla“-Reihe, ist Ifukube weltbekannt geworden. „Tapkaara“ bezeichnet einen ausge-lassenen Ainu-Tanz, der das Finale von Ifukubes Sinfonie prägt. Dabei zitiert er nicht originale Ainu-Musik, sondern erfindet ganz neue Themen und Motive, die den Charakter des Tanzes aufnehmen. Damit gleicht er Dvoráks Umgang mit der Musik Amerikas etwa im wunderbar-melan-cholischen 2. Satz, der einem mythi-schen Gesang auf den sagenumwo-benen Irokesenhäuptling Hiawatha nachempfunden ist.

Naheliegend und doch überra-schend: Pentatonische Klänge be-stimmen immer wieder das musika-lischen Geschehen, bei Dvorák wie bei seinem japanischen Kollegen. Sozusagen als Zugabe gibt Battistoni mit seinem groß besetzten Orchester eine „Symphonische Fantasie“ nach der „Godzilla“-Filmserie – ein feurig-attraktives Medley mit dem Besten aus acht Monsterfilmen.

Klavier

Bernd Alois Zimmermann (1918 - 1970)Klavierwerke:Drei frühe Klavierstücke Extemporale, Capriccio Enchiridion I, Enchiridion – Anhang Enchiridion II, KonfigurationenEduardo Fernández, KlavierBIS-SACD-2495

In den 1960er Jahren wurde Bernd Alois Zimmermann mit der Oper „Die Soldaten“ und seinem „Requiem für einen jungen Dichter“ als einer der führenden Komponisten der deut-schen Nachkriegsgeneration bekannt. Diese und andere Werke aus dieser Zeit waren Beispiele für das, was der Komponist selbst als musikalischen Pluralismus bezeichnete – eine höchst individuelle collagenartige Technik, die Zitate und überlagerte Meter, Rhythmen und Zeitebenen umfasst. Die Werke auf der vorliegenden CD – Zimmermanns komplette Produk-tion für Soloklavier – gehen jedoch diesem Schaffen voraus.

Sie entstanden über einen Zeit-raum von nur 17 Jahren und zeichnen eine Reise nach, die mit einem Neo-klassizismus à la Hindemith beginnt – so radikal wie ein junger Student der Musikuniversität Köln während des NS-Regimes sein konnte. Nach sei-nem Kriegsdienst arbeitete Zimmer-mann als freiberuflicher Komponist für Radio, Theater und TV. Dies hat sowohl in „Extemporale“ als auch in „Capriccio“ Spuren hinterlassen, die sieben traditionelle Kinderlieder zu-sammenweben. In „Enchiridion II“ hören wir deutlich den Einfluss der Schönbergschen Zwölftontechnik, die einige Jahre später in „Konfiguratio-nen“ mit ihren subtilen Abstufungen von Dynamik, Artikulation und Rhyth-mus zum Serialismus aufblühte. Anlässlich des 50. Todestages von Bernd Alois Zimmermann im Jahr 1970 tritt der gefeierte spanische Pianist Eduardo Fernández erstmals bei BIS auf und zeigt uns wenig be-kannte Aspekte des Komponisten.

Hélène Grimaud Frühe Aufnahmen Vol. 1Johannes Brahms (1833 - 1897)Sonate Nr. 2 op. 2Sonate Nr. 3 op. 5Sechs Stücke für Klavier Op. 118Robert Schumann (1810 - 1856)Kreisleriana op. 16Hélène Grimaud, KlavierMDG 650 2163-2 (2 CDs)

In einem Doppelalbum präsentiert MDG Hélène Grimauds frühe Auf-nahmen für das Denon-Label aus den Jahren 1985 bis 1992 als Neu-ausgabe, darunter das große roman-tische Repertoire von Brahms und Schumann. Sie zeigen eine eigen-willige, früh vollendete Künstlerper-sönlichkeit, für die die Schublade „Wunderkind“ ganz offensichtlich zu klein gewählt ist.

FrühstartWie spannend, diese Schlüssel-

werke der Romantik unter den Fingern dieser jungen und schon zu Beginn ihrer Karriere besonders talentierten Künstlerin zu hören. Zu Denon kam Grimaud, nachdem sie dem Pariser Conservatoire demonstrativ den Rü-cken gekehrt hatte. Der Mitschnitt eines privat organisierten Chopin-Klavierkonzerts in ihrer Heimat Aix-en-Provence gelangte nach Japan und überzeugte die Manager sofort.

Technische Grenzen kennt Hélène Grimaud ganz offensichtlich nicht. Aber die bis heute äußerst erfolg-reiche, und umjubelte Pianistin ver-steht es darüber hinaus auch, ihr Publikum anzurühren und die emo-tionale Saite zum Schwingen zu bringen. Dass das vor dreieinhalb Jahrzehnten nicht anders war, ruft diese spektakuläre Sonderedition eindrucksvoll in Erinnerung.

Sinfonie

Gustav Mahler (1860-1911)Symphonie Nr. 7 e-MollMinnesota Orchestra Osmo VänskäBIS-SACD-2386

Um die Uraufführung seiner Siebten Symphonie zu arrangieren, erklärte Gustav Mahler sie zu seinem bes-ten Werk, das „überwiegend fröhlich im Charakter“ ist. Sein jüngerer Kollege Schönberg drückte seine Bewunderung für das Werk aus, und Webern betrachtete es als seine Lieblings-Mahler-Symphonie. Trotz-dem bleibt es die am wenigsten gespielte und am wenigsten be-schriebene Symphonie des gesam-ten Zyklus und gilt als rätselhaft und weniger erfolgreich als ihre Ge-schwister. Ein Grund dafür waren die – sogar für Mahler – großen Kont-raste, die sie umfasst: von einem ersten Satz, der die Atmosphäre der vorherigen Symphonie, der „tra-gischen“ Sechsten, fortzusetzen scheint, bis zu einem Finale, das des übermäßigen Triumphs beschul-digt wurde und die Mahler selbst einmal als „helles Tageslicht“ be-zeichnet hat. Zwischen diesen bei-den Polen liefert er nicht weniger als zwei Sätze mit dem Titel Nacht-musik, die ein Scherzo umrahmen, das der Komponist mit „schatten-haft“ bezeichnete.

Mahler sagte bekanntlich: „Eine Symphonie muss wie die Welt sein. Sie muss alles umfassen.“ Die Sieb-te ist diesem Diktum genauso treu wie jede andere seiner Symphonien und bietet eine Fülle von Emotionen, Stimmungen und Farben. Der Kompo-nist nutzt die erweiterten Bläser- und Schlagzeugsektionen des Orches-ters – einschließlich Kuh glocken, Peitschen und Glockenspiel – sowie eine Mandoline und eine Gitarre einfallsreich und verleiht der nächt-lichen Serenade des vierten Satzes einen troubadourartigen Aspekt.