21
Albert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen Von den Reflexionen über die Todesstrafe zur Kritik am Christentum Bearbeitet von Stephanie Reichenbach-Klinke 1. Auflage 2014. Taschenbuch. 328 S. Paperback ISBN 978 3 495 48636 8 Format (B x L): 13,9 x 21,4 cm Gewicht: 454 g Weitere Fachgebiete > Philosophie, Wissenschaftstheorie, Informationswissenschaft > Philosophie: Allgemeines > Westliche Philosophie: 20./21. Jahrhundert schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.

Albert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... · PDF fileAlbert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... 2.4 Philosophische Analyse der Betrachtungen zur Todesstrafe

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Albert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... · PDF fileAlbert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... 2.4 Philosophische Analyse der Betrachtungen zur Todesstrafe

Albert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen

Von den Reflexionen über die Todesstrafe zur Kritik am Christentum

Bearbeitet vonStephanie Reichenbach-Klinke

1. Auflage 2014. Taschenbuch. 328 S. PaperbackISBN 978 3 495 48636 8

Format (B x L): 13,9 x 21,4 cmGewicht: 454 g

Weitere Fachgebiete > Philosophie, Wissenschaftstheorie, Informationswissenschaft >Philosophie: Allgemeines > Westliche Philosophie: 20./21. Jahrhundert

schnell und portofrei erhältlich bei

Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft.Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programmdurch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr

als 8 Millionen Produkte.

Page 2: Albert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... · PDF fileAlbert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... 2.4 Philosophische Analyse der Betrachtungen zur Todesstrafe

Alber (48636) / p. 1 / 29.4.2014

Stephanie Reichenbach-Klinke

Albert Camus’ philosophischer Glaubean den Menschen

ALBER THESEN A

Page 3: Albert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... · PDF fileAlbert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... 2.4 Philosophische Analyse der Betrachtungen zur Todesstrafe

Alber (48636) / p. 2 / 29.4.2014

Albert Camus’ Réflexions sur la guillotine sind nicht nur ein leiden-schaftliches Plädoyer für die Abschaffung der Todesstrafe: Wie sich an-hand der kleinen Schrift zeigen lässt, erweist sich der Mensch in seinerEndlichkeit, seiner physischen Fragilität und nicht zuletzt aufgrundeines ihn erst zum Lebewesen machenden Geheimnisses als schwacherHeld, der zum Impuls allen moralischen Handelns und zum Zentrumeines philosophischen Glaubens wird. Die Studie arbeitet mittels einervierteiligen Struktur den Facettenreichtum des camusschen Menschen-bildes heraus, wie er sich in der Argumentation gegen die Todesstrafespiegelt. Unter Bezugnahme auf das Gesamtwerk gewinnen die Aspektean Plastizität, die den Menschen in seiner Leiblichkeit, als Teil der Welt,in seiner Innerlichkeit und im Kontext seiner Weltanschauung charak-terisieren.

Die Autorin:

Stephanie Reichenbach-Klinke hat an der Hochschule für PhilosophieMünchen studiert und dort im Fach Religionsphilosophie promoviert.Sie arbeitet als Wissenschaftslektorin und Journalistin.

Page 4: Albert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... · PDF fileAlbert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... 2.4 Philosophische Analyse der Betrachtungen zur Todesstrafe

Alber (48636) / p. 3 / 29.4.2014

Stephanie Reichenbach-Klinke

Albert Camus’philosophischer Glaubean den Menschen

Von den Reflexionen über die Todesstrafezur Kritik am Christentum

Verlag Karl Alber Freiburg /München

Page 5: Albert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... · PDF fileAlbert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... 2.4 Philosophische Analyse der Betrachtungen zur Todesstrafe

Alber (48636) / p. 4 / 29.4.2014

Alber-Reihe Thesen

Band 58

Originalausgabe

© VERLAG KARL ALBERin der Verlag Herder GmbH, Freiburg/München 2014Alle Rechte vorbehaltenwww.verlag-alber.de

Satz: SatzWeise, FöhrenHerstellung: CPI buch bücher.de GmbH, Birkach

Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier (säurefrei)Printed on acid-free paperPrinted in Germany

ISBN 978-3-495-48636-8

Page 6: Albert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... · PDF fileAlbert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... 2.4 Philosophische Analyse der Betrachtungen zur Todesstrafe

Alber (48636) / p. 5 / 29.4.2014

Für Benjamin, Florentina und Noemi

Page 7: Albert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... · PDF fileAlbert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... 2.4 Philosophische Analyse der Betrachtungen zur Todesstrafe

Alber (48636) / p. 6 / 29.4.2014

Page 8: Albert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... · PDF fileAlbert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... 2.4 Philosophische Analyse der Betrachtungen zur Todesstrafe

Alber (48636) / p. 7 / 29.4.2014

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

Einleitung

1. Intention und These . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

2. Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

3. Formales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

4. Verzeichnis der Siglen und Abkürzungen der Werke Camus’ 20

Hauptteil

I. Philosophische Grundlegung . . . . . . . . . . . . . . . 23

1. Der Umgang mit Camus’Werk . . . . . . . . . . . . . . 23

1.1 Verortung der Philosophie von Camus . . . . . . . . . . . 23

1.2 Parallelen und Unterschiede zur Stoa . . . . . . . . . . . . 36

1.3 Parallelen und Unterschiede zum Existentialismus . . . . . 56

1.4 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

2. Die Komposition des Gesamtwerks . . . . . . . . . . . 77

2.1 Die Systematik innerhalb des Werkes . . . . . . . . . . . 78

2.2 Die Werkszyklen und ihre Motivfiguren . . . . . . . . . . 79

2.3 Die inhaltliche Struktur der Werkszyklen . . . . . . . . . 82

2.4 Neuentwurf einer gedanklichen Unterkategorie . . . . . . 84

Albert Camus’ philosophischer Glaube an den Menschen A 7

Page 9: Albert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... · PDF fileAlbert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... 2.4 Philosophische Analyse der Betrachtungen zur Todesstrafe

Alber (48636) / p. 8 / 29.4.2014

3. Die Position des Menschen in Camus’ Philosophie . . . . 90

3.1 Die Absurdität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90

3.2 Die Revolte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

3.3 Die Solidarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

3.4 Die Liebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108

4. Erkenntnisse aus der philosophischen Grundlegung . . . 114

II. Die Guillotine. Betrachtungen zur Todesstrafe . . . . . . 121

1. Informationen zum Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

1.1 Entstehung und Publikation der Schrift . . . . . . . . . . 121

1.2 Die Rezeption der Betrachtungen zur Todesstrafe . . . . . 122

1.3 Gründe für eine Aufnahme der philosophischen Analyse . 125

2. Der Mensch in Camus’ Betrachtungen zur Todesstrafe . . 128

2.1 Die Entwicklung von Camus’ Position zur Todesstrafe . . . 128

2.2 Camus’ Einwände gegen die Euphemismen in Bezug aufHinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136

2.3 Der zum Tode Verurteilte in Camus’Werk.Wissenschaftliche Rezeption . . . . . . . . . . . . . . . . 140

2.4 Philosophische Analyse der Betrachtungen zur Todesstrafe . 1442.4.1 Die Schlüsselszene der Betrachtungen zur Todesstrafe 1472.4.2 Der Mensch in seiner Körperlichkeit . . . . . . . . . 150

2.4.2.1 Szenen aus Der erste Mensch . . . . . . . . 1522.4.2.2 Roland Zagreus. Das Geheimnis des Lebens . 1562.4.2.3 Zagreus und Meursault . . . . . . . . . . . 1662.4.2.4 Zwischenfazit und Exkurs . . . . . . . . . 171

2.4.3 Der Mensch in der Welt . . . . . . . . . . . . . . . 1742.4.3.1 Der Mensch in Rechtszusammenhängen . . 1742.4.3.2 Ansatzpunkt eines Rechtsbegriffs . . . . . . 1762.4.3.3 Der Mensch ohne Wahlfreiheit . . . . . . . 1772.4.3.4 Der Verurteilende . . . . . . . . . . . . . 1802.4.3.5 Der Verurteilte . . . . . . . . . . . . . . . 185

8 ALBER THESEN Stephanie Reichenbach-Klinke

Inhalt

Page 10: Albert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... · PDF fileAlbert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... 2.4 Philosophische Analyse der Betrachtungen zur Todesstrafe

Alber (48636) / p. 9 / 29.4.2014

2.4.3.6 Der Mensch als Teil einer richtendenGesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 189

2.4.3.7 Logische Forderungen an die Gesetzgebungund Camus’ Entgegnung . . . . . . . . . . 190

2.4.3.8 Moralische Konsequenzen aus der Todesstrafe 2002.4.3.9 Die urteilssprechende Gesellschaft . . . . . 2042.4.3.10 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . 208

2.4.4 Der Mensch in seiner Innerlichkeit . . . . . . . . . 2092.4.4.1 Konfrontation mit dem drohenden Tod . . . 2092.4.4.2 Bedrohung mit dem Tod und Straffälligkeit . 2172.4.4.3 Moralische Kompetenzen und Straffälligkeit . 2192.4.4.4 Mensch-Sein als ein Maß-gebender Faktor . 2232.4.4.5 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . 228

2.4.5 Der Mensch im Kontext seiner Weltanschauung . . 2302.4.5.1 Rechtfertigung der Todesstrafe durch das

Christentum . . . . . . . . . . . . . . . . 2322.4.5.2 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . 2432.4.5.3 Camus und die christliche Hoffnung

auf Gnade . . . . . . . . . . . . . . . . . 2442.4.5.4 Gegenüberstellung mit der zeitgenössischen

Theologie: Camus und Rahner . . . . . . . 2802.4.5.5 Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . 296

Ergebnisse und Schlussbetrachtungen . . . . . . . . . 299

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313

1. Albert Camus: Französische Quellen . . . . . . . . . . . . 313

2. Albert Camus: Deutsche Übersetzungen . . . . . . . . . . 314

3. Weitere Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315

4. Sekundärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316

Albert Camus’ philosophischer Glaube an den Menschen A 9

Inhalt

Page 11: Albert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... · PDF fileAlbert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... 2.4 Philosophische Analyse der Betrachtungen zur Todesstrafe

Alber (48636) / p. 10 / 29.4.2014

Page 12: Albert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... · PDF fileAlbert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... 2.4 Philosophische Analyse der Betrachtungen zur Todesstrafe

Alber (48636) / p. 11 / 29.4.2014

Vorwort

Bei der vorliegenden Untersuchung handelt es sich um die überarbeite-te Fassung einer Studie, die im Februar 2012 von der Hochschule fürPhilosophie, Philosophische Fakultät SJ, München, als Dissertations-schrift angenommen wurde.

Meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Josef Schmidt SJ möch-te ich an dieser Stelle herzlich für die Betreuung meiner Arbeit undfür seine Offenheit gegenüber meinem Forschungsanliegen danken.Impulse aus zahlreichen Gesprächen ließen mich das Werk Camus’immer wieder aus neuen Perspektiven betrachten.

Herrn Professor Dr. Jörg Splett danke ich für sein detailliertesZweitgutachten, das mir wichtige Anstöße für die Verbesserung derArbeit zu geben vermochte.

Von unschätzbarem Wert für die Entwicklung meiner Themen-stellung und deren argumentative Präsentation war der Austausch mitFreunden. Meinen besonderen Dank für ihre kritischen Fragen undhilfreichen Hinweise möchte ich Frau Dr. Julia Inthorn, Frau VivienRathjen, Herrn Dr. Matthias Rugel, Herrn Dr. Andreas Schwab undHerrn Dr. Thomas Wilhelm aussprechen.

Frau Margarethe Drewsen hat die vorliegende Fassung der Arbeitmit großer Akribie und bewundernswerter Sensibilität für Sprache, ins-besondere auch für die speziellen Ausdrucksformen Albert Camus’, lek-toriert. Dafür sei ihr herzlich gedankt.

Herrn Lukas Trabert vom Verlag Karl Alber gilt mein Dank für dasInteresse, das er meinem Manuskript entgegengebracht hat, sowie fürdie freundliche und unkomplizierte Zusammenarbeit.

Meinen Eltern Rita und Hubert Mickley, meiner Schwester JudithAltinger sowie meiner Schwiegermutter Sibylle Reichenbach-Klinkemöchte ich von Herzen für die vielfältige Unterstützung danken, diesie mir in den Jahren meiner Promotion haben zuteil werden lassen.

Albert Camus’ philosophischer Glaube an den Menschen A 11

Page 13: Albert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... · PDF fileAlbert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... 2.4 Philosophische Analyse der Betrachtungen zur Todesstrafe

Alber (48636) / p. 12 / 29.4.2014

Ihre Hilfsbereitschaft hat mir den nötigen zeitlichen Freiraum und dieRuhe für die Arbeit an dieser Studie verschafft.

In demWissen um die Bedeutung, die mein Promotionsprojekt fürmich hatte, hat mein Mann Dr. Benjamin Reichenbach-Klinke mit vielVerständnis, Nachsicht und stetiger Ermutigung dazu beigetragen, dassich mein Vorhaben realisieren konnte. Ihm und unseren KindernFlorentina und Noemi möchte ich diese Arbeit in großer Dankbarkeitwidmen.

12 ALBER THESEN Stephanie Reichenbach-Klinke

Vorwort

Page 14: Albert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... · PDF fileAlbert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... 2.4 Philosophische Analyse der Betrachtungen zur Todesstrafe

Alber (48636) / p. 13 / 29.4.2014

Einleitung

Page 15: Albert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... · PDF fileAlbert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... 2.4 Philosophische Analyse der Betrachtungen zur Todesstrafe

Alber (48636) / p. 14 / 29.4.2014

Page 16: Albert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... · PDF fileAlbert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... 2.4 Philosophische Analyse der Betrachtungen zur Todesstrafe

Alber (48636) / p. 15 / 29.4.2014

1. Intention und These

Die Todesstrafe war Albert Camus’ Lebensthema. Der zum Tode Ver-urteilte ist Gegenstand seiner frühesten Kindheitserinnerungen. Auchim Zweiten Weltkrieg, als Camus sich an der Seite der Résistance enga-giert, begleitet ihn die Problematik. Das Motiv des zum Sterben Be-stimmten wird zudem ein wesentlicher Bestandteil seiner Philosophie:Der Mensch, hineingeboren in eine absurde Welt ohne Hoffnung, gehtmit jedem Tag seines Lebens sehenden Auges auf den Tod zu. Er ist vonNatur aus zum Tode verurteilt.

Diese weitreichende Bedeutung und prägende Wirkung weist auchdie Forschung der Thematik Todesstrafe in Bezug auf Camus’ Schaffenzu. Da mag es erstaunen, dass gerade dem Essay Réflexions sur la guil-lotine (dt.: Die Guillotine. Betrachtungen zur Todesstrafe), in dem Ca-mus für die Abschaffung der Todesstrafe argumentiert, bislang relativwenig Beachtung geschenkt wurde.

Schon die zeitgenössische Kritik bedachte die kleine Schrift, die1957 zusammen mit einem Essay des Schriftstellers Arthur Koestlerzum selben Thema und einer Studie des Anwalts Jean Bloch-Michelals Buch herausgegeben wurde,1 nur sparsam mit Aufmerksamkeit.Die Forschung widmet sich ihr bis heute eher in Exkursen, Aufsätzenund Randnotizen. Da scheint es an der Zeit, den Text eingehender zuwürdigen und insbesondere seine philosophische Bedeutung vor demHintergrund des camusschen Gesamtwerkes zu analysieren. Dieser He-rausforderung möchte sich die vorliegende Arbeit stellen.

Den thematischen Anknüpfungspunkt dafür, die Betrachtungenzur Todesstrafe im Kontext von Camus’ Philosophie zu verorten, bietetein Zitat aus den Briefen an einen deutschen Freund aus der Zeit desZweiten Weltkriegs. Die kleine Textpassage beinhaltet Camus’ unmiss-verständliches Bekenntnis zu einem philosophischen Glauben an denMenschen. Der Mensch, der in Camus’ Sichtweise der Welt ihre Da-seinsbegründung und eine Wahrheit verleiht, ist an sich ein Wert, derkeinesfalls der Vernichtung oder Verletzung preisgegeben werden darf.Camus schreibt an seinen fiktiven Adressaten aus dem nationalsozialis-tischen Deutschland:

Albert Camus’ philosophischer Glaube an den Menschen A 15

Intention und These

1 Die Erstausgabe erschien beim Verlag Calmann-Lévy: Koestler, Arthur/Camus, Al-bert: Réflexions sur la peine capitale. Collection Liberté de l’esprit. Paris 1957.

Page 17: Albert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... · PDF fileAlbert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... 2.4 Philosophische Analyse der Betrachtungen zur Todesstrafe

Alber (48636) / p. 16 / 29.4.2014

»Ich glaube weiterhin, daß unserer Welt kein tieferer Sinn innewohnt. Aberich weiß, daß etwas in ihr Sinn hat, und das ist der Mensch, denn er ist daseinzige Wesen, das Sinn fordert. Diese Welt besitzt zumindest die Wahrheitdes Menschen, und unsere Aufgabe besteht darin, ihm seine Gründe gegendas Schicksal in die Hand zu geben. Und die Welt hat keine anderen Seins-gründe als den Menschen, und ihn muß man retten, wenn man die Vorstel-lung retten will, die man sich vom Leben macht. Ihr abschätziges Lächeln wirdsagen: was heißt das, den Menschen retten? Ich schreie es Ihnen mit jederFaser meines Wesens zu: es heißt, ihn nicht zu verstümmeln, und es heißt,der Gerechtigkeit, die er als einziger sich vorzustellen vermag, ihre Chance zugewähren.« (BdF, S. 105)2

Welche Umstände den Menschen in diese besondere Position rückenlassen, wie sich Camus’ Menschenbild generell darstellt und weshalbhieraus auch eine Absage an die Todesstrafe als logische Konsequenzfolgt, soll im Folgenden erörtert werden.

Dem zum Tode Verurteilten, dessen Bild Camus in den Betrach-tungen zur Todesstrafe entwickelt, wird in unerträglicher Deutlichkeitseine Endlichkeit vor Augen geführt. Es spiegelt sich in seiner Skizzedas, was Camus die »menschliche Natur«3 nennt: die Essenz des Men-schen, all das, was ihm selbst Henkersknechte nicht wegnehmen kön-nen und was er bis zum letzten Atemzug sein wird. Dieser Umstandverleiht dem Motiv des zum Tode Verurteilten und damit den Betrach-tungen zur Todesstrafe die in der vorliegenden Arbeit postulierte phi-losophische Relevanz.

2. Methode

Formal und stilistisch gesehen, entziehen sich die Betrachtungen zurTodesstrafe einer eindeutigen Kategorisierung. Sie zeichnen sich durch

16 ALBER THESEN Stephanie Reichenbach-Klinke

Einleitung

2 Œuvres complètes II, S. 26 f.: « Je continue à croire que ce monde n’a pas de sens supé-rieur. Mais je sais que quelque chose en lui a du sens et c’est l’homme, parce qu’il est leseul être à exiger d’en avoir. Ce monde a du moins la vérité de l’homme et notre tâche estde lui donner ses raisons contre le destin lui-même. Et il n’a pas d’autres raisons quel’homme et c’est celui-ci qu’il faut sauver si l’on veut sauver l’idée qu’on se fait de lavie. Votre sourire et votre dédain me diront : qu’est-ce sauver l’homme? Mais je vous lecrie de tout moi-même, c’est ne pas le mutiler et c’est donner ses chances à la justice qu’ilest le seul à concevoir. »3 Vgl. MR, S. 24.

Page 18: Albert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... · PDF fileAlbert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... 2.4 Philosophische Analyse der Betrachtungen zur Todesstrafe

Alber (48636) / p. 17 / 29.4.2014

Leidenschaft in der Argumentation und eindrucksvolle stilistischeKunstgriffe aus, weisen dabei aber zugleich Merkmale journalistischensowie wissenschaftlichen Arbeitens auf. Das einerseits so Bemerkens-werte an dem Text mag jedoch zugleich den Grund für die bisher eherknappe wissenschaftliche Rezeption darstellen: In seiner kaum ver-borgenen Emotionalität, seiner plakativen, drastischen Sprache und inVerbindung mit der eher halbherzig verfolgten Wissenschaftlichkeitscheint er zunächst nur wenig mehr als eine umfangreiche Florilegien-Sammlung zu bieten. Deshalb ist es für diese Studie unerlässlich, ineinem vorbereitenden Teil auf den grundsätzlichen Umgang mitCamus’ Werk einzugehen. Wie also stellt sich dieses Œuvre in seinerGesamtheit dar? Kann man im Falle des LiteraturnobelpreisträgersCamus, der nicht nur Bücher verfasste, sondern auch als Lektor, Journa-list und Dramaturg tätig war, überhaupt von einem Philosophen spre-chen? Um diese Fragen zu beantworten, wird Camus’ an der Praxis ori-entierter Umgang mit philosophischen Themen zu erörtern und in denKontext der philosophischen Traditionen einzuordnen sein. Im Zusam-menhang damit wird einer bislang nur in Ansätzen wissenschaftlichverfolgten Spur nachgegangen: den Parallelen zur Philosophie der Stoa.Zudem wird die von Camus stets betonte Abgrenzung zum Existentia-lismus anhand des Werks Der Fall genauer beleuchtet.

Des Weiteren soll der Fokus auf die Komposition des Gesamtwer-kes gerichtet werden. Dabei wird unter anderem der Neuentwurf einergedanklichen Unterkategorie zur Darstellung kommen, die vor demHintergrund der Werkszyklen Absurdität, Revolte und Liebe die Kon-tinuität und Bedeutung der Themen Suizid, Tötung eines Mitmenschenund Hinnahme des Todes innerhalb von Camus’ Werk abzubilden ver-mag. Im Zusammenhang mit der inhaltlichen Erörterung der dreiWerkszyklen wird das Augenmerk dabei besonders auf die Positiondes Menschen in Camus’ Konzept gelenkt.

Im Zentrum der Untersuchung soll das Bild vom Menschen ste-hen, wie Camus es in den Betrachtungen zur Todesstrafe entwirft. In-haltlich hat der Text, der zu Zeiten erschien, in denen in Frankreichnoch guillotiniert wurde, bis heute nichts von seiner Aktualität einge-büßt. Selbst wenn sich Camus’ sehnlicher Wunsch nach einer Abschaf-fung der Todesstrafe in Frankreich, aber auch darüber hinaus inzwi-schen teilweise erfüllt hat: Die Diskussion ist weiterhin überall auf derWelt erforderlich. An den Argumenten hat sich im Übrigen kaum etwasgeändert. Damals wie heute führen Todesstrafen-Befürworter ins Feld,

Albert Camus’ philosophischer Glaube an den Menschen A 17

Methode

Page 19: Albert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... · PDF fileAlbert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... 2.4 Philosophische Analyse der Betrachtungen zur Todesstrafe

Alber (48636) / p. 18 / 29.4.2014

dass die Todesstrafe ein Exempel statuieren und potenzielle Verbrechervon einer Tat abhalten solle. Immer wieder wird der Wunsch nach Ver-geltung als Begründung dafür genannt, einem Menschen mit staatli-chem Plazet das Leben zu nehmen. Des Weiteren wird das Bedürfnisnach Schutz für die übrige Bevölkerung vor Verbrechern und dadurchder angebliche Anspruch auf Elimination Krimineller geäußert, umeinem Beibehalten oder einer Wiedereinführung der Todesstrafe eineargumentative Grundlage zu bieten.

Diese Aspekte aus der Debatte um die Todesstrafe beschäftigenauch Camus. In den Betrachtungen zur Todesstrafe überprüft er denexemplarischen Charakter von Hinrichtungen, er erörtert den Aspektvon Vergeltung und Rache sowie die Frage nach dem Recht einer Ge-sellschaft darauf, einen Verbrecher sozusagen in einem Akt der gemein-schaftlichen Notwehr zu eliminieren. Doch führt Camus die Argumen-tation gegen die Todesstrafe auch vor demHintergrund philosophischerÜberlegungen.

Die philosophische Analyse des Textes, die im Folgenden unter-nommen werden soll, besieht den Menschen in vier verschiedenenDeutungszusammenhängen: Zum einen zeigen die Betrachtungen zurTodesstrafe den Menschen als ein Wesen, das sich zu einem bedeuten-den Teil in seiner Körperlichkeit manifestiert sieht. Zum anderen spie-gelt sich der Mensch in Camus’ Essay in hohem Maße als Teil seinerWelt: als das einer Gesellschaft zugehörige Wesen, das auch in Rechts-zusammenhänge eingebunden ist. In einem weiteren Punkt soll derMensch in seiner Innerlichkeit fokussiert werden. Eine argumentativeWende in den Betrachtungen zur Todesstrafe gibt schließlich Anlassdazu, den Menschen im Kontext seiner Weltanschauung zu sehen. Indiesem Zusammenhang wird sich die vorliegende Arbeit mit Camus’Haltung zum Christentum befassen und insbesondere seine Vorstel-lung von der christlichen Hoffnung auf Gnade in den Blick nehmen.

Angesichts der Tatsache, dass bisher verhältnismäßig wenig aus-führlichere Forschungsliteratur zu den Betrachtungen zur Todesstrafevorliegt, die sich diesem Text in Bezug auf seine philosophischen Pro-blemstellungen und vor dem Hintergrund von Camus’ philosophi-schem Gesamtkonzept widmet, erscheint es angebracht, die Schriftweitgehend vollständig auszuwerten. Zudem wird sie hinsichtlich ihrerInhalte und Themenstellungen in Beziehung zu anderen Werken Ca-mus’ gesetzt. Dadurch soll gezeigt werden, dass sie in ihrer formalenBesonderheit nicht nur einen ausgesprochen authentischen, typischen

18 ALBER THESEN Stephanie Reichenbach-Klinke

Einleitung

Page 20: Albert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... · PDF fileAlbert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... 2.4 Philosophische Analyse der Betrachtungen zur Todesstrafe

Alber (48636) / p. 19 / 29.4.2014

Teil des Schaffens von Camus darstellt, sondern auch als exemplarischfür seine gesamte Philosophie gelten kann.

3. Formales

Nicht zuletzt deshalb, um der großen Bedeutung des Stils bei Camusangemessen Rechnung zu tragen, wird diese Untersuchung durch zahl-reiche Zitate illustriert. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit werdenim Fließtext die deutschen Übersetzungen der Werke Camus’ verwen-det. Die Siglen sowie die Seitenangaben werden dem jeweiligen deut-schen Zitat in Klammern nachgestellt. Kleinere Abweichungen von derÜbersetzung erfolgen stillschweigend. Eigene Übersetzungsvorschlägewerden immer dann angeboten, wenn für den betreffenden Original-text noch keine Übertragung ins Deutsche vorliegt bzw. wenn eineAlternative zur vorhandenen Übersetzung sinnvoll erscheint. EinigeÜbersetzungen wurden in Textinterpretation und Wortwahl von einerVielzahl an bereits von anderen Autoren geleisteten Vorarbeiten ge-prägt; besonders gelungene Formulierungen wurden beibehalten. Diefranzösischen Quellentexte in der Fußnote ergänzen jeweils die deut-sche Übersetzung, um Raum für Interpretationsvarianten oder dieMöglichkeit inhaltlicher Präzisierung zu bieten. Die Abkürzung der je-weiligen Quelle sowie die Seitenzahl werden dem Zitat dabei voran-gestellt. Auslassungen innerhalb von Zitaten werden durch drei Punktein eckigen Klammern ausgewiesen. Hervorhebungen in den Zitatenentsprechen den Hervorhebungen im Original.

Die Camus-Forschung blickt mittlerweile auf eine über 50-jährigeGeschichte zurück, in der sich Traditionen, Gepflogenheiten und eineeigene Terminologie im Umgang mit dem Werk entwickelt haben. Diein der wissenschaftlichen Camus-Rezeption gängigen gedanklich-in-haltlichen Strukturen, Termini und Verfahrensweisen werden im All-gemeinen nicht gesondert ausgewiesen, da sie in ihrer heutigen Anwen-dungsform vielfach nicht eindeutig auf einen Autor zurückgeführtwerden können und zum basalen Forschungswerkzeug der modernenCamus-Forschung gehören. Verweise auf Quellen und Forschungslite-ratur werden im gesamten Text gekürzt angegeben. Die vollständigenbibliographischen Angaben zu allen Titeln finden sich im Literaturver-zeichnis. Das Verzeichnis der Siglen und Abkürzungen bietet die für dieLektüre relevanten Kurzinformationen. NebenWerken Camus’werden

Albert Camus’ philosophischer Glaube an den Menschen A 19

Formales

Page 21: Albert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... · PDF fileAlbert Camus' philosophischer Glaube an den Menschen ... 2.4 Philosophische Analyse der Betrachtungen zur Todesstrafe

Alber (48636) / p. 20 / 29.4.2014

auch Quellentexte von Seneca, Marc Aurel und Epiktet sowie von KarlRahner zur Analyse kommen. Zu deren Nachweis soll der in der For-schung üblichen oder auch der den Werken innewohnenden Einteilunggefolgt werden.

4. Verzeichnis der Siglen und Abkürzungen der Werke Camus’

Deutsche Übersetzungen der Werke Albert Camus’

BdF Briefe an einen deutschen Freund.BT Betrachtungen zur Todesstrafe.CMN Christliche Metaphysik und Neoplatonismus.EM Der erste Mensch.F Der Fremde.Fa Der Fall.GT Der glückliche Tod.LE Literarische Essays.MR Der Mensch in der Revolte.MS Der Mythos des Sisyphos.NR Rede anläßlich der Entgegennahme des Nobelpreises.P Die Pest.RL René Leynaud.TB 1 Tagebücher 1935–1951.TB 2 Tagebuch März 1951–Dezember 1959.UC Der Ungläubige und die Christen.

Französische Ausgaben der Werke Albert Camus’

Œuvres complètes I 1931–1944. Hg. unter Leitung vonJ. Lévi-Valensi, 2006.

Œuvres complètes II 1944–1948. Hg. unter Leitung vonJ. Lévi-Valensi, 2006.

Œuvres complètes III 1949–1956. Hg. unter Leitung vonR. Gay-Crosier, 2008.

Œuvres complètes IV 1957–1959. Hg. unter Leitung vonR. Gay-Crosier, 2008.

Essais. Einleitung von R. Quilliot, Kommentare von R. Quilliotund L. Faucon, 1965.

20 ALBER THESEN Stephanie Reichenbach-Klinke

Einleitung