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16 Gesundheitspolitik | Aktuelle ESC-Leitlinien | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 50 • 08/2016 Aktuelle ESC-Leitlinien zur Herzinsuffizienz Die europäische Gesellschaft für Kardiolo- gie (ESC) hat die Leitlinien für die Diagnose und Behandlung der akuten und chronischen Herzinsuffizienz aus dem Jahr 2012 vor Kur- zem aktualisiert. 1 Dabei wurde die Rolle der Natriuretischen Peptide (NP), insbesondere für die Diagnostik der Herzinsuffizienz, wei- ter aufgewertet. Neue HI-Definition/Terminologie In den Leitlinien 2012 wurde bei der Herzin- suffizienz (HI; engl. heart failure, HF) echo- kardiografisch zwischen einer systolischen und einer diastolischen linksventrikulären Dysfunktion unterschieden. Die neue Defi- nition differenziert drei HI-Typen: O HFrEF (Heart Failure with reduced Ejection Fraction) O HFmrEF (Heart Failure with mid-range Ejection Fraction) O HFpEF (Heart Failure with preserved Ejection Fraction). Diese Einteilung stützt sich auf das Ausmaß der linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF). Bei HI-Formen mit LVEF ≥ 40 % gehören erhöhte NP-Werte zu den relevan- ten Definitionskriterien (Tab. 1). NP und HI-Diagnose Chronische HI: Die Leitlinie von 2012 beschrieb die NP als Alternative zur Echokar- diografie (Echo). Das hat sich zu Gunsten der NP gewandelt: Nach der klinischen Einschät- zung der Wahrscheinlichkeit einer HI sollten jetzt NP als initial diagnostischer Test ver- wendet werden, wenn nicht sofort ein Echo verfügbar ist. Werte unterhalb eines defi- nierten Cut-off (für NT-proBNP < 125 ng/l) schließen eine HI sicher aus, ein Echo ist hier nicht notwendig (Abb. 1). Erhöhte NP-Kon- zentrationen sind Ausgangspunkt für eine weitere kardiale Abklärung. Andere Biomar- ker als die NP werden für die HI-Diagnose ausdrücklich nicht empfohlen. shutterstock/Nuk2013 Tab. 1: Aktualisierte Terminologie/Definition der Herzinsuffizienz (mod. aus 1 ) Kriterien HFrEF HFmrEF HFpEF 1 Symptome +/- Anzeichen Symptome +/- Anzeichen Symptome +/- Anzeichen 2 LVEF < 40% LVEF 40–49 % LVEF ≥ 50 % 3 Erhöhte Werte NP (z. B. NT-proBNP > 125 ng/l) PLUS mindestens ein weiteres Kriterium Ý relevante strukturelle Herzerkrankung Ý diastolische Dysfunktion

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Gesundheitspolitik | Aktuelle ESC-Leitlinien | Diagnostik im Dialog • Ausgabe 50 • 08/2016

Aktuelle ESC-Leitlinien zur Herzinsuffizienz

Die europäische Gesellschaft für Kardiolo-gie (ESC) hat die Leitlinien für die Diagnose und Behandlung der akuten und chronischen Herzinsuffizienz aus dem Jahr 2012 vor Kur-zem aktualisiert.1 Dabei wurde die Rolle der Natriuretischen Peptide (NP), insbesondere für die Diagnostik der Herzinsuffizienz, wei-ter aufgewertet.

Neue HI-Definition/TerminologieIn den Leitlinien 2012 wurde bei der Herzin-suffizienz (HI; engl. heart failure, HF) echo-kardiografisch zwischen einer systolischen und einer diastolischen linksventrikulären Dysfunktion unterschieden. Die neue Defi-nition differenziert drei HI-Typen:O HFrEF (Heart Failure with reduced

Ejection Fraction)O HFmrEF (Heart Failure with mid-range

Ejection Fraction)O HFpEF (Heart Failure with preserved

Ejection Fraction).

Diese Einteilung stützt sich auf das Ausmaß der linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF). Bei HI-Formen mit LVEF ≥ 40 % gehören erhöhte NP-Werte zu den relevan-ten Definitionskriterien (Tab. 1).

NP und HI-DiagnoseChronische HI: Die Leitlinie von 2012 beschrieb die NP als Alternative zur Echokar-diografie (Echo). Das hat sich zu Gunsten der NP gewandelt: Nach der klinischen Einschät-

zung der Wahrscheinlichkeit einer HI sollten jetzt NP als initial diagnostischer Test ver-wendet werden, wenn nicht sofort ein Echo verfügbar ist. Werte unterhalb eines defi-nierten Cut-off (für NT-proBNP < 125 ng/l) schließen eine HI sicher aus, ein Echo ist hier nicht notwendig (Abb. 1). Erhöhte NP-Kon-zentrationen sind Ausgangspunkt für eine weitere kardiale Abklärung. Andere Biomar-ker als die NP werden für die HI-Diagnose ausdrücklich nicht empfohlen.

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2013

Tab. 1: Aktualisierte Terminologie/Definition der Herzinsuffizienz (mod. aus 1)

Kriterien HFrEF HFmrEF HFpEF

1 Symptome +/- Anzeichen Symptome +/- Anzeichen Symptome +/- Anzeichen

2 LVEF < 40% LVEF 40–49 % LVEF ≥ 50 %

3 – Erhöhte Werte NP(z. B. NT-proBNP > 125 ng/l)

PLUS mindestens ein weiteres Kriterium

Ý relevante strukturelle Herzerkrankung Ý diastolische Dysfunktion

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Diagnostik im Dialog • Ausgabe 50 • 08/2016 | Aktuelle ESC-Leitlinien | Gesundheitspolitik

Literatur 1 Ponikowski P et al: European Heart Journal (2016);

doi:10.1093/eurheartj/ehw128

Dr. Aribert Stief Director Medical und Scientific Affairs 0621 759-3046 aribert.stief @roche.com

Akute HI: Bei allen Patienten mit akuter Atemnot und Verdacht auf akute HI sollen sofort bei Aufnahme NP gemessen werden, um kardiale von nicht-kardialen Ursachen zu unterscheiden (Klasse1/Level-A-Emp-fehlung). Werte unterhalb eines definierten Cut-off (für NT-proBNP < 300 ng/l machen

Abb. 1: Diagnostischer Algorithmus bei Verdacht auf chronische HI

Einschätzung der Wahrscheinlichkeit einer HI mit1. klinischer Historie2. körperlicher Untersuchung3. EKG

Echokardiografie

NP: z. B. NT-proBNP ≥ 125 pg/ml

≥ 1 vorhanden

ja

Nach HI-Bestätigung: Ätiologie festlegen und Behandlung starten

NP-Bestimmung in der klinischen Routine

nicht verfügbar

HI unwahrscheinlich; andere Diagnose erwägen

nicht vorhanden

nein

normal

Abb. 2: Diagnostischer Algorithmus bei Verdacht auf akute HI* nur bei hämodynamischer Instabilität, lebensbedrohenden strukturellen und funktionellen Abnormalitäten** zur Erkennung eines akuten Koronarsyndroms als Ursache der akuten HI; aber auch erhöht ohne myo-

kardiale Ischämie bzw. akuten Myokardinfarkt; eventuell Nekrose; auch erhöht bei Lungenembolie; sinnvoll für Risikostratifizierung

*** kann auch bei anderen kardialen Ursachen und nicht kardialen Ursachen erhöht sein**** bei de novo HI und bei unbekannter kardialer Ursache

Akute Dyspnoe und Verdacht auf akute Herzinsuffizienz

Echo nur in Sonderfällen*Harnstoff (Serum), Krea,

Elektrolyte, Glukose, Blutbild, Leberwerte, TSH

12 Kanal EKG, Röntgen

NP (z. B. NT-proBNP) Troponin**

NT-proBNP< 300 pg/ml

NT-proBNP> 300 pg/ml

Akute Herzinsuffizienz unwahrscheinlich

Keine automatische Bestätigung der akuten

HI***Echo nach 48 Std.****

eine akute HI sehr unwahrscheinlich, bei darüber liegenden Werten ist eine weitere Abklärung notwendig (Abb. 2).

Die sofortige Echokardiografie ist nur bei hämodynamischer Instabilität (z. B. kardio-gener Schock) und bei lebensbedrohlichen

strukturellen und funktionellen Auffälligkei-ten angezeigt. Bei de novo HI-Patienten und bei unbekannter kardialer Ursache reicht ein Echo innerhalb von 48 h nach Aufnahme aus (Klasse I/Level-C-Empfehlungen). Als wei-tere relevante Laborparameter für Diagnose und Prognose sind die kardialen Troponine genannt. Sie sollten bei allen Patienten mit Verdacht auf akute HI gemessen werden, um ein akutes Koronarsyndrom als Ursache der Beschwerden ein- oder auszuschließen (Klasse I/Level-C-Empfehlung).

NP und Prognose/Verlauf/KomorbiditätenO Es gibt Hinweise darauf, dass die NP-

Bestimmung die Planung der Entlassung unterstützen kann.

O Patienten, deren NP-Konzentrationen während des Krankenhausaufenthalts fallen, zeigen nach sechs Monaten eine geringere kardiovaskuläre Mortalität und Rehospitalisierungsrate.

O Ein bekannter NP-Wert vor Entlassung kann als prognostische Information dienen.

O Patienten profitieren nach Entlassung von einer regelmäßigen Nachsorge und Verlaufskontrollen mit biomedizinischen Parametern. In diesem Zusammenhang sagen hohe NP-Werte schlechte Outcomes voraus, während abfallende Werte mit einer besseren Prognose assoziiert sind.

O Kardiale Biomarker (NP und Troponine) können Krebspatienten mit höherem kardiotoxischem Risiko identifizieren und somit bei der Verlaufskontrolle und Dosierung zytotoxischer Medikamente hilfreich sein.