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Die Erkenntnis, dass ein effektiver Naturschutz der Zusam- menarbeit auf internationaler und supranationaler Ebene bedarf, hat die Warnemünder Naturschutzrechtstage von Beginn an geprägt Inzwischen ist sie sogar Gesetz gewor- den (vgl etwa § 2 Abs 2 Satz 1 BNatSchG) Zugleich ha- ben alle Warnemünder Tagungen deutlich gemacht, dass das internationale Recht der Biodiversität sowie das euro- päische Naturschutzrecht, das seinerseits die modernen völ- kerrechtlichen Schutzansätze aufgreift, die entscheidenden Anstöße für die Fortentwicklung des deutschen Natur- schutzrechts liefern Der vom Bundesamt für Naturschutz, dem Bundesmi- nisterium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sowie der Universität Rostock finanziell unterstützte Sieb- te Warnemünder Naturschutzrechtstag wollte aus natur- schutzrechtlicher und naturschutzfachlicher Sicht wesent- liche Züge des Veränderungsprozesses beschreiben, denen das europäische Naturschutzrecht in jüngerer Zeit ausge- setzt war Hierzu konnte Veranstalter Professor Dr. Detlef Czybulka, Inhaber des Lehrstuhls für Staats- und Verwal- tungsrecht, Umweltrecht und Öffentliches Wirtschafts- recht an der Juristischen Fakultät der Universität Rostock, Referentinnen und Referenten aus Natur- und Rechtswis- senschaften sowie aus der Umwelt- und Naturschutzver- waltung begrüßen Entsprechend fach- und organisations- übergreifend war der Kreis der Tagungsteilnehmerinnen und -teilnehmer zusammengesetzt Damit festigte der Warnemünder Naturschutzrechtstag seinen Ruf als ein- zige ständige, bedeutsame Tagung in der Bundesrepublik Deutschland, die sich kontinuierlich und interdisziplinär mit Fragen des nationalen, inter- und supranationalen Na- turschutzrechts befasst In seiner Eröffnungsrede ging der Rektor der Universität Rostock Professor Dr. Thomas Strothotte erwartungsgemäß auf die aktuelle Diskussion um die Zukunft der Juristen- ausbildung am Universitätsstandort Rostock ein Strothotte sprach sich für eine stärkere Einbindung der Juristischen Fakultät in interdisziplinäre Forschungsschwerpunkte aus und unterstrich den hervorragenden Ruf der Rostocker Umweltrechtslehre I. Themenblock Gebiets- und Artenschutz 1. Natura 2000 im Bereich der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) Zunächst zog Dr. Thomas Bosecke (Umweltbundesamt, Des- sau) eine Bilanz zur Umsetzung des europäischen Schutz- gebietssystems Natura 2000 im Bereich der AWZ der Bundesrepublik Deutschland Bosecke, dessen mehrfach aus- gezeichnete Dissertation zum vorsorgenden Küstenschutz und integrierten Küstenzonenmanagement (IKZM) an der deutschen Ostseeküste inzwischen als Band 6 der Schrif- tenreihe Natur und Recht vorliegt, war als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bundesamt für Naturschutz (BfN) und an der Universität Rostock über mehrere Jahre mit Fragen des Managements von marinen Natura-2000-Gebieten in der AWZ befasst Aus dieser Perspektive beschrieb er den bis- weilen steinigen Weg zu der im Mai 2004 erfolgten Mel- dung von zehn in der bundesdeutschen AWZ gelegenen Natura-2000-Gebieten an die Europäische Kommission in Brüssel Während die gemeldeten FFH-Gebiete noch der Aufnahme in die Liste der Gebiete von gemeinschaft- licher Bedeutung bedürfen (vgl § 38 Abs 1 Satz 1 i V m 33 Abs 2 BNatSchG), sind die Vogelschutzgebiete im Sep- tember 2005 als Naturschutzgebiete i S von § 23 BNat- SchG ausgewiesen worden (siehe zum aktuellen Stand im Internet: http://wwwhabitatmarenatura2000de) Bosecke erinnerte lebhaft an den langwierigen Diskussi- ons- und Gesetzgebungsprozess, der der Schaffung einer Vorschrift zur Umsetzung von FFH- (92 /43 /EWG) und Vogelschutzrichtlinie (79 /409 /EWG) im Bereich der AWZ und des Festlandsockels vorangegangen war Der London High Court habe bereits im Jahre 1999 ein Weg weisendes Urteil zur Geltung der beiden Richtlinien in der 200-See- meilen-Fischereizone des Vereinigten Königreichs gespro- chen (Besprechung bei Czybulka, NuR 2001, 19 ff), wäh- rend hierzulande der Bundesgesetzgeber erst im Jahre 2002 mit § 38 BNatSchG eine spezielle Ermächtigungsgrundla- ge für den Natura-2000-Gebietsschutz in der AWZ und auf dem Festlandsockel der Bundesrepublik Deutschland bereitgestellt habe Da die Identifizierung und Auswahl von Natura-2000-Gebieten durch das BfN gleichwohl in- tensiv vorangetrieben worden sei, sei die Bundesrepublik Deutschland als erstes Land der Europäischen Union in der Lage gewesen, seine Meldeverpflichtungen im Bereich der AWZ und des Festlandsockels zu erfüllen Sodann unterzog Bosecke die Schutzgebietsverordnungen der beiden als Vogelschutzgebiete gemeldeten und als Naturschutzgebiete festgesetzten Gebiete „Pommersche Bucht“ (BGBl I 2005 S 2778) und „Östliche Deutsche Bucht“ (BGBl I 2005 S 2782) einer näheren Betrachtung: Der jeweils weit formulierte Verbotstatbestand (§ 4 Abs 1 und 2 der Verordnungen) werde durch Ausnahme- und Sonderregelungen erheblich eingeschränkt, die den see- völker- und europarechtlichen Vorgaben sowie den aus § 38 Abs 1 BNatSchG resultierenden Beschränkungen ge- schuldet seien So habe sich der Verordnungsgeber nicht in Widerspruch zu der – von Bosecke und später auch von Czybulka (siehe noch unten I 4) kritisierten – Rechtsauf- fassung der Europäischen Kommission setzen wollen, wo- nach alle direkt oder indirekt wirkenden Beschränkungen der berufsmäßigen Seefischerei in der ausschließlichen Re- gelungskompetenz der Europäischen Union im Rahmen ihrer Gemeinsamen Fischereipolitik lägen (vgl § 4 Abs 3 Nr 1 Alt 5 der Verordnungen) Ferner regte Bosecke aus europarechtlichen Gründen eine überpr üfung der Ausnahmeregelung zugunsten der wis- DOI: 10.1007/s10357-007-1213-2 Aktuelle Entwicklungen im Europäischen Naturschutzrecht Siebter Warnemünder Naturschutzrechtstag am 12. und 13. 10. 2006 Peter Kersandt © Springer-Verlag 2007 156 Natur und Recht (2007) 29: 123 BERICHT Ass jur Peter Kersandt, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Rostock /Berlin 156–160

Aktuelle Entwicklungen im Europäischen Naturschutzrecht

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die Erkenntnis, dass ein effektiver Naturschutz der zusam­menarbeit auf internationaler und supranationaler Ebene bedarf, hat die Warnemünder Naturschutzrechtstage von Beginn an geprägt . Inzwischen ist sie sogar Gesetz gewor­den (vgl . etwa § 2 abs . 2 satz 1 BNatschG) . zugleich ha­ben alle Warnemünder tagungen deutlich gemacht, dass das internationale Recht der Biodiversität sowie das euro­päische Naturschutzrecht, das seinerseits die modernen völ­kerrechtlichen schutzansätze aufgreift, die entscheidenden anstöße für die fortentwicklung des deutschen Natur­schutzrechts liefern .

der vom Bundesamt für Naturschutz, dem Bundesmi­nisterium für umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sowie der universität Rostock finanziell unterstützte sieb­te Warnemünder Naturschutzrechtstag wollte aus natur­schutzrechtlicher und naturschutzfachlicher sicht wesent­liche züge des Veränderungsprozesses beschreiben, denen das europäische Naturschutzrecht in jüngerer zeit ausge­setzt war . Hierzu konnte Veranstalter Professor Dr.DetlefCzybulka, Inhaber des lehrstuhls für staats­ und Verwal­tungsrecht, umweltrecht und Öffentliches Wirtschafts­recht an der Juristischen fakultät der universität Rostock, Referentinnen und Referenten aus Natur­ und Rechtswis­senschaften sowie aus der umwelt­ und Naturschutzver­waltung begrüßen . Entsprechend fach­ und organisations­übergreifend war der Kreis der tagungsteilnehmerinnen und ­teilnehmer zusammengesetzt . damit festigte der Warnemünder Naturschutzrechtstag seinen Ruf als ein­zige ständige, bedeutsame tagung in der Bundesrepublik deutschland, die sich kontinuierlich und interdisziplinär mit fragen des nationalen, inter­ und supranationalen Na­turschutzrechts befasst .

In seiner Eröffnungsrede ging der Rektor der universität Rostock Professor Dr.ThomasStrothotte erwartungsgemäß auf die aktuelle diskussion um die zukunft der Juristen­ausbildung am universitätsstandort Rostock ein . Strothotte sprach sich für eine stärkere Einbindung der Juristischen fakultät in interdisziplinäre forschungsschwerpunkte aus und unterstrich den hervorragenden Ruf der Rostocker umweltrechtslehre .

I. Themenblock Gebiets- und Artenschutz

1.Natura2000imBereichderAusschließlichenWirtschaftszone(AWZ)

zunächst zog Dr.ThomasBosecke (umweltbundesamt, des­sau) eine Bilanz zur umsetzung des europäischen schutz­gebietssystems Natura 2000 im Bereich der aWz der Bundesrepublik deutschland . Bosecke, dessen mehrfach aus­gezeichnete dissertation zum vorsorgenden Küstenschutz und integrierten Küstenzonenmanagement (IKzM) an der

deutschen ostseeküste inzwischen als Band 6 der schrif­tenreihe NaturundRecht vorliegt, war als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bundesamt für Naturschutz (BfN) und an der universität Rostock über mehrere Jahre mit fragen des Managements von marinen Natura­2000­Gebieten in der aWz befasst . aus dieser Perspektive beschrieb er den bis­weilen steinigen Weg zu der im Mai 2004 erfolgten Mel­dung von zehn in der bundesdeutschen aWz gelegenen Natura­2000­Gebieten an die Europäische Kommission in Brüssel . Während die gemeldeten ffH­Gebiete noch der aufnahme in die liste der Gebiete von gemeinschaft­licher Bedeutung bedürfen (vgl . § 38 abs . 1 satz 1 i . V . m . 33 abs . 2 BNatschG), sind die Vogelschutzgebiete im sep­tember 2005 als Naturschutzgebiete i . s . von § 23 BNat­schG ausgewiesen worden (siehe zum aktuellen stand im Internet: http://www .habitatmarenatura2000 .de) .

Bosecke erinnerte lebhaft an den langwierigen diskussi­ons­ und Gesetzgebungsprozess, der der schaffung einer Vorschrift zur umsetzung von ffH­ (92 /43 /EWG) und Vogelschutzrichtlinie (79 /409 /EWG) im Bereich der aWz und des festlandsockels vorangegangen war . der london High court habe bereits im Jahre 1999 ein Weg weisendes urteil zur Geltung der beiden Richtlinien in der 200­see­meilen­fischereizone des Vereinigten Königreichs gespro­chen (Besprechung bei Czybulka, NuR 2001, 19 ff .), wäh­rend hierzulande der Bundesgesetzgeber erst im Jahre 2002 mit § 38 BNatschG eine spezielle Ermächtigungsgrundla­ge für den Natura­2000­Gebietsschutz in der aWz und auf dem festlandsockel der Bundesrepublik deutschland bereitgestellt habe . da die Identifizierung und auswahl von Natura­2000­Gebieten durch das BfN gleichwohl in­tensiv vorangetrieben worden sei, sei die Bundesrepublik deutschland als erstes land der Europäischen union in der lage gewesen, seine Meldeverpflichtungen im Bereich der aWz und des festlandsockels zu erfüllen .

sodann unterzog Bosecke die schutzgebietsverordnungen der beiden als Vogelschutzgebiete gemeldeten und als Naturschutzgebiete festgesetzten Gebiete „Pommersche Bucht“ (BGBl . I 2005 s . 2778) und „Östliche deutsche Bucht“ (BGBl . I 2005 s . 2782) einer näheren Betrachtung: der jeweils weit formulierte Verbotstatbestand (§ 4 abs . 1 und 2 der Verordnungen) werde durch ausnahme­ und sonderregelungen erheblich eingeschränkt, die den see­völker­ und europarechtlichen Vorgaben sowie den aus § 38 abs . 1 BNatschG resultierenden Beschränkungen ge­schuldet seien . so habe sich der Verordnungsgeber nicht in Widerspruch zu der – von Bosecke und später auch von Czybulka (siehe noch unten I . 4 .) kritisierten – Rechtsauf­fassung der Europäischen Kommission setzen wollen, wo­nach alle direkt oder indirekt wirkenden Beschränkungen der berufsmäßigen seefischerei in der ausschließlichen Re­gelungskompetenz der Europäischen union im Rahmen ihrer Gemeinsamen fischereipolitik lägen (vgl . § 4 abs . 3 Nr . 1 alt . 5 der Verordnungen) .

ferner regte Bosecke aus europarechtlichen Gründen eine überprüfung der ausnahmeregelung zugunsten der wis­

DOI: 10.1007/s10357-007-1213-2

Aktuelle Entwicklungen im Europäischen NaturschutzrechtSiebter Warnemünder Naturschutzrechtstag am 12. und 13. 10. 2006

Peter Kersandt

© Springer-Verlag 2007

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B E R Ic H t

ass . jur . Peter Kersandt, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Rostock /Berlin

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senschaftlichen Meeresforschung (§ 4 abs . 3 Nr . 1 alt . 4 der Verordnungen) an . § 38 abs . 1 BNatschG lasse die Beschränkung von forschungshandlungen nach Maßga­be von art . 246 abs . 5 des seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen ausdrücklich zu . zudem erfasse der Verbotstatbestand des § 4 abs . 1 der Verordnungen alle dem Küstenstaat zustehenden Rechte in der aWz und auf dem festlandsockel, sofern diese tätigkeiten mit den dort umschriebenen negativen auswirkungen verbunden seien . dies betreffe neben der wissenschaftlichen Mee­resforschung etwa die tätigkeit von sportanglern und denkbare künftige Nutzungen wie touristische anlagen auf dem Meer oder anlagen zur Wasserstoffaufbereitung durch den von Windenergieanlagen erzeugten strom . Bei den in § 4 abs . 2 der Verordnungen normierten Verboten der Verklappung von Baggergut sowie der Errichtung und des Betriebs mariner aquakulturen handele es sich um eine spezialregelung zu § 4 abs . 1 der Verordnungen, für die die ausnahmeregelung des § 4 abs . 3 der Verordnungen nicht gelte . deshalb seien etwa forschungsaquakulturanlagen im schutzgebiet stets unzulässig .

spätestens bei aufnahme der gemeldeten Gebiete in die liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung sei – so Bosecke– über eine ausweitung der zuständigkeiten des BfN nachzudenken, etwa durch Verleihung „echter“ Be­fugnisse bei dem (weiteren) aufbau und schutz des Netzes Natura 2000 im Bereich von aWz und festlandsockel .

2.DerderzeitigeStandvonNatura2000inRumänien

Während hierzulande weiter um eine europarechtskon­forme umsetzung von ffH­ und Vogelschutzrichtlinie im marinen Bereich gerungen wird, befindet sich der Eu­Beitrittskandidat Rumänien in der (ersten) Phase der Be­wertung und auswahl von Gebieten für das Natura­2000­Netzwerk . über den diesbezüglichen stand berichtete Professor Dr.LászloRákosy von der universität Babes­Bo­lyai Klausenburg (cluj­Napoca, Rumänien): Rumänien, das sich als einziges land Europas über 5 biogeographische Regionen erstrecke (alpin, kontinental, pontisch, panno­nisch, steppisch), besitze eine hohe Vielfalt an arten und Ökosystemen, gestärkt durch zahlreiche endemische taxa . die lebensräume Rumäniens gehörten – vom standpunkt der Biodiversität aus betrachtet – zu den interessantesten und wertvollsten arealen Europas . Hier gebe es zahlreiche ar­ten, die in Westeuropa kaum oder nicht mehr vorkämen .

Rákosy schätzte, dass vor 1995 etwa 3,4 % der Gesamt­fläche Rumäniens unter Naturschutz gestellt gewesen wa­ren . Im august 2006 habe es bereits 13 Nationalparke, 10 Naturparke und 900 Naturschutzgebiete gegeben . Ende 2007 würden etwa 8 % der landesfläche unter Naturschutz stehen, langfristig strebe man 14 bis 18 % an . das Natura­2000­Konzept werde in Rumänien durchaus als enorme chance begriffen, weil die einzigartige Natur des landes nach dem Niedergang von Industrie und landwirtschaft Gelegenheit zur Regeneration erhalte und zugleich erheb­liche Entwicklungspotenziale in anderen Wirtschaftszwei­gen, vor allem im tourismus, freisetze .

lautRákosy sei das nationale Recht weitgehend an die Vorgaben von ffH­ und Vogelschutzrichtlinie angepasst worden . die Erarbeitung der Vorschlagsliste, die bis zum 31 . 12 . 2006 bei der Europäischen Kommission in Brüssel vorgelegt werden müsse, erfolge unter federführung des danube delta National Institute for Research and deve­lopment in tulcea und habe ein weit fortgeschrittenes sta­dium erreicht . als besonders positive aspekte des Natura­2000­Prozesses hob Rákosy die professionelle ausbildung von akteuren auf verschiedenen Ebenen und den aufbau der nötigen Infrastruktur, etwa in form von national und lokal agierenden umwelt­ und Naturschutzinstituten, her­vor . das Risiko, dass schützenswerte Gebiete aus Mangel an fachleuten nicht in die Vorschlagslisten aufgenommen

würden, bestehe gleichwohl . dennoch ging Rákosy davon aus, dass der zeitplan zum aufbau eines den europarecht­lichen Vorgaben gerecht werdenden schutzgebietsnetzes in Rumänien eingehalten werden kann .

3.AuswirkungendesEuGH-Urteilsvom10.1.2006–Rs.C-98/03–aufdasdeutscheNaturschutzrecht

am 10 . 1 . 2006 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) festgestellt, dass die Bundesrepublik deutschland gegen verschiedene Verpflichtungen aus habitat­ und artenschutz­rechtlichen Bestimmungen der ffH­Richtlinie verstoßen habe (NuR 2006, 166 ff .) . Rechtsanwalt apl . Professor Dr.Martin Gellermann (universität osnabrück) berichte­te über die folgen dieses urteils für das deutsche Natur­schutzrecht, insbesondere die artenschutzvorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes .

der EuGH hatte sich namentlich mit der legalausnah­me des § 43 abs . 4 BNatschG beschäftigt, der bestimmte Handlungen von den artenschutzrechtlichen Bindungen des § 42 abs . 1 und 2 BNatschG (Beeinträchtigungs­, Be­sitz­ und Vermarktungsverbote) freistellt, „soweit hierbei tiere, einschließlich ihrer Nist­, Brut­, Wohn­ oder zu­fluchtstätten, … nicht absichtlich beeinträchtigt werden“ . der feststellung des EuGH, dass diese Regelung mit den Vorgaben des art . 12 abs . 1 lit . d) ffH­Richtlinie unver­einbar sei, schloss sich Gellermann an . zugleich widersprach er der vom EuGH ebenfalls geübten Kritik, dass das bundes­deutsche Recht keine umsetzung der abweichungsklausel des art . 16 ffH­Richtlinie erkennen lasse . dennoch – so Gellermann – seien aus dem urteilsspruch auch insoweit die notwendigen Konsequenzen zu ziehen .

für die Verwaltungspraxis zeigte Gellermann folgende Konsequenzen auf: soweit § 43 abs . 4 BNatschG mit den Vorgaben des art . 12 abs . 1 lit . d) ffH­Richtlinie in Kon­flikt gerate, dürfe die Vorschrift wegen des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts nicht angewendet werden . dies be­treffe jedoch allein sachlagen, in denen fortpflanzungs­ und Ruhestätten der in anhang IV der ffH­Richtlinie aufgeführten tierarten betroffen seien (z . B . feldhamster, Kammmolch und Mopsfledermaus) . In den übrigen Kon­stellationen, in denen „nur“ Beeinträchtigungen von Nist­stätten europäischer Vogelarten oder zugriffshandlungen bzw . störungen von anhang­IV­arten oder europäischen Vogelarten in Rede stünden, dürfe § 43 abs . 4 BNatschG – entgegen der Rechtsauffassung des BVerwG (urteil vom 21 . 6 . 2006 – 9 a 28 /05, NVwz 2006, 1161 ff .) – auch wei­terhin angewandt werden . allerdings habe auch in diesen fällen die legalausnahme des § 43 abs . 4 BNatschG wegen des europarechtskonform zu interpretierenden Begriffes „absichtlich“ ihre praktische Bedeutung weitgehend ver­loren . Im Ergebnis dürften artenschutzrechtlich relevante Maßnahmen einstweilen nur nach vorheriger Erteilung einer sich auf § 62 BNatschG gründenden Befreiung ver­wirklicht werden .

der Gesetzgeber habe – so Gellermann – grundsätzlich zwei Möglichkeiten, auf das urteil des EuGH zu reagie­ren: orientiert an einschlägigen landesrechtlichen Rege­lungen, könnten die Vorgaben des EG­artenschutzrechts in das Prüfprogramm der naturschutzrechtlichen Eingriffs­regelung integriert werden . dieser ansatz sei jedoch aus gemeinschaftsrechtlicher und verfassungsrechtlicher sicht bedenklich und deshalb nicht weiter zu verfolgen . die Bundesregierung präferiere derzeit änderungen im Be­reich des besonderen artenschutzrechts und befinde sich damit grundsätzlich auf dem richtigen Weg . Gellermann selbst schlug folgendes Vorgehen vor:

• streichung des § 43 abs . 4 BNatschG;• anpassung der Verbote des § 42 abs . 1 BNatschG

an das europarechtliche Verbotsniveau ohne die von der Bundesregierung vorgesehenen Relativierungen (cEf­Maßnahmen);

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• schaffung einer den anforderungen des art . 16 ffH­Richtlinie und des art . 9 Vogelschutzrichtlinie ge­nügenden ausnahmeregelung, die den Weg über die artenschutzrechtliche Befreiung erübrige;

• Klarstellung des Verhältnisses der §§ 18 ff ., 30 BNat­schG auf der einen und der § 42 ff . BNatschG auf der anderen seite .

4.DieFischereikompetenzenderEGundihrVerhältniszummarinenArten-undGebietsschutzdurchdieMitgliedstaaten

aus naturschutzfachlicher sicht stellt die fischerei eines der größten Probleme für die marinen lebensräume dar . Gleichwohl enthalten die schutzgebietsverordnungen für die in der deutschen aWz gelegenen Naturschutzgebiete „Pommersche Bucht“ und „Östliche deutsche Bucht“ keinerlei Beschränkungen der berufsmäßigen seefische­rei; diese wird von den dort normierten zerstörungs­, Beschädigungs­, Veränderungs­ und störungsverboten sogar ausdrücklich ausgenommen (§ 4 abs . 3 Nr . 1 alt . 5 der Verordnungen; siehe bereits oben I . 1 .) . für die noch unter schutz zu stellenden ffH­Gebiete in der aWz sind vergleichbare Privilegierungen zugunsten der fischerei zu erwarten . der Verordnungsgeber folgt hier offenbar der Rechtsansicht der Europäischen Kommission, wonach die Gemeinschaft und nicht die Mitgliedstaaten für die Regu­lierung von fischereitätigkeiten auch in marinen Natura­2000­Gebieten zuständig sei . ProfessorDr.DetlefCzybulka (universität Rostock) machte eingangs seines Referats zu den fischereikompetenzen der Europäischen Gemeinschaft sogleich deutlich, dass der „alleinvertretungsanspruch“ der Kommission jedenfalls so nicht zu rechtfertigen sei und ver­deutlichte dies zunächst anhand eines treffenden Vergleichs mit dem terrestrischen Raum: dort vertrete zu Recht nie­mand die auffassung, dass für die Regulierung von land­wirtschaftlichen tätigkeiten in Natura­2000­Gebieten die Gemeinschaft und nicht die Mitgliedstaaten zuständig sei .

Erster anknüpfungspunkt von Czybulkas überlegungen war das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (vgl . etwa art . 5 uabs . 1 EG­Vertrag), wonach die Gemein­schaft nur über die zuständigkeiten verfügen könne, die ihr von den Mitgliedstaaten vertraglich übertragen worden seien . Bevor man Kompetenzen interpretiere oder sogar als „ausschließliche“ reklamiere, müssten diese begründet werden . allerdings sei der EG­Vertrag für die Kompetenz­begründung wenig ergiebig, da die fischerei dort nicht als eigenständiger Politikbereich ausgewiesen werde . der Weg für die Kompetenz zur Erhaltung der Meeresschätze führe jedenfalls nicht über art . 37 abs . 2 EG­Vertrag; die fische­reipolitik sei kein integrativer teil der agrarpolitik, sondern eine ansatzweise eigenständige sachpolitik . dieser „sachbe­reich“ der fischerei müsse aus verschiedenen anknüpfungs­punkten im Primärrecht und in Beitrittsakten entwickelt werden, namentlich aus der zuständigkeit der Gemeinschaft im Bereich der Rechtsetzung für die Marktordnung, die Verarbeitung und den Handel mit Erzeugnissen der fische­rei (art . 32 abs . 1, abs . 3 i . V . m . anhang I, Kapitel 3 und 16 EG­Vertrag) . für den Bereich der fischerei­Erhaltungs­maßnahmen und möglicherweise auch der Regulierung des fischereiaufwands in der aWz sei nur eine (ursprünglich) völkerrechtliche Kompetenzbegründung möglich, die sich zunächst gewohnheitsrechtlich entwickelt, in den Beitritts­akten teilweise verfestigt habe und nun unmittelbar – vor allem – aus art . 61 und 62 des seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen abgeleitet werden könne, das alle Mitgliedstaaten und die Gemeinschaft ratifiziert hätten . diese Kompetenzbegründung durch „parallele“ Vertrags­akte sei aber nur in dem Maße tragfähig, wie sie durch das seerechtsübereinkommen gedeckt sei . Hier von einer „ausschließlichen“ Kompetenz der Gemeinschaft für den Gesamtbereich der fischerei zu sprechen, sei jedenfalls ver­fehlt, wie auch die Regelungskompetenzen der Mitglied­

staaten innerhalb der 12­seemeilen­zone belegten . soweit die außenkompetenz der Gemeinschaft zum abschluss völ­kerrechtlicher Verträge betroffen sei, folge diese den dafür vorgesehenen Regelungen des EG­Vertrags (art . 300 und 308) und könne nicht über das durch das Völkerrecht Ver­mittelte hinausgehen . Eine „seeterritoriale landnahme“ durch die Gemeinschaft sei auszuschließen .

die (nach allgemeiner auffassung) konkurrierende Rechtsetzungskompetenz der Gemeinschaft im Bereich des umwelt­ und Naturschutzrechts erfordere – so Czybul-ka – eine trennscharfe horizontale abgrenzung zur Regu­lierung der fischereitätigkeiten und eine „vertikale“ zu den zuständigkeiten der Mitgliedstaaten: Im Bereich des Mee­resnaturschutzes habe die Gemeinschaft aktuell nur dort Kompetenzen, wo die Erhaltung von lebenden aquatischen Ressourcen und des marinen Ökosystems nachweislich in­folge von fischereitätigkeiten gefährdet seien . diese Kompe­tenz stütze sich auf die „völkerrechtliche“ Gründung i . V . m . art . 6 EG­Vertrag . die Mitgliedstaaten blieben berechtigt und unter umständen nach dem sekundärrecht verpflichtet, artenschutzmaßnahmen zu ergreifen und in den marinen schutzgebieten des Netzes Natura 2000 aus spezifischen Naturschutzgründen menschliche aktivitäten parallel oder überlappend, ggf . auch weitergehend zu untersagen oder einzuschränken . für die Rechtmäßigkeit komme es grund­sätzlich nicht darauf an, ob diese Maßnahmen (indirekte) auswirkungen auf die fischerei hätten . Eine Regulierung der seefischerei durch die Mitgliedstaaten in Bezug auf be­wirtschaftete Bestände sei freilich nicht zulässig .

II. Verleihung der Ehrendoktorwürde an Ministerialdirigent a. D. Claus Carlsen

der zweite tagungstag begann mit einer akademischen festveranstaltung zur Verleihung der Ehrendoktorwür­de an den langjährigen schriftleiter der Natur und Recht Ministerialdirigent a . d . ClausCarlsen (siehe gesonderter Bericht auf seite 77 in diesem Heft) .

III. Themenblock Umwelthaftung und Rechtsschutz

1.UmwelthaftungsrichtlinieundLandwirtschaft

Mit der so genannten umwelthaftungsrichtlinie (Richtli­nie 2004 /35 /EG, kurz: uH­Rl) und deren auswirkungen auf die landwirtschaft befasste sich JochenSchumacher (Insti­tut für Naturschutz und Naturschutzrecht tübingen) . die Richtlinie ist bis zum 30 . 4 . 2007 in deutsches Recht um­zusetzen (art . 19 abs . 1 uH­Rl) .

Schumacher umriss zunächst den Begriff des umwelt­schadens: die umwelthaftungsrichtlinie fasse darunter die schädigung geschützter arten und natürlicher lebensräu­me i . s . von ffH­ und Vogelschutzrichtlinie (art . 2 Nr . 1 lit . a), Nr . 3 lit . a) und b) uH­Rl), die schädigung der Gewässer (art . 2 Nr . 1 lit . b) uH­Rl) und des Bodens (art . 2 Nr . 1 lit . c) uH­Rl) sowie die schädigung von arten und lebensräumen, die nach nationalem Recht dem Haftungsregime unterstellt würden (vgl . art . 2 Nr . 3 lit . c) uH­Rl) . die umwelthaftungsrichtlinie gelte für umwelt­schäden aus beruflichen tätigkeiten, die eine Gefahr für die menschliche Gesundheit oder die umwelt darstellten (art . 3 abs . 1 lit . a) i . V . m . mit anhang III der uH­Rl) sowie für schäden an geschützten arten und natürlichen lebensräumen bei sämtlichen beruflichen tätigkeiten, so­fern der Betreiber vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt habe (art . 3 abs . 1 lit . b) uH­Rl) .

anschließend ging Schumacher auf die umwelthaftung speziell im Bereich der landwirtschaft ein . der landwirt hafte für umweltschäden, die durch die ausübung einer in anhang III der uH­Rl aufgeführten beruflichen tä­tigkeit verursacht würden, und für jede unmittelbare Ge­fahr, die aufgrund dieser tätigkeiten eintrete . als Beispiel

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nannte Schumacher die ausbringung von genetisch verän­dertem saatgut in die umwelt, die mit einer erheblichen nachteiligen auswirkung auf den Erhaltungszustand einer geschützten schmetterlingsart verbunden ist . der land­wirt hafte auch für umweltschäden an geschützten arten und natürlichen lebensräumen, die im Rahmen seiner „normalen“ Berufsausübung entstünden, allerdings nur, wenn der landwirt vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt habe . als Beispiel für diese Verschuldenshaftung nannte Schumacher den fall eines landwirts, der eine feuchtwiese mäht, obwohl er weiß, dass dort Kiebitze brüten .

drohe die unmittelbare Gefahr eines umweltschadens, müsse der Betreiber unverzüglich die erforderlichen Ver­meidungsmaßnahmen ergreifen und die Behörde könne ent­sprechende Maßnahmen ergreifen (vgl . art . 5 uH­Rl) . sei ein umweltschaden eingetreten, träfen den Betreiber die in art . 6 f . uH­Rl näher ausgestalteten sanierungspflichten .

2.FachlicheAnforderungenandieErfassungundBewertungvonUmweltschäden

die umwelthaftungsrichtlinie definiert den Begriff „scha­den“ bzw . „schädigung“ als „direkt oder indirekt eintre­tende feststellbare nachteilige Veränderung einer natür­lichen Ressource oder Beeinträchtigung der funktion einer natürlichen Ressource“ (art . 2 Nr . 2 uH­Rl) . der Begriff „natürliche Ressource“ umfasst nach art . 2 Nr . 12 uH­Rl geschützte arten und natürliche lebensräume i . s . von art . 2 Nr . 3 uH­Rl, Gewässer i . s . der Wasserrah­menrichtlinie (Richtlinie 2000 /60 /EG, vgl . art . 2 Nr . 5 uH­Rl) und den Boden .

an diese Begriffsbestimmungen anknüpfend, beschrieb Anke Schumacher (Institut für Naturschutz und Natur­schutzrecht tübingen) die fachlichen anforderungen an die Erfassung und Bewertung von umweltschäden: die schadensbestimmung erfolge im Wesentlichen durch einen Vorher­Nachher­Vergleich im Hinblick auf den günstigen Erhaltungszustand der geschützten arten und natürlichen lebensräume . die Bewertung, ob eine erhebliche nachteilige Veränderung in Bezug auf den günstigen Erhaltungszustand gegeben sei, entscheide über das Vorliegen eines „schadens“ bzw . einer „schädigung“ i . s . der umwelthaftungsrichtlinie . Nicht jede Verschlechterung könne als erhebliche nachtei­lige Veränderung i . s . der umwelthaftungsrichtlinie angese­hen werden; „Pauschalantworten“ seien hier problematisch .

die schädigung eines Gewässers liege regelmäßig dann vor, wenn sich der Gewässerzustand so verschlechtere oder voraussichtlich verschlechtern werde, dass die Einstufung in eine niedrigere Kategorie der Wasserrahmenrichtlinie notwendig werde . Bei vorbelasteten Gewässern könne ein umweltschaden auch gegeben sein, wenn damit keine än­derung der Kategorie verbunden sei . Beim schutzgut Boden knüpfe die umwelthaftungsrichtlinie das Vorliegen einer schädigung an die Verursachung eines erheblichen Gesund­heitsrisikos (vgl . art . 2 Nr . 1 lit . c) uH­Rl) und bleibe in­soweit hinter dem Bundesbodenschutzgesetz zurück .

ferner äußerte sich Schumacher zu den anforderungen an die sanierung von umweltschäden: Hierbei habe die primäre sanierung Vorrang, die ermöglichen solle, die ge­schädigten natürlichen Ressourcen und /oder deren funk­tionen ganz oder annähernd in den ausgangszustand zu­rückzuversetzen (anhang II Nr . 1 .1 .1 der uH­Rl) . Ggf . seien ergänzende sanierungsmaßnahmen und ausgleich­sanierungsmaßnahmen durchzuführen (näher anhang II Nr . 1 .1 .2 und 1 .1 .3 der uH­Rl) .

3.PerspektivenderVerbandsklageimvölker-undeuroparechtlichenKontext

schließlich berichtete Peter Fischer-Hüftle (Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Regensburg) über den ak­tuellen stand der umsetzung des übereinkommens vom

25 . 6 . 1998 über den zugang zu Informationen, die Öffent­lichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den zugang zu Gerichten in umweltangelegenheiten (aar­hus­übereinkommen) sowie der zur anpassung des Ge­meinschaftsrechts an dieses übereinkommen erlassenen Richtlinien 2003 /4 /EG (umweltinformationsrichtlinie) und 2003 /35 /EG (Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie) . der Beitrag entstand in Kooperation mit der zur tagung verhinderten Dr.LianeRadespiel (Magdeburg) .

Fischer-Hüftle stellte zunächst die Hauptregelungsbereiche des aarhus­übereinkommens vor und widmete sich dann eingehend dessen art . 9, der Vorschriften über den Gerichts­zugang enthält . art . 9 abs . 2 des aarhus­übereinkommens verpflichtet die Vertragparteien zur Einrichtung eines ge­richtlichen (und ggf . verwaltungsbehördlichen) Verfahrens zur überprüfung der materiell­rechtlichen und verfahrens­rechtlichen Rechtmäßigkeit bestimmter (vgl . insbesondere art . 6 des aarhus­übereinkommens) umweltbezogener behördlicher Entscheidungen, Handlungen oder unter­lassungen . zur Erfüllung dieser Verpflichtung erweiterte die Gemeinschaft durch die – von den Mitgliedstaaten bis zum 25 . 6 . 2005 (!) umzusetzende – Öffentlichbeteiligungs­richtlinie die uVP­Richtlinie (Richtlinie 85 /337 /EWG) und die IVu­Richtlinie (Richtlinie 96 /61 /EG) um Vor­schriften, die im jeweiligen anwendungsbereich der Richt­linien einen den Vorgaben des aarhus­übereinkommens entsprechenden Gerichtszugang eröffnen . Wegen nicht vollständiger umsetzung der Öffentlichkeitsbeteiligungs­richtlinie hat die Europäische Kommission ein Vertragsver­letzungsverfahren gegen die Bundesrepublik deutschland eingeleitet und den Europäischen Gerichtshof angerufen .

Mit dem nunmehr im Gesetzgebungsverfahren be­findlichen Entwurf eines umwelt­Rechtsbehelfsgesetzes (uRG) glaubt die Bundesregierung, die Öffentlichkeitsbe­teiligungsrichtlinie europarechtskonform umzusetzen und zugleich den Vorgaben von art . 9 abs . 2 des aarhus­über­einkommens gerecht zu werden . Fischer-Hüftle bezweifelte dies . Er kritisierte insbesondere die formulierung in § 2 abs . 1 uRG­E, wonach eine gemäß § 3 uRG­E aner­kannte Vereinigung, auch ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der VwGo gegen eine Entscheidung nach § 1 abs . 1 satz 1 uRG­E oder deren unterlassung einlegen kann, wenn sie (u . a .) geltend macht, dass die Entscheidung oder unterlassung Rechtsvorschriften, die dem umwelt­schutz dienen, Rechte Einzelner begründen und für die Entscheidung von Bedeutung sein können, widerspricht . das Kriterium „Rechte Einzelner begründen“ erscheine widersinnig und schränke den Gerichtszugang in völker­ und europarechtswidriger Weise ein, weil hierdurch wei­te umweltrechtliche Regelungsbereiche, etwa das Natur­schutzrecht, nicht rügefähig seien .

ferner ging Fischer-Hüftle auf art . 9 abs . 3 des aarhus­übereinkommens und den hierzu vorliegenden Entwurf einer Richtlinie über den zugang zu Gerichten in um­weltangelegenheiten (KoM[2003] 624 endg .) ein . art . 5 der vorgeschlagenen Richtlinie sehe eine allgemeine Kla­gebefugnis anerkannter umwelt­ und Naturschutzverbän­de vor, soweit Verwaltungsakte oder deren unterlassung gegen umwelt­ und Naturschutzrecht verstießen .

zum abschluss seines Vortrags wagte Fischer-Hüftle die Prognose, dass die umwelt­ und Naturschutzverbände künftig umfangreiche Klagebefugnisse erhielten, was letzt­lich auf eine zweispurigkeit der Klagerechte hinauslaufe . Weitere auswirkungen auf das deutsche Verwaltungs(­prozess­)recht, etwa im anwendungsbereich des § 46 Vw­VfG, seien zu erwarten .

IV. Fazit und Ausblick

der siebte Warnemünder Naturschutzrechtstag hat ge­zeigt, dass das europäische Naturschutzrecht noch immer

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eine hohe dynamik aufweist und dass es der Europäischen Kommission mit der Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur effektiven umsetzung naturschutzrechtlicher Vorschriften weiterhin ernst ist . Vor dem Hintergrund des ungebrochen dramatischen Verlustes an Biodiversität bleiben die europä­ischen anstrengungen in der umwelt­ und Naturschutzpo­litik, insbesondere in den Bereichen des ökologischen Ge­biets­ und artenschutzes, der Haftung für umweltschäden, der Öffentlichkeitsbeteiligung und der Verbandsklage, au­ßerordentlich wichtig . Es ist zu hoffen, dass auch in Bezug auf die fischerei rasch lösungen gefunden werden, um die gegenwärtigen ansätze eines wirksamen schutzes mariner arten und ihrer natürlichen lebensräume im Rahmen des Natura­2000­Konzepts nicht fundamental zu gefährden .

die Warnemünder Naturschutzrechtstage werden diese und andere aktuelle Entwicklungen im internationalen Recht der Biodiversität, im europäischen und im deutschen Naturschutzrecht auch künftig kritisch begleiten und die jeweiligen fortschritte und defizite klar benennen .

alle Referate des siebten Warnemünder Naturschutz­rechtstages erscheinen – als tagungsband gebündelt – un­ter der Herausgeberschaft von Professor Dr.DetlefCzybulka in der schriftenreihe „Beiträge zum landwirtschaftsrecht und zur Biodiversität“ . der ursprünglich geplante Beitrag von Katrin Stredak (universität Rostock) zu den recht­lichen Problemen der marinen sand­ und Kiesgewinnung in Nord­ und ostsee soll – deutlich erweitert – als sonder­band veröffentlicht werden .

Ennöckl,Daniel;Raschauer,Nicolas: UVPG – Umweltverträglich-keitsprüfungsgesetz, Kommentar. springer Verlag Wien, 2 . neu bearbeitete auflage, 2006, 530 seiten, € 128,00, IsBN 978­3­211­31399­2das Werk basiert auf der von Bernhard Raschauer bearbeiteten ersten auflage des Kommentars zum (österreichischen) umweltverträglich­keitsprüfungsgesetz . der Kommentar richtet sich an Wissenschaft und Praxis und will dem adressatenkreis einen zugang zur syste­matik des uVPG­2000 und dessen wesentlichen Problemfeldern ermöglichen .Erläutert wird das uVP­Verfahren unter Berücksichtigung der ein­schlägigen literatur und höchstgerichtlichen Rechtsprechung sowie der leitentscheidungen des unabhängigen umweltsenats . Eingang finden auch die mit dem uVP­G zusammenhängende Normen des (österreichischen) Bundes­ und landesrechts sowie die einschlä­gigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts und des Völkerrechts . daher eignet sich das Werk auch hervorragend für die praktische und wissenschaftliche Beschäftigung mit der umweltverträglichkeits­prüfung .

Röscheisen,Helmut: Der Deutsche Naturschutzring – Geschichte, Interessenvielfalt, Organisationsstruktur und Perspektiven. oekom verlag München, 2006, 317 seiten, 34 .80 Euro, IsBN 978­3­86581­027­4, die dissertation von Röscheisen befasst sich mit dem deutschen Naturschutzring (dNR) . der dNR ist der dachverband der deut­schen umwelt­ und Naturschutzverbände und der autor dessen Ge­neralsekretär . In dem Werk wird die Entwicklung dieses Verbandes nachgezeichnet . der autor untersucht, mit welchen Konsequenzen der dNR seit seiner Gründung im Jahr 1950 die unterschiedlichkeit und Interessenvielfalt seiner Mitglieder (ca . 100 Mitgliedsverbände) berücksichtigte . Vor allem in der anfangsphase forderte ein ausge­prägter Binnenpluralismus seinen Preis: Mitglieder, die in erster li­nie andere Interessen als den Naturschutz verfolgten, dominierten die Position des dNR – etwa zur agrar­, Jagd­ oder atompolitik . In den 80er Jahren nahm der dNR eine klare Neupositionierung im sinne des Naturschutzes vor und mischt sich seitdem bis heute mit klaren aussagen in die politische auseinandersetzung ein . das Werk spiegelt daher auch einen teil der neueren umwelt(rechts)geschichte wider .

Wyer Hans: Die Nutzung der Wasserkraft im Alpenraum – Rechtliche Grundlagen und Perspektiven. Verlag: schulthess, zürich; Manz, Wien; dr . otto schmidt, Köln, 2002, cHf 98 .00, IsBN /IssN 978­3­7255­4410­3die Nutzung der Wasserkraft steht mit der Öffnung der strommärkte an einem Wendepunkt . In den Nachbarländern der schweiz, in deutschland, frankreich, Italien und Österreich, ist sie bereits ganz oder zumindest in den ersten stufen vollzogen . drei grundlegende fragen stellen sich in der schweiz für die Wasserkraftnutzung: Ge­fährdet das Elektrizitätsmarktgesetz (EMG) die Nutzung der Was­serkraft generell und die Versorgungssicherheit der Bevölkerung (service public) im Besonderen? Hat unter diesen umständen eine

Nutzung der Wasserkraft, die nachhaltig und damit umweltverträg­lich gestaltet sein muss, eine zukunft? Wird durch die Marktöffnung die Nutzung der Wasserkraft im alpenraum derart erschwert, dass sie den lebensnerv der Besiedlung des alpenraums in frage stellt? diese und weitere fragen behandelt der autor in den Kapiteln: überblick über die wasserwirtschaftlichen Grundlagen der alpen­länder und die Entwicklung des Wasserkraftrechts im 20 . Jahrhun­dert; Rechtsstellung des Nutzungsberechtigten und Rechtsfolgen am Ende der Nutzungsdauer im Wasserkraftrecht von Bund und Kanto­nen der schweizerischen Eidgenossenschaft; Rechtsstellung des Nut­zungsberechtigten und Rechtsfolgen am Ende der Nutzungsdauer im Wasserkraftrecht der alpenländer deutschland, frankreich, Italien und Österreich /Rechtsvergleichung; auswirkungen des supranati­onalen Rechts der Europäischen Gemeinschaft sowie völkerrecht­licher Verträge auf das Wasserkraftrecht; Perspektiven von Wasser­kraftnutzung und Wasserkraftrecht im 21 . Jahrhundert .leider fehlen ausführungen zu der – von der schweiz bislang noch nicht ratifizierten – alpenkonvention . dort beschäftigt sich vor allem das Energieprotokoll mit fragen der Energiegewinnung durch Wasserkraft .

Steier,Jens: Bodenschutzrelevante Risiken im System der Um-weltversicherungen. schriften zum umweltrecht – Band suR 143, Verlag duncker und Humblot, Berlin, 2005, 333 seiten, € 86,00, IsBN 978­3­428­11888­5die sanierung von Bodenverunreinigungen kann die Betroffenen vor erhebliche finanzielle schwierigkeiten stellen und unter umständen deren wirtschaftliche Existenz bedrohen . Potenzielle sanierungsver­antwortliche haben insofern ein nachvollziehbares Bedürfnis, sich gegen eine bodenschutzrechtliche Inanspruchnahme abzusichern .ausgehend von der generellen frage einer Versicherbarkeit von um­weltrisiken, untersucht der autor die Möglichkeiten, bodenbezogene sanierungsrisiken durch Versicherungskonzepte finanziell zu kom­pensieren . In diesem zusammenhang werden die bodenrelevanten Regelungen einzelner Haftpflicht­ und sachversicherungen sowie die derzeit am Markt verfügbaren Instrumente zur altlastensanie­rung dargestellt und analysiert . Einen schwerpunkt bildet dabei die Kongruenz zwischen der bodenschutzrechtlichen „Haftung“ des sanierungsverantwortlichen und dem deckungsumfang der ein­zelnen Versicherungskonzepte . Im Ergebnis stellt sich vor allem der Versicherungsschutz für Verunreinigungen als besonders lückenhaft dar . darüber hinaus fehlt es an einer grundsätzlichen Harmonie zwi­schen der drittschadensrelevanten umwelthaftpflichtversicherung einerseits sowie den bestehenden Bodenkaskokonzepten und den anderen bodenbezogenen sachversicherungslösungen andererseits . angesichts der mitunter deutlichen abweichungen zwischen „Haf­tung“ und deckung wird speziell für unternehmen mit bodensen­siblem tätigkeitsspektrum eine gewissenhafte auseinandersetzung mit einem bodenorientierten Risikomanagement von besonderem Interesse sein . dies gilt nicht zuletzt vor dem Hintergrund der im Bereich der bodenschutzrechtlichen Vorsorge eingetretenen Haf­tungsverschärfung und dem möglichen Einfluss eines hohen betrieb­lichen Bodenschutzniveaus auf eine akzeptable versicherungsseitige Prämiengestaltung .

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