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ANTHONY DE MELLO Aus dem Englischen von Ursula Schottelius Geschichten, die glücklich machen Warum der Vogel singt

ANTHONY DE MELLO Warum der Vogel singt Geschichten, die

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Page 1: ANTHONY DE MELLO Warum der Vogel singt Geschichten, die

ANTHONY DE MELLO

Aus dem Englischen vonUrsula Schottelius

Geschichten, die glücklich machen

Warum der Vogel singt

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Die Bücher von Anthony de Mello entstanden in einem multireligiösen Kontext und sollten Anhängern anderer Religionen, Agnostikern und Atheisten eine Hilfe bei ihrer geistlichen Suche sein. Dieser Intention des Autors entsprechend sind sie nicht als Darstellungen des christlichen Glaubens oder als Interpretationen katholischer Dogmen zu verstehen.

X. Diaz del Rio S. J., Gujarat Sahitya Prakash

Originalausgabe: The Song of the Bird© Gujarat Sahitya Prakash, Gujarat/Indien

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2019Alle Rechte vorbehaltenwww.herder.de

Covergestaltung: griesbeckdesign, Dorothee Griesbeck, MünchenUmschlagmotive: Татьяна Путятина/fotolia.de, Katikam/fotolia.deIllustrationen im Innenteil: Татьяна Путятина/fotolia.deSatz: Arnold & Domnick, Leipzig

Herstellung: CPI books GmbH, LeckGedruckt auf umweltfreundlichem, chlorfrei gebleichtem PapierPrinted in Germany

ISBN 978-3-451-38462-2

www.fsc.org

MIXPapier aus verantwor-tungsvollen Quellen

FSC® C083411

®

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VorwortDieses Buch ist geschrieben für Menschen aller Überzeu-gungen, religiöser und nichtreligiöser. Ich kann jedoch meinen Lesern nicht die Tatsache verbergen, dass ich ein Priester der katholischen Kirche bin. Ich habe mich unbe-kümmert auch in nichtchristlichen, ja sogar nichtreligiösen mystischen Überlieferungen umgesehen und bin tief beein-flusst und bereichert worden. Aber stets kehre ich zu mei-ner Kirche zurück, denn sie ist meine geistige Heimat. Und wenn ich mir auch schmerzlich, manchmal sogar peinlich berührt ihrer Grenzen und gelegentlichen Enge bewusst bin, so weiß ich doch genauso deutlich, dass sie mich gebil-det und geformt und zu dem gemacht hat, was ich heute bin. Ihr, meiner Mutter und Lehrmeisterin, widme ich in Liebe dieses Buch.

Anthony de Mello S. J.

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Wie man diese Geschichten lesen sollJedermann liest gerne Geschichten und dieses Buch ist voll davon: buddhistische, christliche, Zen-, chassidische, rus-sische, chinesische, Hindu- und Sufigeschichten, alte und moderne.Diese Geschichten haben jedoch etwas Besonderes an sich: Liest man sie auf bestimmte Art und Weise, werden sie ei-nen geistigen Reifeprozess bewirken.

Es gibt drei Möglichkeiten, diese Geschichten zu lesen:

1. Man lese eine Geschichte einmal, nehme sich dann eine andere vor. Auf diese Weise wird man sich gut unterhalten.

2. Man lese eine Geschichte zweimal, denke darüber nach und beziehe sie auf das eigene Leben. Man bekommt dann eine Ahnung von Theologie. Ein kleiner Kreis, in dem jeder seine Gedanken zu der Geschichte einbringt, kann dabei sehr förderlich sein. Man hätte damit einen theologisch in-teressierten Zirkel.

3. Man lese die Geschichte noch einmal, nachdem man da-rüber nachgedacht hat, und versuche, still geworden, ihre innere Tiefe und ihre Bedeutung auf sich wirken zu lassen, eine Bedeutung, die über Worte und Reflexionen hinaus-reicht. Allmählich wird man ein Gefühl für Mystik bekom-men.

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Oder man bewahre die Geschichte den ganzen Tag im Her-zen und lasse sich von ihrem Duft oder ihrer Melodie be-drängen. Sie soll das Herz, nicht den Verstand ansprechen. Auch dadurch kann man Zugang zur Mystik bekommen. Die meisten dieser Geschichten wurden ursprünglich zu diesem Zweck erzählt.

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WarnungDen meisten Geschichten folgt eine Anmerkung. Sie soll beispielhaft zu eigenen Reflexionen anregen. Genau das wird erstrebt. Man beschränke sich nicht auf die in diesem Buch gegebenen Kommentare, sie könnten einengen oder sogar irreführen.Man hüte sich, die Geschichte auf irgendjemand anderen (Priester, Mulla, Kirche, Nachbarn) als auf sich selbst zu be-ziehen. In diesem Fall könnte die Geschichte im geistigen Sinne Schaden zufügen. Alle Geschichten handeln von dir, von niemand sonst.Liest man dieses Buch zum ersten Mal, sollte man die Ge-schichten in der hier gegebenen Reihenfolge lesen, denn sie vermittelt eine Lehre und ergibt einen Sinn. Das ginge bei wahllosem Lesen verloren.

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GlossarTheologie: die Kunst, Geschichten über das Göttliche zu erzählen; desgleichen die Kunst, diesen Geschichten zuzu-hören.Mystik: die Kunst, im eigenen Herzen die innere Bedeutung solcher Geschichten so zu erleben und zu spüren, dass man davon verwandelt wird.

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Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

Iss deine eigene Frucht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

Das Lied des Vogels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

Ein entscheidender Unterschied . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

Der Stachel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

Die königliche Taube . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

Rettung eines Fisches auf Affenart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

Salz und Baumwolle im Fluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

Die Suche nach dem Esel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

Wahre Geistigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

Der kleine Fisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

Hast du den Vogel singen hören? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

Ich hacke Holz! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

Bambus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

Ständige Bewusstheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

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Heiligkeit – jetzt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

Die Tempelglocken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

Das Wort ward Fleisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

Der menschliche Götze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

Die Frage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

Beschilderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

Die Formel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

Der Forscher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

Thomas von Aquin hört auf zu schreiben . . . . . . . . . . . . . 41

Der leidende Derwisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

Eine Note der Weisheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

Was sagt Ihr da? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

Der Teufel und sein Freund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

Knochen als Glaubensbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

Warum gute Menschen sterben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

Der Meister weiß es nicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

Weizen aus ägyptischen Gräbern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

Ein Blick in seine Augen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

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Berichtigt die Heilige Schrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

Die Frau des blinden Mannes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

Die Experten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

Die Fachleute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

Die Suppe aus Entensuppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

Das Ungeheuer im Fluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

Der vergiftete Pfeil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

Das Baby hört auf zu weinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

Das Ei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

Schreien, um seiner selbst sicher zu bleiben . . . . . . . . . . . 62

Das Amulett . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

Flusswasser zu verkaufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

Die Katze des Gurus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

Löwenzahn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66

Ändere dich nicht! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

Mein Freund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

Der arabische Bewerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

Wir sind drei, du bist drei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

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Beten kann gefährlich sein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

Narada . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75

Münzenwurf als Schicksalsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . 77

Beten um Regen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

Der invalide Fuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

Gott, der Ernährer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80

Die fünf Mönche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

Aufstehen und bekennen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83

Beförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

Der Wahrheitsladen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

Diogenes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

Der schmale Pfad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

Der Scharlatan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88

Der geträumte Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

Sehr gut, sehr gut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90

Der Traum von toten Söhnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

Eine Puppe aus Salz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

Der goldene Adler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

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Wer bin ich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

Der gesprächige Liebhaber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94

Das „Ich“ weglassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95

Gib dein „Nichts“ auf! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

Der Zen-Meister und der Christ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97

Bequemlichkeit für den Teufel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98

Besser Sünde als Verleumdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

Der Mönch und die Frau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

Der geistige Herzanfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

Christus kennen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

Jesu Blick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

Das goldene Ei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

Gute Nachricht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

Joneyed und der Barbier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108

Der ältere Sohn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

Die Religion der alten Dame . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

Liebe vergisst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

Die Lotusblume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

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Die Schildkröte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

Bayazid bricht die Regel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

Musik für die Tauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

Reichtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

Die sieben Krüge voll Gold . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

Ein Gleichnis über das moderne Leben . . . . . . . . . . . . . . 119

Hofetz Chaim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

Der Himmel und die Krähe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

Wer kann den Mond stehlen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

Der Diamant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

Gebet um Zufriedenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124

Die Weltmesse der Religionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

Diskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

Offensives und defensives Gebet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

Jesus beim Fußballmatch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

Ideologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

Die Welt verändern, indem ich mich ändere . . . . . . . . . . 131

Gezähmte Rebellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132

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Das verlorene Schaf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

Das Sklavenmädchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

Der weise Konfuzius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136

O glückliche Schuld! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

Die Kokosnuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

Die Stimme des Sängers füllt die Halle . . . . . . . . . . . . . . . 138

Simon Petrus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

Die Samariterin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

Ignatius von Loyola . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142

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Iss deine eigene FruchtEin Schüler beklagte sich einst bei seinem Lehrer: „Ihr er-zählt uns Geschichten, aber nie enthüllt Ihr ihre Bedeu-tung.“Sagte der Meister: „Wie würde es euch gefallen, wenn euch jemand vorgekaute Früchte anböte?“

Niemand kann es euch abnehmen, nach der Bedeutung zu su-chen, die die Geschichte für euch hat. Nicht einmal der Meis-ter.

Das Lied des VogelsDie Schüler hatten viele Fragen in Bezug auf Gott.Sagte der Meister: „Gott ist das Unbekannte und Unerkenn-bare. Jede Aussage über ihn entstellt die Wahrheit.“Die Schüler waren verwirrt. „Warum sprecht Ihr dann über-haupt von Gott?“„Warum singt der Vogel?“, sagte der Meister.

Ein Vogel singt nicht, weil er eine Aussage machen will. Er singt, weil ihm ein Lied gegeben ist. Die Worte eines Gelehrten wollen verstanden werden. Den Worten des Meisters aber soll man lauschen, wie man dem Wind in den Bäumen lauscht, dem Rauschen des Flusses und dem Lied des Vogels. Sie wer-den im Herzen etwas wachrufen, was alles Wissen übersteigt.

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Ein entscheidender UnterschiedUwais, der Sufi, wurde einmal gefragt: „Was hat Euch die Gnade gebracht?“Er antwortete: „Wenn ich morgens erwache, fühle ich mich wie ein Mensch, der nicht sicher ist, ob er den Abend erle-ben wird.“Sagte der Fragende: „Aber geht es nicht allen Menschen so?“Sagte Uwais: „Sicher. Aber nicht alle fühlen es.“

Noch nie wurde jemand davon betrunken, dass er das Wort Wein mit dem Verstand erfasst hat.

Der StachelEin Heiliger erhielt einst die Gabe, die Sprache der Ameisen sprechen zu können. Er wandte sich an eine, die genügend belesen erschien, und fragte: „Wem ähnelt der Allmächtige? Gleicht er irgendwie einer Ameise?“Sagte die Gelehrte: „Der Allmächtige? Bestimmt nicht! Wir Ameisen, müsst Ihr wissen, haben nur einen Stachel. Aber der Allmächtige hat zwei!“Mögliche Fortsetzung der obigen Geschichte:Auf die Frage, wie es im Himmel aussehe, antwortete der Ameisengelehrte feierlich: „Dort werden wir sein wie Er, je-der wird zwei Stachel haben, nur kleinere.“

Zwischen Vertretern theologischer Schulen ist eine erbitterte Auseinandersetzung darüber im Gange, wo genau der zweite Stachel im himmlischen Körper sich befinden wird.

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Die königliche TaubeNasrudin wurde Premierminister der Könige. Als er einmal durch den Palast wanderte, sah er zum ersten Mal in seinem Leben einen königlichen Falken.Nasrudin hatte noch nie zuvor eine solche Vogelart gese-hen. Also nahm er die Schere und beschnitt die Klauen, die Schwingen und den Schnabel des Falken.„Nun siehst du aus wie ein anständiger Vogel“, sagte er. „Dein Wärter hat dich stiefmütterlich behandelt.“

Es ist ein Kreuz mit frommen Leuten, die keine andere Welt kennen als die, in der sie leben, und von den Menschen, mit denen sie doch reden, nichts lernen!

Rettung eines Fisches auf Affenart„Was um Himmels willen tust du?“, fragte ich den Affen, als ich sah, dass er einen Fisch aus dem Wasser holte und ihn auf den Zweig eines Baumes setzte.„Ich rette ihn vor dem Ertrinken“, war die Antwort.

Des einen Tod ist des anderen Brot.Die Sonne, die des Adlers Blick schärft, blendet die Eule.

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Salz und Baumwolle im FlussNasrudin brachte eine Ladung Salz auf den Markt. Sein Esel watete durch den Fluss und das Salz löste sich auf. Als das Tier das jenseitige Ufer erreicht hatte, sprang es voller Freu-de über seine leicht gewordene Last im Kreise umher. Aber Nasrudin ärgerte sich.Am nächsten Markttag packte er die Körbe voll Baumwolle. Der Esel wurde von der immer schwerer werdenden Last beinahe unter Wasser gezogen, als er den Fluss durchquerte.„Da hast du’s“, sagte Nasrudin fröhlich. „Das soll dir eine Lehre sein, damit du nicht denkst, es sei immer lohnend, durch Wasser zu waten.“

Zwei Männer versuchten es mit der Religion. Der eine wurde neu belebt, der andere ertrank.

Die Suche nach dem EselAlle, die ihn sahen, erschraken, als Mullah Nasrudin auf sei-nem Esel durch das Dorf galoppierte.„Wohin wollt Ihr, Mullah?“, fragten sie.„Ich suche meinen Esel“, sagte der Mullah, als er vorbei-flitzte.

Der Zen-Meister Rinzai wurde einst beobachtet, wie er seinen Körper suchte. Seine nicht erleuchteten Schüler amüsierten sich köstlich.Man trifft sogar auf Menschen, die ernsthaft nach Gott su-chen!