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Arbeits- und Sozialrecht DDr. Jürgen Noll

Arbeits- und Sozialrecht DDr. Jürgen Noll. Zum System des Arbeitsrechts Seine Rechtsquellen, ihr Wesen, ihre Rolle, ihr Verhältnis zueinander

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Arbeits- und Sozialrecht

DDr. Jürgen Noll

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Zum System des Arbeitsrechts

Seine Rechtsquellen, ihr Wesen, ihre Rolle, ihr Verhältnis zueinander

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Regelungsinstrumente (Rechtsquellen)

(meist nur relativ, teils auch absolut)

zwingende Gesetze

(meist Branchen-) Kollektivverträge

Betriebsvereinbarungen

Arbeits(Einzel)verträge (inkl. bloß „freie“ Betriebsvereinbarungenund Betriebsübungen)

Weisungen

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Einige gesetzliche Grundlagen

• ABGB – Allgemein Bürgerliches Gesetzbuch– Allgemeiner Dienstvertrag

• Gewerbeordnung 1859– für gewerbliches Hilfspersonal (selten)

• AngG - Angestelltengesetz– für kaufmännische und sonstige höhere Tätigkeiten

• EFZG - Entgeltfortzahlungsgesetz– bei Krankenständen und Arbeitsunfällen, vor allem für

Arbeiter!• Ansprüche auf Urlaub und Abfertigung:

– Urlaubsgesetz, BUAG - Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, Arbeiter-Abfertigungsgesetz, ORF-Gesetz

– BMVG – Betriebliches Mitarbeitervorsorgegesetz• Abfertigung NEU

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• AVRAG – Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz– diverse Regelungen (Dienstzettel, Ausbildungskosten,

Betriebsübergang, …)

• ArbVG – Arbeitsverfassungsgesetz– Kollektivverträge, Mitwirkung des Betriebsrats)

• Diverse Sondergesetze:– Gutsangestelltengesetz– Journalistengesetz– Schauspielergesetz– Hausbesorgergesetz (mittlerweile aufgehoben)– für öffentlich Bedienstete (Vertragsbedienstetengesetze

des Bundes und der Länder, Beamtendienstrechte)– u.s.w. !!

Einige gesetzliche Grundlagen

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• AZG – Arbeitszeitgesetz und ARG – Arbeitsruhegesetz– arbeitszeitliche Beschränkungen

• Arbeitsinspektionsgesetz• Ausländerbeschäftigungsgesetz• ASchG – Arbeitnehmerschutzgesetz• AÜG – Arbeitskräfteüberlassungsgesetz • AMFG – Arbeitsmarktförderungsgesetz

– bspw. Frühwarnsystem bei „Massenkündigungen“

• und viele weitere !!!

Einige gesetzliche Grundlagen

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Günstigkeitsprinzip

• Gilt zwischen Regelungen unterschiedlicher Rangordnung und besagt:– Die jeweils ranghöhere Bestimmung dringt gegenüber den

rangniedrigeren durch,– sofern diese nicht für den Arbeitsnehmer günstiger ist.– Ist die rangniedrigere Bestimmung für den Arbeitnehmer

günstiger, ist sie im Rahmen eines Günstigkeitsvergleich gem. § 3 Abs 2 ArbVG stärker als die ranghöhere:

• Bei der Prüfung, ob eine Sondervereinbarung günstiger ist als der Kollektivvertrag oder eine gesetzliche Regelung, sind jene Bestimmungen zusammenzufassen und gegenüberzustellen, die in einem rechtlichen und sachlichen Zusammenhang stehen.

• daher: KEIN Rosinenpicken!• objektiv unter sozialpolitischen Zielen, Gruppenvergleich oder

Individualvergleich

• Das Günstigkeitsprinzip gilt NICHT bei absolut zwingenden Normen!

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Kollektivvertragsbestimmungensind Rechtsnormen

• Sie gestalten zwar das Arbeitsverhältnis, sind aber nicht Teil der Arbeitsverträge.– auch nicht nach langer Anwendung! Sie

gelten oder gelten nicht. – D.h. wenn sich der KV ändert, kann sich

niemand auf sein Vertrauen auf den früheren KV berufen.

• Bei Versetzungen, Branchenänderungen, insbes. Ausgliederungen, kann es daher zum Wechsel des KV kommen

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Betriebsvereinbarungen

• Echte Betriebsvereinbarungen sind Rechtsnormen, aber nur bei– inhaltlicher Regelungsermächtigung

(Deckung als BV) durch Gesetz oder KV,– zuständigem Belegschaftsorgan und – Schriftform (= Unterschriften

Vertretungsberechtigter)

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Betriebsvereinbarungen

• z.B. § 97 ArbVG• 1. Allgemeine Ordnungsvorschriften, die das

Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb regeln;• 1a. Grundsätze der betrieblichen Beschäftigung

von Arbeitnehmern, die im Rahmen einer Arbeitskräfteüberlassung tätig sind;

• 1b. Auswahl der Mitarbeitervorsorgekasse (MV-Kasse) nach dem Betrieblichen Mitarbeitervorsorgegesetz - BMVG, BGBl. I Nr. 100/2002;

• 2. generelle Festsetzung des Beginns und Endes der täglichen Arbeitszeit, der Dauer und Lage der Arbeitspausen und der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;

• 3. Art und Weise der Abrechnung und insbesondere Zeit und Ort der Auszahlung der Bezüge;

• 4. Maßnahmen zur Verhinderung, Beseitigung oder Milderung der Folgen einer Betriebsänderung im Sinne des § 109 Abs. 1 Z 1 bis 6, sofern diese wesentliche Nachteile für alle oder erhebliche Teile der Arbeitnehmerschaft mit sich bringt

• 5. Art und Umfang der Teilnahme des Betriebsrates an der Verwaltung von betriebs- und unternehmenseigenen Schulungs-, Bildungs- und Wohlfahrtseinrichtungen;;

• 6. Maßnahmen zur zweckentsprechenden Benützung von Betriebseinrichtungen und Betriebsmitteln;

• 6a. Maßnahmen zur Verhinderung, Beseitigung, Milderung oder zum Ausgleich von Belastungen der Arbeitnehmer durch Arbeiten im Sinne des Art. VII des Nachtschwerarbeitsgesetzes (NSchG), BGBl. Nr. 354/1981, einschließlich der Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten.

• 7. Richtlinien für die Vergabe von Werkwohnungen;

• 8. Maßnahmen und Einrichtungen zur Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten sowie Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer;

• 9. Maßnahmen zur menschengerechten Arbeitsgestaltung;

• 10. Grundsätze betreffend den Verbrauch des Erholungsurlaubes;

• 11. Entgeltfortzahlungsansprüche für den zur Teilnahme an Betriebs(Gruppen-, Betriebshaupt)versammlungen erforderlichen Zeitraum und damit im Zusammenhang stehende Fahrtkostenvergütungen;

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Betriebsvereinbarungen

• z.B. § 97 ArbVG• 12. Erstattung von Auslagen und Aufwendungen

sowie Regelung von Aufwandsentschädigungen;• 13. Anordnung der vorübergehenden Verkürzung

oder Verlängerung der Arbeitszeit;• 14. betriebliches Vorschlagswesen;• 15. Gewährung von Zuwendungen aus besonderen

betrieblichen Anlässen;• 16. Systeme der Gewinnbeteiligung;• 17. Maßnahmen zur Sicherung der von den

Arbeitnehmern eingebrachten Gegenstände;• 18. betriebliche Pensions- und Ruhegeldleistungen,

ausgenommen jene nach Z 18a;• 18a. Errichtung von und Beitritt zu Pensionskassen,

Verpflichtungen des Arbeitgebers und Rechte der Anwartschafts- und Leistungsberechtigten, die sich daraus ergeben, Art und Weise der Zahlung und Grundsätze über die Höhe jener Beiträge, zu deren Entrichtung sich der Arbeitnehmer verpflichtet, Mitwirkung der Anwartschafts- und Leistungsberechtigten an der Verwaltung von Pensionskassen, Auflösung von und Austritt aus Pensionskassen und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen;

• 18b. Abschluss einer betrieblichen Kollektivversicherung, Verpflichtungen des Arbeitgebers und Rechte der Versicherten, die sich daraus ergeben, Art und Weise der Zahlung und Grundsätze über die Höhe jener Prämien, zu deren Entrichtung sich der Arbeitnehmer verpflichtet, Mitwirkung der Versicherten, Beendigung des Versicherungsvertrages und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen;

• 19. Art und Umfang der Mitwirkung des Betriebsrates an der Planung und Durchführung von Maßnahmen der betrieblichen Berufsausbildung und betrieblicher Schulungs- und Bildungseinrichtungen sowie die Errichtung, Ausgestaltung und Auflösung von betriebs- und unternehmenseigenen Schulungs-, Bildungs- und Wohlfahrtseinrichtungen;

• 20. betriebliches Beschwerdewesen;• 21. Rechtsstellung der Arbeitnehmer bei Krankheit und Unfall;• 22. Kündigungsfristen und Gründe zur vorzeitigen Beendigung des

Arbeitsverhältnisses;• 23. Feststellung der maßgeblichen wirtschaftlichen Bedeutung eines

fachlichen Wirtschaftsbereiches für den Betrieb im Sinne des § 9 Abs. 3;

• 23a. Festlegung des Beginns und Verlängerung der Frist für die vorübergehende Beibehaltung des Zuständigkeitsbereiches (§ 62b);

• 24. Maßnahmen im Sinne der §§ 96 Abs. 1 und 96a Abs. 1;• 25. Maßnahmen der betrieblichen Frauenförderung

(Frauenförderpläne) sowie Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Betreuungspflichten und Beruf;

• 26. Festlegung von Rahmenbedingungen für die in § 47 Abs. 3 BMVG vorgesehene Übertrittsmöglichkeit in das Abfertigungsrecht nach dem BMVG.

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Freie Betriebsvereinbarungen?

• Wird auch nur eine dieser drei Bedingungen – Ermächtigung– Zuständigkeit– Schriftlichkeit

nicht erfüllt, spricht man von sog. „freien Betriebsvereinbarungen“,

• die nur bei tatsächlicher Handhabung und Annahme schlüssiger Bestandteil der Einzelverträge werden, daher dann aber

• nicht mehr mit Betriebsrat, sondern nur mit Einverständnis des einzelnen AN wieder geändert werden können

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Freie Betriebsvereinbarungen

• Hauptfall:

BV mit Betriebsrat, deren Inhalt nicht durch Gesetz oder Kollektivvertrag zur Regelung durch Betriebsvereinbarung „vorbehalten“ und daher nicht gedeckt ist

• Betroffene Sachbereiche:

• Zeitentgelte oder bezahlte Freizeiten

Folgen • Bei Handhabung

gleich wie bei Betriebsübungen

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Verbindliche Betriebsübungen?

• Betriebsübungen (= mindestens 3 x gleichförmige Hand-habungen) bewirken schlüssige Ergänzun-gen der Einzelverträge in den von den jeweiligen Übungen erfassten Bereichen

• Betriebsübungen schaffen auch Gleichbehandlungs-ansprüche gegen unsachliche Ausnahmen einer Minderheit von den Besserstellungen

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Betriebsübungssensible Bereiche

• Jene Sachbereiche,die Materielles und damit dem Einzelvertrag typischerweise Zugängliches betreffen:

• Entgelte oder entgeltwerte Leistungen

• Bezahlte Freizeiten• Sozialleistungen

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Betriebsübungen wann und für wen?

• Nur Schutz berech-tigten Vertrauens der Arbeitnehmer:

• Keine vertragliche Ver-festigung bei bloß fehlerhaften Hand-habungen (irrtümlichen Erfüllungshandlungen), außer für AN, die ca. 15 Jahre begünstigt wurden.

• Betriebsübungen schaffen nur insoweit vertragliche Ansprü-che, als die Arbeit-nehmer den Umstän-den nach auf solche auch für die Zukunft vertraut haben und vertrauen durften

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Beispiele für verbindliche Übungen

• Mehrmalige Besserstellungen oder Leistungen ohne beweisbaren Anspruchs- oder Änderungsvorbehalt gleichförmig gewährt

• Begünstigungen Einzelner unbewusst im Laufe der Zeit auf Mehrheit vergleichbaren Arbeitnehmer ausgeweitet

• Fehlerhaft günstigere Handhabungen (z.B. Auslegungsfehler) nach Erkennen des Fehlers nicht unverzüglich abgestoppt

• Anspruchs- oder Widerrufsvorbehalt nicht so formuliert, dass er auch in Zukunft gilt und nach einiger Zeit seine beweisbare Wiederholung vergessen

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Betriebsübungen wann und für wen?

• Sind Betriebsübungen von ausdrücklichen oder den Umständen nach deutlich erkennbaren Vorbehalten begleitet, entstehen keine über diese erkennbaren Vorbehalte hinaus-gehenden Ansprüche!

• Aus Arbeitgebersicht zweckmäßig sind beweisbare rechtzeitige Anspruchs- oder Widerrufsvorbehalte

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Anspruchsvorbehalte

• Verhindern Entstehen künftiger Ansprüche

• Leistungen können grundlos und schlicht eingestellt werden, außer Verstoß gegen zwingende Ansprüche oder Diskriminie-rungsverbote

• Texthilfe:• „Sie erhalten für das Jahr .... als frei-

willige Leistung ........... unter der aus-drücklichen Bedingung, dass diese Leistung darüber hinaus für die Zukunft keinen wie immer gearteten Rechtsanspruch begründet und daher auch bei wiederholter oder vieljähriger Gewährung jederzeit grundlos eingestellt werden kann.“

• „Sie erhalten als freiwillige Leistung bis auf weiteres ........... mit der aus-drücklichen Maßgabe, dass diese Leistung für die Zukunft keinen wie immer gearteten Rechtsanspruch begründet und daher auch bei ständiger oder vieljähriger Gewährung jederzeit grundlos eingestellt werden kann.“

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Widerrufsvorbehalte

• Führen dazu, dass die Ansprüche

• nach billigem Ermessen (= bei sachlichem Grund)

• für die Zukunft ausdrücklich widerrufen werden (keine schlichte Einstellung)

• Texthilfe

• „Sie erhalten bis auf weiteres ........... unter dem ausdrücklich vereinbarten Vorbehalt der jederzeitigen einseitigen Widerrufbarkeit dieser Leistung ohne besondere Gründe durch den Arbeitgeber.“

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Mitarbeitsvertragsformen

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Mitarbeit-Vertragsformen?

• Selbständige:– Freie

Dienstverträge (ohne Arbeitsrecht, aber DG-SV-Pflicht)

– Werkverträge oder unternehmerische freie Dienstverträge oder bloße Berechtigungsverträge: Allfällige GSVG-Vers. geht Auftraggeber nichts an

– Gesellschafter

• Unselbständige: – d.h.

Arbeitsverträge mit voller Geltung von Arbeitsrecht

– Befristet oder unbefristet

– DG-Vollversichert oder bei Geringfügigkeit nur teilversichert

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Dienstverhältnisse: Arten

• Persönlich und wirtschaftlich abhängige (= fremdbestimmte) Personen:

Arbeitsrecht gilt zwingend, § 4 Abs. 2 ASVG ebenfalls (volle SV-Pflicht)

• Freie, persönlich unabhängige (= eigenbestimmte) Personen:Vertragsfreiheit, Nichtgelten von Arbeitsrecht,

• aber bei Fehlen wesentlicher Betriebsmittel: § 4 Abs. 4 ASVG (GN-gleichgestellt, außer als „neue Selbständige“ GSVG-versichert)

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Wann liegt ein freies DV vor?

• Bei ausreichender Selbstbestimmung der zu leistenden Dienste

• Absolute, die persön-liche Abhängigkeit (nach VwGH jedenfalls) ausschließende Freiheits- bzw. Selbstbestimmungs-elemente sind:

• Recht, sich jederzeit und grundlos nach eigenem Ermessen auf eigenes Risiko durch einen geeigneten Dritten vertreten zu lassen und tatsächliche oder objektiv erwartbare Nutzung dieses Rechts(bloße Anzeigepflicht oder sachlich erforderli-cher Eignungsnachweis schadet nicht)

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Wann liegt ein freies DV vor?

• Oder vertragliches Recht, schon übernommene einzelne Dienstleistungen sanktionslos ablehnen zu können oder

• Recht auf Zuziehung eigener Hilfskräfte

• Eine dieser Berechti-gungen genügt.

• Ob der Berechtigte hievon Gebrauch macht, ist nicht entscheidend, sofern das Recht als solches glaubwürdig (erwartbare Nutzung!) und kein Scheinrecht ist.

• Grundsätzlich ist den-noch die vertragliche Gestaltung wesentlich

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Wann liegt ein freies DV vor?

• Ohne obige Rechte, sicherheitshalber aber auch bei Vorliegen solcher, muss sich die vorwiegende Selbstbestimmung zumindest aus Freiheiten in der Abwicklung der Dienst-leistung ergeben, so:

• Nichtbindung an Ordnungsvorschriften über die Arbeitszeit, Arbeitsorte oder an Weisungen im arbeitsbezogenen Verhalten

• Fehlen laufender Kon-trollunterworfenheit

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Werkvertrag

• WV-Nehmer schuldet auf selbständiger, persönlich unabhängiger Basis Werk = Erfolg, Ergebnisse, nicht Dienste

• Nichtgelten von Arbeitsrecht,

• Nicht ASVG-pflichtig,auch ohne Gewerbeschein GSVG-Pflicht als neuer Selbständiger, bei Überschreiten der Versicherungsgrenze oder nach Option

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Was leisten arbeitsrechtsfreie Arbeitsformen?

• Weitgehende Vertragsfreiheit

• Direkter Leistungsaustausch, bei Werkverträgen sogar völlige Abhängigkeit des Entgelts vom Erfolg (von der Vertragserfüllung)

• Einfache Direktentlohnung ohne arbeitsrechtliche Folgekosten

• Keine gesetzlich-zeitlichen Einsatz-grenzen

• Kein gesetzlicher Kündigungsschutz

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Wo eignen sich arbeitsrechtsfreie Arbeitsformen?

• Wo alles Wesentliche von vornherein festlegbar ist, wo man also Erfüllungsweisungen nicht braucht und man sich auf ökonomische Anreize verlassen kann

• Wo es auf den (ausreichend präzisierbaren) Erfolg und nicht auf das Arbeiten selbst ankommt

• Vor allem im nebenberuflichen Bereich, bei kreativen Leistungen, bei Spezialisten etc.

• Bei kurzfristigen Aufgabenerfüllungen eher als für Dauerbeziehungen

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Was kosten arbeitsrechtsfreie Arbeitsformen?

• Das Vereinbarte(keine DG-SV-Beiträge bei Werkverträgen!)

• Bei nicht-unternehmerischen freien Dienstverträgen (Fehlen wesentlicher eigener Betriebsmittel und vorwiegende Selbstarbeit) kommen dazu noch:– 17,2 % Dienstgeberbeiträge oder– bei Geringfügigkeit (max. € 357,74 monatlich)

1,4 % DG-Beiträge plus (seit 1.1.2006 per DAG) bei über 1,5 Geringfügigen 16,4 % besondere Dienstgeberabgabe

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Änderungen bei freien DV seit 1.1.2008

• Anmeldung vor Arbeitsantritt (Avisomeldung – Vollmeldung)

• Einbeziehung der freien Dienstverhältnisse in die Arbeitslosenversicherungspflicht (6%-Punkte-Beitragserhöhung)

• Einbeziehung in das System des IESG (voraussichtlich 0,55%-Beitragssatz) – daher auch Anspruch auf Insolvenzausfallsgeld

• Einbeziehung in die Abfertigung Neu (Beitragssatz 1,53%) – Beitragsfreier Monat nur für neue freie Dienstverhältnisse!

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Wo liegen die Risken bei selbständigen Arbeitsformen?

• „Schlampige“ Verträge, Beweisprobleme, vom Vertrag abweichende faktische Verhältnisse, rechtliche Fehl-einschätzungen oder nicht erwartete Gesetzes- oder Judikaturänderungen

• können zur Geltung von Arbeitsrecht mit allen (hohen) Folgekosten oder zumindest zu nicht gewollter DG-SV-Pflicht (inklusive DN-Beitragsrisiko) führen

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Fehler bei Vertragsgestaltung und Vertragserfüllung: Werkverträge

• Werk, Ergebnis oder Ziel fehlen

• Formulierungen lassen auf Tätigkeiten, Arbeit, Dienste schließen, statt klarer Werk-Spezifikationen

• Zeitaufwand- statt ergebnisorientiertes Entgelt

• Fehlende Beweisbarkeit mangels ausreichend „guten“ schriftlichen Vertrags

• Widersprüchliche Rechnungsgestaltung

• Sachlich unnötige organisatorische Einbindung

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Fehler bei Vertragsgestaltung und Vertragserfüllung: Freie Dienstverträge

• Freiheits- bzw. Selbstbestimmungs-elemente fehlen

• Zu wenig gewichtige Freiheitselemente (z.B. kein jederzeitiges reales Vertretungsrecht)

• Vertretungsrecht zu eingeschränkt

• Sonstige Freiheiten fehlen überhaupt

• Fehlende Beweisbarkeit mangels ausreichend „guten“ schriftlichen Vertrags

• Widersprüchliche Ver-tragsbestimmung oder Rechnungsgestaltung

• Sachlich unnötige organisatorische Einbindung oder Anschein einer solchen

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Zur Begründung von Arbeitsverhältnissen

Vorstellungskosten, Zustandekommen und Form, Dienstzettel oder

Dienstvertrag?

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Vorstellungskosten?

• Reisekosten? • Ja, wenn Stellenbewerber

zur Vorstellung ohne Einschränkung vorgeladen wird

• Nein, wenn sich die Nichtübernahme aus der Einladung zur Vorstellung ausdrücklich oder schlüssig ergibt

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Zustandekommen des AV

• Jede Einigung, ab einem bestimmten Zeitpunkt ein (einigermaßen bestimmtes) AV zu begründen, genügt

• Also Vorsicht vor festen Zusagen

• Kein Formzwang beim Abschluss (auch bez. des Lehrvertrages besteht nur eine Ausfertigungspflicht)

• Schriftliche, mündliche oder schlüssige Einigungen stehen offen (§863 ABGB: „durch solche Handlungen erklären, welche mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund, daran zu zweifeln, übrig lassen“)

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Dienstzettel oder Dienstvertrag?

• Dienstzettel = bloße Aufzeichnung mündlich fix vereinbarter Inhalte

• Muss dem Vereinbarten entsprechen und gilt nur zugunsten des AN als Beweis

• Daher ist die Bezeichnung als „Dienstvertrag“ und beidseitige Unterfertigung dringend zu empfehlen!

• 13 Mindestinhalte (AVRAG)

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Dienstzettel

• §2 Abs 2 AVRAG: 1. Name und Anschrift des Arbeitgebers, 2. Name und Anschrift des

Arbeitnehmers, 3. Beginn des Arbeitsverhältnisses, 4. bei Arbeitsverhältnissen auf bestimmte

Zeit das Ende des Arbeitsverhältnisses, 5. Dauer der Kündigungsfrist,

Kündigungstermin, 6. gewöhnlicher Arbeits(Einsatz)ort,

erforderlichenfalls Hinweis auf wechselnde Arbeits(Einsatz)orte,

7. allfällige Einstufung in ein generelles Schema,

8. vorgesehene Verwendung, 9. Anfangsbezug (Grundgehalt, -lohn,

weitere Entgeltbestandteile wie zB Sonderzahlungen), Fälligkeit des Entgelts,

10. Ausmaß des jährlichen Erholungsurlaubes,

11. vereinbarte tägliche oder wöchentliche Normalarbeitszeit des Arbeitnehmers, sofern es sich nicht um Arbeitsverhältnisse handelt, auf die das Hausbesorgergesetz, BGBl. Nr. 16/1970, anzuwenden ist, und

12. Bezeichnung der auf den Arbeitsvertrag allenfalls anzuwendenden Normen der kollektiven Rechtsgestaltung Kollektivvertrag, Satzung, Mindestlohntarif, festgesetzte Lehrlingsentschädigung, Betriebsvereinbarung) und Hinweis auf den Raum im Betrieb, in dem diese zur Einsichtnahme aufliegen,

13. Name und Anschrift der Mitarbeitervorsorgekasse (MV-Kasse) des Arbeitnehmers oder für Arbeitnehmer, die dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (BUAG), BGBl. Nr. 414/ 1972, unterliegen, Name und Anschrift der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse.

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Ausländerbeschäftigung?

• Bewilligungsfrei sind (nahezu) nur die Bürger der alten EU-EWR-Staaten plus Malta und Zypern samt deren begünstigten Drittstaatsangehörigen,

• weiters Personen, denen Asyl gewährt wurde.

• Echte Ferial- und Berufspraktikanten sowie Volontäre bis zu 3 Monaten sind zwar bewilligungsfrei, aber 2 Wochen vor Beginn der Tätigkeit beim AMS anzeigepflichtig; Anzeigebestätigung kommt.

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Ausländerbeschäftigung?

• Für alle anderen Nichtösterreicher gilt: Keine erlaubte Beschäftigung ohne gültige behördliche Bewilligung oder vor deren Ablauf eingebrachten Verlängerungsantrag

• Risiken illegaler Ausländerbeschäftigung:

Hohe Verwaltungsstrafen, Schadenersatz bei Verschulden, uU Ausschluss von öffentlichen Aufträgen undEntzug der Gewerbeberechtigung

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Vertragliche Regelungen?

• Möglichkeiten: • Nur was nicht in Gesetzen, KollV oder echter

BV geregelt ist (v.a. Art und Ort der Arbeitsleistung, Befristung, Voll- oder Teilzeit, teils auch Arbeitszeiteinteilung)

• oder gegenüber diesen Regelungen für den Arbeitnehmer günstiger ist (v.a. Entgelte)

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Vertragliche Regelungen?

• Grenzen: • Zwingende Gesetze, gute Sitten, KollV oder

echte BV (v.a. Arbeitszeitgrenzen, Mindestentgelte)

• Für den Arbeitnehmer ungünstigere Vereinbarungen gehen nur dort, wo das Gesetz dies ausnahmsweise erlaubt

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Wichtige besondere Vereinbarungen

• Zur Dauer des AV:• Probezeit (AV auf Probe)?• Befristung? Höchstbefristung? (Achtung bei

Kettenarbeitsverträgen!)• Zusätzliche Kündigungstermine (bei Ang)?• Zum Entgelt:• Zusätzliche Leistungen unter Anspruchs- oder

Widerrufsvorbehalt?• Überstundenpauschale? Inklusivklausel?

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Wichtige besondere Vereinbarungen

• Zur Arbeitspflicht:• Tätigkeitsänderungsvorbehalt?• Örtlicher Versetzungsvorbehalt?• Konzern-Überlassungsklausel?

• Zur Arbeitszeit:• Mehr- bzw. Überstundenleistungspflicht?• Schutz vor eigenmächtigen Überstunden?

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Wichtige besondere Vereinbarungen

• Nachwirkendes Konkurrenzverbot?• Welche Tätigkeiten? Welcher Radius? (Geschäftszweig des

AG!)• Wie lange? (maximal 1 Jahr)• Mindestentgelt !!• Wirkt nicht bei Verschulden des AG an der Auflösung

• Rückzahlung von Ausbildungskosten?• Grundsatzvereinbarung? Anlassbezogene?• Welche Kosten? (tatsächlich aufgewendet!)• Bindungsdauer? (max. 3-5 Jahre), Degression! (nach

Zeitablauf!)• Auslösende Beendigungsarten? (nicht bei Verschulden des AG)

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Änderungen im Arbeitsverhältnis

Arbeitszeiteinteilung?Arbeitsvertragsänderungen?

Versetzungen?

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Änderungen der Arbeitszeiteinteilung?

• Einteilung durch Betriebsvereinbarung:

• Generelle Änderungen bedürfen schriftlicher Änderung der BV oder Spruch der Schlichtungsstelle

• Einzeländerungen nur mit Einwilligung des AN

• Einteilung ohne BV:• Ohne (ausdrücklichen oder

schlüssigen) Änderungsvorbehalt nur mit Einwilligung des AN

• Mit Änderungsvorbehalt auch durch Weisung, mindestens 2 Wochen im voraus, nur bei sachlichem Grund und Fehlen von Gegeninteressen

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Änderbarkeit von Arbeitsverträgen?

• Verbesserungen für Arbeitnehmer:

• Jederzeit einvernehmlich,

auch schlüssig recht schnell (außer bei nachweislich irrtüm-lichen Handhabungen)

• Verschlechterungen für den Arbeitnehmer:

• Insoweit zwingende Ansprüche oder Grenzen nicht verletzt werden, jederzeit – für die Zukunft – einvernehmlich, aber fast nur ausdrücklich, daher schriftlich!

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Versetzungen?

• Vertragsändernde bedürfen immer der Einwilligung des AN

• Versetzungen im Rahmen des Vertrages oder bei vereinbartem Versetzungsvorbehalt auch durch Weisung (im Rahmen billigen Ermessens...)

• Überdies braucht AG für alle – einvernehmliche genauso wie einseitige – dauernden (= nicht unter 13 Wochen) die Entgelt- oder sonstigen Arbeitsbedingungen verschlechternden Versetzungen zur Wirksamkeit die Zustim-mung des Betriebsrats (§ 101 ArbVG)!

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Eckpunkte zur Entlohnung

Entgeltformen Kriterien für das Mindestentgelt

Istlohn-FragenEntgeltfehler: FolgenAbfertigungsbeiträge

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Entgeltformen

• Feste Bezüge Normalarbeitszeit:Gehalt, Lohn,Sonderzahlungen

• Bar- und Sachbezüge• Zulagen, Zuschläge• Provisionen• Leistungsentgelte

wie Akkorde und Prämien

• Entgelt = Oberbegriff, der im Zweifel alle regelmäßigen Entgelt-formen umfasst

• Kein Entgelt sindAufwandsersätze (Fahrtkosten, Diäten für Dienstreisen) und Wohlfahrtseinrich-tungen (Pendlerbusse etc)

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Kriterien für Mindestentgelt (1)

• Ermittlung durch Einstufung in die Gehalts- oder Lohnordnung des (richtigen) KollV

• Grundregeln für diese Einstufung:

• Niemals nach gewolltem Istlohn!

• Gesamttext beachten!• Vorwiegende Tätigkeit

des Arbeitnehmers zählt• Ausbildung, Praxis etc.

sind höchstens Zusatzerfordernis

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Kriterien für Mindestentgelt (2)

• Vordienstzeiten-Anrechungspflichten? – nicht nur für Einstufung,

auch für Urlaub beachtlich! (komplexe Anrechnungsregel)

• Hierbei unterschiedliche Systeme beachten:Betriebstreue? Verwendungsgruppen- bzw. Berufsjahres-Zeitvorrückung?

• Prinzipiell trifft den AG die Pflicht zur richtigen Einstufung und daher auch zur Ermittlung aller Voraussetzungen (daher keine „Vogel-Strauss-Politik“)

• Der Anspruch auf richtige Einstufung verjährt nicht, verjähren können nur die Entgeltdifferenzen der Vergangenheit!

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Istlohn- bzw. Istgehaltsfragen

• Schlichtes Istgehalt:

KV-Mindesterhöhungen verpflichten erst dann zu Isterhöhung, wenn und soweit ansonsten Bezug unter KV käme

• Qualifiziertes Istgehalt (jeweiliges KV-Gehalt plus bestimmte Überzahlung):

Hier führt jede Mindesterhöhung zu entsprechender Isterhöhung

• Auf richtige Formulierung achten!

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Kollektivvertragliche Istlohnklauseln

• Verpflichten unabhängig von Art der vertraglichen Istlohn-vereinbarung zur Erhöhung des Ist-Bezuges im Ausmaß der Anordnung

• außer bei zulässiger Vorwegnahmevereinbarung („Aufsaugklausel“)

• Erscheinungsformen– Prozenterhöhung– Betragliche

Aufrechterhaltung der€-Überzahlung

– Bloße €-Anhebung– Kombinierte Anhebung– Ist-Biennalsprünge

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Entgeltfehler: Folgen?• Zu wenig Brutto:• Differenzanspruch

einklagbar, soweit nicht verfallen oder verjährt (Fristen im KollV oder DienstV beachten!)

• Bei Unvertretbarkeit auch besondere Zinsen (§ 49a ASGG) und Ersatz von allfälligen Lohnsteuerschäden

• Bei Vorwerfbarkeit zusätzlich vorzeitiger Aus-tritt aus wichtigem Grund, mit Kündigungsentschädigung

• Zu viel Brutto:• Rückforderung, außer bei

Gutgläubigkeit (nicht gegeben, wenn AN auch nur zweifeln musste)

• Beibehaltung des Fehlers für Zukunft?Nein, außer bei ca. 15 Jahren Handhabung

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Entgeltfehler: Folgen?

• Zu geringe Abzüge:• SV: Bei AG-Verschulden

Korrektur nur noch bei nächster Entgeltzahlung, ansonsten auch noch später Abzugsmöglichkeit

• LSt: Nachträglich Abzug bzw. Einforderung möglich (§ 1358 ABGB)

• Zu hohe Abzüge:• Schadenersatz: Zinsen

für Nettoentgang• Bei besonderen

Umständen auch vorzeitiger Austritt aus wichtigem Grund, mit Kündigungsentschädigung bei AG-Verschulden

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Abfertigungsbeiträge für neue AV oder übergetretene AN

• Wesentliche verbleibende Aufgabe des Arbeitgebers im System der Abfertigung Neu

• Tragung und Zahlung an die ausgewählte MV-Kasse

• im Wege der für den AN zuständigen Krankenkasse,

• gemeinsam mit den SV-Beiträgen unter Geltung der meisten Regelungen für diese (Einbringung, Verjährung, Kontrolle)

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MV-Beiträge ab wann?

• Beim ersten Eintritt nach 31.12.2002 für alle Entgelte, die auf Zeiträume ab Beginn des 2. (Natural)-Monats entfallen

• 1. Monat ist jedenfalls MV-frei (inkl. SZ-Anteile, abw. SV)

• Bei Wiedereintritten binnen 12 Monaten ab Ende Beitragspflicht schon ab dem ersten Tag

• sofern das jew. AV 1 Monat überschreitet

• Problem: fallweise B., dennoch zahlen?

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MV-Beiträge wie lange?

• Solange Entgelt aus dem Arbeitsverhältnis gebührt bzw. bezahlt wird (inklusive UE, KE oder KüE)

• Für entgeltfreie Zeiträume sind keine MV-Beiträge zu leisten,

• außer für gesetzliche Ausnahmen– Krankengeldbezug– Präsenz-/Zivildienst– Kindergeldbezug– Karenzierungen

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Höhe MV-Beiträge

• Ausnahmslos 1,53 %

• der zutreffenden Bemessungsgrundlage

• Normalfall:Entgelt

• Sonderfälle:bestimmte fiktive Bemessungsgrundlagen

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Normalfall-Bemessung

• Entgelt iSd § 49 ASVG

• unter Geringfügigkeitsgrenze ebenso wie über Höchstbeitragsgrundlage

• Was sv-pflichtig ist oder wäre, ist auch MV-pflichtig

• alle Geld- und Sachbezüge inklusive Anspruchsprinzip und Leistungen Dritter,

• laufende, einmalige oder Sonderzahlungen,

• wenn bzw. soweit keine Ausnahme des§ 49 Abs. 3 ASVGgreift

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Wesentliches zur Arbeitszeit

Was zählt als Arbeitszeit?Normalarbeitszeit-Eckpunkte

Flexiblere ArbeitszeitenÜberstunden: Abgeltung und GrenzenMindestruhe- und Höchstarbeitszeiten

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Was zählt als Arbeitszeit?

• Nur Nettoarbeitszeit:Arbeitszeit ohne echte Ruhepausen

• Nicht nur Vollarbeit, auch Arbeitsbereitschaft und Zeiten der Reisebewegung bei Dienstreisen (aber niedriger entlohnbar)

• Nicht aber bloße Rufbereitschaften

• Bei Zeiterfassungsgeräten ohne feste Arbeitszeit zählt Zeit ab/bis Betätigung der Zeiterfassung

• Arbeitszeitaufzeichnungen fast nicht widerlegbares Indiz für echte Arbeitszeit

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Normalarbeitszeit-(Flex-)Eckpunkte

(1) Zeitraum: Kalenderwoche, außer

• Schichtturnus• GLAZ-Periode plus

Übertragungsstunden• KV-

Durchrechnungszeitraum• Einarbeitungszeitraum (für

„Fenstertage“) iVm Feiertagen: 7 zusammenhängende Wochen, durch BV 13 Wochen

(2) Maximale NAZ-Tagesgrenzen:

• 8 bzw. 9 Stunden• 10 Stunden bei Einarbeiten

iVm Feiertagen, GLAZ, 4-Tage-Woche oder Durchrechnungen, soweit KV dies erlaubt

• 12 Stunden bei erheblicher Arbeitsbereitschaft oder Wochenende mit BV

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Normalarbeitszeit-(Flex-)Eckpunkte

(3) AZ-Grenzen in Einzelwochen:

• 48 bzw. 50 Stunden, im vollkontinuierlichen Schichtbetrieb uU 56 Stunden (in einzelnen Wochen)

• Allenfalls geringere NAZ-Höchststunden lt. KV

• 60 Stunden bei erheblicher Arbeitsbereitschaft (und Zulassung durch KV

4) Nachtarbeitsverbote:

• 20-6 Uhr für Jugendliche und Schwangere

(5) unter Beachtung der Ruhezeiten:

• bei mehr als 6 Stunden Arbeit pro Tag: 1/2 Std. Ruhepause, durch BV auf 2 x 1/4 Std. oder 3 x mind. 10 Minuten kürzbar

• Tgl. Ruhezeit 11 bzw. 12 Stunden

• Wochenend- bzw Wochenruhe 36 Std., mit bezahlter Ersatzruhe bei Störung der Kernruhe

• Feiertagsruhe ohne Entgeltausfall

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Überstunden-Abgeltungsfragen

• Sind Überstunden einmal entstanden,• sind sie erhöht mit Zuschlag (50% oder mehr

lt. KV) abzugelten• Auch bei einvernehmlichem Zeitausgleich

schlägt Zuschlag durch (1:1,5 ZA)• Auch Pauschalabgeltungen halten nur im

Ausmaß der (auf 12 Monate abstellenden) Deckungsprüfung allenfalls Nachzahlungen (aber keine Rückzahlungen!)

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Wann liegen Überstunden vor?

• Bei Überschreitung der jeweiligen täglichen oder wöchentlichen NAZ ohne gültige Neuverteilung

• Jedenfalls bei Überschreitung der maximalen NAZ-Grenzen

• Bei durchrechenbaren NAZ und GLAZ, soweit am Ende der Periode Nullsaldo oder Übertragungsstunden überschritten werden

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Überstunden-Grenzen

• Max. 10 Gesamtstunden am Tag und höchstens 10 echte Überstunden in der Woche (= 5 aus wöchentlichem Kontigent plus 5 weitere aus Jahreszusatzkontingent von insgesamt 60 ÜStd.), außer bei:

• Ohne Grenze: Zeiten bloßer Reisebewegung

• Bei Rufbereitschaften bis 12 Gesamteinsatzstunden/Tag, gg. Ausgleich binnen 2 Wochen

• Bei Sonder-Überstunden-Betriebsvereinbarung bis zu 12 Std. /Tag und bis 60 Std./Woche

• Bei Arbeitsbereitschaften bis zu 13 Std./Tag

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Überstunden-Verbote

• Für Jugendliche bis 16. Lebensjahr generell,

• Darüber (16-18 Jahre) max. 1/2 Std. täglich für Vor- und Abschlussarbeiten

• Für Schwangere generell und ohne Ausnahmen!

• Auch bei grundsätzlicher Überstunden-leistungspflicht hat Arbeitnehmer bei berücksichtigungs-würdigen Gegen-interessen Verweigerungsrecht

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Arbeitszeitgrenzen bei Bereitschaftsdienst

• Variante Arbeitsbereitschaften:Aufenthalt an von AG bestimmtem Ort zur jederzeitigen Arbeitsaufnahme

• Gilt als Arbeitszeit, ermöglicht aber Ausdehnung der NAZ auf bis zu 60 Stunden/Woche bzw. 12 Stunden/Tag, inklusive Überstunden 13 Stunden/Tag,

• Wenn dies der Kollektivvertrag direkt oder indirekt zulässt und in die Arbeitszeit des AN regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft fällt

• Bei besonderen Erholungsmöglichkeit gehen nach § 5a AZG auch höhere Arbeitszeiten

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Arbeitszeitgrenzen bei Bereitschaften

• Variante Rufbereitschaften:Grundsätzlich örtlich weitgehend freier Aufenthalt mit privaten Betätigungsmöglichkeiten, aber mit jederzeitiger Erreichbarkeit (z.B. Handy) und der Bereitschaft, bei Bedarf zum Einsatz zu kommen

• Gilt zwar nicht als Arbeitszeit, ist aber dennoch angemessen (aber niedriger als sonst) abzugelten,

• unterliegt aber gesetzlichen Häufigkeitsgrenzen (maximal 10 Tage im Monat, mit KV maximal 30 Tage in drei Monaten, höchstens während 2 wöchentlicher Ruhezeiten pro Monat, d.h. Wochenende)

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Arbeitszeitgrenzen bei Dienstreisen

• Arbeitszeitgrenzen?Auch die Zeiten der Reisebewegungen (nicht aber echte Freizeiten bzw. Ruhezeiten) bei Dienstreisen, bei denen der Arbeitnehmer über Auftrag des AG den Dienstort vorübergehend verlässt, sind zwar Arbeitszeit,

• doch dürfen durch bloße Reisebewegungen die Gesamtarbeitszeitgrenzen überschritten werden und

• bei ausreichenden Erholungsmöglichkeiten die täglichen Ruhezeiten von 11 Stunden unterschritten werden

• Beides aber nicht bei Jugendlichen

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Ruhezeiten

• Ruhepausen: mindestens 0,5 Std. (verkürzbar nur durch BV auf 0,25 Std.) bei Arbeit über 6 Std.

• Tägliche Ruhezeit zwischen 2 Arbeitstagen: mindestens 11 Stunden,

• falls nicht durch KV auf 8 Std. verkürzt oder

• Einmal im Schichtturnus bei Schichtwechsel auf eine Schichtlänge verkürzbar, aber nicht unter 8 Stunden

• Bei Rufbereitschaften gelten zwar 11 Stunden, doch kann die Ruhezeit unterbrochen werden, wobei ein Teil mindestens 8 Stunden dauern muss

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Ruhezeiten

• In jeder Kalenderwoche gebührt eine zwingende wöchentliche Ruhezeit von 36 Stunden (bei Schichtarbeit im Durchschnitt, in der Einzelwoche aber mind. 24 Std.)

• als Wochenendruhe: d.h. mind. ab Samstag 13 bzw. 15 Uhr und ganzen Sonntag umfassend

• Bei erlaubter Wochenendarbeit gebührt verschobenes „Wochenende“ als Wochenruhe (gleich lange, mindestens 1 Kalendertag umfassend)

• Alle diese Ruhezeiten sind grundsätzlich unbezahlte Freizeiten

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Ersatzruhe für gestörte Kernruhe

• Wird jedoch jener Teil der gesetzlichen Mindestwochenruhe, die zugleich als Kernruhezeit gilt, (ausnahmsweise) durch Arbeit gestört,

• gebührt für die tatsächliche Arbeit nicht nur das entsprechende Überstundenentgelt, sondern

• für die Kernruhestörungsstunden in der Folgewoche zusätzlich eine nach dem Ausfallsprinzip zu bezahlende Ersatzruhe im Ausmaß der Störungsstunden

• Zeitanspruch verjährt erst nach 3 Jahren und verwandelt sich bei Ende des AV in Geldanspruch

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Folgen Arbeitszeitüberschreitungen

• Verweigerung arbeitszeitrechtlich nicht gedeckter Arbeit ist kein Entlassungsgrund, allenfalls sogar Austrittsgrund

• Erbringung arbeitszeit-gesetzlich nicht gedeckter Arbeit (Überschreitung Gesamtarbeitszeiten, Unterschreitung Mindestruhezeiten)

• macht Arbeitgeber (oder verantwortlich Beauftragten) grundsätzlich strafbar

• Diesfalls muss Arbeitgeber sein Nichtverschulden durch funktionierendes Vorbeuge- und Kontrollsystem beweisen (fast unmöglich)

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Was bedeutet verantwortliche Beauftragung?

• Mit ihr wird die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung für bestimmte Rechtsbereiche so auf einzelne leitende Angestellte übertragen, dass die Geschäftsführer nur mehr für Vorsatz haften

• Der verantwortlich Beauftragte wird für verschuldete Übertretungen im übertragenen Bereich persönlich strafbar (Geld/Arrest)

• Für verhängte Verwaltungsstrafen besteht kein Regress- oder Vergütungsanspruch,

• anders als allenfalls auf Rechtshilfe,

• Übernahmevoraus-vereinbarungen für Strafen sind zwar nichtig,

• Zahlung im Anlassfall, wäre aber lohnsteuerpflichtig

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Haftung in welchem Umfang?

• Einerseits beschränkt sich die Strafhaftung auf den dem Angestellten mit seiner Zustimmung übertragenen räumlichen und sachlichen Verantwortungsbereich (bei AZ- und ASchG-Bereichen zusätzlich erst ab Meldung beim Arbeitsinspektorat)

• Die Verwaltungsstrafhaftung bedeutet nicht auch automatisch eine zivilrechtliche Haftung für Schäden (hier gelten die normalen Haftungsregeln inklusive das sozialrechtliche Dienstgeberhaftungsprivileg)

• Andererseits haften verantwortlich Beauftragte strafrechtlich auch für bloß leichtes Verschulden

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Was müssen Verantwortliche tun?

• Sie müssen alles in ihrer Macht Stehende tun, um Gesetzesübertretungen zu verhindern,

• insbesondere ein funktio-nierendes Vorbeuge- und Kontrollsystem einrichten, welches nach menschlichem Ermessen unter den gegebenen Umständen mit gutem Grund die Einhaltung der Vorschriften erwarten lässt:

• Neben klaren Anweisungen müssen alle sonst nötigen Handlungen (z.B. pyramidenartige Delegation) gesetzt und deren Einhaltung bzw. Umsetzung effizient und nicht nur stichprobenartig überwacht werden, damit die Chance eines Nichtverschuldens an etwaigen Übertretungen besteht

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Aufzeichnungspflichten

• Ist-Arbeitszeiten, grundsätzlich tages- und uhrzeitmäßig, inklusive Pausen, jeweils arbeitnehmer-bezogen und tagesaktuell zu führen,

• ausgenommen für echt leitende Angestellte

• Urlaubsaufzeichnungen• Jugendlichenverzeichni

s• Behindertenverzeichnis• Alle diese

Aufzeichnungspflichten stehen zwar unter Sanktion von Verwaltungsstrafen, doch gilt hier nicht das Kumulationsprinzip

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Arbeitszeitgrenzen und leitende Angestellte

• Leitende Angestellte unterliegen selbst nicht den gesetzlichen Höchstarbeitszeitgrenzen und Mindestruhezeiten,

• sie haben aber bei ihrer Aufgabenerfüllung vertraglich bzw. über besondere Weisung zumindest im Innenverhältnis auch für die Einhaltung der Arbeitszeiten ihrer AN zu sorgen

• Letzteres gilt auch für Vorgesetzte, die selbst keine leitenden Angestellten iSd § 1 Abs. 2 Z 8 AZG sind

• Eine verwaltungsrechtliche Haftung gegenüber dem Staat haben sie aber nur bei übernommener verantwortliche Beauftragung nach § 9 VStG

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Leitende Angestellte

• § 1 Abs. 2 Z 7 AZG:„leitende Angestellte, denen maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen sind“

• Nicht nur FK der 1. Ebene (Geschäftsführer), sondern je nach (selbst bloß faktisch be-stehenden) Befugnissen auch 2. und allenfalls auch 3. Ebene

• Immer müssen Arbeitnehmer unterstellt sein

• Eigenverantwortliche Leitung wesentlicher Teilbereiche eines Betriebes in dem Sinne, dass hiedurch auf Bestand und Entwicklung des Unternehmens Einfluss genommen wird

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Leitende Angestellte

• Sie müssen sich auf Grund ihrer einflussreichen Position aus der gesamten Angestelltenschaft herausheben, also Entscheidungen auf kaufmännischem, technischem oder administrativem Gebiet von erheblicher Bedeutung treffen können,

• wobei ihr Aufgabenbereich eine Bindung an fixe Arbeitszeiten kaum zulassen darf, sie sich ihre Arbeitszeit weitgehend selbst einteilen können müssen und sie gewöhnlich ein überdurchschnittliches Entgelt beziehen

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Wie erfolgt die AZ-Einteilung?

• Durch erzwingbare Betriebsvereinbarung (§ 97 Abs. 1 Z 2 ArbVG)

oder

• durch Einzelvereinbarung (§ 19c AZG)

• Die BV kann nähere Bestimmungen zu Änderungen bzw. zu Dienstplanerstellungen enthalten

• Die Einzelvereinbarung kann begrenzte Änderungsvorbehalte zugunsten des AG enthalten (§ 19c Abs. 2 AZG).

• Diese gelten aber nicht bei den Elternarbeitszeiten

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Wie genau muss die AZ-Einteilung im vorhinein geplant werden?

• Abhängig von der kollektivvertraglichen Ausformung genügt bei durchrechenbaren Arbeitszeiten grundsätzlich ein auf den ganzen Durchrechnungszeitraum abstellender Voraussichtlichkeitsplan mit entsprechendem Anpassungsvorbehalt

• Enthält der KV Übertragungsmöglichkeiten, muss auch die Anpassung letztlich nur in diesem Rahmen erfolgen

• Im Zweifel, zumindest bei Arbeitgebervorbehalten, muss die Arbeitszeit zumindest 2 Wochen im vorhinein feststehen

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Wie genau muss die AZ-Einteilung im vorhinein geplant werden?

• Mit einvernehmlicher schriftlicher Änderung der Betriebsvereinbarung kann jede Änderung und wohl auch rascher als 2 Wochen vorgenommen werden

• Besteht keine BV, gilt Gleiches für den Fall einer Einigung mit dem AN

• Bei gleitender Arbeitszeit muss sich der AN an den vorgegebenen Rahmen, inklusive allfälliger Kernarbeitszeiten, halten und seine Zeit so einteilen, dass der Saldo am Ende der GLAZ-Periode auf Null plus/minus der im System allenfalls vorgesehenen Übertragungsstunden beträgt

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Urlaubsanspruch

Ausmaß, Periode, EntgeltWichtige Verbrauchsfragen

Offene Urlaube bei Ende

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Urlaub: Ausmaß, Periode, Entgelt

• Bis 25 Anwartschaftsjahre 30 Werktage, danach 36 Werktage– Empfehlenswert, dies auf Arbeitstage umzurechnen– kann bei geringfügig Beschäftigten ohne fixe Tageseinteilung sogar

stundenweise berechnet werden.

• Auf Anwartschaftsjahre anrechnungspflichtige Vorzeiten:– Vordienstzeiten beim gleichen Arbeitgeber (Unterbrechungen < 3

Monate)– Fremde Erwerbszeiten bis zu 5 Jahren, – Nach-Pflichtschulzeiten bis zu 4 Jahren, – zusammen max. 7 Jahre– Zusätzlich Hochschulzeiten bis zu 5 Jahren– Parallelzeiten sind jeweils nur einmal zu nehmen, aber im „optimalen

Mix“– Vorzeitenanrechnungspflicht trifft AG, hat aber meist erst nach vielen

Jahren reale Bedeutung

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Urlaub: Ausmaß, Periode, Entgelt

• Urlaubsperiode (Urlaubsjahr) ist das

• Arbeitsjahr (jeweils mit Tag des Beginns der ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit) oder

• Kalenderjahr, sofern Umstellung durch KV oder BV mit BR

• In ersten 6 Monaten entsteht Anspruch dienstzeitanteilig, mit 6 Monaten erhöht auf vollen Anspruch, in folgenden Urlaubsjahren jeweils in voller Höhe mit Beginn des Urlaubsjahres

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Urlaub: Ausmaß, Periode, Entgelt

• Urlaubsaliquotierung?– grundsätzlich keine

Verkürzung (§ 2 Abs 2 UrlG), aber …

• für laufendes Urlaubsjahr bei Ende des AV

• Überdies um folgende Zeiten: – Bildungs-, Eltern- oder

Hospizkarenz (§ 15f MSchG), – sonstige unbezahlte Urlaube

im AN-Interesse (OGH), – Präsenz- oder Zivildienst

(§9APSG)

• Nicht aber um Mutterbeschäftigungsverbote oder lange Krankenstände

• Urlaub ist bezahlte Freizeit, ihre Bezahlung heißt Urlaubsentgelt (nicht zu verwechseln mit der Sonderzahlung = vulgo „Urlaubsgeld“)

• Maßgeblich ist Ausfallsprinzip: Welches Entgelt hätte der AN für den Urlaubszeitraum bekommen, wäre er nicht auf Urlaub? – Achtung bei regelmäßigen

Überstunden, Provisionen etc.

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Urlaub:Wichtige Verbrauchsfragen

• Faire, konfliktfreiere Verbrauchsvereinbarungen durch wertneutrale Umrechung des Urlaubsausmaßes von der fiktiven 6-Tage-Woche auf die durchschnittlichen Arbeitstage je Woche: Bei 5-Tage-Woche daher 25 Arbeitstage statt 30 Werktage

• Bei Teilzeit mit durchschnittlicher 2,5-Tage-Woche daher statt 30 WT 12,5 Arbeitstage

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Urlaub:Wichtige Verbrauchsfragen

• Verbrauch grundsätzlich nur bei Einvernehmen über Ob und Zeitraum, auch bei Betriebsurlauben (evtl. über freie (!) BV), außer bei angemessenem Vorauseinverständnis

• Einseitige Urlaubsantritte – nur bei Zutreffen von § 4 Abs. 4 UrlG

• mind. 3 Monate im voraus, mind. 2-wöchiger Urlaub,• Einschaltung des BR

– und subsidiär zur Pflege erkrankter Kinder unter 12 (§ 16 Abs. 3 UrlG) zulässig

• Verbrauchsgenehmigung auch schlüssig möglich: z.B. bei Missachtung der Antwortpflicht des AG auf Urlaubsgesuche

• Kein „in-Urlaub-schicken“: Auch urlaubsmotivierte Dienstfreistellungen führen nicht zum Urlaubsverbrauch, außer immer bei „Realannahme“ trotz Protests oder im zumutbaren Verbrauchsumfang in der Kündigungszeit

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Urlaub:Wichtige Verbrauchsfragen

• Für Zeiten bezahlungspflichtiger Dienstverhinderungen und Krankenstände kann Urlaub nicht wirksam vereinbart werden

• Krankheit von über 3 Tagen unterbricht meist Urlaub,

• Gleiches gilt für solche Pflegefreistellungen (OGH)

• Urlaubsablösevereinbarungen sind unwirksam

• Urlaub verjährt grundsätzlich 2 Jahre nach Ende des Urlaubsjahres, sodass maximal 3 Urlaube unverjährt sein können

• Verjährung wird durch über 10 Monate Karenz gehemmt, nach OGH auch durch andauernden Krankenstand gg. Ende

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Offene Urlaube bei Ende: Ersatzleistung

• Offene, unverjährte Urlaube aus abgelaufenen Urlaubsjahren sind, soweit sie nicht noch verbraucht werden, in Höhe des Urlaubsentgelts für die offenen Tage auf Basis des zu diesem Zeitpunkt gebührenden Entgelts auszuzahlen, egal wie das AV endet!

• Für den laufenden Urlaub gilt: anteiliger Urlaub- verbrauchter Urlaub = offener Urlaub, ist als Urlaubsersatzleistung auszuzahlen, außer bei ungerechtfertigtem vorzeitigem Austritt.

• Anteilige Überhänge sind nur bei verschuldeter Entlassung und ungerechtfertigtem Austritt zurückzuzahlen

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Urlaubsersatzleistung

• Formel Urlaubsersatzleistung:

• Regelmäßiges letztes Monatsentgelt (inkl. SZ) / durchschnittliche Arbeitstage eines Monats x offene Arbeitstage Urlaub

• Jede Urlaubsersatzleistung verlängert die SV-Pflichtversicherung um jene Kalendertage, welche in der Ersatzleistung finanziell abgedeckt sind

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Krankenstände und sonstige Dienstverhinderungen

Pflichten des ArbeitnehmersDauer und Höhe Entgeltfortzahlung

PflegefreistellungSonstige Anspruchsfälle

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Pflichten des Arbeitnehmers

• Unverzügliche Meldung an Arbeitgeber• Auf Verlangen Nachweis durch

Krankenstandsbestätigung bzw. durch Sonstiges bei anderen Dienstverhinderungen

• Bei Säumnis Verlust der Entgeltfortzahlung, Entlassung nur bei bekannter schwerer Schädigung des Arbeitgebers

• Abwesenheit zumutbar begrenzen: Unterlassung grob genesungsbeeinträchtigenden Verhaltens bzw. zumutbare Eigendispositionen

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Welche Rolle spielt Verschulden?

• Grobes Eigenverschulden (Vorsatz, grobe Fahrlässigkeit) an Krankenständen: Kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung

• Jedes - auch leichtes - Eigenverschulden an sonstigen Dienstverhinderungen: Kein Anspruch

• Jedes, auch leichtes Dritt- bzw. Fremdverschulden berechtigt den Arbeitgeber gegenüber dem schuldigen Dritten oder dessen Versicherung zum Regress hinsichtlich der erforderlichen Entgeltfortzahlung

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Ärztliche Krankschreibungen?

• Arbeitnehmer darf jeder, auch objektiv nicht nötigen ärztlichen Krankschreibung grundsätzlich vertrauen (Vertrauen in den Experten Arzt), – sofern die Krankschreibung auf einer ärztlichen Untersuchung

basiert (bei zeitlich offener Krankschreibung in angemessen Abständen wiederholt wird),

– er keine unwahren oder übertriebenen Angaben machte – und im Krankenstand kein Verhalten setzt, aus dem sich

erkennen lässt, dass AN selbst nicht bzw. nicht mehr an seine Krankschreibung glaubt.

• Für arbeitnehmerseitiges Nichtvertrauen-Dürfen ist allerdings der Arbeitgeber beweispflichtig.

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Entgeltfortzahlung (1)

• Bei Arbeitern dienstzeitabhängiges Anspruchskontingent zwischen 6 bis 12 Wochen voll und 4 Wochen halb je Arbeitsjahr, Aufleben eines neuen Kontingents auch bei andauernden Krankenständen mit neuem Arbeitsjahr, zusätzliches Anspruchskontingent je eigenständigem Arbeits- oder Wegunfall

• Bei Angestellten gleiches Kontingent für sog. Ersterkrankungen, aber zusätzliches, der Höhe nach halbiertes Wiedererkrankungs-kontingent, wobei zunächst für Wiedererkrankungen offene Reste aus Grundkontingent zu nehmen sind, aber für Wiedererkrankungen Dauer einer Ersterkrankung nicht überschreiten darf:

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Entgeltfortzahlung (2)

• Angestellte haben kein Sonderkontingent für Arbeitsunfälle (bis 5 Jahre bloß Aufstockung um 2 Wochen); auch spielen Arbeits- oder Kalenderjahr keine Rolle (außer für Anwartschaftssprung)

• Ersterkrankungen sind jedenfalls alle Krankenstände nach mindestens 6 Monaten Krankenstandsfreiheit

• Wiedererkrankungen sind alle Krankenstände, die innerhalb von 6 Monaten nach Wiederantritt des Dienstes nach einer Ersterkrankung liegen oder beginnen;

• jeder nach solchen 6 Monaten beginnender Krankenstand ist wieder eine Ersterkrankung und löst neuen individuellen 6-Monatszeitraum aus

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Entgeltfortzahlung (3)

• Krankenentgelt seitens des AG (anders als das Krankengeld aus der SV) gebührt überdies grundsätzlich längstens auf Dauer des Arbeitsverhältnisses,

• mit drei Ausnahmen:

• Bei Kündigung durch AG, ungerechtfertigter Entlassung oder verschuldetem berechtigtem Austritt während eines Krankenstandes bleibt Anspruch auch über Ende des AV hinaus erhalten,

• nicht aber bei Probezeitbeendigung, Zeitablauf, vorheriger AG-Kündigung oder Eigenkündigung oder einvernehmlicher Auflösung

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Entgeltfortzahlung (4)

• Für die jeweilige Entgeltfortzahlungsdauer gebührt Entgelt auf Basis des Entgeltausfallsprinzips:

• AN erhält jenes Entgelt (inkl. Überstunden- und Provisonsentgelt etc.), das er ohne den Krankenstand erhalten hätte

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Pflege- bzw. Betreuungsfreistellung

• Voraussetzungen und Grenzen: siehe § 16 UrlG

• Pflege eines im gemeinsamen Haushalts lebenden nahen Angehörigen bzw. Betreuung eines Kindes wegen Ausfalls des ständigen Betreuers (je 1 Woche) sind speziell geregelte Sonderfälle sonstiger wichtiger, in der Person des AN liegender Dienstverhinderungen

• In besonders dringlichen Fällen Anspruch nach Erschöpfung des Anspruchs bei neuen Ereignissen allenfalls auch aus § 8 Abs. 3 AngG bzw. § 1154b Abs. 5 ABGB

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Mutterschaft / Elternkarenz

• Beschäftigungsverbote– Ab Kenntnis des AG Überstundenverbot (max. AZ 9 Std./Tag und 40

Std/Woche)– Je nach Arbeit auch spezifische Beschäftigungsverbote– Allenfalls ärztlich vorverlegtes absolutes Beschäftigungsverbot– Unabhängig von der Art der Arbeit absolutes Beschäftigungsverbot ab 8

Wochen vor voraussichtlicher Entbindung und 8-12 Wochen nach tatsächlicher Entbindung

– Wochengeldanspruch während abs. BV

• Elternkarenzen– Mutter oder Vater (gleichrangig!)– Rechtsanspruch auf einseitige Gestaltung– Dauer und Gestaltung an sich unabhängig von Kinderbetreuungsgeld, aber

praktisch wohl hierdurch beeinflusst– Maximaldauer des durchsetzbaren Anspruchs:

2. Geburtstag des Kindes

• Teilzeitansprüche107

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Sonstige Dienstverhinderungen

• § 8 Abs. 3 AngG bzw. § 1154b Abs. 5 und 6 ABGB Wichtige Gründe:

• faktische HindernisseVerkehrssperren, Staus etc.

• familiäre GründeEheschließungen, Entbindungen, Todesfälle, Begräbnisse

• GesundheitlicheArztwege etc.

• Rechts- und Interessen-wahrungsgründeZeugenpflichten, Behördenladungen, Übersiedlungen, Beistands- und Sorgepflichten„Staats“funktionen (hier aber mit Entgeltanrechnung)

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Spezifische Arbeitgeberrisiken

Entgelt- bzw. ErfolgsrisikoHaftungsbeschränkungen (DNHG)

Eigenschäden des AN

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Entgeltrisiko für Arbeitsausfällen durch AG-Umstände

• § 1155 ABGB: Arbeitgeber hat Entgeltrisiko für alle Umstände in seiner Sphäre auch ohne Verschulden zu tragen und Entgeltfortzahlung zu leisten,

• sofern Arbeitnehmer ihm gegenüber arbeitsbereit ist

• wobei sich Arbeitnehmer auf seine Entgeltfortzahlung nur Erspartes und anderweitig Verdientes oder absichtlich zu verdienen Verabsäumtes anrechnen lassen muss

• KV-Sonderregelungen beachten

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Erfolgsrisiko für Arbeitsergebnisse

• Gegenstand des AV sind vertragskonforme Dienste (Arbeit)

• AN schuldet keinen Erfolg, Bemühen um Erfolg genügt

• Verwertbarkeit der Arbeit(sergebnisse) ist volles Unternehmerrisiko des AG,

• dafür schuldet aber AG ohne besondere Vereinbarung immer nur vereinbartes Zeitentgelt

• und zwar auch bei erfolgreicher Verwertung– Sonderregelungen bei

Diensterfindungen

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Haftungsbeschränkungen (DHG)

• Für Schäden, die der AN dem AG direkt oder indirekt (Kunden) bei Erfüllung seiner Arbeitspflicht zufügt, ist die

• Haftung des Arbeitnehmers erheblich wie folgt eingeschränkt:

• Keine Haftung bei entschuldbarer Fehlleistung

• Bei stärkerer leichter oder grober Fahrlässigkeit Mäßigung der Ersatzpflicht durch Gericht, bei leichter Fahrlässigkeit sogar auf Null

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Haftungsbeschränkungen (DHG)

• Mäßigungskriterien:Verschuldensgrad,Ausmaß der Verantwortung,Entgelthöhe,Bedingungen der Erbringung der Arbeit,Schadensgeneigtheit der Arbeit

• Wird Kunde geschädigt, darf der AG diesen nicht ohne Einverständnis des AN Schäden ersetzen, sonst Anspruchsverlust !

• Bei leichter Fahrlässigkeit erlischt Anspruch, wenn er nicht binnen 6 Monaten vom AG gerichtlich geltend gemacht wird

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Eigenschäden des Arbeitnehmers?

• Bringt AN notwendigerweise (und nicht bloß zur eigenen Bequemlichkeit) eigenes Vermögen funktionell als Betriebsmittel ein,

• trägt Arbeitgeber verschuldensunabhängig Risiko, das er gehabt hätte, wenn er das Betriebsmittel selbst zur Verfügung gestellt hätte

• § 1014 ABGB wird – falls nicht vertraglich gültig abbedungen – analog angewendet, bei Eigenverschulden des AN zusätzlich DNHG spiegelverkehrt

• Hauptfall: Ersatzanspruch für Schäden aus Unfällen bei Dienstreisen mit eigenem PKW

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Eigenschäden des Arbeitnehmers?

• Umgekehrt, da AG die Unfallversicherung alleine trägt, Dienstgeberhaftungsprivileg (§333 ASVG):– Der AG ist dem AN zum Ersatz des Schadens,

der diesem durch eine Verletzung am Körper infolge eines Arbeitsunfalls oder durch eine Berufskrankheit entstanden ist, nur verpflichtet, wenn er den Arbeitsunfall (die Berufskrankheit) vorsätzlich verursacht hat.

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Besondere Versorgungsentgelte

Abfertigung Alt: Anspruch und HöheAbfertigung Neu inkl. Übertritt

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Abfertigung Alt

• Nur mehr für AVmit Beginndaten vor 1.1.2003oder begünstigte Wiedereintritte oder AV-Wechsel innerhalb Konzern

• Dienstzeitabhängiger Direktanspruch gegen Arbeitgeber auf Basis des regelmäßigen letzten Entgelts bei abfertigungs-unschädlicher Beendigung eines mindestens 3 Jahre dauernden AV

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Abfertigung Alt

• Welche Beendigungen sind schädlich?Selbstkündigung (außer wegen Invaliditätspension oder nach 10 Jahren zwecks Alterspension), vz. Austritt ohne wichtiger Grund, verschuldete Entlassung

• Abfertigungsfaktoren:3 Jahre 2 ME5 Jahre 3 ME10 Jahre 4 ME15 Jahre 6 ME20 Jahre 9 ME25 Jahre 12 ME

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Abfertigung Alt

• Zeitenzählung:Ununterbrochene Betriebszugehörigkeit minus abziehbaren Zeiten, zuzüglich unmittelbar (mit kurzer Unterbrechung) vorangehender Zeiten

• Bemessungsgrundlage:(regelmäßiges) Entgelt inkl. SZ-Anteile für den letzten Monat

Besondere Probleme:

• Ständig schwankende Entgeltteile (12-Monatsdurchschnitt)

• Wechsel Voll- auf Teilzeit und umgekehrt

• Sonstige Dauerveränderungen

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Abfertigung Neu

• Abfertigung ist ausgelagert an MV-Kassen

• Gegenüber Arbeitgeber besteht nur Anspruch auf richtige und recht-zeitige Bezahlung der MV-Beiträge (1,53 % von allen Entgelten, siehe oben zum Entgelt)

• Abfertigungs- oder sonstiger Dispositionsanspruch gegen MVK nur nach jeweils 3 Einzahljahren und unschädlicher Beendigung

• Keine Ergebnishaftung des Arbeitgebers

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Abfertigung Neu

• Gilt nur für Arbeitsverhältnisse mit frühestem Beginndatum 1.1.2003 oder für

• einvernehmlich ins neue System schriftlich übergetretene Arbeitnehmer

• MV-Beiträge: 1,53 % jedes SV-pflichtigen Entgelts, in 3 Sonderfällen (Wochengeldzeiten, Präsenz- und Zivildienst sowie bei SV-Krankengeld fiktive Bemessungsgrundlagen

• An MVK mit SV-Beiträgen an GKK

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Übertritt: Vorteile, Nachteile?

Teilübertritt (auch unter 3 Jahren möglich)

• Verhindert Anwachsen weiterer Abfertigungslasten

• Kostet zunächst nur die laufenden Beiträge

• Belässt es für Vergangenheit bei den Abfertigungsfunktionen

Vollübertritt (bis 2012)• Erledigt alle

Abfertigungskosten der Vergangenheit, auch unterwertig,

• Erfordert aber (bei guter Gewinnlage weitgehend steuerfinanzierte) Übertragungsmittel und

• Erhöht Mobilität bzw. reduziert Betriebsbindung

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Betriebsrätewesen: Einführung und ausgewählte Hinweise

FinanzierungMitwirkungsbefugnisse

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Finanzierung

• Beistellung der notwendigen Sacherfordernisse durch AG (§ 72 ArbVG)– Räumlichkeiten, – Kanzlei- und

Geschäftserfordernisse • Literatur, Computer,

ev. Sekretariat

• Entgeltfortzahlung durch AG für in die Arbeitszeit fallende notwendige Betriebsratsaktivitäten

• Freiwillige Mittel für Belegschaftszwecke

• Allfällige Betriebsratsumlage: erfordert Antrag des BR und Beschluss der Betriebsversammlung, maximal 0,5 % der Entgelte, diesfalls einzuheben von AG

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An wen wenden? Wessen Wort gilt?

• Alle Belegschafts-organe sind Kollegial-organe, deren Willen durch zumindest Mehrheitsbeschlüsse gebildet wird

• Vorsitzender vertritt nach außen und gegenüber Arbeitgeber

• Dessen Wort bzw. Unterschrift gilt, auch bei fehlender Deckung durch aktuellen Beschluss, außer Arbeitgeber wusste oder musste ohne Nachforschungen wissen, dass solcher fehlt (keine Vorratsbeschlüsse!)

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Absolut zwingende Wirkung

• Das gesamte Betriebsverfassungsrecht des ArbVG ist nicht, wie sonst im Arbeitsrecht, nur zugunsten der AN-Seite zwingend, sondern absolut zwingend

• Nicht nur Schlechterstellungen sind unwirksam, auch Besserstellungen gegenüber dem Gesetz

• So etwa bloß freie Betriebsvereinbarungen

• Aber auch innerbetriebliche Übungen, welche den Betriebsräten mehr Befugnisse als gemäß dem Gesetz einräumen, entfalten keine Verpflichtung, solche Gebräuche beizubehalten

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Mitwirkungsbefugnisse des BR

• Wo ist der Betriebsrat rechtlich stark?– Arbeitszeiteinteilung– Kontrollmaßnahmen /

Personaldatensysteme– Sozialplansituationen,

wenn es Unternehmen noch eher gut geht

– Verschlechternde Versetzungen

• Wo ist der Betriebsrat weniger stark?– Betriebs- und

Wirtschaftsführung, Betriebsorganisation

– Einstellung und Beförderung von AN

– Kündigung und Entlassung von AN

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Welche wichtige Mittel hat BR?

• Überwachungs- und Einsichtsbefugnisse, z.B. bei Arbeitszeit und Entgelt

• Umfassende Rechte auf Auskünfte, Information, Intervention und Beratung

• Verweigerung oder Entzug der Zustimmung in Angelegenheiten, wo Betriebsvereinbarungen notwendig sind (§ 96, 96a ArbVG)– Disziplinarordnung,

technische Überwachungseinrichtungen

• Erzwingbarkeit bestimmter Betriebsvereinbarungen, bei sachlichen Gründen (§ 97 Abs. 1 Z 1 bis 6a ArbVG)

• Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat (1/3)

• Verweigerung der Zustimmung zu verschlechternden Versetzungen

• Verzögerung von Kündigungen aufgrund der Wartefrist (5 Tage)

• Anfechtung von Kündigungen und Entlassungen

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Betriebs(teil)übergang

EintrittsautomatikVerbot von Umgehungskündigungen

Was ändert sich, was nicht?Was lässt sich ändern?

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Was ist ein Betriebs(teil)übergang?

• Wenn eine wirtschaftliche Einheit (unscharfer Typusbegriff)

• auf rechtlich anderen Inhaber übergeht,

• wobei es weder auf Art noch Richtung des Überganges ankommt

• es genügt Wechsel der Verfügungsmacht über die wirtschaftliche Einheit,

• es muss zwischen Vorgänger und Nachfolger keine Rechtsbeziehung bestehen

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Eintrittsautomatik (§ 3 AVRAG)

• Alle der Einheit zuordenbaren Arbeits-verhältnisse gehen auf Nachfolger über,

• Ohne Beendigung oder Endabrechnung,

• Arbeitsverhältnisse werden mit gleichem Vertragsinhalt fortgesetzt

• Ausnahme: Erwerb aus Konkurs

• Arbeitnehmer hat Widerspruchsrecht, wenn kv-licher Bestandschutz oder einzelvertragliche Pensionszusage verloren ginge

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Verbot von Umgehungskündigungen

• Ergibt sich aus dem relativ zwingenden Gebot der Eintritts-automatik

• Solche Kündigungen durch Vorgänger oder Nachfolger sind relativ nichtig

• Aber nur Kündigungen, deren wesentliche Ursache im Übergang liegt (bei zeitlicher Nähe anzunehmen und nur durch sonstige sachliche Gründe vom Arbeitgeber zu entkräften)

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Was ändert sich, was nicht?

• Vertragsinhalte, inklusive solcher durch Übungen oder freie BV, ändern sich nicht

• Nachfolger muss diese so respektieren, als hätte er sie selbst vereinbart

• Bei Branchenwechsel (insb. bei Ausgliede-rungen) kommt es vielfach zum KollV-Wechsel,

• ohne Nachwirkung des bisherigen KV, nur Entgelt darf nicht unter bisherigen KV sinken

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Was ändert sich, was nicht?

• Je nach Sachverhalts-konstellation gelten die echten Betriebs-vereinbarungen weiter oder kommen andere zur Anwendung

• Bei bloßem Inhaber-wechsel und Verselbständigung von Betriebsteilen gelten die bisherigen BV weiter

• Bei Entstehen eines neuen Betriebes aus bisherigen Betrieben oder Betriebs-teilen gelten jeweilige BV für bisherige AN weiter

• Aut. Änderungen gibt es nur bei Eingliederungen in bestehende Betriebe: Hier finden nur deren BV Anwendung, außer Sache ist nicht BV-geregelt

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Was lässt sich ändern?

• Einzelverträge lassen sich wie sonst einver-nehmlich ändern, innerhalb des ersten Jahres aber möglichst nur bei sachlichen Gründen, um Umgehungsvorwurf zu vermeiden

• Kollektivvertrag durch rechtliche Branchen-änderung

• Betriebsvereinba-rungen: Neuabschlüsse oder (Umweg über) Einglie-derungen in Betriebe mit geeigneten BV

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Ausgliederung

Betriebsteil(z.B.) Vertrieb

Funktionsbereich einesUnternehmens/Betriebeswird rechtlich-organisato-risch verselbständigt in z.B. GmbH

Folgen:

Meist KollV-Wechsel wg.Spartenwechsel BV bleiben/gehen überBisheriger BR bleibt biszu 4 Monaten mitzuständig

VertriebsGmbH

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Eingliederung

Betrieb/Unternehmen wird rechtlich-organisatorisch in einen Betrieb eingegliedert,unter Verlust seiner selbständigen Betriebseigenschaft

Folgen:Betriebsrat des eingegliederten Betriebs geht unter; Betriebsrat des aufnehmenden Betriebs vertritt Alle.Die echten Betriebsvereinbarungen des aufnehmenden Betriebs ersetzen auch für die übergehenden AN die bisherigen BV (ermöglicht also problemlos Harmonisierung), außer in Angelegenheiten, die im aufnehmenden nicht geregelt sind Allenfalls auch KollV-Wechsel wg. Spartenwechsel

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Neuer Betrieb durch Zusammenschluss

Betrieb 1

Betriebsteil 1

Betriebsteil 2

Betrieb 3 neu

Betrieb 2

Folgen BR:BR 1 + BR 2 bilden einheitlichen BR 3bis Neuwahl, längstens für 1 Jahr

Folgen BV: Übergehende AN behalten alle ihreechten Betriebsvereinbarungen so lange, bis sie im Betrieb 3 durch neue BV ersetzt bzw.angepasst werden!

Folgen KV:Bei Spartenwechsel auchWechsel des KollV

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Beendigung und Bestandschutz:Übersicht und Wichtiges

Beendigungsarten und BesonderheitenBeendigungsentscheidungen und

DurchführungsmodalitätenAllgemeiner und besonderer Kündigungs- und

Entlassungsschutz

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Beendigungsarten

• Automatische EndigungZeitablauf bei BefristungenTod des ArbeitnehmersVorzeitige Endigung LV § 14 Abs. 2 BAG

• Einvernehmliche Beendigung• Einseitige Beendigung Auflösung während der Probezeit Kündigung durch AN oder AG

(nur bei unbefristeten und höchstbefristeten AV Vorzeitige Auflösung aus wichtigem Grund:

Entlassung bzw. vorzeitiger Austritt Mutter- bzw. Vaterschaftsaustritt

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Zeitablauf bei Befristungen

• Bedarf keiner Kündigung, daher greift auch Kündigungsschutz nicht, aber Auslaufmitteilung empfehlenswert, um berechtigtes Vertrauen in Übergang in ein unbefristetes AV zu vermeiden

• Befristete Verlängerung begründen meist unzulässige Kettenverträge (bedürfen einer besonderen sozialen oder wirtschaftlichen Rechtfertigung, ansonsten wird unbefristetes AV fingiert)

• Statt Kettenvertrag sachliche Höchstbefristung (= sachlich gerechtfertigte Befristung mit vertraglich ausdrücklicher Kündigungsmöglickeit schon während Befristung)

• Allfällige Ablaufshemmungen (§ 10a MSchG etc.) bzw. Fortlaufshemmungen bei Behaltezeit und PD beachten

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Probezeit-Auflösung

• Jederzeit grund- und fristlos• Aber Auflösungserklärung muss dem Anderen

noch in der Probezeit zugehen• Kein Schutz bei Krankheit oder besonderen

Kündigungsschutzsituationen• Einziger Schutz: Zeitliche Begrenzung des AV

auf Probe – 1 Monat bei Ang. und Arbeitern, falls nicht kürzer durch KV, 3 Monate bei Lehrlingen – und häufig Abhängigkeit von Vereinbarung

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Einvernehmliche Auflösung

• Doppelte Einigung: Auflösungsart und Zeitpunkt einvernehmlich

• Formfreiheit, aber Schriftform zu empfehlen• Schriftformgebot jedenfalls bei Lehrlingen,

Mutter- und Vätergeschützten, Präsenz- und Zivildienstgeschützten

• Zusätzlich vorherige Rechtsbelehrung durch ASG oder AK bei minderjährigen Lehrlingen und Muttergeschützten und allen Präsenz- und Zivildienstgeschützten

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Kündigung durch Arbeitnehmer

• Nur bei unbefristetem oder höchstbefristetem Arbeitsverhältnis

• Lediglich Fristen und Termine sind vom AN einzuhaltenAngestellte: 1 Monat zum Monatsletzten, sofern keine beidseitig längere Kündigungszeit vereinbart ist;Arbeiter: Frist und Termin je nach KollV, teils auch kein Termin, teils auch keine Frist

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Selbstkündigungen und einvernehmliche Auflösungen

Wann gelten sie nach neuer OGH-Jud. nicht?• Wenn Arbeitgeber sonstige Entlassung oder

Anzeige (oder Anzeigenrücknahme) androht und er diesfalls keine plausiblen Gründe zur Annahme eines aktuellen Entlassungsgrundes hatte, oder

• wenn der AG keine ausreichende (den Unverzüglichkeitsgrundsatz nicht verletzende) Überlegungszeit einräumte oder dem AN eine Beratungsmöglichkeit verweigerte.

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Kündigung durch Arbeitgeber

• Bei jeder Kündigung eines unbefristeten oder höchstbefristeten Arbeitsverhältnis sind zumindest ab zulässigem Ausspruch einzuhalten:

• Fristen und TermineAngestellte: 6 Wochen bis 5 Monate zum Quartalsende, außer es ist 15. oder Letzter eines jeden Monats vereinbart;Arbeiter: Frist und Termin je nach KollV, teils auch kein Termin, teils auch keine Frist

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Ausspruchssperren bei Kündigung durch Arbeitgeber

• Bei sonstiger Unwirksamkeit der Kündigungen:• Bei Bestehen eines Betriebsrats:

Vor jeder Kündigung betriebsverfassungsrechtliches Vorverfahren einzuhalten (§ 105 Abs. 1 und 2 ArbVG)

• Bei sog. „Massenkündigungen“ ab 20 AN: Entweder Kündigungsaussprüche zeitlich so streuen, dass Frühwarnschwelle des § 45a AMFG (5 bzw. 5% der AN) nicht erreicht wird, oder Kündigungen beim AMS anmelden und 30 Kalendertage mit Ausspruch zuwarten (hiebei kann Betriebsratsvorverfahren schon gegen Ende eingeschoben werden)

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Ausspruchssperren bei Kündigung durch Arbeitgeber (1)

• Bei besonderem Kündigungsschutz entweder Verstreichen des Schutzzeitraumes abwarten oder bei entsprechenden Gründen Zustimmung des Gerichts bzw. der Behörde einholen, zB– Mutterschutz, Väterkarenz– Präsenz- und Zivildienstschutz:

Ab Bekanntgabe der Einberufung bis 1 Monat nach Ende des Dienstes

– Begünstigte Behinderte:Ab bescheidmäßiger Feststellung der Behinderung auf deren Dauer

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Ausspruchssperren bei Kündigung durch Arbeitgeber (3)

• Belegschaftsfunktionäre:

Wahlvorstand – ab Bestellung bis 1 Monat nach BR-WahlWahlwerber – ab Bekanntwerden bis 1 Monat nach WahlBetriebsratsmitglieder – ab Annahme bis 3 Monate nach Ende ihres MandatsErsatzmitglieder – während Vertretung, danach bis zu 3 Mo nur wenn sie mindestens 2 Wochen vertreten und dies unverzüglich bekannt gegeben haben

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Anfechtung von AG-Kündigungen nach allgemeinem Kündigungsschutz (1)

• Ziel der Anfechtungen: Aufhebung der Kündigung und dadurch Fortbestand des AV über Kündigungszeit hinaus

• Anfechtung wegen verbotenen Kündigungsmotivs (§ 105 Abs. 3 Z 1 ArbVG):AN macht verbotenes Kündigungsmotiv des AG glaubhaft. Anfechtung wird stattgegeben, wenn AG kein anderes, nicht gesetzwidriges Motiv mit höherer Wahrscheinlichkeit im Prozess glaubhaft macht

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Anfechtung von AG-Kündigungen nach allgemeinem Kündigungsschutz (2)

• Anfechtung wegen Sozialwidrigkeit (§ 105 Abs. 3 Z 2 ArbVG):AN beweist wesentliche Interessenbeeinträchtigung durch konkrete Kündigung (längere Arbeitslosigkeit, erhebliche Verdiensteinbußen etc.) und AG hat zwar a) personen- bzw. verhaltensbezogene Gründe oderb) betrieblichen Gründe beweist, die trotz Beachtung der sozialen Gestaltungspflicht die Kündigung erfordern, aber nicht gewichtig genug sind, dass sie die Interessen an der Fortsetzung gegenüber jenen an der Auflösung überwiegen.

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ArbeitgeberkündigungenSoziale Gestaltungspflicht bewältigen

• Bei wesentlich interessenbeeinträchtigten Arbeit-nehmern, die aus betrieblichen Erfordernissen oder als Ältere wegen gesundheitlicher Einsetzbarkeitsdefizite gekündigt werden sollen,

• ist (schon) vor der Kündigung zu prüfen, • ob es nicht ein gelinderes Mittel als die Kündigung

gibt, also insbesondere eine (wenn auch verschlechternde) Versetzung in Frage kommt.

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Entlassung durch den AG

• Bei jeder fristlosen Entlassung ist zu beachten:Wichtiger Grund?Rechtzeitige Entlassung (Unverzüglichkeit)?Beweisbarkeit durch AG für den Gerichtsfall?

• Wichtige Gründe sind immer nurGründe in der Person oder im Verhalten des AN, welche die Fortsetzung auch nur während der Kündigungszeit objektiv unzumutbar machen, niemals aber wirtschaftliche Gründe

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Entlassung durch den AG

• Die wichtigsten Entlassungsgründe sind:Dienstliche Vertrauensunwürdigkeit (bei Arbeitern strafbare Handlung nötig).Dauernde Unfähigkeit (rechtlich, physisch).Ungerechtfertigtes Fernbleiben durch erhebliche Zeit.Beharrliche Pflichtverletzungen.Erhebliche Ehrverletzungen, Tätlichkeiten oder Sittlichkeitsverletzungen.

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Entlassung durch den AG

Bei Sonderschutz bedarf Entlassung• je nach Gesetz der vorherigen oder nach-

träglichen Zustimmung des Gerichts:So während des Schutzzeitraumes je nach Art des Entlassungsgrundes bei Mutter- und Vätergeschützten und Belegschaftsfunktionären,

• bei Präsenz- und Zivildienstschutz immer nur vorherige Zustimmung des Gerichts

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Entlassung durch den AG

• Begünstigte Behinderte haben zwar keinen Sonderschutz, sie haben aber – wie alle Sonder-geschützten – bei ungerechtfertigter Entlassung Wahl zwischen Fortsetzung und großer Kündigungsentschädigung

• Normale Arbeitnehmer haben bei ungerechtfertigter Entlassung nur Anspruch auf die (normale) Kündigungsentschädigung, allenfalls auch auf Anfechtung der Entlassung (§ 106 ArbVG)

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Entlassungen: Wann kann man sie riskieren?

• Wenn man auf Grund von Vorfällen, die einen Entlassungsgrund darstellen können, „innerlich“ so weit ist, sich auf jeden Fall zu trennen, also auch zu einer Kündigung – insbesondere mit Dienstfreistellung – entschlossen wäre, ist die Entlassung der Kündigung jedenfalls vorzuziehen, weil man (neben Prozesskosten) meist nur riskiert, was man bei Kündigung jedenfalls bezahlt hätte, und im Regelfall durch Vergleich zu wesentlichen Einsparungen gelangen kann. 

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Entlassungen Wann kann man sie riskieren?

• Wenn zusätzlich zum möglichen Entlassungsgrund ein Arbeitnehmerverhalten vorliegt, das selbst bei letztlich ungerechtfertigter Entlassung ein erhebliches Mitverschulden des Arbeitnehmers begründet und so zur auch richterlichen Mäßigung der Kündigungsentschädigung und Abfertigung führt (§ 1162c ABGB).

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Entlassungen Wann sollte man sie nicht riskieren?

• Wenn ein grundsätzlich „abfertigungsfähiger“ (im System der Abfertigung Alt) Arbeitnehmer ohne wichtigen Grund selbst gekündigt hat und in der Kündigungszeit ein Verhalten setzt, das einen Entlassungsgrund bilden könnte, keinesfalls eine Entlassung riskieren!

• Folge einer ungerechtfertigten Entlassung: Volle Abfertigung, die er sonst nicht bekommen hätte!

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Vorzeitiger Austritt durch den AN

• Bei jedem vorzeitigen Austritt ist zu beachten:Wichtiger Grund?Rechtzeitiger Austritt (Unverzüglichkeit)?Beweisbarkeit durch AN für den Gerichtsfall?

• Wichtige Gründe sind immer nurGründe in der Person des AN oder im Verhalten des AG, welche die Fortsetzung auch nur während der Kündigungszeit objektiv unzumutbar machen, niemals aber ein besserer Job

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Vorzeitiger Austritt: Folgen

• Bei jedem berechtigten vorzeitigen Austritt:Abfertigung, Urlaubsersatzleistung und anteilige Sonderzahlungen

• Bei vom AG verschuldetem Grund überdies Anspruch auf Kündigungsentschädigung, so als wäre AN gekündigt worden (ohne Arbeitspflicht)

• Bei ungerechtfertigtem Austritt:Schadenersatz an AG, Verlust des lfd. Urlaubs, keine Abfertigung, bei Arbeitern teils keine SZ

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Stichworte zum Sozialrecht

Rechtsquellen, Leistungsarten

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Rechtsquellen

• ASVG– (echte + freie) Dienstnehmer, inkl. Geringfügig Beschäftigte

• GSVG– Selbständig erwerbstätig, GmbH-GF (wenn nicht angestellt), OG-Gesellschafter

, KG-Komplementäre, KG-Kommanditisten (wenn Unternehmerrisiko getragen!)

• BSVG– Land- und Forstwirte inkl. Angehörige

• FSVG– Patentanwälte, Apotheker, niedergelassene Ärzte

• APG– Pensionskontosystem ab 2005 (tlw. Parallel geführt mit BMG-Systemen)

• B-KUVG– Öffentlich Bedienstete

• AlVG– Arbeitslose

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Versicherungsarten

• Pflichtversicherung– Vollversicherung– Teilversicherung

• Selbstversicherung• Weiterversicherung• Höherversicherung

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Leistungsarten

• Grundsätzlich Sachleistungen, ausnahmsweise Geldleistungen • Krankenversicherung

– Früherkennung, zB Mutter-Kind-Pass– Krankenbehandlung– Zahnbehandlung– Krankengeld bei Arbeitsunfähigkeit (hauptsächlich für Arbeiter)– Mutterschaft (Wochengeld, evtl. Betriebshilfe)

• Unfallversicherung– Bei Arbeitsunfällen (inkl. Wegunfall) / Berufskrankheit– Versehrtenrente, Integritätsabgeltung (Ausgleich für DG-Haftungsprivileg)

• Pensionsversicherung– Alterspension (60/65, wird ab 2024 angeglichen)– Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspension

• Arbeitslosenversicherung– Arbeitslosengeld und (nach dessen Ausschöpfung) Notstandshilfe

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Weitere Versorgungssysteme

• Kriegsopfer- und Heeresversorgung– Beschädigtenrente, Rehabilitation

• Verbrechensopfer- und Verkehrsopferhilfe– Heilfürsorge, Rehabilitation, Verdienstentgang

• Pflegegeld– Nach Stufen gegliedert

• Familienlastenausgleich– Familienbeihilfe, Schülerfreifahrt,

Kinderbetreuungsgeld

• Sozialhilfe– Subsidiäre Leistung der Bundesländer

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