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x2. FEBRUAR x923 KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 2. JAHRGANG. Nr. 7 299 Ffir REICHENBACHS Transformation erffillen sowohl die arzneifesten St~mme als auch unser neuer Prodigiosusstamm alle Bedingungen. Die Anderung wird auch nach dem Auf- h6ren der veranlassenden Ursache weiterbeobachtet;' sie tr~gt durchaus den Charakter der Anpassung. Wir k6nnen nach REICHENBACH Festigkeit ffir diesen Stamm in Anspruch nehmen, denn er vermehrt sich noch, wenn der Ausgangsstamm schon so beeinfluBt ist, dab eine Vermehrung kaum mehr erfolgt; er hat gleichzeitig eine Resistenz gegen die abt6tende Wirkung der R6ntgenstraHlen erhalten. Zum erstenmal wurde bei Versuchen, die der Erzielung yon Arzneifestigkeit entsprachen, N~hrboden und schgdi- gendes Agens getrennt. Auf diese Weise konnte das ,,giftige" Mittel nur ffir eine begrenzte Zeit auf die sonst unter den gew6hnlichen Bedingungen wachsenden Bakterien einwirken, um eine Festigung zu erreichen, w/ihrend bei den Versuchen zur Erreichnung yon Amneifestigkeit der Giftstoff dauernd im N~hrboden enthalten war. Zusammen]assung. i. Eine einmal mit R6ntgenstrahlen behandelte und in ihrem Wachstum geschi~digte Kultur yon Bac. prodigiosus w~chst zwar an sich wieder ganz normal, wird aber yon einer erneuten Bestrahlung weniger gesch~digt als die noch nicht vorbestrahlte Kultur. 2. Bei fortgesetzter Bestrahlung dieses Prodigiosus- stammes wird die Resistenz immer deuflicher~ sie tdingt ab, wenn man den Stamm 4 Wochen unbestrahlt weiterziichtet, zeigt sich aber sofort bei der zweiten Neubestrahlung wieder. 3. Diese Resistenz entspricht der ,,Arzneifestigkeit" der Bakterien und kann wie diese als Transformation (REICHEN- BACH) aufgefaBt werden. 4- Die Festigkeit ist spezifisch gegenfiber RSntgenstrah- fen, insofern sie gegenfiber ultravioletten Strahlen nicht vor- handen ist. L i t e r a t u r: 1) HALBERSTXDTER U. P. S. MEYER, Fortschr. a. d. Geb. d. R6ntgenstr. 29, H. 4. -- ~) BAERTLEIN, KARL, 6. und 7. Tagung d. fr. Vereinigung f. Mikrobiologie Berlin 1912, 1913. Berl. klin. Wochenschr. 1911. -- PRIN~SHEIM, HANS, Med. Klin. 191I, Nr. 4; 1912, Nr. 31; Med.-Klin. 19i 3. --EISENBERG, PH., Ceutralbl. f. Bakt. u. Parasitenk. 66, 1912. --Mi3LLER, REINER., Centralbl. f. Bakt. u. Parasitenk. 58, 1911. --TOENIESSEN, ERICH, Centralbl. f. Bakt. u. Parasitenk. 73, 1912; 75, 1914. -- Med. Klin. I913. -- KOLLE, W., in Kolle-Wassermann, 2. Aufl. -- KLEIN, J., Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. 73, 1912. -- a) EISENBERG, PH., Weichards Ergebnisse I, I9I 4. ~ 4) VAN LOGHEM, Centralbl. f. Bakt. u. Parasitenk. 89, 1922. -- s) PRINGSHEII~t, H., Med. Klin. 1911, Nr. 4. -- s) REICHENBACH in FRIEDBERGER und 'PFEIFEE, Lehrbuch der Mikrobiologie 1919. ABGEKOCHTE MUTTER- UND FRAUENMILCH. Von Prof. ED. MARTIN, Direktor der Provinzial-Hebammenlehranstalt Elberfeld. Die Unterhaltung auf der April-Versammlung der nieder- rheinisch-westf~lischen KinderXrzte gab mir die Veran- lassung, die Erfahrungen mit abgekochter Mutter- und Frauenmilch, welche ich seit Zeit auf meiner S~uglings- abteilung gemacht hatte, durch eine eingehende Unter 2 suchung zu erh~rten. Bis dahin hatten mir nur zatflreiche Beobachtungen ge- zeigt, dab man gesunde, schwache, unterern/ihrte, falsch er- n~hrte, besonders tropholabile S~uglinge und solche mit Er- n~hrungsst6rungen erfolgreich mit abgekochter Frauenmilch ffittern kann. Es fehlte die genaue Erforschung. Die Tatsache ferner, dab es UHLE~HUT~ gelungen war, mit spiroch~itenfreier Milch yon Colle-Mfittern echte Hoden- syphilis bei Kaninchen zu erzeugen, verlangte mit Rflcksicht auf die Ammenfrage die genaue ldinische Beobachtung fiber das Verhalten v0n S/iuglingen, welche mit abgekochter Frauen- milch erri~ihrt werden. Fast allgemein wird die Gabe von arteigener Milch in ungekochtem Zustande als unbedingt erfordeflich angesehen. Wenn auch namenflich in der jfingsten Literatur verschiedene giinstige Beobachtungen fiber die Verwendung inaktivierter Milch vorliegen, so fehlt es doch an Berichten fiber eine systematische Untersuchung. Bei dieser Gelegenheit konnte auch die Bedeutung des Saugreizes aui die Milchbildung erneut geprfift werden. Es sind 50 Neugeborene und S/iuglinge ohne Rficksicht auf Geburtsgewicht, K6rperl/~nge und Schwangerschaftsdauer nur mit abgekochter Muttermilch ern/ihrt worden. Zur gewohnten Zeit, also etwa I2 Stunden nach der Geburt, wurde die Brust zum ersten Male yon der Seite nach der Mitre zu ausgestrichen. Die ,,Melkprozedur" wurde in den regelm~fligen Abst~nden wiederholt, in welehen die Kinder der betreffenden jungen Mfitter angelegt worden wAren: die gr6Beren 5 und die kleineren 6 und 8real mit den entsprech'enden Nachtpausen. Die Briiste muBten abwechselnd solange ausgestrichen werden, bis sie leer waren. Die Milch wurde in kleinen sterilisierten Schalen aufgefangen und sofort in die Trinkflaschen abgegossen. Auch die weniger intelligenten und geschickten Mfitter hatten nach gentigender Unterweisung in 3/4 bis I Stunde die Brust geleert. Nach Soxleth-System wurden die gezeichneten und entsprechend verschlossenen Flaschen im Wasserbad erwi!rmt , bis der Inhalt einige Male ]ebhaft aufgekocht war. Nach Abkfihlung der Flaschen auf Trinkw~irme erhielten die Kinder die Muttermilch. Es wurde also die Milch aus der Brust ftir die jedesmalige Mahl- zeit ausgestrichen, abgekocht und ohne irgendeinen Zusatz den Kindern gegeben. Da Colostrum beim Kochen gerinnt, so erhielten die Neuge- borenen solange fremde abgekochte Frauenmilch, bis die Mutter- milch frei yon Flockung blieb. Keines der 5o Neugeborenen hat somit Colostrum bekommen. Beim Kochen ist eine bemerkbare Eindickung der Milch nicht eingetreten; es wurde fortlaufend darauf geachtet. Die Kinder bekamen jedesmal soviel, als sie auch nach einiger Aufmunterung tfinken wollten. Die Flaschen waren stets fiber den Bedarf hinaus reichlich geffillt. Es ist kaum erforderlich, darauf hinzuweisen, dab dieser Vet- such nur mit Hilfe einer ganz auBerordentlich gewissenhaften Schwester, welche auch das erforderliche VerstXndnis ffir den wissen- schaftlichen Weft der Untersuchung hat, durchgeffihrt werden kann und auch nur dann zuverl~ssige Zahlen gibt. Widerst~nde yon seiten der Mfitter sind nur ganz vereinzelt aufgetreten. Es war ein besonderer Wochensaal eingerichtet, in welchem nicht angelegt, sondern nur ausgestrichen und den Kindern die abgekochte Muttermilch gegeben wurde. Frauen und Kinder kannten es nicht anders. Unter peinlicher Wahrung der Sauberkeit yon Hand und Brust und vor allen Dingen auch, weil Wunden an der Brustwarze yon vornherein nicht vorkamen, sind"Haut- oder .Brustinfektionen, Sch~digungen der Mfitter nicht eingetreten. Die Kinder wurden in allen ihren Lebens~uBerungen ge- nau beachtet. In ihrem Befinden und ihren Ausscheidungen war keineflei Unterschied zwischen den Brustkindern. Ver- f~irbung, Form und Farbe wie Menge des Darminhaltes wichen in keinem Falle aus dem Rahmen des Regelrechten. Die Resultate des Versuches gehen im einzelnen aus den nachfo]genden Tabellen hervor. Die Tabelle I gibt ffir den einzelnen Tag, nach dem Geburts- gewiaht des Kindes geordnet, die t~gliche gesamte Milchmenge der Mutter und die Trinkmenge des Kindes an. Es erfibrigt sich, auf die Zahlea n~her einzugehen. Ich wiederhole nur noch einmal, dab bei keiner Mutter angelegt, ein Saugreiz ausgefibt worden ist, und dab die Kinder mit Ausnahme der Milchmenge, durch welche das ger0nnene Colostrum mit gekochter Frauenmilch ersetzt wurde, nur gekochte Muttermilch erhalten haben. Ein OberschuB an Milch ist den Kleinen stets angeboten, yon ihnen aber nicht genommen worden. Bei den Ml~ttern f~llt die erstaunliche Milchmenge auf, welche lediglich durch die ,,Melkprozedur", wie PFAUNDLER es bezeichnet, erzielt worden ist. Nach Abbruch des Versuches, wenn die Mfitter mit ihren Kin- dern entlassen werden sollten, tranken die Kinder sehr bald an der leicht flieBenden Brust. Das Studium der Zahlen, der Vergleich macht eine weitere Er- lauterung fiberflfissig.

Abgekochte Mutter- und Frauenmilch

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Page 1: Abgekochte Mutter- und Frauenmilch

x2. FEBRUAR x923 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 2. J A H R G A N G . Nr . 7 299

Ffir REICHENBACHS Trans fo rmat ion erffillen sowohl die arzneifesten S t~mme als auch unser neuer Prod ig iosuss tamm alle Bedingungen. Die Anderung wird auch nach dem Auf- h6ren der veranlassenden Ursache we i t e rbeobach t e t ; ' sie t r~gt durchaus den Charak te r der Anpassung.

Wir k6nnen nach REICHENBACH Fes t igke i t ffir diesen S t a m m in Anspruch nehmen, denn er v e r m e h r t sich noch, wenn der Ausgangss t amm schon so beeinfluBt ist, dab eine Vermehrung k a u m mehr er folgt ; er h a t gleichzeit ig eine Resis tenz gegen die ab t6 tende Wirkung der R6ntgenstraHlen erhalten.

Zum ers tenmal wurde bei Versuchen, die der Erz ie lung yon Arzneifes t igkei t entsprachen, N~hrboden und schgdi- gendes Agens get rennt . Auf diese Weise konn te das ,,giftige" Mittel nur ffir eine begrenzte Zeit auf die sonst un te r den gew6hnlichen Bedingungen wachsenden Bakter ien einwirken, u m eine Fes t igung zu erreichen, w/ihrend bei den Versuchen zur Er re ichnung yon Amneifestigkeit der Gif ts toff dauernd im N~hrboden en tha l t en war.

Zusammen]assung. i . E ine e inmal m i t R6ntgens t rah len behandel te und in

ih rem W a c h s t u m geschi~digte Ku l tu r yon Bac. prodigiosus w~chst zwar an sich wieder ganz normal, wird aber yon einer e rneuten Bes t rahlung weniger gesch~digt als die noch nicht vorbes t rah l te Kul tur .

2. Bei for tgesetz ter Bes t rah lung dieses Prodigiosus- s tammes wird die Resis tenz i m m e r deuflicher~ sie tdingt ab, wenn man den S t a m m 4 Wochen unbes t rah l t wei terzi ichtet , zeigt sich aber sofort bei der zweiten Neubes t rah lung wieder.

3. Diese Resis tenz en tspr ich t der , ,Arzneifes t igkei t" der Bakter ien und kann wie diese als Trans format ion (REICHEN- BACH) aufgefaBt werden.

4- Die Fes t igke i t is t spezifisch gegenfiber RSntgens t rah- fen, insofern sie gegenfiber u l t rav io le t t en St rahlen nicht vor- handen ist.

L i t e r a t u r: 1) HALBERSTXDTER U. P. S. MEYER, Fortschr. a. d. Geb. d. R6ntgenstr. 29, H. 4. - - ~) BAERTLEIN, KARL, 6. und 7. Tagung d. fr. Vereinigung f. Mikrobiologie Berlin 1912, 1913. Berl. klin. Wochenschr. 1911. - - PRIN~SHEIM, HANS, Med. Klin. 191I, Nr. 4; 1912, Nr. 31; Med.-Klin. 19i 3. - -EISENBERG, PH., Ceutralbl. f. Bakt. u. Parasitenk. 66, 1912. --Mi3LLER, REINER., Centralbl. f. Bakt. u. Parasitenk. 58, 1911. --TOENIESSEN, ERICH, Centralbl. f. Bakt. u. Parasitenk. 73, 1912; 75, 1914. - - Med. Klin. I913. - - KOLLE, W., in Kol l e -Wasse rmann , 2. Aufl. - - KLEIN, J., Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. 73, 1912. - - a) EISENBERG, PH., Weichards Ergebnisse I, I9I 4. ~ 4) VAN LOGHEM, Centralbl. f. Bakt. u. Parasitenk. 89, 1922. - - s) PRINGSHEII~t, H., Med. Klin. 1911, Nr. 4. - - s) REICHENBACH in FRIEDBERGER und 'PFEIFEE, Lehrbuch der Mikrobiologie 1919.

ABGEKOCHTE MUTTER- UND FRAUENMILCH. Von

Prof . ED. MARTIN, Direktor der Provinzial-Hebammenlehranstalt Elberfeld.

Die Un te rha l tung auf der Apr i l -Versammlung der nieder- rheinisch-westf~lischen KinderXrzte gab mir die Veran- lassung, die Er fah rungen mi t abgekochter Mut ter - und Frauenmilch, welche ich seit �94 Zeit auf meiner S~uglings- ab te i lung gemach t hat te , durch eine e ingehende Un te r 2 suchung zu erh~rten.

Bis dahin ha t t en mir nur zatflreiche Beobach tungen ge- zeigt, dab man gesunde, schwache, unterern/ ihr te , falsch er- n~hrte, besonders t ropholabi le S~uglinge und solche mi t Er - n~hrungsst6rungen erfolgreich mi t abgekochter F rauenmi l ch ffi t tern kann. Es fehlte die genaue Erforschung.

Die Tatsache ferner, dab es UHLE~HUT~ gelungen war, mi t spiroch~itenfreier Milch yon Colle-Mfittern echte Hoden- syphilis bei Kaninchen zu erzeugen, ver langte mi t Rflcksicht auf die Ammenf rage die genaue ldinische Beobach tung fiber das Verhal ten v0n S/iuglingen, welche mi t abgekoch te r F rauen - milch erri~ihrt werden.

F a s t a l lgemein wird die Gabe von ar te igener Milch in ungekoch tem Zus tande als unbed ing t erfordefl ich angesehen. W e n n auch namenf l i ch in der j f ingsten L i t e r a tu r verschiedene giinstige Beobach tungen fiber die Verwendung inak t iv i e r t e r Milch vorl iegen, so fehlt es doch an Ber ich ten fiber eine sys temat ische Unte r suchung .

Bei dieser Gelegenhei t konnte auch die B e d e u t u n g des Saugreizes au i die Milchbi ldung e rneu t geprfif t werden.

Es sind 50 Neugeborene und S/iuglinge ohne Rficksicht auf Geburtsgewicht , K6rperl/~nge und Schwangerschaf tsdauer nur mi t abgekochter Mut te rmi lch ern/ ihrt worden.

Zur gewohnten Zeit, also etwa I2 Stunden nach der Geburt, wurde die Brust zum ersten Male yon der Seite nach der Mitre zu ausgestrichen. Die ,,Melkprozedur" wurde in den regelm~fligen Abst~nden wiederholt, in welehen die Kinder der betreffenden jungen Mfitter angelegt worden wAren: die gr6Beren 5 und die kleineren 6 und 8real mit den entsprech'enden Nachtpausen.

Die Briiste muBten abwechselnd solange ausgestrichen werden, bis sie leer waren. Die Milch wurde in kleinen sterilisierten Schalen aufgefangen und sofort in die Trinkflaschen abgegossen. Auch die weniger intelligenten und geschickten Mfitter hatten nach gentigender Unterweisung in 3/4 bis I Stunde die Brust geleert.

Nach Soxleth-System wurden die gezeichneten und entsprechend verschlossenen Flaschen im Wasserbad erwi!rmt , bis der Inhalt einige Male ]ebhaft aufgekocht war. Nach Abkfihlung der Flaschen auf Trinkw~irme erhielten die Kinder die Muttermilch. Es wurde also die Milch aus der Brust ftir die jedesmalige Mahl- zeit ausgestrichen, abgekocht und ohne irgendeinen Zusatz den Kindern gegeben.

Da Colostrum beim Kochen gerinnt, so erhielten die Neuge- borenen solange fremde abgekochte Frauenmilch, bis die Mutter- milch frei yon Flockung blieb.

Keines der 5o Neugeborenen hat somit Colostrum bekommen. Beim Kochen ist eine bemerkbare Eindickung der Milch nicht

eingetreten; es wurde fortlaufend darauf geachtet. Die Kinder bekamen jedesmal soviel, als sie auch nach einiger

Aufmunterung tfinken wollten. Die Flaschen waren stets fiber den Bedarf hinaus reichlich geffillt.

Es ist kaum erforderlich, darauf hinzuweisen, dab dieser Vet- such nur mit Hilfe einer ganz auBerordentlich gewissenhaften Schwester, welche auch das erforderliche VerstXndnis ffir den wissen- schaftlichen Weft der Untersuchung hat, durchgeffihrt werden kann und auch nur dann zuverl~ssige Zahlen gibt.

Widerst~nde yon seiten der Mfitter sind nur ganz vereinzelt aufgetreten. Es war ein besonderer Wochensaal eingerichtet, in welchem nicht angelegt, sondern nur ausgestrichen und den Kindern die abgekochte Muttermilch gegeben wurde. Frauen und Kinder kannten es nicht anders. Unter peinlicher Wahrung der Sauberkeit yon Hand und Brust und vor allen Dingen auch, weil Wunden an der Brustwarze yon vornherein nicht vorkamen, sind"Haut- oder .Brustinfektionen, Sch~digungen der Mfitter nicht eingetreten.

Die Kinder wurden in allen ihren Lebens~uBerungen ge- nau beachtet . I n ih rem Befinden und ihren Ausscheidungen war keineflei Unterschied zwischen den Brus tk indern . Ver- f~irbung, F o r m und Fa rbe wie Menge des Darminha l t e s wichen in ke inem Fal le aus dem R a h m e n des Regelrechten. Die Resu l ta te des Versuches gehen im einzelnen aus den nachfo]genden Tabel len hervor .

Die Tabelle I gibt ffir den einzelnen Tag, nach dem Geburts- gewiaht des Kindes geordnet, die t~gliche gesamte Milchmenge der Mutter und die Trinkmenge des Kindes an. Es erfibrigt sich, auf die Zahlea n~her einzugehen. Ich wiederhole nur noch einmal, dab bei keiner Mutter angelegt, ein Saugreiz ausgefibt worden ist, und dab die Kinder mit Ausnahme der Milchmenge, durch welche das ger0nnene Colostrum mit gekochter Frauenmilch ersetzt wurde, nur gekochte Muttermilch erhalten haben. Ein OberschuB an Milch ist den Kleinen stets angeboten, yon ihnen aber nicht genommen worden. Bei den Ml~ttern f~llt die erstaunliche Milchmenge auf, welche lediglich durch die ,,Melkprozedur", wie PFAUNDLER es bezeichnet, erzielt worden ist.

Nach Abbruch des Versuches, wenn die M fitter mit ihren Kin- dern entlassen werden sollten, tranken die Kinder sehr bald an der leicht flieBenden Brust.

Das Studium der Zahlen, der Vergleich macht eine weitere Er- lauterung fiberflfissig.

Page 2: Abgekochte Mutter- und Frauenmilch

3o0

i . Tag Geburtsgewieht M. [ K.

4700 16o 115 4400 �9 2 2 2 2

43o0 io 3 e 4200 5 I 50 39oo 5 ~ 5 c 3800 551 65 3700 28 33 3600 7ol 69 350o 661 63 34 ~ 55/ 59 33 ~ 38[ 46 3200 I1 / 52 31oo 25 43 3000 55[ 56 2900 35 57 28oo 42 j 61 2700 7ol 5 ~ 2600 6o! 60 2400 60 215 2200 5 ~ 60

Mittel

2.

M.

K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 2. J A H R G A N G . N r . 7

255 15~

7e 113e [I6e lOO

192 206 2 3 I lO 3 lO 5 IO2 190 I23

8I 95

105 2 2 0 19o

45 i 59 1136

Fag

K.

E95 245 51 3oc 7 c 145

[O0 29G EO0 23c :oo 37 ~ 75 1238

:38 341 :13 337 :39 575 :I2 232 97 256 75 233 24 292 7 ~ 235 69 19o 8o 153 7 ~ 305

365 360 115 5oo

1o01288

3. ~ag 4. Fag

M. K. M. K.

24c 36r 3IC 215 535 225

]I35 29 ~ 220 i17c 380 250 118o 220/2IC 1135 680 !24o 1165 1383 213 196 460 265 179 445 234 249 773 29o 185 34 ~ 28o 166 3o8 228 18o 332 21o 2o5 351 25 ~ 153 290 197 158 26o 21o 12o 355 135 17o 41o 240 360 315 36o 165 48o 15o

117714~

5. Fag

M. K.

38c 225 245 3oc 235 295 /27 ~ 3o4 247 485 313 265 245 275 247 226 195 34 ~ 4 2 o 16o

Tabelle I.

6. Tag I 7. Tag

I �9

rag K.

44 c j5IC 305 4Ie 1245 755 15o3 637 465 88o 378 324 383 432 338 254 382 46o 54 ~ 565

8.

M.

53 ~ 44 ~ 580 455 67c

37 ~ ! 340 137 ~ 36c 36c

700 i32o 780 36o 380 78o 542 1320 585 330 1458 54 ~ ]352 ]567 [376 628 486 13o3 ]551 ]315 552 945 i323 723 375 650 443 1357 1433/336 57 ~ 35 327 375 33- 378 390 ]283 144 ~ 1295 447 t61 318 1525 360 355 1328 1418 538 515 490 294 j264 13o4 J294 ~3o ]250 43 ~ 435 575 ]420 J46o ]420 t3o 143o 500 12oo 164o 122o/72o

1456127615o513IO 1513134o 154I

9. Tag [ xo. Tag I '~i, Tag

166o 515 74 ~ 535 167o 450 725 500

i 500149o 530 53o

698 443 730 440 535 34 ~ 723 375 715 500 73e 500 47 ~ 39o 397 38o 473 403 492 442 560 37 ~

655 15IC 500 i34 c fi9c 45 ~ 135 ~ 360 350 137o 465 435

390 9oo 390 133o 398 670 3o2 345 415 29o i430 745 47 ~ 276 45 ~ 37 ~ 33 ~ 422 365 377 475 4io 376 522 387 380 465 to5

35 ~ 47 ~ 360

36o 71o 560

3701561139o t57o 14321,6o9/432

12. FEBRUAR i923

12. Tag Mittel

M. K. M. K.

661 5o 3 690 48c 68o 417.

358 347 449 437 181 155 820 380 522 33 ~

755 54 ~ 675 417 555 333

73 ~ 520 716 466 481 343

427 412 556 412 415 34 ~ 531 373 458 374 3o4 294 445 345 460 420 321 358 690 313

651 !488

TabeUe 2. Gr6Bte Gewichtsabnahme bei

Geb.-Gewicht Brustkindern abgekoehter Muttermilch

4700 4400 4300 4200 3900 3800 3700 3600 3500 3400 33o0 3 2 0 0 31OO 3oo0 2900 2800 2700 2600 2 2 0 0

5OO 400 400 300 500 33 ~ 35 ~ 280 300 300 260 350 275 3 0 0 15o 45 ~ 275 300 IOO

450 55 ~ 275 35 ~ 420 220 33 ~ 365 378 415 360 275 33 ~ 290 290 222 225 230 2 0 0

Durchschnit t l iche Abnahme bei 5 ~ Neugeborenen, welche ernghrt wurden mit :

Brustmileh 320,5 g, abgekochter Muttermilch 3o8,7 g.

Um einen ann~hernden [3berblick fiber die Gewiehtskurve zu geben, babe ich in die Tabelle 2 die durchschnit t l ich gr6gte Gewichts- abnahme der einzelnen Gewichtsgruppen eingetragen. Die Gegen- fibersteUung mi t den entsprechenden Angaben yon 5 ~ Brust- kindern lgBt erkennen, daB kein nennenswerter Untersehied be-

steht. Wie leicht verstgndlich, haben die Brustkinder in den ersten Tagen mehr abgenommen als die anderen. Der allgemeine Verlauf der Kurven ist in beiden Gruppen annghernd gleich.

Es darf vielleicht noch hinzugefiigt werden, daB die Mfitter beider Gruppen unter denselben Bedingungen gelebt und dieselbe Verpflegung erhal ten haben.

In der 3. Tabelle sind die durch v. JASCHKe in seiner ,,Physio- logie, Pflege und Ern~thrung des Neugeborenen", S. 294, gemachten Angaben, welche freilich recht hoch erscheinen, zum Vergleich angeffihrt. Die Zahlen aus der Tabelle I sind entsprechend ein- geordnet. Mit Ausnahme der beiden ersten Tage sind die yon v. JASCHKE angegebenen Zahlen h6her, wenn auch der Unter- schied nicht wesentlich ist. Derartige Vergleiche hinken freilich stets naeh den verschiedensten Richtungen. Sie gehen aber doch ffir das Studium einen gewisse Handhabe.

Um sich fiber die Trinkmengen der , ,Versuchskinder" noch ein weiter abrundendes Bild macheI1 zu k6nnen, sind in der 4. Ta- belie in ( ) die Zahlen zum Vergleich herangezogen, welche Koch in der Zeitschrift Ifir Geburtshilte und Gyngkologie, 83, H. 2, ge- geben hat. Koc~ ha t an der angegebenen Stelle die Tr inkmengen yon Neugeborenen und S~uglingen mi t guter und schleehter Ge- wichtskurve mitgeteilt .

Auch bier wiederum erreichen die Trinkmengen meiner schwereren Kinder nicht die niedrigeren Zahlen yon KocH; die ersten Gruppen n~thern sich ihnen im Mlgemeinen. Beri~cksichtigt mug fiberall werden, dab es sich in meirler Versuchsreihe nur um 5 ~ Kinder handelt , w~thrend den ande#en Tabellen eine viel gr6Bere Zahl zugrunde gelegt worden ist. Ohne Bedeutung ist es vielleicht auch nicht; daB es sich um Beobachtungen aus der Vor- und Naeh- kriegszeit handelt .

Naehdem die Tabelle 2 dargetan hat , daB die Gewichtskurve der mit abgekochter Muttermilch ern~hrten Kinder gegenfiber der der Brustkinder eher gfinstiger verl~uff, babe ieh in der Tabelle 5 laoch 2 andere Zahlenreihen aus ,,v. JASCHKE 1. C.", S. 149, der meinigen gegenfibergestellt.

Tabelle 3. Gruppe IV: 3800-- 41oo; Gruppe I I I : 3400 - 3700; Gruppe I I : 3ooo - 33oo; Gruppe I : 25oo-- 29oo.

Gruppe i. Tag 2, Tag 3. Tag 4. Tag 5. Tag 6. Tag 7. Tag 8. Tag 9. Tag Io. Tag

IV

IIl

II

I

Mittel

(26,7) 55 (23,6) 56 (34,o) 49 (30,2) 57

(28,2) 54

(99,7l '3oo

(91,8) 116

(87,5) 102

(95,4) 72

:(66,1) 148

(223,7) 162

(218,8) 195 (I37,1) 184

(136,4) 15o

(2o4) 173

(368) 233 (343,1) 25o

(228,1) 192

(239,8) 193

(294,7) 2 1 7

(424,1) (454, 6 ) 277 33 ~ (436,1) (444,I) 351 [325

(285,2) (319,2) 275 321

(265,7) (276,8) 255 315

(352,8) 339

(373,7) 325

(506, I) 360

(497,2) 346

(34 o, 2) 331

(308,8) 369

(413,I) 351

(467,9) 390

(46I,I) 376

(349,2) 339

(326,9) 365

(4Ol,3) 39o

( 5 I I , 9 ) 413 (484,1) 354

(388,2) 383

(364,7) 382

(437, 2 ) 383

(542,7) 49o

(482,8) 421

(418,9) 395

!461,5) 435

Page 3: Abgekochte Mutter- und Frauenmilch

I2. FEBRUAR I 9 2 3 K L I N I S C H E ~ r O C H E N S C H R I F T . 2. J A H R G A N G . Nr . 7 301

Tabelle 4. Trinkmengen nach KocH, Gruppe I: bis 24oo g Geburtsgewieht; Gruppe I[ : 26oo--29o0 Geb.-Gew.; Gruppe I I I : 3000 - 340o Geb.-

Gew.; Gruppe IV: 3500--3900 Geb.-Gew.; Grnppe V: 41oo und dariiber.

I. Tag

(17 5426)

(14~-~3)

(13 -20) 51

( i i 5717)

(9-- I4) 60

2. Tag 3. Tag

(I36--I66)/(255--3o6) I~ i I9o

(12o--136) i(225--27o) 125 [ 171

(IO4--I27) 1(I95--234) lO9 197

1(165--198) (78--97) 72 15o

(72--88) 115 (I 35~; 62)

Gruppe

V

tV

I I I

I I

I

1 4. T a g / 5. T a g 6. T a g 7: T a g 8. T a g

(327--421)1(366--497) (404--544)(442~573)[(468~6~ 249 ! 287 3o5 , 3 9 [ 3~7

(-89--37 I) (323--439)(356--480)(39o--496)(413--533) 232 268 " 332 345 ! 352

(250--322) (280--380)(3o9-~416) (388--439)i(358--462) 2 5 1 1 3 1 7 1 3 2 - 339 358

(2~2--272) (237--322)(261--332) (286--36I)i(3o3--39I) 193 255 [ 315 369 [ 365

(173--233) (I94--253)1(214--288)(234--304) (259--333) I5o [ r6o [ 200 230 ! 360

9. Tag Io. Tag xI. Tag I2. Tag

1489--629) (523--646)I (548--646) 1(519--676) 434 485 ] 522 ! 4 8 o

431--555) (461--56o)/(484--56o)i - - 328 392 [ 54 ~

374--48i)i(4oo--494)I(419--494)1 (397--577) 4 ~ : 416 359 466

(316--4o7){(377--418) - - __ 382 i 35I

(259--333) ~ - - __ __ 360 I I

Tabelle 5. Gr6Bte Gewichtsabnahme: I. v. JASCI~KE, 2. Heidelberger Frauen-

klinik; 3. abgekoehte Muttermilch.

2ooobis 2499 . ~ 5 o o , , 2999 . 3 ~ ,, 3499 �9 35 ~ ,, 3999 �9 4 ~ ,, 4499 �9 4500 und mehr.

[[

�9 , I I

ii "ii "ii

x 2 3

i7o i85 185 214 215 243 251 302 320 363 335

4 o o

242 334 343 392 45 ~

Unter i. sind die Angaben der gr6flten Gewichtsabnahme von HXIDEMANN aUS der Heidetberger Frauenldinik, unter 2 yon g. JASCHKE, aus der GieBener und unter 3 meiner mit abgekochter Muttermilch ern~hrten Kinder angeffihrt. Ein durchgehender Untersehied ist zwischen den 3 Reihen nicht vorhanden. Den gr6Beren Abnahmen in den Reihen i und 4 steht die erheblieh ge- ringere in 6 gegenflber. JedenfaUs ist diese Zusammenstellung ebenfalls als ein Beweis daffir anzusehen, dab die abgekochte Frauen-, oder besser Muttermileh, den Neugeborenen nnd S/~uglingen nicht geschadet hat.

Tabelle 6.

Es bleibt der Nachweis n0ch fibrig, daB auch bei 1Angerer Gabe Kinder mit abgekochter Muttermilch gut gedeihen. Als Beispiel gebe ich in der Tabelle 6 die Gewichtskurve eines Ammenkindes

Kl in i s che Wochenschr i f t , 2. J ah rg . -

und einer Fri]hgeburt wieder. Die Amme geh6rt zu den- jenigen Mfittern, welche ihre Brust yon Anbeginn an nut ausgeStrichen haben. Das Kind wurde auf diese Weise 6 Wochen ernAhrt. Die yon auBerhalb eingelieferte, 2Tage alte, I4oo g schwere und 36 cm lange Frfihgeburt erhielt 12 Woehen lang lediglich abgekochte Frauenmileh. Die Tabelle soll zeigen, dab die Kinder ungef~hr der Normalkurve entspreehend zu- zugenommen haben. Es ist in der Gewichtszunahme welter kein Untersehied dadurch entstanden, daB nach beabsiehtigter .~nde- rung der Ern~hrung das Ammenkind bei der Mutter angelegt und die Frflhgeburt nach entsprechender ZwiemilchernAhrung mit verdfinnter Kuhmilch gefflttert wurde.

E ine Reihe der aus der Ans ta l t in ein hiesiges S~uglings- he lm enflassenen Kinder sind wel ter m i t abgekochte r Mut ter - milch gef i i t te r t worden und gut vorw~r ts gekommen. Andere SXuglinge, welche zu den Versuchskindern gehSren, sind in der yon mir ge le i te ten Mut te rbera tungss te l l e wel ter nnd so bezfiglich ihres Gedeihens genau beobach te t worden. Ich kann also, wenn auch nicht yon allen, doch yon einer ganzen Reihe yon Sguglingen sagen, dab die anfs E rn~hrung mi t nur abgekoch te r Mut t e rmi l eh keinerlei EinfluB gehab t hat .

So weir die Ta t sachen des Versuches. Welches sind die Schlfisse, die zu ziehen er laubt sind.

Zun~chst sollen die Beobach tungen an Mut te r und Kind nach den verschiedensten R ich tungen Anregung geben, die bisherige Theorie mi t der durch meine Mit te i lungen erh~rte- ten, bisher schon vielfach e rprobten Praxis wel ter in Einklang zu bringen. Es werden sich auch bei wei terer Auswer tung der vor l iegenden Zahlen und Er fahrungen manche zur Zeit gfiltige Dogmen als nicht mehr nnumst6Blich erweisen. Neue sys temat ische Un te r suchungen in der angegebenen Rich tung mfissen das Vorliegende bests

DaB man die Ergiebigkei t der Brustdrf ise durch sorgf~I- t iges Ausst re ichen naeh Vol lendung der kindl ichen Mahlzei t e rh6hen kann, ist eine al te Erfahrung. Wohl in allen gu t ge- le i te ten Gebs usw. wird diese PraMs gefibt. DaB es aber gelingt, lediglich durch das , ,Melken" die Milchbi ldung in Gang zu bringen und so zu steigern, wie es Tabel le I be- weist, dfirfte die freilich schon vielfach angefochtene Lehre yon der Wi rkung des , ,Saugreizes" erhebl ich erschfit tern. Ich verweise auf den Abschn i t t : , ,Die Physio logie der Lac- t a t i o n " in SOMMEFELDS Handbuch .

Du tch die Abgabe h~Itbarer abgekochter F rauenmi lch wfirde gewiB manchem kranken Ss un te r Umgehung des Ammenunfuges im P r iva thaus das Leben erhal ten bleiben. Es ist hier n icht der Ort, nach dieser R ieh tung wei tgehende Plane zu schmieden. Nur soviel s teh t Iest, dab abgekochte F rauenmi lch gesunden S/~uglingen eine genau so gu te Nahrung ist wie die unabgekochte ar teigene Milch.

Es ist mir ferner n ieht zweifelhaft , dab auch kranke S/iug- linge, f/ir xcelehe man die robe F rauenmi l ch bisher als un- bedingt erforderl ich gehal ten hat , m i t abgekochter genesen. Ich verif ige fiber einige e i n s c h l / i l ~ . ~ u n ~ n . Sie sind jedoch bei der Ar t meines Mat/ll-ialt#~ welches i ch - s t e t s nur mi t Rficksicht auf den H e l m m r ~ @ ~ I k ~ t ~ e a * i nicbt mannigfa l t ig genug, u m ~ n die Wagschale ~6~v'6~fl:

Page 4: Abgekochte Mutter- und Frauenmilch

302

werden zu k6nnen. E ingehendere Versuche bleiben den S~tuglingskrankenhgusern vorbeha l ten .

\ u Forschung bedar f es, u m festzustellen, ob durch das kurze Aufkochen f iberhaupt wicht ige Bes tandte i le der F r a u e n m i l c h vern ic l l te t werden. An dem Ergehen und Ge- deihen der gesunden Neugeborenen und S/iuglinge ist ein derart iger , bisher als Schreckgespenst schwebender Vorgang jedenfal ls n ich t nachzuweisen. Auch hier m u g die Theorie die Beobach tung der Prax is zu ergr i inden versnchen.

Auffal lend ist ferner, dab die mi t abgekochte r Milch er- n/ ihr ten Kinder , im eigent l ichen Sinne Flaschenkinder , so- re la t iv wenig ge t runken haben. Zu e rwar ten wgre eigentl ich, dab sie von der le icht fliel3enden Nahrung mehr genommen h/i t ten. Es i s t an eine Geschmacksver / inderung zu denken. Die Zunge des Erwaehsenen ha t freilich einen Untersch ied n ich t wah rnehmen k6nnen. Es w/ire auch eine E ind ickung und h6here Konzen t r i e rung der Milch du tch das Abkochen m6glich. Wie oben erwghnt , ha t aber eine meBbare A b n a h m e des Flascheninhal tes n icht s ta t tgefunden . Die r e l a t iv geringe Nahrungsau fnahme ist m. E. nur so zu erM/iren, dab in der Milch dureh das kurze Aufkochen eine Vergnderung vor sich geht, durch welche die Kinder fr i iher sa t t werden. DaB der N~hrwer t aber n icht geminder t wird, zeigen die Tabel len 2 und 5.

E ingehende Un te r suchungen sind noch darfiber anzustellen, ob die gekochte Nah rung nicht l~inger im Magen ble ibt und nach i rgendeiner R ich tung mehr abgebau t nnd ausgenutz t wird. F/Jr derar t ige Beweise fehlen mir die erforderl ichen Hilfsmit te l .

Erfi i l len die mi tge te i l t en Versuche in der bezeichneten R ich tung ihren anregenden Zweck, so ist die aufgewandte M/ihe nicht vergebl ieh gewesen.

K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 2. J A H R G A N G . Nr . 7 I2. F E B R U A R i925

Aorteninsuffizienz q- (2 F/ille), Grippe @ (i), Lues cerebri + + (2), multiple SMerose q- (i), progressive Paralyse q-q- (1), Tbc. pulm. + (I), Tbc. pulm. q-q- (I), Tabes incipiens schwach + (i), Verdacht auf Hypophysentumor + (i).

146 F/ille yon Organsyphilis und Syphilis des Zentralnerven- systems zeigten f ibere ins t immend positive WaR. und SGt?.

Bei einem Falt handelte es sich um eine Pneumonia migrans. Anamnestisch ergab sich, dab der Pat. 19o 3 und 1917 angeblich einen ,,weichen" Schanker gehabt hat Der Schanker sei jedesma][ nur lokal behandelt worden. In der Krankengeschichte ist nichts yon Schankernarben erw/ihnt. An einem Tage, an dem die Fieber- kurve sictl zwischen 39 und 4 ~ bewegte, war WaR. und Sachs- Georgi-Reaktion stark posifiv. 3 Tage spgter, als die Temperatur wieder v611ig zttr Norm zur/ickgekehrt war, zeigten WaR. und Sachs-Georgi-Reaktion ein negatives Ergebnis.

Wahrschein l ich ist der vor l iegende Fal l zu den sel tenelI F/i l len yon Pneumonie zu z/ihlen, wo die W a R . p o s i t i v i s t . (BoAsa): Durch das hohe F ieber werden wohl U m s t i m m u n g e n im Organismus hervorgerufen, die zu e inem unspezif isch posi t iven Aussehlag der Seroreakt ionen f/ihren. Oder a b e t man n i m m t an, dab der Pa t i en t sich 19o 3 syphi l i t isch inf iz ie r t h a t ; durch das hohe Fieber k6nnte dann die Lipoid- ode r Globul inprodukt ion der Zellen wieder geste iger t worden sein, und so w/ire dann der posi t ive Reakt ionsausfa l l zu erkls Die le tz te re A n n a h m e ist aber n icht sehr wahrscheinl ich, da es ers taunl ich w/~re, wenn die e inmal nach der eben gekennzeich- ne ten R ich tung mobil is ier te Zel l t~t igkei t schon naeh 3 TageI~ sich wieder derar t ve r s h~tte, dab beide R e a k t i o n e n nega t iv ausfielen.

Tabelle I.

WaR. fast positiv oder zweifelhaft, Sachs-Georgi-Reaktion posit iv (9 Ffille).

DIE BRAUCHBARKEIT DER SACHS-GEORGISCHEN AUSFLOCKUNGSREAKTION UND DER VEREIN- FACHTEN DOLDSCHEN TRUBUNGSREAKTION FOR

DEN INTERNISTEN.

Von

Dr . ALFRED HOLLANDER. Aus der Medizinischen Klinik tier Akadeaxie ffir praktisch~ MeJizin in Dasseldorf.

(Direktor: Geh. Med.-Rat A. HOFFMANN.)

}Die vielen Nachprf i fungen der Sachs-Georgischen Re- ak t ion - - bei der Doldschen Reak t ion sind die Nachprf i fungen noch spgrl ich -- e rs t recken sich vorwiegend auJ rein dermato- logische F/ille. Es soil daher fiber die Brauchba rke i t der beiden ~ e t h o d e n an dem Material einer inneren Klin ik be r i ch te t werden.

2763 Seren wurden untersucht , davon 415 auch nach DOLD. Ft ir den Internisten sind die serologischen Unte r suchungs -

me thoden zur s icheren Diagnosenstel lung, besonders bei Nervenkrankheiten, wichtig. Der Syphilidologe, der meis t frische Luesfgl le sieht, kann die Seroreakt ionen viel eher ent- behren, denn er v e r m a g klinisch oder durch Spirochdtennach- weis die r icht ige Diagnose zu stellen. Auf die Bedeutung des Spirochiitennaehweises gerade bei sekunddrer Syphil is habe ich in meiner Disser ta t ion aus der Bonner Hau tk l i n ik ~) hinweisen k6nnen.

Die Sachs-Georgische Reaktion wurde als Brutsehrank- methode ~) ausgeffihrt , wir a rbe i t e ten framer m i t 2 E x t r a k t e n und den en t sprechenden Kontrol len . Die E x t r a k t e s t a m m t e n teils yon Her rn Prof. SAc~Is, tells benu tz t en wir eigene, sorgf/il t ig ausgewerte te . Ab!esung erfolgte im K u h n - W o i t h e - schen Agglut inoskop.

1711 Seren zeigten bei den verschiedens ten rein internen E r k r a n k u n g e n negative WaR. und SGR. (Unte rsuchung nach WASSERMANN im hiesigen Hygien i schen Ins t i tu t , Dir. : Prof. B I . I R G E R S . )

Von 208 Seren, die nur nach Sachs-Georgi nn te r such t wurden, reagier ten 194 interne F~lle negativ, 11 posit iv:

W a R . S G R . Zah l de r F~l le

Arthritis . . . . . II zwei felhaft Aortitis luetica, fast @ Aortitis luetica und' 19. I I.

Erysipel . . . . , Spur Hemmung :i 26. II. schwach +

I Cholecystitis . . . . I 29. II. negativ

!5. I. mit o,I Serum l] zweifelhaft I[ mit o,2 Serum -t-

Ca. ventriculi . . .'1 zweifelhaft

+ + +

schwach +

+ +

+ +

19o7 Fehlgeburt

I

Lnes latens . . . . 'I

Lues cerebrospinalis 'I i Mitral insuffizienz. . i

Pleuritis . . . . .

schwach + zweifelhaft

16. II. negativ, verd/ichtig

29. I I. Spur mini- maler Hemmung

Hemmung

schw. -t- + +

+ + + + + +

I

I

Lues vor 3 Jahreu zu-

gegeben I

I

Die vor l iegende Tabetle ergibt im Grunde keine Ab- weichungen. Bei den syphilitischen Fgl len war die Sachs- Geo~'gi-Reaktion im Gegensatz zur WaR. eindeutig positiv. Bei den fibrigen F~illen fanden sich in den Krankengesch ich ten , abgesehen yon den zwei oben angeff ihr ten Angaben, keine anamnes t i sch oder klinisch ffir Lues sprechende A n g a b e m Die Frage, ob hier doch eine luet ische Infek t ion voraufgegangen ist, kann also nicht entschieden werden.

Bei den in Tabel le 2 en tha l t enen nichtspezif ischen K r a n k - heitsf/il len lieBen sich anamnes t i sch and klinisch keine auf Lues hinweisende Da ten nachweisen. So ble ib t auch h ie r die Frage often, ob Lues la tens anznnehmen ist. Bei de r Genauigkei t der W a R . hen te mfissen diese Ffille zum mindes t en als sehr verddchtig angesehen werden. Von 28 Ydllen is t in 9 Fd'llen bel stark pos. WaR. die Sachs-Georgi-Reaktion negativ, in den iibrigen 19 F/~lien s teh t der negativen oder ]raglicher~ Sachs-Georgi-Reaktion ein zwei/elha]ter Ausfall der WaR. gegen- fiber.