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C Stadt St.Gallen Schulgesundheitsdienst Psychomotorik Dienst A Arbeitspapier Grafomotorik für Kindergarten- Unterstufen- und ISF Lehrpersonen

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C Stadt St.Gallen Schulgesundheitsdienst

Psychomotorik Dienst

A

Arbeitspapier Grafomotorik für Kindergarten- Unterstufen- und

ISF Lehrpersonen

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Schulgesundheitsdienst Psychomotorik Dienst PMD

PMD Grafomotorik

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Einleitung

Liebe Lehrpersonen

Die Grafomotorik ist ein Teilgebiet der Psychomotorik, im speziellen der Feinmotorik. Gra-fomotorik bedeutet „Schreib-Bewegung“ und setzt sehr feine motorische Anpassungen der Hand voraus.

Damit sich die Schreibbewegung überhaupt entwickeln kann, sind verschiedene Basisfunk-tionen nötig. Es sind dies zum einen Funktionen der Schreibhand (Schreib- und Zeichenbe-wegung, Kraftanpassung, taktilkinästhetische Wahrnehmung) wie auch visuelle (Formen-aufnahme und -differenzierung) und auditive Wahrnehmungsleistungen (Lautaufnahme- und differenzierung). Erst die Integration dieser Bereiche ermöglicht dem Kind den Weg zu ei-nem gerichteten Strich und zur Schrift. Dabei ist diese Entwicklung auch von den individuel-len Voraussetzungen des Kindes wie auch von Umweltanregungen abhängig.

Ebenfalls eine wichtige Rolle beim Erlernen des Zeichnens und Schreibens spielen nebst be-wegungs- und wahrnehmungsbezogenen Bereichen emotionale, soziale und kognitive Aspek-te.

Viele Kinder im Kindergarten und auf der Unterstufe haben grafomotorische Probleme ver-schiedenster Ausprägung. Sie haben beispielsweise Mühe mit Zeichnen oder Schreiben, drü-cken fest, sind verkrampft, haben eine unökonomische Stifthaltung oder zeigen eine unstabile, unklare Handdominanz. Solche Kinder verlieren schnell die Lust am Malen, Zeichnen oder Schreiben oder verweigern im schlimmsten Fall diese Tätigkeiten. Dadurch haben sie zu wenig Übung und fühlen sich zusätzlich verunsichert.

Darum scheint es uns wichtig, mit Kindern, auch im Sinne der Prävention, die Basiselemen-te des Schreibens (Sitz- und Stifthaltung, Fingerbewegung, …) und der Schrift (Striche in verschiedene Richtungen, Punkte, Bögen, Kreise, …) möglichst schon im Kindergarten zu thematisieren.

Ein Kind, das regelmässig malt und zeichnet übt nämlich alle Elemente der Schrift, ohne dass es speziell unterstützt werden müsste.

Die vorliegenden Unterlagen, zusammengestellt von der Arbeitsgruppe Grafomotorik des Psychomotorik Dienstes St.Gallen, sollen Ihnen Anregungen dazu geben. Sie sind zur Prä-vention und zur Begleitung von leichteren grafomotorischen Schwierigkeiten gedacht. Für weitere Hinweise und schwerwiegendere Probleme sind die Psychomotorik-Therapiestel-len zuständig.

Die Zusammenstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Weitere Bücher mit theoretischen Anregungen, Ideen und Spielmöglichkeiten sind in der Literaturliste zu fin-den.

Wir hoffen, dass die Lehrpersonen mit diesen Inputs im Bereich der Grafomotorik einiges „in Bewegung“ setzen können.

Psychomotorik Dienst (PMD) St.Gallen

März 2004

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PMD Grafomotorik

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Arbeitspapier Grafomotorik für Kindergarten- Unterstufen- und ISF Lehrpersonen

1. Haltung:

1.1 Sitzhaltung

Bild A

Kinder sind meist in Bewegung. Sie sitzen nur für kurze Zeit freiwillig auf dem Stuhl. Das wirkt sich positiv auf den ganzen Kör-per und seine Haltung aus. Es ist wichtig, dass Kinder schon im Kindergarten eine gute Sitzhaltung kennenlernen. Da sie das meiste über Nachahmung bei den Erwach-senen lernen, gilt deshalb die Vorbildfunk-tion der Kindergärtnerin und Lehrkraft besonders auch für die Sitz-, Schreib- und Stifthaltung. Eine gute Sitzhaltung wirkt sich ausserdem auf das Schriftbild aus, weshalb bei Kindern mit grafomotorischen Schwierigkeiten besonders darauf zu ach-ten ist. Setzt das Kind die Füsse gut auf dem Boden auf und kommt das aufgerich-tete Becken auf die Sitzbeinhöcker zu lie-gen, verhilft dies dem Kind zu einer auf-rechten Haltung und einer gewissen Stabili-tät.

Worauf ist bei einer optimalen Sitzhaltung zu achten?

Füsse sind hüftbreit auf dem Boden (Füsse parkieren)

Unter- u. Oberschenkel bilden einen rechten Winkel miteinander. (Achten auf richtige Tisch- und Stuhlhöhe, s. Bild A)

Becken/ Gesäss ist auf den Sitzbeinhöckern liegend aufgerichtet

Rücken wird vom Becken her aufgerichtet bei Arbeitsfläche schräg: Rücken gerade bei Arbeitsfläche gerade: gerader Rücken leicht nach vorne

Kopf ist in gerader Verlängerung der Wirbelsäule

Schultern sind entspannt, symmetrisch, nicht hochgezogen

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Unterarme liegen ganz auf der Arbeitsfläche auf (Ellbogen ungefähr an der Tischkante)

Handstellung Schreibhand liegt mit Kleinfingerseite auf der Unterlage auf. Das Schreibwerkzeug wird im Dreipunktegriff ge-halten. Die passive Hand liegt auf dem Blatt und hält es. (s. Bild B)

Fingerbewegung vorderste Gelenke von Zeigfinger und Daumen müssen gemeinsam beweglich sein. Kleine Bewegungen wie z.B. beim Schreiben erfordern Fingerbeweglichkeit

Gewichtsverteilung Hauptgewicht auf dem Gesäss, ein Teil auf den Fuss-sohlen, wenig Gewicht auf den Unterarmen

Muskelspannung angepasster Tonus: weder schlaff noch verspannt

Bild B

1.2 Grafomotorik: Übungen zur Fingerbeweglichkeit

• Flohspielsteine oder Knöpfe mit Zeigefinger in ein Goal spicken. Am Boden mit allen, am Tisch alleine oder zu zweit möglich.

• Spielen mit Knete, Ton oder Teig

• Fadenspiele

• Theäterle mit Fingerpuppen oder bemalten Fingern

• Fingerversli (z.B. aus Cornelia Nitsch: Zehn kleine Fingerchen, München 1994)

• Spiel mit Murmeln: mit Zeigefinger oder Bleistift im Dreipunktegriff kleine Murmeln auf ein Loch, Goal etc. zielen.

• Kreisspiel mit Surrli: Surrli mit Daumen und Zeigefinger zum Drehen bringen.

• Chrügeli-Bild gestalten (zwischen den Fingerspitzen aus Krepp- oder Seidenpapier Kügel-chen formen, Bild kleben)

• Trommeln (mit Fingern verschiedene Rhythmen trommeln, Lautstärke variieren, z.B. Re-gentropfen, leise Schneeflocken, …

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1.3 Grafomotorik: Übungen zum Pinzettengriff (ohne Stift)

Zur Vorbereitung und als Einführung zum Dreipunktegriff ist der Pinzettengriff wichtig

(s.Bild C)

Bild C

• Fangis machen mit nicht zu strengen Wäscheklammern (Klammern an Kleider des ande-ren anstecken oder wegnehmen)

• Im Pinzettengriff Rosinen, Haselnüsse etc. aufpicken. (Spielideen: Tier sammelt Vorräte für Winter, Schätze stehlen, Hühner picken Körner, eines verzaubern…)

• Mit Wäscheklammern oder Pinzette Perlen, Schnüre (bspw. als Spaghetti), ... von Unter-lage aufpicken

• Chinesische Stäbli im Dreipunktegriff halten, damit beidhändig etwas aus Schale fischen (Spielidee: in Gruppe reihum würfeln, wer bestimmte Zahl hat, darf fischen…)

1.4 Grafomotorik: Übungen zum Dreipunktegriff (mit Stift)

• Verschiedene Schwungübungen mit dicken Farbstiften im richtigen Dreipunktegriff auf Papier oder zu passenden Themen (Schaukel, Regenbogen, Wellen, ...).

� Um möglichst viele Übungsmomente zu schaffen, können die Farbstifte nach einzelnen Schwungformen gewechselt werden. So müssen die Finger wieder bewusst neu positi-oniert werden.

Schaukel

Regenbogen

Girlanden

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Sprünge

Liegende Acht

Wellen

• Knopf mit Bleistift über Unterlage ziehen oder stossen � Spielideen: Kehrrichtsäcke (Knöpfe) werden von Müllabfuhr (Stift) bei aufgezeichneten Häusern abgeholt, Auto (Knopf) fährt durch Strassen, ...� Immer wieder auf richtigen Dreipunktegriff achten!

• Kleine Spielfiguren oder flache Steine, etc. mit Stift durch aufgemalte Landschaften oder Strassen in verschiedene Richtungen schieben (Spielidee: Schätze transportieren, ...) � Immer wieder auf richtigen Dreipunktegriff achten!

� Als Unterstützung für den Dreipunktegriff stellt der gezielte und sinnvolle Einsatz einer Schreibhilfe (z.B. Grip oder Stetro) für Kinder mit ungünstiger Stifthaltung oft eine Hilfe dar. Die vorgegebenen Fingerpositionen machen das Kind auf die ideale Haltung auf-merksam. Ist die Position der Finger so automatisiert, kann sie auf den Stift ohne Schreibhilfe übertragen werden. Beim freien Zeichnen, wo die Gestaltung und nicht die Übung im Vordergrund steht, ist der Einsatz dieser „Hilfen“ nicht unbedingt geeignet, da das Auswechseln der Schreibhilfen bei verschiedenen Farbstiften störend wirken kann.

� Dicke Farbstifte sind für Kinder zur Einübung des Dreipunktegriffs gut geeignet - denn ist die Stifthaltung noch relativ ungeübt, können sich Finger und Hand beim Halten von dün-nen Stiften wesentlich schneller verkrampfen und den Druck am Stift verstärken. Mittlerweile gibt es auch ein reichhaltiges Angebot an dicken dreikantigen Bleistiften und Farben, die eine ökonomische Stifthaltung erleichtern.

1.5 Grafomotorik: Übungen zur Unterarmbewegung auf Tisch

Zur optimalen Bewegungsfunktion beim Schreiben liegt der Unterarm entspannt auf der

Unterlage auf und muss von links nach rechts über den Tisch gleiten können.

• Unterlage putzen: Unterarm auf Tisch liegend in verschiedenen Richtungen über die Un-terlage fahren („putzen“).

• Der Unterarm liegt auf einem umgekehrten Teppichmuster. Die Bleistiftspitze kommt auf das Papier. Die Lehrperson führt das Teppichmuster so, dass sich das Kind auf den Kon-takt des Stiftes mit dem Papier konzentrieren kann. So können Labyrinthe erstellt wer-den. Diese Übung eignet sich eher als Einzelarbeit.

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2. Der Strich

2.1 Malentwicklung

Das Kind durchläuft in seiner grafomotorischen Entwicklung verschiedene Stufen. Vom Zufallsergebnis (Kritzeln) und Freude am Tun (Spuren hinterlassen) zum gegenständlichen Zeichnen (Mensch, Haus, …) bis hin zu gezielten Formen (einfache geometrische For-men, eckig, rund, schräg, Wellen, …) und zur Schrift (eigener Name, …).

Voraussetzung für die Schrift ist eine gezielte Steuerung. Ein grosser Teil der Kinder er-reicht im zweiten Kindergartenjahr diesen Entwicklungsstand (gezielte Formen, Anfang, Ende und Richtung eines Striches, fortlaufende Bewegungen, Muster).

Kinder mit einem Entwicklungsrückstand oder Unsicherheiten brauchen gezielte Unter-stützung, damit die Neugierde, Motivation und Freude am grafomotorischen Tun erhalten bleiben oder geweckt werden kann.

2.2 Grafomotorik: Übungen zur Strichführung

Wichtig ist, dass bei allen zielgerichteten Strichübungen der senkrechte Strich von oben

nach unten und der waagrechte von links nach rechts geübt wird.

Grundsätzlich sollten den Kindern für ihre Spuren und Kritzeleien immer „Sudelblöcke“

zur Verfügung stehen. Auch Erwachsene kritzeln z.B. während des Telefonierens auf alle

möglichen Unterlagen.

Grafische Zielübungen können sein:

• Vorlagen aus Buch „vom Strich zur Schrift“ (Marbacher/Naville)

• Eigens erstellte Arbeitsblätter zu passenden Themen im Stil des obigen Buches

• Optische Begrenzungen (aufgemalte Strassen, Wege, Labyrinthe, Anfangs- und Zielpunkt einer Linie, Muster an verschieden breite Streifen Papier anpassen…)

• Fühlbare Begrenzungen (z.B. Markierungen mit Kleberli, …)� auch blind arbeiten

• Akustische und rhythmische Begrenzungen (Musik, …)

3. Tonus

3.1 Was ist der „richtige“ Tonus ?

Unter Tonus verstehen wir die Körperspannung mit der gekritzelt, gezeichnet und ge-schrieben wird; besonders in Schreibarm, -hand und –fingern. Der Tonus darf weder zu stark noch zu schlaff sein. Durch Spüren (taktil-) und Bewegen (kinästhetisch) sollen viele und richtige Informationen zur Verarbeitung ins Gehirn gelangen, verarbeitet und wieder auf dem Papier ausgeführt werden können. Wenn diese „Leitung“ durch übermässige Verkrampfung oder falsche Körperhaltung unterbrochen wird, gelingt der Informations-fluss nicht mehr gut. Der richtige Tonus ist also die Spannung, die einen optimalen In-formationsaustausch zwischen Gehirn und Hand ermöglicht.

3.2 Den „richtigen“ Tonus erforschen

Wenn wir ein Kind direkt auf seine übermässige Verkrampfung oder seinen schlaffen To-nus korrigieren, wird es meist noch zusätzlich verwirrt und kann die Korrektur kaum sinn-voll verarbeiten.

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Erfahrungsgemäss reagieren die Kinder besser, wenn sie den richtigen Tonus experimen-tell erforschen können.

Wir Menschen und auch einige Tiere haben eine sogenannte „Werkzeugintelligenz“ ent-wickelt. Wir verlegen z.B. beim Einschlagen eines Nagels unser Gespür über die Finger-spitzen der Hand hinaus bis in die Schlagfläche des Hammers und bei der anderen Hand bis in den Kopf des Nagels – sonst würden wir wohl kaum so präzise treffen.

Die Bleistiftspitze ist in der Grafomotorik die Verlängerung der Finger: Die Grundfrage für den richtigen Tonus heisst dann: „Kann ich das Papier durch die Bleistiftspitze spü-ren?“

Verschiedene Papiersorten können zuerst mit den Fingerspitzen und dann mit dem Blei-stift erspürt, erfahren und benannt werden. Dazu eignen sich z.B. aufgeklebte „Papier-landschaften“. Wichtig ist dabei, dass die Kinder oft „blind“ bzw. mit verdeckten Augen arbeiten können. Dabei werden die visuelle Sinneswahrnehmung unterdrückt und die tak-tilkinästhetischen Kanäle geöffnet.

3.3 Der Beweis

Wetten, dass ... du 4 oder 5 Papiere durch die Bleistiftspitze spüren und benennen kannst.

Packpapier, Seidenpapier, Zeichnungspapier, Schreibpapier, Haushaltpapier oder andere werden in Quadrate von ca. 10 cm Seitenlänge geschnitten. Sie werden mit den Fingern und mit dem Bleistift erspürt und benannt.

Beim höchsten Schwierigkeitsgrad dieses Spiels wird dem Kind bei verbundenen Augen eines der Papiere vorgelegt. Es senkt den Bleistift darauf ab und darf darüber fahren, oh-ne weitere Berührung der Handkante mit dem Tisch oder so .... nur das Papier durch die Bleistiftspitze spüren!

� Das Lernziel ist, dass jedes Kind die Frage: Kannst du das Papier durch die Bleistift-spitze spüren? mit Ja beantworten kann.

Dadurch kann dem Kind garantiert werden, dass es dabei genau den richtigen Tonus hat-te. Das ist besser, als wenn die Lehrperson sagt: „Drück nicht so fest“ oder „du bist so verkrampft.“

� Anwendungen: Diese Grundeinstellung kann daraufhin im Unterricht, bei den Hausaufga-ben usw. auch noch Jahre später innerlich und äusserlich abgerufen werden und führt automatisch zu richtiger Tonusanpassung; beim Zeichen, beim Rechnen, beim Schön-schreiben oder mitten im Diktat.

4 Gefühle

Im ganzen Bereich der Grafomotorik gilt es zu beachten, dass Kritzeln, Zeichnen, Planen und besonders Schreiben nicht nur Arbeitstechniken bzw. „Feinmechanik“ sind, sondern dass sie immer mit starken Gefühlen verbunden bzw. hochemotional sind.

4.1 Vielfältige Gefühle

Sie können von grossen Erfolgs- und hohen Selbstwert-, zu schweren Versagens- oder sogar bis zu Selbstzerstörungsgefühlen variieren („Am liebsten möchte ich mir die Hand abschneiden.“), wenn etwas nicht gelingt oder kritisiert wird. Ebenso gehören Wut,

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Angst, Aggression und besonders Frustration dazu. Oft werden solche Gefühle im Mo-ment von den Kindern verdrängt und kommen vielleicht erst nach dem Kindergarten oder zu Hause wieder zum Vorschein.

Es gilt deshalb zu beachten, dass Arbeit in der Grafomotorik immer auch Gefühlsarbeit bzw. Arbeit im Gefühlshaushalt ist. Wie können Gefühle im richtigen Moment ausge-drückt werden?

Im Kindergartenalter werden viele Kinder von ihren Gefühlen überschwemmt und können noch nicht so gut einteilen, wie gross jetzt zum Beispiel die Frustration ist. Dabei kommt es oft zu Überreaktionen oder Prägungen. Einige Kinder hören schon früh auf zu zeich-nen, weil sie dem Vergleich mit den anderen und der Selbstkritik nicht standhalten kön-nen. - Das ist schade, wäre eigentlich nicht nötig und ist für die grafomotorische Ent-wicklung ein Rückschlag.

4.2 Leidensdruck durch unterschiedliche Entwicklung der verschiedenen Sinne

Die unterschiedliche Entwicklung der verschiedenen Sinnesbereiche kann grosse Frustra-tion auslösen: Bei vielen Kindern in diesem Alter ist heutzutage die visuelle und räumliche Wahrnehmung sehr hoch entwickelt (Video-Games, fotografisches Gedächtnis, Vorstel-lungskraft usw.). Im Gegensatz dazu steht die weniger gut entwickelte Feinmotorik und –Wahrnehmung. Diese Diskrepanz erzeugt bei vielen Kindern eine grosse Frustration bzw. einen Leidensdruck.

4.3 Buben und Mädchen – Differenzierung im Unterricht

Es gilt auch die unterschiedliche Entwicklung von Mädchen und Buben in diesem Alter zu beachten. Neuste Forschungen zeigen, dass die Feinmotorik bei Buben weniger gut ent-wickelt ist als bei Mädchen. Dass aber Buben ihre Stärken in der räumlichen Orientierung bzw. im Spiel mit Raum und Zeit haben.

Deshalb sollte im Kindergarten darauf geachtet werden, dass der Grafomotorikunterricht entsprechend differenziert werden kann.

Die Techniken sollen variiert werden: skizzieren, planen, entwerfen, schraffieren, Comic-zeichnen usw. – nicht immer nur „schön ausmalen“.

Verschiedene Lerngruppen können gebildet werden, so dass alle Kinder auf ihre Rech-nung kommen und nicht diejenigen, die dem Vergleich mit den besten nicht standhalten, schon vorzeitig aufgeben.

Die Motivation kommt am besten über die eigenen Motive der Kinder: Den Bus, einen Dinosaurier, eine Prinzessin usw. zeichnen. Das Wichtigste in der grafomotorischen Ent-wicklung ist, dass die Kinder möglichst mit ganzem Herzen dabei sein und sich trotz Schwierigkeiten über ihre Arbeit freuen können.

5 Händigkeit

5.1 Handdominanz

Ein Kind darf in seiner Entwicklung der Händigkeit auf keinen Fall beeinflusst werden. Bei Kindern, die noch keine eindeutige Bevorzugung ausdrücken, kann eine beidhändige För-derung sinnvoll sein. Wenn sich im zweiten Kindergartenjahr noch keine Bevorzugung ei-

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ner Hand zeigt, empfehlen wir, sich mit einer Psychomotorik-Therapiestelle in Verbindung zu setzen.

Wichtig ist, dass das Kind alle seine grafomotorischen Fertigkeiten auf der gleichen Hand aufbaut.

5.2 Linkshänder

Für linkshändige Kinder sind gewisse Regeln zu beachten, die wir nachfolgend zusam-mengestellt haben.

Didaktische Hinweise für Linkshänder

� Gerade sitzen, d.h. auf beiden Hüften, Gewicht nicht nur auf eine Seite verlagert.

� Heft oder Schreibblatt nicht zu nahe an den Bauch ziehen. Unterarm bleibt auf dem Tisch liegen. Ellbogen oder Handgelenk dürfen weder hochgehoben noch angewinkelt werden.

� Das Heft oder Blatt liegt von der Körpermitte nach links.

Die Schreibunterlage sollte bei Linkshändern nicht in einem bestimmen Winkel zur Tischkante gelegt werden, da man bei einem Linkshänder die Schriftneigung nicht bestimmen kann. Im Fall, dass ein Lehrer auf die Neigung besteht, müssen die ca. 30 Grad nach links oben gehen, d.h. gerade in der entgegengesetzten Diagonalen wie bei Rechtshändern. (s. Bild D)

Linkshänder „stossen“ die Schrift. Die Bewegung geht von aussen nach innen, d.h. zur Körpermitte. Dazu bleibt die Hand in der geraden Linie des Unterarms, wenn möglich auch unter der Schreiblinie. Die Schreibbewegung muss daher viel stärker aus den Fingern kommen. Es sieht so aus, als ob die Finger nach „o-ben“ schreiben müssten. Nur so kann vermieden werden, dass die Hand das eben Geschriebene (mit Tinte) verwischt.

� Für eine flüssige Schrift ist es unumgänglich, einen speziellen Füllfederhalter für Linkshänder (mit Rundfeder) oder einen harten, feinen Filzstift zu kaufen.

� Jeder Linkshänder braucht mehr Schreibtraining als ein Rechtshänder, um zu einer flüssigen Schrift zu kommen. Es ist anzuraten, die Liniatur des Schreibhef-tes möglichst gross zu wählen (keinesfalls die dreiteilige mit der Diagonallinie).

Ein Linkshänder, der trotz dieser Hilfen nicht Schreiben lernt, ist möglicherweise ein Linkshänder mit kompensatorischer Händigkeit (evtl. Rechtshänder mit mini-malster cerebraler Bewegungsstörung rechts), oder ein Kind mit beidseitiger Feinkoordinationsschwäche. Seine Handdominanz und Handgeschicklichkeit (feinmotorischer Entwicklungs- und Übungsstand) müssen mit speziellen Test-verfahren von einem Psychomotorik-Therapeuten geprüft werden.

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Es ist wichtig, dass die Lehrperson die Schreibhaltung und die Bewegungsabläu-fe beim Schreiben, neben dem Kind sitzend, auch mit seiner linken Hand vor-zeigt (Nachahmung!).

Bild D Lage des Blattes oder Heftes

Tischkante

Rechtshänder:

Blatt wenig nach rechts verschoben, leicht nach links schräg

Tischkante

Linkshänder:

Blatt wenig nach links ver-schoben, leicht nach rechts schräg

AG Grafomotorik: Ursula Sigrist, Franziska Spalt, Hanspeter Egloff, Regula Bauer

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Literaturverzeichnis

NAVILLE, S. / MARBACHER, P.:

Vom Strich zur Schrift. Ideen und Anregungen zum graphomotorischen Training. Verlag moder-nes Lernen, Dortmund 1987

PASSIGATTI, C. / GUNTERN, K.:

Arbeitsmappe „Hand- und Graphomotorik“. Verlag KgCH, Verband KindergärtnerInnen Schweiz, 1997

SEEHOLZER, R. / SPIEGELBERG, C.:

Spielkoffer, Begleitheft zum Diplomprojekt HfH Zürich, 2002

KISCH, A. / PAULI S.:

Geschickte Hände. Feinmotorische Übungen für Kinder in spielerischer Form. Verlag modernes Lernen, Dortmund 1993

WACHTER, E. / BRÄM, W.:

„Schnüerlischrift“, Einführung, Unterrichtseinheit für den individualisierenden Unterricht, Verlag der Elementarlehrerinnen und Elementarlehrerkonferenz des Kantons Zürich, Bahnhofstr. 20, 8320 Fehraltorf, Tel. 01 955 12 84, ELK 1995