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2 Heft 1/2012 – Mosaik Auszug aus dem Titelblatt der Schulchronik, 1874 Aus der Geschichte der katholischen Schule zu Rindern Günter Voldenberg Dass wir heute in die Geschichte der Grundschule in Rindern blicken können, verdanken wir in erster Linie dem aus Kalkar gebürtigen Lehrer Johann Wilhelm An der Heyden, der 1874 begann, eine Schulchronik zu führen. Aus seinen Erinnerungen füllte er die Chronik der Schule rückwirkend seit seinem Amtsantritt im Jahre 1837 und schrieb diese dann jährlich fort. Auch nach seinem Ausscheiden aus dem Schuldienst wurde die Schulchronik durch seine Nachfolger ergänzt. Den 2. Weltkrieg überstand die Schulchronik weitgehend unbe- schadet, wenn auch Teile in Verlust geraten sind. Neben dieser Schulchronik sind zum Teil umfangreiche Akten im Stadtarchiv Kleve und im Bistumsarchiv Münster erhalten geblieben, die uns ebenfalls Einblicke in die Geschichte der Schule ermöglichen. Mit dieser Schulchronik erhalten wir auch einen Einblick in den schulischen Alltag und in die damaligen Lebensumstände. Diese werden sich nicht viel von denen in anderen Orten des Klever Landes unterschieden haben und sind daher in weiten Teilen übertragbar. 1 Die Schulchronik berichtet über viele Jahrzehnte von Lehrer- und Platzmangel, schlechten Lehr- und Lernbedingungen, Unterrichtsausfällen und fehlender Unterstützung durch die Kommunalbehörden. Johann Wilhelm An der Heyden wurde am 10. Dezember 1811 als Sohn der Dienstmagd Henri- ette Anderheyden in Kalkar geboren. Über seine Kindheit ist nichts überliefert. Nach dem Besuch des Lehrerseminars war er einige Jahre als Hilfslehrer in Kalkar tätig, bevor er 1837 als Lehrer in Rindern eine Anstel- lung fand. Er war damit der erste hauptamtliche Lehrer an der Schule in Rindern; zuvor war die Lehrerstelle meist vom Küster wahrgenommen worden. Ein urkundlich gesicherter Schulbetrieb ist in Rindern seit 1686 belegt. Dies geht aus einer Anfrage des Landgerichts Kleve an den Pfarrer in Rindern hervor, „ob und seit wann Schule gehalten“ 2 werde. Der Pfarrer O.A. Müller antwortete pflichtgemäß, dass eine Schule beste- he und nach Aktenlage mindestens seit 1686 ein regelmäßiger Schulbetrieb in Rindern vor- handen sei. Unter regelmäßigem Schulbetrieb darf man sich dabei nicht einen Betrieb vorstel- len, wie wir ihn heute kennen. Es wurden einfache Fertigkeiten in Lesen, Schreiben und Rechnen sowie überwiegend religiöse Themen vermittelt. Der Schulbesuch erfolgte unregel- mäßig, da viele Kinder im elterlichen Haushalt oder bei der Landarbeit helfen mussten, um mit zum Einkommen beizutragen.

Aus der Geschichte der Katholischen Schule zu Rindern (Mosaik 1/2012)

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Beitrag von Günter Voldenberg in Mosaik - Zeitschrift für Familenforschung und Heimatkunde 1/2012

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2 Heft 1/2012 – Mosaik

Auszug aus dem Titelblatt der Schulchronik, 1874

Aus der Geschichte der katholischen Schule zu Rindern

Günter Voldenberg

Dass wir heute in die Geschichte der Grundschule in Rindern blicken können, verdanken wir in erster Linie dem aus Kalkar gebürtigen Lehrer Johann Wilhelm An der Heyden, der 1874 begann, eine Schulchronik zu führen. Aus seinen Erinnerungen füllte er die Chronik der Schule rückwirkend seit seinem Amtsantritt im Jahre 1837 und schrieb diese dann jährlich fort. Auch nach seinem Ausscheiden aus dem Schuldienst wurde die Schulchronik durch seine Nachfolger ergänzt. Den 2. Weltkrieg überstand die Schulchronik weitgehend unbe-schadet, wenn auch Teile in Verlust geraten sind. Neben dieser Schulchronik sind zum Teil umfangreiche Akten im Stadtarchiv Kleve und im Bistumsarchiv Münster erhalten geblieben, die uns ebenfalls Einblicke in die Geschichte der Schule ermöglichen. Mit dieser Schulchronik erhalten wir auch einen Einblick in den schulischen Alltag und in die damaligen Lebensumstände. Diese werden sich nicht viel von denen in anderen Orten des Klever Landes unterschieden haben und sind daher in weiten Teilen übertragbar.1 Die Schulchronik berichtet über viele Jahrzehnte von Lehrer- und Platzmangel, schlechten Lehr- und Lernbedingungen, Unterrichtsausfällen und fehlender Unterstützung durch die Kommunalbehörden.

Johann Wilhelm An der Heyden wurde am 10. Dezember 1811 als Sohn der Dienstmagd Henri-ette Anderheyden in Kalkar geboren. Über seine Kindheit ist nichts überliefert. Nach dem Besuch des Lehrerseminars war er einige Jahre als Hilfslehrer in Kalkar tätig, bevor er 1837 als Lehrer in Rindern eine Anstel-lung fand. Er war damit der erste hauptamtliche Lehrer an der Schule in Rindern; zuvor war die Lehrerstelle meist vom Küster wahrgenommen worden.

Ein urkundlich gesicherter Schulbetrieb ist in Rindern seit 1686 belegt. Dies geht aus einer Anfrage des Landgerichts Kleve an den Pfarrer in Rindern hervor, „ob und seit wann Schule gehalten“ 2 werde. Der Pfarrer O.A. Müller antwortete pflichtgemäß, dass eine Schule beste-he und nach Aktenlage mindestens seit 1686 ein regelmäßiger Schulbetrieb in Rindern vor-handen sei. Unter regelmäßigem Schulbetrieb darf man sich dabei nicht einen Betrieb vorstel-len, wie wir ihn heute kennen. Es wurden einfache Fertigkeiten in Lesen, Schreiben und Rechnen sowie überwiegend religiöse Themen vermittelt. Der Schulbesuch erfolgte unregel-mäßig, da viele Kinder im elterlichen Haushalt oder bei der Landarbeit helfen mussten, um mit zum Einkommen beizutragen.

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Der hiesige Unterricht oblag zu jener Zeit vielfach der katholischen Kirche und nicht der staatlichen Obrigkeit. Vor 1682 kümmerten sich Geistliche aus Xanten um die Schulbildung. Die Mädchen wurden meist durch eine weibliche Laienkraft unterrichtet.3 Ab dem 3. Mai 1768 wurde erstmals offiziell eine Schule durch die Rinderner Gemeinde eingerichtet. Im Gründungsprotokoll heißt es:

„Rindern den 3. May 1768. Protokoll D.D. Deputates Hf. Scheffen Moor und Canonecus Heyden, sodann denen Scheffen Müsser und Derck Siebers, Bauernmeister Olbert van Müns-ter, Jan Janssen, Jan Mülder, Arend Siebers, Steven Arenz, Jan Lubben, Wander Verheyen, Wilh. Hauman, Jacob Müller, Peter Janssen, Jan Gertsen, Rütt Janssen, Wilhelm Hockcher, Wilhelm Janssen, Derk Look, Willem Ebben, Hend van de Camp, Gerhard Verfers, Filius viduae Erkelens, Gerhard Müller, Peter van Ball, Hendrik Schmetz. Nachdem der Küster von hier, Hendrick Siebers im vorigen Jahr in Kleve auf dem Rathaus war, wurde ein Protokoll aufgenommen über die Aufnahme einer im Kirchspiel ‚Höchsnöthig des Schulhaltens‘, so dass die Jugend zu guten Sitten angehalten, im Gottesdienst und im Lesen und Schreiben unterrichtet werde. So haben oben erwähnte Deputierte, Scheffen und Eingesessene sich zusammen getan und einhellig gutgefunden, einen Tüchtigen mit gutem Attest versehenen Menschen zum Schulmeister anzunehmen, da der dazu sichere Gerhard Janssen auf‘m Hau Amt Cleve geboren sich gemeldet, und deshalb in allen Stücken fähig gefunden worden, so ist gedachter Janssen zum Schulmeister angenommen, und demselben erkläret worden, dass er sich hier niederlassen muss, und gleich mit dem Schulhalten anfangen solle.“ 4

Der Schulmeister erhielt von den Kindern Schulgeld, das für Kinder, die Schreiben lernten, 6 Stüber und für Kinder, die kein Schreiben lernten, 5 Stüber betrug.5

Der im Protokoll genannte Gerhard Janssen übte sein Amt bis ins Jahr 1822 aus und ging mit 82 Jahren in den Ruhestand. Ihm folgte Heinrich Heymen, der 16 Jahre beim preußischen Militär gedient hatte.

Die Einführung des „niederen Schulwesens“ ist eng mit der Durchsetzung der allgemeinen Schulpflicht verbunden. Wenn auch die gesetzliche Festschreibung der Schulpflicht während des 18. Jahrhunderts in Preußen mehrfach wiederholt wurde6, dauerte es noch etliche Jahre, bis diese allgemeine Schulpflicht auch tatsächlich realisiert werden konnte. Während 1816 erst etwa 60 % aller schulfähigen Kinder regelmäßig eine Schule besuchten, waren es 1846 ungefähr 82 % und 1871 ungefähr 86 %.7 Die flächendeckende Durchsetzung der allgemei-nen Schulpflicht in Preußen wurde tatsächlich aber erst zum Ende des 19. Jahrhunderts er-reicht. Die Errichtung eines funktionierenden Beamtenstaates und der damit einhergehenden Bildung im Rahmen eines „höheren“ Schulwesens hatte eben eine deutlich höhere Priorität als die breite Volksbildung.

Das „Allgemeine Landrecht“ brachte einheitliche Regelungen für das gesamte preußische Staatsgebiet. Im Zweiten Teils regelten 129 Paragrafen unter dem Titel „von niedern und höhern Schulen“ den Schulbetrieb. Die Schule wurde als staatliche Institution betrachtet, die in § 1 folgendermaßen definiert wurde: „Schulen […] sind Veranstaltungen des Staats, wel-che den Unterricht der Jugend in nützlichen Kenntnissen […] zur Absicht haben.“ Die Schu-

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len unterlagen der staatlichen Aufsicht und wurden regelmäßig visitiert und revidiert, d. h. durch die Schulaufsichtsbehörde begutachtet und überprüft. Sowohl die Genehmigung zur Einrichtung einer Schule als auch die Bestellung der Lehrer wurde staatlich reglementiert. Eine allgemeine Schulpflicht bestand für Kinder ab dem vollendeten fünften Lebensjahr bis zum sogenannten Befähigungsnachweis, d. h. der „Schulunterricht muß so lange fortgesetzt werden, bis ein Kind, nach dem Befunde seines Seelsorgers, die einem jeden vernünftigen Menschen seines Standes nothwendigen Kenntnisse gefaßt hat“.8 Eine Prüfungskommission nahm die Prüfung der Schüler ab und legte fest, ob die Kinder als „befähigt“ galten oder nicht. Aus einem Prüfungsprotokoll vom 7. Mai 1839 anlässlich der Entlassprüfung an der Rinderner Schule geht hervor, dass nur 6 Kinder als „hinlänglich befähigt unterrichtet“ gal-ten, 30 Kinder, die „minder unterrichtet waren, mußten aber wegen häuslicher Verhältnisse entlassen werden“ und 4 Kinder „waren noch mehr zurück, mußten aber Verhältnisse wegen entlassen werden“. 6 weitere Kinder mussten noch einmal für 6 Monate die Schulbank drü-cken, weil sie das Ziel aus Sicht der Prüfungskommission nicht erreicht hatten. Die Schul-kommission setzte sich zum damaligen Zeitpunkt aus dem Pfarrer, einigen Schulvorstands-mitgliedern sowie dem Bürgermeister zusammen.9

Das „Allgemeine Landrecht“ enthielt auch Regelungen zur Errichtung und Unterhaltung von Schulgebäuden. Das Vorhandensein eines Schulgebäudes ist für die erste Zeit in Rindern nicht sicher belegt. Eine erste schriftliche Erwähnung ist in der Auflistung eines „Inventa-riums“ vom 6. Mai 1756 enthalten, das Auskunft über die Bauart sowie die Räumlichkeiten und deren Ausstattung gibt.10 Demnach handelte es sich um die Küsterwohnung, die um eine Schulstube erweitert war. Eine weitere schriftliche Erwähnung findet sich in einem Eintrag vom 10. April 1797 im Kirchenbuch von Rindern anlässlich eines Einbruchversuchs in die Pfarrkirche.11

Zuvor fand der Schulbetrieb an anderer, nicht näher benannter Stelle statt – möglicherweise im Hause des Küsters oder auch in der Kirche. Dort wurde der Unterricht für die Kinder der Orte Rindern, Wardhausen, Teilen von Düffelward und Schenkenschanz abgehalten. Der Küster besserte sich durch die „Lehrtätigkeit“ sein karges Einkommen etwas auf.

Mit Antritt der Lehrerstelle erhielt An der Heyden auch eine Lehrerwohnung zugeteilt. „Die eigentliche Wohnung des Lehrers bestand aber nur in einer Küche und einem kleinen Zimmer und war in einem so schlechten Zustande, daß sie als völlig unbewohnbar bezeichnet werden mußten“. An der Heyden sparte an dieser Stelle nicht mit Kritik an seiner Unterbringung. So war er gezwungen, sich auf eigene Kosten in der Nachbarschaft einzumieten, doch reichten seine Ersparnisse auf Dauer hierfür nicht aus. Letztendlich musste er wieder in die herunter-gekommene Wohnung zurück. Nach einigen Beschwerden und längerem Hin und Her bewil-ligte ihm der Gemeinderat schließlich eine Mietentschädigung für zwei „elende Zimmer-chen“ in der Nachbarschaft. Zumindest führte die Mietentschädigung zur einstweiligen Ent-zerrung der miserablen Wohnsituation. Diese verschlechterte sich aber wieder mit der Zu-nahme der Schülerzahlen und der damit einhergehenden Anstellung einer Lehrerin. Auf die wiederholten Beschwerden des Lehrers An der Heyden wurde schließlich im Jahre 1864 ein neues Gebäude fertiggestellt, das eine Wohnung für den Lehrer An der Heyden und eine

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Wohnung für die 1858 angestellte Lehrerin Maria Temmink beherbergte. Ihr folgte im Jahre 1866 die Lehrerin Cornelia Nacke aus Ahaus.

Als An der Heyden seine Tätigkeit aufnahm, gab das Schulgebäude ein ähnlich schlechtes Bild ab. Die vorhandenen Räumlichkeiten konnten nur ungefähr die Hälfte der damals 180 schulpflichtigen Kinder fassen. Wegen des bestehenden Platzmangels und auf zahlreiche Beschwerden An der Heydens nahm man im Jahr 1839 den Neubau eines geräumigeren Schulgebäudes in Angriff.

Die 180 Kinder besuchten die Schule in Rindern mehr oder minder regelmäßig. Nachdem die Gemeinde Düffelward 1852 einen eigenen Lehrer erhielt, verminderte sich die Zahl der Kin-der auf 140, stieg dann aber bis zum Jahre 1874 wieder auf 178 an.

Die Schulchronik gibt uns ein aufschlussreiches Bild über manche Begebenheiten in den folgenden Jahren, wie zum Beispiel die jährlichen Sedanfeiern. Nachdem am 1. September 1870 im deutsch-französischen Krieg die Schlacht bei Sedan begonnen und am darauffolgen-den Tag mit der Kapitulation der französischen Truppen und der Gefangennahme des franzö-sischen Kaisers Napoleon III. geendet hatte, war dieser Tag bis zum Ende des 1. Weltkrieges immer ein Gedenktag, der auch in den Schulen entsprechend feierlich begangen wurde. Die Schule wurde geschmückt, Schulvorstand und Gemeinderat waren anwesend. Der Chronist fügte einen genauen Ablauf bei:

„1. Versammlung in der festlich geschmückten Schule. 2. Führung zum Gottesdienste. 3. Rückkehr zur Schule. 4. Eröffnung der Feier durch einen passenden Choral. 5. Vortrag des Lehrers. 6. Deklamationen der Kinder, abwechselnd mit patriotischen Liedern. 7. Schlußrede des Herrn Lokal-Schul-Inspektors. 8. Zug durchs Dorf zu einem Bauernhofe. 9. Bewirthung der Kinder. 10. Muntere Spiele.“

Eine jährlich wiederkehrende Gedenkfeier stellte auch die Geburtstagsfeier anlässlich des Geburtstages des deutschen Kaisers und Königs von Preußen dar. Ebenfalls regelmäßige Begebenheiten waren auch die Schulrevisionen, die in der Regel von den Kreisschulinspek-toren, manchmal auch von Regierungsräten der Königlichen Regierung zu Düsseldorf durch-geführt wurden. Medizinische Untersuchungen wurden meist durch Klever Ärzte durchge-führt, Impfungen erfolgten regelmäßig durch die kreisärztlichen Behörden. Des Weiteren enthält die Chronik Angaben zur Anzahl der schulpflichtigen Kinder und zur Anzahl der als „hinreichend befähigt“ entlassenen Schulkinder aus den Frühjahrs- und Herbstprüfungen. Das Schuljahr begann zu der Zeit nicht nach den Sommerferien, sondern im Frühjahr nach den Osterferien. Die „großen“ Ferien waren im Gegensatz zu heute nicht in den Sommermo-naten Juni bis August, sondern in den Monaten September und Oktober mit einer Dauer von fünf bis sechs Wochen. Diese „großen“ Ferien fielen in die Erntewochen, damit die Kinder

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bei der Ernte mithelfen konnten. Aber auch Unterbrechungen des Schulbesuchs infolge von Hochwasser12 und stürmischem Wetter fanden ebenso ihren Niederschlag in der Schulchronik wie die Erwähnung von epidemischen Krankheiten wie Diphterie oder einen unter den Schü-lern verbreiteten juckenden Hautausschlag.

Während in der ersten Zeit der Schule Ausflüge der Schulkinder nicht erwähnt worden sind, wurden diese ab 1890 zu einer regelmäßigen Einrichtung. Besucht wurden beispielsweise eine Menagerie in Kleve, der Tiergartenwald, der Rhein bei Spyck oder die Donsbrügger Heide. Die Chronisten fügten auch Angaben zum Lehrpersonal hinzu. Beispielsweise wurde im Herbst 1875 die Lehrerin Cornelia Nacke nach längerer Krankheit als dienstunfähig aus dem Schuldienst entlassen. An ihre Stelle trat die Lehrerin Theresia Koberg.

Ende 1877 wurden die beiden einklassigen Schulen in Rindern auf Verfügung der Königli-chen Regierung zu Düsseldorf zu einer zweiklassigen Schule zusammengeführt. Die Ober-klasse mit 80 Kindern wurde dem Lehrer An der Heyden und die Unterklasse mit 60 Kindern der Lehrerin Koberg zugeteilt. Diese wurde im April 1884 in den Ruhestand entlassen. Ihre Stelle nahm 1884 ein Absolvent des Lehrer-Seminars in Elten, der aus Orsoy gebürtige Aloys de la Haye, ein. Im gleichen Jahr wurde die zweiklassige Schule in ein dreiklassiges System mit zwei Lehrern überführt.

Gegen Ende des Jahres 1886 reichte der Lehrer An der Heyden nach mehr als fünfzigjähriger Dienstzeit sein Entlassungsgesuch bei der Schulaufsichtsbehörde ein. Anfang März des Fol-gejahres wurde ihm die Entlassung aus dem aktiven Dienst bewilligt und er wurde mit Ablauf des Schuljahres 1886/1887 in den Ruhestand versetzt. Für seine Verdienste um das Wohl der Schule und der Schulkinder wurde ihm der Adlerorden des königlichen Hausordens der Ho-henzollern verliehen. An der Heyden zog wieder in seine Heimatstadt Kalkar, wo er am 18. Dezember 1891 im Alter von 80 Jahren verstarb. Ihm folgte als Hauptlehrer Wilhelm Lang-enhorst aus Materborn, der die erfolgreiche Arbeit An der Heydens fortführte. Im Jahr 1889 erreichte die Schülerzahl mit 205 Kindern eine neue Höchstgrenze. Dies veranlasste die Auf-sichtsbehörde, die Einrichtung eines weiteren Klassenraumes und die Anstellung einer weite-ren Lehrkraft zu fordern.

Da für die Zukunft keine deutliche Verringerung der Schülerzahlen zu erwarten war, be-schloss der Gemeinderat einen Klassenraum und eine Lehrerwohnung zu bauen. Nach Ge-nehmigung des Ausbauplans durch die Aufsichtsbehörde wurde im Winter 1889 mit den Vorbereitungen für den Bau begonnen. Die Arbeiten wurden im Frühjahr 1891 abgeschlos-sen. Am 23. März 1891 wurden Schulklasse und Lehrerwohnung durch den Königlichen Kreisbaumeister Radhoff abgenommen. Die neue Wohnung wurde durch den Lehrer de la Haye bezogen. Kurz nach Bezug des neuen Klassenraumes nahm auch der dritte Lehrer seine Arbeit an der Schule auf. Im Laufe des Winters erkrankte der Lehrer de la Haye schwer, was zu einer längerfristigen Beurlaubung führte. Sein Gesundheitszustand besserte sich jedoch nicht und er starb am 21. Oktober 1891 an den Folgen einer „Abnehmkrankheit“ (vermutlich Tuberkulose). Während der krankheitsbedingten Abwesenheit von Lehrer de la Haye hatte die Königliche Regierung zu Düsseldorf für eine Vertretungsregelung gesorgt. Die nunmehr freigewordene Stelle konnte – obwohl sie „eine der besten Klassenlehrerstellen auf dem

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Lande“ war – auch durch Ausschreibung in mehreren Zeitungen nicht besetzt werden, so dass die Vertreterstelle zur regulären Stelle umgewandelt werden musste.

Auch wenn sich im Laufe der Jahre der Schulbetrieb immer weiter verbesserte, kam es doch regelmäßig zu Beeinträchtigungen: die jungen männlichen Lehrer mussten jährlich an mehr-wöchigen militärischen Reserveübungen teilnehmen. Während dieser Zeiten wurde in den einzelnen Klassen ein reduzierter Unterricht durchgeführt, teilweise fiel der Unterricht auch aus. Die verbliebenen Lehrer versuchten, das Defizit durch die Erteilung von Mehrstunden wieder auszugleichen, wofür sie einen Zuschlag zu ihrem Gehalt erhielten. Teilweise wurden die Klassenräume auch als Wahllokale verwendet.

Im Jahr 1904 hielt es die Kirchengemeinde für dringend erforderlich, den Kirchhof zu erwei-tern. Auf Vorschlag des Lehrers Langenhorst einigten sich Kirchen- und Zivilgemeinde nach einigen Verhandlungen, einen Grundstückstausch vorzunehmen. Der größte Teil des Lehrer-gartens wurde gegen Teile des Küstereigartens getauscht. Daraus ergab sich auch für die Dienstwohnungen des 2. Lehrers Hußmann und der Lehrerin Könings ein Vorteil aus Sicht der Zivilgemeinde. Da es als „unhaltbarer Zustand“ angesehen wurde, dass Lehrer und Leh-rerin – beide unverheiratet – denselben Eingang zu ihren Dienstwohnungen benutzen muss-ten, wurde nach dem Tausch der Grundstücke, die nunmehr in das Eigentum der Zivilge-meinde übergegangene, an das Lehrerhaus angebaute alte Küstereiwohnung abgerissen und durch einen Vorbau ersetzt. Dieser Vorbau sollte als Küche dienen und erhielt einen separa-ten Hauseingang, damit die Lehrerin nicht mehr den Hauseingang des Lehrers nutzen musste. Lehrer Langenhorst wurde durch eine große Sorge befreit und notierte dies auch in der Schul-chronik: „Durch diesen Umtausch und Umbau der Wohnungen ist ein großes Ärgernis aus der Gemeinde beseitigt worden, obschon Herr Hußmann und Frl. Könings zu demselben niemals die geringste Veranlassung gegeben haben.“

Im Jahr 1905 wurde eine für damalige Verhältnisse bahnbrechende Neuerung in der Rinder-ner Schule eingeführt. Es wurde erstmalig ein „ungetheilter Unterricht“ erteilt, was bedeute-te, dass der Unterricht nicht mehr in Vormittags- und Nachmittagsunterricht geteilt, sondern an einem Stück abgehalten wurde. Dieser Unterrichtsversuch wurde von der Schulaufsichts-behörde für 6 Wochen genehmigt. Die Rinderner Bevölkerung begrüßte überwiegend diesen Versuch. Im darauf folgenden Jahr beantragte der Schulvorstand erneut einen ungeteilten Unterricht, der in den Sommermonaten über 10 Wochen erteilt werden konnte.

In den Jahren 1906 und 1907 stieg die Zahl der schulpflichtigen Kinder wieder deutlich an. Dies wurde zum Anlass genommen, erneut über die Erweiterung der Schule zu diskutieren. Die bereits 1904 begonnenen und auf 1907 verschobenen Gespräche über eine bauliche Er-weiterung wurden wieder aufgenommen. Man erreichte allerdings nur eine weitere Verschie-bung auf das Jahr 1909, in dem eine erneute Überprüfung des Falles vorgenommen werden sollte. Bis allerdings der dringend benötigte Bau bezogen werden konnte, vergingen noch einige Jahre.

Der Beginn des Jahres 1909 stand ganz im Zeichen des 100. Todestages von Johanna Sebus. Der Chronist beschreibt unter Beifügung zahlreicher Zeitungsausschnitte auf mehreren Seiten

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ausführlich die Feierlichkeiten.13 Beachtung fand aber auch der Besuch des Kaisers Wilhelm II. und seiner Gemahlin, die Kleve anlässlich der 300-jährigen Zugehörigkeit des Herzogtums Cleve zu Brandenburg-Preußen besuchten.

Die auch im Jahr 1910 recht lebhaft fortgesetzten Diskussionen zwischen dem Schulvorstand, der Gemeinde und den zuständigen Behörden über die Notwendigkeit, den Umfang und die Ausführung des Schulerweiterungsbaues fanden erst Anfang 1911 ihr abschließendes Ende. Im April 1911 wurde dann mit den Bauarbeiten an der Schule begonnen. Das neue Gebäude wurde im Dezember 1911 fertiggestellt und am 3. Januar 1912 offiziell bezogen.

Das 25-jährige Dienstjubiläum des Lehrers Langenhorst war im Oktober 1912 das außeror-dentliche Ereignis des Jahres, da er aufgrund seines besonderen Engagements – nicht nur im schulischen Bereich – ein sehr hohes Ansehen in der Gemeinde genoss. Neben seinem Beruf als Lehrer war er auch als Dirigent und Leiter des Kirchenchors aktiv.

Am 1. August 1914 erfolgte die Kriegserklärung des Deutschen Reiches gegen Russland und der 1. Weltkrieg begann. Erste Auswirkungen des Krieges zeigten sich bald. Infolge der Kriegserklärung und der anschließenden Generalmobilmachung des Militärs erhielten die Schulkinder vom 4. bis 30. August „Kriegsferien“, die Herbstferien wurden dagegen von sechs auf vier Wochen verkürzt. Am 3. April 1915 erhielt Lehrer Ehses seine Einberufung zur Garde-Feldartillerie. Weitere Einschränkungen des Schulbetriebs waren im Jahr 1916 zu verzeichnen, denn am 9. Januar 1916 kam es zu einer Einquartierung von ungefähr 100 Sol-daten eines Infanterie-Regiments aus Flensburg in den Neubau der Schule. Der Schulbetrieb litt erheblich unter der Einquartierung. Dennoch versuchte das Lehrpersonal, die Kinder so gut wie möglich zu unterrichten. Zunächst wurde die ungeheizte Kirche täglich für eine Stun-de als Unterrichtsraum benutzt. Zwei Wochen später erreichte man eine Vereinbarung mit den einquartierten Soldaten. Diese räumten jeden Morgen einen Klassenraum für den Unter-richt. Da die Schulbänke auch aus diesem Klassenraum entfernt worden waren, wurde der Unterricht im Stehen abgehalten. Diese Besserung hielt allerdings nicht lange an, da der kommandierende Offizier wegen der Ansteckungsgefahr zwischen Soldaten und Kindern nicht die Verantwortung übernehmen wollte. Nachdem ein Teil der Soldaten abkommandiert worden war, konnte wieder ein Klassenraum für den Schulunterricht dauerhaft hergerichtet werden. Nachdem Anfang 1917 das einquartierte Infanterie-Regiment nach Kleve in das Hotel Styrum verlegt worden war, erhielt die Schule die belegten Räumlichkeiten allerdings nicht zurück. Der Infanterie folgte eine Belegung durch eine Abteilung Schwere Küstenmör-ser-Batterie, die auch wieder fast alle Räume belegte. Für den Unterricht blieb nur ein Klas-senraum übrig, in dem die Kinder täglich zwei Stunden je Klasse unterrichtet werden konn-ten. Die Soldaten kamen direkt von der Front und benahmen sich dementsprechend unzivili-siert. Die Schule musste nach deren Abzug im Mai 1918 desinfiziert und fast komplett reno-viert werden. Die Truppe hinterließ einen Schaden von mehreren Tausend Reichsmark. Leh-rer Langenhorst notierte in der Schulchronik: „Durch Mord und Diebstahl hat dieße Truppe sich ein bleibendes Denkmal gesetzt.“

Erschwert wurden die Unterrichtsverhältnisse auch durch andere kriegsbedingte Umstände. Bereits Anfang April 1917 waren die ersten „Kriegskinder“ nach Rindern gekommen. Wegen

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der Lebensmittelknappheit vor allem in den Großstädten wurden Kinder in ländliche Regio-nen geschickt, um dort etwas besser versorgt zu werden. Diese mussten aber auch unterrichtet werden, was zu einem deutlichen Anstieg der Schülerzahlen führte.

Über das Ende des Krieges und die Abdankung des Kaisers finden sich in der Schulchronik keine Aufzeichnungen. Die Kapitulation und das Ende des Kaiserreichs haben sicherlich – wie für einen großen Teil der Bevölkerung auch – einen großen Schock hinterlassen. Die vielen nationalen Gedenktage und die Ausrichtung auf den Kaiser und seine Familie waren zu einem ständigen Ablauf im Schulleben geworden. Die über viele Jahrzehnte gewachsenen Gewohnheiten mussten nun gezwungenermaßen entfallen.

Ende November 1918, kurz nach Ende des Krieges, kehrte Lehrer Ehses von der Truppe zurück und nahm seine Lehrertätigkeit wieder auf. Bereits im Januar 1919 marschierte wieder Militär in Rindern ein. Belgische Besatzungstruppen besetzten in einer Stärke von rund 300 Mann die Gemeinde. Das Schulgebäude blieb zunächst von einer Einquartierung verschont. Erst ein Jahr später kam es zu einer Belegung der Schulräume, nachdem sich der Schulvor-stand und die Behörde lange dagegen gewehrt hatten. In der Folge kam es erneut zu erhebli-chen Beschädigungen und Zerstörungen in und an der Schule. Erst eine Intervention von Schulvorstand und Behörden führte zu einer Verlegung der Truppen nach Kleve und die Schulräumlichkeiten wurden wieder frei. Dennoch dauerte es eine ganze Weile, bis die Räumlichkeiten wieder für einen vernünftigen Unterricht hergerichtet waren.

Durch die politische Neuorientierung nach dem Krieg änderten sich auch einige langjährige Gepflogenheiten. Die bisher dem jeweiligen Ortspfarrer übertragene Ortsschulinspektion wurde nunmehr von jeglichen geistlichen Stellen getrennt. Der in Rindern amtierende Pfarrer Teller wurde am 1. Oktober 1919 durch die nun geltenden Vorschriften seines Amtes als Ortsschulinspektor enthoben. Er unterwies die Schüler allerdings nach wie vor in Katechis-mus und Religionslehre.

Im Jahr 1920 erreichte die Schülerzahl einen erneuten Höchststand (313 Schüler), was den Schulvorstand veranlasste, eine weitere Lehrerstelle einzurichten. Diese sollte nur vorläufigen Charakter haben, da man mit wieder abnehmenden Zahlen rechnete. Die neue, fünfte Lehrer-stelle wurde am 1. Oktober 1920 von Lehrer Ludwig Siemes angetreten.

Zu Beginn der zwanziger Jahre nahm die Berücksichtigung elterlicher Belange seinen Einzug in den Schulbetrieb. Auch in Rindern versuchte man, die Eltern einzubeziehen. Aus diesem Grund wurde am 12. Februar 1922 ein erster Elternabend in Form einer Feier mit verschiede-nen Darbietungen durchgeführt. Diese Feier wurde gut besucht und der Erlös der Feier von 1.700 Reichsmark floss in die Prozessionskasse. Der Chronist notierte etwas säuerlich, dass die Gemeinde für diese Festlichkeit 20 Reichsmark Lustbarkeitssteuer einforderte. Im Mai 1922 folgte die Wahl des ersten Elternbeirates. Die Wahlveranstaltung war sehr schlecht besucht, von 255 Wahlberechtigten gaben nur 24 ihre Stimme ab. Die Veranstaltung zur Vor-bereitung dieser Elternbeiratswahl war dagegen noch schlechter besucht worden, neben dem Hauptlehrer war nur ein Vater erschienen.

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Im Frühjahr 1922 kam es zu ersten Überlegungen, eine Berufsberatung für die entlassenen Schüler einzurichten. Dies geschah vor dem Hintergrund der zunehmenden Jugendarbeitslo-sigkeit, da viele Schüler – vor allem Mädchen – aus Mangel an Arbeitsstellen zu Hause blie-ben und sich als Tagelöhner oder Fabrikarbeiter verdingen mussten. Die Berufsberatung wur-de in den kommenden Jahren zu einer ständigen Institution ausgebaut, mit deren Hilfe den entlassenen Schülern vor allem handwerkliche Berufe vermittelt werden sollten. Auch Mäd-chen profitierten zunehmend davon. Zum damaligen Zeitpunkt war es üblich, dass Mädchen nur zu einem geringen Anteil einen Beruf erlernten. Eine weitere Neuerung im Schulalltag war die Einführung des Nationalfeiertages. Hatte man bis zum Zusammenbruch der Monar-chie den Geburtstag des Kaisers oder den Jahrestag der Schlacht bei Sedan entsprechend feierlich begangen, trat an diese Stelle die jährliche Wiederkehr der Verabschiedung der re-publikanischen Verfassung im Jahr 1919. Die Schulchronik erwähnt diesen Feiertag erstmals zum 11. August 1922.

Im Dezember 1922 und im Januar 1923 machten sich die Auswirkungen der deutschen Nie-derlage im Weltkrieg sehr deutlich bemerkbar. Aufgrund der hohen Reparationszahlungen, die auch aus Kohlelieferungen an die Siegermächte bestanden, kam es zu einem allgemeinen Mangel an Heizmaterial. Dieser Mangel führte zu einer Verlängerung der Weihnachtsferien um fünf Tage. Die Situation wurde noch weiter verschlimmert, da das Bürgermeisteramt die Beschaffung von Brennmaterial immer wieder hinauszögerte.

Klassenfoto der Jahrgänge 1906 bis 1909, rechts Lehrer Langenhorst (Foto: Privatbesitz)

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Im Laufe des Jahres 1923 stellte sich zunehmende Unzufriedenheit mit dem Schularzt Sani-tätsrat Dr. Voß aus Kleve ein. Bemängelt wurden vor allem die Art und die Qualität der Untersuchungen. Der Schulvorstand beschloss daher, sich um einen anderen Schularzt zu bemühen. Zuvor führte man aber ein Gespräch mit Dr. Voß. Dabei stellte sich heraus, dass dieser über 1 ½ Jahre keine Zahlungen für seine Leistungen erhalten hatte. Nach diesem Ge-spräch wurde eine deutliche Verbesserung bei den Schuluntersuchungen festgestellt.

Zu Beginn der Zwanziger Jahre wurden die Aufzeichnungen in der Schulchronik detaillierter. Es wurden nicht nur schulische Belange aufgezeichnet. Aufgeführt wurden beispielsweise die Berufe der entlassenen Schulkinder sowie detaillierte Beschreibungen der politischen Rich-tungen und Strömungen. Diese Angaben wurden durch die Beigabe von Wahllisten oder Wahlergebnissen ergänzt.

Am 10. November 1925 fand die erste Martinsfeier mit Fackelzug und Kinderbescherung statt. Für die Kinder gab es Bonbons, Backwerk und Preise für selbst gebastelte Fackeln. Diejenigen Kinder, die über keine Fackel verfügten, wurden mit einer solchen ausgestattet.

Das Jahrhunderthochwasser des Jahres 1926 hinterließ auch in Rindern bleibende Erinnerun-gen. Der zuvor als „wasserdicht“ gepriesene Keller des Schulneubaus aus dem Jahr 1911 musste mit Hilfe der Brandspritze ausgepumpt werden. Das Hochwasser richtete aber keine bleibenden Schäden an, da die Bevölkerung durch die Verwaltungen gut vorbereitet worden war. Weitaus erfreulicher verlief dagegen das Ende des Monats Januar: Der 31. Januar 1926 war für das Rheinland ein Tag zum Aufatmen. An diesem Tag räumte die belgische Besat-

Lehrerkollegium 1923 oder 1924 (Foto: Privatbesitz) v.l.: Margarete Tillewein, Franz Kaesberg, Pfarrer Lommertz, Josef Ehses, Ludwig Siemes, Josephine Boffen

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zung das Rheinland. In den mehr als sieben Jahren der Besatzung hatte die Bevölkerung viel-fach unter Repressalien der Soldaten und der Besatzungsbehörden zu leiden gehabt.

Im Februar 1927 bildete der katholische Lehrerverein einen sogenannten Lichtbildausschuss mit dem Ziel, Film und Foto als neue Medien für den Schulunterricht nutzbar zu machen. Hieraus entstand die Lichtbildorganisation für den Kreis Kleve, eine Vorläuferinstitution der heutigen Kreisbildstelle. In der folgenden Zeit konnte diese Aufgabe erstaunlich schnell durch die Anschaffung von entsprechenden Präsentationsgeräten umgesetzt werden.

Im Mai desselben Jahres hielt der Hauptlehrer Ehses eine Begebenheit unter namentlicher Nennung der betroffenen Schüler fest. Dies war eher ungewöhnlich, wurde die Chronik doch meist neutral verfasst, allenfalls bei Todesfällen oder schweren Krankheiten wurden einzelne Namen von Schülern festgehalten. Die zugrunde liegenden Ereignisse hatten sichtlichen Un-mut bei Lehrer Ehses hervorgerufen. „Der Schüler Karl S. fehlte heute, am 16.5.27 in der Schule. Der Bruder sollte ihn krank melden, obwohl der Bengel, der gern die Schule ‚schwänzt‘, gar nicht krank war. Er hatte gestern am Saale Terlinden verschaltes Bier ge-trunken, da am Saale mehrere Fässer vom Sonntag vorher noch lagen. Das Mädchen der Ib, Wilhelmina G., holte in ihrer Wohnung eine Tasse, u. dann beteiligte sich eine ganze Reihe von Kindern an dem ‚Gelage‘. Der S. trank nach der Andacht nochmals von dem Zeug. In-folgedessen wurde es ihm, wie er selbst sagte, übel, u. er ging diesen Morgen aus der Schul-messe. Mädchen der Ib fanden ihn, wie er an einem Baum stand und schlief.“ Weiter heißt es: „Der Wirt Terlinden hat am Sonntag, dem 8.5.27, vor der Andacht eine Reihe Schulkinder den Auftrag gegeben, bei der Wirtschaft Hell Stühle zu holen für die Festlichkeit am Abend. Er versprach den Kindern dafür ein Glas Bier, was sie auch bekamen, u. zwar im Saale. Die-se Kinder waren Bernhard G. (5. Schulj.), Theod. A. (mit Not 8. Schulj.), Cornelius A. (2. Schulj., 7 J. alt), Jos. G. (2. Schulj.) Da braucht man sich nicht mehr über die schlechten Leistungen der Schüler u. ihr häufiges Fehlen im Gottesdienste an Sonntagnachmittagen zu wundern. Auch ist über das späte Herumlaufen der Kinder auf der Straße sehr zu klagen. Leider sind viele Eltern so unvernünftig, daß sie ihre Kinder noch in Schutz nehmen. – Es ist bereits Bericht an das Bürgermeisteramt gegangen.“ 14

Das Nachspiel verlief für den Wirt Terlinden jedoch glimpflich, er kam mit einer Verwarnung davon. Welche Maßnahmen wegen des „Gelages“ ergriffen wurden, ist in der Schulchronik nicht verzeichnet. Es darf aber davon ausgegangen werden, dass hier empfindliche Strafen auf die betroffenen Schüler zukamen. Zu dem damaligen Zeitpunkt war die Prügelstrafe noch ein weitgehend verbreitetes erzieherisches Mittel in der Schule, das erst 1947 offiziell abge-schafft wurde. Vielleicht hat aber auch der Kohlenkeller als Karzer herhalten müssen.

Am 28. November 1927 nahm die ländliche Fortbildungsschule ihren Dienst auf. Diese er-füllte einen ähnlichen Zweck wie die oftmals aus ihr entstandenen Berufsschulen heute. Ziel war eine schulische Fortbildung neben einer beruflichen Tätigkeit oder Lehre. Die Rinderner Schule stellte hier Räumlichkeiten und Lehrpersonal zur Verfügung.

Für das Jahr 1928 sind nur die üblichen Eintragungen zum Schulbetrieb in der Schulchronik enthalten. Erst Anfang 1929 finden sich wieder erwähnenswerte Aufzeichnungen. So wurde

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Anfang 1929 die erste elektrische Straßenbeleuchtung in Rindern installiert und Ende Januar fiel die Temperatur deutlich und eine grimmige Winterkälte machte sich breit. Wegen der starken Kälte musste der Unterricht im Februar an einigen Tagen ausfallen, da die Klassen-räume nicht in ausreichendem Maße beheizt werden konnten. In den Klassenräumen wurden Temperaturen zwischen 3° und 7 °Celsius bei Außentemperaturen von -19 °Celsius gemes-sen.

Der Sommer des Jahres 1929 brachte eine große Trockenheit. Ihr folgten im September zahl-reiche schwere Gewitter mit vielen Blitzeinschlägen. Aber nicht nur die außergewöhnliche Trockenheit und die schweren Gewitter hielt der Chronist für erwähnenswert. Ganz besonde-ren Eindruck hatte bei ihm – und vermutlich auch bei der gesamten Bevölkerung – das über Kleve hinweg schwebende Luftschiff „Graf Zeppelin“ hinterlassen. Dieses war am 17. Sep-tember 1929 auf dem Weg zu seinem Heimathafen Hamburg und überflog kurzzeitig das Stadtgebiet von Kleve. Von diesem Ereignis existieren heute noch zahlreiche alte Postkarten, die das Luftschiff über Kleve zeigen.

Im März 1930 bricht die Chronik abrupt ab. Es fehlt der Teil vom 3. März 1930 bis zum Au-gust 1939. Die Chronik ging zum Ende des 2. Weltkrieges in Teilen verloren. Erhalten ge-blieben sind noch die als Kriegschronik bezeichneten Aufzeichnungen aus den Jahren 1939 bis 1943. Diese Kriegschronik beschreibt in pathetischen Worten der damaligen Zeit über-wiegend Kampfhandlungen, aber auch schulische Belange und Ereignisse im Dorf.

Am 2. September 1939, unmittelbar nach Kriegsbeginn, musste die Schule wieder einmal geräumt werden, da deutsche Infanterie einrückte. Diese blieb allerdings nur zwei Tage und zog dann weiter. „Feldküchen und Maschinengewehre, Flak-Batterien, Scheinwerfer und Horchgeräte kamen den Dorfjungen zum ersten Mal unter die Augen.“ Ihnen folgten andere Truppenteile, die kurz vor Weihnachten 1939 wieder abzogen. Lediglich eine Baukompanie verblieb in Rindern.

Das Frühjahrshochwasser im April 1940 fiel deutlich höher aus als in den Jahren zuvor. In-folge des erhöhten Wasserstandes rückten Truppen, die bisher im tiefer gelegenen Huisberden stationiert waren, in Rindern ein und bezogen dort ihr Quartier. Ihnen folgten Maschinenge-wehrabteilungen, SS und Nachrichtenabteilungen. Die Schule fiel deshalb aus. Durch Ver-handlungen mit der Schulbehörde und militärischen Dienststellen konnte erreicht werden, dass zumindest eine Klasse wieder für den Unterricht dauerhaft freigemacht werden konnte.

Im Jahre 1941 kam es zu einer Neuerung: das Schuljahr schloss erstmalig mit dem Beginn der Sommerferien. Zu Beginn des Jahres 1942 machte sich wieder eine starke Kälte breit, die dazu führte, dass die Schule für mehr als vier Wochen auf allgemeine Anordnung hin ge-schlossen wurde. Die Aufzeichnungen der Kriegschronik enden im Sommer 1943. Nach dem Krieg wurde mit einer neuen Chronik begonnen. Augenfällig in der 1949 beginnenden Chro-nik ist die veränderte Schreibweise. Vor und während des Krieges wurde die deutsche Schrift verwendet, nach dem Krieg die lateinische. Die Nachkriegschronik beginnt mit Einzelheiten zur Instandsetzung der Schule. Die Schule umfasste zu diesem Zeitpunkt sieben Klassen, die von 5 Lehrpersonen unterrichtet wurden.

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Einquartierte Soldaten gestalten Nikolausfeier, 1939 (Foto: Privatbesitz)

Für das Jahr 1952 berichtet Hauptlehrer Jansen, der seit 1936 an der Schule in Rindern tätig war, über den gelungenen Wiederaufbau und den Ausbau des Schulbetriebs. Trotzdem konnte er es sich nicht verkneifen, über den herrschenden Kohlenmangel zu schimpfen: „7 Jahre nach dem Kriege! Täglich über 300.000 t Förderung! Und trotzdem noch Kohlenmangel.“ Der Wiederaufbau und der Ausbau des Schulbetriebs konnten aber einen Mangel nicht behe-ben: die räumliche Enge. Dies führte im Sommer 1953 zu den Vorarbeiten für einen Erweite-rungsbau, der 1954 ausgeführt wurde.

Im Jahre 1958 wurde die Hauptlehrerwohnung mit einem Telefonanschluss versorgt. Was heute alltäglich erscheint, war zur damaligen Zeit nur in wenigen Haushalten vorhanden. Die Gemeinde war von der Notwendigkeit eines Telefonanschlusses nicht überzeugt und verwei-gerte eine Kostenübernahme. Da der Hauptlehrer aber einen solchen für erforderlich hielt, ließ er diesen Telefonanschluss auf seine Kosten installieren. Er musste sich aber gegenüber der Gemeindeverwaltung schriftlich verpflichten, den Telefonanschluss auch wieder auf seine Kosten bei seinem Auszug zu entfernen und für die laufenden Unterhaltskosten selbst aufzu-kommen. Der Telefonanschluss wurde später natürlich nicht entfernt.

Zum 150. Todestag von Johanna Sebus zu Anfang des Jahres 1959 wurden vielfältige Aktivi-täten geplant und durchgeführt. Unter Beifügung zahlreicher Zeitungsartikel wurde umfas-send über die Feierlichkeiten berichtet. Die Predigt des aus Rindern gebürtigen Bischofs Heinrich Maria Janssen fand eine vielfache Beachtung.

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Im April 1959 wurde Lehrer Jansen, der über 20 Jahre in Rindern gewirkt hatte, in den wohl-verdienten Ruhestand versetzt. Ihm folgte am 9. April 1959 Willi Coenen als neuer Schullei-ter.

Im Sommer 1960 wurde der gesamte Schulkomplex umfangreichen Renovierungsarbeiten unterzogen. Die alte Heizung wurde durch eine damals moderne Ölheizung ausgetauscht, der Neubau aus dem Jahr 1954 wurde renoviert, der Altbau erhielt neue Elektroinstallationen und neue Parkettböden. Diese Renovierungsmaßnahmen führten außerhalb der Ferienzeit noch zu einer Beeinträchtigung des Schulbetriebs für die Dauer von etwa vier Monaten.

Mitte Dezember 1962 ließen dauerhafte Temperaturen von -15° bis -20 °Celsius den Rhein zufrieren. Der Schulbetrieb litt diesmal nicht – wie einige Male zuvor – unter den kalten Temperaturen. Die neue Ölheizung versah „sicher und zuverlässig“ ihren Dienst.

Am 14. März 1964 schließt Hauptlehrer Coenen die Schulchronik mit den Anmerkungen zur Entlassfeier. Damit endete eine über Jahrzehnte ausgeübte Praxis.

1 Als Beispiel sei hier auf die vollständige Transkription der Schulchronik von Millingen verwiesen, in der sich viele Parallelen finden. Vgl. hierzu Maiß, Georg, Schulchronik von Millingen, Millingen/Empel, 2006, Selbstverlag 2 Archiv Martha Fürtjes-Egbers, Rindern 3 vgl. Friedrichs, Otto, Das niedere Schulwesen im linksrheinischen Herzogtum Kleve 1614 – 1816, Bielefeld, 2000, Verlag für Regionalgeschichte 4 HStAD, Gerichte Kleve IV 333 5 Der Tagesverdienst (bei zwölf und mehr Stunden Arbeit) betrug zu der Zeit für einen Schmiedemeister 20 Stüber, für einen Tagelöhner 12 Stüber und für ein als Handlanger arbeitendes Kind 1 Stüber. Ein Roggenbrot kostete um die Zeit etwa 7 Stüber und ein Pfund Butter 8 Stüber. 6 Gesetzliche Regelungen erfolgten 1713 durch die „Preußische Schulordnung“, 1717 durch das „General Edict“, 1763 durch das „Generallandschulreglement“ und 1794 durch das „Allgemeine Landrecht“. 7 vgl. Urabe, Masashi, Funktion und Geschichte des deutschen Schulzeugnisses, Bad Heilbrunn, 2009, Klinkhardt, S. 43 und Wehler, Hans-Ulrich, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Band 3, München, 1995, C.H. Beck, S. 400 8 §46 Allgemeines Landrecht, 1794 9 vgl. StA Kleve, AR 331/144 10 Bistumsarchiv Münster 11 vgl. PSA Brühl, Kirchenchronik Pfarrgemeinde Rindern BA 2210/148 12 In den Wintermonaten führte der Tweestrom oftmals Hochwasser, so dass die für den Übergang vorgesehene hölzerne Brücke nicht genutzt werden konnte. Erst im Jahr 1900 wurde die Holzbrücke durch eine höher gelegene, gemauerte Konstruktion ersetzt und ermöglichte so auch bei Hochwasser einen trockenen Übergang. Eine ausführli-che Beschreibung findet sich auch in: Fürtjes-Egbers, Martha, Eine Brücke verbindet, Kleve, 2007, Selbstverlag, S. 110 ff 13 vgl. auch Voldenberg, Günter W., Johanna Sebus 1809 – 2009, Kleve, 2009, Selbstverlag 14 Die Namen wurden von der Redaktion verkürzt.