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Akteure I: Staaten Die Entwicklung der Vorstellung vom Nationalstaat als Hauptakteur der internationalen Politik GK III Internationale Politik

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Akteure I: Staaten Die Entwicklung der Vorstellung vom

Nationalstaat als Hauptakteur der internationalen Politik

GK III Internationale Politik

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Gesellschaft

Staat C

Regierung

Gesellschaft

Staat A

Regierung

Gesellschaft

Staat B

Regierung

Der Staat als Akteur internationaler Politik

= außenpolitische oder internationale Transaktionen= innenpolitische Interaktionen

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3. November 2005 Prof. Dr. Dr. h.c Reinhard Meyers 3

1. Die internationale Politik ist die Resultante der Interaktionen der Nationalstaaten, wobei diese sowohl als Handlungsträger wie auch als Ziele der Handlungen der Staaten auftreten.

2. Jeder Nationalstaat beansprucht den Status souveräner Gleichheit mit allen anderen.

3. Nationalstaaten sind voneinander unabhängig, deutlich voneinander unterscheidbar und keiner übergeordneten (Zwangs-) Gewalt unterworfen.

4. Jeder Nationalstaat wird so behandelt, als bilde er ein homogenes politisches System, in dem eine Zentralregierung über das Monopol legitimer physischer Gewaltsamkeit verfügt.

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4. Nationalstaaten üben die ausschließliche Gewalt über ein definierbares Territorium (Staatsgebiet) und eine definierbare Anzahl von Staatsbürgern (Staatsvolk) aus; die Erdoberfläche ist in sauber abgegrenzte politische Einheiten aufgeteilt. Erst diese in den völkerrechtlichen Prinzipien der Souveränität und des Verbots der Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer sich spiegelnde - monopolartige - Verfügungsgewalt des Nationalstaates über einen bestimmten Teil der Erdoberfläche gestattet es, zwischen Aussen- und Innenpolitik begrifflich zu trennen und als Aussenpolitik solche Transaktionen zu verstehen, die die territorialen Grenzen des Staates nach aussen überschreiten.

5. Die außenpolitischen Entscheidungsträger des Staates sind die allein legitimierten Akteure der internationalen Politik; alle anderen innerstaatlichen gesellschaftlichen Akteure können ihre weltpolitischen Interessen nur auf dem Weg über die jeweilige nationale Regierung zur Geltung bringen. Souveräner Status und Verfügung über das Gewaltmonopol verleihen dem Staat zugleich den Anspruch, die seine Grenzen überschreitenden Handlungen seiner Kontrolle unterwerfen zu können.

6. Nationalstaaten sind die weltlichen Bezugspunkte, auf die hin sich die Gruppenloyalitäten des Einzelnen letztlich orientieren und mit denen er sich – vor allem in der Auseinandersetzung mit Angehörigen anderer Staaten - identifiziert.

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Der neuzeitliche Territorialstaat-Substrat des realistischen Billard-Ball-Modells der Internationalen Politik

Prämisse: Legitimation des Staates durch Garantie von Sicherheit und Rechtsfrieden im Binnen- und Schutz vor (militärischen) Angriffen im Außenverhältnis Faktoren des Wandels:

Entwicklung der Produktivkräfte und der Destruktionsmittel

mittelalterlicher Ausgangspunkt

Mauergeschützte Undurchdringbarkeit

Flächenstaat: harte Schale von Festungen rings um die Peripherie bei gleichzeitiger Aufhebung der Unabhängigkeit befestigter Plätze im Landesinnern durch die Zentralgewalt

Schiesspulverrevolution des späten Mittelalters: Entwicklung der Artillerie und der Distanzwaffen

hebt auf

Festungsgeschützte Undurchdringbarkeit

Äußerungsformen

strategisch

Militärmacht

politisch

Unabhängigkeit

rechtlich

Souveränität

Moderner Staat: Im Inneren befriedete und nach aussen durch ihre harte Schale verteidigungsfähige Einheit mit (physischem) Gewaltmonopol

militärisch-politisch-rechtlich abgestützte Undurchdringbarkeit

Voraussetzung: Verbleib der (Land- und See) Krieg-führung in der

Horizontalen

Luftkrieg: insbesondere ballistische Trägersysteme und nukleare Massenvernichtungswaffen

hebt auf

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Friede SicherheitFriede SicherheitFriede negativer Friede

Friede negativer Friede

Landfrieden:

Delegitimierung der Fehde als Mittel zur Durchsetzung

individueller Rechtsansprüche

Verkehrssicherheit:

Schutz vor Übergriffen ermöglicht rationale Kalkulation

der Risiken des Fernhandels

Rechtssicherheit:

Berechenbarkeit des Wirtschaftshandelns im

einheitlichen Raum

Innere Sicherheit

Waffentechnologischer Wandel zugunsten der Distanzwaffen

Territorialstaatsbildung

Formalisierung/Institutionalisierung/

Professionalisierung von Rechtsprechung und Verwaltung

Ablösung der Ritterheere

durch Söldner

Ausbildung staatlicher Gewaltmonopole, Verfestigung der Grenzen und Trennung von

innen/aussen ( ca. 1600)

Ausbildung stehender Heere

Äußere Sicherheit

Kennlinien im Verhältnis Staat-Frieden: Frühe Neuzeit

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Innere Sicherheit Äußere Sicherheit

Securitas publica/potentia domestica contra seditiones, conspirationes,

rebelliones civium

Schutz von Leben und Eigentum durch öffentliche Ordnung

a) Potentia externa contra hostem externum

b) Inter nationes als assecuratio pacis im sich ausbildenden Gleichgewichtssystem

Schutz von Leben und Eigentum durch zwischenstaatliche Abschreckung und Gewalt (anwendungsbereitschaft)

Legitimierung durch Vertragstheorien seit Hobbes

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Ausbildung der europazentrischen Staatengesellschaft

1. Prozess des Wandels der horizontal geschichteten europäischen Feudalgesellschaft

zum vertikal segmentierten System von Territorialstaaten in Europa

2. Prozess des Wandels von auf persönlichen Treuebeziehungen gegründeter Herrschaft

(Personenverbandsstaat) zur territorial radizierten Herrschaft

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Lehenspyramide des Mittelalters

König

Geistliche Fürsten

Weltliche Fürsten

Grafen und Freiherren

Ministeriale

Dienstmannen

Sonstige Hörige

Herrscher über ein Territorium

Untertanen

Neuzeit:

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Literaturempfehlung

• Hagen Schulze: Staat und Nation in der euro-päischen Geschichte. München: Beck 1994.

• Thomas Ertman: Birth of the Leviathan. Building States and Regimes in Medieval and Early Modern Europe. Cambridge: C.U.P.1997.

• Wolfgang Reinhard: Geschichte der Staatsgewalt. Eine vergleichende Verfassungsgeschichte Europas von den Anfängen bis zur Gegenwart. München: Beck 1999.

• Hans Fenske: Der moderne Verfassungsstaat. Eine vergleichende Geschichte von der Entstehung bis zum 20. Jahrhundert. Paderborn: Schöningh 2001.

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STAATSRÄSON

Mittelalter: Verpflichtung der Politik auf das Gemeinwohl und das Recht

Frühe Neuzeit: Verpflichtung der Politik auf die Selbstbehauptung des modernen, anstaltlich-zentralistisch organisierten, souveränen Territorialstaats

theoretischer und legitimatorischer Bezugspunkt für folgende Entwicklungen:

Innenverhältnis Aussenverhältnis

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Innenverhältnis

„Verstaatlichung“ der Politik im Konflikt mit den (mediatisierten) traditionellen inter- mediären Gewalten (Politik der Aufhebung von Immunitäten,Säkularisation,Verfesti-gung einer summa potestas iurisdictionis)Suspendierung der politischen Normen und Werte des Alltags, die das Wie der staatlichen Ordnung bestimmen, wenn das Daß der staatlichen Fortexistenz in Frage steht (Verfügung über den Ausnahmezustand als Kernbestand des Souveränitätskonzepts)

Außenverhältnis

Durchsetzung außenpolitischer Interessen

in der Situation des an-archischen Naturzustandes, in der das Zusammenleben aller immer auf die Selbsterhaltung des einzelnen gestellt bleibt und (notfalls militärische) Selbsthilfe als legitimes Mittel zur Verwirklichung der eigenen Ziele dient

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Literaturempfehlung

• Herfried Münkler: Im Namen des Staates. Die Begründung der Staatsraison in der Frühen Neuzeit. Frankfurt/Main: S.Fischer 1987.

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Realistische Prämisse

• Die Staaten sind die einzigen bedeutenden Akteure der internationalen Beziehungen. Zu erforschen sind daher ihre Motive und Verhaltensweisen oder genauer: die Motive und Verhaltensweisen der sie nach aussen vertretenden politischen Entscheidungsträger. Anderen internationalen Akteuren kommt allein in ihrer Funktion als Mittel, Agenten oder Auftragnehmer der Staaten Bedeutung zu.

• Internationale Beziehungen sind das Ergebnis einzelstaatlicher aussenpolitischen (Inter-) Aktionen, die das Ziel der Erhaltung der in Kategorien militärischer Macht sowie territorialer und/oder weltanschaulicher Herrschaft definierten nationalen Sicherheit (sog. „high politics“) verfolgen. Andere Ziele werden als „low politics“ definiert und belegen im Ziel- und Wertinventar der Staaten einen nachrangigen Stellenwert

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High Politics/Low Politics

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Realistische Prämisse

• Die internationalen Beziehungen sind ein Nullsummenspiel; der (Macht- und Status-) Gewinn eines Akteurs im internationalen System geht zu Lasten eines/mehrerer/aller anderen Mitspieler. Der Austragungsmodus des Spiels ist der Konflikt; (militärische) Gewalt dient latent oder offen als Konfliktentscheidungsmittel.

• Internationaler Einfluss resultiert aus dem Einsatz von oder der Drohung mit dem Einsatz von Macht, definiert als aktuelle oder potentielle militärische und/oder wirtschaftliche Handlungsbefähigung.

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Kennchiffren des politischen Realismus

Menschenbild

Der Mensch ist eingebunden in die Widersprüche von Norm und Realität, von schöpferischer und zerstörerischer Verwirklichungsmöglichkeiten der Freiheit. Aus diesen Widersprüchen resultiert Angst, aus der Angst der Versuch, durch Machterwerb Sicherheit zu gewinnen

Erkenntnis-

interesse

Bewahrung des Weltfriedens durch Einsicht in die Lehren der Vergangenheit und deren Nutzung zur Lösung der Probleme der Gegenwart

Fragestellung Welche vergleichbaren, typischen Bedingungen, Formen, Treibkräfte bestimmen die Beziehungen zwischen Staaten? Oder: Wie ist internationale Politik tatsächlich beschaffen?

Gegenstand Offenes, multipolares Staatensystem ohne zentrale Entscheidungs- oder Sanktionsinstanz

Hauptakteure der internationalen

Politik

Souveräne Nationalstaaten

Handlungs-Prämissen

Analogie zum vorgesellschaftsvertraglichen Naturzustand: mangels einer den einzelstaatlichen Souveränen übergeordneten Zwangsgewalt befindet sich die Staatenwelt im Zustand internationaler An-archie

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Handlungsziele

Sicherung der staatlichen Eigenentwicklung und Durchsetzung des Nationalinteresses in einer dem Grunde nach feindlichen Umwelt; Stabilisierung des inter-nationalen Staatensystems

Typische Mittel zur Verwirklichung

der Ziele

• Erwerb, Erhalt, Vermehrung, Demonstration von Macht• Sicherheits-, Bündnis- und Gleichgewichtspolitik• Notfalls militärische Selbsthilfe oder Gewaltanwendung

Handlungsmilieu Zersplittertes Milieu der Staatenwelt. Strukturprinzip: vertikale Segmentierung

Charakteristikum der

internationalen Politik

Nullsummenspiel

Die Gesamtmenge der im internationalen Staatensystem verteilbaren Güter (Macht, Ressourcen, Einfluss) bleibt in aller Regel unverändert; in der Staatenkonkurrenz geht der Güterzuwachs eines Akteurs immer zu Lasten anderer

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Kennlinien des klassischen Realismus

Historischer Hintergrund:

Radizierung von Herrschaft

Genese der friedens- und sicherheitsstiftenden Funktion des Territorialstaats

Trennung von Innen und Aussen

Entstehung des europäischen Staatensystems seit 1648/1713

Ideengeschichtliche Quellen:

Machiavelli

Hobbes

Idealtypisch-metaphorische Charakteristika der internationalen Politik

Entwicklung des Staatsräsongedankes als legitimatorischer Bezugspunkt für die Selbstbehauptung des modernen Territorialstaats.

Überwindung des innergesellschaftlichen Naturzustands durch die gesellschaftsvertragliche Begründung des Leviathan;

Legitimation von Herrschaft als Garant einer territorial abgegrenzten sicherheitsgemeinschaftlichen Schutzzone: Basis der Souveränitätsanspruchs; Freisetzung des Naturzustands-Konzepts zur Charakterisierung der Beziehung zwischen solchen Schutzzonen (d.h. souveränen Staaten)

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Idealtypisch-metaphorische Charakteristika der internationalen Politik

Sytemebene

anarchische Struktur

Sicherheitsdilemma: Erhöhung der eigenen Sicherheit durch Stärkung militärischer Fähigkeiten verringert die Sicherheit anderer; Folge: spiralenförmiger Rüstungswettlauf

Gleichgewicht der Mächte durch Abschreckung

Internationale Politik als Nullsummenspiel staatlicher Akteure um Macht, Ressourcen, Einfluss

Akteursebene

exklusiver Handlungsanspruch der Akteure im Bereich der „high politics“

Territorialität: Schutzfunktion der harten Schale

zweckrationales, nutzenmaximierendes /nutzen-optimierendes Handeln

Prinzip der (notfalls militärischen) Selbsthilfe bei der Durchsetzung von Interessen

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Inhaltlich-perspektivische Differenzen von klassischem Realismus und Neorealismus

Gemeinsame Prämisse: Verhalten von Staaten über Zeit und Raum zeigt mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede

Realismus Neorealismus

Dominanz des Akteurs

Akteursverhalten bestimmt durch anthropozentrische Grundannahme:

Machtstreben

Charakteristische Eigenschaften, Situationsdefinitionen und

Zielsetzungen der Akteure eines Systems bestimmen dessen

Verhaltensergebnisse

(„bottom-up-view“)(„bottom-up-view“)

Dominanz des internationalen Systems

Akteursverhalten bestimmt durch systemische Grundannahme: strukturelle

Anarchie

Struktur des Systems (Verteilung der Macht unter den Akteuren) bestimmt

das Interaktionsverhalten der Akteure und die Verhaltensergebnisse

( „top-down-view“)( „top-down-view“)

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Realismus Neorealismus

Primat des in Kategorien von Macht definierten

Nationalinteresses

Erwerb, Vermehrung, Demonstration von Macht als Zweck der

Aussenpolitik des Akteurs

Maximierung von Macht als absoluter Gewinn im

Nullsummenspiel der Akteure

Sicherung der nationalen Souveränität als Voraussetzung des

Überlebens des Akteurs in einer

feindlichen Umwelt

Primat der Sicherheit

Selbsthilfe

Verteidigung der Akteursposition im System relativ zu den

Positionen anderer Akteure

Herstellung und Sicherung des Gleichgewichts im System als Voraussetzung des Überlebens

der Akteure unter Anarchie

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Der neuzeitliche Territorialstaat- erneut besucht: Faktoren des Wandels unterminieren die klassische Schutzeinheit

Prämisse: Legitimation des Staates durch Garantie von Sicherheit und Rechtsfrieden im Binnen- und Schutz vor (militärischen) Angriffen im Außenverhältnis Faktoren des Wandels:

Entwicklung der Produktivkräfte und der Destruktionsmittel

mittelalterlicher Ausgangspunkt

Mauergeschützte Undurchdringbarkeit

Flächenstaat: harte Schale von Festungen rings um die Peripherie bei gleichzeitiger Aufhebung der Unabhängigkeit befestigter Plätze im Landesinnern durch die Zentralgewalt

Schiesspulverrevolution des späten Mittelalters: Entwicklung der Artillerie und der Distanzwaffen

hebt auf

Festungsgeschützte Undurchdringbarkeit

Äußerungsformen

strategisch

Militärmacht

politisch

Unabhängigkeit

rechtlich

Souveränität

Moderner Staat: Im Inneren befriedete und nach aussen durch ihre harte Schale verteidigungsfähige Einheit mit (physischem) Gewaltmonopol

militärisch-politisch-rechtlich abgestützte Undurchdringbarkeit

Voraussetzung: Verbleib der (Land- und See) Krieg-führung in der

Horizontalen

Luftkrieg: insbesondere ballistische Trägersysteme und nukleare Massenvernichtungswaffen

hebt auf

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militärisch-politisch-rechtlich abgestützte Undurchdringbarkeit

Luftkrieg: insbesondere ballistische Trägersysteme und nukleare Massenvernichtungswaffen

hebt auf

Durchdringbarkeit verstärkt Industriewirtschaftliche Dynamik

Globalisierung funktionale Interdependenz

transnationale Vernetzung

Ausdifferenzierung der internationalen Arbeitsteilung

grenzüberschreitende Umweltprobleme und deren Sekundärwirkungen

Intensivierung sozialer und kultureller Wirkkräfte durch gesellschaftlichen Wandel

Ersatz fordistischer durch post-fordistische Akkumulationsweise

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Addendum I: Die Verdichtung des Staat-Krieg-KonnexesHerrscher streben nach Absicherung und Stärkung ihrer Machtbasis mit Blick auf potentielle Herausforderungen und tatsächliche Bedrohungen durch Rivalen und/oder Gegner.

(funktionale) Notwendigkeit der Organisation und Zentralisation der

Kriegführung

Aneignung gesellschaftlicher Ressourcen zur Kriegführung: Männer, Waffen, Verpflegung, Geldmittel, andere materielle und immaterielle Güter

Druck zur Durchsetzung von Teilhabe an herrschaftlichen, später an Regie-rungs-Entscheidungen. „„No taxation without representation!“No taxation without representation!“

Umsetzung dieser Politik erfordert Kooperation privater

Akteure

Die mächtigsten Gesellschaftsmitglieder und/ oder deren Zusammenschlüsse werden als erste aktiv; ökonomisch bedeutsame Schichten folgen

Schaffung und Ausbau des Macht- und Verwaltungsapparats; im Zuge der Zeit aufgrund gesellschaftlichen, ökonomischen und technischen Wandels ausdifferenziert

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Schutzgewährung und Kriegführung

Befriedung des Territoriums; Durchsetzung von Rechts- und Verkehrswegesicherheit

Ausbildung des Repräsentationsprinzips und Aufwuchs repräsentativer Institutionen

Moderner Staat

Staatensystem:Konkurrenz unabhängiger souve-

räner Staaten; Aufwuchs des Sicherheitsdilemmas

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Addendum II: Die Vorstellung von der Staatsperson: unterschiedliche ideengeschichtliche Wurzeln

Bodin, Hobbes

Fürstensouveränität

Verschmelzung der abstrakten Staats- und realen

Herrscherperson

Unterwerfungsvertrag konstituiert den Staat als eine Person, deren Wille vermöge

des Vertrages mehrerer Menschen als ihrer aller

Wille gilt

Herrscher symbolisiert allein die Staatsperson als

Ausdruck politischer Willenseinheit und

territorialstaatlicher Einheit

Althusius

Volkssouveränität

Gesellschaftsvertrag

Staat als kollektive Persönlichkeit

Societas civilis, der der Herrscher als Regierung

gegenübertritt

Deutscher Idealismus

Verpflichtende (sittliche) Idee

Rechtfertigung des Staates im Gedanken und durch den

Gedanken

Staat als eigentümlicher geistiger Wert

bewußte Unterordnung des Herrschers unter den Rechts-

staat als Verkörperung der sittlichen Idee

Historische Rechtsschule

genossenschaftlicher Gesellschaftsbegriff

Gesellschaftsvertrag erzeugt korporative Rechtsverhältnisse

und genossenschaftlich verfasste Gesellschaft

Verschmelzung der Individual-sphären zu einer Gemeinsphäre

begründet Staat als societas perfectissima oder Verbandsperson

real existierender Organismus, dessen Wille im gegenseitigen

Zusammenwirken von Organen gebildet wird; handelt im Aus-senverhältnis als (einheitliche)

Verbandsperson

Basis: personensouveränitätsrechtliche Konzepte Ergebnis : Staatssouveränitätskonzepte

Entwicklungsrichtung

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… schönen Abend noch…