Upload
others
View
0
Download
0
Embed Size (px)
Citation preview
Arbeitsbelastungsstudie an
niedersächsischen Schulen 2016
Qualität der Arbeitsbedingungen und psychische
Belastungen von Lehrerinnen und Lehrern in
Niedersachsen - Arbeitsbezogene Verhaltens- und Erlebensmuster -
Kapitel 7
Frank Mußmann, Thomas Hardwig, Martin Riethmüller,
Kooperationsstelle Georg-August-Universität Göttingen
Stand 24.10.16
Kapitel 7: Arbeitsbezogene Verhaltens- und Erlebensmuster
1. Fragestellungen
2. Arbeitsbezogene Verhaltens- und Erlebensmuster (AVEM)
• Definition und Sinn
• Erhebungsinstrument
• Vier Erlebens- und Verhaltensmuster
3. Erlebens- und Verhaltensmuster bei niedersächsischen Lehrkräften
4. Umgang mit Arbeitszeit je nach Verhaltens- und Erlebensmuster
• Arbeitszeitverläufe
• Tätigkeitsstrukturen
5. Zwischen-Ergebnis und Herausforderungen
Gliederung
7. Arbeitsbezogene Verhaltens- u. Erlebensmuster
Fragestellungen
1. Wie sind die Verhaltens- und Erlebensmuster bei niedersächsischen Lehrkräften verteilt und inwieweit unterscheiden sie sich von anderen Lehrkräften in Deutschland?
2. Welche Gesundheitsrelevanz haben die Verhaltens- und Erlebensmuster ?
3. Wie unterscheidet sich der Umgang mit Arbeitszeit zwischen den Lehrkräften unterschiedlicher Verhaltens- und Erlebensmuster?
• Wie stellt sich der Jahres-Arbeitszeitverlauf dar?
• Welche Unterschiede zeigen sich im gemessenen Zeitaufwand für einzelne Tätigkeiten?
7. Arbeitsbezogene Verhaltens- u. Erlebensmuster
Zielsetzung und Sinn der „Arbeitsbezogenen Verhaltens- und Erlebensmuster“ (AVEM)
Ziel: Betrachtung der subjektiven Ressourcen, die Lehrkräfte einbringen, um ihre Arbeitsanforderungen zu bewältigen
AVEM: „Arbeitsbezogene Verhaltens- und Erlebensmuster“ (AVEM) beschreiben unterschiedliche Typen des Erlebens und Verhaltens gegenüber Arbeitsanforderungen
Voraussetzungen, die Lehrkräfte in ihren Beruf einbringen
Folgen der bisherigen Beanspruchung im Beruf
Validiertes Verfahren
Replizierbare Faktoren- und Clusterstruktur
Inhaltliche Beziehung der Skalen zu „verwandten“ Verfahren
Nachweis der Gesundheitsrelevanz
Quellen: U. Schaarschmidt Hg. (2005): Halbtagsjobber? Psychische Gesundheit im Lehrerberuf. Weinheim / Basel
U. Schaarschmidt, A. W. Fischer (2013): AVEM Arbeitsbezogenes Verhaltens- und Erlebensmuster. Manual. Pearson / Frankfurt am Main
7. Arbeitsbezogene Verhaltens- u. Erlebensmuster
Arbeitsbezogene Verhaltens- und Erlebensmuster (AVEM)
Arbeitsengagement
1. Bedeutsamkeit der Arbeit
2. Beruflicher Ehrgeiz
3. Verausgabungsbereitschaft
4. Perfektionsstreben
Widerstandskraft
5. Distanzierungsfähigkeit
6. Resignationstendenz
7. Offensive Problembewältigung
8. Innere Ruhe und Ausgeglichenheit
Emotionen
9. Erfolgserleben im Beruf
10. Lebenszufriedenheit
11. Erleben sozialer Unterstützung
44 Fragen 11 Dimensionen 3 Bereiche
Schaarschmidt (2005): Halbtagsjobber
7. Arbeitsbezogene Verhaltens- u. Erlebensmuster
Referenzprofile der vier arbeitsbezogenen Verhaltens- und Erlebensmuster nach Schaarschmidt
Schaarschmidt (2005): Halbtagsjobber
7. Arbeitsbezogene Verhaltens- u. Erlebensmuster
Bedeutung der Verhaltens- und Erlebensmuster (AVEM)
Muster Gesundheit ( Muster G)
• Gesundheitsförderliches Verhältnis zur Arbeit
• Deutliche, nicht exzessive Ausprägungen beim Arbeitsengagement
• Distanzierungsfähigkeit
• Günstige Werte bei Widerstands-kraft gegenüber Belastungen
• Hohe Werte bei positiven Emotionen
Muster Schonung (Muster S)
• Schonung / Schutzhaltung
• Geringe Werte Arbeitsengagement: Bedeutsamkeit der Arbeit, Ehrgeiz, Perfektionsstreben
• Eher niedrige Resignationstendenz
• Relativ hohe Lebenszufriedenheit
• Weniger ausgeprägte Arbeitsmotivation
nach Schaarschmidt & Fischer (2013)
7. Arbeitsbezogene Verhaltens- u. Erlebensmuster
Bedeutung der Verhaltens- und Erlebensmuster (AVEM)
Risikomuster A
• Risiko i. S. der Selbstüberforderung
• Hohe Verausgabungsbereitschaft / Perfektionsstreben
• Hohe Anstrengung wird nicht durch positive Emotionen begleitet
• Eingeschränkte Widerstandskraft gegenüber Belastungen
• Sehr niedrige Distanzierungsfähigkeit
• Stärkeres Krankheitsrisiko (i. S. Gefahr Übergang zu Risikomuster B)
Risikomuster B
• Risiko i.S. von chronischem Erschöpfungserleben und Resignation
• Niedrige Ausprägung des Arbeitsengagements
• Hohe Resignationstendenz
• Eingeschränkte Widerstandskraft gegenüber Belastungen
• Geringe offensive Problem-bewältigung, Ausgeglichenheit, Lebenszufriedenheit
• Zusammenhang mit Burnout-Syndrom
7. Arbeitsbezogene Verhaltens- u. Erlebensmuster
nach Schaarschmidt & Fischer (2013)
Niedersächsische Lehrkräfte zeigen die gleichen Verhaltensmuster wie ihre deutschen Kolleg/innen
7. Arbeitsbezogene Verhaltens- u. Erlebensmuster
15% 17%
23% 23%
33% 30%
29% 29%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
Arbeitsbelastungsstudie 2016(n = 2.108) **
Lehrkräfte aus 11 deutschenBundesländern *
(n = 7.693) **
Musterzuordnung der niedersächsischen Lehrkräfte im Vergleich
Risikomuster B
Risikomuster A
MusterSchonung
MusterGesundheit
* Quelle: Schaarschmidt (2005). Die Datenerhebung erfolgte in den Jahren 1995 - 2002. ** Tendenzielle Musterzuordnung gegenüber den Referenzprofilen (nach Schaarschmidt & Fischer 2013)
Risikomuster sind im arbeitsbedingten Verhalten und Erleben von Lehrkräften weiter verbreitet als in anderen Berufsgruppen
7. Arbeitsbezogene Verhaltens- u. Erlebensmuster
Gesundheitsrelevanz: Beeinträchtigung des Befindens und körperliche Beschwerden im Zusammenhang der AVEM-Muster
7. Arbeitsbezogene Verhaltens- u. Erlebensmuster
3
4
5
6
7
Psychische Beschwerden Körperliche Beschwerden
Mit
tler
e St
anin
enw
erte
Beeinträchtigung des Befindens und körperliche Beschwerden im Zusammenhang der AVEM-Muster
MusterGesundheit
MusterSchonung
Risikomuster A
Risikomuster B
Sample von Lehrkräften aus 11 deutschen Bundesländern. Die Datenerhebung erfolgte in den Jahren 1995 - 2002. (Schaarschmidt 2005, S. 32) Grafik: Eigene Darstellung
Gesundheitsrelevanz: Anzahl der Krankheitstage während eines Schuljahres im Zusammenhang der AVEM-Muster (1997)
7. Arbeitsbezogene Verhaltens- u. Erlebensmuster
0
2
4
6
8
10
12
14
16
Muster Gesundheit Muster Schonung Risikomuster A Risikomuster B
Mit
tler
e A
nza
hl d
er K
ran
khei
tsta
ge
Anzahl der Krankheitstage während eines Schuljahres im Zusammenhang der AVEM-Muster (1997)
Quelle: Schaarschmidt (2009), Lehrergesundheit erhalten und stärken, Vortrag.Grafik: Eigene Darstellung
Gesundheitsrelevanz: Tage mit „Arbeit trotz Krankheit“nach vier AVEM-Mustern (Arbeitsbelastungsstudie 2016)
7. Arbeitsbezogene Verhaltens- u. Erlebensmuster
0
2
4
6
8
10
12
14
16
Muster Gesundheit Muster Schonung Risikomuster A Risikomuster B
An
zah
l der
Tag
e in
den
letz
ten
12
Mo
nat
en
Tage an denen Lehrkräfte gearbeitet haben obwohl, sie sich richtig krank gefühlt haben, nach Verhaltensmustern (n = 2.108)
Etwa 60 % der Lehrkräfte zeigen Risikomuster– durchgängig und von Beginn an
21,6%
8,6%14,6%12,4%14,2%14,5%
19,3%15,1%
21,6%
24,5%21,9%27,8%23,5%23,7%
20,3%24,1%
30,8%
34,2%32,7%
31,4%31,8%32,9%37,3%34,3%
25,9%32,7%30,8%28,4%30,5%28,9%
23,2%26,5%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
60-65(n = 185)
55-59(n = 278)
50-54(n = 260)
45-49(n = 306)
40-44(n = 374)
35-39(n = 228)
30-34(n = 311)
25-29(n = 166)
Altersgruppen
Musterzuordnung nach Altersgruppen (n = 2.108)
Risikomuster B
Risikomuster A
MusterSchonung
MusterGesundheit
7. Arbeitsbezogene Verhaltens- u. Erlebensmuster
Zu den Risikogruppen gehören 65 % der Frauen und 50 % der Männer
21,3%12,7% 16,7% 12,6%
29,6%
21,5%21,9% 25,2%
27,3%
35,1%37,0%
29,2%
21,7%30,7%
24,4%33,0%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
männlich(n = 506)
weiblich(n = 1.602)
Vollzeit(n = 1.087)
Teilzeit(n = 1.021)
Geschlecht Beschäftigungsumfang
Musterzuordnung nach Geschlecht und Beschäftigungsumfang (n = 2.108)
Risikomuster B
Risikomuster A
MusterSchonung
MusterGesundheit
7. Arbeitsbezogene Verhaltens- u. Erlebensmuster
Die folgenden Analysen beziehen sich auf die Befragten mit verlässlicher Musterzuordnung > 80 % (sicher und akzentuiert)
Grafik aktualisieren
7. Arbeitsbezogene Verhaltens- u. Erlebensmuster
9,72%
10,67%14,75%
31,97%27,89% 23,48%
26,33% 30,67% 33,21%
31,97%30,78%
28,56%
SichereMusterzuordnung
(n = 319)
Sichere und akzentuierteMusterzuordnung
(n = 900)
TendenzielleMusterzuordnung
(n = 2.108)
Sichere, akzentuierte und tendenzielle Musterzuordnung
Risikomuster B
Risikomuster A
MusterSchonung
MusterGesundheit
Kriterium der Zuordnung ist die Zuordnungswahrscheinlichkeit: sichere Musterzuordnung: > 95 % / akzentuierte Musterzuordnung: > 80 -95 % / tendenzielle Musterzuordnung: ein Muster > 50% und ≤ 80%, kein zweites Muster >30% gegenüber den
Referenzprofilen (Schaarschmidt& Fischer 2013)
Arbeitszeitverläufe über den Erhebungszeitraum unterscheiden sich nach arbeitsbezogenen Verhaltens- und Erlebensmustern
7. Arbeitsbezogene Verhaltens- u. Erlebensmuster
Arbeitszeitverläufe über den ErhebungszeitraumAVEM-Muster Gesundheit
7. Arbeitsbezogene Verhaltens- u. Erlebensmuster
Arbeitszeitverläufe über den Erhebungszeitraum AVEM-Muster Schonung
7. Arbeitsbezogene Verhaltens- u. Erlebensmuster
Arbeitszeitverläufe über den Erhebungszeitraum AVEM-Risikomuster A
7. Arbeitsbezogene Verhaltens- u. Erlebensmuster
Arbeitszeitverläufe über den Erhebungszeitraum AVEM-Risikomuster B
7. Arbeitsbezogene Verhaltens- u. Erlebensmuster
Arbeitszeit und Verteilung der Tätigkeiten nach AVEM-Mustern
• Deutliche Unterschiede nach Arbeitszeit und in der Struktur der Tätigkeiten nach AVEM-Mustern
• Schulleitungsfunktionen v.a. durch Lehrkräfte mit Muster Gesundheit und Risikomuster A
• Risikomuster A und B: Unterrichts-vor- und -nachbereitung deutlich, Pädagogische Kommunikation etwas ausgeprägter
• Lehrkräfte in Risikomuster B üben seltener Funktionen aus
7. Arbeitsbezogene Verhaltens- u. Erlebensmuster
Zwischen-Ergebnisse 1
1. Niedersächsische Lehrkräfte zeigen die gleichen Verhaltens- und Erlebensmuster wie ihre deutschen Kolleg/innen
Datensätze der Potsdamer Lehrerstudie (1995-2002) und der Niedersächsischen Belastungsstudie (2016) sind vergleichbar: 1/6 im Muster Gesundheit, 1/4 im Muster Schonung, je ca. 1/3 in den Risikomustern
2. Unterschiede der Verhaltens- und Erlebensmuster sind gesundheitlich relevant:
Körperliche und psychische Beschwerden treten mit je nach AVEM-Muster unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten auf
Das gilt auch für Krankheitstage, wobei zur Selbstüberforderung neigende Lehrkräfte mit dem Risikomuster A die wenigsten Fehltage aufweisen
Auf der anderen Seite arbeiten Lehrkräfte beider Risikogruppen häufig trotz Krankheit, Risikogruppe A sogar besonders häufig
3. Risikogruppen treten nicht erst mit dem Alter oder mit der Dienstdauer in Erscheinung, sie finden sich durchgängig auch schon in jüngeren Jahrgängen und bilden die Mehrheit aller Lehrkräfte. Risikogruppen sind bei Lehrkräften stärker verbreitet als bei anderen Berufsgruppen.
7. Arbeitsbezogene Verhaltens- u. Erlebensmuster
Zwischenergebnisse 2
4. Zu den Risikogruppen gehören 65 % der Frauen und 50 % der Männer – durch die hoch beanspruchenden Arbeitsbedingungen in den Schule werden Frauen offenbar stärker beansprucht
5. Hinsichtlich des Beschäftigungsumfangs verteilt sich der 60 %-Anteil der Lehr-kräfte an den Risikogruppen bei den Vollzeitkräften mit 37 % stärker auf das Risikomuster A, bei den Teilzeitkräften stärker auf das Risikomuster B (33 %)
Für manche Lehrkräfte dürfte die Stundenreduktion eine Schutzfunktion gegenüber überbeanspruchenden Arbeitsbedingungen haben
4. Die Arbeitsumfänge variieren ebenso stark je nach Verhaltens- und Erlebensmuster, wie die Struktur der einzelnen Tätigkeiten:
Die Durchschnittswochen der Lehrkräfte mit verlässlicher Musterzuordnung variieren teils deutlich von 43:51 über 48:08 und 50:14 bis zu 51:49 Stunden
Schulleitungsfunktionen und Funktionstätigkeiten werden v.a. durch Lehrkräfte mit Muster Gesundheit und Risikomuster A übernommen, während Lehrkräfte mit Muster Schonung insgesamt nur wenig, mit Risikomuster B sogar kaum Funktionen ausüben
7. Arbeitsbezogene Verhaltens- u. Erlebensmuster
Herausforderungen aus Verhaltens- und Erlebensmustern
• Auch bei hoher Motivation können nicht alle Lehrkräfte die stark beanspruchenden Arbeitsbedingungen in der Schule problemlosbewältigen: 60 % der Lehrkräfte in Risikomustern, das ist eine Herausforderung für das System Schule
• Wie können die Arbeitsbedingungen verbessert werden? Lehrkräfte müssten Verbesserungen erfahren v.a. bei
der hohen Arbeitsintensität und den Belastungsniveaus insgesamt
der Vielfalt schulspezifischer Anforderungen
der extremen Arbeitszeitbelastung (in den Schulzeiten)
• Durch welche Maßnahmen können Lehrkräfte individuell gestärkt werden?
Diverse Weiterbildungsangebote
Angebote zum Umgang mit Konflikten und Stress
Zeitmanagement und individuelle Verbesserung der Arbeitsorganisation
• Mit welchen Maßnahmen können Schulen oder Kollegien den unterschiedlichen Verhaltens- und Erlebensmustern begegnen?
gezielte Entlastung der stark Engagierten und Leistungsträger
systematische Aufgabenkritik unter Berücksichtigung besonderer Belastungen
Gesundheitsförderung
7. Arbeitsbezogene Verhaltens- u. Erlebensmuster