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  • Handbuch Spritzgieen

    vonFriedrich Johannaber, Walter Michaeli

    1. Auflage

    Hanser Mnchen 2001

    Verlag C.H. Beck im Internet:www.beck.de

    ISBN 978 3 446 15632 6

    Zu Inhaltsverzeichnis

    schnell und portofrei erhltlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG

  • sortenahnlich Ein Rezyklat ist sortenahnlich, wenn es Kunststoffsorten enthalt, de-ren Grundpolymere mit dem Kurzzeichen nach DIN ISO 1043 Teil 1ubereinstimmen, die jedoch in den Kennbuchstaben nach DIN ISO1043, Teil 2 bis 4, voneinander abweichen.

    sortenrein Ein Rezyklat ist sortenrein, wenn es aus einem Kunststoff mit glei-cher Bezeichnung nach DIN ISO 1043, Teil 1 bis 4 besteht.

    Typenrein Ein Rezyklat ist typenrein, wenn es aus einem Kunststoff des jeweili-gen Herstellers besteht und nur eine Handelsbezeichnung hat.

    Vermischt Ein Rezyklat ist vermischt, wenn es aus verschiedenen Kunststoffen,mit unterschiedlicher Bezeichnung nach DIN ISO 1043, Teil 1 be-steht.

    Vertraglich Ein Rezyklat wird als vertraglich bezeichnet, wenn es Kunststoffeenthalt, die alle miteinander vertraglich oder teilvertraglich sind.

    Verunreinigt Ein Rezyklat ist verunreinigt, wenn es aus dem vorangegangenenGebrauch Stoffe enthalt, welche die Verarbeitung oder die Ge-brauchstauglichkeit des daraus hergestellten Produkts beeintrachti-gen.

    5.2 ProzessverlaufBeim Spritzgieen werden in seinem vom Ursprung her bekannten VerfahrensablaufSchmelzen von Thermoplasten, Duroplasten oder Kautschuk in einen formgebendenHohlraum eingespritzt, dort verdichtet, abgekuhlt oder zur Reaktion gebracht, umsie dann als Formteil aus dem verwendeten Werkzeug auszuwerfen.

    Es gibt beim Spritzgieen eine Fulle von Prozessvarianten, wie das Umspritzen voneingelegten Teilen, das Erzeugen von Hohlraumen in Spritzgussteilen, das Spritzgie-en von Schaumteilen und Arbeiten mit veranderbaren Hohlraumen wahrend desSpritzgieens und andere. Die Sonderverfahren werden in den speziellen Kapitelnauch vom Ablauf her beschrieben (siehe Kapitel 6). Sie verlangen oft eine spezielleFuhrung des Prozesses.

    Der Spritzgieprozess nutzt in geradezu idealer Weise das besondere physikalischeVerhalten der Kunststoffe. In einem relativ einfachen Prozess werden durch Erwar-men und der dann folgenden Formgebung im Schmelzezustand und anschlieenderAbkuhlung haufig direkt gebrauchsfertige Formteile hergestellt. Im Zentrum einesArbeitsplatzes steht eine Formgebungseinheit, bestehend aus dem Spritzgiewerk-zeug und der Spritzgiemaschine. Rein funktionell ist schon seit 1872 das Aufschmel-zen von Kunststoffen unter Einwirkung von Warme in einem Zylinder-Kolbensystemund die Oberfuhrung der Schmelze unter teilweise sehr hohen Drucken in eineformgebende gekuhlte Werkzeughohlung fur dieses Verfahren bekannt. Nach derAbkuhlung kann das Formteil noch mit einer gewissen Restwarme entformt werden.Den periodisch wiederkehrenden Vorgang nennt man Zyklus.

    Die Spritzgiemaschine wird durch den Trichter auf der Spritzeinheit befullt. Die gutrieselfahigen Formmassen fallen direkt in die Gange einer Schnecke, die sich dreht.

    5 Spritzgieverfahren [Literatur S. 344]300

  • Dabei fordert sie die Formmassen durch die von auen beheizte Zylinderzonen.Die Formmassen werden durch Konvektion (Warmeubergang von Zylinderwandzur Formmasse) und durch Scherwarme aufgeschmolzen. An der Schneckenspitzeangekommen, sollen sie vollstandig in den Schmelzezustand ubergegangen sein.Die erreichte Temperaturhomogenitat liegt je nach Dosierweg zwischen 5 bis30 K. Die axiale Inhomogenitat ist meist um den Faktor 2 bis 3 groer als dieradiale. Die axiale Inhomogenitat ist allerdings sehr ausgepragt vom Dosierweg ab-hangig. Durch den Fordervorgang baut sich vor der Schnecke baut sich ein Druckauf, der Staudruck, der die Schnecke ruckwarts schiebt. Um diesen hohen Druckmoglichst schnell und gleichmaig aufbauen zu konnen, verschliet ublicherweiseeine ringformige Sperre den Schneckenkanal ruckwarts, die Ruckstromsperre. Nacheinem einstellbaren Weg wird die Forderung eingestellt. Vor der Schneckenspitzesammelt sich eine Schmelzemenge, die zum Fullen des Werkzeughohlraums aus-reicht. Ober eine Duse wird eine Verbindung zur Kavitat des in der Schlieeinheitmit groer Kraft zugehaltenen Werkzeug hergestellt. Danach kann sofort oder zueinem wahlbaren Zeitpunkt das Einspritzen erfolgen. Dazu wird mechanisch oderhydraulisch ein Druck von 140 bis 210 bar auf den Schneckenkolben ausgeubt. Vorder Schnecke wirkt ein Druck (spezifischer Spritzdruck), dem Flachenverhaltnisvon Hydro-Kolbenflache und Schneckenkolbenflache entsprechend. Das Oberset-zungsverhaltnis liegt etwa zwischen 7 und 15. So erzeugen vernunftig ausgelegteSpritzgiemaschinen vor der Schneckenspitze einen Druck von etwa 1500 bis2300 bar (10%).

    Durch die Erwarmung oberhalb der Glastemperatur, bzw. oberhalb der Kristallit-schmelztemperatur wird die Beweglichkeit der verhakten und verschlauften Makro-molekule moglich. Auch durch das Erzeugen von Scherkraften beim Einspritzenwird das Abgleiten aufeinander teilweise noch erheblich verbessert, sodass man zueinem ausgezeichneten Flie- und Abbildergebnis kommt.

    In der temperierten (gekuhlten) Kavitat erstarrt die Schmelze (Thermoplaste), hartetaus (Duroplaste) oder vulkanisiert (Kautschuk). Nach einer Kuhl- oder Hartezeit(Vulkanisierzeit) kann das Formteil ausgeworfen werden. Dieser Vorgang wiederholtsich periodisch. Fruher diente zum Einspritzen ein zylindrischer Kolben. Dieser wirdnur noch bei sehr kleinen Schussgewichten verwendet (siehe Abschnitt 7.7.1 ).

    EinspritzvorgangDie drei wesentlichen Phasen des Standardspritzgieverfahrens sind in Bild 5.3 dar-gestellt.

    In der Phase a liegt die Duse am Werkzeug an. Ein Teil der Schmelze ist bereitseingespritzt. Ein Rest befindet sich noch vor der im Vorwartshub befindlichenSchnecke. Diese Phase bezeichnet man als die Einspritzphase. Man kontrolliert sievorzugsweise durch die Steuerung oder Regelung der Schneckenvorlaufgeschwindig-keit. Ein weg- oder zeitabhangiges Signal schaltet bei volumetrischer Fullung derKavitat auf einen druckgefuhrten Restprozess um, dessen wesentlichen Teil dieNachdruckphase ausmacht. Die Phase b zeigt die Schnecke in vorderster Stellung.Dabei druckt die Schnecke auf ein Restmassepolster vor ihrer Spitze, um Schmelzezum Ausgleich des Volumenschwunds durch die Abkuhlung in der Kavitat nachzu-pumpen. Diesen Druck halt man so lange aufrecht, bis die Siegelzeit des Angusseserreicht ist. Als meist engster Fliequerschnitt friert er zuerst ein. Nach dem Siegel-

    5.2 Prozessverlauf 301

  • zeitpunkt (Einfrieren, Ausharten) kann keine Schmelze mehr flieen. DunnwandigeFormteile konnen eher als der Anguss einfrieren.

    Die Nachdruckphase muss druckkontrolliert gesteuert oder geregelt werden. Mit Be-ginn der Schmelzedruckentlastung sind Einspritz- und auch Nachdruckphase been-det. Die Schnecke kann wieder mit dem Dosiervorgang fur den nachsten Zyklus be-ginnen. Bei Verwendung einer offenen Duse bleibt die Duse an der Angussbuchsedes Werkzeugs angelegt, da der Staudruck (Forderdruck) der drehenden Schneckedie Schmelze anderenfalls aus der Duse herausdrucken wurde. Die Dusenheizungmuss so ausgelegt sein, dass die Duse nicht versiegelt. Bei einer Verschlussduse kanndie Spritzeinheit vor Beginn des Dosierens abheben und die druckdichte Verbindungzwischen Duse und Werkzeugangussbuchse aufgegeben werden.

    In der Phase c hat die Schnecke die Masse fur den nachsten Einspritzvorgang do-siert. Die Schnecke steht in hinterer Dosierstellung. Der Weg wird gemessen undder Dosiervorgang gezielt beendet. Sobald die Kuhlzeit (Thermoplaste) oder Aus-harte- bzw. die Vulkanisationszeit (Duroplaste bzw. Kautschuk) beendet sind, offnetdie Schlieeinheit das Werkzeug. Die Trennung der Werkzeughalften erfordert einein besonderen Fallen hohe Nffnungskraft. Das Werkzeug wird um einen einstellba-ren Weg geoffnet und das Formteil ausgestoen. Dabei wird, um das Formteil ausder Kavitat zu stoen hydraulisch, elektromechanisch oder vereinzelt pneumatischein Auswerfmechanismus in Bewegung gesetzt, der die Ausstobewegung durch-fuhrt. Die Formteile konnen herabfallen oder auf dem Auswerfmechanismus verblei-

    5 Spritzgieverfahren [Literatur S. 344]302

    ZylinderTrichter

    SchneckeZylinderkopf

    Werkzeug

    Metering-zone

    Kompressions-zone

    Einzugs-zone

    Formteil

    Angu

    Dse Rckstrmsperre

    A

    B

    C

    Bild 5.3 Drei Phasen im Ablauf des Spritzgieens mit einer Schneckenkolbenmaschinea: Einspritzen, b: Plastifizieren, c: Auswerfen [5]

  • ben und dann manuell oder durch ein Handhabungsgerat entnommen werden. Nachdem Schlieen des Werkzeugs unter hoher Kraft wird der neue Zyklus entsprechendPhase a erneut eingeleitet.

    Prozessparameter wie Drucke, Wege und Geschwindigkeiten sind vielfaltig steuerbaroder regelbar. Sowohl auf der Schlie- wie auf der Einspritzseite sind verschiedeneWege einstellbar. Die wahlbaren Positionen fur die Schnecke wurden in Bild 5.2 imAbschnitt 5.1.2 gezeigt (Begriffserklarung siehe Abschnitte 5.1.2 und 5.1.3 ).

    Druckaufbau und DruckubertragungHochste Anspruche an eine optimale Prozessfuhrung stellt der Druckverlauf imWerkzeug. Ermittelt man die wirkenden Drucke entlang der Prozessstrecke, so stelltman fest, dass der fur die Mahaltigkeit der Formteile entscheidende Druckverlaufim Werkzeug z. B. nicht identisch ist mit Druckverlaufen in der antreibenden Hy-draulik (Bild 5.4) oder mit der am Schneckenlager gemessenen Kraft [5, 8, 9, 10].

    In der Hydraulik erzeugt man zunachst zwei deutlich von einander unterschiedeneDruckphasen. Den erhoht eingestellten Einspritzdruck und einen reduzierten Nach-druck.

    Im Werkzeug kommt der Druck verzogert und reduziert an, pw1 und pw2 in Bild 5.4.Angussfern ist letztlich kaum noch etwas von dem ursprunglich erzeugten Druckver-lauf zu erkennen. Schon beim Einspritzen unterscheiden sich die Druckverlaufe inder Hydraulik und im Werkzeug nicht nur hinsichtlich der Hohe auch der zeitlicheVerlauf ist verschieden. Kompressibilitats- und Deformationsverhalten der Schmelzein Abhangigkeit von der Temperatur haben einen groen Einfluss, so das letztlichaus der Schneckenvorlaufgeschwindigkeit nicht auf die Fliefrontgeschwindigkeit ge-schlossen werden kann.

    5.2 Prozessverlauf 303

    Bild 5.4 Druckverlauf uber der Zeit an verschiedenen Stellen im Spritzgiesystem [1]

  • Nicht gezeigt wird der Druckverlauf im Werkzeug wahrend der Kuhlzeit. Der Druckim Werkzeug sinkt mit zunehmender Kuhlzeit deutlich. Letztlich fallt der Druck imWerkzeug auf Null, wenn der Anguss erstarrt ist und der Nachdruck der Schneckenicht mehr ins Werkzeug ubertragen werden kann. Bei Beginn des Entformens sollder Druck unbedingt bei Null angelangt sein, damit die letzte Phase der Erstarrungund die Entformung ohne aueren Druck erfolgt.

    Dieses zeigt, dass die Formmasse ortlich unter sehr unterschiedlichen Druckbedingun-gen erstarrt. Dadurch konnen Unterschiede bei den inneren Spannungen entstehen.Auch die Masse- und die Werkzeugtemperatur zeigen Inhomogenitaten. Beim Ein-spritzen und Nachdrucken sind Druck-, Zeit- und Temperaturschwankungen system-bedingt vorhanden und interdependent. Einflusse aus der Umgebung und aus demProzess wirken unterschiedlich auf Maschine, Werkzeug und damit auf das Formteil.So zeigen Maschinen und alle Maschinenelemente eine mehr oder weniger ausge-pragte Exemplarstreuung und Hysterese. Davon betroffen sind alle hydraulischenElemente im Nlstrom, alle Temperaturregler und die Motoren fur lineare oder rota-torische Bewegung. Alle Elemente konnen durch Einflusse aus der Umgebung beein-trachtigt werden. Dadurch wird es unmoglich, Werkzeuge von einer Maschine auf einewenn auch scheinbar gleiche andere zu wechseln, ohne die wirksamen Prozessparame-ter zu messen, wenn hohe Anforderungen an die Qualitatskonstanz gestellt werden.Das Spritzgieen hat wie die meisten anderen Prozesse, die thermisch oder rheolo-gisch instationar sind, mit erheblichen Inhomogenitaten zu kampfen. Spritzgieer mus-sen einen erheblichen Aufwand betreiben, um Druck- und Temperaturschwankungenklein zu halten. Den Druckverlauf im Werkzeug kann man so beeinflussen, dass eineoptimale Ausformung und ein ausreichend niedriges Eigenspannungsniveau erreichtwird. Mit Hilfe der messtechnischen Kontrolle des Werkzeuginnendruckverlaufs ge-lingt auch die Reproduzierung der Formteilqualitat auf verschiedenen Maschinen.Dabei sind die Maschinen mit elektromechanischem Antrieb meist leicht im Vorteil,da sie nicht von der Nlkompressibilitat und von Hysterese betroffen sind.

    ZyklusablaufBild 5.5 veranschaulicht das zeitliche Zusammenspiel der Funktionen einer Spritz-giemaschine bei einem Standardzyklus.

    Der obere Teil von Bild 5.5 bezieht sich auf den Ablauf der Arbeitsfunktionen derSchlieeinheit. In diesem Fall schliet ein Hydraulikkolben das Werkzeug und haltden Druck bis zum Ablauf der Kuhlzeit konstant. Wahrend des Schlieens und desEinspritzens werden Schlieeinheit und Werkzeug deformiert (siehe Abschnitt7.4.1.2). Beim Einspritzen atmet das Werkzeug. Die durch die Schliekraft hervorge-rufene Stauchung des Werkzeugs im Bereich der Trennflachen wird durch die Auf-treibkraft ruckgestellt. Wird die Auftreibkraft groer als die Schliekraft, so beginntdas Werkzeug zu offnen. Ab einem Nffnungsweg von einigen 1/100 mm kann durchOberspritzen Grat oder auch Schwimmhaut entstehen. Beides muss unbedingt ver-mieden werden, da uberspritzte Formteile normalerweise den Anforderungen nichtgenugen. Weiterhin entstehen durch Grat und insbesondere durch Schwimmhaut Be-schadigungen der Dichtkanten des Werkzeugs. Diese sind darauf zuruckzufuhren,dass die volle Schliekraft auf die Stahlflachen wirkt, die durch Grat oder Schwimm-haut bedeckt sind, wenn die Auftreibkraft in der Werkzeughohlung abgebaut ist.Der mittlere Teil des Bilds zeigt, dass die Spritzeinheit die Duse wahrend der Ein-spritz-, Nachdruck- und Dosierzeit an das Werkzeug wegen der erforderlichen Dicht-

    5 Spritzgieverfahren [Literatur S. 344]304

  • heit mit relativ hoher Kraft presst (Zeit tA). Bei einer verschliebaren Duse, dieman abheben kann, zumindest bis zum Ende des Nachdrucks (Zeit t0A). Danach folgtdie besonders wichtige Arbeitsfunktion der Schnecke, die beim Einspritzen (pE) aberinsbesondere beim Nachdrucken (pN) wesentlich zur Qualitat des Arbeitsergebnissesbeitragt (unteres Teilbild). Der im Bild 5.5 dargestellte Ablauf ist von Teil zu Teilunterschiedlich und bewegt sich zwischen minimal wenigen Zehntelsekunden undmaximal ggf. einigen Minuten.

    Werkzeugfullvorgang beim Spritzgieen von Thermoplasten, exemplarischIn diesem Abschnitt ist das Fullen der formgebenden Werkzeugkavitat gemeint. DerFullvorgang ist fur die Qualitat der Spritzgussteile von hoher Bedeutung. Anders alsdie Metallschmelzen beim Druckgieen, die von der Anspritzstelle durch die Kavitatbis auf eine gegenuberliegende Wand hindurchschieen, flieen Kunststoffschmelzenin einer so genannten Quellstromung (Bild 5.6) [6, 7, 9, 10, 11, 12, 57].

    5.2 Prozessverlauf 305

    sp

    sp

    sp

    t z

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    Bild 5.5 Zyklusablauf beim Spritzgieen [4]Durchgezogene Kurven: Wege, gestrichelte Kurven: Kraft oder Drucke;tZ: Zykluszeit, tS: Schliezeit Schlieeinheit, t.: Offnungszeit, tA: Anliegezeit Duse (Die Dusekann ggf. langer anliegen, t0A oder immer t

    00A, tP: Pausenzeit, tvor : Spritzaggregat fahrt vor, tzur:

    Spritzaggregat fahrt zuruck, te: Einspritzzeit, tn: Nachdruckzeit, td: Dosierzeit, tk: Kuhlzeit

  • Diese Fliefrontausbildung bleibt im Prinzip bei allen Anschnittarten erhalten undkann entsprechend der Darstellung auch durch alle Arten von Kavitaten und derenVeranderungen entlang des Fliewegs verfolgt werden. Die Schmelze wird beim Ein-stromen unmittelbar der Anspritzstelle folgend in Tangentialrichtung gedehnt und inRadialrichtung geschert. Entsprechend diesen auf sie wirkenden Kraften orientierensich die Makromolekule in der Nahe des Fullpunktes biaxial. In dem gezeigten Bildist zu erkennen, dass die tangentiale Dehnung in einiger Entfernung vom Fullpunkt(Pfeilspitze) fehlt. Hier uberwiegt die Scherung und orientiert die Makromolekule inFlierichtung. Dieses fuhrt dazu, dass bei Berechnungen meist nur Schervorgangeangenommen werden.

    Die Randschichten der Schmelze erstarren an der kuhleren Werkzeugwand. DieserVorgang schreitet wahrend langsamer Einspritzung fort. Bei mittleren bis hohen Ein-spritzgeschwindigkeiten bleibt die Dicke der eingefrorenen Randschicht konstant.Der Einfriervorgang wird durch Friktion ausgeglichen. Dadurch verandern sich dieFliequerschnitte ortlich und zeitlich und die Stromungsverhaltnisse sind instationar.Dieses wird in Bild 5.7 angedeutet. In diesem Bild werden jedoch vorzugsweise die

    5 Spritzgieverfahren [Literatur S. 344]306

    Bild 5.6 Fliefrontausbildung zu verschie-denen Zeitpunkten des Einspritzvorgangesbei einem plattenformigen Formteil [9, 10, 11]

    Bild 5.7 Geschwindigkeitsprofile uberdem Kanalquerschnitt [12, 13]

    Bild 5.8 Geschwindigkeits- und Scher-geschwindigkeitsprofile (Steigung der Ge-schwindigkeitskurve) uber dem Kanal-querschnitt zu verschiedenen Zeitpunktenwahrend der Fullphase [12]

  • Vorgange an der Fliefront dargestellt. Die Haut wird biaxial gedehnt und orientiert.Da sich die Haut in diesem Zustand an die kalte Werkzeugwand anlegt, wird dieseQuerorientierung in einer dunnen Hautschicht eingefroren.

    Im durchstromten Querschnitt im Werkzeug verandern sich in Verlauf der Einspritz-zeit die Geschwindigkeits- und die Schergeschwindigkeitsprofile (Bild 5.8). DasOrientierungsmaximum, auch ein Temperaturmaximum befinden sich im Formteilimmer im Bereich des Schergeschwindigkeitsmaximums. Es wandert mit zunehmen-der Erstarrung der wandnahen Schichten ins Innere. Das bedeutet, dass die Orien-tierungsmaxima mit zunehmender Erstarrung ebenso weiter ins Innere wandern.Daraus folgt, dass angussnah relativ breite, stark orientierte Schichten vorliegen.Zum Fliewegende hin nimmt die Orientierung ab.

    Die Orientierung kann durch die Wanddicke, Masse- und Werkzeugtemperatur, Ein-spritzgeschwindigkeit, Nachdruck und ggf. andere Parameter beeinflusst werden.Orientierungsunterschiede und -uberlagerungen erzeugen Anisotropie der Eigen-schaften. Die Orientierung der Molekulketten hat groen Einfluss auf das Schrumpf-verhalten, auf den Verzug und auch auf einige mechanische Eigenschaften.

    Die vollstandige Beobachtung des Fullvorganges gelingt im Simulationsverfahren(CADMOULD, MOLDFLOW u. auch andere) am Bildschirm mit inzwischen auer-ordentlicher Prazision (siehe Abschnitt 11.2). Die derart gefundenen Prognosen sindbereits bei der Planung von hohem Nutzen und helfen Fehler zu vermeiden. So kannman auch Formteileigenschaften, insbesondere Aussagen uber Orientierung undSchwindung vorhersagen.

    Auch fur Studien und Ausbildung sind simulierte Produktionsprozesse ein wichtigesHilfsmittel, um die Zusammenhange zwischen Prozessparametern und moglichenFehlern sowie der Qualitat schneller und einfacher verstehen zu lernen [32].

    Eine andere, allerdings nur am gefertigten Werkzeug durchfuhrbare Methode ist dieder Herstellung einer sog. Fullreihe [4]. Bild 5.9 zeigt eine Abbildung einer Fullreiheund das entsprechende Ergebnis einer Simulationsrechnung am Beispiel eines Pkw-Kotflugels [19, 31].

    In einem Anspritzversuch beginnt man mit einer erheblich zu niedrig eingestelltenDosierung, die von Zyklus zu Zyklus gesteigert wird. Die entformten Formteile zei-gen das Fortschreiten der Fliefront. Man erkennt, wie Kerne, Durchbruche, Wand-dickensprunge u. a. m. umflossen werden. Auf diese Weise erhalt der SpritzgieerInformationen uber die Lage von Bindenahten, Fehlstellen und Lufteinschlusse. Bin-denahte und Lufteinschlusse konnen sehr storend und qualitatsmindernd sein. Meistist an der oder den Stellen des Lufteinschlusses fur eine besondere Entluftung zusorgen. Entsteht ein Lufteinschluss am Fliewegende, so kann durch den eintreten-den adiabatischen Kompressionssto eine derart groe Lufterwarmung eintreten,dass Schmelzeanteile oberflachlich zersetzt werden (Dieseleffekt, Luftbrenner). Die-ses lasst sich nur durch die richtige Entluftung durch Spalte im Werkzeug nach Quer-schnitt und Lage angepasst verhindern.

    Fur schwerwiegende Werkzeugoptimierungen kommen allerdings die durch Fullrei-hen gewonnenen Erkenntnisse zu spat, da eine gravierende Werkzeuganderung kost-spielig oder ggf. unmoglich ist. Es gibt auch Formteile, die fur eine Fullreihe unge-eignet sind, da sie sich teilgefullt nicht entformen lassen. Deswegen ist die richtige

    5.2 Prozessverlauf 307

  • Entscheidung die, die Werkzeugfullung am Rechner zu simulieren. Nur wenn dannnoch Fragen offen bleiben, kann die Fullreihe Hilfestellung geben.

    Eine besondere Erschwernis fur die Beurteilung der Vorgange direkt an der Maschinebesteht darin, dass von der Schneckenvorlaufgeschwindigkeit nicht unmittelbar aufdie Fliefrontgeschwindigkeit geschlossen werden kann [15, 16]. Die deutliche Kom-pressibilitat der Kunststoffschmelze verzogert den Fluss der Schmelze im Werkzeug.

    Druckverlauf im Werkzeug und Einflussnahme auf den Einspritzvorgang sowieEinfluss auf FormteileigenschaftenMit der Auswahl eines Kunststoffs ist eine Basiseigenschaft fur Formteile getroffenworden. Die Eigenschaften der hergestellten Formteile werden danach nur noch durchdie Verarbeitung und Werkzeug- (Geometrie-)merkmale beeinflusst. Neben Masse-und Werkzeugtemperatur entscheiden der Einspritz- und der Nachdruckvorgang uberden Grad der Ausformung (Mahaltigkeit) und das Qualitatsniveau des Formteils.

    Wie in Bild 5.4 gezeigt wurde, stehen eine Reihe von Druckverlaufen zur Diskussi-on. Tatsachlich spielen sie auch alle eine wichtige Rolle, da auch die anfangs druck-erzeugende Groe fur das Ergebnis am Ende der Stufen bedeutsam ist. Maschinen-

    5 Spritzgieverfahren [Literatur S. 344]308

    Bild 5.9 Nacheinander folgende Fullstadien (Fullreihe) beim Teilfullen eines Kotflugels (a) undim Vergleich dazu das Ergebnis einer Simulationsrechnung (b) [31]

  • seitig konnen nur die Einspritzkraft und die Schneckenvorlaufgeschwindigkeit z. B.uber den Hydraulikdruck oder elektromechanische Vortriebe direkt beeinflusst wer-den. Fur die Beurteilung des Ergebnisses, also der Teilequalitat, ist der Druckverlaufim Werkzeug verantwortlich. Daraus folgt, dass der Hydraulikdruck moglichst so zufuhren ist, dass der fur die Formteilentstehung relevante Werkzeuginnendruck opti-mal verlauft. Andererseits hat haufig gerade der Hydraulikdruckverlauf besonderswenig Rhnlichkeit mit dem Werkzeuginnendruckverlauf. Betrachten wir in Bild 5.10einen charakteristischen Druckverlauf im Hydraulikzylinder und die dazu gehorendeDruckkurve im Werkzeug.

    In der Einspritzphase (t0 bis t1) kann man Einflusse der Reibungswiderstande in derEinspritzeinheit und der Stromungswiderstande in der Duse und im Anguss erken-nen. Der Druckverlauf ist ebenso beeinflusst durch die Schmelzeviskositat wie auchin der Fullzeit t1 bis t3. Der geringfugige Druckabfall danach deutet an, dass dieSchmelzefront die Werkzeughohlung erreicht hat. Auch die Einspritzgeschwindigkeitmacht sich bemerkbar. Die genannten Einflussfaktoren konnen den Druck betracht-lich nach oben oder unten verandern. Der Druck steigt dann mehr oder weniger

    5.2 Prozessverlauf 309

    Bild 5.10 Hydraulikdruckverlauf (beispielhaft) und zugehoriger Werkzeuginnendruckverlaufwahrend eines Spritzgiezyklus [14]

  • gleichmaig bis zur volumetrischen Fullung an. Dieser Fullpunkt auert sich meistals deutlicher Knick in den Verlaufskurven des Hydraulikdrucks und des Werkzeug-innendrucks. Die Einspritzkraft sollte im Allgemeinen unmittelbar vor dem Errei-chen des Fullpunkts von hoch eingestelltem Einspritz- auf den niedrigeren Nach-druck umgeschaltet werden. Am Ende des Einspritzvorgangs erscheint hier eineDruckspitze (bei t3), die nicht nur von der eingestellten Druckhohe sondern auchvom gewahlten Umschaltzeitpunkt abhangt. Bildet sich diese Druckspitze auch imWerkzeugdruck als Kompressionsspitze ab (hier nicht gezeigt), so liegt der Um-schaltpunkt zu spat. Letztlich ist der Druckverlauf im Werkzeug fur die Qualitat desErgebnisses besonders wichtig [3, 4, 5, 9, 16, 18, 22, 23, 24].

    Moderne Spritzgiemaschinen sind in der Lage, Druckverlaufe, auch den im Werk-zeug bei entsprechend vorgesehener Sensorik auf dem Bildschirm der Steuereinheitdarzustellen. Aus diesem Verlauf entnimmt der Spritzgieer optimal seine Informa-tion uber einen gelungenen Prozess. Bei geschlossenen Regelkreisen kann auf dasReproduziergeschehen dieses Druckverlaufs Einfluss genommen werden.

    Die Zuordnung der Qualitatsmerkmale zu einem idealisierten Druckverlauf imWerkzeug ist in Bild 5.11 gezeigt. Dadurch wird die Bedeutung der Druckkurve imWerkzeug fur messtechnische Kontrollen und regelungstechnische Manahmen be-tont. Nahezu alle qualitatsbestimmenden Merkmale werden hier fixiert.

    PVT-DiagrammPhysikalisch vermittelt das PVT-Diagramm besonders gut das Verstandnis fur dasEinspritzen, das Ausformen und das Abkuhlen unter Druck. Dabei geht man davon

    5 Spritzgieverfahren [Literatur S. 344]310

    Bild 5.11 Charakteristische Werkzeuginnendruckkurve mit Hinweisen auf Einflussparameter undbeeinflussten Formteileigenschaften [5]

  • aus, dass der Full- und Kompressionsvorgang naherungsweise durch die mittlereMassetemperatur und den Druck in der Masse beschrieben wird [4, 6, 7, 18,].Bild 5.12 zeigt drei prinzipielle Moglichkeiten der Druckfuhrung am Beispiel einesPVT-Diagramms fur einen amorphen Kunststoff.

    Der Fullvorgang (er ist nicht identisch mit dem Beginn der Einspritzzeit) beginnt beiPunkt 0. Bei isothermem Fullvorgang ist die Kavitat bei Punkt 1 volumetrisch ge-fullt. Hier wird der maximale Einspritzdruck erreicht. Danach beginnt die Kompres-sionsphase. Diese endet je nach eingestellter Druckhohe bei Punkt 2 oder 20, seltenbei 3. Danach verlauft die Druckkurve im Idealfall entlang einer Isobaren bis zumPunkt 4, oder 40 dem Siegelpunkt. Der Verlauf bis zur Isobaren des Normaldruckssoll moglichst isochor verlaufen (von 4 oder 40 bis 5). Die Mahaltigkeit beim Spritz-gieen ist nahezu allein davon abhangig, ob es gelingt, Punkt 4 (40) isochor nachPunkt 5 zu uberfuhren. Die Differenz der Volumina von Punkt 5 bis Punkt 6 verlauftunbeeinflusst. Sie ist jedoch das wichtige Ma fur die Volumenschwindung VS, ausder die Verarbeitungsschwindung SV abgeleitet wird und beschreibt also letztlich dieAbbildgenauigkeit der Kavitat durch die eingespritzte Formmasse.

    VS VS5 VS6VS5 :

    Die lineare Schwindung SV betragt bei gleicher Schwindung in alle drei Raumrich-tungen:

    SV=3 VS :Theoretisch ware das Erreichen des Punkts 3 gunstig. Im Werkzeug erreicht manublicherweise jedoch maximal Drucke zwischen 200 und hochstens 1000 bar. HohereDrucke werden auch vom Werkzeug schlecht beherrscht. Alle hier diskutierten Va-rianten gehen davon aus, dass die Nachdruckphase ideal druckkontrolliert (aktive

    5.2 Prozessverlauf 311

    Bild 5.12 Verfahrensverlauf des Spritzgievorgangs dargestellt am PVT-Diagramm von Polysty-rol fur eine mittlere Abkuhlgeschwindigkeit von 2 K/s, S: Siegelpunkt [4]

  • Nachdruckfuhrung) beeinflusst wird. Normalverlaufe liegen dann vorzugsweise etwaso wie im Bild 5.12 der Verlauf 1-20405. Es gibt jedoch beliebige Abweichungen, dieje nach Formteil gewollt oder ungewollt verlaufen. So verschiebt z. B. die Anhebungder Werkzeugtemperatur den Punkt 5 weiter nach oben. Die Differenz zwischen 5und 6 (Verarbeitungsschwindung) wird zwangslaufig groer oder man muss durchhoheren Druck dagegenwirken. Die Formmasse schwindet von Punkt 5 bis 6 ent-sprechend dem Volumenschwund unbeeinflussbar. Entsprechend gro ist dieSchwindung nach der Entformung.

    Einzig wichtig fur die Konstanz des erwarteten Formteilmaes ist die Frage, ob esgelingt, das Ende der Prozesskurve im PVT-Diagramm von Zyklus zu Zyklus exaktauf denselben Punkt (z. B. Punkt 5) zu fuhren. Jede Abweichung fuhrt zur Maab-weichung.

    Jeder Kunststoff hat sein PVT-Diagramm. Die Druckfuhrung wird durch die Abkuhl-geschwindigkeit erheblich beeinflusst.

    Beim Spritzgieen konnen bis zu etwa 85 Prozessparameter wirksam werden, wennman Sonderfunktionen mit berucksichtigt. Wesentliche Standardparameter, die beijedem Zyklusablauf in Funktion treten, sind in der Tabelle 5.1 aufgefuhrt. Betrachtetman die auftretenden Schwankungsbreiten, so kann man von einem Prozessfenstersprechen [11]. Es gibt eine grobe Obersicht uber die Bedeutung der einzelnen Sys-temkomponenten und die Schwankungsbreiten auch der Prozessparameter. Die Be-deutung einzelner Parameter kann sich je nach zu losender Aufgabe verschie-ben. Z. B. gewinnen die Drehzahl und die Dosierzeit erheblich an Bedeutung, wennes sich um extrem kurze Zyklen handelt und die Dosierzeit in wenigen Sekundenzuverlassig ablaufen muss.

    Erlauterungen zu Angaben in Tabelle 5.1, siehe auch entsprechende Erlauterungen infolgend angegebenen Abschnitten:

    ) Schliekraft (siehe Abschnitt 7.4.1.2): Die Schliekraft muss immer groer sein(ca. 10%) als die zu erwartende Auftriebskraft. Ist das der Fall, dann hat siekeine Wirkung auf die Formteilqualitat. Bei solchen mechanisch schlieendenSystemen, bei denen die Endstellung der Verriegelung nicht vorgegeben ist.(Gleitstutzschuhe, Kugelumlaufspindel in Direktverriegelung, Zahnstangen- Di-rektverriegelung u. R.) spielt ggf. die Qualitat der Schmierung eine Rolle. In sol-chen Fallen muss messtechnisch ermittelt werden, ob die vorgesehene Sollschlie-kraft erreicht wird.

    ) Zuhaltekraft (siehe Abschnitt 7.4.1.2): Erlauterungen siehe zuvor unter Schlie-kraft. Allerdings ist die Zukaltekraft die Kraft, die dem Auftreiben durch diedurch Werkzeuginnendruck erzeugte Auftreibkraft direkt entgegenwirkt. Beiasymmetrischen Belastungen spielt sie eine wichtige Rolle. Die Planparallelitatder Platten ist meist von groer Bedeutung.

    ) Steifheit der Aufspannplatten: Sie sorgt fur gute Anlage der Werkzeughalftenund stutzt diese gegen Durchbiegung beim Einspritzen und Nachdrucken gegendie Wirkung der Auftreibkraft ab. Steife Werkzeugaufspannplatten schonen dieFuhrungen des Werkzeugs und verhindern die Bildung von Schwimmhauten undGrat. Fehlende Steifheit des Werkzeugs kann allerdings nur dann durch Steifheitder Aufspannplatten ersetzt werden, wenn die formgebenden Platten des Werk-zeugs vollflachig aufliegen.

    5 Spritzgieverfahren [Literatur S. 344]312

  • Tabelle 5.1 Prozessfenster beim Spritzgieen mit ublichen Abweichungen vom Sollwert und ge-ordnet nach Wichtigkeit (1 = weniger wichtig, 6 = sehr wichtig)

    Verfahrensparameter erreichbare Bandbreite Wichtigkeit der Groe imProzess1)

    Schliekraft 25% 1Zuhaltekraft/Steifheit derWerkzeugaufspannplatten

    25% 2

    Einspritzdruck 35% 2Drehzahl der Schnecke 24% 2Dosierzeit 28% 2Staudruck 24% 2Einspritzgeschwindigkeit 35% 3Einspritzzeit 25% 3Restmassepolster 25% 3Schmelzetemperatur radial 36 C 4Schmelzetemperatur axial 520 C 4Werkzeugtemperatur ubereine endliche Flache

    520 C 4

    Werkzeugtemperatur imzeitlichen Zyklus

    15 C 5

    Nachdruckzeit 12% 5Zykluszeit 12% 5Nachdruck 13% 6

    1) Je nach zu losender Aufgabe, abhangig vom Formteil konnen sich leichte Verschiebungen derWichtigkeit ergeben.

    ) Drehzahl der Schnecke: Solange die Drehzahl im zulassigen Limit von meist 0,05bis 0,3 m/s (Technische Teile) und bis 1,5 m/s (Hochgeschwindigkeitsspritzgieen)Umfangsgeschwindigkeit bleibt, ist ihre aktuelle Groe ohne groe Bedeutung.Die Drehzahl der Schnecke sollte immer so niedrig wie moglich eingestellt wer-den. Zu hohe Schergeschwindigkeit kann zu Materialabbau fuhren. Wichtig istjedoch die Reproduziergenauigkeit von Zyklus zu Zyklus.

    ) Dosierzeit: Die Dosierzeit muss innerhalb kleiner Grenzen konstant sein, da sonstdie Gefahr von Unregelmaigkeiten bei der Schmelzeaufbereitung besteht. Siesollte stets so gewahlt werden, dass sie die verfugbare Zeit, meist ist das die Kuhl-zeit, vollstandig ausnutzt (siehe Drehzahl der Schnecke). Schwankungen in der Do-sierzeit sind Indiz fur Einzugs- oder Forderschwankungen. Beide beeinflussen dieKonstanz der Schmelzehomogenitat negativ. In Grenzfallen konnte die Zykluszeitbeeintrachtigt werden, wenn nicht innerhalb der Kuhlzeit zuverlassig dosiert wird.

    5.2 Prozessverlauf 313

  • ) Einspritzgeschwindigkeit/Einspritzzeit: Sie sind von groer Wichtigkeit, da sieStoffparameter wie Viskositat (Temperatur der einstromenden Schmelze), Mole-kularabbau, Kristallinitat, Orientierung der Oberflachenschicht im Formteil unddie Formteileigenschaften wie Oberflachenqualitat direkt beeinflussen.

    ) Restmassepolster: Solange am Ende der Nachdruckzeit noch ausreichend Rest-massepolster vorhanden ist, hat dieses keine Auswirkungen auf die Formteilquali-tat. Im Grenzbereich ist die Auswirkung jedoch sehr ausgepragt und fuhrt zustarken Gewichtsschwankungen des Formteils. Ohne Restmassepolster ist daskontrollierte Spritzgieen meist unmoglich. Selbst beim Silikon- und Duroplast-spritzgieen wendet man es an. Dabei halt man den Dosierweg mit besonderenManahmen sehr konstant. Ein groes Restmassepolster muss vermieden wer-den, da die Kompressibilitat der Kunststoffschmelze zu Schwankungen des Form-teilgewichts fuhren kann.

    ) Schmelzetemperatur radial/Schmelzetemperatur axial: Die Temperatur der Schmel-ze, auch ihre Inhomogenitat ist ein wesentlicher Einflussfaktor auf die Formteilqua-litat. Einspritzvorgang und Abkuhlverhalten (innere Spannungen) werden beein-flusst. Ober die erreichbare Homogenitat gibt es weitverbreitet falsche Vor-stellungen. Dies liegt daran, dass die Schmelzetemperatur selten gemessen wird undman von der angezeigten Zylindertemperatur falschlicherweise auf gleiche absoluteHohe und gleiche Toleranzen der Schmelzetemperatur schliet. Besonders grosind die axialen Inhomogenitaten. Dieses ist u. a. ein Argument fur die Anwendungvon Schnecken mit relativ groemDurchmesser und kleiner Dosierwege (

  • schiede auftreten. Magebend sind dafur die Passungen und die rein zufallige Ge-radheit der Schnecke. Man sollte davon ausgehen, dass es keine gerade Schnecke gibt.Schnecken sind alle unterschiedlich krumm!

    5.2 Prozessverlauf 315

    Bild 5.13 Zusammenhang zwischen Hydrau-likdruck und spezifischem Spritzdruck vor derSchnecke, gestrichelte Linie effektiv erreichbarerDruck nach Abzug der Reibungsverluste vonca. 5% [33]

    Bild 5.14 Beeinflussung des Druckes im Hydraulikkolben durch verschiedene Einflusse [3]a: Fullpunkt nicht erkennbar, da hoher Fullwiderstand, b: Normalverlauf, Fullpunkt erkennbar,da niedriger Fliewiderstand in Duse, Anguss und Kavitat, c: unterschiedliche Fliewiderstandebis zur volumetrischen Fullung, z. B. durch Wanddickensprunge

  • In Bild 5.10 im Abschnitt 5.2 wurde bereits aufgezeigt, dass der Hydraulikdruck uberrelativ wenig Aussagefahigkeit uber das Geschehen im Werkzeug verfugt.

    Vom erzeugten Einspritzdruck geht meist ein erheblicher Teil als Druckverlust im Hy-drauliksystem, im Schneckenkolbensystem in der Duse und vor allem im engen Angussverloren. Der Hydraulikdruck baut sich in Hohe des eingestellten Wertes nur dann auf,wenn er in voller Hohe zum Oberwinden der Druckverluste in der Duse, im Anguss, inder Werkzeughohlung und durch Reibung verbraucht wird (Bild 5.14a). Dieser Zu-stand ist meist nicht erwunscht, da man in eine Phase des unkontrollierten Einspritzensgerat. Kontrolliert Einspritzen kann die Maschine nur, wenn uber die Druckverlustehinaus noch Reserve zur Verfugung steht. Das Bild 5.14b zeigt den Idealverlauf [3].Insbesondere erhalt man ein deutliches Signal fur die volumetrische Fullung. DerKnick zu Beginn der Nachdruckphase zeigt sie an. Ein derartiger Verlauf ist meistsehr genau durch Steuerungs- oder Regelungsmanahmen zu reproduzieren.

    Wanddickensprunge in der Kavitat oder andere Querschnittsveranderungen bildensich im Einspritzdruckverlauf ab, sofern die Einspritzgeschwindigkeit einigermaenkonstant ist (Bild 5.14c).

    Einflusse weiterer Parameter auf den Hydraulikdruckverlauf werden in Bild 5.15 ge-zeigt.

    5 Spritzgieverfahren [Literatur S. 344]316

    Bild 5.15 Einfluss verschiedener Parameter auf den Hydraulikdruck [3, 5]

  • Wahrend der Einfluss unterschiedlicher Einspritzgeschwindigkeiten korrekt hierSchneckenvorlaufgeschwindigkeit meist bekannt ist, werden die Einflusse der Hy-draulikol- und Massetemperatur oft nicht beachtet. Naturgema muss die Viskositatdes Hydraulikols einen Einfluss auf den Hydraulikdruck haben. Deswegen ist es zurEinhaltung der Produktionskonstanz erforderlich, die Nltemperatur von Produkti-onsbeginn an konstant zu halten. Dieses erfordert ein Vorheizen des Nls durch denBetrieb der Maschine oder durch externe Temperierung.

    Naturlich kann man ggf. den Einfluss einer veranderten Werkzeugtemperatur auchim Hydraulikdruckverlauf beobachten. Die hier gezeigten Abweichungen bei veran-derten Parametern weisen auf mogliche Defizite des hergestellten Formteils hin. Siesind aber gleichzeitig Indiz fur gezielte Manahmen durch Regeln oder Steuern desHydraulikdrucks, um Korrekturen einzuleiten.

    Irregularitaten werden auch erkennbar [3] (Bild 5.14). Dazu gehoren Freistrahlbil-dung, Stick-Slip- Vorgange beim Flieen der Schmelze in der Kavitat, Druckschwan-kungen in der Hydraulik, wie auch Schwingungen beim Umschalten auf Nachdruckoder Einzugsschwankungen beim Dosieren. Druckschwankungen sind grundsatzlichnicht erwunscht und machen Gegenmanahmen verschiedenster Art erforderlich.

    Diese Betrachtung erscheint wichtig, ist aber insofern von akademischem Interesse,weil in den registrierten Prozessparametern vorzugsweise auf Druckverlaufe imWerkzeug geachtet wird. Andererseits ist die Druckmessung in der Hydraulik erheb-lich einfacher als im Schneckenvorraum oder im Werkzeug. Druckschwankungenbeim Dosieren konnen auch durch Messung der Drehzahl uberwacht werden.

    5.2.1.2 Staudruck

    Das Dosieren der Schnecke ist in besonderem Mae vom Staudruck und der Dreh-zahl abhangig. Der Staudruck wird meist in der Weise erzeugt, dass das Nl aus demHydraulikzylinderraum uber einen kontrollierbaren Drosselspalt entweicht. Diedurch die Schneckenforderung entstehende Ruckwartsbewegung baut dabei einen

    5.2 Prozessverlauf 317

    Bild 5.16 Irregularitaten im Hydraulik-druckverlauf [3, 5]

  • Druck auf. Dieser Druck muss kontrolliert, gesteuert oder geregelt werden. DerStaudruck benotigt bis zum Aufbau auf die eingestellte Hohe Zeit. Diese ist vonKunststoff zu Kunststoff verschieden und abhangig vom Schneckendurchmesser.Man kann davon ausgehen, dass die Druckaufbauzeit bei 5 bar Staudruck 0,2 bis0,4 s und bei 30 bar Staudruck etwa 0,6 bis 0,8 s sind. Bei sehr kurzen Dosierzeitenkann man infolgedessen nur einen maximal erreichten Staudruck angeben. Fur dieHomogenitat der Schmelzetemperatur ist das regelmaige Erreichen der Eckwertenach Zeit und Hohe sehr wichtig.

    5.2.1.3 Druck vor der Schneckenspitze

    Alle Aussagen zum Druck in der Hydraulik konnen auf den Druck vor der Schne-ckenspitze ubertragen werden. Die Unterschiede in der Verlaufscharakteristik wurdebereits in Bild 5.15 aufgezeigt. Der Druckverlust im System Hydrokolben, Schne-ckenlagerung sowie Schnecke und Sperrring im Zylinder betragt durch Reibung ca.10 bis 20 bar. Die Messung des Drucks vor der Schneckenspitze ist durch hitzebe-standige Drucksensoren moglich. Deren Anfalligkeit ist jedoch hoch, sodass meistdarauf verzichtet wird.

    5.2.1.3.1 Einspritzdruck/EinspritzenWahrend des Einspritzens wirkt der Einspritzdruck. Dieses ist vereinbarungsgema(DIN 24450) der Druck, den die Schnecke auf die Formmasse beim Einspritzen aus-ubt. Dieser Druck hat drei Widerstande zu uberwinden. Zunachst den Fliewider-stand der Duse und im Angusssystem. Diese sind im Rahmen der Temperatur- undStoffschwankungen konstant. Dazu kommt der mit zunehmendem Flieweg anstei-gende Widerstand, den die Schmelze durch Einstromen in die Kavitat zu uberwin-den hat.

    Wie in Bild 5.17 gezeigt wird, entscheiden sich in der Einspritzphase einige wichtigeQualitatsmerkmale des hergestellten Spritzgussteils. Deswegen ist eine prazise Fuh-rung oder Kontrolle des Einspritzens, insbesondere der Einspritzgeschwindigkeit er-forderlich. Es gibt eine Fulle heute angewendeter Methoden der Druck- und Ge-schwindigkeitsfuhrung sowie der Zeit- und Mengenbegrenzung in dieser Phase, diemit dem Ziel der Ergebnisoptimierung eingesetzt werden konnen. Nicht alle ange-wendeten Methoden sind fur die Qualitat gleich gunstig.

    Geht man in der Betrachtung einmal kurz zuruck in eine Zeit, als man gerade vonder direkt-manuellen Betatigung des Einspritzkolbens oder der manuellen auf We-ge-Steuerung ubergegangen war: Oberspritzungen mit allen negativen Folgen fur dieTeilequalitat und Beschadigungen des Werkzeugs, insbesondere in der Trennebenewaren an der Tagesordnung. Der ungunstige Druckverlauf und unzuverlassiges Tref-fen des gunstigen Umschaltpunkts fuhrte zu Druckspitzen am Ende der Kompressi-onsphase und zur Grat- und Schwimmhautbildung.

    Die manuelle oder auch die geratetechnische Kontrolle war anfanglich sehr unzurei-chend. Also versuchte man ,vorsichtig einzuspritzen. Das hie, so langsam wie mog-lich, um nur keine Oberspritzung zu erzeugen. Aber auch mit der ersten wegabhan-gigen Umschaltung war dieses Problem nicht beseitigt. Die wegbetatigten Schalterder ersten und zweiten Generation hatten Schaltwege zwischen 0,5 und 2 mm. Da

    5 Spritzgieverfahren [Literatur S. 344]318

  • die Kompression der Schmelze bei volumetrischer Fullung bei schnellem Einspritzenggf. in Bruchteilen von einer Sekunde erfolgt, traf man den Umschaltpunkt nur un-zureichend genau und nicht gleichmaig. So wurde bis etwa 1975 notgedrungen auchbei wegabhangiger Umschaltung durchweg mit Niederdruck eingespritzt und haufigerst nach der volumetrischen Fullung auf erhohten Nachdruck umgeschaltet. Als Al-ternative bietet sich an, das Dosiervolumen so zu wahlen, dass kein Restmasse-polster vorhanden ist. Der Dosierweg bestimmt dann, und zwar sehr unzureichendden Grad der Formmasseverdichtung bei Ende des Einspritzens. Die Gleichmaig-keit kann durch Leckagen, z. B. an der Auflageflache zwischen Duse und Anguss-buchse, durch auslaufende Masse aus der nicht anliegenden offenen Duse und durchDefekte der Ruckstromsperre aber auch durch Rnderungen der Dosierendstellungbeeintrachtigt werden. Auch Temperaturschwankungen konnen dabei den Umschalt-punkt verschieben oder zu ungleichmaiger Massevorlage fuhren.

    Nach heutiger Beurteilung ist dieses druck- (druckbestimmte) oder dosierwegkon-trollierte Einspritzen fur das Qualitatsspritzgieen nicht geeignet. Trotzdem wird esimmer noch angewendet. Besser ist es, geschwindigkeitskontrolliert einzuspritzenund rechtzeitig auf Druckfuhrung umzuschalten. Das gelingt nur bei einer Druckein-stellung in der Einspritzphase mit genugend Reserve nach oben.

    Die Scherung in Duse und Anguss erzeugt Scherwarme in der einstromenden Form-masse und eine nicht zu vernachlassigende Temperaturerhohung DTM [6, 10, 20, 24].

    5.2 Prozessverlauf 319

    Bild 5.17 Einfluss des Einspritzvorgangs auf Formteileigenschaften

  • Dabei ist

    DTM Dpr cp ,

    wobei Dp das Druckgefalle ist, q die Dichte und cp die spez. Warmekapazitat bei TM.

    Der Temperaturanstieg ist von Kunststoff zu Kunststoff unterschiedlich etwa 3 bis4

    C je 100 bar Druckverlust. Da Druckverluste in der Duse und im Angusssystem

    bis ca. 800 oder auch 1000 bar betragen konnen, ist die Schererwarmung um ca. 30bis 40 C fur das Flieen ein bedeutender Beitrag, fur die thermische Belastung ggf.aber auch problematisch. Der erwartete Druckverlust wird durch Computersimula-tion leicht ermittelt. Ein gemessener Druckverlauf lasst die Abschatzung des maxi-mal eingetretenen Temperaturanstiegs auch zu.

    Die Kristallinitat kann durch Scherung beeinflusst werden. Zunehmende Scherungund vor allem der Kompressionsdruck am Ende des Fullvorgangs induzieren dieKristallitbildung.

    Mit der Einspritzgeschwindigkeit steigen das Schergefalle in Wandnahe und damitdie Molekulorientierung teilweise in betrachtlichem Mae. Diese Orientierung stelltsich wegen der raschen Abkuhlung in Wandnahe nur noch wenig zuruck und wirdeingefroren. Dadurch werden die Schwindung und speziell ggf. Schwindungsunter-schiede beeinflusst.

    Die Teileoberflachenqualitat, die Bindenahtausbildung eingeschlossen profitiert i. A.von zunehmender Einspritzgeschwindigkeit. Allerdings ist eine zugige Werkzeug-entluftung erforderlich, da die in der Werkzeughohlung befindliche Luft sich beiKompression so stark erwarmt, dass partielle Verbrennung der Formmasse moglichist. Hat zuvor beim Durchstromen der Engstellen eine starke Schererwarmung statt-gefunden, so uberlagern sich die Temperaturbeanspruchungen. Verbrennungendurch komprimierte Luft markieren sich als gelbe bis braun-schwarze Markierungen.Es ist eine oberflachliche Kunststoffzersetzung, die sehr storend an den Stellen auf-treten, die zuletzt gefullt werden. Allerdings muss beachtet werden, dass eine Festig-keitsbeeintrachtigung einer Bindenaht durch Abbau an derartigen Stellen bereitseingetreten sein kann, bevor Verbrennungen sichtbar sind.

    Auch bei Duroplasten und ganz besonders bei Elastomeren kann durch uberhitzteLuft eine die Qualitat deutlich beeintrachtigende Storung entstehen. Man legt zurVermeidung haufig ein Vakuum an die Werkzeugkavitat an, um diese Defekte durchEinspritzen in den nahezu evakuierten Hohlraum zu vermeiden.

    Die Einspritzgeschwindigkeit hangt bei gefuhrtem Prozess von der Leistungsfahig-keit des Antriebs ab. Fur einen hydraulischen Antrieb besteht eine einfache Bezie-hung zwischen Menge und Druck. Das Produkt aus Nlvolumenstrom QH und dembeim Einspritzen wirkenden Druck pH ergibt die Einspritzleistung: PE = QH pH.Bei normalen Anforderungen wird nur ein Teil dieser Leistung gebraucht. Dick-wandige Formteile fullt man haufig relativ langsam. Wahrend dabei die einwand-freie Abbildung der Werkzeugkavitat meist gelingt, entstehen bei dunnwandigenFormteilen leicht Irregularitaten von so genannten Schallplattenringen am Flie-wegende bis zu Fehlstellen. Die so genannten Schallplattenringe werden als Stick-Slip-Erscheinung der an der kalten Werkzeugwand erstarrenden aber nicht haften-

    5 Spritzgieverfahren [Literatur S. 344]320

  • den Schichten erklart. Die oben genannte Beziehung lasst vermuten, dass Nlmen-ge und Druck moglicherweise nicht bis zu den jeweiligen Maximalwerten gleich-zeitig zur Verfugung stehen. Tatsachlich sind hydraulische Antriebe in der Regelnicht auf einen Maximalwert QH pH ausgelegt. Bild 5.18 zeigt schematisch, dassein sog. Leistungsloch besteht. Die Schneckenvorlaufgeschwindigkeit vSmax bleibtab etwa 2=3 tel des Maximaldrucks nicht mehr auf dem vorgesehenen Maximalni-veau [5, 14].

    Auch durch Regelungsmanahmen kann der ideal linearisierte Verlauf einer hohenSchneckenvorlaufgeschwindigkeit (vs eff hoch, gestrichelte Kurve) nicht bis zum Maxi-maldruck realisiert werden. Jenseits des Knickpunktes arbeitet die Maschine zuneh-mend druckkontrolliert. Damit wird der Einspritzprozess storgroenanfallig (Einflussvon Viskositatsunterschieden der Schmelze und des Hydraulikols oder ggf. andere)Je niedriger die Einspritzgeschwindigkeit ist, desto weiter reicht der linearisierte Ver-lauf (vs eff niedrig, strichpunktierte Kurve)

    Auch elektromechanische Antriebe haben ein vergleichbares Leistungsloch [14]. Eswurde an Maschinen gemessen, dass der Leistungsknick schon bei etwa 50 bar Maxi-malbeanspruchung einsetzte [14]. Dieser Abfall hangt allein von der Groe der in-stallierten elektromotorischen Leistung ab. Theoretisch kann man soviel Leistunginstallieren, dass es gegen 0 geht. In Praxis geschieht das aus wirtschaftlichen Ober-legungen heraus nicht.

    Ratsam ware es, sich vom Maschinenhersteller zuverlassige Auskunft uber die Berei-che konstanter Einspritzleistung geben zu lassen, in denen die jeweilige Maschinegeschwindigkeitsreguliert arbeiten kann. Dieses gilt insbesondere fur die Falle, in de-nen die Qualitat der Formteile spurbar vom Einspritzvorgang beeinflusst wird.

    Sehr haufig ist der Einfluss der geschwindigkeitsabhangigen Prozessparameter oderletztlich der Qualitatsmerkmale nicht vorrangig (siehe Tabelle 5.1), sodass der Pro-zessablauf auch bei leicht streuenden Einspritzgeschwindigkeiten brauchbare Teilezulasst.

    5.2 Prozessverlauf 321

    Bild 5.18 Zusammenhang zwischen Schneckenvorlaufgeschwindigkeit vS und HydraulikdruckpH [40]

  • Bildet man das Integral Druck entlang des Einspritzwegs, so erhalt man einen Kenn-wert, der mit rheologischen Groen sehr gut korreliert. Die Einspritzarbeit WE kannsogar als Regelgroe eine Rolle spielen [21 25, 26, 27, 28]. Dabei ist

    We AHKs2s1

    pHs ds ,

    oder

    We ASKs2s1

    pSs ds ,

    We ASKs2s1

    pWs ds ,

    wobei AHK die Hydraulikkolbenflache ist, ASK ist die Schneckenkolbenflache, s1 s2der Einspritzweg, pH der Hydraulikdruck, pS der Druck vor der Schneckenspitze,(siehe Bild 10 in Abschnitt 3.8.1.5).

    Diese Werte werden durch die Maschine und das Werkzeug beeinflusst und geltenimmer nur fur einen Arbeitsplatz (Maschine und Werkzeug). Weniger gebrauchlichist die Auswertung obiger Werte aus dem Druckverlauf im Werkzeug [25] (pw Werkzeuginnendruck). Diese Version hat den Vorteil, dass die Fullarbeit, der Full-index und auch nur der Fulldruck reprasentativ fur das spezielle Werkzeug jedochunabhangig von der Maschine sind.

    Der Fullindex [21, 26, 27, 28] ist ein Integral Druck uber einem Zeitabschnitt t1 bist2. Bei dieser Vorgehensweise sollen die Irregularitaten im Verlauf der Druckkurvezu Beginn und am Ende des Einspritzens umgangen werden. Gerade zu Beginn desEinspritzens treten oft starke Schwankungen im Druckverlauf auf. t1 beginnt kurzeZeit nach Einspritzbeginn und t2 vor dem Erreichen der volumetrischen Fullung.Der Fulldruck kann nur dann ermittelt werden, wenn die Formmassekompressionam Ende des Fullvorgangs mit einem deutlichen Druckanstieg verbunden ist (sieheBild 10 im Abschnitt 3.8.1.5).

    Eine wichtige Messgroe fur den Einspritzvorgang ist die Einspritzzeit te. Als Ma-schinengroe ist sie leicht messbar. Sie wird auf der Einstellseite einer Maschinen-steuerung angezeigt. Diese Zeit ist nicht mit der Fullzeit der Kavitat identisch [10,19, 33]. Stromungs- und Kompressionsverluste fuhren zu deutlichen Verschiebungenund Unterschieden [15, 16].

    Mit der volumetrischen Fullung beginnt der Kompressionsvorgang. Er hat eine be-sonders groe Bedeutung, wie es zuvor beschrieben wurde.

    Seit jeher ist entsprechend der besonderen Bedeutung und der Interessenlage zurAufklarung von Phanomenen versucht worden, den Stromungsvorgang beim Ein-spritzen sichtbar zu machen [13, 22, 34]. Eine neue Methode verwendet Stron-tium-Ferrit als magnetisches Pulver zur Darstellung dreidimensionaler Stromungenim Angussbereich von Spritzgiewerkzeugen. Mit einem Eisenkern und einerSpule detektiert man den Schmelzeverlauf, der in etwa einem Tonband entspricht[23].

    5 Spritzgieverfahren [Literatur S. 344]322

  • 5.2.1.3.2 KompressionsdruckMit Ende der volumetrischen Fullung der Kavitat beginnt der Druck in der Schmel-ze vor der Schneckenspritze und im Werkzeug sprungartig anzusteigen. Diese Phase,die dann mit der Nachdruckphase endet, nennt man Kompressionsphase. Der ent-sprechende Druck ist der Kompressionsdruck. Meist meint man den kritischen Spit-zenwert (siehe Bild 5.7 im Abschnitt 5.2).

    Dieser Druck belastet das Werkzeug und die Schlieeinheit insbesondere, wennDruckspitzen auftreten. Durch rechtzeitige Umschaltung auf Nachdruck mussen be-lastende Spitzenwerte vermieden werden.

    5.2.1.4 Werkzeuginnendruck

    Der Formteilbildungsprozess hangt in besonderem Mae vom Druckverlauf in derformgebenden Kavitat des Werkzeugs ab. Die drei Phasen des Formteilbildungsvor-gangs, die Fullphase, die Kompressionsphase und die Nachdruckphase lassen sich be-sonders gut durch den angussnah gemessenen Werkzeuginnendruckverlauf beschrei-ben (Bild 5.19).

    5.2 Prozessverlauf 323

    Bild 5.19 Hydraulik- und Werkzeuginnendruckverlauf beim Spritzgieen

  • Die Einflusse des Werkzeuginnendrucks zielen insbesondere auf die Schwindung,die Mahaltigkeit, den Verzug, die Lunker- oder Einfallstellenbildung, die Orientie-rung im Innern, die Kristallistion und das Entformverhalten (siehe Bild 5.11 in Ab-schnitt 5.2).

    Werkzeuginnendruck in Abhangigkeit von der Struktur des KunststoffsZwischen amorphen und teilkristallinen Thermoplasten bestehen Unterschiede in ih-rer Kompressibilitat. Der Druckverlauf reagiert darauf.

    So entsteht beim Spritzgieen von amorphen Kunststoffen, wie PS, ABS, SAN,PMMA, PC und PVC ein schneller Druckabfall durch schnelle Erhohung der Visko-sitat bei Abkuhlung. Dadurch wird die Druckubertragung sehr schnell behindert. Eskann ein Druckverlauf nach Bild 5.20 entstehen.

    Anders verhalt es sich bei teilkristallinen Kunststoffen, z. B. PE-HD, PP, PA undPOM. Der Druck bleibt bis zum Erreichen des Kristallitschmelzpunktes langer aufhohem Niveau, da eine vergleichsweise niedrigere Viskositat vorliegt. Nach demEinfrieren entsteht ein steiler Druckabfall. Dieser wird durch eine ausgepragte Volu-menkontraktion im Feststoffbereich wahrend der Kristallisation hervorgerufen.

    Werkzeuginnendruck in Abhangigkeit von der Entfernung zum AngussEs ist zu prufen, an welcher Stelle entlang des Fliewegs im Werkzeug gemessenwerden soll. Bei der Auswahl des Messorts gilt immer abzuschatzen, an welcher Stel-le die Schmelze zuerst und wo sie zuletzt einfriert. Der Druckverlauf im Werkzeugwird wahrend der Fullphase erst dann erfasst, wenn die Fliefront der Schmelze denDruckaufnehmer erreicht hat.

    In Anschnittnahe, im Bereich der groten Wanddicke, wird meist eine aussage-kraftigere und langer anhaltende Information erzielt, da diese groere Wanddickezuletzt erstarrt und die Information uber den Druckverlauf von Fullbeginn anvorliegt.

    5 Spritzgieverfahren [Literatur S. 344]324

    Bild 5.20 Werkzeuginnendruckverlauf (Prinzipdarstellung) beim Spritzgieen von teilkristalli-nen und von amorphen Kunststoffen [33]

  • Nachteile einer angussfernen Messung sind Folgende:

    die Schmelze erreicht den Aufnehmer spat,

    keine Messung in der Fullphase moglich,

    die Messung in der Kompressionsphase ist unvollstandig, da der Druckaufnehmer

    am Rand der Kavitat am Ende der Druckaufbaukette liegt.

    Vorteile einer angussfernen Messung sind Folgende:

    kontrollierte druckabhangige Umschaltung moglich.

    Schutz von z. B. von Gewindespindeln oder Kernzugen vor Beschadigung durch

    Druckspitzen (druckabhangige Umschaltung)

    Vermeidung von Gratbildung und Oberspritzen leicht moglich

    Werkzeuginnendruckmessung im BypassEine Messung im Bypass ist nur dann erforderlich, wenn der Druckgeber aus Platz-grunden nur an einer solchen Stelle untergebracht werden kann.

    Dabei sind folgende Regeln einzuhalten, um ein aussagefahiges Messsignal zu erhal-ten [33]:

    Die Anschnittdimension im Bypass muss gleich den vorhandenen Querschnittender Kavitat sein.

    5.2 Prozessverlauf 325

    tp

    Dru

    ckp

    Zeit t

    angunah

    angufern

    Bild 5.21 Druckmessung in der Kavitatangussnah, bzw. angussfern [33]

    Bypa

    AnguVer-

    teiler

    Bild 5.22 Druckmessung im Bypass [33]

  • Die Abmessung der zusatzlichen Messkavitat soll im Durchmesser mindestensdem Druckaufnehmer entsprechen und

    die Wanddicke des Bypasses muss der groten Wanddicke des Spritzgussteils an-gepasst sein, um eine zeitliche Information zu erhalten, die der Messung imFormteil entspricht.

    5.2.1.5 Umschalten von Einspritz- auf Nachdruck

    Das prazise Umschalten von Einspritzen auf Nachdrucken ist fur den Erfolg des ein-zelnen Spritzgiezyklus von besonderer Bedeutung, die Wiederholgenauigkeit desVorgangs fur die Qualitat der gefertigten Menge. Dabei geht es darum, von der dy-namischen Fullphase zu einem quasistatischen Nachdruckvorgang einen so geartetenObergang zu finden, dass einerseits optimale Abbildung der Kavitat erreicht wird,andererseits aber Oberlastungen der Schlieeinheit und des Werkzeugs vermiedenwerden. Dazu bedarf es eines gunstigen Verlaufs der Kompression der Formmasse,die mit volumetrischer Fullung einsetzt. Maschinenseitig erfordert das eine Umschal-tung von Einspritzdruck auf Nachdruck oder einer optimierten Druckverlaufscharak-teristik. Wesentlich ist es auch, Schwankungen des Umschaltpunkts und des Kom-pressionsdrucks zu vermeiden. Derartig verursachte Unstetigkeiten sind dieHauptursache fur Schwankungen des Nachdruckverlaufes im Werkzeug. Da jederUmschaltvorgang eine Obergangszeit vom Auslosen des initiierenden Signals biszum Erreichen des angestrebten Sollwertes aufweist, bedarf es einer vorauseilendenManahme, um ungunstiges Oberschwingen zu vermeiden [36]. In Bild 5.23 sind ei-nige mogliche Druckverlaufe prinzipiell beschrieben. Der mittlere zugige Obergangvon Full- in die Nachdruckphase muss angestrebt werden.

    Dargestellt ist ein idealer Obergang. Es ist bekannt, dass neben dem Werkzeug auchdie einzelne Maschine zu einer individuellen Verlaufskurve gerade im Umschaltbe-reich fuhrt. Dieses bedeutet, dass es bis heute keinen solchen durch Umschalten er-reichten Druckverlauf gibt, den man nach objektiven Kriterien als optimal bezeich-nen kann.

    5 Spritzgieverfahren [Literatur S. 344]326

    Bild 5.23 Unterschiedliche Druckverlaufe von Full- zu Nachdruckphase in Abhangigkeit vomUmschaltvorgang, Umschaltung zu fruh Druckeinbruch, Kavitat wird mit niedrigerem Nach-druck gefullt) , Umschaltung zu spat Druckspitze belastet Schlieeinheit und Werkzeug (Nber-spritzen mit Grat oder Schwimmhaut, Werkzeugschadigung) [33]

  • Nahezu alle, die Qualitat eines Spritzgussteils ausmachenden Merkmale wie Kristalli-nitat, Oberflache, Schwimmhaut, Grat, Spannungsrissbestandigkeit, Orientierung,Anisotropie werden durch den Druckverlauf in der Kompressionsphase oder unmit-telbar danach mageblich beeinflusst. Da die Wirkung des Umschaltens in die Kom-pressionsphase aber auch in die Nachdruckphase hineinreichen kann, beeinflusst derUmschaltvorgang haufig auch die Lunkerbildung, Einfallstellen, Gewicht und Abma-e und insbesondere die Schwindung. Schon bei der Herstellung relativ einfach her-zustellender Probekorper zur Ermittlung der Schwindung ist ein hohes Ma an Wie-derholgenauigkeit erforderlich.

    In fruheren Zeiten ging man davon aus, dass ein niedrig eingestellter Einspritzdruckdie Fullphase erledigen sollte und eine mit hoherem Druck (oft extreme Druckspit-zen) erfolgte Kompression der Schmelze unmittelbar nach der volumetrischen Ful-lung und ein danach abgesenkter Nachdruck die am besten geeignete Verfahrensme-thode ist (Bild 5.2.3a). Die Belastung von Werkzeug und Schlieeinheit ist hoch.Fehler wie Grat- und Schwimmhautbildung u. a. m. sind die Folge. Ebenso ungunstigist ein zu fruhes Umschalten. Dabei kann der Druck absinken (Bild 5.2.3c). DieFliefront kommt ggf. zum Stillstand. Dieses gibt Fehler in der Abformung und inder Oberflache.

    Ein Grund fur die Wahl dieser Verfahrensweise war die bis Anfang 1970 wenig pra-zise Prozessfuhrung an den Maschinen, die es nicht zulie, einen ausgepragten Kom-pressionssto sicher zu vermeiden.

    Moderne Spritzgiemaschinen ermoglichen es, den Druck so zu fuhren, dass derDrucksto (Druckspitze am Ende der Kompressionsphase) vermieden wird(Bild 5.2.3). Dieses hat den Vorteil, dass eine hohe Belastung der Schlieeinheitdurch die dem Kompressionsdruck entsprechende Auftreibkraft unterbleibt. Ober-spritzungen und dadurch ausgeloste Deformation der Trennebene konnen vermiedenwerden. Daruber hinaus lasst sich eine durch einen Druckverlauf mit gleitendemObergang angesteuerte Nachdruckphase zuverlassig kontrollieren.

    Entscheidend fur das gunstige Gelingen der optimalen Druckfuhrung ist das praziseund rechtzeitige Umsteuern von Einspritzen auf Nachdrucken. Die volumetrischeFullung ist jedoch nicht konstant. Damit gibt es beim Ablauf des Einspritzens keinabsolut zuverlassiges Druck-, Weg- oder Zeitsignal in stets gleicher Relation zumvolumetrischen Fullpunkt. So verwundert es nicht, dass eine Fulle von Methodendes gesteuerten oder geregelten Umschaltens angeboten und patentiert wurden, im-mer mit dem Bemuhen, eine Konstanz des Abstandes des Umschaltpunktes zumFullpunkt herzustellen. Das Gelingen einer gunstigen Umschaltung ist in erhebli-chem Mae von den diversen Moglichkeiten abhangig, den Einspritzvorgang zu steu-ern oder auch zu regeln.

    Die am haufigsten verwendeten Umschaltverfahren sind:

    die wegabhangige, die zeitabhangige, die werkzeuginnendruckabhangige und die hydraulikdruckabhangige Umschaltung.

    Zur Bedeutung konnen folgende Hinweise, die aus Aussagen von Maschinenliefe-ranten zusammengefasst wurden, dienen. Danach rangiert in der Haufigkeit der An-

    5.2 Prozessverlauf 327

  • wendung das alteste Verfahren die wegabhangige Umschaltung mit 85 bis 90% ander Spitze. Es folgt die werkzeuginnendruckabhangige Umschaltung mit 5 bis 6%vor der zeitabhangigen Umschaltung mit 1 bis 2% und der hydraulikdruckabhangi-gen Umschaltung, die bei weniger als 1% liegt.

    Hier eine geraffte Obersicht solcher Verfahren, die sich in der Phase der experimen-tellen Untersuchung befinden oder auf ihre Erprobung warten. Die Zusammenstel-lung erhebt keinen Anspruch auf Vollstandigkeit.

    Steuern des Umschaltpunkts:

    Wegabhangige Umschaltung: bei einer bestimmtem Position der Schnecke in Re-lation zur vorderen Stellung bzw. zur Stellung Restmassepolster wird das Um-schaltsignal auf Nachdruck durch einen Endschalter oder einen anderen Wegauf-nehmer ausgelost.Meistens kommt dieses Signal wegen der Tragheit des Systems hydraulischer An-trieb und Schnecke so spat insbesondere bei schnell ablaufenden Einspritzvor-gangen , dass Druckspitzen der oben geschilderten Art auftreten konnen. Insolchen Fallen wird der Umschaltpunkt Schritt fur Schritt vorverlegt, bis einbrauchbarer Verlauf des Drucks erreicht wird.Die Steuerung reagiert mit Rnderungen der dosierten Masse infolge von unter-schiedlicher Arbeitsweise der Ruckstromsperre (z. B. zunehmender Verschlei),auf Temperatur- und Forderschwankungen. Dennoch arbeitet die Methode meistausreichend genau.

    Zeitabhangige Umschaltung: Nach einer Zeit, die mit dem Befehl Schneckevor zu laufen beginnt, wird von Einspritzen auf Nachdrucken umgeschaltet.Diese Methode hat sich wenig bewahrt, da sie von Rnderungen des Volumens(Dosiergenauigkeit, Arbeitsweise der Ruckstromsperre, Temperaturschwankun-gen, Rnderungen der Kompressibilitat, Unterschiede der Einspritzgeschwindig-keit ggf. andere) stark abhangig ist. Bei geschwindigkeitsgeregelten Maschinenwird jedoch meist ausreichende Genauigkeit erzielt.

    Werkzeuginnendruckabhangige Umschaltung: bei dieser Methode wird einDrucksignal einer angussnahen Messstelle im Werkzeug verwendet. Beim Errei-chen eines definierten Druckwerts, der experimentell wie auch durch Simulati-onsrechnungen bestimmt werden kann, wird umgeschaltet.Diese Methode fuhrt meist zu einer ausgezeichneten Prozesskonstanz und zuidealen Obergangen von Einspritzdruck auf Kompressions- und Nachdruck. Ent-sprechend gleichmaig ist die Qualitat der hergestellten Teile. Nachteilig ist dieStoranfalligkeit durch einen im Werkzeug eingebauten, meist empfindlichen undrelativ teueren Sensor, der am Formteil eine Markierung hinterlasst. Die Hydrau-lik der Maschine muss durch rasch eingreifende Regelungsstrategien zur Ausfuh-rung eines optimalen Druckverlaufs ausgerustet sein.

    Hydraulikdruckabhangige Umschaltung: die hydraulikdruckabhangige Umschal-tung auf Nachdruck wird uberraschend selten angewendet. Der Fuhler kann hier-fur am hydraulischen Einspritzkolben platziert werden. Er arbeitet zuverlassigund ist Bestandteil der Maschineneinrichtung. Die Tragheit der Strecke zwischenNl und Schmelze kann vernachlassigt werden, da meist vor dem Erreichen desDrucksignals, welches die volumetrische Fullung der Kavitat anzeigt, umgeschal-tet werden muss. Der Umschaltimpuls wird also bei Erreichen einer vorausbe-

    5 Spritzgieverfahren [Literatur S. 344]328

  • stimmten Druckhohe ausgelost. Nachteilig ist, dass Rnderungen der Formmasse-temperatur und Schwankungen in der Funktion der Ruckstromsperre nicht er-kennbar sind, wie bei der werkzeugbezogenen Druckmessung.

    Beurteilung:Fur die meistverwendete Methode der wegabhangigen Umschaltung spricht, dass sieeinfach zu realisieren ist und meist ausreichend konstante Ergebnisse liefert. DerSpritzgieer ist an den Umgang mit dieser Methode gewohnt und hat ein groes Er-fahrungspotential. Da i. A. mit Restmassepolster gearbeitet wird, kann neben einerprazisen Steuerung oder auch Regelung des Einspritzvorgangs auch eine ebenso ge-naue des Nachdruckvorgangs erfolgen. Der mogliche Temperatureinfluss ist bei derDifferenz zwischen hinterer Endstellung der Schnecke und Restmassepolster nichtvon groer Bedeutung, da im Allgemeinen rechtzeitig vor dem Kompressionsstoumgeschaltet wird.

    Die druckabhangige Umschaltung ist den anderen Methoden uberlegen, wenn manvom Werkzeuginnendrucksignal ausgehend umschaltet und die Maschine uber eineschnell wirkende Druckfuhrung verfugt. Nur bei dieser Methode sind alle unkontrol-lierbaren Einflusse wie Dichteunterschiede, Fliestorungen, Anguss- und Dusen-,Werkzeugtemperatureinflusse u. a. ausschliebar. Es bleibt nur das Problem der zu-verlassigen Druckmessung und der Storanfalligkeit des Messsystems (Sensor), wel-ches in einem meist rauh behandelten Werkzeug untergebracht und kein Bestandteilder Maschinensteuerung ist. Bei hochsten Anspruchen an die Produktionskonstanzerfolgt diese Anwendung.

    Wenn bei Mehrfachkavitaten druckabhangig umgeschaltet werden soll vereinzeltist es, um das Oberspritzen zu vermeiden, aus Sicherheitsgrunden sinnvoll , danngeht es nur hydraulikdruckabhangig. Nur dieser Druck ist eine integrative Groe furalle Kavitaten. Unterschiede im Fullgrad der Kavitaten zum Zeitpunkt der Umschal-tung werden nicht berucksichtigt.

    Bei sehr langsamer Einspritzgeschwindigkeit, wie bei der Fertigung dickwandiger op-tischer Linsen wird hier und da die zeitabhangige Umschaltung erfolgreich verwen-det. Da auch der Druck entsprechend niedrig ist, bleiben negative Einflusse ausTemperatur- und damit verbundenen Dichteunterschieden auen vor.

    Weitere Verfahren der Umschaltung:Es wurde bei den zuvor beschriebenen Verfahren angemerkt, dass sie nicht zur Per-fektion der Umschaltung fuhren. Das ist ein Beweggrund, weiter zu suchen, um ggf.eine bessere Methode zu finden. Dabei ist das Ziel prazise zu beschreiben. Mansucht nach einer Methode, die unabhangig von Storungen, den Umschaltpunkt vonZyklus zu Zyklus im selben Abstand zur volumetrischen Fullung der Kavitat bzw.der Kavitaten zu setzen.

    So gibt es auer den zuvor beschriebenen eine Fulle meist in Versuchsberichten undPatenten beschriebenen Verfahren der Umschaltung, von denen einige prinzipiell ge-nannt werden sollen. (Anwendungen sind im Einzelnen nicht bekannt geworden.)Die folgende Aufstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollstandigkeit.

    Beschleunigungsabhangige Umschaltung: Die Methode gleicht insofern der zuvorbeschriebenen, als ein Signal gewahlt wird, welches mit der volumetrischen Ful-lung der Kavitat korrespondiert. Dazu misst man an der Schnecke mit einem re-

    5.2 Prozessverlauf 329

  • lativ einfach aufgebauten Beschleunigungsgeber die Beschleunigung der Schnecke.Es entstehen zwei Signale, das Erste beim Anlauf der Schnecke zu Einspritzbe-ginn, das Zweite bei der Verzogerung infolge des Kompressionsanstieges. Letzte-res Signal, welches dem Druck vor und hinter der Schnecke proportional ist, ver-wendet man zum Umschalten [37, 39, 40]. Das mit der volumetrischen Fullungkorrespondierende Abbremsen der Schnecke wird detektiert und ein Signal zumUmschalten gegeben. Diese Art arbeitet also betriebspunktunabhangig. Untersu-chungen haben ergeben, dass die Methode an einer gesteuerten Maschine nichtganz so gute Ergebnisse hinsichtlich Schwankung des Formteilgewichtes ergab,wie die werkzeuginnendruckabhangige Umschaltung [40]. Praxisanwendungensind bis 1994 nicht bekannt geworden.

    Forderstrombeeinflussung zur Umschaltsteuerung bzw. Regelung: Das Obergangs-verhalten von Forderstrom beim Einspritzen und Forderstrom fur Nachdruckenwird adaptiv geregelt (DD WP 227383). Der Einspritzdruck wird wahrend derForderstromregelung gesteuert. Bei Erreichen der volumetrischen Fullung wirdunterstellt, dass eine Zeit vergehen darf, bis ein sog. Kontrollforderstrom erreichtwird, der die Umschaltung auslost. Diese Losung erfordert eine Maschine miteiner recht aufwendigen Forderstromregelung mit integrierter Drucksteuerungund speziellen Sensoren. Das Setzen der regulierenden Groen stellt an den Be-diener hochste Anforderungen. Die Forderstromumschaltung kann jedoch auchals online arbeitendes prozessgefuhrtes Verfahren betrieben werden. Die erzielteQualitatskonstanz ist sehr gut [41].

    Druckabhangige Beeinflussung der Umschaltung: Vergleichen von Solldruck undIstdruck mittels eines Komparators, der das Umschaltsignal findet (DD WP132943) oder Messung des Drucksignals uber der Einspritzzeit (Viskositatsindex,Einspritzarbeit [38]) und Differenzierung. Auch die Unstetigkeitsstelle bei volu-metrischer Fullung wird zum Umschalten benutzt (DD WP 66020).

    Beeinflussung des Umschaltens durch integrative Groen: Durch ein Signal, wel-ches durch Messung der Werkzeugatmung, die infolge des Auftreibdrucks ent-steht (DE-OS 2 443938). Diese Methode durfte nur fur Sonderfalle geeignet sein,da die rechtzeitige Umschaltung auf einen zulassigen Nachdruck gerade die At-mung des Werkzeugs vermeiden soll. Im Zusammenhang mit einer durch Ein-spritzdruck und Dosiervolumen kontrollierten Fullung mit gezielter Ansteuerungeines Atmungswegs kann die Methode beim Niederdruckspritzgieen unter Aus-nutzung des Pragevorganges angewendet werden.

    DD-WP 146912 sieht vor, dass die Umschaltung durch ein als Impulsgeber arbei-tendes Oberdruck-Sicherheitsventil erfolgt. Auch ein so erzeugtes Signal wird beider Tragheit des Systems zu spat eingreifen.

    Den gleichen Nachteil durfte die Methode der geschwindigkeitsabhangigen Um-schaltung haben, dabei wird die Vorlaufgeschwindigkeit der Schnecke zugrundegelegt (DE-AS 1 946637).

    In DE-AS 1 458150 wird eine Zeitmessung nach Erreichen des Kompressionsan-stiegs geschaltet, die nach Ablauf einer Verzogerung auf Nachdruck umschaltet.Das Erfordernis, nach dem Druckanstieg bei Werkzeugfullung eine verzogerteUmschaltung auf ein niedrigeres Nachdruckniveau vorzunehmen ist ein Sonder-fall. Viele Spritzgievorgange konnen mit derart spater Umschaltung nicht bewal-tigt werden.

    Ermittlung eines Prozessindex, der sich aus dem Einspritzdruck, dem Werkzeug-innendruck und einem synchronen Zeitsignal zusammensetzt. Dabei dient die

    5 Spritzgieverfahren [Literatur S. 344]330

  • Verzogerung zwischen dem Einspritzdrucksignal und dem Werkzeuginnendruck-signal als Bezugssignal (DE-OS 2 412341). Bei dieser Methode konnen Tempera-tur- und Viskositatsschwankungen Falschreaktionen bewirken.

    In EP 0 233548 A2 wird eine Methode beschrieben, bei der eine Zeit zwischendem Umschaltpunkt fur eine Forderstromreduzierung und einem festzulegendemDrucksignal als Fuhrungsgroe fur die Prozessfuhrung ab Beginn der Kompres-sion genommen wird. Diese Steuerung ist sehr aufwendig, die Signalnahme ver-mutlich auch fur zahlreiche schnell ablaufende Einspritzvorgange zu spat und zutrage.

    Automatische Bestimmung des Umschaltpunkts: Die volumetrische Fullung derWerkzeugkavitat wird durch einen optischen Sensor erfasst. Die durch einstro-mende Schmelze veranderte Reflexion lost mit der Moglichkeit der varierbarenVerzogerung den Umschaltvorgang aus. Die Methode wird als einfach, preiswert,robust und reproduziergenau bezeichnet [44, 45]. Die richtige Platzierung kurzvor Ende des Flieweges muss durch Simulationsrechnung ermittelt werden. Einenachtragliche Korrektur ist nicht moglich.

    Externe Nachdruckaufbringung durch hydraulisch eingefahrene kolbenformigeVerdranger [41]

    Ein Vergleich einiger Methoden, durch gefuhrt an einem Stapelkasten zeigten Fol-gendes [33, 42]: Je weiter entfernt der Umschaltpunkt vom Formteilbildungsort imWerkzeug entfernt ist, desto groer ist die Streuung des Formteilgewichts. Die weg-abhangige Umschaltung erreicht jedoch schon mit 0,2% Gewichtsstreuung einen gu-ten Wert. Die werkzeuginnendruckabhangige Umschaltung halbiert diesen Wertknapp. Die sensorisch optische Oberwachung ergab eine nochmalige Halbierung derGewichtsstreuung. Bedenklich ist, dass alle Methoden voneinander deutlich abwei-chende Mittelwerte erreichen. Eine Verschiebung zu deutlich hoherem Wert bei op-tisch ermitteltem Umschaltpunkt zeigt, dass dieser am auersten Ende falsch platz-iert war. Im Gegensatz zur wegabhangigen Umschaltung kann man die Platzierungnicht verandern. Bekannt schlecht schneidet die hydraulikdruckabhangige Umschal-tung ab, die allgemein unublich ist.

    5.2.1.6 Nachdruck/Nachdruckphase

    Primares Ziel der Nachdruckphase ist es, die aufgrund der Volumenkontraktionbeim Erstarrungs- bzw. Vernetzungsvorgang im Formteil auftretende Volumen-schwindung auszugleichen. Bei zu geringem Nachdruck oder zu kurz gewahlterNachdruckzeit treten am Formteil Einfallstellen auf oder die Abmae des Formteilsliegen auerhalb der vorgegebenen Toleranzfelder [48].

    Nach der volumetrischen Fullung des Formteils kommt es zu einer Verdichtung derMasse (Kompressionsphase). Es kommt zu einem starken Anstieg des Drucks, derim Schneckenvorraum bis zum eingestellten Einspritzdruck ansteigen kann. In die-sem fehlerhaften Fall resultieren daraus unzulassige Druckwerte im Werkzeug. Grat-oder Schwimmhautbildung sind die sichtbaren Folgen.

    Um dies zu vermeiden, wird bei Erreichen eines festgelegten Druckniveaus imWerkzeug auf ein niedrigeres Druckniveau umgeschaltet. Dieses kann weg- oderauch zeitabhangig geschehen. Bei modernen Steuerungen wird allerdings von der

    5.2 Prozessverlauf 331

  • geschwindigkeitsgeregelten auf die druckgeregelte Phase, die Nachdruckphase, um-geschaltet.

    Der Druck im Hydraulikzylinder wird entsprechend einem vorzugebenden Sollwert,der als konstanter Wert oder als Profil vorliegen kann, geregelt. Die Vorlaufge-schwindigkeit der Schnecke ist in dieser Phase nur noch gering und ergibt sich ausdem in das Formteil nachzufuhrenden Volumenstrom.

    Die Umschaltung der Maschine von Einspritzen auf Nachdruck spielt fur die Re-produzierung konstanter Mae und konstanten Gewichts eine besonders wichtigeRolle. Deswegen wird oft empfohlen werkzeuginnendruckabhangig umzuschalten.Dieses bietet den Vorteil hoher Reproduzierbarkeit, dem jedoch der Nachteil desgroen Aufwands gegenubersteht. Die heute verwendeten Maschinen stellen aus-schlielich eine weg- und/oder druckabhangige Umschaltung auf Nachdruck zur Ver-fugung.

    Der Druck im Formteil nimmt mit der Zeit auch bei konstantem Nachdruck imSchneckenvorraum infolge der Erstarrungsvorgange ab.

    Ist er auf Umgebungsniveau abgefallen, so ist die Nachdruckphase beendet. Wie diein Bild 5.21 dargestellten Verlaufe fur einen angussnah und angussfern gemessenenDruck zeigen, kann dieser Zustand an unterschiedlichen Punkten zu unterschiedli-chen Zeiten erreicht sein.

    Wird der Druck vor Erreichen des Siegelpunkts abgeschaltet, kommt es zu einerdeutlich schnelleren Druckabnahme im Werkzeug. Dies ist im Druckverlauf durcheine Unstetigkeitsstelle gekennzeichnet. Da die mogliche Nachdruckzeit nicht voll-standig ausgeschopft wird, tritt eine starkere Schwindung auf, und es treten vermehrtEinfallstellen an den Bauteiloberflachen auf [48].

    5.2.1.6.1 Nachdruckerzeugung mit dem EinspritzkolbenUm die Volumenkontraktion des Kunststoffs wahrend der Abkuhlphase auszuglei-chen, wird nach Beendigung der Einspritzphase uber die als Kolben arbeitendeSchnecke weiter Schmelze in die Kavitat gefordert. Diese zusatzliche Schmelzeforde-rung wird solange aufrecht erhalten bis die Viskositat des Kunststoffes auch im Inne-ren des Bauteils so weit angestiegen ist, dass keine Materialbewegungen mehr mog-lich sind. Dieser Punkt wird Siegelpunkt genannt. Damit genugend Schmelze zumAusgleich der Schwindung zur Verfugung steht, wird an der Maschine ein so genann-tes Massepolster eingestellt. Dies wird dadurch erreicht, dass die Umschaltungvon Einspritzdruck auf Nachdruck bereits erfolgt, bevor sich die Schnecke am vorde-ren Anschlagpunkt im Zylinder befindet.

    Wahrend der gesamten Phase, in der durch das Spritzaggregat ein Druck aufge-bracht wird, wirkt in der Trennebene zwischen Werkzeug und Maschinenduse eineKraft, durch die das Aggregat vom Werkzeug weggedruckt wird. Sie wird durchdie Dusenanpresskraft kompensiert. Diese wird hydraulisch uber die zum Verfah-ren des Aggregats notwendigen Druckzylinder erzeugt. So wird ein Abheben derDuse von der Angussbuchse wahrend der Einspritz- und Nachdruckphase verhin-dert [49].

    5 Spritzgieverfahren [Literatur S. 344]332

  • 5.2.1.6.2 Externe NachdruckerzeugungDie Nachdruckerzeugung durch den Einspritzkolben/die Schnecke kostet Zeit. Ex-terne Nachdruckerzeugung ist also ein Mittel, die Wirtschaftlichkeit in einigen Fallenzu verbessern. Andererseits ist beim Spritzgieen von duroplastischen Formmassendie Verwendung von Ruckstromsperren und Verschlussdusen im Plastifizieraggregatoft problematisch und teilweise uberhaupt nicht moglich. Im Vergleich zur Thermo-plastverarbeitung konnen beim Spritzgieen von Duroplasten somit nur geringeDosiergenauigkeiten erzielt werden. Da das Einspritzaggregat nicht gegen das Werk-zeug abzudichten ist, kommt es zu unterschiedlichen Ruckstromungen vom Werk-zeug in den Schneckenvorraum und letztlich zu Fullschwankungen. Ein Druckaus-gleich in der Nachdruckphase liefert daher eine nur maige Prozessstabilitat.Abhilfe kann hier eine externe Nachdruckaufbringung schaffen [50].

    5.2.1.6.2.1 Nachdruckerzeugung durch NachdruckkolbenZur schneckenunabhangigen Nachdruckerzeugung kann ein hydraulisch betatigterBaustein verwendet werden, der uber eine Spezialduse auf die Schmelzesaulewirkt. Fur die prazise Preform-Erzeugung aus PET ist ein solcher druckgeregelterBaustein nach Bild 5.24 verwendet worden [45]. Bild 5.25 (Seite 334) zeigt einetechnische Ausfuhrung an einer elektrischen Spezialspritzgiemaschine fur PET-Preform-Herstellung. Das Besondere hierbei ist, dass der Nachdruck mittels einesNachdruckbausteins aufgebracht wird, der in den Dusenbereich integriert wurde.Mit beiden Einheiten werden die Funktionen Plastifizieren, Einspritzen sowieNachdruck entkoppelt und durch jeweils separate Baugruppen durchgefuhrt. DieseAusfuhrung bietet insbesondere bei elektrischen Antrieben Vorteile, da speziellbei der Verarbeitung von PET fur Preforms eine hohe Plastifizierrate benotigtwird.

    5.2.1.6.2.2 Nachdruckerzeugung im WerkzeugIm Werkzeug gibt es eine Reihe von Moglichkeiten, Nachdruck auf das erkaltendeFormteil auszuuben. Diese sind:

    a) Anwenden des Spritzpragens mit all seinen Varianten (siehe Abschnitt 6.2.4).b) Partielles Drucken mit Werkzeugkernen auf bevorzugte Flachen des Formteils.c) Nachdruckkolben wirkt auf Angusspartie.d) Nachdruckkolben bewegt sich im Angusskanal.

    5.2 Prozessverlauf 333

    Bild 5.24 Spritzgieeinheit zur Herstellung von Preforms mit Nachdruckbaustein, (Bauart KruppCorpoplast) [5]1: Schliezylinder; 2: Kniehebel; 3: Bewegliche Aufspannplatte; 4: Saulen; 5: Feststehende Auf-spannplatte; 6: Nachdruckbaustein; 7: Zylinder; 8: Schnecke; 9: Trichter; 10: Schneckenantrieb

  • 5 Spritzgieverfahren [Literatur S. 344]334

    1. Plastifizieren in Nachdruckbaustein

    2. Plastifizieren in Schneckenvorraum

    4. Nachdrcken mit Nachdruckbaustein

    3. Einspritzen mit Schnecke

    Bild 5.25 Nachdruckbaustein fur die zweistufige Einspritzeinheit, (Bauart Ferromatik Milacron)

  • Das Spritzpragen (a) wird im Zusammenhang mit Sonderverfahren im Abschnitt6.2.4 erlautert.

    Die partielle, externe Nachdruckaufbringung kann in zwei verschiedenen Prozessva-rianten durchgefuhrt werden (Bild 5.26). Einerseits kann der Stempel vor dem Ein-spritzen in die vordere Endlage gebracht und mit Druck beaufschlagt werden. Beiausreichendem Stempeldruck wird die einstromende Formmasse den Stempel nurwenig bewegen und somit werden nur geringe Formmassenvolumina in ihrer Stro-mungsrichtung umgelenkt (Prozessvariante ohne Stromungsumkehr).

    Andererseits kann sich der Stempel beim Einspritzen drucklos in der hinteren Posi-tion befinden. Die eingespritzte Formmasse fullt zunachst das Volumen des zuruck-gezogenen Stempels aus. Nach der Druckzuschaltung wird sich der Stempel in Ab-hangigkeit der Volumenschwindung der zu verarbeitenden Formmasse und deseingestellten Stempeldrucks nach vorne bewegen. Durch die Vorwartsbewegung desStempels erfahrt die Formmasse eine Rnderung ihrer Stromungsrichtung (Prozess-variante mit Stromungsumkehr) [50].

    Um einen Nachdruck uber eine Erzeugung im Anguss wirken zu lassen (Bild 5.27c),bedarf es eines ahnlichen Kolbens im Anguss. Man kennt die Losung, dass der Aus-werferzapfen, der einem Kegelanguss entgegensteht, aktiv bewegt wird.

    Eine weitere neue Losung wird in Bild 5.27 gezeigt. Es handelt sich um einen Nach-druck- und Abscherkolben, der einfach oder auch mehrfach in ein Werkzeug einge-

    5.2 Prozessverlauf 335

    - druckbeaufschlagt- vordere Endlage

    - drucklos- hintere Endlage

    Strmungsrichtung

    vor dem Einspritzen

    Strmungsrichtung

    vor dem Einspritzen

    Strmungsrichtung

    - druckbeaufschlagt- Stempel bleibt vorne

    nach dem Einspritzen

    - druckbeaufschlagt- Stempel bewegt sich vorwrts

    nach dem Einspritzen

    Strmungs-umkehr

    Bild 5.26 Prozessvarianten bei der externen Nachdruckaufbringung

  • baut werden kann. Es ist eine Losung, die als Counter Valve bezeichnet wird [46].Der Kolben wird zunachst durch den Einspritzdruck in die ruckwartige Stellung ge-druckt. Nach einer einstellbaren Zeit kann er in Richtung Formteil bewegt werdenund zunachst die Nachdruckfunktion ubernehmen.

    Die Variante kann auch auf Etagenwerkzeuge ubertragen werden (Bild 5.28).

    5 Spritzgieverfahren [Literatur S. 344]336

    Bild 5.27 Sperr- und Nachdruck- und Angussabscherbaustein im Werkzeug [46], (BauartHEKUMA)

  • 5.2.2 Druckubertragungsverhalten

    Dem Werkzeuginnendruck kommt wahrend samtlicher Phasen des Spritzgieprozes-ses im Hinblick auf die Formteilqualitat eine groe Bedeutung zu. Dieser Werkzeug-innendruck wird letztendlich durch die Hohe des Drucks im hydraulischen Einspritz-zylinder festgelegt. Ober das Querschnittverhaltnis von Einspritzkolben zuSchneckenvorraum lasst sich ein ideales Obertragungsverhalten bzw. ein Obertra-gungsfaktor ermitteln.

    Es hat sich jedoch gezeigt, dass eine Berechnung des Schneckenvorraumdrucks bzw.des Maschinendusendruckes mittels des Hydraulikdrucks und dem Obertragungsver-halten zu Fehlern fuhren kann.

    Auch in der Nachdruckphase treten unterschiedliche Obertragungsfaktoren auf. Dieauftretenden Druckverluste entstehen hier durch in das Werkzeug flieende Schmel-ze zum Schwindungsausgleich und sind abhangig von der jeweiligen Geometrie.Durch die erstarrenden Randschichten kommt es hierbei zu einer Reduktion der zudurchflieenden Querschnitte, sowohl auf dem Flieweg als auch im Angusssystem.Dies fuhrt zu einem groeren Druckverlust, der in einem geringeren Obertragungs-faktor resultiert.

    Besonders wenn man die aus Simulationsergebnissen gewonnenen Prozessparameterzur Maschineneinstellung nutzen will, muss man das jeweilige Obertragungsverhal-ten berucksichtigen, um ein optimale Prozessfuhrung zu gewahrleisten [51].

    5.3 Temperaturen beim Spritzgieen

    Neben den Drucken spielen diverse Temperaturen beim Zustandekommen der ge-wunschten Formteilqualitat eine groe Rolle. Die wichtigsten Temperaturen sind:

    Nltemperatur,

    Zylindertemperatur (Einfullzone eingeschlossen),

    Schmelzetemperatur (Formmassetemperatur),

    Schneckentemperierung (meist nur bei PVC-Verarbeitung),

    5.3 Temperaturen beim Spritzgieen 337

    Formnest

    Bild 5.28 Counter-Valve-Variante fur ein Etagenwerkzeug [46]