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Aschenbrödel Von Karl August Görner

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Aschenbrödel

Von Karl August Görner

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[U1]

ASCHENBRÖDEL

[Z]aubermärchen in 6 Abth. v. Görner.*

[1]

ASCHENBRÖDEL,

ODER

DER GLÄSERNE PANTOFFEL

Zaubermärchen in 6 Abtheil[ungen]

von Görner.

Hartha bei Waldheim den 21 October 1882 R.D.

* Karl August Görner: Aschenbrödel, oder Der gläserne Pantoffel. Zaubermärchen in 6 Abtheil[ungen] von [Karl August] Görner. Theaterwissenschaftliche Sammlung der Universität zu Köln / Schloss Wahn, Sign. 1493. Handschrift. Format: 17,5 x 21,8 cm, fadengebundenes Heft. Transliteration: Corinna Bargehr, Stephanie Goedec und Beatrix Müller-Kampel. Orthographie und Interpunktion wurden im Haupttext beibehalten, im Nebentext (Regieanweisungen) der leichteren Lesbarkeit und Verständlichkeit halber vereinheitlicht und vervollständigt. Mit Makron (Balken) mar-kierte Gemination wird mit »[mm]« / »[nn]« aufgelöst. Vom Schreiber nachträglich eingefügte Zei-chen, Wörter und Satzteile sind zwischen »{ }« gesetzt. Durchgestrichener Text wurde so übernom-men. © Mit freundlicher Genehmigung der Theaterwissenschaftlichen Sammlung der Universität zu Köln / Schloss Wahn.

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Karl August Görner: Aschenbrödel http://lithes.uni-graz.at/texte.html

[3]

PERSONEN.

König Kakadu.

Prinz Wunderhold.

Hofmarschall Grasemück.

Minister Wiedehopf.

Baron von Monte-Contecucolorum (Caspar)

Rosa, dessen Tochter gen. Aschenbrödel.

Sybilla, Gemalin des Barons.

Kunigunde deren Töchter aus erster Ehe.

Berasine

Frau Walburgis [ / Wallburgis], Rosa’s Pathe eine mächtige Fee.

Syfax deren Diener.

Fridolin, Stallmeister. .

Ein Diener.

Hochzeitsgäste, Hofleute, Gnomen, Zwerge, Tänzer, Tänzerinnen und Hofdiener.

[5]

ERSTE ABTHEILUNG.

Wohnzimmer beim Baron, auf der linken Seite ein Kamin,

in der Mitte ein gedeckter Tisch.

1 Scene.

ASCHENBRÖDEL.

ASCHENBRÖDEL. Ach wie traurig ist es doch für mich nichts kann ich der Stiefmutter recht

machen, und stets muß ich ihre üble Laune ertragen, während ihren Töchtern – meinen

Stiefschwestern, – alles, alles Gute und Liebe an

[6]

gethan wird und mein armer Vater sich ebenfalls fügen muß! – O du meine gute selige

Mutter, wenn Du doch noch lebtest, da wäre es freilich besser für mich! Mein einziger

Trost ist auf dieser für mich so öden Welt, – am Grabe meiner Mutter weinen und beten

zu können.

Es klopft.

Was war das? Wer begehrt Einlaß?

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2 Scene.

ASCHENBRÖDEL. SYFAX als Bettler verkleidet mit langen weißem Bart.

SYFAX. [7]

Ein armer Mann von Haus und Hof fortgetrieben, bittet um einen Trunk und ein

Stückchen Brod, – auch bin ich recht müde und möchte gerne einige Minuten ausruhen, o!

bitte mein holdes Kind gib mir.

ASCHENBRÖDEL. Du dauerst mich, da geh’ in dieses Zimmer, es ist zwar finster dort, doch

ungestört wirst Du einige Zeit ausruhen können. Da ni[mm] und iß mein Frühstück,

Deinen Hunger wird es einstweilen

[8]

stillen.

SYFAX. Hab’ tausend Dank, der liebe Gott wird Dich dafür segnen, ich werde beten für

Dich, damit sich Dein Loos bessert. Langsam ab.

ASCHENBRÖDEL. Was sagte er, damit sich dein Loos bessert? Woher weiß er, daß ich eine

üble Behandlung habe von meiner Mutter und deren Töchtern.

3 Scene.

BARON. BARONIN. KUNIGUNDE. BERASINE. [9]

BARONIN. Bist du mit Deiner Arbeit fertig?

ASCHENBRÖDEL. Gleich liebe Mutter bin ich fertig!

BARONIN. Ich habe Dir schon hundertmal befohlen, daß du mich nicht Mutter nennen

sollst. Du bist häßlich und kannst nie die Tochter einer Knitterknatterschnatterhausen sein.

ASCHENBRÖDEL. Frau Baronin wie sie befehlen. [10]

BARON. Höre mal Frau, behandle meine Tochter nicht so streng.

BARONIN. Die ist {Du bist} und bleibt nur meine Magd.

ASCHENBRÖDEL. Ich bin keine Magd, sondern die Tochter des Baron

Montecontecucolorum.

BARONIN. Schweig! frisire meine Töchter, ehe wir zu Tische gehen.

ASCHENBRÖDEL. [11]

Theure Schwestern, wann wünscht ihr dieses?

KUNIGUNDE. Du bist nicht meine Schwester.

BERASINE. Du Kobold.

BARON. Sie ist meine Tochter, eure Mutter meine Frau, folglich eure Schwester.

KUNIGUNDE und BERASINE zugleich. Ha! Ha! Ha! Ha! unsere Schwester.

BARONIN nach dem Tisch sehend. Ha! was ist denn da geschehen? Hier fehlt ja [12]

ein Brodchen vom Frühstück, wer war der Freche, der solches sich erlaubte. Rede, oder ich

weiß nicht was ich thue!

ASCHENBRÖDEL. Ich hab’s.

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BARONIN. Du hast gestohlen!

ASCHENBRÖDEL. Ein armer Mann bat um ein Stückchen Brod, ich gab’s ihm.

BARONIN. Und das wagtest Du Dir? Nun gut; dafür wirst Du heute ohne [13]

Frühstück sein.

BARON. Meine Rosa, ich werde dir von den meinen geben.

ASCHENBRÖDEL. Mein guter Vater ich habe keinen Hunger, fühle ich mich doch befriedigt

einen armen Mann gespeißt zu haben.

BARONIN. Kommt meine Töchterchen, hier riechts nach Ruß und Rauch und dies ist für uns

nicht gut und Du mein Gemal folgst mir [14]

BARONIN. Und du Aschenbrödel machst alles blank.

Ab mit BARON und TÖCHTERN.

ASCHENBRÖDEL. ‘Sist gut, daß sie fort sind. Aber was soll ich thun?

4 Scene.

ASCHENBRÖDEL. SYFAX.

SYFAX. Geh zur Frau Base.

ASCHENBRÖDEL. [15]

Was war das? Ach Du bists’s, nun willst Du schon wieder fort?

SYFAX. Ja fort aus diesem Hause, wo der Hochmutstheufel seinen Sitz hat.

ASCHENBRÖDEL. Und wie meinst Du das?

SYFAX. Ich habe Alles mit angehört, Du dauerst mich mein gutes Kind.

ASCHENBRÖDEL. Alles gehört? Nun was gebt Ihr für einen Rath.

SYFAX. [16]

Geh’ zur Base.

ASCHENBRÖDEL. Kennst Du meine Base?

SYFAX. Ach ich kenne sie wol, es ist eine alte, gute, rechtschaffene, aber eigensinnige Frau,

geh’ zu ihr, und sie wird Dir helfen.

ASCHENBRÖDEL. Ja ich will hin zu ihr, o wie freue ich mich, sie einmal wiederzusehen, ich

habe sie so herzlich lieb.

SYFAX. Hab’ sie nur recht lieb, sie wird Dich [17]

dafür lohnen, wo sie nur kann; nun lebe wol, aber geh’ zur Base. Ab.

ASCHENBRÖDEL. O Du lieber Vater über den Sternen da droben, höre, höre auf mein

Flehen, reich mir deine Hand und hilf mir, damit ich unter der Last nicht umkomme.

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SYFAX hinter der Scene.

SYFAX. Geh’ zur Base.

ASCHENBRÖDEL. Ja ich will hin zu ihr. Aber erst will ich zum Grabe meiner Mutter [18]

und beten.

SYFAX hinter der Scene.

SYFAX. Auf zur Base!

ASCHENBRÖDEL. Was ich denken soll, weiß ich nicht. Ein Bettler kann er doch nicht sein.

Doch es nahen Schritte.

5 Scene.

BARON. BARONIN. KUNIGUNDE. BERASINE dann EIN DIENER.

BARON{IN}. Nun meine Rosa bist Du wol fertig?

ASCHENBRÖDEL. Bald werde ich alles vollendet [19]

haben.

BARONIN. Es wird auch Zeit, hast lange genug gebraucht.

{KASPAR} DIENER {tritt ein.}

tritt rechts ein [!] Der Haushofmeister wünscht im Auftrage seines Herrn des allergnädigsten

Landesfürsten seine Aufwartung zu machen.

BARON. Melde ihm {Es ist nicht möglich,} er sei willkommen.

DIENER ab.

BARONIN. Was wird er bringen? [20]

BARON. Das wirst du schon sehen. Daß die Weiber doch immer so neugierig sind.

BARONIN. Du bist unausstehlich. Solche Reden in Gegenwart meiner Töchter.

6 Scene.

VORIGE. HAUSHOFMEISTER.

HAUSHOFMEISTER Gott sei mit Dir mein alter Freund!

BARON. Mit Dir auch mein Freund.

HOFMEISTER Und guten Tag meine werthen [21]

Damen, bald hätte ich’s unterlassen ihnen meine Aufwartung zu machen.

BARONIN. Bitte, bitte mein Herr.

BARON. Nun sag’ mein Freund, wie geht’s Dir? Und was treibt Dich auf mein Schloß?

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HOFMEISTER Der König ladet alle seine Unterthanen zu einem Hofballe ein.

KUNIGUNDE. Zu einem Ball? [22]

HOFMEISTER. Ja mein Engelskind.

Berasine. Ach wie herrlich!

HOFMEISTER Ja meine verehrtesten Damen, der Zweck des Hofballes ist: der Prinz

Wunderhold unser Thronerbe will sich unter den Schönen des Landes eine Gemalin

wählen, zu welchem Behufe die Töchter des Barons auf dem Balle erscheinen sollen.

BARONIN [23]

für sich. Wenn eine meiner schönen Töchter das Loos treffen sollte des Prinzen Gemalin zu

werden, wie überglücklich würde ich dann sein.

HOFMEISTER Auch Du mein treuer Freund sollst mit deiner verehrten Familie sich

einstellen, man weiß oft nicht was sich schicken soll. Ein Ball ist mancher jungen Dame

Glück.

BARON. Ich werde mich pünktlich sammt [24]

meiner Familie einstellen.

HOFMEISTER Ich habe Eile; noch viele Einladungen habe ich noch zu machen. Adieu! Auf

wiedersehen auf dem Balle.

BARONIN. Ein Gleiches ist auch unser Wunsch.

HOFMEISTER ab.

BARONIN. Etwas angenehmeres konnte uns nicht vorkommen, als eine Einladung zum

Hofball.

{KASPAR.} Ich möchte überhaupt nur wissen wie wir [25]

hinkommen wollen.

[BARONIN.] Nun meine Töchterchen wenn eine von Euch das Glück haben sollte die

Gemalin des Prinzen zu werden, ich würde die glücklichste Mutter auf dieser Erde sein.

{KASPAR. Nu was willst.}

KUNIGUNDE. Ach ja, wenn das würde.

BERASINE. Nein nicht du, ich bin schöner als du.

ASCHENBRÖDEL. Mein lieber Vater, ich hätte an Dich eine Bitte.

BARON. [26]

Und worin besteht dieselbe?

ASCHENBRÖDEL. Auch ich möchte gern mit auf dem Ball.

BARON. Recht gern würde ich’s erlauben, aber meine Frau.

BARONIN. Daraus wird nichts, was will de[nn] so ein Aschenbrödel auf den Ball wie du bist.

ASCHENBRÖDEL. Ach dies einzige Mal, erfüllt mir diese Bitte. [27]

BARONIN. Nun gut ich werde Dirs erlauben.

ASCHENBRÖDEL. Tausend Dank.

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BARONIN. Nur nicht so eilig, erst hast du noch eine Arbeit zu verrichten, dann kannst du

gehen.

ASCHENBRÖDEL. Und gnädige Frau, worin besteht diese Arbeit.

BARONIN wirft eine Schüssel Linsen ins Kamin.

[28]

BARONIN. Wenn du diese Linsen aus der Asche lies’t, was in einer Stunde geschehen muß,

dann gehst Du mit.

ASCHENBRÖDEL. O weh, wie boshaft.

BARONIN. Kommt meine Töchterchen laßt uns unsere Ballkleider besorgen.

BARON. Der Weg nach der Residenz ist ein weiter, innerhalb eine Stunden müßten wir uns

zur Abreise rüsten.

ALLE ab bis auf ASCHENBRÖDEL.

[29]

ASCHENBRÖDEL. Hier liegt ein saub’res Stück Arbeit, ich kann diese Arbeit in einer Stunde

nicht fertig bringen, ach die böse Stiefmutter, sie ärgert mich, wo sie nur kann, ich habe

keine Freunde auf dieser Welt. O, ja doch, meine lieblichen kleinen Täubchen meinen es

noch gut mit mir. Sie sind meine Freunde und ein Geschenk meiner guten alten Base.

Es kommen die TAUBEN.

Ja wenn ihr helfen könntet, o gewiß ihr würdet es thun.

Die TAUBEN picken die Linsen auf.

Richtig sie helfen mir, [30]

so meine lieben Freunde Ihr macht es recht gut, ich will euch auch dafür recht lieb haben

und mein ganzes Zuckerbrot sei morgen Euer.

TAUBEN ab.

– So nun war meine Arbeit vollbracht, o wie freue ich mich, doch da ko[mm]en sie schon

wieder.

7 Scene.

ASCHENBRÖDEL. BARON. BARONIN. KUNIGUNDE. BERASINE.

BARONIN. Nun ha ha ha, bist Du fertig mit Deiner Arbeit, Du Aschenbrödel Du!

ASCHENBRÖDEL. [31]

Ja gnädige Frau, da seht her, da seht her, die Arbeit ist vollbracht.

BARONIN. Nicht möglich.

ASCHENBRÖDEL. Nun erfüllt mir auch, was Ihr mir versprochen habt.

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BARONIN. Daraus wird nichts, hast ja kein Kleid und kannst auch nicht tanzen, was willst

Du da auf den Ball.

ASCHENBRÖDEL. Meine Mutter hat mir mehr Kleider hinterlassen als manche Grafen-

[32]

tochter besitzt.

BARONIN. Die Kleider passen nicht für Dich, die gebe ich meinen schönen Töchtern, nun

bist du still und bleibst zu Hause. Ich will haben, daß Du die Wirthschaft versorgen sollst,

oder die härteste Strafe ist dein Loos.

BARON. Meine Tochter Rosa, recht leid thust Du mir, bitte bleib Du da, vielleicht paßt’s ein

andermal, ich bringe Dir auch etwas schönes mit.

ASCHENBRÖDEL. [33]

Mein lieber Vater für Deine guten Worte dank ich Dir.

BARONIN. Nun laß uns gehen.

BARON. Meine Tochter gute Nacht.

ASCHENBRÖDEL. Gute Nacht mein lieber Vater und Euch meinen werthen Schwestern

wünsch’ ich viel Vergnügen.

KUNIGUNDE. Ich wünsch Dir viel Vergnügen in der Asche.

BERASINE. [34]

Veranstalte Du einen Ball mit den Besen und Tellern in der Küche.

ASCHENBRÖDEL. Allein bin ich nun wieder, wunderbar wol ist es mir wenn ich allein sein

kann. Doch jetzt schnell zur Base, dort will ich mir einmal Rath holen und mein Herz

ausschütten.

[35]

ZWEITE ABTHEILUNG.

Garten mit Laub, eine Bank ein Tisch zu verwandeln.

1. Scene.

WALBURGIS sitzt.

WALBURGIS. Hihihihi, der Ulmenrausch verkündet mir, daß ich einen Besuch empfange, ich

weiß sehr wol wer es sein kann. Habe ich doch erst eine Kundschaft ausgesendet zu

meinen Schwestern Kind, welches [36]

ich aus der Taufe gehoben habe. Hihihihi ich weiß sehr wol, daß es ihr schlimm geht.

Obgleich sie es gegen fremde Leute nicht merken laßt , fahr’ nur so fort mein Kind auf das

es Dir wol geht. Doch halt, da kommt ja mein getreuer Syfax retour, was für Kundschaft er

mir bringt weiß ich, aus der geheimen Kraft der guten Zauberei und was sonst noch dabei

verbunden ist. Niemand ahnte daß ich eine Fee bin, die unter den Namen Walburgis im

Verborgenen

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[37]

lebt und wirkt. Hierher mein getreuer Diener, Du hüter meiner alten Tage, sag an: was

macht meiner seligen Schwester Kind?

2 Scene.

VORIGE SYFAX.

SYFAX. Wie Du mir befohlen, bat ich als armer Mann um einen Trunk und um ein

Stückchen Brod, sie ahnte nicht, daß ich dein Diener bin. Sie führte mich in ein Gemach,

beschenkte mich mit ihren Butterbrödchen, weshalb sie von [38]

ihrer harten Stiefmutter arg beschimpft wurde und zur Strafe selbst nichts zu essen bekam.

Du hättest nun die Sanftmuth sehen sollen.

WALBURGIS. Ganz nach ihrer Mutter Art, und ich werde sie in Schutz nehmen. Ließ sich die

Rosa nichts merken von all den Unbill, daß sie ertragen muß.

SYFAX. Nein, nicht das Geringste, kein Sterbenswörtchen ließ sie merken. [39]

WALBURGIS. Das freut mich vom ganzen Herzen.

SYFAX. Hätte ich nicht von meinem Verstecke aus lauschen können, welche harte

Behandlung sie ertragen muß, ich würde es nicht erfahren haben.

WALBURGIS. Und glaubst Du, daß sie mich besuchen wird?

SYFAX. O gewiß. Jeden Augenblick kann [40]

sie kommen.

WALBURGIS. Monate sind verflogen, seit sie mich besuchte, wie ist ihr Aussehen? Sprich? –

SYFAX. Mit Recht führt sie den Namen Rosa, gleicht sie doch der schönsten Rose, die je in

deinem Garten hat geblüht, doch still, ko[mm]t dort vom Kreuzweg nicht ein Mädchen – –

– o, ja sie ist es.

WALBURGIS. Geh’ zur Seite und komme wenn [41]

ich Dich rufe.

SYFAX. Wie du befiehlst. Ab.

3 Scene.

WALBURGIS. ROSA.

ROSA Hier wär ich an Ort und Stelle, wie ist doch alles so heimisch hier, wie wird mich die

gute alte Base empfangen, recht böse ist es von mir, daß ich sie so lange nicht besuchte.

Wo mag sie wol weilen, die gute alte Frau?

WALBURGIS barsch. Wer ist da? Wer schleicht [42]

sich in meinen Garten herum? Ich will es wissen!

ASCHENBRÖDEL. Ich bin es, Deine Pathe. Wie Du mich erschreckt hast, als ob ich Dir nicht

willkommen wäre, Du bist so rauh und barsch gegen mich, die Dich so sehr liebt.

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WALLBURGIS. Leute die nur Hülfe suchen, sobald sie in Noth sind, heiße ich nicht

willkommen, in den Tagen der Freude wissen sie mich nicht zu suchen; doch komm her,

was [43]

führt dich zu mir?

ASCHENBRÖDEL. Ich wollte Dich einmal sehen, und mir dir ein wenig plaudern.

WALLBURGIS. Und ist es wahr, daß du mich lieb hast?

ASCHENBRÖDEL. O von ganzer Seele, ja wie mein Leben.

WALLBURGIS. Und warum kommst Du erst heute einmal.

ASCHENBRÖDEL. [44]

Ach nicht einmal zum Grabe meiner Mutter darf ich eilen.

WALLBURGIS. Und warum nicht?

ASCHENBRÖDEL. Weil ich stets in der Küche sein muß.

WALLBURGIS. Komm, setz dich her zu mir. Wo ist eine Stiefmutter?

ASCHENBRÖDEL. Die Eltern und Schwestern sind zum Hofball, den der König giebt. [45]

WALLBURGIS. Du bist ein recht schönes Kind geworden. Hihihihi! und das ist mir lieb; mein

Pathchen muß stets die Schönste sein.

ASCHENBRÖDEL. Ich hätte nicht geglaubt, daß Du schmeicheln kannst.

WALBURGIS. Ich schmeicheln? Nie! – Nur die Wahrheit rede ich. – Aber erzähle mir doch,

was du weißt.

ASCHENBRÖDEL. Der Haushofmeister kam im

[46]

Auftrage des Königs und lud meine Schwestern zum Balle ein und sie werden kommen,

umsomehr der Prinz sich eine Gemalin suchen will.

WALLBURGIS. Der König seinen Sohn vermälen dem Prinzen Wunderhold, der Liebling des

ganzen Volkes.

ASCHENBRÖDEL. Ja so ist es.

WALLBURGIS. Und du hättest auch Lust mit zum Hofball zu gehen. [47]

ASCHENBRÖDEL. Ja recht große Lust hatte ich: doch die Stiefmutter gab es nicht zu, daß ich

mitgehen soll, und übrigens sind mir alle Kleider genommen und meinen Stiefschwestern

gegeben.

WALBURGIS. Die böse Frau, des Himmels Strafe wird sie treffen.

ASCHENBRÖDEL. Zürne ihrer nicht, sie ist die Frau meines guten Vaters.

WALLBURGIS. [48]

Ich freue mich mein Kind über Dich, Dein schuldloses Herz zeigt sich deutlich.

ASCHENBRÖDEL. Der gute liebe Vater dauert mich, da er stets die üblen Launen ertragen

muß.

WALLBURGIS. Aber meine Rosa, wenn ich dich trotz deiner Stiefmutter auf den Ball gehen

ließe?

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ASCHENBRÖDEL. Ich? In diesem Kleide und den weiten Weg ohne Wagen? [49]

WALBURGIS. Davon ist keine Rede. Doch wenn Du zum Balle gehen willst, mußt Du auch

tanzen können. Kannst Du es?

ASCHENBRÖDEL. Tanzen? – – nein – – ich habe es noch nicht probirt.

WALBURGIS. Hast Du schon einmal tanzen gesehen?

ASCHENBRÖDEL. Nein noch nicht, doch glaube ich, wenn man es sieht, lernt man es [50]

gleich.

WALLBURGIS. Wollens einmal versuchen. Ruft. Syfax!!

ASCHENBRÖDEL. Wer soll denn tanzen? vielleicht gar Du ha ha ha!

WALBURGIS. Ich, nein!

SYFAX. Das erste Ballet erscheine!

[Sechzehntelnoten]. Musik Polka Methamorphosenballet.

WALBURGIS. Verschwindet! Für heute ist’s genug. [51]

ASCHENBRÖDEL. Hahaha! das war recht komisch mit anzusehen, das war also die Kunst,

was man tanzen nennt?

WALLBURGIS. Und wie gefiel es dir?

ASCHENBRÖDEL. Ei, ich hätte mir es schöner gedacht.

WALLBURGIS. Das zweite Ballet, die Krone meines Hauses.

SYFAX. Zu Befehl! Das zweite Ballet erscheint. [52]

[Sechzehntelnoten] Musik Polka Metamorphosenballet.

WALLBURGIS. Nun wie gefällt es Dir mein Kind, bekommst Du keine Lust zum Tanzen, und

noch dazu auf den Hofball mit dem Prinzen Wunderhold.

ASCHENBRÖDEL. Aber bitte, treibe keinen Spaß mit mir, Du kränkst mich, denn ich kann

nicht mit dem Kleide zu Balle gehen.

WALLBURGIS. Ich will es aber haben, ein Kleid [53]

will ich schaffen.

ASCHENBRÖDEL. Habe tausend Dank, Du liebe Tante.

WALLBURGIS. Das schönste Kleid auf dem Balle sollst Du haben.

ASCHENBRÖDEL. Das Kleid verwandelt sich in ein sehr reiches glänzendes aus Silber.

WALLBURGIS. Nun wie gefällt Dir das?

ASCHENBRÖDEL.

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[54]

Ausgezeichnet schön! O wie reizend steht es mir, habe tausendfachen Dank, meine gute

theure Base, doch wie soll ich den weiten Weg zum Königschlosse machen.

WALBURGIS. In einer feinen Kutzsche, wie Du noch keine gesehen hast, mein Syfax mag

Dich begleiten.

SYFAX. Ich bin gleich bereit.

WALBURGIS. Rosa, höre mich an; Du kommst [55]

an Deiner Mutter Grab vorbei, dort steig aus und sprich: „Ullmenbaum schüttle Dich,

zwei gläserne Pantoffel wirf über mich.“ – Ni[mm] dann die zwei Pantoffel, zieh sie an und

Du wirst ausgezeichnet tanzen. Aber länger als bis 12 Uhr bleibe nicht, sag auch nicht, wer

Du bist. Niemand wird Dich erkennen. Also bis 12 Uhr!

ASCHENBRÖDEL. O wie glücklich und selig, hast Du mich gemacht.

WALBURGIS. [56]

So steig’ nun in den Wagen. Vielleicht wirst Du nun bald ein Bräutelein.

ASCHENBRÖDEL steigt ein.

ASCHENBRÖDEL. Gute Nacht, gute Nacht meine liebe Base.

WALBURGIS. Gute Nacht. Viel Vergnügen.

Der Wagen fährt unter Musik [Achtelnoten] ab.

[57]

DRITTE ABTHEILUNG.

Thronsaal Rechts ein Thron, links eine Bank.

1. Scene.

PRINZ WUNDERHOLD. MINISTER.

PRINZ. O Himmel Du so mild, zeig mir noch einmal ihr Bild. Wo es weilen mag, das Bild

meines Traumes, das Ideal, nachdem ich bis jetzt vergebens geforscht.

MINISTER. [58]

Sie hier mein Prinz, vergebens suchte ich sie in des Vorsaales Hallen, find sie doch wieder

so verstimmt, was ihren Vater so sehr viel Kummer bereitet hat.

PRINZ. Was bringt ihr mir?

MINISTER. Der König wünscht Ew. Hoheit zu sprechen.

PRINZ. Wo weilet mein Vater?

MINISTER.

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[59]

In seinem Zimmer.

PRINZ. Ich werde gehen. Ab.

MINISTER. Unseren Prinzen wird schwer zu helfen sein, ein Liebestraum beschäftigt seine

Phantasien. Doch still, es kommen Gäste, ich will unbemerkt mich entfernen und

lauschen. Ab.

2. Scene.

BARON. MONTECONTECUCOL. BARONIN. KUNIGUNDE. BERASINE.

BARON. [60]

Gott sei Dank, daß wir an Ort und Stelle sind, recht angegriffen hat mich die Reise, wenn

nur der Ball schon vorüber wäre, ich wünschte ich wäre zu Hause geblieben.

BARONIN. Das Fest wünschte ich, möchte nicht lange dauern und günstig für meine Töchter

ablaufen.

BARON. Bilde Du Dir nur nichts ein, Du als eine Knitterknatterschnatterhausen, daß der

Prinz deine Töch- [61]

ter wählen wird.

KUNIGUNDE. Warum kann das nicht werden? Bin ich doch schön und tugendhaft!

BERASINE. Nein, ich bin es nur allein!

BARON. Für eure Schönheit gibt Niemand eine Bohne Kaffee, und eure Tugend ist nicht

weit her.

BARONIN. Beleidigen sie meine Töchter nicht, die wie die Rosen blühen.

BARON. [62]

Aber riechen thun sie nicht. An den Rosenstrauch woran sie blühen blieb ihre Tugend

hängen.

BARONIN. Unerhört! – – Ich bin einer Ohnmacht nahe.

BARON. Schnell ein wenig Ohnmachtpulver aus den Beinen einer Ente fabricirt, dann wirds

besser.

BARONIN. Kommt, lieben Töchter, laßt diesen Mann allein. [63]

BARON. Geht, immer geht; ich erlaube es gern. Doch still mein Täubchen es nahen Schritte.

3. Scene.

VORIGE. MINISTER. STALLMEISTER.

MINISTER. Guten Tag mein Freund, wie gehts?

BARON. Mein Freund ich danke – passable!

STALLMEISTER Auch ich freue mich, Dich einmal wiederzusehen.

BARON. Ah sieh mein lieber Freund. Bist

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[64]

ja recht dick geworden Fridolin.

MINISTER. Ja, seit dem er Wittwer geworden nimmt er zu.

BARON. Ja die Weiber! Die bösen Evastöchter!

MINISTER. Ich freue mich, die Bekanntschaft der hohen Frau zu machen.

STALLMEISTER Nehmen sie, meine Damen, meinen Schutz in diesen Räumen an.

BARONIN. [65]

Ehre genug für mich und meine Töchter.

MINISTER. Stolz können sie auf ihre Töchter sein; schönere Mädchen sah man nie am Hofe.

STALLMEISTER Ich glaube, die Eine wird des Prinzen Braut!

KUNIGUNDE. Man scheint bei Hofe gut schmeicheln zu können.

BERASINE. [66]

Das glaub ich nicht.

BARON für sich. Ich wünschte, ich würde sie alle los und auch die Alte.

MINISTER. Indem Augenblick muß der König erscheinen und jeden Augenblick kann das

Fest beginnen.

KUNIGUNDE. Mir ist recht bange.

BERASINE. Und wie werde ich zu tryumphiren wissen. [67]

BARON. Ich wünschte das Fest wär’ aus.

HAUSHOFMEISTER Der König wird erscheinen, bringt ihm ein Hoch.

4. Scene.

VORIGE. KÖNIG.

KÖNIG. Gott grüße Euch meine Herren und Damen

ALLE Der König lebe hoch!!!

[Trompete] {Tusch.}

KÖNIG. Ich danke Euch. Doch wisset, ich berief Euch hierher, da es das Wol meines [68]

Sohnes verlangt.

ALLE Ja das wissen wir.

KÖNIG. Mein Junge macht mir sehr viel Kummer; er wird alle Tage dummer.

ALLE Nicht möglich.

KÖNIG. Einst schlich ich ihm nach im Grase, fiel dabei derb auf die Nase.

ALLE O weh! [69]

KÖNIG. Ja er muß unter die Haube.

ALLE Das ist schön.

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KÖNIG. Wer sind diese beiden Damen?

BARON. Die Töchter der Frau, geborene von Knitterknatterschnatterhausen.

KÖNIG. Wie gern würde ich Eine von den beiden Damen, als meine Schwiegertochter

willko[mm]en heißen. [70]

BARON für sich. Der König sollte mich sehr dauern, wenn er eine solche Pest an den Hals

gehängt bekommt.

5. Scene.

VORIGE. PRINZ kommt.

PRINZ. Mein hoher Vater, ich bin heute müde.

KÖNIG. ALLE. Der Prinz er lebe hoch!

PRINZ. Ich dank Euch von ganzen Herzen.

KÖNIG. Du weißt zu welchem Behufe ich meine Unterthanen zu mir ge [71]

laden habe und heute mit ihren Töchtern zu erscheinen.

PRINZ. Ja leider! Doch vergebens wird es sein. Das Abbild meines Traumes wird nicht zu

finden sein. Du Himmel so mild, zeig mir noch einmal ihr Bild. Zu KUNIGUNDE. Du bist

für heute meine Auserwählte.

6. Scene.

VORIGE. DIENER. {HAUSHOF[MEISTER.}

HAUSHOFMEISTER. Mein Herr und König, soeben ist eine sehr kostbare Karosse

vorgefahren, aus welcher eine junge

[72]

Dame stieg und Einlaß begehrte. Ab.

KÖNIG. Laßt sie herein. Wer muß sie sein?

7. Scene.

VORIGE außer Diener. ASCHENBRÖDEL.

ASCHENBRÖDEL. Verzeiht, wenn ungeladen ich erscheine hier, nur eine Stunde erbitte ich

mir.

KÖNIG. Recht herzlich sei willkommen.

ASCHENBRÖDEL. Wofür ich herzlich dankbar bin. [73]

PRINZ zu Aschenbrödel. Gott sei mit Dir, schon längst suchte ich Dich; o weiche nicht von

mir; ja Du bist das einzig wahre Bild, daß ich gesehen hab’ im Träume.

ASCHENBRÖDEL. Welche hohe Ehre wird mir zu Theil.

PRINZ. Du bist Die, welche ich meine, Die nur allein ich liebe.

BARONIN für sich. Wer muß sie sein.

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KUNIGUNDE. [74]

Eine Landstreicherin!

BERASINE. Welche Abenteuer sucht.

BARONIN. Pfui welche Schande!

PRINZ. Mein Vater so laß beginnen den Ball.

KÖNIG. Dein Wunsch ist auch der meinige, die geehrten Herren und Damen bitte ich, sich

im Ballsaal zu verfügen! [75]

ALLE paarweise ab bis auf

8. Scene.

BARON. BARONIN & TÖCHTER.

BARONIN. Wer muß diese Dame sein?

BARON. Ich kenn sie nicht, aber schön finde ich sie.

BARONIN. Eine Landstreicherin vermuthlich, da sie ihren Namen nicht nannte.

BARON. Frau zügle Deine Zunge, aus Dir spricht Neid, weil der Prinz nicht Deine Töchter

beliebäugelte! [76]

BARONIN. Meine Töchter sind besser, als die Deine – meine Magd! –

BARON. Vor welcher Du noch einmal das Knie beugen wirst!

BARONIN. Hahahaha! Diese Dummheiten.

BARON. Ich gehe in den Saal. Ab.

BARONIN. Und ich werde diese Abenteuerin belauschen. Ab. [77]

KUNIGUNDE. Welche Schande! Der Prinz und der ganze Hof läßt uns stehen.

BERASINE. Ach wäre ich doch lieber zu Hause geblieben.

KUNIGUNDE. Und wie hochmütig die Fremde ist! Komm wir wollen in den Garten gehen.

BEIDE ab.

9. Scene

ASCHENBRÖDEL dann PRINZ.

ASCHENBRÖDEL. Unbemerkt habe ich mich entfernt! Wie schön ist doch der Prinz, wie lieb [78]

seine Sprache! Wie schwer geh’ ich von dannen. Jedoch die Mitternachtsstunde naht und

dann muß ich fort. Will fort.

PRINZ. Halt! Endlich habe ich Dich wieder gefunden, – aber wo willst Du hin mein Alles?

ASCHENBRÖDEL. Ich muß scheiden, ein Wort bindet mich.

PRINZ. Du bist geheimnisvoll, bitte sag’ mir, wo willst du hin und wo

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[79]

kommst Du her?

ASCHENBRÖDEL. Das sei zur Zeit noch ein Geheimniß mein Prinz, bitte zürnen sie mir

nicht!

PRINZ. Bitte nenne mich Du, Du mein zweites ich.

ASCHENBRÖDEL. Und darf ich’s wagen?

PRINZ. O, ich bitte Dich darum.

ASCHENBRÖDEL. Nun so sei es dann. [80]

PRINZ. Du hast hier einen Blumenstrauß an Deiner Brust. Drei Blumen davon mögen mir

enthüllen, was du nicht sagen willst.

ASCHENBRÖDEL. Es sind meine Lieblingsblumen.

PRINZ. Hier dies Röslein sagt mir, daß Du Rosa heißt, nicht wahr? Du Herzallerliebste mein.

ASCHENBRÖDEL. O weh! Nun weißt Du es. [81]

PRINZ. Das Zweite hier – ein Stiefmütterchen – verräth mir viel.

ASCHENBRÖDEL. Was soll das Blümlein Dir verrathen?

PRINZ. Daß deine Mutter todt ist und Du eine Stiefmutter hast.

ASCHENBRÖDEL. Ach ja, auch das trifft ein.

PRINZ. Und die Dritte nun, meine liebe Maid, diese Blume verräth mir, [82]

daß Du mich liebst; ich soll Dich nicht vergessen. Nein, Dein vergessen werde niemals,

Dich liebe ich. Ja wie mein Leben und – auch Du liebst mich – das sagt mir Alles, das

Vergißmeinicht.

ASCHENBRÖDEL. Ich liebe alle Leute.

PRINZ. Und wol mich am meisten?

ASCHENBRÖDEL. Noch niemals brach ich meinen Schwur, da ich noch niemals einen [83]

gab.

PRINZ. Und wann werden wir uns wiedersehen?

ASCHENBRÖDEL. Sobald es Gott gefällt. Aber ich muß bald fort.

PRINZ. Nicht wahr, dann kommt keine Trennung mehr?

ASCHENBRÖDEL. Die Stunde schlägt.

Es schlägt 12 Uhr.

Ich muß nun scheiden. Leb’ wol! Gott sei Dein Vater!! [84]

PRINZ. Und darf des Wegs ich dich begleiten?

ASCHENBRÖDEL. Nur jetzt noch nicht.

PRINZ. Da eilt sie hin, wie auf Zephyrwellen getragen von der Liebe Lauf; mich aber läßt sie

hier zurück, das Hoffen nur bleibt mein Geschick. O bitte, Du Himmel so mild, zeig mir

noch einmal ihr geliebtes Bild! –

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[85]

[Achtelnoten] Adagio. Hintergrund erscheint ASCHENBRÖDEL am Grabe

knieend mit bengalischer Beleuchtung.

[86]

VIERTE ABTHEILUNG.

Küche, Heerd. Teller Schüsselbret mit Schüsseln, Besen, bewechlich.

1. Scene.

ASCHENBRÖDEL am Heerde sitzend dann SYFAX.

ASCHENBRÖDEL. Verschwunden sind nun die schönen Stunden. – Ob er wol meiner

gedenken mag? – o gewiß! Diese Worte kamen nur aus unverdorbenen Herzen. [87]

SYFAX. Rosa bist du es?

ASCHENBRÖDEL. Ach du bist’s du hast mich recht erschreckt. Was bringst du mir?

SYFAX. Tausend Grüße von deiner Base, sie wird dich heute, wenn alles schläft besuchen.

ASCHENBRÖDEL. wie freue ich mich darauf, damit ich ihr danken kann für die große Freude

die sie mir bereitete. [88]

SYFAX. Und wie ist dir der Ball bekommen?

ASCHENBRÖDEL. Ganz gut wie du sehst. Aber eine große Ueberraschung ist mir zu Theil

geworden als ich in die Küche trat.

SYFAX. Und was für Eine?

ASCHENBRÖDEL. Ich fand alles blank gescheuert und geputzt, ja selbst den Kamin gefegt,

wie er noch nie-

[89]

mals war. Wer muß das gethan haben?

SYFAX. Das kann ich mir denken.

ASCHENBRÖDEL. O bitte, sag’ es mir.

SYFAX. die treue Dienerschar deiner guten Base.

ASCHENBRÖDEL. O wie gut sie ist.

SYFAX. Nun will ich aber gehen, damit mich Niemand sieht. [fehlt 1 Blatt]

[90]

liebe, und da ich weiß, daß er meine Liebe erwidert.– Ich höre Geräusch.

Geht ans Fenster.

Ach sie kommen zurück. Wie boshaft die Stiefmutter ausssieht, wie bleich aber ihre

Töchter. Der Vater hingegen ist vergnügt wie immer. Jetzt schnell hierher gesetzt.

Setzt sich so, als ob sie schliefe.

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2 SCENE.

ASCHENBRÖDEL. BARON. BARONIN. KUNIGUNDE. BERASINE.

BARON. Gott sei dank, daß ich wieder [91]

zwischen meinen vier Wänden bin, zu Hause ist doch zu Hause.

BARONIN. Wo ist denn meine Magd? Deine Tochter!

KUNIGUNDE. Sie sitzt auf der Bank und schläft!

BERASINE. Und träumt vom Balle.

BARONIN. Steh’ auf, du faule Dirne, verrichte deine Arbeit wie sich’s gehört, die Sonne steht

schon hoch und [92]

zum Faulenzen ist keine Zeit!

ASCHENBRÖDEL steht auf.

ASCHENBRÖDEL. Wo bin ich? Noch schlief ich so schön, ich war so müde. Guten Morgen

mein lieber Vater, auch Ihnen – meine Damen – wünsche ich ein Gleiches.

BARON. Guten Morgen, meine liebe rosa, ich hab’ dir auch vom Balle Bonbons mitgebracht.

ASCHENBRÖDEL. Wofür ich dir herzlich dankbar [93]

bin, sag’ wie ist dir der Ball bekommen?

BARON. Gut, meine Tochter, habe oft an dich gedacht.

KUNIGUNDE höhnisch. Nun Aschenbrödel wie ist dir denn der Ball bekommen?

ASCHENBRÖDEL. Ich träumte vom Ball und das war so gut, als ob ich dort gewesen wäre.

BERASINE. Der Prinz tanzte nur mit mir! [94]

ASCHENBRÖDEL. So, so!

BERASINE. Der Prinz wird vielleicht eine von uns Beiden zu seiner Gemalin wählen,

jedenfalls mich, dann Aschenbrödel – dann kannst du die Stelle der Küchenmagd mit einer

Kammerzofenstelle vertauschen.

ASCHENBRÖDEL. Ich bleibe bei meinem Vater.

BERASINE. Wenn ich will, so – – – [95]

BARON. Hier bin ich der Herr im Hause, nicht Ihr und Rosa ist meine Tochter. Wer sie

beleidigt, beleidigt auch mich!!!

KUNIGUNDE. Hahahaha!

BARONIN. Hast du Alles nach meiner Anordnung gemacht?

ASCHENBRÖDEL. Ganz nach Eurem Wunsch.

BARONIN. So laßt uns nun in unsere

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[96]

Gemächer zurückziehen, wir bedürfen der Ruhe.

BERASINE. Ja recht sehr.

BARON. Wenn Jemand kommt, ich schlaft.

ALLE ab bis auf

ASCHENBRÖDEL. Gut, daß sie fort sind; nein, es ist kaum zum Anhören, – so zu lügen. –

Wenn ich nicht selbst auf dem Ball gewesen wäre, so müßte ich es wahrlich glauben, nur

gut, daß ich es [97]

besser weiß.

Es klopft.

Wer ist draußen?

3 Scene.

ASCHENBRÖDEL. WALBURGIS.

WALBURGIS. Guten Tag, mein Röschen. Hihihi! Icch muß deinen Besuch erwidern. Sage mir

doch, wie gefiel dir der Ball?

ASCHENBRÖDEL. Guten Tag, meine herzige gute Base, o ich kann dir nicht genug danken,

für die überaus große Güte und Liebe, mit welcher du mich überhäuft hast. Ach auf dem [98]

Balle wars so schön.

WALBURGIS. Und wie gefiel dir der Prinz? Hihihihi! Nicht wahr ein schöner Mann?

ASCHENBRÖDEL. Ach ja; recht sehr schön! Er tanzte stets mit mir.

WALBURGIS. Das ist schön, so wollte ich es haben, und sprach er von Liebe mein Kind?

ASCHENBRÖDEL. Er gestand mir seine Liebe. [99]

WALBURGIS. Schön, so wollte ich es auch haben, und du liebst ihn doch wieder, hast ihn

gewiß recht tief in die Augen geschaut.

ASCHENBRÖDEL. Warum soll ich ihn nicht lieben, wie uns Gott vorgeschrieben?

WALBURGIS. Aber einen Menschen liebt man mehr als den andern. Eins wollte ich dir noch

sagen: „Der König hält heute noch einen Ball ab und ladet nochmals [100]

alle Schönen des Landes ein, der Prinz – sein Sohn noch keine Wahl getroffen hat. Auch

du mußt wieder mit hin. Den Syfax sende ich ebenfalls wieder mit; der wird unsichtbar und

von Niemand gesehen, stets in deiner Nähe sein, um dich zu beschützen, denn deine

Stiefmutter schmiedet ein Complott gegen dich, welches ihr aber nicht gelingen soll. Dieser

Ball wird viel, sehr viel entscheiden, doch [101]

genug, du gehst also heute wieder auf dem Ball mein Kind.“

ASCHENBRÖDEL. Ach gute liebe Pathe, wie freue ich mich darauf; doch wer verrichtet mein

Amt hier?

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WALBURGIS. Das laß mich nur besorgen, es wird mir schon gelingen. Ich will tryumphiren,

doch nicht wie deine Stiefmutter, die ich hasse, deren Feindin ich bin. [102]

ASCHENBRÖDEL. Ich glaubte du hättest gar keine Feinde.

WALBURGIS. Wer deine Feinde sind, sind auch die meinigen. – Wenn dein Vater mit seiner

Frau und deren Töchtern fort sind, dann halte dich zum Aufbruch bereit. Mein Syfax wird

dich abholen. Du gehst ans Grab deiner Mutter, dort wirst du gläserne Pantoffeln finden,

vergiß nich, sie mitzunehmen. [103]

ASCHENBRÖDEL. Alles thue ich, was du willst.

WALBURGIS. Ich will nun fort, hab’ ja auf Alles Acht, um Mitternacht aber kehre wieder

heim, auch dann wenn dir der Abschied schwer werden sollte. Es kommt zu deinem

Glück, nun weißt du Alles mein liebes Kind. Leb wol. Ab.

ASCHENBRÖDEL. Lebe wol und nimm nochmals meinen dank. [104]

4 Scene

ASCHENBRÖDEL. BARON. BARONIN d[ann] SYFAX.

BARON. Meine Tochter wir müssen heut abermals bei Hofe erscheinen.

ASCHENBRÖDEL. Was willst du schon wieder dort?

BARON. Ein fataler Ball wird wieder abgehalten.

BARONIN. Du fegst Alles im hause, kehrst sämmtliche Kamine rein! Hörst du? Alles sauber

und rein, [105]

will ich bei meiner Rückkehr finden. Nun komm Herr Baron, wir wollen gehen.

BARON. So geh voran Alte.

BEIDE ab.

ASCHENBRÖDEL. Sie sind nun fort, jetzt will ich mich auch bereit halten.

SYFAX. Nun Rosa komm, es wird Zeit. Heute will ich deiner Stiefmutter samt ihren Töchtern

eine Nase drehen, daß sie sich wundern sollen.

[106]

ASCHENBRÖDEL. Ich folge dir. beide ab

Note Polka, ZWERGE kommen tanzend, besen Teller Schüssel etc. wird bewegt.

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[107]

FÜNFTE ABTHEILUNG.

Garten im Hintergrund eine Brücke

1 Scene.

KÖNIG. MINISTER.

KÖNIG. Hat man noch keine Spur gefunden von dem holden Kinde, nach dem sich mein

Sohn fast krank sehnt.

MINISTER. Von allen Boten, die ich aussande, konnte mir keiner etwas [108]

weiteres angeben, als daß sie auf uner klärliche Weise mit der Karosse und der

Dienerschaft verschwunden sei.

KÖNIG. Mein Junge dauert mich wahrhaftig. Ob sie wol wiederkehren wird?

MINISTER. Ich hoffe es.

KÖNIG. Da kommt der Haushofmeister, er wird uns Gäste melden.

2 Scene.

VORIGE. HAUSHOFMEISTER dann PRINZ.

[109]

HAUSHOFMEISTER Mein Herr und König! Die Gäste harren Eures Wink’s um vorgelassen

zu werden.

KÖNIG. Sprich, ist die fremde Dame auch dabei, welche mit ihrer Anmuth und Lieblichkeit

Alles am vorigen Ball entzückte.

HAUSHOFMEISTER Ich hab’ die Gäste wol durchmustert, jedoch die fremde Dame nicht

gefunden unter ihnen. [110]

KÖNIG. Berufe meinen Sohn hierher, dann laß die Gäste eintreten.

HAUSHOFMEISTER Zu Befehl mein König. Ab.

KÖNIG. Heute muß es sich entscheiden, heute oder nie.

MINISTER. Zwingt Eurem Sohn nicht, eine Frau zu heirathen, zu der sich sein Herz nicht

neigt.

PRINZ tritt ein.

PRINZ. Mein hoher Vater, mir bangt vor [111]

dem heutigen Tage. Mir ist als ob ich heute viel verlieren müßte. Ich bitte Euch zwingt

mich nicht, eine Heirath mit jenen stolzen und eitlen Damen einzugehen.

KÖNIG. Mein Sohn sei unbesorgt. Gern will ich deine Bitte erfüllen. – halt da kommen ja die

Gäste.

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3 Scene.

KÖNIG. PRINZ. MINISTER. BARON. BARONIN. KUNIGUNDE. BERASINE.

später HAUSHOFMEISTER. dann ASCHENBRÖDEL.

KÖNIG. Seid mir alle herzlich willkommen. [112]

Zum zweiten male berief ich Euch hierher, um in der Euch bekannten Sache zu einem

Entschluß zu kommen.

PRINZ. Auch ich heiße Euch willkommen; möge der heutige Tag für alle nur segenbringend

sein.

BARON. Im Namen sämmtlicher Gäste sage ich den besten Dank für die gütige Aufnahme,

welche wir an Eurem Hofe fanden. [113]

Tusch.

ALLE Was war das?

HAUSHOFMEISTER tritt ein.

HAUSHOFMEISTER. Eine fremde Dame begehrt empfangen zu werden.

KÖNIG. Wer ist sie?

HAUSHOFMEISTER Sie nannte nicht ihren Namen doch scheinen ihre Gesichtszüge mir

bekannt, will mein König sie empfangen? [114]

PRINZ. Bitte mein Vater heiße sie willkommen, eine freudige Ahnung durchzieht mein Herz.

KÖNIG. Melde der Dame meinen königlichen Gruß, und sage ihr, ich sei zum Empfang

bereit.

HOFMEISTER ab.

PRINZ. Meine Neugierde hat keine Grenzen.

ASCHENBRÖDEL tritt ein in einen silbernen Kleid. [115]

PRINZ. Seid herzlich mir willkommen1

ASCHENBRÖDEL. Wofür ich meinen gnädigen König von ganzem Herzen dankbar bin.

PRINZ. Wache oder träume ich nur? Nein Wahrheit ist’s! O sei mir tausendmal willkommen

und gegrüßt. Wie glücklich machst du mich, durch dein treulich ge= [116]

haltenes Wort, du brave Seele, du Abgott meines Lebens!

ASCHENBRÖDEL. Noch einmals brach ich mein gegebenes Wort.

BARONIN. Wie unverschämt die Fremde ist, heute schon wieder ungeladen zu erscheinen.

KUNIGUNDE. Welch ein freches Weib!

BERASINE. Die Landstreicherin verpestet hier die Luft!

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[117]

PRINZ. mein Vater gib doch das Zeichen zum Anfang des Festes.

KÖNIG. Nun denn das Fest beginnt

MINISTER. Frisch auf zum lustigen Reigen in den Saal.

Alle ab, bis auf KÖNIG. PRINZ. ASCHENBRÖDEL.

BARON im Abgehen. Ich bin’s schon herzlich satt das Treiben hier am Hofe. Ab.

KÖNIG. Mein Sohn, bleib nicht zu lange [118]

von den Gästen weg mit dieser schönen holden Dame.

PRINZ. Nur einen kleinen Augenblick noch sei mir vergönnt mit der Dame meines Herzens.

KÖNIG. Ich gehe zu den Gästen, ko[mm]e bald nach. Ab.

4 Scene.

PRINZ. ASCHENBRÖDEL.

PRINZ. Nun gut mein Alles auf der Erde, wie glücklich hast du mich gemacht durch dein

Wieder- [119]

erscheinen. Bald wär ich verzweifelt ob du auch mich vergessen hättest.

ASCHENBRÖDEL. Wie konnte ich dich vergessen, da ich doch stündlich deiner dachte.

PRINZ. Ist das auch die Wahrheit mein Liebchen?

ASCHENBRÖDEL. So wahr ich lebe.

PRINZ. Komm laß uns in den Saal zum tanzen eilen, aber nur [120]

mit dir allein.

BEIDE ab.

5 Scene.

SYFAX. BARON.

BARON. Hier im Freien ist es besser, als da drinnen wo man vor Hitze bald umkommt.

Setzt sich auf einen Stuhl und schläft ein.

SYFAX. Alles ist still um mich her, jetzt Blümlein von Blindenkraut, welches ich bei mir trage,

übe deine Wirkung und mache mich unsichtbar. – Ach da [121]

schläft der Baron und dort kommt seine Frau die Xantippe. {Ab.}

6 Scene.

VORIGE. BARONIN.

BARONIN. Da schläft er schon wieder mein Gemal! – Wache auf!

BARON. Was ist denn schon wieder los?

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BARONIN. Ich habe mit dir zu sprechen über das Wol deiner Familie.

BARON steht auf. So! Und das wäre? [122]

BARONIN. Die fremde Dirne, die Abenteuerin, welche das Herz des Prinzen unseren

Töchtern abspenstig gemacht hat, muß unschädlich gemacht werden.

BARON. Unschädlich?! Wie meinst du das?

SYFAX. Du bist eine Gans.

BARONIN. Ich, eine Gans? Wie kannst du dich erfrechen mich so zu beschimp- [123]

fen?

BARON. Ich dich geschimpft? ist mir im Leben nicht eingefallen!

BARONIN. Aber du hast es gethan.

SYFAX. Du Ekel, du!

BARON. Wie kannst du wagen, mich einen Ekel zu nennen?

BARONIN. Ich hätte dich einen Ekel genannt? Bist du von Sinnen? Ein derarti- [124]

ges Wort kommt mir [nicht] über meine Lippen.

BARON. Aber gehört habe ichs, du kannst es nicht läugnen.

SYFAX. Du Affenweib!

BARONIN. Nein es ist unerhört, du unverschämter Mann.

SYFAX. Du Schaafkopf!

BARON. Höre auf mich zu schimpfen, [125]

du Gräfin von _ _

SYFAX. Gänsehausen.

BARONIN. Schweig oder es passiert etwas!

SYFAX. Du Dummrian!

BARON. Laß mich nun bald in Ruhe. Wenn du etwas gegen der fremden dann vollführen

willst, sag’s deinen ungerathenen Töchtern, mich aber laß in Ruhe. Uebrigens scheint mir

die fremde dann [126]

ein Engel zu sein, ich wäre stolz, wenn sie meine Tochter wäre.

SYFAX. Bravo! Bravo! {Ab.}

BARON. Wer war das?

BARONIN. Wir sind belauscht, fort aus diesem Garten. Ab.

BARON. Ich wünsche du gingst zum Teufel! Ab. [127]

SYFAX allein.

SYFAX. Es ist doch eine schöne Kunst, sich unsichtbar zu machen und es ist mir doch

gelungen den bösen Plan der Baronin zu vereiteln. Es wird Mitternacht und muß mich zur

Abfahrt bereit halten. Ab.

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7 Scene.

PRINZ. ASCHENBRÖDEL.

PRINZ. O bitte verschweig mir nicht länger den Ort wo du weilst, bitte sag es mir. [128]

ASCHENBRÖDEL. Der Wohnort meines Vaters ist auch der meine, mehr darf ich nicht sagen.

PRINZ. Und wirst du mich wiedersehen, mir treu bleiben bis in den Tod?

ASCHENBRÖDEL. Das weiß nur Gott.

PRINZ. Und willst du wirklich mich verlassen?

Es schlägt 12 Uhr. [129]

ASCHENBRÖDEL. Adieu mein Prinz, entweder du siehst mich hier oder da oben wieder.

Schnell ab.

PRINZ. Ich folge dir und sei es bis ans Weltende. Eilt fort. Ha sie hat einen Pantoffel verloren

– einen gläsernen mit diesen werde ich sie wiederfinden.

[130]

SECHSTE ABTHEILUNG.

Thronsaal.

1 Scene.

BARON. BARONIN. KÖNIG PRINZ. KUNIGUNDE. BERASINE.

STALLMSTR. MINISTER. HOFMEISTER. BALLGÄSTE.

KÖNIG. Hört meine lieben Leute. Heute soll ein Probe abgehalten werden, wie man sie in

der Welt noch nicht gesehen hat. Einen gläsernen Pantoffel hat mein Sohn gefunden,

welcher seiner [131]

unbekannten Geliebten gehört, diejenige junge Dame, der dieser Pantoffel paßt, soll die

Gamalin meines Sohnes werden. So bestimme mein Sohn. So bestimme mein Sohn wann

die Probe beginnen soll.

PRINZ. Mein lieber Vater. Der schöne Traum ist verschwunden und kehrt wol nie wieder,

denn unter diesen Damen ist mein Ideal nicht. – O Himmel so rein, so mild, zeig mir mein

Traumbild. – die probe kann beginnen. [132]

KÖNIG. Haushofmeister, lasse die Probe beginnen, die Damen mögen sich einzeln ins

Nebenzimmer begeben und den Pantoffel anpassen. Die Herren mögen inzwischen Platz

machen, die Probe kann beginnen.

HAUSHOFMEISTER Comtesse Kunigunde von Knitterknatterschnattershausen kommen sie

gefälligst. Ab.

KUNIGUNDE. Himmel begünstige mich.

Ab. Pause.

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[133]

HAUSHOFMEISTER kommt zurück.

HAUSHOFMEISTER. Er paßt nicht!

KUNIGUNDE kommt zurück.

KUNIGUNDE. Verdammt ich bin blamirt!

HOFMEISTER Comtesse Berasine von Knitterknatterschnattershausen. ab

BERASINE. Ich muß den Preiß gewinnen. Ab.

HOFMEISTER ko[mm]t zurück.

Hofmeister. Der Fuß ist viel zu groß! [134]

BERASINE. Kommt wieder zurück.

BERASINE. O weh, das ist fatal.

2 Scene.

VORIGE. SYFAX.

SYFAX. Victoria, ich habe sie gefunden, Viktoria.

PRINZ. Wem hast du gefunden?

SYFAX. Ein Mägdchen fein, der Pantoffel muß ihr passen.

KÖNIG. Wo fandest du sie? [135]

SYFAX. In der Asche fand ich sie, ein altes Weib saß bei ihr.

PRINZ. O Himmel du so mild, zeig mir einmal ihr Bild.

3 Scene.

VORIGE. ASCHENBRÖDEL. WALBURGIS.

KÖNIG. Seid willkommen mir.

ASCHENBRÖDEL. Wofür ich und meine gute Base herzlich danken

KÖNIG. Haushofmeister, passe ihr den [136]

Pantoffel an hier in diesem Gemach nebenan.

ASCHENBRÖDEL. Mein Gott dein Wille geschehe. Ab.

HAUSHOFMEISTER schnell. Der Pantoffel paßt; ich ruf’ es laut, das ist des Prinzen Braut!

BARONIN. Ha, wie unverschämt! Aschenbrödel was willst du hier?

KÖNIG. Was ist Aschenbrödel? [137]

KUNIGUNDE. Unsere Magd!

BERASINE. Eine liederliche Dirne!

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Karl August Görner: Aschenbrödel http://lithes.uni-graz.at/texte.html

BARONIN. Marsch in die Küche!

KÖNIG. Hier habt Ihr nicht zu befehlen. Jede Jungfrau um Lande lud ich ein zum heutigen

Ball und Pantoffelprobe. Mein Sohn begrüße deine Braut und führe sie zu mir, daß ich

euch segne. [138]

PRINZ. Wie ist mir denn? Sie gleicht ganz meiner Rosa; aber täuschte mich denn nicht _ _.

WALBURGIS. Hihihihi! Der Schein trügt oft.

PRINZ. Wer seid Ihr gute Frau?

WALBURGIS. Die Base und Pathe dieses Mädchens und sie ist die Tochter des Barons

Montecontecoculorum. Aus erster Ehe, welche eine harte Behandlung von dessen zweiter [139]

Gemahlin und deren Töchter zu erleiden hat, sie gilt bei diesen drei Damen nur als Magd

wie Ihr ja auch selbst vernommen habt.

PRINZ. Unerhört! Du armes Mädchen, komm ich werde dich beschützen, wenn du auch

nicht meine Rosa bist.

WALBURGIS. Der Schein trügt. Winkt. Sehr jetzt her, ob es Eure Rosa ist.

ASCHENBRÖDEL verwandelt sich Silberkl[eid], [140]

PRINZ. Rosa, meine Rosa, nun laß ich dich nicht mehr von mir, nun bist du mein, mein für

immer.

ASCHENBRÖDEL. Ja, dein für immer.

PRINZ. Komm zu unseren Vätern, damit wir ihren Segen erhalten.

KÖNIG. Kommt her zu mir, morgen soll die Trauung vollzogen werden. Minister veranstalte [141]

alles auf’s prächtigste zu diesem Feste.

MINISTER. Zu Befehl Ihro Majestät. Ab.

PRINZ. Hier mein Vater ist das Bild meiner Träume, mein Ideal, mein Alles. Ich führe sie dir

als deine Tochter zu, o segne uns!

KÖNIG. Der Herr da droben sei mit Euch und gebe Euch seinen Frieden.

ASCHENBRÖDEL. Mein königlicher Vater, ewig

[142]

will ich Ihre treu sie liebende Tochter sein und jede Sorge von ihrer Stirn verscheuchen.

KÖNIG. Du braves Kind, du bist meines Sohnes werth. Du bist ein Juwel, dessen Glanz

durch nichts getrübt werden soll.

PRINZ. Niemals soll dies geschehen.

BARONIN. Verzeihung mein Kind!

KUNIGUNDE UND BERASINE. Verzeihe auch uns! [143]

ASCHENBRÖDEL. Steht auf {Es ist gut,}ihr habt mir nichts übles gethan, gabt ihr mir doch

durch Eure Behandlung die Lehre: Daß Standhaftigkeit, Einfachheit und Häuslichkeit, die

beste Mitgift für ein Mädchen ist.

BARONIN. O dank, tausend dank, liebe Tochter!

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ASCHENBRÖDEL zum Prinz. Mein Wunderhold, weißt du auch, wen wir nächst Gott unser

Glück zu verdanken haben? [144]

PRINZ. Meine theure rosa, zeig mir wer uns Beistand leistete, damit ich meinen Dank

abstatten kann.

ASCHENBRÖDEL. Hier meine treue gute, liebe Base war es, die mich auf den Ball sendete.

Die Schwester meiner Mutter.

PRINZ. Sei auch du uns eine Mutter, stets will ich „Sohn“ sein, [145]

ASCHENBRÖDEL. Ja meine Herzensbase auch du segne uns.

PRINZ. Auch ich bitte dich darum.

WALBURGIS. Der Herr behüte Euch auf Eurer Lebens Bahn und segne Euch.

KÖNIG. Ich danke dir auch, du hast Alles gut gemacht.

WALBURGIS. Daß es so gekommen ist, das wollte ich. Doch zuvor mußte [146]

ich das Herz meiner Rosa, sowie auch das des Prinzen Wunderhold prüfen und dann gut

wachen wenn sie ihre Prüfung bestanden. Nehmt mich zu euch, daß ich meine alten Tage

in Frieden beschließen kann.

PRINZ. Du kommst zu uns, wir werden dir stets dankbare Kinder sein.

WALBURGIS. Nun kommt, laßt uns an den Stufen des Altars den [147]

Bund der Liebe durch Priesterhand besiegeln.

BARON. Gott hat alles wohl gemacht, ihn sei hab und Dank gebracht.

[148]

SIEBENTE ABTHEILUNG.

Aschenbrödels Vermählungs Feier

Schlußgruppe feenhaft decorirt mit gengalischer Beleuchtung [Achtelnoten.]

Musik spielt dazu Marsch.

Der Vorhang fällt.

ENDE.