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Analyse von Gendefekten bei Autoinflammation und Immundefizienz Prof. Dr. med. Angela Rösen-Wolff Klinische Forschung Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin Universitätsklinikum Carl Gustav Carus TU Dresden

Analyse von Gendefekten bei Autoinflammation und ... · PAPA Syndrom: Pyogene sterile Arthritis, Pyoderma gangraenosum, Akne Mutationen im CD2BP1 Gen (Chromosom 15) ... 2008-Autoinflammatorische-Syndrome.ppt

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Analyse von Gendefekten bei Autoinflammation und Immundefizienz

Prof. Dr. med. Angela Rösen-Wolff

Klinische Forschung Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin

Universitätsklinikum Carl Gustav Carus TU Dresden

Systemische autoinflammatorische Erkrankungen

•  anscheinend grundlose Entzündungsepisoden

•  Fieberepisoden

•  Hautbefunde

•  häufig Muskel- und Gelenkbeteiligung

•  keine Autoantikörper

Familiäres Mittelmeerfieber

Erstbeschreibung 1908 durch Janeway und Mosenthal

Symptome: rekurrierende Bauchschmerzen und Fieber

• Kurze Attacken von Serositis (Peritonitis, Pleuritis, Arthritis)

• Beginn der Attacken: <20 Jahre

• Plötzliches Einsetzen der Symptome

• Kurze Dauer: 6 bis 96 Stunden

Familiäres Mittelmeerfieber

Symptome:

95% Bauchschmerzen / akutes Abdomen manchmal milde Beschwerden

75% Monarthritis / Gelenkserguss selten chronische destruierende Arthritis

30% Brustschmerzen / einseitige Pleuritis

1% Pericarditis

Junge männliche Patienten (<20 Jahre): akute Skrotalschwellung

Familiäres Mittelmeerfieber

Genetik und Epidemiologie:

• Autosomal rezessive Erkrankung

• Häufigste periodische Fiebererkrankung (weltweit >10.000 Patienten)

•  Menschen mediterraner Herkunft gehäuft betroffen (Sephardische Juden, Araber, Türken, Armenier, seltener Griechen, Italiener)

Familiäres Mittelmeerfieber

Molekulargenetik:

• Kurzer Arm Chromosom 16

• MEFV, pyrin, marenostrin

• 781 Aminosäuren, 86 kD

• >30 Mutationen beschrieben

Familiäres Mittelmeerfieber

Schema des MEFV Gens

Familiäres Mittelmeerfieber

Pathogenese:

• Expression des Pyrin in myeloischen Zellen • Während Differenzierung hochreguliert • Expression wird durch Interferon-γ und TNF-α stimuliert • Funktion: antiinflammatorisch / interagiert mit Caspase-1 (pro-inflammatorisch?)

Familiäres Mittelmeerfieber

Therapie:

• Mittel der Wahl: Colchicin • Wirksamkeit in 2 kontrollierten klinischen Studie bestätigt • Dosierung: 1 mg/Tag (Steigerung möglich) • Verhindert bei 60% der Patienten die Fieberschübe • Bei 20-30% wesentliche Reduktion der Fieberschübe • Compliance sehr wichtig!!! • Absetzen der Medikation kann Fieberschub auslösen • Nebenwirkungen: Diarrhoe Myopathie, Neuropathie, Leukopenie (selten)

Im akuten Schub keine Wirkung von Colchicin Zur Schmerztherapie: Diclofenac

Familiäres Mittelmeerfieber

Prognose:

• abhängig von der Ausbildung einer Amyloidose • ohne Amyloidose normale Lebenserwartung

• vor der Colchicin Ära: Amyloidose bei 60% der Patienten (>40 Jahre)

• selbst wenn Colchicin die Fieberattacken nicht reduziert:

Amyloidose kann verhindert werden!!!

Hyper-IgD Syndrom

1984 - Erkennung als separate Entität vorher als Variante des Still-Syndroms beschrieben

Symptome:

• Rekurrierende Fieberschübe • Beginn <1 Jahr • Schüttelfrost • Steiler Fieberanstieg • Dauer: 4-6 Tage • Provokation durch: Impfung, Trauma, OP, Stress

Hyper-IgD Syndrom

• Begleitsymptome:

• zervikale Lymphadenopatie • Bauchschmerzen mit Erbrechen • Diarrhoe

• Hepatosplenomegalie • Kopfschmerzen • Arthralgien • Erythem • Petechien • Purpura

Hyper-IgD Syndrom

Paraklinik:

• IgD >100 IU/ml (Ausnahmen bei sehr jungen Patienten) • IgA Spiegel erhöht (>80% der Patienten) • Leukocytose • CRP erhöht • Serum Amyloid A erhöht

• Urin: Mevalonsäure erhöht (im Fieberschub)

Hyper-IgD Syndrom

Genetik und Epidemiologie:

• Vererbung autosomal rezessiv • weltweit ca. 200 Fälle bekannt • bevorzugt weiße Westeuropäer betroffen • 60% Holländer oder Franzosen

• Lokalisation: langer Arm Chromosom 12

• Mevalonatkinase-Gen: Hot-Spot V377I reduziert Aktivität des Enzyms

Hyper-IgD Syndrom

Pathogenese:

Exakte Pathogenese bislang nicht aufgeklärt!

• Mevalonatkinase: Schlüsselenzym der Cholesterinsynthese • <15% der normalen Aktivität • Serum Cholesterinwerte leicht erniedrigt

• <1% der Patienten: komplette Defizienz Mevalonacidurie seltene Stoffwechselerkrankung - Entwicklungsverzögerung - Hypotonie, Ataxie, Myopathie - Katarakt

Hyper-IgD Syndrom

Therapie:

• Keine einheitliche Therapie empfohlen • Anekdotische Therapieerfolge mit: Steroiden Immunglobulinen i.m. Colchicin Cyclosporin Anakinra Prognose:

• Lebenslange Fieberschübe • Reduzierung mit zunehmendem Lebensalter • selten Amyloidose • Bei Arthritiden: Gelenksdestruktion sehr selten

TNF-α Rezeptor assoziiertes periodisches Fiebersyndrom (TRAPS)

Erstbeschreibung 1982 in einer großen Irischen Familie zunächst Hibernian Fever genannt

Symptome:

• Rekurrierende Fieberschübe • Myalgien • Erythem • Bauchschmerzen, Diarrhoe, Obstipation, Erbrechen • Konjunktivitis • Dauer: > 1 Woche

TNF-α Rezeptor assoziiertes periodisches Fiebersyndrom (TRAPS)

Paraklinik:

• Neutrophilie • CRP erhöht • IgA erhöht • IgD erhöht <100 IU/ml

• Löslicher TNF-α Rezeptor erniedrigt

TNF-α Rezeptor assoziiertes periodisches Fiebersyndrom (TRAPS)

Genetik und Epidemiologie:

• Autosomal dominante Vererbung • mehr als 50 Familien beschrieben • verschiedene ethnische Gruppe

• Kurzer Arm Chromosom 12 • TNF-α Rezeptor 1 (TNFR1; TNFRSF1A)

TNF-α Rezeptor assoziiertes periodisches Fiebersyndrom

(TRAPS)

Pathogenese:

• Aktivierung des TNFR1 induziert Rezeptor-Shedding • Abspalten des Rezeptors von der Zellmembran • Löslicher Rezeptor fungiert als Antagonist

• Mutationen führen zu reduziertem Rezeptor-Shedding • Überexpression in der Zellmembran • Kontinuierlicher Stimulierung durch TNF-α • Unkontrollierte Entzündung

• Reduzierte Apoptose aktivierter Zellen

TNF-α Rezeptor assoziiertes periodisches Fiebersyndrom

(TRAPS)

Therapie:

• Ethanercept (rekombinanter löslicher TNFR2; konjugiert an Fc-Fragment des humanen IgG) bindet freies und membrangebundenes TNFα 25 mg 2 x pro Woche

TNF-α Rezeptor assoziiertes periodisches Fiebersyndrom

(TRAPS)

Prognose:

• wird von der Ausbildung einer Amyloidose bestimmt • 25% entwickeln Amyloidose • Nierenversagen (Proteinurie als initiale Manifestation) • Leberversagen

Periodisches Fieber ohne Fieber

•  monosymptomatische Nierenamyloidose bei einer TNFR1 mutations-tragenden ansonsten unauffälligen Schwester eines TRAPS Patienten (Kallinich et al., Ann Rheumatol Dis 2005, epub ahead of print)

•  Periodisches Auftreten einer Psychose ohne Fieber bei nachgewiesener TRAPS induzierender TNFR1 Mutation (Hurst et al., J Clin Rheumatol 11, 329-330, 2005)

PAPA Syndrom: Pyogene sterile Arthritis, Pyoderma gangraenosum, Akne Mutationen im CD2BP1 Gen (Chromosom 15) Blau Syndrom: granulomatöse Arthritis Uveitis Exanthem Mutationen im CARD15 Gen (Chromosom 16) ebenfalls bei M. Crohn

PFAPA: Periodisches Fieber, aphthöse Stomatitis, Pharyngitis, cervikale Lymphadenitis keine familiäre Häufung (Gen unbekannt)

Cryopyrin-assoziierte periodische Fiebersyndrome (CAPS):

Familiäre Kälteurtikaria: autosomal dominant Beginn im ersten Lebensjahr Kälte induziertes nicht-juckendes Exanthem Schüttelfrost, Fieber Arthralgien, Myalgien, Kopfschmerzen Amyloidose (selten) Therapie: Kälteexposition meiden Muckle-Wells Syndrom: s.o. Kälte triggert Symptome nicht sensoneurale Taubheit Therapie: keine CINCA-Syndrom: Chronic Infantile Neurological Cutaneous

and Articular Syndrome - chronische aseptische Meningitis - Urtikaria - Arthritis Therapie: Nicht-steroidale Antiphlogistika, Steroide,

Mutationen im CIAS1 Gen (Chromosom 1)

CIAS1 kodiert für Cryopyrin:

• Aminoterminale Pyrin-Domäne

• Carboxyterminale leucinreiche Domäne (LRR)

• Zentrale Nukleotidbindungsstelle gehört zur NACHT Unterfamilie der

NTPasen - reguliert die Aktivierung von NFkB

Mutationen in NACHT Domäne zerstören putative Nukleotidbindungstelle

Expression von CIAS1 hauptsächlich in Leukozyten und Chondrozyten

Dramatische Anstiege von IL-1b, IL-6, TNFalpha, IL-3 und IL-5 bei Patienten

CIAS1 Pyrin-Domäne interagiert mit Apoptoseprotein ASC

- Interaktion zwischen ASC und Caspase 1 (IL-1 converting enzyme)

- erhöhte IL-1b Produktion (IL-1Ra ebenfalls erhöht)

potentieller Ansatz für Therapie

PYD--CARD

CIAS1/NALP3 Inflammasom

Ligand Rezeptor Adaptor Effektor Effekt

Muramyl Dipeptid LRR--NAD-–NACHT---PYD

NALP3

CARD-- Caspase

ASC Caspase-1

IL1ß- Aktivierung

(Apoptose)

CARD-- Caspase FIIND--CARD

Cardinal

nach Martinon & Tschopp, Cell, 2004

Es wird vermutet, dass krankheitsverursachende Mutationen das Inflammasoms stabilisieren und damit den Effekt verstärken

PYRIN NACHT LRR

V198M

R260W

L264H

D303N

Q306L

F309S

T348M

A352V

H358R

A374N

T436N

A439V

A439T

F523L (c>g)

F523L (c>a)

G569R

Y570C

E627G

M662T

F573S

Rot: CINCA Blau: MWS (Muckle-Wells Syndrom) Grün: FCAS (Familial cold autoinflammatory syndrome)

Schwarz: Mehr als 1 Erkrankung R260W : 2 FCAS und 2 MWS D303N: 2 CINCA und 1 MWS T348M: 11 MWS in 4 Familien und 1 CINCA

Mutationen im CIAS1/NALP3 Gen

S595G

Q703K

L328V G754A

Therapiestudien

2 Patienten (Mutation R260W) Interleukin-1 Rezeptor Antagonist (Anakinra, Kineret, Amgen) Dosierung: 100 mg / Tag s.c.

Effekte: • Entzündung kam innerhalb von Stunden zum Stillstand • Serum Amyloid A Konzentrationen sanken auf Normalwerte • Proteinurie kam zum Stillstand • Therapieerfolg seit Jahren konstant (Hawkins et al. 2003, NEJM 348; 2583-2584)

Therapie wird nun auch bei CINCA und Familiärer Kälteurtikaria eingesetzt (Goldbach-Mansky et al. 2006, NEJM 355; 581-592)

Systemische autoinflammatorische Erkrankungen

•  anscheinend grundlose Entzündungsepisoden

•  Fieberepisoden

•  (Hautbefunde)

•  häufig Muskel- und Gelenkbeteiligung

•  keine Autoantikörper

Diagnosestellung: Molekulargenetik

Warum Molekulargenetik bei Immundefekten?

• Kombination mit funktionellen Tests bzw. Phänotypisierung

• Genetische Beratung

• Pränatale Diagnostik bei weiterem Kinderwunsch

• Überträgerinnen bei X-chromosomal vererbten Erkrankungen

• Untersuchung weiterer Familienmitglieder