Anlage Forschungskoll Behruzi 220512

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Anlage Ausgangsthesen, Daniel Behruzi

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AusgangsthesenRehder (2003: 34) nennt als eines der Kriterien zur Definition Betrieblicher Wettbewerbsbndnisse, sie seien Antworten auf eine akute und existenzielle Krisensituation, in der Beschftigungssicherheit und Wettbewerbsfhigkeit aktuell gefhrdet seien. Ich bin dieser Definition aufgrund der vorhandenen Datenlage nicht gefolgt (siehe Kapitel 4.3.1.). Denn zum einen verweist Rehder selbst auf die weitgehend konjunkturunabhngige Ausbreitung des neuen Vereinbarungstyps. Zum anderen belegen verschiedene Studien, dass ein Groteil der Betriebe mit Wettbewerbspakten vor deren Abschluss eine gute oder sehr gute Auftrags- und Ertragslage vorwiesen, diese also oftmals prventiven Charakter hatten und eben nicht einer akuten Krisensituation geschuldet waren (Massah-Wirth 2007, Berthold et al. 2003). Auch das IAB-Betriebspanel stellt eine weitgehende Bedeutungsverschiebung betrieblicher Bndnisse weg von einem Instrument zur aktiven Krisenbewltigung (`Rettung nachweislich existenzbedrohter Betriebe) hin zu einem Mittel der Frderung der Wettbewerbs- und Innovationsfhigkeit (Ellguth et al. 2008) fest. Vor diesem Hintergrund gehe ich von folgender These aus, die an den Fallstudien zu berprfen ist:Ausgangsthese 1. Betriebliche Wettbewerbsbndnisse finden weitgehend unabhngig von der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens Anwendung.

Die Frage der Reziprozitt Betrieblicher Wettbewerbsbndnisse wurde in Teil I, Kapitel 4.3.4. ausfhrlich diskutiert. Ein Element dessen war die Feststellung, dass die Investitions- oder Beschftigungszusagen der Arbeitgeberseite stets temporr fr die Laufzeit des jeweiligen Vertrags gelten, whrend die Konzessionen der Beschftigten zumeist dauerhaft wirksam bleiben. Das gilt im Regelfall zumindest fr die Flexibilisierung von Arbeitszeiten sowie fr die Krzung bertariflicher Leistungen. Die Folge ist, dass die Belegschaften immer neue und gesteigerte Zugestndnisse erbringen mssen, um den Erhalt derselben Arbeitspltze zu bezahlen (Rehder 2003: 79, 85, 100, Seifert/Massah-Wirth 2003: 3, Jrgens/Krzywdzinski 2006: 44, 54, Haipeter 2009: 321). Ob das auch bei Daimler und Opel so festzustellen ist, soll in den Fallstudien berprft werden.Ausgangsthese 2. Der im Rahmen Betrieblicher Wettbewerbsbndnisse stattfindende Tausch ist insofern ungleichgewichtig, als die Konzessionen der Beschftigten in der Regel dauerhaft, die des Unternehmens aber lediglich temporr wirksam sind.

Die betrieblichen Pakte werden in Teilen der Literatur als Koalitionen zur Sicherung oder Schaffung von Arbeitspltzen gedeutet (exemplarisch: Freyssinet/Seifert 2002). Im Widerspruch dazu steht, dass 56 Prozent der betroffenen Betriebe die Beschftigung whrend der Laufzeit der Vereinbarungen reduzieren (Massa-Wirth 2007: 121). Auch bei Ausschluss betriebsbedingter Kndigungen, der laut WSI-Betriebsrtebefragung von 2003 in 71 Prozent der Pakte enthalten war, knnen die Unternehmen zumeist auf weiche oder sozialvertrgliche Formen des Personalabbaus wie die Nutzung der natrlichen Fluktuation, das Auslaufen befristeter Vertrge und den Abbau von Leiharbeitern zurckgreifen. Der Erhalt einer bestimmten Belegschaftsstrke wird in rund einem Viertel der Flle zugesagt (Seifert 195-198). Auch das muss aber nicht den Status Quo zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses festschreiben, sondern kann durchaus zunchst Stellenabbau zur Erreichung des genannten Niveaus bedeuten. Auf Grundlage der vorhandenen Daten gehe ich von der These aus, dass die betrieblichen Bndnisse anstehenden Personalabbau im Regelfall nicht verhindern, aber fr dessen sozialvertrgliche Gestaltung sorgen:Ausgangsthese 3. Betriebliche Wettbewerbsbndnisse schlieen zumeist betriebsbedingte Kndigungen fr einen begrenzten Zeitraum aus, schreiben jedoch keine Beschftigungsniveaus fest, so dass Personalabbau mit sozialvertrglichen Mitteln weiterhin mglich ist.

Die Verlsslichkeit der Arbeitgeber bei der Einhaltung ihrer in die Zukunft gerichteten Zusagen ist fr die Reziprozitt der Betrieblichen Wettbewerbsbndnisse von erheblicher Bedeutung. Laut WSI-Betriebsrtebefragung von 2003 hielten die Unternehmen in immerhin neun Prozent der Flle eine oder mehrere der vertraglich fixierten Zusagen nicht ein. Bei einer Betriebsgre von mehr als 500 Beschftigten lag dieser Wert ebenfalls bei neun Prozent, im produzierenden Gewerbe mit sieben Prozent nur leicht unter dem Durchschnitt (Massa-Wirth 2007: 117-119). Bogedan et al. (2011: 56) stellen in ihrer Untersuchung ber die Krisenfestigkeit betrieblicher Pakte fest, dass in der Rezession von 2008/09 fast ein Viertel aller Arbeitgeber Elemente der Vereinbarungen nicht eingehalten hat. In fnf Prozent kam es demnach zum Bruch aller Zusagen. Etwas berdurchschnittlich waren die Verste in Grobetrieben mit mehr als 2.000 Beschftigten, die in 32 Prozent der Flle gegen einzelne oder alle Vereinbarungselemente verstieen.In der Automobilindustrie war die Nichteinhaltung zentraler Arbeitgeberzusagen hingegen zumindest bis vor der Krise 2008/2009 die groe Ausnahme. So benennen Jrgens/Krzywdzinski (2006: 50-51) in ihrer Studie ber zwischen 1993 und 2006 in der Branche geschlossene Standortsicherungsvereinbarungen nur einen Fall: Die 2005 ausgesprochene Kndigung des Pakts zum Erhalt des Standorts Hannover-Stcken durch den Zulieferer Continental. Bei den Endherstellern stellen sie in keinem Fall den Bruch von Arbeitgeberzusagen fest. Allerdings beschrnkt sich ihre Untersuchung auf die Darstellung der teils komplexen Vereinbarungspakete. Der Frage, ob deren Elemente in der Praxis auch tatschlich Bestand hatten, gehen sie im Detail nicht nach. Dennoch formuliere ich auf Grundlage dieses Befunds folgende Ausgangsthese.Ausgangsthese 4. Die in Zusammenhang mit Betrieblichen Wettbewerbsbndnissen abgegebenen Investitions- und Beschftigungszusagen werden in den Grobetrieben der Autoindustrie formal weitgehend eingehalten.

Betriebliche Wettbewerbsbndnisse sind Teil und Ergebnis einer auf Kooperation ausgerichteten Beziehung zwischen Management und Beschftigtenvertretung. Die Aushandlungsprozesse knnen zwar durchaus von heftigen Konflikten begleitet sein, die Pakte selbst sind aber Ausdruck gelungener Kompromissbildung. Und mehr als das: In vielen Fllen akzeptiert der Betriebsrat in den Vertrgen auch formal die Prrogative des Standortwettbewerbs und bernimmt direkte Verantwortung fr die Umsetzung von Kostensenkungen, die Steigerung der Produktivitt oder die Reduzierung des Krankenstandes. Zudem beinhalten die Bndnisse teilweise eine wettbewerbsorientierte Erweiterung der Mitbestimmung (Rehder 2002: 96), wodurch die Belegschaftsvertretung Einfluss auf betriebswirtschaftliche Entscheidungen erhlt, die sonst allein dem Direktionsrecht des Managements unterstehen. Obwohl einschrnkend festzustellen ist, dass es sich in den seltensten Fllen um eine Ausweitung rechtlicher Befugnisse handelt (Rehder 2003: 173) gehe ich vor diesem Hintergrund davon aus, dass das Verhltnis zwischen Betriebsrten und Managern im Zuge Betrieblicher Wettbewerbsbndnisse kooperativer wird.Ausgangsthese 5. Die Beziehungen zwischen Management und Betriebsrat wird infolge Betrieblicher Wettbewerbsbndnisse kooperativer.

Betriebliche Wettbewerbsbndnisse sind nicht nur Folge und Ausdruck vernderter Machtverhltnisse zwischen Unternehmen und Belegschaften, sondern wirken sich selbst wiederum auf diese aus. Betriebsrte erhalten durch die Pakte, so diese Produkt- und Investitionszusagen enthalten, faktisch die Mglichkeit, (wenn auch unter dem Druck internationaler Standortkonkurrenz) Entscheidungen zu beeinflussen, die qua Betriebsverfassungsgesetz nicht mitbestimmungspflichtig sind, was nicht nur Rehder (2002: 96) als faktische (partielle) Erweiterung der Mitbestimmung auf Fragestellungen, die den Kern wirtschaftlicher Entscheidungen betreffen interpretiert. Auch Haipeter (2009a: 68) spricht von einem erheblichen Zugewinn an faktischen Einflussmglichkeiten bei der Entwicklung von Produkt- und Produktionsstrategien. Mit den Termini des Jenaer Machtressourcenansatzes kann man daher argumentieren, dass die institutionellen Machtressourcen des Betriebsrats durch die Vereinbarungen gestrkt werden. Womglich geschieht dies allerdings um den Preis eines Rckgangs anderer Machtressourcen, wie der Organisationsmacht.Ausgangsthese 6. Betriebliche Wettbewerbsbndnisse knnen die institutionellen Machtressourcen des Betriebsrats dadurch steigern, dass dieser Einflussmglichkeiten in wirtschaftlichen Fragen erhlt.

Die mgliche Erweiterung institutioneller Einflussmglichkeiten in wirtschaftlichen Fragen hat allerdings eine Kehrseite: Die Beschftigtenvertreter werden in die Effizierungsstrategien (Trinczek 2002: 251) der Unternehmen unmittelbar einbezogen. Sie werden zum Akteur der Rationalisierung (Haipeter 2009a: 69). Betriebsrte und Manager sind brothers in arms in the European car wars (Zagelmeyer 2001: 176) und bilden Koalitionen, die darauf abzielen, die Arbeitsbedingungen und Arbeitsbeziehungen innerhalb und zwischen den Unternehmen wettbewerbsorientiert, d.h. am Markt ausgerichtet, zu gestalten, weshalb die Pakte nicht dem Schutz vor Konkurrenz dienen, sondern letztlich selbst zum Verstrker des Wettbewerbs (Rehder 2002: 101) werden. Selbst wenn dies nicht ber reine Cost-Cutting-Strategien, sondern mit Hilfe innovativer Modelle leistungspolitischer und arbeitsorganisatorischer Rationalisierung geschieht, ist es vielfach mit Interessenverletzungen der Beschftigten verbunden (Pickshaus/Urban 2011: 33). Denn im Regelfall zieht die Effektivierung von Arbeits- und Produktionsprozessen Stellenabbau und Leistungsverdichtung nach sich.Ausgangsthese 7. Betriebsrte lassen sich im Rahmen Betrieblicher Wettbewerbsbndnisse de facto oder explizit auf das Ziel einer Verbesserung der Wettbewerbsfhigkeit verpflichten und sagen ihre Mitarbeit an Rationalisierungsprozessen zu, obwohl das dem gewerkschaftlichen Ziel Guter Arbeit und dem Erhalt von Beschftigung entgegenstehen kann.

Drre et al. (2011: 42) erkennen infolge der bloen Verteidigung der Interessen von Stammbeschftigten eine Tendenz zur Zementierung sekundrer Ausbeutungsmechanismen und damit [] eine Vertiefung bestehender Spaltungslinien innerhalb der Unternehmen und des gesellschaftlichen Gesamtarbeiters, die einen Funktionswandel von Gewerkschaften hin zu fraktalisierten Interessenverbnden befrdern knnte. Die Wettbewerbspakte sieht Drre (2010: 896) als Teil dieses Prozesses, da sie die Tendenz zur Prekarisierung der Arbeitsgesellschaft [] noch verstrken. Betriebliche Wettbewerbsbndnisse lassen sich demnach als Form exklusiver Solidaritt, als Betriebsegoismus auffassen, bei dem die Insider ihre eigene Beschftigung sichern, ohne fr eine Ausweitung der Beschftigung zu Gunsten der nicht beschftigten Outsider einzutreten (Schneider 2002: 225).Ausgangsthese 8. Betriebliche Wettbewerbsbndnisse sind Teil einer Strategie der exklusiven Solidaritt, die Spaltungslinien zwischen und innerhalb der Belegschaften tendenziell vertieft und die Prekarisierung befrdert.

Zugestndnisse der Beschftigten bei den Entgelten (im Unterschied zu Arbeitszeiten und -bedingungen) haben sowohl bei Tarifabweichungen und Betrieblichen Wettbewerbsbndnissen im Allgemeinen als auch speziell in der Automobilindustrie im Zeitverlauf anteilig zugenommen (Haipeter 2009b: 243, Massa-Wirth/Seifert 2004: 250, Jrgens/Krzywdzinski 2006: 47). Die bei den Endherstellern der Autobranche am hufigsten genutzte Variante ist die Anrechnung bertariflicher Leistungen auf Tariferhhungen. Diese waren in der Vergangenheit in zweiten Lohnrunden, also betrieblichen Verhandlungen im Anschluss an die Auseinandersetzungen in der Flche, durchgesetzt worden (Achten 2007), wodurch die bei den Autoherstellern gezahlten Entgelte das Niveau der Metallbranche Anfang der 1990er Jahre um rund 30 bis 40 Prozent bertrafen (Jrgens/Krzywdzinski 2006: 6).Im Zuge der Verbreitung Betrieblicher Wettbewerbsbndnisse hat sich dieser Trend laut Jrgens/Krzywdzinski (2006: 39, 47) in sein Gegenteil verkehrt: Die in Jahrzehnten aufgebauten bertariflichen Entgeltbestandteile und die Arbeitszeitverkrzungen seit Mitte der 1990er Jahre bilden einen Puffer, der nun schrittweise abgeschmolzen wird. Dies habe dazu gefhrt, dass die Effektivlohnentwicklung in der einstigen Vorreiterbranche die bei der Durchsetzung tarifpolitischer Errungenschaften durch die Gewerkschaften stets eine herausragende Rolle spielte seit Mitte der 1990er Jahre hinter der Tariflohnentwicklung in der Metall- und Elektroindustrie zurckblieb.Ausgangsthese 9. Die Lohnkonzessionen bei Betrieblichen Wettbewerbsbndnissen in den Grokonzernen der Automobilindustrie beschrnken sich weitgehend auf bertarifliche Leistungen und greifen daher nicht oder nur unerheblich in Tarifvertrge ein. Sie wirken sich aber negativ auf die Effektivlohnentwicklung in der Branche aus und fhren zu einer Annherung des dortigen Entgeltniveaus an den Flchentarif. Aus Gewerkschaftssicht ben die Autowerke so ihre tarifpolitische Vorreiterfunktion teilweise ein.

Werden Verhandlungen ber betriebliche Pakte auch als machtpolitische Auseinandersetzungen begriffen, liegt die Vermutung nahe, dass eine weitreichende Mobilisierung von Machtressourcen durch die Beschftigten den Output in ihrem Sinne verbessert. Insbesondere kann die Entwicklung konomischen Drucks durch von der Gewerkschaft organisierte Arbeitsniederlegungen (Organisationsmacht) oder spontane Ausstnde (Produktionsmacht) Unternehmen zu Zugestndnissen zwingen. Dafr spricht beispielsweise der Befund Haipeters (2010: 286) in seiner Untersuchung ber Tarifabweichungen, dass Betriebsrte und Gewerkschaften durch Mobilisierungen die Kritik der Beschftigten an der Tarifabweichung in eine symboltrchtige Untersttzung ihrer Verhandlungsposition umlenken konnten.Hier klingt an, dass Kritik von Teilen der Belegschaft an konzessionren Vereinbarungen nicht nur als Schwchung der Beschftigtenvertretung verstanden werden, sondern von dieser auch als Verhandlungsressource genutzt werden kann. Das konstatieren Stahlmann/Wendt-Kleinberg (2008: 119) auch in Bezug auf die Rolle der Linksopposition im Bochumer Opel-Werk, die sie so beschreiben:Bemhte sich die Mehrheitsfraktion im Betriebsrat um die Gestaltung von Gewissheitszonen, so die oppositionelle Minderheitsfraktion eher um die Erhaltung von Ungewissheitszonen gegen ber dem Management. Mit diesem Machtpfund meinen Letztere, in den mikropolitischen Aushandlungsprozessen Potenziale von Gegenmacht aufbauen zu knnen. Die nach wie vor vorhandene Fraktionierung des Betriebsrats und die relativ starken, politisch aktiven Vertrauensleute stellten in den `mikropolitischen Spielen durchaus eine Krftekonstellation dar, die sich fr die Belegschaft unter schwierigen konomischen Rahmenbedingungen als nicht ungnstig erwiesen hatte. So trug sie lange dazu bei, Aushandlungsprozesse im Sinne der Belegschaft zu beeinflussen.Ausgangsthese 10. Der Output betrieblicher Auseinandersetzungen lsst sich im Sinne der Beschftigten wahrnehmbar durch die Mobilisierung von Produktions- und Organisationsmacht beeinflussen. Eine starke Linksopposition im Betriebsrat muss dabei nicht zu einer Schwchung fhren, sondern kann von der Betriebsratsspitze bei Verhandlungen auch als Ressource eingesetzt werden.

In der bisherigen Forschung werden Betriebsrte fast ausschlielich als homogene Institutionen gefasst, die mit dem Management, den Gewerkschaften, der Belegschaft und zum Teil auch der ffentlichkeit in Beziehung treten. In der Realitt sind Betriebsrte in ihrer Zusammensetzung aber oftmals keineswegs homogen. Ursache ist das Reprsentationsproblem (Frstenberg 1958: 420-421): Die Beschftigten jedes greren Betriebs sind in eine Vielzahl von formalen und informalen Gruppen aufgeteilt, deren partikulre Zielsetzungen oft zueinander in Widerspruch stehen. Die mehr oder weniger ausgeprgten Gruppenbindungen und -antagonismen kommen in der Wahl der Kandidaten zwar nur teilweise, aber doch sprbar zum Ausdruck. Gemeint sind damit nicht nur berufliche Unterschiede, sondern auch divergierende politische Einstellungen, die sich in der Zusammensetzung der betrieblichen Interessenvertretung niederschlagen knnen.Fragmentierte Belegschaftsvertretungen sind keineswegs die seltene Ausnahme, wie Bosch (1997: 123-125) in einer Studie ber die Verhandlungsbeziehungen zwischen Management und Betriebsrat feststellt. Demnach existieren in rund einem Drittel der Untersuchungsbetriebe Betriebsratsfraktionen mit unterschiedlicher Gewerkschaftszugehrigkeit, in vielen Fllen zudem eine Kritikerfraktion im Gremium, die wie der Vorsitzende der IG Metall angehrt. In der vorliegenden Arbeit geht es vor allem um Letztere: Linksoppositionelle Gruppierungen, die aus der IG Metall heraus entstanden sind, deren Aktivisten sich als DGB-Gewerkschafter verstehen und so sie nicht ausgeschlossen wurden im Vertrauenskrper ttig sind.In der ersten These zum Komplex fragmentierter Beschftigtenvertretungen geht es um die Frage, wie es zur deren Fraktionierung kommt und welche Faktoren dabei eine Rolle spielen. Erste Eindrcke aus dem empirischen Material lassen vermuten, dass die Kritik an den Betrieblichen Wettbewerbsbndnissen fr die Konstituierung der Linksopposition zentral ist.Ausgangsthese 11. Die Politik Betrieblicher Wettbewerbsbndnisse steht im Fokus der Kritik linksoppositioneller Gruppen und trgt zu deren Entstehung bzw. Festigung bei.

Die Verhltniswahl, auch Listenwahl genannt, ist im Betriebsverfassungsgesetz als Normalfall vorgesehen. Nur wenn lediglich ein Wahlvorschlag eingereicht wird, findet die Mehrheitswahl (Persnlichkeitswahl) Anwendung. Diese Konstruktion begnstigt die Fragmentierung der Interessenvertretung, deren Grundlage die Heterogenitt der Belegschaft selbst darstellt (Dubler et al. 2008: 51, 157). Insbesondere in Grobetrieben kann der Betriebsrat, dessen Zusammensetzung durch Listenwahl bestimmt wurde und in dem verschiedene Fraktionen um Mehrheiten ringen, daher als Regel, und nicht als Ausnahme gelten. Dieser kann als Parlament der Arbeit beschrieben werden. Inwiefern dieses Bild zutrifft, soll in den Fallstudien berprft werden.Die Konflikte im Gremium knnen dabei sowohl von linksoppositionellen als auch von rechtsoppositionellen bzw. unternehmensnahen Gruppen geprgt werden. Als Letztere werden beispielsweise die Christliche Gewerkschaft Metall (CGM) und die Arbeitsgemeinschaft Unabhngiger Betriebsangehriger (AUB) bezeichnet. Ein oberflchlicher Blick auf die Untersuchungsbetriebe legt die Vermutung nah, dass die Existenz einer starken Linksopposition die Entwicklung unternehmensnaher Gruppierungen hemmt oder ganz verhindert. Der Grund hierfr knnte darin liegen, dass das wahrscheinlich in jeder Grobelegschaft bestehende Protestpotenzial gegen die Betriebsratspolitik in diesen Fllen von der Linksopposition kanalisiert wird, was die Profilierungsmglichkeiten unternehmensnaher Gruppen einschrnkt.Ausgangsthese 12. Betriebsratsgremien, deren Zusammensetzung durch Listenwahl bestimmt wurde und in denen verschiedene Fraktionen um Mehrheiten ringen, knnen als Parlamente der Arbeit beschrieben werden. Die Existenz relevanter linksoppositioneller Strmungen verhindert das Erstarken unternehmensnaher Oppositionsgruppen.

Zentraler Ausgangspunkt dieser Arbeit ist die These Rehders (2006), Betriebliche Wettbewerbsbndnisse fhrten bei wiederholter Anwendung zu Legitimittsdefiziten der am Co-Management orientierten Betriebsrte. Als Beispiele hierfr benennt sie die Autokonzerne Daimler und Opel sowie die Bahn AG, in denen jeweils linksoppositionelle Strmungen aktiv sind. Hieran anknpfend vermute ich, dass die Existenz relevanter linksoppositioneller Gruppierungen, die (betriebs)ffentliche Kritik am Kurs der Betriebsratsspitzen formulieren, das Problem der Legitimittsverluste verstrkt.Ausgangsthese 13. Es lassen sich signifikante Hinweise auf Legitimittsverluste der am Co-Management orientierten Betriebsrte infolge Betrieblicher Wettbewerbsbndnisse feststellen. Diese werden durch die Existenz relevanter linksoppositioneller Gruppen, die alternative Deutungsmuster in Teilen der Belegschaft verankern, verstrkt.

Wie wirkt sich die Existenz relevanter linksoppositioneller Gruppen auf die Organisationsmacht und Mobilisierungsbereitschaft der Belegschaft aus? Diesbezglich knnen zwei gegenstzliche Vermutungen angestellt werden. Die Spaltung der Beschftigtenvertretung knnte zu nachlassender Organisationsmacht und geringerer Bereitschaft fhren, sich an Protestaktionen und Streiks zu beteiligen. Die entgegengesetzte These lautet, dass die von der Linksopposition verbreitete klassentheoretische Deutung von betrieblichen Konflikten, ihre Betonung der Notwendigkeit kollektiver Gegenwehr und solidarischen Handelns das gewerkschaftliche Bewusstsein der Beschftigten schrft und ihrer Aktionsbereitschaft erhht. Aufgrund erster Eindrcke aus den Fallbetrieben formuliere ich Letzteres als Ausgangsthese, die es zu berprfen gilt.Ausgangsthese 14. Die an der Notwendigkeit kollektiver Gegenwehr und solidarischen Handelns ausgerichtete Agitation der Linksopposition verstrkt dort, wo sie ber relevanten Einfluss verfgt die Mobilisierungsbereitschaft der Belegschaft und trgt zum Aufbau von Organisationsmacht bei.

Im Spannungsfeld zwischen Kooperation und Konfrontation gegenber dem Management tendieren linksoppositionelle Gruppen eindeutig zu Letzterem. Durch die konsequente Mobilisierung von Machtressourcen durch die Belegschaft, insbesondere von Produktions- und Organisationsmacht, sollen das Krfteverhltnis zu ihren Gunsten verndert, der Output verbessert werden. Im Normalfall drckt sich diese Haltung allerdings vor allem in Appellen bzw. Forderungen an die Betriebsrats- und Gewerkschaftsspitzen aus. Nur in Ausnahmesituationen ist die Linksopposition selbst in der Lage, die Beschftigten zu mobilisieren. In den Fallstudien soll der Frage nachgegangen werden, welche Faktoren das wahrscheinlicher machen.Ausgangsthese 15. Linksoppositionelle Gruppen treten zwar grundstzlich fr einen konfrontativen Kurs gegenber dem Management ein, sind aber nur in Ausnahmesituationen selbst in der Lage, die Belegschaft zu mobilisieren.

In einer Situation fragmentierter Belegschaftsvertretung sind unterschiedliche Handlungsmglichkeiten der Betriebsratsspitzen und Gewerkschaftsapparate mglich. In vielen Fllen scheinen sie auf Ausgrenzung der Kritikerfraktion und deren Marginalisierung zu setzen. Auch hier besteht aber eine strategische Wahl: Die Mehrheitsstrmungen knnten auch ber offene Debatten und Angebote an die Linksopposition versuchen, diese zu (re-)integrieren. Inwieweit das eine praktikable Option ist, soll mit Bezug auf die Untersuchungsbetriebe errtert werden.Ausgangsthese 16. Einer mit Legitimittsverlusten und einflussreicher Linksopposition konfrontierten Betriebsratsmehrheit bieten sich unterschiedliche Handlungsoptionen, die zwischen den Polen Ausgrenzung und Integration liegen.

Die Betriebsratsmehrheit auf umkmpftem Terrain befindet sich mit den linksoppositionellen Gruppierungen in einem permanenten Kampf um Deutungsmacht innerhalb der eigenen Belegschaft. Alle greren und viele kleine Konflikte bleiben nicht auf das Betriebsratsgremium beschrnkt, sondern werden im gewerkschaftlichen Vertrauenskrper und in der Gesamtbelegschaft ausgetragen. Die Betriebsratsspitze muss stets damit rechnen, dass Informationen aus dem Gremium in die breitere ffentlichkeit transportiert und bewertet werden. Anders die Fhrung einer Beschftigtenvertretung, die nicht mit relevanten oppositionellen Gruppierungen konfrontiert ist. Diese kann weitgehend selbst entscheiden, wann sie welche Informationen in der Belegschaft verbreitet. Meine Vermutung ist, dass sie daher einerseits selektiver informiert, andererseits zu den von ihr gesetzten Themen intensiv informiert und eine starke eigene Deutung verbreitet.Ausgangsthese 17. Eine als Co-Manager agierende Betriebsratsspitze ohne relevante Opposition betreibt eine intensive, aber selektive Informationspolitik, die mit starken eigenen Deutungen einhergeht.