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Apokalyptik & Weltbürgerkrieg Religionspolitische Überlegungen zum Verhältnis Christentum und Globalisierung

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Page 1: Apokalyptik & Weltbürgerkrieg Religionspolitische Überlegungen zum Verhältnis Christentum und Globalisierung

Apokalyptik & Weltbürgerkrieg

Religionspolitische Überlegungen zum Verhältnis Christentum und Globalisierung

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Überblick

1. Erklärungsmodelle zur Lage der Welt

2. Apokalyptik und Globalisierung3. Wege aus der Gefahr

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1. Erklärungsmodelle zur Lage der Welt

1. Ein „Kampf der Kulturen“? (S.P. Huntington)

2. Der „Narzissmus der kleinenDifferenz“ (S. Freud)?

3. Die mimetische Rivalität (R. Girard): Weltbürgerkrieg

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1.1 Ein „Kampf der Kulturen“? (S.P. Huntington)

Ein neues weltpolitisches Paradigma nach dem Ende des Kalten Krieges Kulturelle Konflikte prägen das Weltgeschehen Religion ist das

„Hauptunterscheidungsmerkmal von Kulturen“ Bestätigung durch Terroranschläge der letzten

Jahre? Karikaturenstreit? C. Schmitt: ein Vorläufer Huntingtons

Feindschaft wurzelt in der Fremdheit der Anderen

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1.2 Der „Narzissmus der kleinenDifferenz“ (S. Freud)?

Huntingtons Fakten unterminieren seine eigene These die Aggressivität der islamischen Welt wurzelt

nicht in den kulturellen Unterschieden, sondern in ihrer inneren Zerrissenheit

Brüder einigen sich gegen gemeinsame Feinde der missverstandene Narzissmus der kleinen

Differenz Aktuelle Untersuchung (2005): Konflikte

vor allem innerhalb von Kulturen später C. Schmitt: der Bruder ist der Feind

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Von der Priorität des Bruder-bzw. Bürgerkriegs

Biblisch: die menschliche Gewaltgeschichte beginnt als Bruderkrieg (Kain und Abel) vgl. die vielen Bruderkonflikte in den

Mythen Brüder und Freunde, nicht Fremde

neigen zur intensivsten Feindschaft Basilius von Cäsarea … Thomas von

Aquin … H. M. Enzensberger …

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1.3 Die mimetische Rivalität (R. Girard)

zur Ursache zwischenmenschlicher Gewalt weder Aggressionstrieb (K. Lorenz; S. Freud) noch naives Menschenbild (J.-J. Rousseau) sondern: mimetische Rivalität (gemeinsames

Begehren unteilbarer Güter; siehe Konflikte im Kinderzimmer)

Gleichheit und Nähe zwischen Menschen erhöht das Konfliktpotential; je weniger Differenzen, desto wahrscheinlicher sind Konflikte

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Mimetisches Begehren (triangulär)

Vorbild/Modell

Subjekt

Objekt

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Mimetisches Begehren bei Kindern

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Weltbürgerkrieg als Folge globaler Konkurrenz?

nicht kulturelle „Differenzen“ erklären nach Girard den gegenwärtigen globalen Terrorismus, sondern das Verschwinden der Differenzen steigert die Gefahr einer globalen mimetischen Rivalität

Weltbürgerkrieg: die Entfesselung globaler Konkurrenz erzeugt Neid/Ressentiments und Gewalt, ohne diese politisch oder kulturell noch ausreichend kanalisieren zu können

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2. Apokalyptik und Globalisierung

1. Politische Freund-Feind-Muster 2. Christliche Auflösung der

politischen Feindschaft3. Globalisierung als apokalyptische

Krise

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2.1 Freund-Feind-Muster am Ursprung der Kultur

Sündenbockmechanismus (Girard) ursprüngliche Form der Einhegung

mimetischer Rivalität führt zu einer religiös-rituellen Kulturordnung (mechanische Solidarität)

getötete Sündenböcke werden zu den Göttern urtümlicher Kulturen (Polytheismus)

Rivalitäten nur noch sehr begrenzt möglich C. Lévi-Strauss: traumatisches Ereignis führte

zur Ausschluss von Konkurrenz in „kalten“ Gesellschaften

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Der Friede der geschlossenen Gesellschaft

aus Sündenbockmechanismus -> Freund-Feind-Muster zur Kanalisierung der Gewalt nach außen rituelle Vermittlung; aus innerem Sündenbock wird

äußerer Feind innere Solidarität durch Feindschaft nach außen;

Krieg als Friedensgarant H. Bergson (1932): geschlossene Gesellschaften

(mit statischer Religion) Zusammenhalt im Stamm dank der Feindschaft zu

anderen Stämmen Antagonistische Solidarität

O. Höffe: „Die antagonistische Solidarität verfolgt kollektive Interessen gegen konkurrierende Kollektiva, beispielsweise geht es um die Abwehr von Feinden oder die Selbstbehauptung gegen Widersacher.“

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2.2 Die biblische Auflösung der alten Kulturordnungen

H. Bergson Religiöser Sprung führt zu offenen Gesellschaft

(Gemeinschaft der ganzen Menschheit): dynamische Religion

Prophetische Tradition Volk Israels hat universale Aufgabe (Zion)

Neues Testament Feindesliebe (Mt 5, 43-45) Gleichnis vom Barmherzigen Samariter (Lk

10,25-37): Trennung von ethnos und ethos (vgl. I. Illich; E. Benamozegh, 1822-1900)

Gal 3,28: nicht mehr Jude oder Grieche

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Die Kritik von Celsus (2. Jhd.)

Celsus: antiker Philosoph, der die älteste Streitschrift gegen das Christentum verfasste

Celsus kritisiert christliche Tendenz hin zur Welteinheit Christentum will alles unter einen nomos

bringen Monotheismus führt zum „Aufruhr“ (stasis);

(Welt-) Bürgerkrieg moderne politische Verteidiger von

Celsus: L. Strauss, C. Schmitt, E. Voegelin

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2.3 Globalisierung als apokalyptische Krise

für Girard resultiert Globalisierung aus biblisch vorangetriebenen „Tod aller Kulturen“ „globale Entdifferenzierung und eine gewisse

Uniformierung des Planeten“; vgl. Englisch aber keine naive Verteidigung der

Globalisierung Entdifferenzierung erhöht die Gefahr von

Rivalität und Gewalt „Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden

auf die Erde zu bringen. Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“ (Mt 10,34)

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Apokalyptik bei Girard

Apokalypse bedeutet wörtlich „Offenbarung“ (vgl. Illich) Zerstörungspotential geht mit Aufdeckung der

Ursprungsgewalt einher die biblische Perspektive wirft Blick auf

Vergangenheit und Zukunft Apokalypsen der Synoptiker zeigen Gewalt, die

Menschen sich gegenseitig antun (keine göttliche Gewalt: Mt 24,6f)

Wir leben nach Girard in einer objektiv apokalyptischen Situation

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Apokalyptische Gefahren der modernen, globalisierten Welt …

der moderne Krieg folgt einer „Steigerung zum äußersten“ (C. von Clausewitz) Mimetische Eskalation;

Massenvernichtungswaffen; Terrorismus menschliche Rivalität auf Kosten der

Umwelt (Verschiebung der Gewalt) Naturkatastrophen und menschlich

verursachte Katastrophen sind miteinander eng verschränkt; vgl. Mt 24,7

Globale Gleichgültigkeit statt Solidarität vgl. erkaltete Liebe (Mt 24,12)

Globalisierung und „Ende“ der Welt vgl. Mt 24,14

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3. Wege aus der Gefahr

1. Gewaltfreiheit als christliche Tugend

2. Christliche Solidarität3. Neue Einfachheit aus lebendiger

Mystik

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3.1 Gewaltfreiheit als christliche Tugend

„Der endgültige, vorbehaltlose Verzicht auf Gewalttätigkeit zwingt sich uns auf als conditio sine qua non des Überlebens der Menschheit und eines jeden einzelnen von uns.“ (Girard, EG 140)

das setzt entsprechende Praxis der christlichen Kirchen voraus

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3.2 Christliche Solidarität

Politische Freund-Feind-Muster müssen theologisch als „Strukturen der Sünde“ verstanden werden

Sollicitudo rei socialis (1987) Beispiel: Ost-West-Konflikt (Teilung der

Welt in ideologische Blöcke); SRS 36 Wurzel in persönlichen Sünden: „Gier

nach Profit“ und „Verlangen nach Macht“ (SRS 37)

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Christliche Solidarität

Solidarität als „christliche Tugend“ persönliche Umkehr muss Strukturen der

Sünden überwinden Solidarität (SRS 38) Solidarität als christliche Tugend (SRS 40): bis

zur Feindesliebe; Trinität als höchstes Modell der Einheit

Eucharistie (vgl. SRS 48) Umkehrung des Sündenbockmechanismus Hingabe Jesu transformiert Menschenopfer

(hostia) und Feindschaft (hostis) Eucharistie beginnt nicht mit Einschwörung auf

äußere Feinde, sondern mit der Einsicht in die eigene Schuld

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3.3 Neue Einfachheit aus lebendiger Mystik

H. Bergson die „Raserei“ nach Luxus fordert als Antwort

eine neue „Einfachheit“: dadurch weniger Neid und weniger Verschwendung

Mystik und Jenseitsvision erhalten eine neue Bedeutung „Freude wäre in der Tat die Einfachheit des

Lebens, die durch eine weitverbreitete mystische Intuition in der Welt fortgepflanzt würde, Freude wäre auch die Einfachheit, die in einer geweiteten wissenschaftlichen Erfahrung automatisch einer Jenseitsvision folgen würde.“ (Bergson)

oder aber immer mehr „Reglementierung“ …