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Anästhesie bei Eingriffen an endokrinen Organen Anna Maria Nothnagel und Dirk Pappert Einleitung Operationen stimulieren das Endokrinium durch Stress und Schmerzen. Diese Stimulation ist abhängig von Größe, Ausdehnung und Art des Eingriffs. Bei vorbestehen- der Regulations- oder Funktionsstörung einzelner endokriner Organe sind zudem spezische Störungen der Homöostase möglich, woraus Dysfunktionen weiterer Organsysteme resultieren können. Das endokrine System hat somit einen erheblichen Einuss auf die peri- und postoperative Morbi- dität und Letalität. Dieses Kapitel behandelt die anästhesio- logisch relevanten Aspekte der Dysfunktion endokriner Organe und die Besonderheiten der Narkose bei endokrinen Tumoren. Endokrine Erkrankungen beeinussen bis auf wenige Ausnahmen nicht die Wahl des Anästhesieverfah- rens. Eine genaue Evaluation und konsequente präoperative Optimierung des Patienten (Kap. Anästhesiologische Beurteilung des Patienten: Endokrines System), aber auch die Kenntnis möglicher intra- oder postoperativer Störungen der endokrinen Homöostase sind für die Senkung der perio- perativen Morbidität und Letalität von Bedeutung. 1 Hypophyse Tumoren der Hypophysenregion können hormonell aktiv oder inaktiv sein und durch Verdrängung die Freisetzung anderer Hormone unterdrücken. Die spezischen Verände- rungen bei hypophysär bedingten endokrinen Erkrankungen werden im Zusammenhang mit dem jeweiligen endokrinen Zielorgan besprochen. Zu den anästhesiologischen Besonder- heiten der Hypophyseneingriffe Kap. Anästhesie in der Neurochirurgie. 2 Schilddrüse 2.1 Präoperative Maßnahmen Bei der Prämedikationsvisite müssen insbesondere der Hor- monstatus und die kardiovaskulären Parameter überprüft werden. Auch die psychische und emotionale Situation des Patienten, die bei Hyper- und Hypothyreose deutlich veränd- ert sein kann, ist zu berücksichtigen. Vor einer elektiven Operation ist grundsätzlich eine klinisch euthyreote Stoff- wechsellage anzustreben [24]. Aufgrund der guten Vas- kularisation der Schilddrüse ist abhängig vom Umfang des Lokalbefundes präoperativ die Bereitstellung von Erythrozy- tenkonzentraten zu erwägen. " Die euthyreote Stoffwechsellage definiert sich unter anäs- thesiologischen Aspekten weniger an Laborparametern als an der klinischen Symptomatik der Schilddrüsenunter- oder -überfunktion. Es gibt keine Grenzwerte für Schild- drüsenhormone, oberhalb oder unterhalb derer kein elek- tiver Eingriff erfolgen sollte. Ist eine euthyreote Einstellung nicht zu erreichen oder der Eingriff dringlich, sollten bei der präoperativen Befunderhe- bung die systemischen Manifestationen der Unter- oder Über- funktion der Schilddrüse besonders berücksichtigt werden. Das EKG zeigt bei Hyper- und Hypothyreose spezische Veränderungen und ist zur Einschätzung des Anästhesierisi- kos gerade bei kardial vorerkrankten Patienten von Bedeu- tung [39]. A.M. Nothnagel (*) Klinik für Anästhesiologie, Geschäftsfeld Intensivmedizin, Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, Deutschland E-Mail: [email protected] D. Pappert Klinikum Ernst von Bergmann gGmbH, Klinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie, Potsdam, Deutschland E-Mail: [email protected] # Springer-Verlag GmbH Deutschland 2016 R. Rossaint et al. (Hrsg.), Die Anästhesiologie, Springer Reference Medizin, DOI 10.1007/978-3-662-45539-5_81-1 1

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Anästhesie bei Eingriffen an endokrinen Organen

Anna Maria Nothnagel und Dirk Pappert

Einleitung Operationen stimulieren das Endokrinium durchStress und Schmerzen. Diese Stimulation ist abhängig vonGröße, Ausdehnung und Art des Eingriffs. Bei vorbestehen-der Regulations- oder Funktionsstörung einzelner endokrinerOrgane sind zudem spezifische Störungen der Homöostasemöglich, woraus Dysfunktionen weiterer Organsystemeresultieren können. Das endokrine System hat somit einenerheblichen Einfluss auf die peri- und postoperative Morbi-dität und Letalität. Dieses Kapitel behandelt die anästhesio-logisch relevanten Aspekte der Dysfunktion endokrinerOrgane und die Besonderheiten der Narkose bei endokrinenTumoren. Endokrine Erkrankungen beeinflussen bis aufwenige Ausnahmen nicht die Wahl des Anästhesieverfah-rens. Eine genaue Evaluation und konsequente präoperativeOptimierung des Patienten (Kap. ▶AnästhesiologischeBeurteilung des Patienten: Endokrines System), aber auchdie Kenntnis möglicher intra- oder postoperativer Störungender endokrinen Homöostase sind für die Senkung der perio-perativen Morbidität und Letalität von Bedeutung.

1 Hypophyse

Tumoren der Hypophysenregion können hormonell aktivoder inaktiv sein und durch Verdrängung die Freisetzunganderer Hormone unterdrücken. Die spezifischen Verände-rungen bei hypophysär bedingten endokrinen Erkrankungenwerden im Zusammenhang mit dem jeweiligen endokrinenZielorgan besprochen. Zu den anästhesiologischen Besonder-

heiten der Hypophyseneingriffe Kap. ▶Anästhesie in derNeurochirurgie.

2 Schilddrüse

2.1 Präoperative Maßnahmen

Bei der Prämedikationsvisitemüssen insbesondere der Hor-monstatus und die kardiovaskulären Parameter überprüftwerden. Auch die psychische und emotionale Situation desPatienten, die bei Hyper- und Hypothyreose deutlich veränd-ert sein kann, ist zu berücksichtigen. Vor einer elektivenOperation ist grundsätzlich eine klinisch euthyreote Stoff-wechsellage anzustreben [24]. Aufgrund der guten Vas-kularisation der Schilddrüse ist abhängig vom Umfang desLokalbefundes präoperativ die Bereitstellung von Erythrozy-tenkonzentraten zu erwägen.

" Die euthyreote Stoffwechsellage definiert sich unter anäs-thesiologischen Aspekten weniger an Laborparametern alsan der klinischen Symptomatik der Schilddrüsenunter-oder -überfunktion. Es gibt keine Grenzwerte für Schild-drüsenhormone, oberhalb oder unterhalb derer kein elek-tiver Eingriff erfolgen sollte.

Ist eine euthyreote Einstellung nicht zu erreichen oder derEingriff dringlich, sollten bei der präoperativen Befunderhe-bung die systemischen Manifestationen der Unter- oder Über-funktion der Schilddrüse besonders berücksichtigt werden.

Das EKG zeigt bei Hyper- und Hypothyreose spezifischeVeränderungen und ist zur Einschätzung des Anästhesierisi-kos gerade bei kardial vorerkrankten Patienten von Bedeu-tung [39].

A.M. Nothnagel (*)Klinik für Anästhesiologie, Geschäftsfeld Intensivmedizin,Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, DeutschlandE-Mail: [email protected]

D. PappertKlinikum Ernst von Bergmann gGmbH, Klinik für Anästhesiologie undIntensivtherapie, Potsdam, DeutschlandE-Mail: [email protected]

# Springer-Verlag GmbH Deutschland 2016R. Rossaint et al. (Hrsg.), Die Anästhesiologie, Springer Reference Medizin,DOI 10.1007/978-3-662-45539-5_81-1

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EKG-Veränderungen• Hyperthyreose

– Rechts- bis Steiltyp– Überhöhte P-Wellen– ST-Streckensenkungen– Abgeflachtes T– Sinustachykardie– Extrasystolen– Vorhofflimmern

• Hypothyreose– Sinusbradykardien– Low-voltage-EKG– QT- und QRS-Verlängerungen– AV-Blockaden

Besonders bedeutsam ist die klinische Beurteilung vonGröße und Lage der Struma, um spätere Probleme bei derIntubation zu vermeiden. Bei großen retrosternalen Strumenist ggf. eine Sternotomie indiziert. Dies ist jedoch äußerstselten; die meisten Strumen können via zervikalem Schnittoperiert werden. Selbst bei massiven restrosternalen Strumenist eine schwierige Intubation und eine schlechte laryngosko-pische Einstellung der Stimmbandebene die Ausnahme [16,25]. Präoperativ kann die Ausdehnung der Schilddrüse undeine ggf. einhergehende Tracheadeviation und/oder -veren-gung mittels CT-Aufnahmen verifiziert werden und Auf-schluss über zu erwartende anatomische Besonderheitengeben [14] (Abb. 1). Die Thoraxröntgenübersichtsaufnah-me ist ein einfacheres Verfahren und gibt auch Informationenüber die Ausdehnung der Struma (Abb. 2) [25]. Ein HNO-ärztliches Konsil zur Beurteilung der Stimmbandfunktionmuss auch bei Patienten ohne bekannte Stimmbandschädenaus forensischen Gründen präoperativ und postoperativ erfol-gen [21, 45]. Bei der Verwendung des intraoperativen Neuro-monitorings (IONM) ist eine wiederholte Laryngoskopie zurLagekontrolle nach Intubation und Lagerung des Patientenempfehlenswert.

Die Prämedikation beiHyperthyreose schließt eine fort-führende Gabe von Thyreostatika und β-Blockern bis zumMorgen der Operation ein. Aufgrund der häufig ausgeprägtenvegetativen Labilität, verbunden mit einer herabgesetztenpsychischen Belastbarkeit der Patienten ist eine ausreichendeSedation und Anxiolyse wichtig. Benzodiazepine oder Chlor-promazin kommen hier bevorzugt zur Anwendung. Anxioly-tika und Sedativa sind bei hypothyreoten Patienten nur sehrzurückhaltend und unter Dosisreduktion einzusetzen. DiePatienten neigen wegen ihrer allgemeinen Verlangsamungund Hypoventilation bei zu tiefer Sedierung zur Atemde-pression [51].

" Die Hypothyreose kann mit einer nachweisbaren Neben-niereninsuffizienz einhergehen. Dies macht eine präopera-tive Gabe von Glukokortikoiden erforderlich (z. B. Hydro-kortison 100–200 mg präoperativ), sowie eine peri- undpostoperative Einstellung (Abschn. 4.1).

Thyreotoxische Krise In der jodinduzierten thyreotoxi-schen Krise gehört die annähernd totale („nearly total thy-roid resection“) Thyroidektomie zu den wirksamsten Thera-pieoptionen [48, 53].

Auslöser einer thyreotoxischen Krise• Iatrogen:

– Jodhaltige Medikamente (z. B. Amiodaron)– Röntgenkontrastmittel– Unterbrechung einer thyreostatischen Therapie

• Bei folgenden Grunderkrankungen:– Multifokale Autonomie (häufig)– Autonomes Adenom oder immunogene Hyper-

thyreose (selten)– Spontan bei Hyperthyreose

Die thyreotoxische Krise hat eine hohe Letalität(10–30 %) und muss deshalb sofort behandelt werden. DieTherapie zielt kausal auf eine Hemmung der Hormonsyn-these und symptomatisch auf eine Stabilisierung der kardio-vaskulären Parameter (Tab. 1; [18]).

2.2 Intraoperative Maßnahmen

Wahl des Narkoseverfahrens

" Für einen Eingriff an der Schilddrüse ist die Intubations-narkose das Verfahren der ersten Wahl.

Der Einsatz von Larynxmasken verbietet sich bei Einen-gung oder Deviation der Trachea. Einen zusätzlichen Nach-teil dieser Technik stellt der eingeschränkte Schutz der Atem-wege vor Aspiration und die fehlende Möglichkeit desNeuromonitoring dar. Regionalanästhesie, wie z. B. zervi-kale Blockaden, waren bis zur Entwicklung der Intubations-narkose ein häufiges, meist solitäres Narkoseverfahren.Heute können regionale Blockaden mit der Allgemeinanäs-thesie als kombiniertes Verfahren eingesetzt werden.Dadurch wird die intraoperative Gabe von Opioiden signi-fikant reduziert, die postoperative Analgesie verbessert undder Gesamtkrankenhausaufenthalt verkürzt [6, 8, 65].

Auch die lokale postoperative Wundinfiltration mit Lokal-anästhetika, z. B. 10–20 ml 0,5 % Bupivacain, hat sich als

2 A.M. Nothnagel und D. Pappert

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gute supportive Möglichkeit zur Analgesie erwiesen. Beimbilateralen superfiziellen zervikalen Block wird im Vergleichdazu eine noch effektivere Analgesie beschrieben [30,70]. Bei der Indikationsstellung zur alleinigen Regionalan-ästhesie sollte die psychische Lage des Patienten als auch diebesondere Gefährdung durch stille Aspiration und Luftem-bolie bei Spontanatmung bedacht werden.

" Cave Unter Spontanatmung kann es aufgrund der Ober-körperhochlagerung bei der Eröffnung größerer Venen zuLuftembolien kommen. Dieses Risiko ist wegen des erhöh-ten intrathorakalen Drucks unter Intubationsnarkose deut-lich niedriger [32].

Anästhetika Zur Einleitung und Aufrechterhaltung der An-ästhesie kommen nahezu alle gebräuchlichen Anästhetikazum Einsatz.

Ketamin ist wegen der kardiovaskulären Nebenwirkungenbei hyperthyreotem Stoffwechsel zu vermeiden. Die Schild-drüsenstoffwechsellage beeinflusst die MAC-Werte der Inha-

lationsanästhetika nicht signifikant. Eine PONV-Prophylaxewird aufgrund der Vagusstimulation bei IONM empfohlen;die einmalige Gabe von 4 mg Dexamethason i.v. verringertdas PONV-Risiko [67]. Der Einsatz einer TIVA senkt zudemdas Risiko postoperativer Übelkeit und Erbrechen [7, 38, 69].

Monitoring Das Ausmaß der Dysregulation der Schilddrü-senfunktion sowie die Begleiterkrankungen bestimmen dasAusmaß der intraoperativen Überwachung. Ein invasivesMonitoring mit kontinuierlicher Erfassung des arteriellenDrucks kann bei Patienten mit kardialen Begleitsymptomenwie Hyper-, Hypotension oder Tachy- und Bradyarrhythmienindiziert sein. Hyperthyreote Patienten neigen infolge einerhyperperistaltischen Diarrhö, einer verstärkten Perspirationund eines erniedrigten peripheren Widerstands zur Hypovo-lämie. Auf eine ausreichende Zahl großlumiger Venenzugän-ge zur entsprechenden Volumenersatztherapie ist daher zuachten.

Da hypothyreote Patienten eher unterkühlen, hyperthy-reote Patienten dagegen erhöhte Temperaturen aufweisen

Abb. 1 Patient mit computertomografischer Darstellung einer großen Struma in unterschiedlichen Schnittebenen

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können, wird die Körperkerntemperatur mittels einer Tempe-ratursonde (nasal, ösophageal, intravesikal) überwacht undmit regulierenden Maßnahmen (z. B. Kühl- oder Wärmemat-te, warme oder kalte Infusionen, Flüssigkeitswärmesysteme)stabilisiert.

Intubation Ergeben sich aus der Prämedikationsvisite undder Zuziehung der Bildgebung durch Größe und Lage derStruma Hinweise auf eine schwierige Intubation, sollte derAlgorithmus „Schwieriger Atemweg“ mit entsprechendenVorbereitungen, wie der Bereitstellung eines Videolaryngos-kops und/oder eines fiberoptischen Bronchoskops, ange-wandt werden [2]. Der Patient sollte deshalb bei großerStruma über eine mögliche fiberoptische Wachintubationaufgeklärt werden! In den meisten Fällen wird einNeuromonitoring-response-Tubus eingesetzt; dieser muss

mit dem markierten Areal auf Stimmbandebene platziertwerden.

" Aufgrund der fehlenden intraoperativen Zugangsmöglich-keit zum Tubus und der Lagerungs- und Zugangstechnikdes Operateurs wird häufig ein Spiraltubus eingesetzt. DerTubus muss gegen Diskonnektion und Dislokation ge-sichert sein.

Eine Magensonde erleichtert dem Operateur, insbesonderebei Rezidivstrumen, die Identifikation des Ösophagus.

Schutz der Augen Die unmittelbare Nähe der Augen zumOperationsfeld erfordert einen guten Schutz gegen Austrock-nen durch z. B. die Verwendung vonAugensalbe. Zusätzlich

Abb. 2 Patienten mitretrosternaler Struma undTrachealeinengung. a Seitlicheund b a.p.-Röntgenaufnahme

Tab. 1 Therapieschema der thyreotoxischen Krise. (Nach: [18])

Medikation

Essenziell Thiamazol (z. B. 3 � 40 mg i.v.)

Fakultativ Propranolol (z. B. 3 � 80 mg)

Natriumperchlorat (z. B. 4 � 300 mg/Tag = 4 � 15 Trpf.)

Lithium (z. B. 900 mg/Tag)

Cholestyramin (z. B. 3 � 8 g/24 h)

Plasmaseparation

Bei Therapieresistenz Rasche Thyreoidektomie

Zusätzlich Überwachung der KreislaufparameterAusgleich des Flüssigkeits- und Elektrolythaushalts sowie ausreichende Kalorienzufuhr und VitaminsubstitutionFiebersenkende MaßnahmenThromboembolieprophylaxeGgf. Sedierung und Beatmung

4 A.M. Nothnagel und D. Pappert

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sollten die Augen zum Schutz der Hornhaut gegen Druck-läsionen durch einen Uhrglasverband gesichert sein.

" Der Exophthalmus bei Patienten mit Morbus Basedowerfordert einen sicheren Lidschluss, um ein Austrocknender Hornhaut zu verhindern.

Lagerung Die Lagerung erfolgt mit leicht erhöhtem Ober-körper und retroflektiertem Kopf. Es muss darauf geachtetwerden, dass der Kopf nicht frei hängt und gegen Lagever-änderung gesichert ist.

Einige Operateure bevorzugen eine symmetrische Ausla-gerung der Arme zur Optimierung des kosmetischen Ergeb-nisses. Hier ist insbesondere auf das erhöhte Risiko einerSchädigung des Plexus brachialis zu achten. Das Anlagernbeider Arme erfordert eine für Notfälle ausreichende undsichere Anzahl von venösen Zugängen mit entsprechenderVerlängerung oder andere Zugänge, z. B. am Fuß wegen desleichteren intraoperativen Zugangs (Abb. 3).

Komplikationen (Tab. 2)Die Blutungsgefahr ist erhöht durch die starke Vaskularisie-rung und erhöhte Fragilität der hyperthyreoten Struma; ins-besondere beim Morbus Basedow. Blutungen aus größerenGefäßen einer retrosternalen Struma können massiv undchirurgisch schwer stillbar sein.

Eine Luftembolie durch die Eröffnung venöser Halsge-fäße ist eine seltene Komplikation, die vorwiegend bei Spon-tanatmung unter Lokalanästhesie bei sitzender Position auf-tritt. Eine mechanische Reizung des N. vagus kann zupassageren Bradykardien oder Asystolien führen. Tachykar-dien und Blutdruckanstiege sind häufig ein Indikator einernicht ausreichenden Narkosetiefe. Kurzwirksame β-Blockeroder Antiarrhythmika z. B. Esmolol, Lidocain oder Verapa-

mil können bei adäquater Narkosetiefe zur Therapie vonTachykardien oder Rhythmusstörungen eingesetzt werden.

" Eine akzidentelle intraoperative Jodkontamination durchjodhaltige Desinfektionsmittel, z. B. zur Desinfektion vonSchleimhäuten oder für Spülungen muss bei Verdacht aufautonome Knoten vermieden werden.

Intraoperativ bedeutet dies zwar keine Gefährdung, eskann aber aufgrund des Wolff-Chaikoff-Effekts (Kap.▶Anästhesiologische Beurteilung des Patienten: EndokrinesSystem) mit einer Latenzzeit von mehreren Wochen bisMonaten eine Hyperthyreose oder hyperthyreote Krise auf-treten.

Durch die Thyreoidektomie kann eine, wenn auch u. U.nur temporäre, einseitige oder beidseitige Läsion desN. recurrens mit Behinderung der Atmung durch Stimm-bandlähmung auftreten.

" Durch den Paradigmenwechsel in der Schilddrüsenchirur-gie von der subtotalen Resektion zur ausgedehnten odertotalen Thyreoidektomie hat sich das Komplikationsrisikovon der Schilddrüse auf die Stimmbandnerven und Ne-benschilddrüsen verlagert [23]

Die anatomische Darstellung und Präparation desN. laryngeus recurrens („recurrant laryngeal nerve“, RLN)ist der Goldstandard. Der zusätzliche Einsatz eines intraope-rativen Neuromonitorings (IONM; Abb. 3) zur Identifikationdes Nervs hat sich in den letzten Jahren in Deutschlanddurchgesetzt [61]. Insbesondere zur Vermeidung beidseitigerRekurrensparesen und zur Verbesserung des Outcomes beiRezidivoperationen bietet die Kombination klare Vorteile [9,10, 19].

Das intermittierende IONM wird wahrscheinlich in dennächsten Jahren bei besser nachzuweisendem Schutz des

Abb. 3 Lagerung eines Patienten zum Eingriffe an der Schilddrüse oder den Nebenschilddrüsen mit Augenschutz und Einsatz eines Neuromo-nitoring-Spiraltubus

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RLN von der kontinuierlichen Vagusstimulation abge-löst [63].

Das Neuromonitoring erfolgt entweder durch die Ablei-tung von Aktionspotenzialen der Mm. vocales über Ober-flächenelektroden am Tubus oder durch translaryngeale oderlaryngoskopisch platzierte Elektroden. Zudem besteht dieMöglichkeit, eine bipolare Nadelelektrode durch das Lig.conicum in den M. vocalis zu platzieren [20].

Alternativ kann der Druckanstieg in einem zwischen denStimmlippen platzierten Ballon nach Stimulation desM. vocalis gemessen werden (Tab. 3). Nach Lagerungsver-änderungen des Kopfs wird eine laryngoskopische Kontrolleder Tubuslage empfohlen, da eine Malposition unzurei-chende oder fehlende Signalleitung zur Folge habenkann [20].

Die Prävalenz der persistierenden Rekurrensparese ist beiKarzinomoperationen, M. Basedow, restrosternaler Strumaund Reoperationen signifikant höher als bei Ersteingriffenan einer benignen Struma, jedoch in den letzten Jahren deut-

lich gesunken. Intraoperatives Neuromonitoring senkt dieInzidenz der transienten, aber nicht die der bleibenden Rekur-rensparesen [4]. Eine laryngoskopische Beurteilung derStimmbandfunktion kann bereits am ersten postoperativenTag erfolgen [44]. Spontanremissionen bei passageren Läh-mungen sind bis zu 12 Monaten postoperativ möglich [13].

Muskelrelaxanzien scheinen aufgrund einer kürzerenWirkdauer auf die Stimmbandmuskulatur keinen Einflussauf die Zuverlässigkeit des Neuromonitorings des N. la-ryngeus recurrens zu haben [15]. Trotzdem sollten Muskel-relaxanzien mit kürzerer Halbwertzeit wie z. B. Mivacuriumzum Einsatz kommen [20].

2.3 Postoperative Aspekt

Rekurrensparese Eine laryngoskopische Inspektion derStimmbänder des noch anästhesierten Patienten währendExtubation kann Hinweise auf eine Läsion des N. recurrensgeben (Abb. 4). Der Patient kann dann unter Maskenbeat-mung oder Spontanatmung aufwachen, andernfalls erfolgteine Reintubation bei gesicherter Stimmbandparese. Der Ein-satz einer Larynxmaske ermöglicht die intra- und direkt post-operative flexibel-endoskopische Kontrolle der Stimmbänder.Eine genaue Befunddokumentation ist zwingend erforderlich.

Tracheomalazie Selbst bei Patienten, die in der präoperati-ven bildgebenden Diagnostik deutliche Zeichen einer Trachea-kompression und/oder -deviation und massive retrosternaleStrumen aufweisen, liegt die Gefahr einer Tracheomalaziedeutlich unter 5 % [16, 26, 41].

Stridor/Nachblutung Aufgrund der Gefahr der Rekurren-sparese und eines Stridors durch postoperative Weichteil-schwellung und Nachblutungen ist eine lückenlose postope-rative Überwachung im Aufwachraum für mindestens2 Stunden erforderlich [34]. Eine erhöhte Lagerung des Ober-körpers reduziert die Gefahr venöser Blutungen und einerWeichteilschwellung.

Tab. 2 Postoperative Komplikationsraten nach Schilddrüsenoperatio-nen (permanenter Hypoparathyreoidismus, permanenter Stimmlippen-stillstand) auf Grundlage von PETS 1 (1998–2001) und PETS2 (2010–2013). (Nach: [23])

PETS 1 PETS 2

Schilddrüsenoperationeninsgesamt (n)

16.516 22.008

Postoperativ permanenterHypoparathyreoidismus beibilateralem Eingriffa

2,56 � 0,28 %(12.874)

1,31 � 0,18 %(14.955)

Bilateral partielleThyreoidektomie

1,52 � 0,27 %(8025)

0,00 � 0,00 %(187)

Unilateral partielle,kontralateral totaleThyreoidektomie

2,73 � 0,55 %(3483)

0,08 � 0,16 %(1260)

Bilateral totaleThyreoidektomie

8,14 � 1,50 %(1366)

1,45 � 0,20 %(13.508)

Postoperativ permanenteunilateraleStimmlippenpareseb

0,78 � 0,10 %(27.891)

0,78 � 0,09 %(33.720)

Partielle Resektion 0,69 � 0,11 %(21.675)

0,53 � 0,35 %(1642)

Totale Lappenresektion 1,13 � 0,26 %(6216)

0,79 � 0,10 %(32.078)

Postoperative permanentebilaterale Stimmlippenparesec

0,052 %(13.550)

0,019 %(15.469)

PETS 2: Vorläufige, bislang nicht publizierte Daten.aProzentuale Rate als 0,95 %iges Konfidenzintervall; in Klammern dieAnzahl der pro Resektionsverfahren durchgeführten Operationen.bProzentuale Rate postoperativ neu aufgetretener Stimmlippenparesenpro operierter Seite („nerves at risk“, NAR) als 0,95 %iges Konfidenz-intervall; in Klammern die Zahl der pro Resektionsverfahren durchge-führten Operationen.cProzentuale Rate postoperativ neu aufgetretener bilateraler Stimmlip-penparesen; in Klammern die Anzahl der bilateral durchgeführten Ope-rationen

Tab. 3 Häufigkeit von Rekurrensparesen nach Lappenresektion ohneNervendarstellung gegenüber visueller Darstellung mit und ohne Neu-romonitoring. (Nach: [20])

NervendarstellungKeine[%]

Visuell ohneIONM [%]

Visuell mitIONM [%]

Hemithyreoidektomie(n = 7320)

3,2 1,7 1,2

Subtotale Resektion(n = 21.536)

0,9 0,7 0,6

IONM intraoperatives Neuromonitoring

6 A.M. Nothnagel und D. Pappert

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" Bei Ausleitung der Narkose und auch während der unmit-telbaren postoperativen Phase im Aufwachraum muss dieMöglichkeit einer notfallmäßigen Reintubation ge-geben sein.

Bei einer zunehmenden Weichteilschwellung mit begin-nender Asphyxie und dem Verdacht der Nachblutung sindeine sofortige Eröffnung des Operationssitus im Aufwach-raum bzw. Intubation vor einer zeitlich evtl. verzögertenoperativen Revision indiziert.

Hypoparathyreoidismus

" Cave Nach Thyreoidektomien kommt es in 5–20 % derFälle durch eine Läsion der Epithelkörperchen in der spä-ten postoperativen Phase zu einer passageren Hypokalzä-mie. Bei 0,37–11 % der Patienten besteht eine Hypokalzä-mie über einen Zeitraum von mehr als 6 Monaten [27].

Kommt es in Folge einer Schilddrüsenoperation zu einemParathormonmangel durch akzidentelle Entfernung oder Ver-letzung der Epithelkörperchen, kann daraus eine potenzielllebensbedrohliche Störung im Kalziumstoffwechsel resultie-ren. Der Kalziumabfall beginnt meist 18–48 h postoperativund der Kalziumspiegel erreicht zwischen dem 2. und 4. Tagseinen Tiefpunkt. Sinkt das ionisierte Kalzium unter1,1 mmol/l, kann es zu Sensibilitätsstörungen, Somnolenzund vermehrter neuromuskulärer Erregbarkeit bis hin zuschweren tetanischen Krämpfen kommen. Bereits präopera-tiv sollte die Kalziumbestimmung erfolgen, um einen primä-ren Hyperparathyreoidismus auszuschließen, welcher imZusammenhang des MEN2-Syndroms auftreten kann.

" Auch bei klinisch unauffälligem postoperativem Verlaufkann eine beträchtliche Störung der Parathormonsekre-tion vorliegen.

Eine vollständige Entfernung der Epithelkörperchen ist oftdas Resultat einer radikalen Thyreoidektomie bei Schilddrü-senkarzinom; subtotale Parathyreoidektomien führen meistzu einem reversiblen Hypoparathyreoidismus. Eine 2- bis4-stündliche Kontrolle des Serumkalziumspiegels ist wichtigzur rechtzeitigen Diagnose einer Hypokalzämie undauch zur Überwachung einer dann notwendigen i.v.-Kal-ziumsubstitution. Patienten, die eine klinisch asymptomati-sche Hypokalzämie aufgrund einer vorangegangenen Schild-drüsenoepration aufweisen, haben ein deutlich erhöhtesRisiko bei einer Reoperation einen permanenten Hypopara-thyreoidismus zu entwickeln [21].

3 Nebenschilddrüse

3.1 Anästhesiologische Aspekte

Eingriffe an der Nebenschilddrüse sind hinsichtlich Monito-ring, Lagerung und Sicherung der Atemwege mit Eingriffenan der Schilddrüse identisch. Minimal-invasive videoassis-tierte chirurgische Techniken in Zusammenhang mit Lokal-oder Regionalanästhesieverfahren kommen mit Erfolg zurAnwendung [11].

Für das intraoperative Monitoring sollte das Ausmaß desEingriffs mit dem Operateur abgesprochen werden. Auf-grund der entwicklungsgeschichtlich bedingten, großen Va-riabilität der Lokalisation von Epithelkörperchen müssenVorbereitungen für eine Thorakotomie getroffen werden,wenn eine intrathorakale Lokalisation möglich erscheint(Abb. 5).

Hyperparathyreoidismus Einem primären Hyperparathy-reoidismus können ein Adenom (ca. 80 %), ein Adeno-karzinom oder eine Hyperplasie einer oder mehrerer Neben-schilddrüsen zugrunde liegen.

Abb. 4 Darstellung einer Stimmbandparese nach Schädigung des N. laryngeus recurrens. a einseitige, b beidseitige Lähmung des N. recurrens

Anästhesie bei Eingriffen an endokrinen Organen 7

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Der Hyperparathyreoidismus verursacht eine vermehrteSäuresekretion des Magens und bereits präoperativ häufigÜbelkeit mit Erbrechen. Eine perioperative Therapie mitAntiemetika und H2-Blockern ist indiziert. Über die Notwen-digkeit einer „rapid sequence induction“ existieren keineUntersuchungen.

" Anästhesiologische Probleme ergeben sich beim Hyper-parathyreoidismus aus der seltenen Hyperkalzämie undeinem möglichen präoperativen Nierenversagen.

Der erhöhte Kalziumspiegel kann durch forcierte Diuresemit Volumengabe und Schleifendiuretika unter Kontrolle desKalium-, Magnesium- und Phosphatserumspiegels reduziertwerden. Bei niereninsuffizienten Patienten kann dies durcheine präoperative Hämofiltration oder -dialyse erfolgen.

Ein invasives Monitoring ist meist entbehrlich. LediglichPatienten, die aufgrund der Hyperkalzämie EKG-Verände-rungen wie Tachykardien und Rhythmusstörungen zeigenoder im Zusammenhang mit einer versteckten Hypovolämiehämodynamisch instabil sind, erfordern eine erweiterte Über-wachung.

Es kann in Absprache mit den Operateuren notwendigsein, einen separaten, auch intraoperativ zugänglichen venö-sen Zugang zur Blutentnahme nach Entfernung der Epithel-körperchen zu legen. Bereits Ende der 1980er-Jahre wurdeder Nutzen der Parathormonbestimmung für die intraope-rative chirurgische Strategie nachgewiesen. Sie ermöglichtnach erfolgter Resektion den Nachweis von verbliebenemhyperaktivem Nebenschilddrüsengewebe und somit einerMehrdrüsenerkrankung [46].

" Cave Die Gabe von Digitalis ist aufgrund der erhöhtenGefahr der Toxizität bei Hyperkalzämie kontraindiziert.

Postoperativ ist eine engmaschige Überwachung desSerumkalziums als auch der Magnesium- und Phosphatspie-gel zwingend. Eine postoperative Hypokalzämie, Hypophos-phatämie und Hypomagnesämie resultiert aus einer radikalenParathyreoidektomie oder einer vorübergehenden Insuf-fizienz verbliebener Epithelkörperchen bei subtotalerResektion. Klinisch ist die Höhe des ionisierten Kalziumsausschlaggebend (Normalwerte 1,12–1,32 mmol/l). Darüberhinaus können wie bei der Thyreoidektomie Weichteil-schwellung, Rekurrensparese oder ein Laryngospasmusinfolge der Hypokalzämie auftreten.

Hypoparathyreoidismus Der Hypoparathyreoidismus ver-ursacht anästhesiologische Besonderheiten hauptsächlichwegen der Symptome einer Hypokalzämie. Eine präoperativekontinuierliche Substitution von Kalzium via Perfusor kannnotwendig sein. Die Überwachung der Therapie erfolgt mit-tels EKG und durch Bestimmung des ionisierten Kalziums.Ein invasives Monitoring ist meist entbehrlich. Neben derHypokalzämie verursacht der Hypoparathyreoidismus aucheine Hypophosphatämie und Hypomagnesämie als Folgeeines totalen Ausfalls der Nebenschilddrüse. Normbereichealler Serumelektrolyte müssen angestrebt werden.

Die Hypomagnesämie (Gesamtmagnesium <0,8 mmol/l,ionisiertes Magnesium <0,45 mmol/l) führt zu Herzrhyth-musstörungen und einer neuromuskulären Übererregbarkeit.Auch hier ist die Höhe des ionisierten Anteils und nicht desGesamtmagnesiums im Serum von klinischer Bedeutung.

Die Hypophosphatämie (PO4 <2,5 mg/dl) verursachteine Rhabdomyolyse, Hämolyse, Thrombozytendysfunktionund Kontraktilitätsstörungen des Herzens.

4 Nebenniere

4.1 Nebennierenrinde

4.1.1 Hyperkortisolismus bzw. Cushing-SyndromPräoperative Aspekte Bei der präoperativen Evaluationstehen die systemischen Begleiterkrankungen des Hyperkor-tisolismus im Vordergrund.

Durch die Zunahme der bildgebenden Diagnostik hat sichdie Prävalenz sog. „Inzidentalome“ erhöht; diese gehen oftmit keiner ausgeprägten Klinik einher, obwohl sie auch hor-monell aktiv sein können [71].

Abb. 5 Follikuläres Schilddrüsenkarzinom in Kombination mit einemprimären Hyperparathyreoidismus bei zusätzlichem Nebenschilddrüsen-tumor (Pfeil)

8 A.M. Nothnagel und D. Pappert

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Typische systemische Begleiterkrankungen• Arterieller Hypertonus (ca. 85 %)• Fettstoffwechselstörung, Stammfettsucht• Diabetogene Stoffwechsellage• Hypokaliämie (ca. 5 %)• Osteoporose und Myopathie• Ischämische Herzerkrankung

Neben der Erfassung von Volumenstatus und Elektrolyt-haushalt sollte bei klinischem Verdacht auf eine kardiovas-kuläre Einschränkung eine entsprechende Diagnostik mittelsEKG, Belastungs-EKG und/oder Echokardiographie erfol-gen. Die diabetogene Stoffwechsellage sollte präoperativdiätetisch oder medikamentös optimal therapiert und derarterielle Hypertonus mit kaliumsparenden Diuretika undAntihypertensiva eingestellt sein.

" Patienten mit Hyperkortisolismus sind einer erhöhtenThrombosegefahr infolge einer Thrombozytose undgesteigerten Produktion von Gerinnungsfaktoren ausge-setzt. Die aPTT ist verkürzt; die Patienten benötigen des-halb bereits präoperativ eine Thromboseprophylaxe.

Intraoperative Aspekte Das Monitoring orientiert sich ander Art des Eingriffs und der klinischen Ausprägung derBegleiterkrankungen. Handelt es sich um ein Hypophysena-denom, gelten die Standards für neurochirurgische Eingriffe(Kap. ▶Anästhesie in der Neurochirurgie). Bei Prozessender Nebennieren, z. B. Tumoren, gelten die Kriterien derAnästhesie für viszeralchirurgische Eingriffe (Abb. 6; Kap.▶Anästhesie in der Viszeralchirurgie). Die invasive Blut-druckmessung ist bei kardialer Vorerkrankung indiziert. DerBlutzuckerspiegel, Säure-Basen-Haushalt und die Elektrolytesollten in kurzen Zeitintervallen überwacht werden.

Ein bevorzugtes Anästhesieverfahren existiert nicht. DieWahl der Anästhetika wird primär durch die Art des Eingriffs

und klinische Ausprägung der genannten Begleiterkrankun-gen und nicht durch den Hyperkortisolismus selbst bestimmt.Nebennierentumore werden zum größten Teil laparoskopischentnommen – auch wenn es sich um eine bilaterale Adrenal-ektomie handelt [40]. Bei Seiten- oder Bauchlagerung ist aufdie Vermeidung von Lagerungsschäden zu achten. Muskel-relaxanzien sollten aufgrund einer durch Katabolismusbedingten Muskelschwäche und einer potenziellen Steroid-myopathie mithilfe des neuromuskulären Monitorings titriertwerden. Die Gabe von Succinylcholin als Muskelrelaxans istauch bei enger Indikationsstellung nicht zu empfehlen. Eineseltene, aber typische Komplikation eines transsphenoidalenHypophyseneingriffs ist der operationsbedingte Diabetesinsipidus mit Ausfall der ADH-Sekretion. Die Anlage einesBlasenkatheters und die Messung der Urinausscheidung sinddeshalb sinnvoll.

" Nach bilateraler Adrenalektomie kommt es zu einem voll-ständigen Ausfall der Kortisolproduktion, der bereits intra-operativ durch Substitution therapiert werden muss(Tab. 4).

Postoperative Aspekte

" Cave Patienten ohne adäquate Kortisonsubstitution zei-gen nach wenigen Tagen das klinische Bild einer akutenNebennierenrindeninsuffizienz (Addison-Krise) und kön-nen in einen therapierefraktären Kreislaufschock geraten.

Die perioperative Substitution sollte mit bis zu 200 mgHydrokortison/24 h begonnen werden, wobei die erste Dosisvon 100 mg i.v. präoperativ gegeben wird. Die weitere post-operative Therapie, die auch die Substitution von Mineralo-kortikoiden umfasst, kann entsprechend Tab. 4 erfolgen.Dabei ist auf einen ausreichenden Plasmaspiegel des Fludro-kortisons (20–50 ng/l) ist zu achten; bei Belastungssituatio-nen (z. B. OP) sollte die Hydrokortisondosis erhöht werden,

Abb. 6 Lagerung eines Patientenzu Eingriffen an der Nebenniere.(Nach: [43])

Anästhesie bei Eingriffen an endokrinen Organen 9

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um eine Addison-Krise zu vermeiden [17, 37]. Die Sub-stitution von Dehydroepiandrosteron (erhältlich über dieinternationale Apotheke) kann erwogen werden, wenn auchbei optimaler Substitution von Gluko- und Mineralokortiko-iden eine Einschränkung von Allgemeinbefinden oder Libidopersistiert [31].

" Nach einer unilateralen Adrenalektomie ist eine Kortison-substitution ebenfalls notwendig, sofern es durch denTumor zu einer dauerhaften oder passageren (bis zu2 Jahre möglich) Suppression der Nebennierenrindenfunk-tion der kontralateralen Seite gekommen ist.

Postoperativ muss eine engmaschige Überwachung desBlutdrucks, des Kaliumspiegels und des Blutzuckers erfolgen.

4.1.2 Nebennierenrindeninsuffizienz bzw.Morbus Addison

Präoperative Aspekte Patienten mit einer Dauermedikationan Kortikosteroiden können perioperativ aufgrund der Sup-pression der Nebennierenfunktion eine Nebennierenrinden-insuffizienz entwickeln. Gerade ältere Patienten sind diesbe-züglich gefährdet [60].

" Bereits nach 2-wöchiger Therapie mit Steroiden sind Funk-tionsstörungen der Nebenniere bis hin zur akuten Neben-nierenrindeninsuffizienz beschrieben worden.

Bis zu einem Jahr nach Absetzen einer Kortikoidmedikationoberhalb der Cushing-Schwelle ist eine Suppression derNebennierenrindenfunktion nachweisbar. Eine perioperativeKortisonsubstitution ist in diesem Fall indiziert ([49]; Abb. 7).

Aufgrund der mineralokortikoiden Begleitwirkungen vonHydrokortison in höheren Konzentrationen (>50 mg/Tag) istdie zusätzliche Gabe eines Mineralokortikoids meist nichtnotwendig.

Intra- und postoperative Aspekte Ein bevorzugtes Narko-severfahren für Patienten mit Nebennierenrindeninsuffizienzexistiert nicht. Eine Dehydratation mit Hyponatriämie undHyperkaliämie wird präoperativ ausgeglichen. Da die Pati-enten häufig über Übelkeit und Erbrechen klagen, könnenpräoperativ H2-Blocker und Antiemetika eingesetzt werden.

Ein invasives Monitoring ist dann indiziert, wenn es sichum einen dringlichen Eingriff handelt oder die Nebennieren-rindeninsuffizienz unter dem Eingriff exazerbiert. Bei auf-schiebbaren oder elektiven Eingriffen ist die präoperativeHomöostase unbedingt anzustreben. Da die Nebennierenrin-deninsuffizienz lediglich eine Begleiterkrankung im Zusam-menhang mit einem operativen Eingriff darstellt, richtet sichdas Narkoseverfahren, die Wahl der Anästhetika und dasAusmaß des Monitorings nach der Art der Operation unddem jeweiligen Risikoprofil des Patienten. Wegen der Gefahreiner Hyperkaliämie sind bevorzugt nichtdepolarisierendeMuskelrelaxanzien einzusetzen.

Eine perioperative Addison-Krise ist entweder die Folgedes absoluten Kortisolmangels nach vollständigem Ausfallder Nebennierenfunktion (z. B. nach Resektion) oder dasResultat eines relativen Kortisolmangels bei Autoimmuner-krankungen, Einblutung bzw. einer Hypophysen- oder Hypo-thalamusinsuffizienz [29]. Die insuffiziente perioperativeSubstitution von Patienten mit chronischer Kortikoidtherapiekann ebenfalls zu einer Addison-Krise führen.

" Patienten unter Kortikoidtherapie und bekannter Neben-nierenrindeninsuffizienz erhalten immer am Morgen desOP-Tags die gewohnte Hormondosis oral.

• Bei kleinen Eingriffen Verdoppelung der Tagesdosis.• Bei mittelschweren Eingriffen (z. B. TEP, Hysterektomie)

werden zusätzlich 100 mg Hydrocortison i.v./i.m. zurEinleitung und anschließend 100–300 mg/24 h substituiert(z. B. alle 6 h 100 mg Hydrocortison i.m.). Hiernach dieorale Medikation für 24–48 h verdoppelt geben, danachReduktion bis zur gewohnten Dosis.

Tab. 4 Schema der Substitution von Hormonen der Nebennierenrinde nach bilateraler Adrenalektomie. (Nach: [5, 31])

Tag (postoperativ) Hydrokortison Fludrokortison Prednisolon DHEA (Dehydroepiandrosteron)

Operationstag 200 mg i.v./24 h – – –

1. 100 mg i.v./24 h – – –

2. 100 mg i.v./24 h – – –

3. 50 mg i.v. – – –

4. 50 mg i.v. – – –

5. 50 mg/24 h p.o.z. B. 20–20–10 mg

0,1 mg p.o. – –

6. 50 mg/24 h p.o.z. B. 20–20–10 mg

0,1 mg p.o. – –

dauerhaft 15–30 mg/24 h p.o.z. B. 10–10–5 mg

Morgens 0,05–0,2 mg p.o./24 h 5 mg p.o./24 h Morgens 25–50 mg p.o./24 h

10 A.M. Nothnagel und D. Pappert

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• Bei großen Eingriffen (z. B. Whipple-OP, kardio- oder tho-raxchirurgische Operationen) wird die Gabe von 100 mgHydrocortison i.v./i.m. zur Narkoseeinleitung und nachfol-gend 100–300 mg/24 h für 48–72 h empfohlen. Hiernachdie orale Medikation für 24–48 h verdoppelt geben, danachReduktion bis zur gewohnten Dosis [33, 68].

" Leitsymptome der Addison-Krise sind: Hypotension biszum Schock, Dehydratation, Hyponatriämie, Hyperkaliä-mie, metabolische Azidose, Hypoglykämieneigung, Ver-wirrtheit bis zum Koma, Fieber, Erbrechen und abdomi-nelle Beschwerden

Zur Therapie der Addison-Krise ist schon bei gerings-tem Krankheitsverdacht die sofortige Gabe von 100 mgHydrokortison i.v. indiziert, danach werden 100–300 mg/24 hkontinuerlich i.v. oder aufgeteilt alle 6 h als i.m.-Bolus gege-ben. Parallel hierzu muss der Volumenmangel durch kristal-loide Elektrolytlösungen ausgeglichen und der Blutglukose-spiegel durch Gabe von Glukose 5 % i.v. aufrechterhaltenwerden. Kaliumhaltige Lösungen sind zu vermeiden. DieHyperkaliämie lässt sich meist durch rehydrierende Maßnah-men und die Kortisongabe therapieren [56].

" Cave Ein Anstieg der Kaliumserumspiegel durch Medika-mente, metabolische Veränderung oder therapeutischeMaßnahmen muss vermieden werden.

Nach Stabilisierung des Zustands kann die Gabe von Korti-son langsam über mehrere Tage hinweg bis auf eineErhaltungsdosis von etwa 30 mg/Tag reduziert werden(Tab. 5).

4.1.3 Hyper- bzw. HypoaldosteronismusDie anästhesiologisch relevanten Aspekte der pathologischenAldosteronsekretion sind Elektrolytverschiebungen sowieStörungen des Volumen- und des Säure-Basen-Haushalts.Aldosteron steigert die renale Natrium- und Chloridrückre-sorption im Austausch gegen Kalium-, Magnesium- undWasserstoffionen. Ursache der primär gesteigerten Aldoste-ronsekretion ist meist ein Tumor (ca. 75 % der Fälle Aldos-teronom, ein aldosteronproduzierendes Adenom). Sekundä-rer Hypo- und Hyperaldosteronismus sind u. a. die Folgeeiner veränderten Reninsekretion.

" Leitsymptom des Hyperaldosteronismus (Conn-Syndromsowie sekundärer Hyperaldosteronismus) ist die hypoka-liämische, hyperchlorämische Alkalose mit Hypervolämieund Hypertension (Tab. 6).

Präoperative Aspekte Präoperativ stehen die Normalisie-rung des Volumenstatus und der Ausgleich der Elektrolytver-änderungen, insbesondere des Kaliumwerts, im Vordergrund.Der Hyperaldosteronismus wird mit einem Aldosteronant-agonisten (Spironolacton 50 bis max. 400 mg/Tag) therapiert,wodurch die Symptome einschließlich des Hypertonus meistinnerhalb von 5–8 Wochen reversibel sind. Patienten mitprimärem Hyperaldosteronismus haben eine höhere Inzidenzkardiovaskulärer Komplikationen (z. B. Herzinfarkt, Schlag-anfall Vorhofflimmern, linksventrikuläre Hypertrophie) alsPatienten mit essenzieller Hypertonie bei gleichem Blutdruck[50]. Ein Aldosteronüberschuss verursacht unabhängig vomBlutdruck zudem eine diastolische Dysfunktion und eineFibrosebildung am Herzen. Aldosteron ist verantwortlichfür endotheliale Dysfunktion, reduziert die Gefäßcomplianceund wirkt thrombogen. Eine präoperative Thromboseprophy-laxe ist daher wichtig [59].

Die Gabe eines Mineralokortikoids (z. B. Fludrokortison0,1–0,2 mg/Tag p.o.) ist die Therapie der Wahl bei Hypo-aldosteronismus. Die Volumensubstitution in Kombinationmit einem Schleifendiuretikum dient der Normalisierung desSäure-Basen-Haushalts und der Behandlung der Hyperkaliä-mie.

Intra- und postoperative Aspekte Prinzipiell sind alle Nar-koseverfahren einsetzbar.

" Cave Regionalanästhesieverfahren sollten wegen derNeigung zu Parästhesien und passageren Paralysen beiHyperaldosteronismus zurückhaltend angewendet wer-den.

Aufgrund der hämodynamischen Veränderungen und derAbnormalitäten des Elektrolythaushalts ist bei dringlichenEingriffen ein invasives Monitoring mit Anlage eines zent-

Abb. 7 Darstellung der Erholung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenachse nach Suppression durch Glukokortikoidgabe. (Nach:[12])

Anästhesie bei Eingriffen an endokrinen Organen 11

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ralvenösen Katheters indiziert. Dadurch sind die Therapie derHyperkaliämie wie forcierte Diurese, Glukose-Insulin-Gabe,Infusion von Natriumbikarbonat, Kalziumsubstitution undDialyse bzw. die Kaliumgabe bei Hyperaldosteronismusund die Optimierung des Volumenhaushalts besser steuerbar.Es besteht häufig eine respiratorische Alkalose mit Tetanie-neigung und Hypokapnie, sodass auf die Messwerte desendtidalen CO2 besonders geachtet werden muss. Aufgrundder oft bestehenden Muskelschwäche ist ein neuromuskulä-res Monitoring indiziert. Depolarisiernde Muskelrelaxanziensollten wegen der häufig begleitenden Hyperkaliämie beiHypoaldosteronismus vermieden werden.

" Wahleingriffe sind nach Möglichkeit bis zur Wiederherstel-lung der Homöostase zu verschieben.

4.2 Nebennierenmark

Eine sorgfältige präoperative Vorbereitung vor Resektioneines Phäochromozytoms senkt die perioperative Morbiditätund Letalität erheblich. Deshalb wird das Phäochromozytomauch als „Tumor der Anästhesisten“ bezeichnet (Tab. 7). DieHäufigkeit von intraoperativen Phasen der hämodynami-schen Instabilität erhöht sich bei großen Tumoren und beioffener Tumorbergung vs. Laparoskopie. Bei laparotomischdurchgeführten Adrenalektomien steigt die Komplikations-rate, der peri- und postoperative Einsatz von Vasopressorenund Volumen ist erhöht und der Krankenhausaufenthalt ver-längert [36].

Präoperative Aspekte Die Ausschüttung von Katecholami-nen aus einem Phäochromozytom erfolgt nicht über eineneuronale Steuerung, sondern als Folge eines verändertenBlutflusses sowie einer mechanischen oder pharmakologi-schen Stimulation. Dabei ist es irrelevant, ob es sich um einenbenignen oder malignen Tumor handelt [42].

" Im Vordergrund der präoperativen Therapie steht dieBehandlung der Hypertension durch a-Rezeptorblockade.Durch den präoperativen Einsatz von a-Blockern konntedie perioperative Letalität von ca. 40 % auf weniger als3 % gesenkt werden.

Die Therapie der Wahl ist der nichtselektive irreversibleα-Blocker Phenoxybenzamin. Nach der Initialdosis von 2-mal5–10 mg p.o. wird die Dosis täglich um jeweils 10 mg erhöht.Die maximale Tagesdosis liegt bei ca. 250–300 mg.

Über einen Zeitraum von mindestens 2 Wochen normali-siert sich unter dieser Therapie der Gefäßtonus und die nor-male Füllung des Gefäßbetts wird wiederhergestellt. EinAnstieg des Blutvolumens ist oft mit einem Abfall des Hä-matokrits verbunden. Nebenwirkungen wie orthostatischeDysregulation, Reflextachykardie und Kopfschmerzen sindhäufig.

" Die aus der Kombination von Vasodilatation und reduzier-ter O2-Transportkapazität durch eine Anämie resultierendeReflextachykardie erfordert u. U. eine Therapie mitb-Blockern; hierbei sind selektive b1-Blocker zu bevorzu-gen. Die Therapie sollte aber erst nach optimalera-Blockade erfolgen, da bei gleichzeitiger b- unda-Blockade die a-Rezeptorblockade induzierte Vasodi-latation kardial nicht mehr kompensiert werden kann.Weiterhin kann der Wegfall der b2-bedingten Vasodi-latation bei hohen Noradrenalinspiegeln und zu hohermyokardialer Nachlast zu einer hypertensiven Krise mitLinksherzversagen und Lungenödem führen.

Tab. 5 Äquivalenztabelle für systemische Kortisonpräparate (nach: [35])

Substanz Relative antiphlogistische Wirkung Relative Mineralkortikoidwirkung

Kortisol 1 1

Kortison 0,8 0,8

Hydrokortison 1 1

Prednison 4 0,6

Prednisolon 4 0,6

Triamcinolon 6 0

Methylprednisolon 5 0

Fluocortolon 5 0

Dexamethason 30 0

Betamethason 30 0

Tab. 6 Veränderungen des Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalts beiHypo- und Hyperaldosteronismus

Hypoaldosteronismus Hyperaldosteronismus

Hyperkaliämie Hypokaliämie

Hypochlorämie Hyperchlorämie

Azidose Alkalose

12 A.M. Nothnagel und D. Pappert

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Eine kurzfristige Einstellung des Hypertonus ist mittelsPhenoxybenzamin (in Deutschland in der i.v.-Form nichtzugelassen, aber über die internationale Apotheke erhältlich)möglich, in ansteigender Dosierung von 1–2 mg/kgKG/24 hals Infusion über 2 h für 3 Tage, gefolgt von einerβ-Blockade. Ein Nachteil besteht in der, bis zu 14 Tage überdas Absetzen der Substanz hinaus, andauernden Wir-kung [55].

Prazosin ist als selektive α1-blockierende Substanz eben-falls geeignet, den arteriellen Hypertonus zu behandeln (lang-same Dosissteigerung von 1-mal 0,5 mg bis 3-mal 0,5–1 mg,durchschnittliche Tagesdosis bei Herzinsuffizienz bis zu8–12 mg/Tag, sonst max. Tagesdosis 20 mg/Tag). Prazosin,Doxazosin und Terazosin als Vertreter der selektivenα-Blocker sind aufgrund des reduzierten Nebenwirkungspro-fils wesentlich besser verträglich. Auch konnte nachgewiesenwerden, dass die kardiale Funktion durch die präoperativeGabe eines selektiven α-Rezeptoren-Blockers verbessert werdenkann [1]. Allerdings hat sich auch gezeigt, dass unter Prazosin imVergleich zu Phenoxybenzamin eine höhere Inzidenz intraopera-tiver, systolischer Blutdruckspitzen>200 mmHg zu verzeichnenist [36].

Kriterien für eine ausreichende präoperativemedikamentöse Vorbehandlung.(Nach: [58])• Blutdruck nicht höher als 160/90 mmHg innerhalb

der letzten 24 h präoperativ• Blutdruck nicht unter 80/45 mmHg bei orthostati-

schen Manövern (Schellong-Test)• EKG ohne ST-Segmentveränderungen 1 Woche

präoperativ• Weniger als 1 ventrikuläre Extrasystole pro 5 min

Als Folge des exzessiven Sympathikotonus kann einekatecholamininduzierte Kardiomyopathie auftreten. Diemyokardiale Pumpfunktion sollte bei der Vorbereitung mit-tels Echokardiographie quantifiziert werden, ggf. sind serielleEchokardiographien durchzuführen, um den Verlauf der

Kardiomyopathie unter einer präoperativen β-Blockade zubeurteilen.

Präoperative Diagnostik• Elektrolyte, Kreatinin, Hämoglobin, Hämatokrit• Diabetesscreening (Nüchternblutzucker)• Thoraxröntgenaufnahme• EKG• Echokardiographie bei Verdacht auf Kardiomyopa-

thie

Präoperativ müssen Stress oder Schmerzen durch eineangepasste Prämedikation, z. B. mit Benzodiazepinen, ver-mieden werden, da sie eine Katecholaminausschüttung pro-vozieren können.

Perioperative Aspekte Das intraoperative Monitoring ori-entiert sich am Ausmaß der präoperativen Symptomatik.

Notwendige Maßnahmen neben dem Basismonitoring• EKG (5-Kanal-Ableitung)• Invasive Blutdruckmessung bereits vor Narkoseein-

leitung• Zentralvenöser Zugang• Temperatur• Relaxometrie• Blasenkatheter• Transösophageale Echokardiographie oder Pul-

monaliskatheter bei (Verdacht auf) Kardiomyopa-thie

Zur Narkoseeinleitung können die üblichen Narkotika(Propofol, Thiopental, Etomidat) in Kombination mit Opioi-den (Fentanyl, Sufentanil, Alfentanil) verwendet werden. ZurRelaxation eignen sich Rocuronium, Vecuronium oder Cisa-tracurium.

" Cave Folgende Anästhetika sollten beim Vorliegen einesPhäochromozytoms nicht verwendet werden, da sie ent-weder adrenerge Reaktionen auslösen oder eine Histami-nausschüttung hervorrufen: Ketamin, Droperidol, Metoclo-pramid, Halothan, Enfluran, Desfluran, Pancuronium,Atracurium, Succinylcholin, Atropin, Pethidin, Morphin.

Trotz adäquater Vorbehandlung kann es beim Patientenmit einem Phäochromozytom bereits bei Anästhesieeinlei-tung zu schweren adrenergen Kreislaufreaktionen kommen.Die Narkose sollte daher stets unter invasiver Blutdruckmes-sung eingeleitet sowie wirksame Antihypertensiva und einβ-Blocker unmittelbar bereitgehalten werden. Insbesondere

Tab. 7 Häufigkeit verschiedener Symptome bei Phäochromozytom.(Nach: [57])

Symptom/Befund Häufigkeit [%]

Hypertonie• paroxysmale• permanente

90–100• 50–60• 40–50

Kopfschmerzen 50–60

Tachykardie/Palpitationen 50–70

Fieber 60

Schwitzen 40–60

Gewichtsverlust 40–70

Blässe 30–60

Anästhesie bei Eingriffen an endokrinen Organen 13

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die Laryngoskopie und Intubation können bei noch nichtausreichender Narkosetiefe eine Blutdruckkrise auslösen.Eine Oberflächenanästhesie des Larynx vor der Intubationkann von Vorteil sein. Die Operation erfolgt meist in Sei-tenlage, abhängig von der Tumorlokalisation und analog zuanderen Eingriffen an der Nebenniere (Abb. 6).

" Cave Stress, schmerzhafte Stimuli und Tumormanipula-tion führen auch intraoperativ und trotz a-Blockade zumassiven Anstiegen der Katecholaminspiegel [64].

Intraoperativ ist eine gute Kommunikation zwischen demAnästhesisten und dem Operateur essenziell. Blutdruckkrisensollten den Operateur veranlassen, die therapeutischen Ge-genmaßnahmen des Anästhesisten abzuwarten und in derFolge Manipulationen an der Nebenniere auf das Notwen-digste zu beschränken.

" Cave Die Ligatur venöser Tumorgefäße sollten dem An-ästhesisten angesagt werden, denn nach Identifizierungund Unterbindung dieser Gefäße sinken die Katecholamin-spiegel schnell ab. Dies führt bei latenter Hypovolämie zuschweren Hypotensionen, die aufgrund der vorangegan-genen a-Blockade auf Katecholamingabe resistent sind.

Zur Aufrechterhaltung der Narkose sind alle aktuellenin der Anästhesie etablierten Narkoseformen und Medika-mente mit Erfolg angewandt worden. Inhalationsanästhetikakönnen zur Vasodilatation genutzt werden. InsbesondereSevofluran und Isofluran haben sich bewährt.

Der Einsatz von regionalanästhesiologischen Verfahren,insbesondere der Periduralanästhesie, ist möglich. Diebegleitende Sympathikolyse kann aber im Falle einer unzu-reichenden präoperativen α-Blockade zu einer ausgeprägtenVasodilatation und schwerer Hypotension nach Tumorresek-tion führen. Für die Periduralanästhesie zur postoperativenSchmerztherapie gelten diese Bedenken nicht. Im Zusam-menhang mit perioperativen hypertensiven Episoden könnenVasodilatatoren eingesetzt werden (Tab. 8).

Natriumnitroprussid wird aufgrund seiner guten Steuer-barkeit bevorzugt. Zur Behandlung der begleitenden Tachy-kardie ist die Gabe von β1-Blockern indiziert. Esmolol oderAtenolol sind besonders nach Tumorentfernung bzw. Ligaturvenöser Tumorgefäße wegen ihrer guten Steuerbarkeit vonVorteil. 2,5–5 mg Metoprolol i.v. unter effektiver α-Blockadekönnen ebenfalls eingesetzt werden [37].

Auch wurde der erfolgreiche perioperative Einsatz einerkontinuierlichen Gabe von Urapidil beschrieben [66]. DieGabe von 10 mmol Magnesium über 15 min. i.v. und an-schließend 10 mmol/h i.v., mit einer angestrebten Magnesium-serumkonzentration von 2–4 mmol/l vor Narkoseeinleitungreduziert den intubationsbedingten Blutdruckanstieg und ver-bessert die perioperative Kreislaufstabilität. Magnesium kann

allerdings die Wirkung von Muskelrelaxanzien verstärken undverlängern.

Die postoperative Überwachung erfolgt auf derIntensivstation unter Fortführung des invasiven Monitorings.Trotz einer Normalisierung des Blutdrucks benötigt dieRückkehr der Katecholaminspiegel in den Normbereich nacherfolgreicher Tumorexstirpation etwa 7–10 Tage. Beica. 50 % der Patienten bleibt eine Hypertension für 1–2Wochen bestehen.

Nach Tumorentfernung und einem Abfall der antiinsuli-nergen Wirkung der Katecholamine können Hypoglykämienauftreten, die eine Blutzuckerkontrolle in engen Zeitabstän-den erfordern. Die optimale präoperative Vorbereitung unddie sorgfältige Einleitung und Aufrechterhaltung der Anäs-thesie sind wichtiger als die Narkoseform.

5 Neuroendokrine Tumoren desgastroenteropankreatischen Systems

5.1 Karzinoid

5.1.1 Anästhesiologische AspekteKarzinoide sind neuroendokrine Tumoren mit spezifischerSymptomatik. Diese können an unterschiedlichen Lokalisa-tionen vorkommen (Tab. 9). Durch die systemische Aus-schüttung von vasoaktiven Substanzen, insbesondere Se-rotonin, kommt es vorwiegend beim Vorliegen vonLebermetastasen zur Karzinoid-Symptomatik. Diese beinhal-tet anhaltende sekretorische Diarrhö sowie ein durch Vasodi-

Tab. 8 Dosierung und Halbwertzeit verschiedener Antihypertensiva inder Therapie des Phäochromozytoms

Präparat Dosierung Halbwertzeit

Natriumnitroprussid 0,5 bis max. 10 μg/kgKG/minCave:• DosisabhängigKombination mitNatriumthiosulfat (sonstZyanidintoxikation)• Schutz der Perfusorspritzevor Licht

3–5 min

Nitroglyzerin 0,5–2 μg/kgKG/min 5–10 min

Urapidil 7–60 μg/kgKG/min 2–2,5 h

Phentolamin 1–10 μg/kgKG/min 10–20 min

Nicardipin 5–15 mg/h 8 � 20 min

Nifedipin 0,63–2,35 mg/h 110 � 15 min

Esmolol 100–200 μg/kgKG/min 4–8 min

Labetolola 60–80 mg/h 4–8 h

Diltiazem ca. 8 mg/h 4–5 ha In Deutschland nicht zugelassen, in Österreich und in der Schweizzugelassen

14 A.M. Nothnagel und D. Pappert

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latation sichtbares Erröten (Flush), Hypotonie undreflektorische Tachykardie. Durch die Stimulation der Fibro-genese kann sich in bis zu 50 % der Fälle zudem eine meistrechtsseitige Endokardfibrose ausbilden (Hedinger-Syn-drom). In der präoperativen Evaluierung werden die Aus-prägung der klinischen Symptome sowie evtl. vorhandeneTriggermechanismen erfasst. Bis zu 50 % der Patientenhaben kardiale Symptome, z. B. reduzierte rechts- und/oderlinksventrikuläre Funktion. Alle vier Herzklappen könnenvon fibrotischen Umbauprozessen erfasst sein. Die Echokar-diographie ist großzügig einzusetzen, um kardiale Funktions-störungen frühzeitig zu erfassen.

Eine Dehydratation, Hyponatriämie, Hypokaliämie undHypochlorämie mit unterschiedlich klinischer Ausprägungbesteht bei ca. 80 % der Patienten. In etwa 20 % der Fälleist der Flush mit asthmatischen Beschwerden verbunden(Kap. ▶Anästhesiologische Beurteilung des Patienten:Endokrines System).

Wichtig ist der präoperative Ausgleich eventueller Flüs-sigkeits- und Elektrolytstörungen. Die Gabe von H1- undH2-Blockern ist sinnvoll. β-Mimetika zur Behandlung einerAtemwegsobstruktion sind problematisch, da Katecholaminezu einer weiteren Histaminausschüttung führen können. Dadie Freisetzung von Mediatorsubstanzen auch durch die Aus-schüttung endogener Katecholamine infolge von Stress oderHypotension getriggert werden kann, ist auf eine anxiolytischwirksame Prämedikation zu achten. Die begleitende Therapiemit dem Somatostatinanalogon Octreotid s.c. ist prä-, peri-und postoperativ für mindestens 7 Tage weiterzuführen; z. B.3 � 100 μg s.c. [3, 54].

Eine invasive Blutdruckmessung sollte wegen der zuerwartenden Blutdruckschwankungen bereits vor der Einlei-tung unter Einsatz von Lokalanästhesie etabliert werden. ZurDiagnose und Behandlung einer relativen oder absolutenHypovolämie ist ein zentralvenöser Katheter zur Messungdes zentralvenösen Drucks und der zentralvenösenO2-Sättigung indiziert. Die intraoperative transthorakale

(TTE) bzw. transösophageale Echokardiographie (TEE) oderdie Anlage eines Swan-Ganz-Katheters (Pulmonaliskatheter)ist bei ausgeprägt kardialer Beeinträchtigung mit Klappen-dysfunktion zu erwägen.

" Für die gesamte prä- und intraoperative Phase gilt: direkteTrigger der Mediatorfreisetzung sind Katecholamine.Direkte oder indirekte sympathomimetische Faktoren wieHyperkapnie, Hypothermie und Hypotension durch Lage-rung, Stress, Komedikation oder histaminliberierendeMedikamente müssen unbedingt vermieden werden.

Die Narkoseeinleitung erfolgt mit Anästhetika undAnalgetika, die nur eine geringe oder fehlende Histaminfrei-setzung bewirken und zu keiner unerwünschten kardiovas-kulären Suppression führen. Thiopental, Morphin, Atracu-rium und Mivacurium gelten aufgrund der möglichenHistaminfreisetzung als relativ kontraindiziert. Die s.c.-Gabevon 100 μg Octreotid direkt präoperativ ist empfohlen.

Richtlinien zur Vermeidung der „Karzinoidkrise“ in derAnästhesie (Nach: [47])• Prämedikation und sofortige Verfügbarkeit von

Somatostatin/Ocreotid• Ausgleich von Elektrolytverschiebungen• Adäquate präoperative Hydratation• H1/H2-Antihistaminikaprophylaxe, Serotoninantago-

nisten, Glukokortikoide• Lokalanästhesie zur Minimierung des Intubationst-

raumas• Vermeidung spezifischer Medikamente wie Mor-

phin, Succinylcholin, β-Rezeptorblocker, Tubo-curarin, Halothan und Atracurium

• Vorsichtige und aufmerksame Führung des Patien-ten

• Betont stressfreie Anästhesieeinleitung

Die Narkoseführung erfolgt meist in „balancierter An-ästhesie“ mit volatilen Anästhetika und einem Opioid; auchTIVA mit Propofol und Remifentanil sind mit Erfolg einge-setzt worden [52]. Aufgrund der möglichen Hypotensiondurch Sympathikolyse in Abhängigkeit vom verwendetenLokalanästhetikum und der Ausbreitung des Blocks werdenRegionalanästhesieverfahren (Spinal-, Periduralanästhesie)nicht standardmäßig eingesetzt. Bei guter präoperativer Vor-bereitung des Patienten kann die Epiduralanästhesie zur intra-und postoperativen Analgesie aber mit Erfolg angewendetwerden. Kurzwirksame Anästhetika wie z. B. Hypnomidateoder Propofol sind bevorzugt einzusetzen. Da hohe Seroton-inspiegel mit verzögertem Erwachen aus der Narkose korre-lieren sollen, kann bei der Verwendung dieser Substanzen ein

Tab. 9 Lokalisation und Häufigkeit von neuroendokrinen Neoplasiengemäß Deutschem Register für neuroendokrine gastrointestinale Tumore(NET-Register, Stand 2012); n = 2358 Patienten

Lokalisation In Prozent

Pankreas 34

Jejunum/Ileum 22

Karzinom unbekannter Herkunft (CUP) 14

Appendix 4

Magen 6

Rektosigmoid 6

Duodenum 5

Kolon 2

Ösophagus/Gallengang/extragastrointestinal 2

Anästhesie bei Eingriffen an endokrinen Organen 15

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Medikamentenüberhang bei verzögertem Aufwachverhaltenausgeschlossen werden. Der Vorteil der kurzen kontextsensi-tiven Halbwertzeit von Propofol ist gegenüber dem Risikoder unerwünschten kardiovaskulären Wirkung abzuwägen.

Perioperative Komplikationen Intraoperativ können Ma-nipulationen am Tumor eine lebensbedrohliche Karzinoid-krise mit ausgeprägter Hypotension, Flush-Symptomatikund Bronchospasmus auslösen. Die kontinuierliche i.v.-Gabevon 50–100 μg/h Octreotid via Perfusor ist bei manchenPatienten von Vorteil.

" Die Therapie ist die sofortige Gabe von Octreotid(300–1000 mg i.v.) zur Hemmung einer wiederholten Me-diatorausschüttung und die Behandlung der Hypotensiondurch Volumengabe. Antihistaminika und Glucokortikoidekönnen supportiv gegeben werden.

Katecholamine zur Therapie der Hypotension oder des Bron-chospasmus sowie Vasokonstriktoren oder Aminophyllinprä-parate provozieren eine weitere Freisetzung von Mediatorenund können zu einer Exazerbation der „Karzinoidkrise“ führen.

Zur Therapie des Bronchospasmus werden primär Anti-histaminika oder Ipratropiumbromid eingesetzt. Hyperten-sive Episoden sollten vorsichtig durch eine Vertiefung derInhalationsanästhesie und einen β-Blockers behandelt wer-den. Die postoperative Überwachung sollte auf einerIntensivstation erfolgen. Da mit persistierenden Symptomendurch evtl. unvollständige Entfernung des Tumors zu rechnenist, sollte die Gabe von Octreotid weitergeführt und bei un-auffälligem Verlauf über mindestens eine Woche ausgeschli-chen werden. Eine suffiziente postoperative Schmerztherapieist wichtig, um eine Mediatorausschüttung über den Trigger„Schmerz“ auszuschalten. Dazu können sowohl die patien-tenkontrollierte Analgesie (PCIA) als auch die Periduralan-algesie eingesetzt werden. Oxycodon ist hierbei dem Piritra-mid als Opioid im Rahmen einer PCIA bei deutlichgeringerem Nebenwirkungsprofil überlegen [62].

5.2 Insulinom

Das Insulinom, ein in 85–90 % benigner, solitärer Pankreas-tumor, erfordert keine besonderen anästhesiologischen Maß-nahmen. Intraoperativ sind Blutzuckerkontrollen in kurzenZeitabständen notwendig, da die chirurgische Manipulationeine Insulinausschüttung verursachen kann. Die intraopera-tive Glukose- und Kaliumzufuhr ist die Therapie der Wahl.Da u. U. eine hochosmolare Kalium- oder Glukoselösungeingesetzt werden muss, ist ein zentravenöser Zugang obli-gat. Aufgrund der länger anhaltenden Wirkung des Insulinssind die Blutzuckerkontrollen auch postoperativ fortzusetzen.

5.3 Gastrinom (Zollinger-Ellison-Syndrom)

Beim Gastrinom handelt es sich um einen zu ca. 50 % ma-lignen Gastrin produzierenden Tumor, welcher meist im Pan-kreas oder Duodenum lokalisiert ist und bei entsprechenderHypersekretion von Magensäure mit großen und rezidivie-renden Ulzera, Refluxkrankheit und Diarrhö einhergeht. Jen-seits einer suffizienten Säurehemmung mittels PPI muss beider Narkoseeinleitung eine Ileuseinleitung erwogen werden.

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