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1 Ausführliche Programmübersicht Tagung der KBBB Does ‚What works‘ work? – Bildungspolitik, Bildungsadministration und Bildungsforschung im Dialog Universität Paderborn, 28. und 29. September 2016 Hörsaalgebäude L Tagungsprogramm von Mittwoch, 28.09.2016 Mittwoch 28.09.16 09.00 – 10.00 Tagungsanmeldung im Foyer des Gebäudes L, Universität Paderborn 10.00 – 10.30 Tagungseröffnung und Begrüßung (Hörsaal L-Gebäude) Prof. Dr. Birgit Eickelmann, Universität Paderborn Prof. Dr. Volker Peckhaus, Dekan der Fakultät für Kulturwissenschaften, Universität Paderborn 10.30 – 11.15 Eröffnungsvortrag: Prof. Dr. Martin Heinrich, Universität Bielefeld, Vorstand der KBBB (Hörsaal L-Gebäude) Does dialogue work? – Governanceanalysen zur evidenzorientierten dialogischen Handlungskoordination in multipler Akteurskonstellation am Beispiel der Schulinspektion 11.15 – 12.00 Keynote: Norbert Maritzen, Direktor des Institutes Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung (IfBQ), Hamburg (Hörsaal L-Gebäude) Was heißt und zu welchem Ende studiert man Daten? Anspruch und Wirklichkeit einer Strategie des Bildungsmonitorings. 12.00 – 13.00 Mittagspause und Posterausstellung* (Foyer Gebäude L) Bitte nutzen Sie die Mittagsangebote auf dem Campus. Weitere Informationen dazu finden sich u.a. auf der Tagungswebseite unter http://www.uni-paderborn.de/veranstaltungen/kbbb2016/informationen/ Übersicht über die ausgestellten Poster *Die Poster bleiben als Dauerausstellung während der gesamten Tagung an den Stellwänden im Foyer des Gebäudes L

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Ausführliche Programmübersicht Tagung der KBBB

Does ‚What works‘ work? – Bildungspolitik, Bildungsadministration und Bildungsforschung im Dialog

Universität Paderborn, 28. und 29. September 2016

Hörsaalgebäude L

Tagungsprogramm von Mittwoch, 28.09.2016

Mittwoch 28.09.16

09.00 – 10.00 Tagungsanmeldung im Foyer des Gebäudes L, Universität Paderborn

10.00 – 10.30 Tagungseröffnung und Begrüßung (Hörsaal L-Gebäude) Prof. Dr. Birgit Eickelmann, Universität Paderborn Prof. Dr. Volker Peckhaus, Dekan der Fakultät für Kulturwissenschaften, Universität Paderborn

10.30 – 11.15 Eröffnungsvortrag: Prof. Dr. Martin Heinrich, Universität Bielefeld, Vorstand der KBBB (Hörsaal L-Gebäude) Does dialogue work? – Governanceanalysen zur evidenzorientierten dialogischen Handlungskoordination in multipler Akteurskonstellation am Beispiel der Schulinspektion

11.15 – 12.00 Keynote: Norbert Maritzen, Direktor des Institutes Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung (IfBQ), Hamburg (Hörsaal L-Gebäude) Was heißt und zu welchem Ende studiert man Daten? Anspruch und Wirklichkeit einer Strategie des Bildungsmonitorings.

12.00 – 13.00 Mittagspause und Posterausstellung* (Foyer Gebäude L) Bitte nutzen Sie die Mittagsangebote auf dem Campus. Weitere Informationen dazu finden sich u.a. auf der Tagungswebseite unter http://www.uni-paderborn.de/veranstaltungen/kbbb2016/informationen/ Übersicht über die ausgestellten Poster *Die Poster bleiben als Dauerausstellung während der gesamten Tagung an den Stellwänden im Foyer des Gebäudes L

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Mittwoch 28.09.16 12-13h Foyer: Postersession

Entwicklung eines Workplace Learning Curriculum im Bereich der Altenpflege Bianca Steffen, Nadine Eikenbusch, Eva-Maria Leifeld, Michael Goller, Christian Harteis Stichworte: Altenpflege, Workplace Curriculum, Interviewstudie, Qualitative Inhaltsanalyse Aufgrund demographischer Veränderungen ist in kommenden Jahren mit einer verstärkten Nachfrage nach geriatrischer Betreuung von älteren Personen zu rechnen. Dieser Nachfrage steht ein zunehmend vermindertes Angebot Pflegekräfte auf dem Arbeitsmarkt entgegen. Häufiger greifen Altenheime daher zur Deckung personeller Fehlkapazitäten auf unausgebildete Hilfskräfte zurück, welche nach kurzen Anlernphasen bereits eigenständig Pflegetätigkeiten übernehmen müssen. Über diesen Anlernprozess ist aus wissenschaftlicher Perspektive bisher wenig bekannt. Auch auf Ebene der Bildungs- und Pflegepolitik wurde diesem Thema kaum Beachtung geschenkt. Ziel dieses Beitrages ist es daher (a) einen empirischen Einblick in Ablauf und Probleme solcher Einarbeitungsphasen von Altenpflegehilfskräften zu geben sowie (b) evidenzbasiert Vorschläge zur Verbesserung solcher Anlernprozesse zu unterbreiten. Theoretisch orientiert sich dieses Forschungsvorhaben neben Ansätzen informellen Lernens in beruflichen Kontexten (Malloch, Cairns, & O‘Conner, 2011) vor allem an Billetts (2011) Ideen zum Workplace Curriculum. Damit wird die pädagogische Anreicherung einer bereits existierenden Strukturierung informellen Lernens bezeichnet. Billett (2011) geht auf Basis empirischer Befunde davon aus, dass informelle Lernprozesse häufig nicht vollständig unsystematisch verlaufen, sondern einer sich natürlich über die Zeit entwickelnden lernwirksamen Strukturierung folgen. Diese Strukturierung legt fest, wann und wie neue Beschäftigte arbeitsbezogene Tätigkeiten wahrnehmen, um benötigtes Wissen und Fähigkeiten zu erwerben. Häufig ist diese Strukturierung jedoch weder schriftlich kodifiziert noch sind sich Beteiligte bewusst, dass sie dieser folgen. Im Fokus dieses Beitrages steht daher die Frage, ob der Anlernprozess von ungelernten Altenpflegehilfskräften einer solchen Strukturierung folgt und wie diese konzeptionalisiert werden kann. Im zweiten Schritt sollen alle hoch lernwirksamen Tätigkeiten und Aktivitäten, welche bereits Teil des Anlernprozesses sind, identifiziert und beschrieben werden. Dies ermöglicht bereits existierende Potentiale informeller Lernprozesse weiter zu nutzen. Im dritten Schritt soll dann herausgefunden werden, welches Wissen durch die bisherige Strukturierung schwer oder nicht erworben werden kann. Dies ist notwendig, da nicht davon ausgegangen wird, dass informelle Lernprozesse zur Vermittlung der gesamten Bandbreite des tätigkeitsrelevanten Wissens geeignet sind. Auf Basis dieser Erkenntnisse soll am Ende des noch laufenden Forschungsprojektes ein evidenzbasiertes Workplace Curriculum für die Altenpflegehilfskräfte entwickelt und empirisch in Kooperation mit der Bildungsadministration der Einrichtung pilotiert werden. Ziele und Methoden Mit Bezug auf das Tagungsthema wird das Poster theoretische Vorüberlegungen sowie die empirischen Ergebnisse des Projektes präsentieren. Hierbei liegt der Fokus auf (1) der Darstellung der aktuellen Strukturierung des Anlernprozesses eines repräsentativen Altenpflegeheims, (2) der Identifikation pädagogisch reichhaltiger informeller Lernaktivitäten sowie (3) der Identifikation des Wissens, welches mittels des Anlernprozesses nur unzureichend erworben werden kann. Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurde eine explorative Interviewstudie mit Pflegekräften eines Altenpflegeheims in NRW durchgeführt. In dieser Studie wurden drei Gruppen von Beschäftigten (angelernte Kräfte (weniger als Jahr Berufserfahrung); angelernte Kräfte (langjährige Berufserfahrung); Fachkräfte, die mit der Anleitung der Pflegehilfskräfte beschäftigt sind) mit einem Interviewleitfaden interviewt. Insgesamt wurden 14 Interviews geführt. Die Interviews dauerten 27-81 Minuten, wobei die Durchschnittsdauer 56 Minuten beträgt. Das gesamte Interviewmaterial wurde transkribiert und mit dem Verfahren der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2015) analysiert. Hierbei sind vor allem Techniken der Strukturierung und Zusammenfassung zum Einsatz gekommen. Die Auswertung ist noch nicht vollständig abgeschlossen. Vorläufige Ergebnisse Neue Altenpflegehilfskräfte begleiten Erfahrene und Fachkräfte bei ihrer täglichen Arbeit und lernen sowohl durch Beobachtung und Imitation als auch durch kommunikativen Austausch aller Beteiligten. Hierbei sind sie zunächst für Aufgaben, welche als einfach eingestuft werden, zuständig. Nach einer Woche übernehmen sie die gesamte Bandbreite der Tätigkeiten selbstständig. Schwer erlernbares und tätigkeitsrelevantes Wissen ist in vielen Arbeitsbereichen zu finden. Die fünf Dimensionen Sturzprophylaxe, Umgang mit BewohnerInnen, Essenanreichung, Grundpflege und Zuständigkeit sind besonders stark durch diese Wissensart konstituiert. Die oben beschriebenen Lernstrategien reichen nicht aus, um sich dieses Wissen anzueignen. Literatur Billett, S. (2011). Workplace curriculum: Practice and propositions. In F. Dochy, D. Gijbels, M. Segers, & P. Van den Bossche (Eds.), Theories of learning for the workplace: Building blocks for training and professional development programmes (pp. 17–36). London: Routledge. Malloch, M., Cairns, L., Evans, K., & O’Conner, B. (Eds.). (2011). The Sage handbook of workplace learning. Los Angeles: SAGE. Mayring, P. (2015). Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken (12., überarbeitete Auflage). Weinheim Basel: Beltz.

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Mittwoch 28.09.16 12-13h Foyer: Postersession

Handlungsstrategien von Grundschulleitungen im Umgang mit Heterogenität und (knappen) Ressourcen Caroline Gröschner Stichworte: Ressourcenzuweisung, soziale Ungleichheit, Schulleitungshandeln Soziale Ungleichheit im Bildungssystem, vor allem in Bezug auf die Institution Schule, ist nicht erst seit dem "PISA-Schock" von 2000 ein viel diskutiertes Phänomen in Deutschland. Jedoch haben besonders die Ergebnisse der PISA-Studie zu breiten Diskussionen in Politik und Öffentlichkeit geführt (vgl. Tillmann et al. 2008) und aufgezeigt, dass die erreichten Leseleistungen im internationalen Vergleich in Deutschland am stärksten von der sozialen Herkunft der Schülerinnen und Schüler abhängig sind. (vgl. Baumert und Schümer 2001, S. 381 ff.) Eine Strategie der KMK, die Diskrepanz zwischen dem Schulerfolg und der Herkunft der Schülerinnen und Schüler zu verringern, ist die "effizientere" bzw. bedarfsorientierte Ressourcenzuweisung, beispielweise in Form von Lehrerwochenstunden. Die Ressourcen sollen dabei unter der Berücksichtigung der jeweiligen Schülerschaft vergeben werden. (Vgl. KMK 2007, S. 4) Ein solches Verteilungssystem, das versucht die soziale Herkunft der Schülerinnen und Schüler zu berücksichtigen, existiert bereits in fünf (Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen und Nordrhein-Westfalen) Bundesländern. (Vgl. Morris-Lange et al. 2013) Wie aber die einzelnen Schulen mit den zugewiesenen Mitteln umgehen und wie diese eingesetzt werden, bleibt dabei offen. Die jeweilige Schulleitung nimmt bei der Beantragung und internen Verteilung ihrer Ressourcen eine entscheidende Rolle ein und kann dadurch soziale Ungleichheit aufgrund ihrer Perspektiven, Positionen und Handlungen ebenfalls reproduzieren, aber möglicherweise auch verringern. Zu den Aufgaben einer Schulleitung zählen auch die „Beschaffung“ und die interne Verteilung der Unterrichtsversorgung und somit die Organisation des Schulalltages. (Vgl. z.B. Schulministerium des Landes Nordrhein-Westfalen 2013) Aus diesem Grund sollte ihr Handeln bei der Beschaffung und Verteilung dieser Ressourcen, vermehrt Teil wissenschaftlicher Analysen sein. Die Frage, welche Rolle die Schulleitungen bei der Beantragung und internen Verteilung ihrer Ressourcen einnehmen und welche Strategien sie diesbezüglich anwenden, liegt meinem Dissertationsvorhaben zugrunde. Die zentrale Fragestellung lautet demnach: Welche Perspektiven und Strategien verfolgen Grundschulleitungen bezüglich der Ressourcenbeschaffung und internen Verteilung? Mit Ressourcen sind hier vor allem Lehrerwochenstunden gemeint, da diese von den Ministerien bzw. Behörden zugewiesen werden. Die Fragestellung soll anhand von qualitativen Interviews mit Grundschulleitungen analysiert werden. Die Leifragen für die Interviewleitfäden wurden aus einer Dokumentenanalyse der Erlasse und Regelungen bzgl. der Ressourcenzuweisungsverfahren der einzelnen Bundesländer entwickelt. Dies ist bei der Erstellung bedeutend, da sich Leitfragen „erst auf der Basis fundierter, theoretischer oder empirischen Kenntnisse“ formulieren lassen, so Friebertshäuser und Langer. (2010, S 439) Insgesamt besteht das Sample aus 16 Expert/inneninterviews mit Grundschulleitungen aus drei Bundesländern. Für die Analyse der Forschungsfrage bietet sich eine qualitative Herangehensweise an, da qualitative Forschung nach Helfferich (2009) Sinn(strukturen) oder subjektive Sichtweisen rekonstruiert; das Verstehen steht somit im Vordergrund. Im Rahmen des Dissertationsprojektes liegt die Entscheidung Expert/inneninterviews zu führen darin begründet, dass diese Form des Interviews sich für die Beantwortung der dargestellten Forschungsfrage besonders eignet. Denn Expertinnen und Experten sind diejenigen, die in dem zu untersuchenden Handlungsfeld agieren und über einen privilegierten Zugang zu Informationen, die im Forschungsinteresse liegen, verfügen. (Vgl. Meuser/Nagel 1991, S. 443) Die Herangehensweise im Rahmen der Interviewanalyse orientiert sich am integrierten Basisverfahren nach Jan Kruse (2015), da dieses Verfahren gegenüber anderen folgende Vorteile mitbringt: es richtet sichnach dem jeweiligen Material, das Prinzip der Offenheit steht im Zentrum der Analyse und die Kombination unterschiedlicher Verfahren kommt zum Tragen. Denn der Anspruch des integrierten Basisverfahrens ist es, „über die Integration verschiedener methodischer Prozessebenen sowie analytischer Perspektiven einen integrativen Grundansatz zu liefern.“ (ebd., S. 363, Hervorhebung im Original, CG) Literatur: Baumert, J./Schümer, G. (2001): Familiäre Lebensverhältnisse, Bildungsbeteiligung und Kompetenz. In: Deutsches PISA-Konsortium (Hrsg.): PISA 2000. Basiskompetenzen von Schülerinnen und Schülern im internationalen Vergleich. Opladen: Leske + Budrich, S.323-407. Friebertshäuser B. /Langer, A. (2010): Interviewformen und Interviewpraxis. In: Handbuch Qualitative Forschungsmethoden in der Erziehungswissenschaft. Weinheim und München: Juventa, S.437-455. Helfferich, C. (2009): Die Qualität qualitativer Daten. Manual für die Durchführung qualitativer Interviews. Wiesbaden: VS. KMK (2007): Integration als Chance – gemeinsam für mehr Chancengerechtigkeit. Gemeinsame Erklärung der Organisation von Menschen mit Migrationshintergrund. Abrufbar unter: https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2007/2007_12_13-Integration.pdf [02.02.2015]. Kruse, J. (2015): Qualitative Interviewforschung. Ein integrativer Ansatz. Weinheim und Basel: Beltz Juventa. Meuser, M./ Nagel, U. (1991): ExpertInneninterviews – vielfach erprobt, wenig bedacht. Ein Beitrag zur qualitativen Methodendiskussion. In: Garz, Detlef/ Kraimer, Klaus (Hrsg.): Qualitativ-empirische Sozialforschung. Konzepte, Methoden, Analysen. Opladen: Westdeutscher, S. 441-471. Morris-Lange, S./ Wendt, H./ Wohlfarth, C. (2013): Segregation an deutschen Schulen. Ausmaß, Folgen und Handlungsempfehlungen für bessere Bildungschancen. Abrufbar unter: http://www.svr-migration.de/wp-content/uploads/2013/07/SVR-FB_Studie-Bildungssegregation_Web.pdf [04.01.2016]. Schulministerium des Landes Nordrhein-Westfalen (2013): Erlass: 14 – 23 Nr. 4. Mehr Freiräume für innovative schulische Vorhaben. Abrufbar unter: https://www.schulministerium.nrw.de/docs/Schulentwicklung/Eigenverantwortliche-Schule/Erlass_Mehr_Freiraeume_fuer_innovative_schulische_Vorhaben.pdf [04.01.2016] Tillmann, K.-J. et al. (2008): PISA als bildungspolitisches Ereignis. Fallstudie in vier Bundesländern. Wiesbaden: VS.

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Statistical Literacy von Schülerinnen und Schülern in Deutschland – Empirische Analysen auf der Grundlage von PISA 2012 Sina Mews, Julia Gerick, Wilfried Bos Stichworte: Statistical Literacy, PISA 2012, Schülerleistungen, Sekundarstufe I Im Zuge des gesellschaftlichen Wandels zur Informations- und Wissensgesellschaft hat sich Statistical Literacy zu einer Schlüsselqualifikation entwickelt (u.a. UNECE, 2012) und ist als Untersuchungsgegenstand für die empirische Bildungsforschung sowie als zentrales Lernziel schulischer Akteure in den Fokus gerückt (u.a. Ben-Zvi & Makar, 2016; Watson, 2006). Während in der Forschungsliteratur zwischen einem engeren und einem umfassenderen Verständnis von Statistical Literacy unterschieden werden kann, orientiert sich der Forschungsschwerpunkt dieses Beitrags an der breiteren Auffassung von Statistical Literacy, die über basale Statistikkenntnisse hinausgeht. Statistical Literacy bezeichnet demnach die Fähigkeit, statistische Nachrichten zu verstehen, zu interpretieren und sich kritisch mit ihnen auseinanderzusetzen (u.a. Gal, 2002; Watson, 2006). Bisherige Studien geben Hinweise darauf, dass der sozioökonomische Status, Einstellungen bezüglich Statistik und Mathematik sowie Mathematikleistungen und -wissen bedeutsame Faktoren sind, die mit Statistical Literacy im Zusammenhang stehen (vgl. Mills & Holloway, 2013; Sproesser, Kuntze & Engel, 2013, 2014). Zum anderen gibt es erste empirische Evidenz, dass Geschlechterdifferenzen hinsichtlich der statistikbezogenen Kompetenzen von Jugendlichen bestehen, wobei nicht eindeutig ist, ob Mädchen oder Jungen einen Vorteil in diesem Bereich aufweisen (vgl. Mills & Holloway, 2013; Yolcu, 2014). Hingegen fanden sowohl der Migrationshintergrund als auch Persönlichkeitsmerkmale wie Motivation oder das mathematikbezogene Selbstkonzept sowie die Selbstwirksamkeitserwartungen keine Berücksichtigung in bisherigen Analysen. Vor diesem Hintergrund bearbeitet der vorliegende Beitrag auf Grundlage des PISA-2012-Datensatzes vertiefend die folgenden zwei Fragestellungen für Deutschland: (1) Wie hoch ist die Statistical Literacy von 15-jährigen Schülerinnen und Schülern und welche Kompetenzunterschiede bestehen zwischen verschiedenen Schülergruppen? (2) Welche Einflussfaktoren lassen sich für Statistical Literacy bei den Schülerinnen und Schülern identifizieren? Die erste Forschungsfrage wird mittels deskriptiver Analysen bearbeitet. Zur Beantwortung der zweiten Forschungsfrage wird ein sequenzieller Regressionsansatz verfolgt. Alle Analysen werden mit dem IDB-Analyzer (Rutkowski et al., 2010) durchgeführt, um die komplexe Datenstruktur zu berücksichtigen. Neben verschiedenen Hintergrundmerkmalen der Schülerinnen und Schüler (Geschlecht, sozioökonomischer Status, Zuwanderungshintergrund), werden Variablen der motivationalen und emotionalen Orientierungen der Jugendlichen sowie ihrer Selbstbilder in das Modell aufgenommen. Die abhängige Variable stellen hierbei die Schülerleistungen im mathematischen Inhaltsbereich „Unsicherheit und Daten“ aus PISA 2012 dar, die als Operationalisierung von Statistical Literacy dienen. Die Ergebnisse hinsichtlich der ersten Forschungsfrage zeigen, dass Jugendliche in Deutschland im internationalen Vergleich signifikant über dem OECD-Durchschnitt im Inhaltsbereich „Unsicherheit und Daten“ liegen. Allerdings bestehen deutliche Leistungsunterschiede zwischen verschiedenen Schülergruppen in Deutschland, die sich als statistisch signifikant erweisen und zum Teil fast eine Standardabweichung umfassen, beispielsweise zwischen Schülerinnen und Schülern mit niedriger und hoher mathematischer Selbstwirksamkeitserwartung sowie zwischen Jugendlichen mit niedrigem sozioökonomischen Status und Jugendlichen mit hohem sozioökonomischen Status. Die Analysen zur zweiten Forschungsfrage machen deutlich, dass, in Bezug auf den Erwartungswert, Schülerinnen und Schüler aus Familien mit hohem sozioökonomischen Status sowie mit höchstens einem im Ausland geborenen Elternteil, die eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung sowie ein hohes mathematikbezogenes Selbstkonzept, aber eine niedrige instrumentelle Motivation und eine niedrige mathematikbezogene Ängstlichkeit aufweisen, besonders hohe Leistungen im Inhaltsbereich „Unsicherheit und Daten“ erzielen. Insgesamt können durch das aufgestellte Modell 30 Prozent der Varianz zwischen den Schülerleistungen erklärt werden. Abschließend werden die Ergebnisse vor dem Hintergrund der theoretischen Fundierung von Statistical Literacy diskutiert und anknüpfend auf den empirischen Befunden Entwicklungsperspektiven für die schulische Praxis formuliert. Literatur Ben-Zvi, D. & Makar, K. (2016). International perspectives on the teaching and learning of statistics. In D. Ben-Zvi & K. Makar (Hrsg.), The teaching and learning of statistics. International perspevtives (S. 1–10). Heidelberg: Springer. Gal, I. (2002). Adults' statistical literacy: Meanings, components, responsibilities. International Statistical Review, 70(1), 1–25. Mills, J.D. & Holloway, C.E. (2013). The development of statistical literacy skills in the eighth grade: exploring the TIMSS data to evaluate student achievement and teacher characteristics in the United States. Educational Research and Evaluation: An International Journal on Theory and Practice, 19(4), 323–345. Rutkowski, L., Gonzalez, E., Joncas, M. & von Davier, M. (2010) International large-scale assessment data. Educational Researcher 39(2): 142–151. Sproesser, U., Kuntze, S. & Engel, J. (2013). Einflussfaktoren auf Statistical Literacy - erste Ergebnisse einer Studie mit Schülerinnen und Schülern der 8. Realschulklasse. In G. Greefrath, F. Käpnick & M. Stein (Hrsg.), Beiträge zum Mathematikunterricht 2013. Münster: WTM. Sproesser, U., Kuntze, S. & Engel, J. (2014). A multilevel perspective on factors influencing students’ statistical literacy. 9. International Conference on Teaching Statistics (ICOTS). Flagstaff, USA. UNECE [United Nations Economic Commission for Europe]. (2012). Making data meaningful. Part 4: A guide to improving statistical literacy. Geneva: United Nations. Watson, J.M. (2006). Statistical literacy at school. Growth and goals. Mahwah, NJ: Erlbaum. Yolcu, A. (2014). Middle school students’ statistical literacy: Role of grade level and gender. Statistics Education Research Journal, 13(2), 118–131.

   

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Zum Wandel der deutschen Schulsysteme seit PISA. Ergebnisse aus dem Chancenspiegel Sonja Abendroth, Nils Berkemeyer, Wilfried Bos, Björn Hermstein, Ina Semper Stichworte: Wandel, Schulsystementwicklung, Gerechtigkeit Projekthintergrund Mit dem Posterbeitrag sollen die theoretische Anlage sowie empirische Ergebnisse des im Januar 2017 erscheinenden „Chancenspiegel – eine Zwischenbilanz. Zur Chancengerechtigkeit und Leistungsfähigkeit der deutschen Schulsysteme seit 2002“ vorgestellt werden. Der „Chancenspiegel“ erschien bislang dreimal und ist ein gemeinsames Projekt des Instituts für Schulentwicklungsforschung Dortmund und der Friedrich-Schiller-Universität Jena und der Bertelsmann Stiftung und versteht sich als Beitrag zum Schulsystemmonitoring. Theoretische Basis In Auseinandersetzung mit gerechtigkeits- und schultheoretischen Ansätzen leitet der Chancenspiegel vier Dimensionen von schulsystemischer Gerechtigkeit her: Durchlässigkeit, Integrationskraft, Kompetenzförderung sowie Zertifikatsvergabe (Berkemeyer, Bos & Manitius, 2012). Mit der im Entstehen befindlichen Folgeausgabe wird der Fokus auf die Beobachtung von Veränderungen der Schulsysteme gelegt. Theoretisch wird hierbei an (makrostrukturelle) Theorien institutionellen Wandels angeschlossen. Da der Chancenspiegel Schulsysteme als gestaltungsmächtige institutionelle Akteure begreift, eignen sich akteurzentrierte Theorien sozialen Wandels, wie der Challenge-Response-Ansatz (Best, 2007). Folgt man diesem Konzept, ist davon auszugehen, dass Schulsysteme als Akteurs-Institutionen-Konstellationen eine (re-)produktive Auseinandersetzung mit ihren eigenen bestehenden Ordnungsmomenten sowie gesellschaftlichen (z.B. funktionalen, normativen) Anforderungen leisten müssen, um ihr Fortbestehen zu sichern. Während aus modernisierungstheoretischer Sicht „Evolutionäre Universalien“ (Parsons, 1969) und aus institutionentheoretischer Sicht Isomorphie-Tendenzen (Meyer, 2005) angenommen werden können, die eine Angleichung von Systemen bewirken, ist mit systemtheoretischen Ansätzen (Luhmann & Schorr, 1988) aufgrund der Autonomie-Annahme von divergierenden Wandlungsmustern auszugehen. Fragestellungen Es werden drei analytische Zugänge verfolgt: 1. Theoretisch: Wie ist der makrostrukturelle Wandel von Schulsystemen theoretisch-konzeptionell zu fassen? 2. Deskriptiv-analytisch: Welche Wandlungsmuster und Pfade des Wandels der deutschen Schulsysteme lassen sich deskriptiv nachzeichnen? 3. Erklärungsbezogen-analytisch: Welche institutionellen Konstellationen der Systeme befördern oder behindern Wandlungstendenzen? Methodisches Vorgehen Auf Basis von Daten der amtlichen Statistiken und der nationalen Vergleichsstudien (IGLU, PISA, TIMSS und die Untersuchungen zu den Bildungsstandards) wird im 2017 erscheinenden Chancenspiegel der zeitliche Verlauf der Werte-ausprägungen der Indikatoren in den vier Gerechtigkeitsdimensionen ab dem Jahr 2002 präsentiert. Entlang dieser Zeitreihen werden systematisch Fälle konvergenter bzw. divergenter Wandlungspfade extrahiert, die exemplarisch auf ihre institutionellen Konstellationen hin befragt werden. Ergebnisse Im Betrachtungszeitraum finden sich sowohl konvergente wie divergente Wandlungsmuster zwischen den Ländern. Insbesondere in der Dimension Integrations-kraft (Ganztags- und Inklusionsentwicklung) zeigen sich über alle Länder hinweg generelle Tendenzen des Wachstums, wobei das uneinheitliche Entwicklungstempo zu einem Anstieg der Disparitäten führt. Daneben zeigen sich atypische Wandlungspfade, die auf spezifische institutionelle Konfigurationen der Landessysteme zurückzuführen sind (z.B. Rückgang der Förderquote in Thüringen und Bremen). Literatur Berkemeyer, N., Bos, W. & Manitius, V. (2012). Chancenspiegel. Zur Chancengerechtigkeit und Leistungsfähigkeit der deutschen Schulsysteme. Gütersloh: Ber-telsmann Stiftung. Best, H. (2007). Der Challenge-Response-Ansatz als forschungsleitende Perspektive für die Transformationsforschung. In D. De Néve, M. Reiser & K.-U. Schnapp (Hrsg.), Herausforderung – Akteur – Reaktion. Diskontinuierlicher sozialer Wandel aus theoretischer und empirischer Perspektive (11-51). Baden-Baden: Nomos. Luhmann, N.& Schorr, K. E. (1988). Reflexionsprobleme im Erziehungssystem. Frankfurt/M.: Suhrkamp. Meyer, J.W. (2005). Weltkultur: Wie die westlichen Prinzipien die Welt durchdringen. Frankfurt/M.: Suhrkamp. Parsons, T. (1969). Evolutionäre Universalien der Gesellschaft. In W. Zapf (Hrsg.), Theorien des sozialen Wandels (55-74). Köln u.a.: Kiepenheuer & Witsch.

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Leadership und Schulentwicklung im Kontext. Erfolgreiches Schulleitungshandeln in Deutschland und den USA Esther Dominique Klein Stichworte: Educational Governance, School Leadership, Internationaler Vergleich, USA Spätestens seit Beginn der 2000er Jahre wird in Deutschland die zentrale Bedeutung der Schulleitung für Schulentwicklungsprozesse diskutiert. Da bislang nur wenige empirische Befunde zur Rolle der Schulleitung im Schulentwicklungsprozess an deutschen Schulen vorliegen (z.B. Muslic, Ramsteck & Kuper, 2013), werden hierbei v.a. Erkenntnisse der nordamerikanischen Leadership-Forschung herangezogen (z.B. Hallinger, 2003; Leithwood & Duke, 1998). Unterschiede in den institutionellen Rahmenbedingungen von Schulleitungshandeln in Deutschland und bspw. den USA werden dabei zwar angemahnt (Bonsen, 2010), allerdings nicht systematisch-vergleichend in den Blick genommen. Dabei verweisen internationale Vergleichsstudien auf die zentrale Bedeutung institutioneller und historisch-kultureller Kontextfaktoren für Leadership (z.B. Ylimaki & Jacobson, 2013). Der vorliegende Beitrag greift dieses Forschungsdesiderat in einer gemischt-methodischen Vergleichsstudie von erfolgreichem Schulleitungshandeln in Deutschland und den USA auf. Theoretischer Rahmen: Aus der Perspektive der Educational Governance (Kussau & Brüsemeister, 2007) befinden sich Schulleitungen in Schulentwicklungsprozessen in interdependenten Akteurskonstellationen mit Schulaufsicht, Lehrkräften, Schüler/innen und Eltern, welche u.a. durch Merkmale im institutionellen Kontext geprägt werden. Sie sind konstitutiv für die Möglichkeiten der Schulleitung, auf Arbeitsprozesse und Unterrichtsentwicklung einzuwirken, und für die Möglichkeiten anderer Akteure, sich der Einflussnahme durch die Schulleitung zu entziehen. Die Formulierung von Entwicklungszielen und Umstrukturierung organisationaler und unterrichtlicher Prozesse durch die Schulleitung dürfte z.B. davon abhängen, inwiefern sie Entscheidungen für alle Akteure in den Schulen treffen kann. In Deutschland lassen sich Schulen als professionelle Organisationen charakterisieren, in denen gut ausgebildete Lehrkräfte relevante Akteure bei der Entscheidung für und Umsetzung von Schulentwicklungsstrategien sind (Thiel, 2008). Demgegenüber stehen in den USA manageriell geführte Schulen, deren Schulentwicklungsentscheidungen durch die Schulleitung bzw. die lokalen Schulbezirke getroffen werden (Mintrop, 2015). Die wenigen bislang vorliegenden vergleichenden Forschungsbefunde bestätigen Unterschiede in den Akteurskonstellationen zwischen Deutschland und den USA sowie damit verbunden divergierende Leadership-Strategien (Klein, 2016). Studiendesign: Diese Befunde lassen allerdings keine Differenzierung von erfolgreichem und weniger erfolgreichem Schulleitungshandeln zu. Insofern wäre denkbar, dass sich zwar Schulleitungshandeln in der Breite in den beiden Ländern sehr unterschiedlich gestaltet, sich aber dennoch vergleichbare Ansätze und Strategien beobachten lassen, wenn nur erfolgreiches Schulleitungshandeln betrachtet wird. Das Ziel der hier vorgestellten Studie besteht vor diesem Hintergrund in der vergleichenden Analyse von Schulleitungshandeln in erfolgreichen Entwicklungsprozessen in Deutschland und den USA, um hierüber Aussagen über kontextunabhängig erfolgreiche Leadership-Strategien ableiten zu können. Methodisches Vorgehen: Die Studie folgt einem kasuistischen Design mit gemischt-methodischem Ansatz (Yin, 2009), wobei mit Kalifornien und Nordrhein-Westfalen zwei Bundesländer/-staaten als Fälle ausgewählt werden. Die Schulstichprobe in beiden Ländern umfasst Schulen, die sich in sozialräumlich deprivierten Kontexten befinden und in den letzten Jahren erfolgreiche Entwicklungsprozesse durchlaufen haben. Um die Rolle der Schulleitung im Schulentwicklungsprozess zu untersuchen, werden quantitative Netzwerkanalysen sowie standardisierte Befragungen von Lehrkräften an insgesamt sechs Schulen eingesetzt. In drei der Schulen wird eine Vertiefungsstudie durchgeführt, in der mithilfe quasi-ethnografischer Beobachtungen des Schulleitungshandelns, Interviews und Dokumentenanalysen die Akteurskonstellationen sowie Strategien der Schulleitung im Entwicklungsprozess rekonstruiert werden. Ergebnisse: Bislang liegen Daten für die kalifornische Stichprobe vor. Die Ergebnisse der quantitativen Befragung deuten auf eine zentrale Position der Schulleitung in den Netzwerken der Schulen hin. Erste Analysen der Beobachtungen und Interviews verweisen auf die Formulierung von Vision und Zielen insbesondere vor dem Hintergrund einer ‚schwierigeren Schülerschaft’ als wichtigstes Kriterium für die erfolgreichen Entwicklungsprozesse. Damit verbunden ist eine starke Präsenz der Schulleiter/innen im Schulalltag (z.B. im Rahmen von Walk Throughs). Zudem kristallisiert sich die spezifische Akteurskonstellation heraus, in der die Schulleiter/innen mit ihren Lehrkräften stehen. Zum einen wird ein Hierarchiegefälle deutlich, zum anderen übernimmt die Schulleitung mit der Disziplinierung von Schüler/innen auch eine Rolle, die in deutschen Schulen i.d.R. den Lehrkräften zukommt. Weitere Ergebnisse sollen auf der Tagung präsentiert werden. Literatur Bonsen, M. (2010). Schulleitungshandeln. In H. Altrichter & K. Maag Merki (Hrsg.), Handbuch Neue Steuerung im Schulsystem (S. 277-294). Wiesbaden: VS-Verlag. Hallinger, P. (2003). Leading Educational Change. Reflections on The Practice of Instructional and Transformational Leadership Cambridge Journal of Education, 33(3), 329-352. Klein, E. D. (2016). Zwillinge oder entfernte Verwandte? Strategien der Schulleitung in Schulen in deprivierter Lage in der BRD und den USA. Zeitschrift für Bildungsforschung, 6(1), 5-23. Kussau, J. & Brüsemeister, T. (Hrsg.). (2007). Governance, Schule und Politik. Zwischen Antagonismus und Kooperation. Wiesbaden: VS-Verlag. Leithwood, K. & Duke, D. L. (1998). Mapping the Conceptual Terrain of Leadership: A Critical Point of Departure for Cross-Cultural Studies. Peabody Journal of Education, 73(2), 31-50. Mintrop, R. (2015). Public Management Reform Without Managers. The Case of German Public Schools. International Journal of Educational Management, 29(6), 790-795. Muslic, B., Ramsteck, C. & Kuper, H. (2013). Das Verhältnis von Schulleitung und Schulaufsicht im Kontext testbasierter Schulreform. Kontrastive Fallstudien zur Rezeption von Lernstandsergebnissen im Mehrebenensystem der Schule. In I. v. Ackeren, M. Heinrich & F. Thiel (Hrsg.), Evidenzbasierte Steuerung im Bildungssystem? Befunde aus dem BMBF-SteBis-Verbund. Die Deutsche Schule, 12. Beiheft (S. 96-119). Thiel, F. (2008). Organisationssoziologische Vorarbeiten zu einer Theorie der Schulentwicklung. Journal für Schulentwicklung, 12(2), 31-39. Yin, R. K. (2009). Case Study Research. Design and Methods (4. Aufl.). Los Angeles, CA: Sage. Ylimaki, R. & Jacobson, S. (2013). School Leadership Practice and Preparation. Comparative Perspectives on Organizational Learning (OL), Instructional Leadership (IL) and Culturally Responsive Practices (CRP). Journal of Educational Administration, 51(1), 6-23.

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Mittwoch 28.09.16 12-13h Foyer: Postersession

Recht auf Bildung –(k)eine Seltenheit Zuzana Kobesova Stichworte: Kinderrechte, Recht auf Bildung, Österreich, Verrechtlichung, Autonomie Wenn es um Recht auf Bildung (CRC) geht, scheint sich die rezente Lage in Österreich schlechter darzustellen als man anzunehmen vermag. Die Abschließenden Bemerkungen des UN-Ausschusses für Rechte des Kindes lassen auf grobe Versäumnisse diesen Rechts in österreichischem Bildungssystem schließen. Der Ausschuss bemängelt, „dass die Kinderrechte nicht in den Lehrplänen der Primar- und Sekundarstufe enthalten sind“ (KRK-AB, 2012, Pkt. 20). Ähnlich kritisiert der Ausschuss, dass [...] Maßnahmen zu ergreifen (seien), dass alle Berufsgruppen, die für und mit Kindern arbeiten in angemessener Weise und systematisch in den Kinderrechten ausgebildet werden, insbesondere Lehrer [...] (ebd., Pkt. 23). Diese Kritiken wiegen umso schwerer, wenn die Bemühungen um pädagogische Bearbeitung von kinderrechtlichen Fragestellungen durch die Bildungswissenschaft in Deutschland viel breiter aufzufinden sind als in Österreich (vgl. z.B. Prengel/Winklhofer 2014a und b). Besonders in elementarpädagogischen Praxisfeldern mache sich dieser Defizit bemerkbar (vgl. Stanzel-Tischler 2013). Was sind nun die Problematiken, mit denen diese Lage verbunden ist? Der Vortrag sucht exemplarisch eine Antwort, indem es den Regelungen zum Thema „Schulschwänzen“ und den damit verbundenen Konsequenzen nachgeht. Aufgezeigt sollte damit werden,welche Spielräume für die Regulierung eines schulkonformen Verhaltens seitens der betroffenen Schülerschaft bzw. „Kindheit“ genutzt werden. Zurückgeführt wird die Fragestellung abschließend auf das Spannungsverhältnis von Autonomie und Verrechtlichung. Gestaltbarkeit von Bildung steht damit auf dem Spiel. Literatur Gerhardt, Volker: Menschenrecht und Rhetorik. In: Brunkhorst, Hauke; Köhler, Wolfgang R.; Lutz-Bachmann, Matthias (Hrsg.): Recht auf Menschenrecht. Menschenrechte, Demokratie und internationale Politik. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1999, S. 20-40. Köhler, Wolfgang R.: Das Recht auf Menschenrecht. In: Brunkhorst, Hauke; Köhler, Wolfgang R.; Lutz-Bachmann, Matthias (Hrsg.): Recht auf Menschenrecht. Menschenrechte, Demokratie und internationale Politik. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1999, S. 106-124. KRK, Übereinkommen über die Rechte des Kindes vom 20. November 1989. URL: http://www.kinderrechtskonvention.info/uebereinkommen-ueber-die-rechte-des-kindes-370/ [07. 01. 2015]. KRK-AB, Konvention für die Rechte des Kindes (2012). Ausschuss für Rechte des Kindes: Abschließende Bemerkungen. 66. Session, 1754. Sitzung vom 5. Oktober 2012. URL: http://www.kinderrechte.gv.at/wp-content/uploads/2013/10/Abschlie%C3%9Fende-Bemerkungen-UN-Uebereinkommen-ueber-die-Rechte-des-Kindes-2012.pdf [07. 01. 2015]. Lohmann, Georg: Werden die Menschenrechte überschätzt? Über Missbrauch, problematische Ausweitungen und Grenzen der Menschenrechte. In: zfmr 2013, 2, S. 9-23. Prengel, A. & Winklhofer, U. (Hrsg.). (2014a). Kinderrechte in pädagogischen Beziehungen. Band 1: Praxiszugänge. Opladen, Berlin & Toronto: Barbara Budrich. Prengel, A. & Winklhofer, U. (Hrsg.). (2014b). Kinderrechte in pädagogischen Beziehungen. Band 2: Forschungszugänge. Opladen, Berlin & Toronto: Barbara Budrich. Stanzel-Tischler, E. (2013). Frühkindliche Bildungsforschung in Österreich. In: M. Stamm, Margrit & D. Edelmann (Hrsg.), Handbuch frühkindliche Bildungsforschung (S. 197-209). Wiesbaden: Springer Fachmedien. UNICEF (2015). Teaching and learning about child rights: A study of implementation in 26 countries. Erarbeitet von Lee Jerome, Lesley Emerson, Laura Lundy and Karen Orr. Belfast: Queen´s University of Belfast. URL: http://www.unicef.org/crc/files/CHILD_RIGHTS_EDUCATION_STUDY_final.pdf [08. 06. 2015]. Weyers, Stefan: Recht und Verrechtlichung. In: Andresen, Sabine; Casale, Rita; Gabriel, Thomas Rebekka Horlacher; Larcher Klee Sabina; Oelkers, Jürgen: Handwörterbuch Erziehungswissenschaft. Weinheim und Basel: Beltz Verlag 2009, S.728-743.

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Mittwoch 28.09.16 13-15h L1.202: Session 1.1 Bildungspolitische Reformen und ihre Akteure

Die Lücke zwischen Datengenerierung und Datennutzung schließen – Der Einfluss motivationaler Faktoren Ramona Buske, Manuel Förster, Daja Preuße, Olga Mater, Olga Zlatkin-Troitschanskaia

Stichworte: Evidenz, Motivation, Lehrer, Evaluation Dem Anspruch der gewachsenen Selbststeuerung der Einzelschule begegnend wird davon ausgegangen, dass sich die schulischen Akteure des bereitgestellten empirisch basierten Wissens aus bspw. Vergleichsarbeiten, externen Evaluationen etc. als Ausgangspunkt für initiierte Schulentwicklungsmaßnahmen bedienen (s. auch van Ackeren et al, 2013). Um im Zuge der Selbststeuerung wirksame Veränderungen herbeizuführen, werden neben solchen externen Evidenzen auch Möglichkeiten der schulinternen Evidenzen und Generierung schuleigener Ergebnisse angeregt und gesetzlich bundesweit von den Einzelschulen gefordert. Um wie von der Bildungsadministration vorgesehen aus den generierten Daten, deren Ergebnissen und Bewertung zu ihrer tatsächlichen Nutzung und der entsprechenden Initiierung von Veränderungen zu gelangen (s. Evaluationskreislauf z.B. Klieme, 2005), rücken vor allem begünstigende Faktoren für eine solche Datennutzung ins Zentrum des Interesses. In Bezug auf die Nutzung externer Evidenzen wie landesweiter Vergleichsarbeiten (z.B. VERA) (z.B. Groß Ophoff, 2013) ergründen Untersuchungen als mögliche Einflussfaktoren vorwiegend Aspekte wie die Wahrnehmung der individuellen Nützlichkeit der Daten, individuelle Kompetenz, Akzeptanz oder schulische Bedingungen (z.B. Bach, Wurster, Thillmann, Pant & Thiel, 2014). Zusammenhangsanalysen mit der Zielvariable evidenzorientiertes Handeln von Lehrkräften zeigen, dass aus schulstruktureller Sicht sowohl die transformationale Führung der Schulleitung (Stump, Zlatkin-Troitschanskaia & Mater, 2016) als auch an der Schule hoch ausgeprägte Partizipationsstrukturen, Kommunikationsstrukturen sowie Kooperationsstrukturen begünstigende Bedingungen für evidenzorientiertes Handeln von Lehrkräften ausmachen (Zlatkin-Troitschanskaia, Förster, Preuße, Mater & Stump, 2016). Neben passenden schulischen Strukturen als Voraussetzung für Datennutzung durch Lehrkräfte im Kontext einer wissensbasierten Schul- und Unterrichtsentwicklung könnten insbesondere auch die motivationalen Faktoren der Lehrkräfte ausschlaggebend sein. Förster (2015) konnte zeigen, dass gerade motivationale Erwartungshaltungen der Lehrkräfte ein guter Prädiktor für ihr innovatives Handeln sind und bspw. schulisches Reformhandeln gut erklären können. Um den im Evaluationskreislauf wichtigen Schritt der tatsächlichen Datennutzung für die weitere schulische Arbeit weiter zu erhellen, wäre es angesichts des Charakters interner Evidenzen gerade für die Anwendung dieser Evidenzart bedeutsam zu untersuchen, inwieweit motivationale Faktoren hier eine Rolle spielen. Daran ansetzend widmet sich der Beitrag der Frage, wie die Nutzung interner Evidenzen durch Lehrkräfte an den Beispielen Schülerfeedback und gemeinsame Unterrichtsentwicklungsmaßnahmen durch ausgewählte motivationale Merkmale beeinflusst werden kann. Der Analyse liegen Daten des Projekts [Details entfernt für peer review] auf Basis einer standardisierten Fragebogenerhebung im Jahr 2014 mit insgesamt 111 Schulen aller Schulformen im Bundesland [Details entfernt für peer review] mit 1.513 Lehrkräften und 213 Schulleitungsmitgliedern zugrunde. Als Einflussfaktoren wurden auf individueller Ebene im Rahmen motivationaler Faktoren auf der Grundlage des Potsdamer-Motivations-Inventars (Rheinberg & Wendland, 2006) die Aspekte Situations-Ergebnis-Erwartung, Ergebnis-Folge-Erwartung, Handlungs-Ergebnis-Erwartung sowie die Subskalen interne und externe Evidenzorientierung von Stumm, Dormann und Mohr (2010) erhoben. Mittels fünfstufiger Likert-Skalen wurde die selbstberichtete Nutzung konkret genannter, unterschiedlicher Evidenzquellen erhoben, aus denen in der vorliegenden Analyse als abhängige Variablen die Befunde aus Schülerfeedback und gemeinsamen Unterrichtsentwicklungsmaßnahmen betrachtet werden. Um der genesteten Struktur von Lehrkräften in Schulen gerecht zu werden, wurden Mehrebenenanalysen zur Identifikation des Einflusses der motivationalen Faktoren auf die Nutzung interner Evidenzquellen berechnet. Unter den motivationalen Faktoren zeigen für beide Beispiele interner Evidenzen insbesondere die Ergebnis-Folge-Erwartung und die Handlungs-Ergebnis-Erwartung signifikante Effekte für die Varianzaufklärung der Datennutzung. Dies impliziert, dass die Lehrkräfte dann die vorliegenden Evidenzen aus Schülerfeedbacks und gemeinsamen Unterrichtsmaßnahmen nutzen, wenn sie die Folgen der Nutzung als positiv für ihre eigene Unterrichtsentwicklung einschätzen (Ergebnis-Folge-Erwartung) und sie das Gefühl haben, die Nutzung der Ergebnisse selbstgesteuert und ohne Störfaktoren durchführen zu können (Handlungs-Ergebnis-Erwartung). Im Vortrag werden die vorliegenden Befunde tiefergehend vorgestellt, interpretiert und Forschungsimplikationen sowie Grenzen der Studie kritisch diskutiert. Indem im vorliegenden Beitrag der Einfluss motivationaler Größen auf die Nutzung interner Evidenzen untersucht wird, kann in Form begünstigender oder hinderlicher Faktoren Wissen darüber erlangt werden, wie der Schritt der Datennutzung im Prozess der evidenzbasierten Unterrichts- und Schulentwicklung gefördert werden kann. Literatur Ackeren, I. van, Binnewies, C., Clausen, M., Demski, D., Dormann, C., Koch, A. R., Laier, B., Preisendörfer, P., Preuße, D., Rosenbusch, C., Schmidt, U., Stump, M., & Zlatkin-Troitschanskaia, O. (Autorengruppe EviS) (2013). Welche Wissensbestände nutzen Schulen im Kontext von Schulentwicklung? Theoretische Konzepte und erste deskriptive Befunde des EviS-Verbundprojektes im Überblick. Die Deutsche Schule, 12. Beiheft, 51-73. Bach, A., Wurster, S., Thillmann, K., Pant, H. A., & Thiel, F. (2014). Vergleichsarbeiten und schulische Personalentwicklung – Ausmaß und Voraussetzungen der Datennutzung. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 17 (1), 61-84. Förster, M. (2015). Organisationale und motivationale Einflussfaktoren auf das Reformhandeln von Lehrkräften – Eine empirische Untersuchung mittels Strukturgleichungs- und Mixture-Analysen. Landau: Empirische Pädagogik. Groß Ophoff, J. (2013). Lernstandserhebungen: Reflexion und Nutzung. Münster: Waxmann. Klieme, E. (2005). Zur Bedeutung von Evaluation für die Schulentwicklung. https://www.researchgate.net/profile/Anita_Sandmeier/publication/259849945_Schule_wohin_Schulentwicklung_und_Qualittsmanagement_im_21._Jahrhundert/links/0f31752e290324dcfd000000.pdf#page=40 Rheinberg, F., & Wendland, M. (2006). Komponenten der Lernmotivation in Mathematik (DFG-Projekt (Rh/8-1)). Potsdam: Universität, Motivationspsychologie. Zugriff am 15.09.2008. Verfügbar unter http://opus.kobv.de/ubp/volltexte/2006/630/pdf/rheinberg_DFG_Abschlussbericht.pdf. Stumm, S., Dormann, C., & Mohr, N. (2010). Evidenzbasiertes Management als Schlüssel für den Transfer zwischen Wissenschaft und unternehmerischer Praxis. [Data-based Management as Key to the Transfer from Science into Business Practice.], Paper presented at the 47th Conference of the German Psychological Society, Bremen. Stump, M., Zlatkin-Troitschanskaia, O., & Mater, O. (in press). Effects of Transformational Leadership on Teachers‘ Data Use. Journal for Educational Research Online. Zlatkin-Troitschanskaia, O., Förster, M., Preuße, D., Mater, O., & Stump, M. (in press). Influence of Communication, Cooperation and Participation Structures at Schools on Teachers’ Data Use. Journal for Educational Research.

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Mittwoch 28.09.16 13-15h L1.202: Session 1.1 Bildungspolitische Reformen und ihre Akteure

Die Entwicklung einer Beratungspersönlichkeit: Zufall oder Bildungseffekt? Arthur Drexler Stichworte: Bildungsforschung, Persönlichkeitsentwicklung durch Ausbildungsangebote, Beratungspersönlichkeit, Qualitätskontrolle in Aus- und Weiterbildungen Für viele Berufe, wie z.B. Lehrer und Lehrerinnen, psychosoziale Berater, Therapeuten und Therapeutinnen, werden bestimmte personale Kompetenzen erwartet und gefordert, die für eine erfolgreiche Berufstätigkeit notwendig sind. Außer Zweifel steht dabei, dass zusätzlich auch Fachkompetenzen erforderlich sind, die jedoch in Aus- und Weiterbildungen vordergründig vermittelt und abgeprüft werden. Eine mindestens ebenso große Rolle wie fachliches Know How spielen jedoch spezifische Persönlichkeitsmerkmale für gelingende soziale Interaktionen (Krathwohl, Bloom, & Masia, 1964, S. 20ff.; Europäische Kommission, 2008; Ones, Dilchert, Viswesvaran, & Judge, 2007; Geissler, Geissler, & Hofer-Moser, 2004; Prange, 1997, S. 15), die ebenfalls im Zuge von psychosozialen Aus- und Weiterbildungen entwicklet werden sollten. Die empirische Kontrolle solcher Qualitätsmerkmale wird in der Bildungspraxis aber vernachlässigt. Dieser Beitrag soll dazu ermuntern, spezielle Bildungserwartungen in Bereich persönlichkeitsbezogener Entwicklungen in den Blick zu nehmen, näher zu bestimmen und empirisch im Zuge von Ausbildungen zu überprüfen. Im Beitrag werden zunächst empirische Befunde zur Beschreibung einer prototypischen Beratungspersönlichkeit vorgestellt und anschließend Methoden präsentiert, um die Entwicklung dieser Charakteristika im Bildungsalltag überprüfen zu können (siehe Drexler, Uffelmann, Stippler & Möller, 2009; Drexler & Möller, 2009; Drexler, 2015). Die Ergebnisse weisen auf Erfolgsfaktoren hin, die in den Bereichen der zwischenmenschlichen Beziehungsgestaltung, der Offenheit für neue Erfahrungen, der eigenen psychophysischen Konstitution, bestimmter beratungsrelevanter Arbeitseinstellungen sowie einer ausgeprägten Fähigkeit zur Selbstreflexion liegen. An Hand mehrerer empirischer Resultate bei unterschiedlichen psychosozialen Ausbildungsgängen zeigt sich, dass manche Merkmale durchaus durch entsprechende Bildungsangebote veränderbar sind, andere wiederum erweisen sich als stabil und sollten deshalb bereits vor einer Ausbildung in einem ausreichenden Ausmaß vorhanden sein. In Ausbildungsgängen wurden dazu prä- und post-measurement-designs zum Einsatz gebracht und multimethodische Verfahren verwendet. Wesentliches Augenmerk wurde auf eine möglichst ökonomische und dennoch reliable und valide Abbildung der Erfolgsmerkmale gelegt. Im Beitrag werden somit praxisrelevante Zugänge zu einer Qualitätskontrolle der Entwicklung von beratungsrelevanten Persönlichkeitsmerkmalen während spezifischer Aus- und Weiterbildungen vorgestellt. Literaturliste: Drexler, A. (2015): Persönlichkeitsentwicklung als Qualitätskriterium für psychosoziale Aus- und Weiterbildungen. In: Stock, Michaela; Schlögl, Peter; Schmid, Kurt; Moser, Daniela: Kompetent – wofür? Life Skills – Beruflichkeit – Persönlichkeitsbildung. Beiträge zur Berufsbildungsforschung. Innsbruck u.a.: Studienverlag (= Innovationen in der Berufsbildung, 9), ISBN 978-3-7065-5400-8, S. 143 - 161. Drexler, A., & Möller, H. (2009). Erfolgsmessungen von Weiterbildungen - Das Innsbrucker Modell. In H. Pühl (Hrsg.), Handbuch der Supervision 3 (S. 381-400). Berlin: Ulrich Leutner Verlag. Drexler, A., & Möller, H. (2010). Coachinglehrgänge auf dem Prüfstand: Ein Evaluationsmodell. Wirtschaftspsychologie aktuell, 3, S. 9-13. Drexler, A., Uffelmann, P., Stippler, M., & Möller, H. (2009). Schulleitungscoaching. Organisationsentwicklung, Supervision, Coaching, 16(1), S. 35-53. Europäische Kommission. (2008). Der Europäische Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (EQR). Abgerufen am 08. 03 2013 von http://ec.europa.eu/education/policies/educ/eqf/eqf08_de.pdf Krathwohl, D., Bloom, B., & Masia, B. (1964). Taxonomie von Lernzielen im affektiven Bereich. Weinheim: Beltz. Ones, D., Dilchert, S., Viswesvaran, C., & Judge, T. (2007). In support of personality assessment in organizational settings. Personnel Psychology, 60, S. 995-1027. Prange, K. (1997). Was ist schlecht am schlechten Lehrer? In B. Schwarz, & K. Prange (Hrsg.), Schlechte Lehrer/innen (S. 14-31). Weinheim: Beltz.

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Mittwoch 28.09.16 13-15h L1.202: Session 1.1 Bildungspolitische Reformen und ihre Akteure

Motivation, Wohlbefinden und unterrichtsbezogene Wahrnehmungen von Schülerinnen und Schülern in integrierten im Vergleich zu gegliederten Schulformen unter Berücksichtigung des Schülergeschlechts Nele McElvany, Svenja J. Hartwig, Franziska Schwabe Stichworte: Schulform, Motivation, Unterrichtswahrnehmung, Wohlbefinden, BFLPE Vor dem Hintergrund integrierter und gegliederter Schulformen stellt sich die Frage, ob systematische Unterschiede hinsichtlich Motivation, Wohlbefinden und Unterrichtswahrnehmung von Lernenden mit vergleichbaren Voraussetzungen in Abhängigkeit von der besuchten Schulform beobachtbar sind (vgl. Becker, Neumann, Tetzner, Böse, Knoppick, Maaz et al., 2014; Knoppick, Becker, Neumann, Maaz & Baumert, 2015). Neben dem schulischen Umfeld einer spezifischen Schulform ist zu vermuten, dass insbesondere Mechanismen wie der Big fish little pond-Effekt (BFLPE; Marsh, 1987) zu systematischen Unterschieden führen. Der BFLPE besagt, dass gleich leistungsstarke Kinder in Kontexten, an denen der Großteil der Lernenden geringere Schulleistungen als sie selber aufweist, ein positiveres Selbstkonzept entwickeln, als wenn ihre Peers bessere Leistungen erbringen als sie selbst. Neben Merkmalen im Bereich der Motivation und dem subjektiven Wohlbefinden ist auch zu prüfen, ob sich ähnliche Effekte hinsichtlich der Unterrichtswahrnehmungen in Bezug auf Aspekte der Selbstbestimmungstheorie der Motivation wie das Autonomie- und Kompetenzerleben (vgl. Deci & Ryan, 1993) für Lernende in unterschiedlichen Schulformkontexten zeigen. Schließlich spielt das Schülergeschlecht eine bedeutsame Rolle in den genannten Bereichen (Wigfield et al., 2015) und könnte die erwarteten Unterschiede differenziell beeinflussen. Daher wird untersucht, ob es Unterschiede zwischen Jugendlichen, die mit einer Hauptschul- bzw. Gymnasialempfehlung eine Hauptschule bzw. ein Gymnasium im Vergleich zu einer Gemeinschaftsschule besuchen, in Bezug auf (1.1) motivationale Merkmale (Schulfreude, Akademisches Selbstkonzept, Bildungsbezogene Selbstwirksamkeit), (1.2) Aspekte des Wohlbefindens (Lebenszufriedenheit, Emotionale Probleme) sowie (1.3) Unterrichtswahrnehmungen (Autonomieerleben, Kompetenzerleben, Soziale Eingebundenheit) gibt. In einem zweiten Schritt wird geprüft, ob (2) der erwartete Schulformeffekt gleichermaßen für Mädchen und Jungen gilt. Bezüglich (1.1)-(1.3) wird angenommen, dass Lernende mit einer Gymnasialempfehlung an Gemeinschaftsschulen günstigere Werte aufweisen als Gymnasiastinnen und Gymnasiasten und ein umgekehrtes Muster bei hauptschulempfohlenen Lernende an Gemeinschaftsschulen zu finden ist. Es wird keine Interaktion des Schulformeffekts mit dem Schülergeschlecht erwartet. Es wurden Lernende in siebten Klassen an Gemeinschaftsschulen, Gymnasien und Hauptschulen mittels Propensity Score Matching im Rahmen der Studien „Se-Mig“ und „Begleitforschung des Schulversuchs Gemeinschaftsschule in NRW“ in R gematcht, wobei Alter, Geschlecht, kognitive Grundfähigkeiten, sozioökonomischer Hintergrund und Migrationsstatus berücksichtigt wurden. In der Stichprobe der Hauptschulempfohlenen befanden sich nach dem Matching N = 175 Lernende an Gemeinschaftsschulen (Alter: M = 13.26 Jahre, SD = 0.65; 59.4 % weiblich; 46.3 % Migrationshintergrund) und N = 175 Hauptschülerinnen und -schüler (Alter: M = 13.12 Jahre, SD = 0.73; 61.7 % weiblich; 48.0 % Migrationshintergrund). Die Gymnasialstichprobe umfasste N = 82 gymnasialempfohlene Lernende an Gemeinschaftsschulen (Alter: M = 12.79 Jahre, SD = 0.54; 56.1 % weiblich; 17.1 % Migrationshintergrund) und N = 82 Gymnasiast/-innen (Alter: M = 12.78 Jahre, SD = 0.59 Jahre; 59.8 % weiblich; 15.9 % Migrationshintergrund). Alle untersuchten Konstrukte in den Bereichen Motivation, Wohlbefinden und unterrichtsbezogene Wahrnehmungen wurden mit Skalen mit drei bis fünf Items erfasst (α = .61 - .92). Pro Bereich wurde eine MANOVA mit Schulform als unabhängiger Variable berechnet. Anschließend wurden die MANOVAs um die Kovariate Schülergeschlecht und die Interaktion Schülergeschlecht und Schulform ergänzt. Die Ergebnisse wiesen für die hauptschulempfohlenen Lernenden an Gemeinschaftsschulen im Bereich Motivation auf weniger positive, beim Wohlbefinden jedoch auf positivere Werte im Vergleich zu den Hauptschülerinnen und -schülern hin. Bei den gymnasialempfohlenen Lernenden an Gemeinschaftsschulen zeigten sich positivere Unterrichtswahrnehmungen als bei Jugendlichen an Gymnasien. Effektstärkemaße deuteten jeweils auf kleine bis mittlere Effekte hin. Die Interaktion des Schulformeffekts mit dem Schülergeschlecht war in keinem der drei untersuchten Bereiche statistisch signifikant. Damit stützten die empirischen Daten – auch bei Berücksichtigung des Schülergeschlechts – insgesamt die Annahme systematischer Unterschiede in Abhängigkeit von der besuchten Schulform. Implikationen für die Praxis und weitere Forschung werden diskutiert. Literatur Becker, M., Neumann, M., Tetzner, J., Böse, S., Knoppick, H., Maaz, K., Baumert, J., & Lehmann, R. (2014). Is early ability grouping good for high-achieving students’ psychosocial development? Effects of the transition into academically selective schools. Journal of Educational Psychology, 106(2), 555-568. Deci, E. L., & Ryan, R. M. (1993). Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation und ihre Bedeutung für die Pädagogik. Zeitschrift für Pädagogik, 39(2), 223-238. Knoppick, H., Becker, M., Neumann, M., Maaz, K. & Baumert, J. (2015). Der Einfluss des Übergangs in differenzielle Lernumwelten auf das allgemeine und schulische Wohlbefinden von Kindern. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 29 (3/4), 163-175. Marsh, H. W. (1987). The big-fish-little-pond effect on academic self-concept. Journal of educational psychology, 79(3), 280-295. Wigfield, A, Eccles, J. S., Fredricks, J., Simpkins, S., Roeser, R., & Schiefele, U. (2015). Development of achievement motivation and engagement. In R. Lerner (Series ed.), M. Lamb & C. Garcia Coll (Vol. Eds.), Handbook of child psychology and developmental science (7th ed., Vol. 3, pp. 657-700). New York, NY: Wiley.

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Mittwoch 28.09.16 13-15h L1.202: Session 1.1 Bildungspolitische Reformen und ihre Akteure

Narrative Transformation – Organisationale Strategien im Umgang mit der Implementierung bildungspolitischer Reformagenden Elisabeth Franzmann, Nils Berkemeyer, Sebastian Meißner, Tilman Reitz Stichworte: Organisationsforschung, Bildungspolitik, Innovation, Transformation, Neoinstitutionalismus Die auf den Bildungssektor gerichteten Reformbestrebungen treiben Internationalisierung als neues bildungspolitisches Paradigma voran, gleichzeitig wirkt der Druck zur Internationalisierung als einer der Hauptmotoren ebenjener Reformen. Die Organisationen Schule und Hochschule sind dabei sowohl Gegenstand als auch Akteure anhaltender und tief greifender Veränderungen, die häufig mit den gleichsam als Diskursmarkern fungierenden Stichworten „PISA“ und „Bologna“ in Verbindung gebracht werden, sich in diesen Reformen jedoch nicht erschöpfen. Trotz unterschiedlicher Ausgangspunkte der genannten Reformen ging es in beiden Fällen um organisationale und institutionelle Transformationen, die auf internationale Angleichungen unter einem nicht zuletzt durch neue Vergleichsmaßstäbe aufgebauten Konkurrenzdruck zielten. Weder werden aber bislang die in Schulen und Hochschulen ins Rollen gebrachten Veränderungen zueinander ins Verhältnis gesetzt noch in einen Teilsystem-übergreifenden Kontext eingebettet. Unser Beitrag soll diese Lücke füllen: Aus einer interdisziplinär-sozialwissenschaftlichen Perspektive wird die Politikimplementation im Zuge der aktuellen Transformationen im Bildungssektor beleuchtet. Anhand der Ergebnisse unserer Vorstudie zum Projekt „Internationale Trajektorien der bildungspolitischen Transformation von Schulen und Hochschulen“ werden erste Ergebnisse zur Frage, wie sich die Restrukturierung von Schulen und Hochschulen durch Internationalisierung konkret auf der organisational-strukturellen und der individuell-akteursbasierten Handlungsebene der Organisationen Schule und Hochschule ausgestaltet, vorgestellt. Den theoretischen Bezugsrahmen bilden neoinstitutionalistische Theorien, von denen jeweils unterschiedliche Aspekte herangezogen werden: Der institutional work-Ansatz (Lawrence/Suddaby/Leca 2009; Clegg/Hardy/Nord 1996) macht den eigensinnigen und kreativen Umgang mit Widersprüchen in organisationalen Routinen theoretische greifbar (Hargrave/Van de Ven, 2009; Lawrence/Leca/Suddaby 2011; Battilana/D‘Aunno 2009). Ergänzt wird dieses akteurszentrierte Konzept durch die Konzeption institutioneller Logiken, die eine Vermittlung zwischen der Analyse von Akteurshandeln und institutionellen Strukturen angestrebt (Thornton/Ocasio/Lounsbury 2012; Thornton/Occasio 2008). Gerahmt werden diese beiden neoinstitutionalistischen Figuren durch das Konzept gesellschaftlicher Sektoren (Scott 1991; Scott/Meyer 1991). Dieses ermöglicht es, über die Grenzen einzelner Organisationen hinaus auch das Handeln weiterer, an der Implementation von Bildungspolitiken beteiligter Organisationen und deren Akteure theoretisch zu fassen. Dieses neoinstitutionalistische Setting wird schließlich um eine letzte theoretische Komponente ergänzt: Das Konzept der Wissenspassagen (Bormann 2011) lenkt den Blick auf die Wissensbasiertheit und Prozesshaftigkeit organisationaler Transformationen bzw. Innovationen, sowie auf deren Changieren zwischen individuellen sowie kollektiven Akteuren und organisational sowie institutionell geprägten Strukturen. Dieser Theorierahmen ermöglicht es, das Zusammenwirken verschiedener organisationaler Einheiten und die wissensbasierte organisationale Arbeit im Prozess der Implementation von Bildungspolitik zu beobachten und gleichzeitig die Perspektiver der Akteure innerhalb der Organisationen nicht aus dem Blick zu verlieren. In der Vorstudie wird, geleitet durch den theoretischen Rahmen, gefragt, wie sich individuelle Narrationen organisationaler Akteure über die Implementation der aktuellen bildungspolitischen Reformagenda in organisationalen Strukturveränderungen niederschlagen. Aus einer zwischen den Organisationen Schule und Hochschule vergleichenden Perspektive werden die performativen Dynamiken der Transformationsnarrationen als Ausdruck strukturverändernder Wissenspassagen analysiert und mit den sich tatsächlich vollziehenden Veränderungen Organisationsstrukturen von Schulen und Hochschulen konfrontiert. Mit Hilfe von narrativen, leitfadengestützten Interviews werden die handlungsleitenden und sinngebenden Narrationen individueller Akteur der schulischen und universitären Leitungsebene, Schulleiter*innen, Dekan*innen, Vizepräsident*innen, erhoben und im Anschluss daran als übertextuelle Strukturelemente analysiert. Dieses methodische Vorgehen zielt darauf, einerseits heraus zu präparieren, inwiefern sich bildungspolitische Reformagenden und -trends in organisationalen Narrationen niederschlagen, sowie und, durch diese vermittelt, in Organisationsstrukturen niederschlagen, sowie andererseits zu erforschen, ob und inwiefern sich bildungspolitische Maßnahmen vermittelt über organisationale Narrationen im Zuge von Wissenspassagen in tatsächlich mit diesen in Verbindung stehenden Strukturtransformationen auswirken.

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Commitment-Typen bei Lehrkräften und ihre Zusammenhänge zu Lehrergesundheit und Schulkultur Tanja Webs Stichworte: Commitment von Lehrkräften, Motivation von Lehrkräften, Commitment-Typen, Commitment-Profile, latente Profilanalyse Das Commitment von Lehrkräften spielt für ihre schulische Arbeit eine bedeutsame Rolle. Ergebnisse der Lehrerforschung zeigen, dass das Commitment von Lehrpersonen sowohl das Wohlbefinden und Engagement der Lehrenden selbst als auch – vermittelt über das Unterrichtshandeln – die Lernleistungen der Lernenden fördert (Park, 2005; Somech & Bogler, 2002). Lehrkräfte-Commitment findet daher als motivationale Orientierung im Rahmen von Modellen des Professionswissens und als schulisches Prozessmerkmal innerhalb von Schulqualitätsmodellen Berücksichtigung (Baumert & Kunter, 2006; Kyriakides et al., 2010). Der Analyseschwerpunkt bisheriger Studien liegt allerdings fast ausschließlich auf dem affektiven Commitment von Lehrpersonen gegenüber der Schule (Razak et al., 2009). Im Vergleich dazu wird in arbeits- und organisationspsychologischen Forschungsarbeiten Commitment – allgemein definiert als Bindung einer Person an eine Organisation (Felfe, 2008) – als multidimensionales Konstrukt konzipiert, das mehrere Bindungsrichtungen (intraorganisationale Bereiche) mit jeweils drei Bindungskomponenten (affektiv, normativ, kalkulatorisch) umfasst (Meyer & Allen, 1997). Empirische Befunde verdeutlichen, dass anhand unterschiedlicher Commitment-Facetten spezifische Commitment-Profile mit je differenziellen Zusammenhängen zu weiteren arbeitsbezogenen Merkmalen resultieren (Meyer et al., 2013). Um das skizzierte Forschungsdesiderat in der Lehrerforschung zu füllen, wird das differenzierte Commitment-Modell auf das Commitment von Lehrkräften übertragen, sodass auch beim Commitment von Lehrpersonen mehrere Bindungsrichtungen und -komponenten unterschieden werden. In Rekurs auf Konzepte zur Schulentwicklung, welche die Rolle von Kooperation zwischen Lehrkräften für schulische Qualitätsentwicklung betonen (Holtappels, 2013), scheinen insbesondere für Entwicklungsprozesse in Einzelschulen sowohl das schulbezogene Commitment als auch das kollegiumsbezogene Commitment von Lehrkräften bedeutsam. Der Analysefokus liegt daher auf dem affektiven, normativen und kalkulatorischen Commitment von Lehrkräften gegenüber Schule und Kollegium. Konkret wird in dem Beitrag folgenden Forschungsfragen nachgegangen: 1. Lassen sich anhand der sechs Facetten des Commitments von Lehrkräften unterschiedliche Commitment-Typen bei Lehrkräften identifizieren? 2. Können systematische Differenzen zwischen den identifizierten Commitment-Typen hinsichtlich weiterer Merkmale der Lehrergesundheit und Schulkultur aus Lehrkräftesicht (unter Kontrolle soziodemographischer und schulstruktureller Merkmale) ermittelt werden? Als Datengrundlage dient die fragebogengestützte Eingangserhebung des Projekts „Potenziale entwickeln – Schulen stärken“. Die Stichprobe umfasst 1105 Lehrkräfte an 36 Schulen der Sekundarstufe I in Nordrhein-Westfalen (59.9 % weiblich, Jahre im Schuldienst M = 17.5 Jahre, SD = 12.3). Zur differenzierten Erfassung des Commitments von Lehrpersonen werden Erhebungsinstrumente aus dem betriebswirtschaftlichen Kontext (Felfe & Franke, 2012) sprachlich an den Schulbereich angepasst. Zusätzlich dazu kommen Skalen zur Erfassung von Merkmalen der Lehrergesundheit (Arbeitszufriedenheit, emotionale Erschöpfung, Selbstwirksamkeit) und Schulkultur (Arbeitsklima im Kollegium, kooperativ-partizipatives Schulleitungshandeln, Aktivitäten der Unterrichtsentwicklung) aus Sicht der Lehrkräfte zum Einsatz. Alle verwendeten Skalen weisen eine akzeptable interne Konsistenz auf (α ≥ .71). Als Auswertungsverfahren werden zur empirischen Prüfung der Dimensionalität der Commitment-Skalen konfirmatorische Faktorenanalysen durchgeführt. Die Typisierung der Lehrkräfte erfolgt über eine latente Profilanalyse und die weiterführende Differenzierung wird mittels Varianzanalysen zufallskritisch abgesichert. Zur ersten Forschungsfrage zeigen die Analyseergebnisse, dass sich anhand der sechs ausgewählten Commitment-Facetten sechs Commitment-Typen mit je spezifischen Commitment-Profilen identifizieren lassen. Drei Typen besitzen ein unterdurchschnittliches und drei ein überdurchschnittliches affektives Commitment gegenüber Schule und/oder Kollegium. Zur zweiten Forschungsfrage verdeutlichen die empirischen Befunde, dass die ermittelten Commitment-Typen (unter Kontrolle soziodemographischer und schulstruktureller Merkmale) differenzielle Zusammenhänge zu weiteren Merkmalen der Lehrergesundheit und Schulkultur aus Lehrkräftesicht aufweisen. Lehrkräftegruppen mit höherem affektiven Commitment berichten geringere Beanspruchung, höhere Zufriedenheit und Selbstwirksamkeit sowie positiveres Arbeitsklima im Kollegium, aber auch tendenziell mehr partizipativ-kooperatives Schulleitungshandeln und häufiger Unterrichtsentwicklungsaktivitäten als Lehrkräftegruppen mit geringerem affektiven Commitment (.025 ≤ η² ≤ .260). Basierend auf den Analyseergebnissen werden forschungsbezogene Konsequenzen zur differenzierten Analyse des Commitments von Lehrkräften sowie schulpraktische Implikationen zur gezielten Förderung bestimmter Facetten des Commitments von Lehrpersonen im Schulalltag diskutiert. Literaturverzeichnis Baumert, J. & Kunter, M. (2006). Stichwort: Professionelle Kompetenz von Lehrkräften. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 9 (4), 469–520. Felfe, J. (2008). Mitarbeiterbindung. Göttingen: Hogrefe Verlag. Felfe, J. & Franke, F. (2012). Commitment–Skalen (COMMIT). Fragebogen zur Erfassung von Commitment gegenüber Organisationen, Beruf/Tätigkeit, Team, Führungskraft und Beschäftigungsform. Manual. Bern: Verlag Hans Huber. Holtappels, H. G. (2013). Schulentwicklung und Lehrerkooperation. In N. McElvany & H. G. Holtappels (Hrsg.), Empirische Bildungsforschung. Theorien, Methoden, Befunde und Perspektiven (S. 35–61). Münster: Waxmann. Kyriakides, L., Creemers, B., Antoniou, P. & Demetriou, D. (2010). A synthesis of studies searching for school factors: implications for theory and research. British Educational Research Journal, 36 (5), 807–830. Meyer, J. P. & Allen, N. J. (1997). Commitment in the Workplace: Theory, Research, and Application. Thousand Oaks, California: Sage. Meyer, J. P., Stanley, L. J. & Vandenberg, R. J. (2013). A person-centered approach to the study of commitment. Human Resource Management Review, 23 (2), 190–202. Park, I. (2005). Teacher Commitment and its effects on students achievement in American high schools. Educational Research and Evaluation: An International Journal on Theory and Practice, 11 (5), 461–485. Razak, N. A., Darmawan, I. G. N. & Keeves, J. P. (2009). Teacher Commitment. In L. J. Saha & A. G. Dworkin (Hrsg.), International Handbook of Research on Teachers and Teaching (pp. 343–360). New York: Springer. Somech, A. & Bogler R. (2002). Antecedents and Consequences of Teacher Organizational and Professional Commitment. Educational Administration Quarterly, 38 (4), 555–577.

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Bildungsberichte als Instrument einer kommunal gestützten Schulentwicklung - Eine kommunale Fallstudie zur Nutzung von Sozialindizes Norbert Sendzik Stichworte: Bildungsmonitoring, Sozialindizes, datengestützte Schulentwicklung, Schulträger, Bildungsbüros Kommunalen Bildungsberichten wird spätestens seit der bundesweiten Umsetzung des Programmes „Lernen vor Ort“ eine zentrale Rolle für die Entwicklung und Verwirklichung eines kommunalen Bildungsmonitorings und für die evidenzbasierte Gestaltung kommunaler Bildungslandschaften zugesprochen (Döbert & Weishaupt, 2015). Erwartet wird, dass Bildungsberichte mittelbar zu einer Qualitätsverbesserung des lokalen Schul- und Bildungswesens beitragen (Hermstein & Manitius, 2015). Die wenigen Studien, die sich mit der Frage nach der Nutzung von kommunalen Bildungsberichten durch Akteure der Schul- und Bildungsadministration beschäftigen, legen jedoch nahe, dass Bildungsberichte vor allem Lern- und Abstimmungsprozesse innerhalb der kommunalen Verwaltung anregen (vgl. etwa Opper, 2016; Niedlich & Brüsemeister, 2012). Inwiefern administrative Akteure die Berichte zur Entscheidungsfindung bei Fragen der Schulentwicklung nutzen, bleibt bisher offen. Nach Einschätzung der Forschergruppe rund um Döbert und Weishaupt (2015), welche die vorliegenden kommunalen Bildungsberichte analysiert haben, können Bildungsberichte erst dann handlungsleitend für die Bildungsadministration werden, wenn sie eine kleinräumige Betrachtung mit der Analyse der sozialen Zusammensetzung der Nutzer von Bildungsangeboten verbinden. Zur Umsetzung dieses Anspruchs wird in den letzten Jahren sogenannten Sozialindizes, welche die sozio-ökonomische Zusammensetzung der Schülerschaft von Schulen abbilden sollen, ein großes Potential zugesprochen (Bonsen, Bos, Gröhlich & Wendt, 2010). Nach Überlegungen der Wissensverwendungsforschung (Rürup, Fuchs & Weishaupt, 2016) und der US-amerikanischen Forschung zur Datennutzung der kommunalen Schulverwaltung (Coburn & Turner, 2011) ist jedoch davon auszugehen, dass neben der Qualität und der Aussagekraft der Daten ebenfalls die Überzeugungen der kommunalen Entscheidungsträgern zur Datennutzung eine entscheidende Einflussgröße für die Ableitung von schulentwicklungsrelevanten Handlungsstrategien darstellen. Die überschaubare Forschungslage und die angeführten Überlegungen waren Anlass folgender Frage im Rahmen einer Interviewstudie mit der für die Nutzung von Sozialindizes-Berichten zuständigen Leitung eines städtischen Regionalen Bildungsbüros (RBBs) nachzugehen: Welche Überzeugungen hat die Leitung des RBBs bei der Nutzung der Sozialindizes-Berichte? Über einen Zeitraum von anderthalb Jahren wurden dazu mit der RBB-Leitung drei halbstrukturierte Interviews zu den drei Sozialindizes-Berichten der Stadt geführt. Zur Analyse der Daten kam die Sequenzanalyse nach der Objektiven Hermeneutik (Wernet, 2009) zum Einsatz. Im Fokus standen die Regel- und Bedeutungsstrukturen, welche die Interaktion zwischen der Leitung des RBBs und dem Forscher im Rahmen der Interviewsituation geleitet haben. Die Analyse zeigt unter anderem auf, dass die Berichte der Leitung des RBBs zwar Informationen zu der sozioökonomischen Zusammensetzung der Schulen geboten haben, die damit zusammenhängenden schulischen Problemlagen in der Kommune allerdings bereits weitgehend bekannt waren. Eine Evaluation von Zielen und Maßnahmen im Rahmen von Förderprogrammen sei mit den Berichten zudem nicht möglich gewesen. Die Berichte dienten der Leitung des RBBs allerdings als Anlass, den Gestaltungsanspruch der kommunalen Schulverwaltung insbesondere auf Schulen in schwieriger Lage auszuweiten. Unter anderem beriet die Leitung auf Basis der Berichte Schulleitungen zum effizienten Mitteleinsatz sowie zur Teamarbeit zwischen Lehrkräften und den auf Grundlage der Berichte zusätzlich zur Verfügung gestellten Schulsozialarbeitern. Die Leitung verfolgt im Zusammenhang der Berichtsnutzung zudem die Entwicklung einer Gemeinschaft zwischen dem Schulträger und den Schulen. Die Gemeinschaft soll von dem Prinzip der „Verantwortungsübernahme“ geprägt sein. So halfen die Berichte der Leitung des RBBs etwa dabei, die Konkurrenzsituation zwischen Schulen in der Kommune anzusprechen, Defizite der schulischen Praxis zu thematisieren sowie einen Kulturwandel von einer Angebots- zu einer Output-Orientierung in der Schullandschaft voranzutreiben. Indem der Output objektivierbarer wird, konnten aus Sicht der Leitung gemeinsam mit den Schulen getragene Veränderungsprozesse angestoßen werden. Die Analyse zeigt dabei allerdings auch, dass sich die Auslegungen der Sozialindizes zwischen der Leitung des RBBs und einzelnen Schulleitungen zum Teil unterschieden. Die unterschiedliche Interpretation – insbesondere über die Ursachen der Ergebnisse – führte bei der Leitung im Zeitverlauf zu einer Ernüchterung hinsichtlich der Umsetzung der angestrebten Verantwortungsgemeinschaft. Literaturverzeichnis Bonsen, M., Bos, W., Gröhlich, C., & Wendt, H. (2010). Der Index zur Erfassung der sozialen Komposition von Einzelschulen. In Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) (Hrsg.), Zur Konstruktion von Sozialindizes. Ein Beitrag zur Analyse sozialräumlicher Benachteiligung von Schulen als Voraussetzung für qualitative Schulentwicklung (S. 15–30). Bonn: BMBF. Coburn, C. E. & Turner, E. O. (2011). Research on Data Use: A Framework and Analysis. Measurement: Interdisciplinary Research and Perspectives, 9(4), 173–206. Döbert, H. & Weishaupt, H. (Hrsg.) (2015). Bildungsmonitoring, Bildungsmanagement und Bildungssteuerung in Kommunen. Ein Handbuch. Münster: Waxmann. Hermstein, B. & Manitius, V. (2015). Bildungsberichterstattung als diskursive Ordnung. Begründung der Annahme von sozialer Gerechtigkeit als Leitkategorie. In V. Manitius, B. Hermstein, N. Berkemeyer & W. Bos (Hrsg.), Zur Gerechtigkeit von Schule. Theorien, Konzepte, Analysen (S. 270–292). Münster: Waxmann. Niedlich, S. & Brüsemeister, T. (2012). Bildungsmonitoring zwischen Berichterstattung und Steuerungsanspruch – Entwicklungslinien und akteurtheoretische Implikationen. In A. Wacker, U. Maier & J. Wissinger (Hrsg.), Schul- und Unterrichtsreform durch ergebnisorientierte Steuerung (S. 131–153). Wiesbaden: Springer VS. Opper, M. K. (2016). Zur Karriere des Bildungsmonitorings in "Lernen vor Ort". In Arbeitsgruppe "Lernen vor Ort" (Hrsg.), Kommunales Bildungsmanagement als sozialer Prozess. Studien zu "Lernen vor Ort" (S. 111–138). Wiesbaden: Springer VS. Rürup, M., Fuchs, H.-W. & Weishaupt, H. (2016). Bildungsberichterstattung – Bildungsmonitoring. In H. Altrichter & K. Maag Merki (Hrsg.), Handbuch Neue Steuerung im Schulsystem (S. 411–437). Wiesbaden: Springer VS. Wernet, A. (2009). Einführung in die Interpretationstechnik der objektiven Hermeneutik. Wiesbaden: VS.

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Schulentwicklungsprozesse im Spannungsfeld zwischen pädagogischen Anforderungen und steuerungstheoretischen Herausforderungen Nicole Miceli Stichworte: Schulentwicklung, Rekontextualisierungen, Schulautonomie, Rekonstruktive Organisationsforschung, Dokumentarische Methode Im Jahr 2012 startete in Hessen ein Pilotprojekt mit 23 allgemeinbildenden Schulen, die das Zertifikat als Selbstständige Schule (SES) erhalten haben. Die Vorgaben des Ministeriums sind dabei eher offen gehalten und bieten den teilnehmenden Schulen die Möglichkeit schulspezifischer Schulentwicklungsprojekte. Ziel der Selbstständigen Schulen soll es sein, die Unterrichtsqualität zu verbessern und damit die Lernergebnisse der Schüler und Schülerinnen, durch Schulentwicklungsprojekte, zu steigern (vgl. Kultusministerium Hessen 2012). Damit greift die Reform das Spannungsfeld aus pädagogischen Ansprüchen, wie beispielsweise die individuelle Förderung der Schüler*innen und gesellschaftlichen Anforderungen, wie beispielsweise einem gesteigerten Output – in dem sich Schulen generell befinden – auf. Kritisch hinterfragt werden muss dabei, inwieweit die intendierten Ziele dieser Steuerungsmaßnahme in den Einzelschulen erreicht werden können (vgl. Dedering 2012, S.49ff.). Altrichter/ Maag Merki (2010) weisen darauf hin, dass „ein sozialwissenschaftlich begründeter Begriff von `Steuerung` insbesondere ein Bewusstsein der Grenzen direkter Steuerbarkeit zum Ausdruck bringen“ (Altrichter/Maag Merki 2010, S.17) muss. Demnach kann bei Steuerungsmaßnahmen in einem erweiterten Verständnis nicht davon ausgegangen werden, dass eine 1:1 Umsetzung von Reformideen erfolgt. Stattdessen sind die Entwicklungsprozesse gekennzeichnet durch die Rekontextualisierungsleistungen der Akteure und den durch die divergierenden Intentionen ausgelösten Eigendynamiken (vgl. Altrichter/Maag Merki 2010; Heinrich 2007, Kussau/Brüsemeister 2007). Die vorgestellte Studie greift im Rahmen eines Dissertationsprojektes die Fragestellung auf, wie Akteure der Einzelschule die Reform der Schulautonomie rekontextualisieren und welche Aushandlungsprozesse sich dabei zeigen. Von Interesse sind dabei auch die Handlungs- und Aushandlungslogiken. Ziel der Studie ist es, (schul-)typische Muster der Rekontextualisierung herauszuarbeiten. Die Typen setzen sich zum einen aus den inhaltlichen Rekontextualisierungen bildungspolitischer Vorgaben und zum anderen aus den unterschiedlichen Arten der Aushandlung/des Umgangs mit divergierenden Logiken sowie dem Umgang mit dem Spannungsfeld von pädagogischen und gesellschaftlichen Anforderungen an Schulen zusammen. Für die Datenerhebung wurden Gruppendiskussionen mit Steuer- bzw. Projektgruppen sowie (erweiterten) Schulleitungen an ausgewählten Schulen der Pilotphase geführt, die in Anlehnung an die rekonstruktive Organisationsforschung (vgl Jansen/von Schlippe & Vogd 2015.) und die dokumentarischen Methode ausgewertet werden (vgl. Bohnsack 2010). Erste Ergebnisse deuten an, dass es verschiedene Typen gibt: • Schulen, die sich verstärkt auf organisatorischer Ebene bewegen Hierbei stehen Professionalisierungs- und Projektmanagementprozesse auf der Mesoebene im Vordergrund, die mit einer betriebswirtschaftlichen Logik in den Blick genommen werden und einer aktiven, autonomen Handlungslogik folgen. Selbstständige Schule wird dabei als Label verstanden. • Schulen, die sich verstärkt auf pädagogischer Ebene bewegen Hierbei wird das pädagogische Handeln im Unterricht in den Vordergrund gerückt, wie beispielsweise die individuelle Förderung der Schülerinnen*innen sowie der Lernleistungen. Diese werden mit einer eher pädagogischen Logik in den Blick genommen und an den individuellen Bedürfnissen der SuS ausgerichtet. • Schulen, die sich verstärkt auf prozessualer Ebene bewegen Hier werden strukturelle Entwicklungen in den Blick genommen, die sich einerseits auf innerschulische und andererseits auf schulsystemische Fragestellungen – wie beispielsweise der G8/G9-Diskurs beziehen. Diese werden mit einer prozessorientierten Logik in den Blick genommen und folgen einer ambivalenten Handlungslogik, die sich aus einer hierarchischen und autonomen Handlungslogik zusammensetzt. In dem geplanten Vortrag werden an Hand von Beispielen zum einen die unterschiedlichen inhaltlichen Rekontextualisierungen der bildungspolitischen Vorgaben und zum anderen die unterschiedlichen Arten der Aushandlung/des Umgangs mit divergierenden Logiken sowie dem Umgang mit dem Spannungsfeld von pädagogischen und gesellschaftlichen Anforderungen an Schulen präsentiert. Der Vortrag wird auch als eine Möglichkeit verstanden, im Rahmen der Tagung, die Ergebnisse der Studie sowie die Chancen und Grenzen der Steuerungsmaßnahme kritisch diskutieren zu können. Literatur: Altrichter, Herbert/Maag Merki, Katharina (2010): Steuerung der Entwicklung des Schulsystems; in: Altrichter, Herbert/Maag Merki, Katharina (Hrsg.)(2010): Handbuch Neue Steuerung im Schulsystem, VS Verlag, Wiesbaden 2010, S.15-39 Bohnsack, R. (2010): Rekonstruktive Sozialforschung. Einführung in qualitative Methoden, 8. Auflage, UTB Verlag, Opladen & Farmington Hills, 2010 Dedering, Kathrin (2012): Steuerung und Schulentwicklung. Bestandaufnahme und Theorieperspektive, VS Verlag Wiesbaden; http://dx.doi.org10.1007/978-3-531-19534-6 Springer Link Jansen, T./von Schlippe, A. & Vogd, W. (2015): Kontexturanalyse – ein Vorschlag für rekonstruktive Sozialforschung in organi-sationalen Zusammenhängen; in: Forum Qualitative Sozialforschung, Vol 16, No 1 (2015), ohne Seiten, http://www.qualitative-research.net/index.php/fqs/article/viewFile/2198/3735 (Stand: 20.08.2015) Heinrich, M. (2007): Governance in der Schulentwicklung. Von der Autonomie zur evaluationsbasierten Steuerung; VS Verlag, Wiesbaden Hessisches Kultusministerium (2012 a): http://www.kultusministerium.hessen.de/irj/HKM_Internet? (Stand: 17.07.2012) Hessisches Kultusministerium (2012 b):http://verwaltung.hessen.de/irj/zentral_Internet?rid=zentral_15/zentral_Internet/nav/bd7/bd75058e-6897-0701-33e2-dc44e9169fcc,6ea1023f-39d1-c431-f012-f31e2389e481 (Stand: 26.03.2013) Kussau, J./Brüsemeister, T. (2007): Governance, Schule und Politik. Zwischen Antagonismus und Kooperation, VS Verlag, Wiesbaden Schröck, N. (2009): Change Agents im strukturellen Dilemma: Eine qualitativ-rekonstruktive Studie zu Orientierungen schulischer Steuergruppen, VS Verlag 2009; http://dx.doi.org/10.1007/978-3-531-91885-3

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Vertrauen als Voraussetzung für gelingende Dialoge Katja Ludwig Stichworte: Gemeinschaftsschule, Passungen, qualitative Studie, Formen von Vertrauen, Handlungskoordination Passungen von Vertrauen sind für das Gelingen von Dialogen und damit für eine erfolgreiche Handlungskoordination im Zuge gemeinsamer Aufgaben von Bildungsadministration und Schulleitung von zentraler Bedeutung. Ausgangspunkt für diese These sind ausgewählte Ergebnisse meines Dissertationsprojektes mit dem Arbeitstitel „Handlungskoordination, die zur Teilnahme an schulstrukturellen Pilotprojekten führt - am Beispiel der Einführung der Thüringer Gemeinschaftsschule“. Die qualitativ angelegte Untersuchung beschäftigt sich mit den Hintergründen von Entscheidungen bei schulstrukturellen Pilotprojekten. Im Fokus steht die Einführung der Gemeinschaftsschule in Thüringen. In der Arbeit wird der Frage nachgegangen, wie es dazu kommt, dass eine bestehende Schule in eine Gemeinschaftsschule umgewandelt wird. So wird in diesem Zusammenhang unter anderem gefragt, welche Akteure an dem Beschluss zur Umstrukturierung in eine Gemeinschaftsschule beteiligt sind und welche Akteurskonstellationen vorliegen, welche offiziellen Entscheidungskriterien und Erwartungshaltungen der Protagonisten, aber auch relevante, den Experten jedoch implizit bleibende Handlungs- und Begründungsmuster sich aufzeigen, welche förderlichen und hemmenden Faktoren im Zuge der Handlungskoordination auftreten und welche Paradoxien und auflösbaren Fallstricke sich identifizieren lassen. Die Datenbasis der Arbeit beruht auf der Rekonstruktion zweier Fälle, die sich jeweils aus der Perspektive eines kommunalen bildungspolitischen Entscheidungsträgers und eines schulischen Entscheidungsträgers zusammensetzen. In meinem Beitrag illustriere ich unter Rückgriff auf ausgewählte Interviewpassagen, dass das Pilotprojekt „Gemeinschaftsschule im Aufbau“ aufgegriffen wird, weil Formen von Vertrauen zwischen den bildungspolitischen und schulischen Entscheidungsträgern sowie zwischen den schulischen Entscheidungsträgern und der jeweiligen Lehrerschaft vorliegen. Dies ist im hohen Maße bedeutsam, da es sich bei der Umstrukturierung einer bestehenden Schule in eine Gemeinschaftsschule um eine mehrfach risikobehaftete Entscheidung handelt. Nachdem jene Unwägbarkeiten dargestellt wurden, zeige ich, dass persönliches Vertrauen (vgl. Luhmann 1989, S. 40f), spezifisches Vertrauen auf der Fachebene (vgl. Wagenblass 2001, S. 1936) oder/und Vertrauen in die eigenen Kompetenzen1 (vgl. Bandura 1977, S. 21) vorliegt. Abschließend werde ich in meinem Vortrag die fragile Konstruktion dieses Passungsverhältnisses zwischen den Entscheidungsträgern darlegen. Wie jenes Vertrauen trotz seiner Instabilität in den vorliegenden Fällen aufrecht erhalten wird, soll ebenso mit Hilfe von transkribierten Interviewpassagen fallspezifisch dokumentiert werden. Insgesamt sollen die Ergebnisse des Vortrags verdeutlichen, dass das Individuum als Handlungsträger bei schulstrukturellen Veränderungsprozessen und folglich die Einzelschule als pädagogische Handlungseinheit stärker ins Zentrum rückt. Der Vortrag unterstreicht insbesondere die Bedeutung des Dialoges zwischen Bildungspolitik und Bildungsadministration, macht zugleich aber deutlich, dass ohne die Einbindung der Schulleiter_innen und Lehrer_innen als individuelle Handlungsträger in der Einzelschule ein Dialog hinfällig ist. 1 Bandura benennt dieses Phänomen „efficacy expections“ = Selbstwirksamkeitserwartung (übersetzt von Krapp, A./Rayn, R. M. 2000, S. 54). Literaturverzeichnis (Ausschnitt): Altrichter, H./Heinrich, M. (2007): Kategorien der Governance-Analyse und Transformationen der Systemsteuerung in Österreich. In: Altrichter, H. Brüsemmeister, T.//Wissinger, J. (Hrsg.): Educational Governance. Handlungskoordination und Steuerung im Bildungssystem. Wiesbaden: VS. S. 55-103. Bandura, A. (1977): Self-Efficacy: Toward a unifying theory of behavioral change. In: Psychological Review 84. S. 191-215. Bohnsack, R. (2007): Rekonstruktive Sozialforschung. Einführung in qualitative Methoden. 6. Aufl. Stuttgart: UTB. Bourdieu , P. (1987): Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. Fend, H. (2008): Neue Theorie der Schule. Einführung in das Verstehen von Bildungssystemen. 2. Aufl. Wiesbaden: VS. Krapp, A./Rayn, R. M. (2000): Selbstwirksamkeit und Lernmotivation. Eine kritische Betrachtung der Tehorie von Bandura aus Sicht der Selbstbestimmungstheorie und der pädagogische-psychologischen Interessentheorie. In: Zeitschrift für Pädagogik. Beiheft 44. Jerusalem, M./Hopf, D. (Hrsg): Selbstwirksamkeit und Motivationsprozesse in Bildungsinstitutionen. Weinheim: Beltz. S. 54-82. Luhmann, N. (1989): Vertrauen. Ein Mechanismus zur Reduktion sozialer Komplexität. 3. Aufl. Stuttgart: Enke. Nohl, A.-M. (2006): Die Praxis der dokumentarischen Interpretation von leitfadengestützten Interviews. Ein Beispiel von der formulierenden Interpretation bis zur sinngenetischen Typenbildung. Wiesbaden: VS. Wagenblass, S. (2001): Vertrauen. In: Otto, H.-U./Thiersch, H. (Hrsg.): Handbuch Sozialarbeit/Sozialpädagogik. 2. Aufl. Neuwied/Kriftel: Luchterhand. S. 1934-1942. Internetquellen: SPD-Fraktion (2008): Die Thüringer Gemeinschaftsschule. Unser Weg zum längeren gemeinsamen Lernen. (Stand: 1.4.2016) http://l4.spd-thl.de/dokumente/dok/200802-laenger-lernen.pdf (Stand: 01.04.2016) Vereinbarung zwischen Christlich Demokratischer Union (CDU) Landesverband Thüringen und Sozialdemokratischer Partei Deutschlands SPD) Landesverband Thüringen über die Bildung einer Koalitionsregierung für die fünfte Legislaturperiode des Thüringer Landtages (2009): S. 22-25. http://www.spd-thueringen.de/index.php?nr=7078&menu=1 (Stand: 05.01.2011).

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Mittwoch 28.09.16 13-15h L2.202: Session 1.2 Evidenzbasierung und Kooperationen

Datengestützte Schulentwicklung in den USA Rick Mintrop, Esther Dominique Klein Stichworte: USA, datengestützte Schulentwicklung, institutionelle Rahmenbedingungen Ziel des Beitrags: Datenbasierte Schulentwicklung hat international Konjunktur. In Deutschland äußert sich dies in den umfassenden bildungspolitischen Umstrukturierungen der letzten zwei Jahrzehnte sowie in der zentralen Rolle von datenbasierter Schulentwicklung in der deutschen Bildungsforschung. Dabei sind die erwarteten positiven Wirkungen von datenbasierter Schulentwicklung für Deutschland bislang kaum validiert (Thiel et al., 2014). Die Mehrzahl empirischer Befunde insbesondere zur organisationalen Bearbeitung von Daten stammt aus den USA, was wiederum die Frage nach der Übertragbarkeit der Erkenntnisse aufwirft. Der hier beschriebene Tagungsbeitrag systematisiert vor diesem Hintergrund den institutionellen Kontext datengestützter Schulentwicklung in den USA und stellt ihn dem deutschen Schulentwicklungskontext gegenüber. Das Ziel besteht darin, die Gelingens- und Misslingensbedingungen, Rahmenbedingungen und zentralen Akteure datengestützter Schulentwicklung in den USA aufzuschlüsseln, um auf dieser Folie zu diskutieren, inwiefern Ansätze und Befunde aus den USA für den deutschen Kontext fruchtbar sein können. Konzeptioneller Rahmen: Während datengestützte Schulentwicklung als internationale Reform heute v.a. durch supranationale Akteure als ‚Best Practice’ beworben wird (Steiner-Khamsi, 2012), liegt der Ursprung einer rationalisierten, auf ‚Wissen, was wirkt’ basierenden Schulentwicklung ohne ausgeprägte Wettbewerbselemente v.a. in den USA. Die Wirkungen der verschiedenen Schulentwicklungsansätze wurden in den USA von Beginn an mit (mehr oder weniger) wissenschaftlichen Mitteln evaluiert. Auf die Befunde dieser Forschung wird auch in der deutschen Bildungsforschung umfassend rekurriert. Allerdings werden dabei die kultur- und ideengeschichtlichen, institutionellen Rahmenbedingungen von Schulentwicklung in den USA vielfach auf ‚standards’, ‚accountability’ und ‚high stakes testing’ verkürzt (Bellmann & Waldow, 2012). Rollen, Handlungslogiken und Interdependenzen der an Schulentwicklung beteiligten Akteure und deren Bedeutung für die Gestaltung von datengestützten Designs werden dagegen kaum berücksichtigt. Aus einer vergleichenden Perspektive ist ein Verständnis der Rahmenbedingungen des Ursprungskontextes jedoch zentral, um die Befunde aus den USA zu deuten und stichhaltige Hinweise für den deutschen Kontext abzuleiten. Vorgehen: Um dieses Desiderat systematisch zu bearbeiten, beschreibt dieser theoretische Beitrag zunächst die institutionellen Rahmenbedingungen in den USA, aus denen heraus die datengestützte Schulentwicklungskonzepte entstanden sind, wobei insbesondere die effizienzorientierte ‚DNA’ des Bildungssystems und die damit verbundenen Rollen der Akteure aus Schule, Administration und Forschung diskutiert werden. In einer groben Chronologie werden anschließend sechs Ansätze der Schulentwicklung vorgestellt, die zentral für Genese und Verständnis aktueller Entwicklungsbestrebungen in den USA sind. (1) Die frühe Phase der Effektiven Schulen war v.a. mit einer Vielzahl von Weiterbildungsprogrammen, externer Beratung und Management von Implementationsprozessen insbesondere durch die Schulleitung verbunden. (2) Im Zuge der Umstrukturierung und Mitbestimmung sollten erweiterte Schulautonomie und partizipative Entscheidungsstrukturen interne Kapazitäten mobilisieren, das Engagement erhöhen und das Schulklima verbessern (Elmore, 1990). (3) Das Umfassende Organisationsdesign in den späten 1980er Jahren sah Schulentwicklungsnetzwerke und evidenzbasierte Entwicklungsprogramme vor, die von den Schulen ‚implementiert’ werden sollten (Slavin & Fashola, 1998). (4) Die Phase der Systemischen Reform brachte standardisierte Leistungstests, quantitative Leistungsziele, vorgegebene Unterrichtsmaterialien und High Stakes Accountability (Smith & O'Day, 1990), und somit erstmals eine Steuerungsform, die Schulentwicklung nicht als schulische, sondern als systemische Aufgabe konzipierte. (5) Social Justice Leadership hat eine Schulentwicklung zum Ziel, in der die schulische Reproduktion gesellschaftlicher Ungleichheiten thematisiert wird, um eine gerechtigkeitssensiblere, inklusivere Schul- und Unterrichtskultur zu etablieren (Ladson-Billings, 1995). (6) Neuere Ansätze betrachten die Schule als fortlaufend lernende Organisation, reduzieren die Komplexität datengestützter Organisationsentwicklung und entwickeln schulspezifische Ansätze in Zusammenarbeit mit den am Prozess beteiligten Akteuren (Bryk et al., 2015; Mintrop, 2016). Die in den Konzepten zum Tragen kommenden kontextspezifischen Rahmenbedingungen werden anhand von zentralen, auch in Deutschland rezipierten, Studien erörtert. Fazit: Das Selbstverständnis der Schulentwicklung in den USA beruht auf managerieller Steuerung, messbarer Wirksamkeit und Rationalität von Bildungsprozessen. Vor diesem Hintergrund soll abschließend die Passung der beschriebenen Ansätze mit den in deutschen Schulen existierenden Akteurskonstellationen bzw. dem Konzept der ‚professionellen Organisation’ (Thiel, 2008) in deutschen Schulentwicklungsbemühungen diskutiert werden. Literatur Bellmann, J. & Waldow, F. (2012). Standards in historischer Perspektive – Zur vergessenen Vorgeschichte outputorientierter Steuerung im Bildungssystem. Zeitschrift für Pädagogik, 58(2), 139-142. Bryk, A. S., Gomez, L. M., Grunow, A. & Mathieu, P. G. (2015). Learning to Improve: How America’s Schools Can Get Better at Getting Better. Cambridge, MA: Harvard Education Press. Elmore, R. F. (1990). Restructuring Schools: The Next Generation of Educational Reform. San Francisco, CA: Jossey-Bass. Ladson-Billings, G. (1995). Toward a Theory of Culturally Relevant Pedagogy. American Educational Research Journal, 32(3), 465-491. Mintrop, R. (2016). Design-based school improvement. A practical guide for education leaders. Cambridge, MA: Harvard Education Press. Slavin, R. E. & Fashola, O. S. (1998). Show Me the Evidence! Proven and Promising Programs for America's Schools. Thousand Oaks, CA: Corwin Press. Smith, M. & O'Day, J. (1990). Systemic school reform. Journal of Education Policy, 5(5), 233-267. Steiner-Khamsi, G. (2012). Understanding Policy Borrowing and Lending. Building Comparative Policy Studies. In G. Steiner-Khamsi & F. Waldow (Hrsg.), 2012 World Yearbook of Education: Policy Borrowing and Lending in Education (S. 3-17). Chicago, IL: The University of Chicago Press. Thiel, F. (2008). Organisationssoziologische Vorarbeiten zu einer Theorie der Schulentwicklung. Journal für Schulentwicklung, 12(2), 31-39. Thiel, F., Hannover, B. & Pant, H. A. (2014). Nutzung und Effekte zentraler Abschlussprüfungen und standardbasierter Schulleistungstests als Instrumente der Neuen Steuerung. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 17(1), 3-6.

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Mittwoch 28.09.16 13-15h L2.202: Session 1.2 Evidenzbasierung und Kooperationen

Evidenzbasierte Schulentwicklung? Empirische Analyse eines Steuerungsparadigmas Denise Demski Stichworte: evidenzbasierte Schulentwicklung, Steuerung im Bildungssystem, Schulkultur, Schulleitungshandeln Mit dem Steuerungsparadigma der Evidenzbasierung ist die Hoffnung verbunden, die Rationalität und Effektivität des Handelns der Akteure auf allen Ebenen des Bildungssystems zu befördern. Der Logik einer Zweckprogrammierung von Systemen (Luhmann 2000; Kuper 2008) folgend, sollen die Überprüfung der Zielerreichung und die Leistungsrückmeldungen eine Hinterfragung schulischer Prozesse bewirken und Qualitätsentwicklungen in Schulen anstoßen. Es wird somit nicht nur Wissen über das Bildungssystem generiert, sondern auch Wissen für das Bildungssystem bereitgestellt (Bellmann & Müller 2011). Angesichts der mit dem Ausbau von Bildungsmonitoring und Bildungsforschung verbundenen finanziellen und personellen Ressourcen muss jedoch auch der Umgang mit den generierten Daten evaluiert werden. Die bisherige Forschung zur Nutzung von Daten und Evaluationsergebnissen durch Lehrkräfte und Schulleitungen beschränkt sich vorwiegend auf einzelne Instrumente (z. B. Schulinspektionen), über den Stellenwert unterschiedlicher potentieller Evidenzquellen ist im deutschsprachigen Raum bisher vergleichsweise wenig bekannt. Ebenso liegen nur wenige belastbare Befunde über Faktoren vor, die ein evidenzbasiertes Handeln in der Schulpraxis behindern oder befördern (können). Vor diesem Hintergrund geht der Vortrag der Frage nach, inwiefern unterschiedlichste Datenquellen in der Schulpraxis tatsächlich genutzt werden, wobei explizit ein weites Verständnis von Evidenzen zugrunde gelegt wird. Als mögliche Einflussfaktoren auf ein evidenzbasiertes Handeln werden darüber hinaus insbesondere die Schulkultur und das Schulleitungshandeln in den Blick genommen. Im Rahmen des an rheinland-pfälzischen Schulen durchgeführten Projektes EviS wurden Schulleitungsmitglieder (N=297) und Lehrkräfte (N=1230) aus 153 Schulen schriftlich zur eingeschätzten Nützlichkeit sowie zum Ausmaß ihrer Rezeption und Nutzung von 13 verschiedenen Informationsquellen befragt. Clusteranalysen wurden genutzt, um Muster der Evidenznutzung auf individueller sowie organisationaler Ebene zu identifizieren. Anhand von Mehrebenenanalysen wurde dem möglichen Einfluss unterschiedlicher Faktoren auf Individual- und Schul- bzw. Schulleitungsebene auf ein evidenzbasiertes Handeln nachgegangen. Um Gründe für und gegen die Nutzung der Evidenzen zu erforschen, wurden zudem für eine vertiefende Interviewstudie sieben Schulen ausgewählt, die sich in der Fragebogenerhebung durch eine intensive (N=4) bzw. eine geringe (N=3) Nutzung evidenzbasierter Wissensbestände auszeichneten. In jeder der Fallschulen wurden ein Schulleitungs- sowie vier leitfadengestützte Lehrkräfteinterviews geführt, die inhaltsanalytisch ausgewertet wurden. Die Analysen zeigen, dass die schulischen Akteure intern generierte, prozessorientierte Daten wie z.B. das Schülerfeedback oder kollegiale Unterrichtsentwicklungsmaßnahmen in weitaus stärkerem Maße nutzen als Instrumente der Neuen Steuerung, ebenso wird den externen Verfahren auch eine geringere Nützlichkeit zugeschrieben. Differenzen zwischen Lehrkräften und Schulleitungen zeigen sich vor allem bei Ergebnisrückmeldungen der Schulinspektion, die von Lehrkräften deutlich seltener genutzt werden. In den durchgeführten Mehrebenenanalysen erweist sich der Grad der Auseinandersetzung als stärkster Prädiktor für die Nutzung der unterschiedlichen Wissensbestände; eine Besonderheit ist hier bei den Ergebnissen der Schulinspektion festzustellen, bei der in weitaus stärkerem Maße die eingeschätzte Nützlichkeit die Verwendung der Befunde beeinflusst. Die Ergebnisse weisen zudem darauf hin, dass insbesondere familiäre und flexible Schulkulturen positiv mit einer Evidenzorientierung korrelieren, während sich in marktorientierten oder hierarchischen Schulen negative Zusammenhänge zeigen. Schulleiter in den evidenzbasierten Schulen verfolgen tendenziell einen distributiven Führungsstil, bei dem sie Verantwortlichkeiten auf Arbeits- oder Steuergruppen übertragen; zudem weisen sie häufig umfangreiche Kenntnisse im Bereich des Qualitätsmanagements auf. Als Gründe gegen die Nutzung evidenzbasierter Wissensbestände werden neben Zeitmangel von den Akteuren in der Schulpraxis insbesondere Probleme bei der Rekontextualisierung (Fend 2006) von Befunden benannt. Ergebnisse aus Schulinspektionen, Lernstandserhebungen oder Parallelarbeiten werden nur von wenigen Lehrkräften auf das eigene Handeln rückbezogen, die in der Logik der Zweckprogrammierung angenommene Rückkopplung von Ergebnissen auf die vorgelagerten Prozesse muss somit kritisch hinterfragt werden. Die Ausführungen der Akteure aus der Schulpraxis offenbaren erhebliche Schwierigkeiten bei der Übersetzung von Daten in Handlungskonsequenzen; an dieser Stelle erscheint gezielte Unterstützung notwendig, beispielsweise durch pädagogische Landesinstitute, lokale Schulbehörden oder Universitäten. Ergebnisrückmeldungen werden zudem vielfach als „zu wissenschaftlich“ eingeschätzt, sodass die Bildungsforschung auch sich und die praktische Verwertbarkeit ihrer Produkte kritisch hinterfragen sollte. Literatur Bellmann, J. & Müller, T. (2011). Evidenzbasierte Pädagogik – ein Déjà-vu? Einleitende Bemerkungen zur Kritik eines Paradigmas. In J. Bellmann & T. Müller (Hrsg.), Wissen, was wirkt. Kritik evidenzbasierter Pädagogik (S. 9–32). Wiesbaden: VS. Fend, H. (2006). Neue Theorie der Schule. Einführung in das Verstehen von Bildungssystemen. Wiesbaden: VS. Kuper, H. (2008). Wissen – Evaluation – Evaluationswissen. In T. Brüsemeister (Hrsg.), Evaluation, Wissen und Nichtwissen (Band 5, S. 61–73). Wiesbaden: VS. Luhmann, N. (2000). Organisation und Entscheidung. Opladen: Westdeutscher Verlag.

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Mittwoch 28.09.16 13-15h L2.202: Session 1.2 Evidenzbasierung und Kooperationen

Kooperation von Wissenschaft, Praxis und Administration als Wissenstransferstrategie? Befunde aus einem Schulentwicklungsprojekt zu Schulen in sozialräumlich benachteiligten Lagen Veronika Manitius, Nina Bremm Stichworte: Transfer, Schulentwicklung in kritischer Lage, Kooperation Wissenschaft und Administration Umsetzung von Reformen sowohl auf System- als auch Schulebene gilt in der Schulentwicklungsdiskussion als unbestritten (van Holt 2014; Gräsel 2010; Jäger 2004). So betont auch die KMK in ihrer jüngst überarbeiteten Gesamtstrategie zum Bildungsmonitoring: „Die Aufgabe der Landesinstitute und Qualitätseinrichtungen der Länder besteht in diesem Zusammenhang darin, Forschungswissen in Kooperation mit wissenschaftlichen Einrichtungen adressatengerecht für die Schulen, die Bildungsadministration und die Bildungspolitik aufzubereiten und zu verbreiten. Um nachhaltig Wirkung in der Fläche erzielen zu können, bedarf es ferner besonderer Implementations- und Transferstrategien in den Ländern“ (KMK 2015, 14). Damit werden Wissenschaft und Landesinstitute als zentrale Kooperationspartner benannt, die Wissen für Schulen und Administration aufbereiten und transferieren sollen. Unklar bleibt jedoch, wie solche Kooperationsstrukturen konkret zu denken sind und was „besondere“ Implementations- und Transferstrategien für Schulen und Bildungsadministration kennzeichnet. Das Forschungs- und Schulentwicklungsprojekt „Potenziale entwickeln – Schulen stärken“ greift die Empfehlungen der KMK auf und fokussiert in seiner konzeptionellen Anlage auf die enge Zusammenarbeit von Wissenschaft (Universitäten Duisburg – Essen und Dortmund) und Landesinstitut (Qualitäts- und UnterstützungsAgentur –Landesinstitut für Schule NRW - QUA-LiS) im Wissensmanagement und in der Transferarbeit des Projekts. Als weitere Akteure sind die Stiftung Mercator, 36 Schulen in herausfordernden Lagen aus der Metropolregion Ruhr und die Administration (MSW NRW, Bezirksregierungen NRW, Kompetenzteams NRW) in das Projekt eingebunden. „Potenziale entwickeln- Schulen stärken“ ermittelt mithilfe einer quantitativen Längsschnittuntersuchung Wissen um Kontext- und Prozessmerkmale von Schulen in schwieriger Lage. Das parallel realisierte Fallstudiendesign in sechs Schulen erlaubt eine Verknüpfung qualitativer Tiefenanalysen schulischer Prozesse mit quantitativen Daten. Der datenbasiert und entwicklungsoffen konzipierte Ansatz der Netzwerk- und Schulentwicklungsarbeit reagiert flexibel auf die im Forschungsteil identifizierten Bedarfe unter Berücksichtigung und gezielter Einbildung der im Schulsystem vorhandenen Akteure und Strukturen. Die standardisierte Evaluation der Netzwerk- und Schulentwicklungsarbeit und das gemeinsame Wissensmanagement von Landesinstitut und Wissenschaft schafft systematisierte Informationen über erfolgreiche Entwicklungsstrategien von Schulen in schwieriger Lage. Die enge Kooperation zwischen Wissenschaft und Landesinstitut und die konzeptionelle Einbildung von Administration und Schulen seit Projektstart bildet die Grundlage für den Transfer. Solche Projekte können insofern modellbildend für Kooperationen im Sinne nutzeninspirierter Grundlagenforschung sein und wichtige Hinweise auf erfolgreiche „Implementations- und Transferstrategien in den Ländern“ (KMK 2015, 14) liefern. Hier setzt der Beitrag an und stellt erste Methoden und Ergebnisse der gemeinsamen Wissens- und Transferstrategie der Wissenschaft und des Landesinstituts vor. Es wird analysiert, welche Faktoren zentral für die gelingende Schulentwicklungsarbeit für Schulen in sozial deprivierten Kontexten sind und inwiefern diese Erkenntnisse auf Relevanz für die Überführung in nachhaltige Strukturen geprüft werden können. Dabei wird auf theoretische Überlegungen aus dem Wissensmanagement (Willke 2004, Heitmann 2013, Probst et al. 2003) und der Implementationsforschung (Petermann 2014) zurückgegriffen, die dazu genutzt werden, das in den Schulentwicklungsprozessen der Projektschulen generierte Wissen mittels theoretisch hergeleiteter Instrumente zu organisieren, der Administration zuzuführen und im Hinblick auf Relevanz für Implementationsbemühungen in die Fläche, z.B. für das Fortbildungssystem, zu überprüfen. Die Ergebnisse können perspektivisch mit denen im Rahmen der quantitativen und qualitativen Untersuchungen der wissenschaftlichen Begleitforschung in Beziehung gesetzt und gespiegelt werden und ermöglichen so eine multimethodische und mehrperspektivische Datengrundlage für die von der KMK geforderten Implementations- und Transferstrategien. Als Datengrundlage dieses Beitrags dienen leitfadengestützten Interviews, die mit 6 Lehrkräften, die die Projektschulen als externe Expert/innen in ihren Schulentwicklungsbemühungen begleiten, zu zwei Messzeitpunkten geführt und inhaltsanalytisch ausgewertet wurden. Die Ergebnisse dieser Exploration zeigen zum einen erste Hinweise zu relevanten Schlüsselfaktoren für das Gelingen von Schulentwicklungsarbeit in herausfordernden Lagen aus Sicht der begleitenden Lehrkräfte. Diese Befunde werden zum anderen daraufhin entlang der Transferperspektive theoretisch gespiegelt mit Blick auf die Frage diskutiert, was aus einem solchen konkreten Schulentwicklungsprojekt für einen systemischen Transfer Relevanz aufweist und inwiefern hier der Kooperationszusammenhang der unterschiedlichen Akteure im Projekt womöglich eine geeignete Bottom-Up-Transferstrategie realisiert.

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Mittwoch 28.09.16 13-15h L2.202: Session 1.2 Evidenzbasierung und Kooperationen

Konzeption und Umsetzungsstrategien evidenz- und netzwerkbasierter Schulentwicklung an Schulen in herausfordernden Lagen Sarah Eiden, Tanja Webs, Heinz Günter Holtappels, Isabell van Ackeren Stichworte: Schulentwicklung, Schulen in herausfordernden Lagen, Evidenzbasierung, schulübergreifende Netzwerkarbeit Ergebnisse aktueller Schulleistungsvergleichsstudien zeigen, dass neben individuellen Lern-voraussetzungen auch schulische Kontextbedingungen und die Zusammensetzung der Schülerschaft die Bildungserfolge von Lernenden beeinflussen (Baumert et al., 2006). Die Qualität der pädagogischen Arbeit an der Einzelschule übt dabei allerdings einen entscheidenden Einfluss auf die Stärke dieses Zusammenhangs aus (Holtappels, 2008). Insbesondere effektive Schulen in herausforderndem Umfeld zeichnen sich durch datengestützte Schulentwicklungsarbeit und interschulische Kooperation aus (Muijs et al., 2004). Datengenerierung und -nutzung stellt für die Entwicklungsbemühungen von Schulen in deprivilegierter Lage ein wichtiges Element dar (van Ackeren, 2008). Durch die Nutzung von Evaluationsdaten können Schulen Soll- und Ist-Zustände einander gegenüberstellen und Wirkungen initiierter Maßnahmen reflektieren. Entscheidend ist dabei, inwiefern es Schulen gelingt, relevante Expertise und (schulentwicklungsorientierte) Beratung im Umgang mit Daten zu mobilisieren (Racherbäumer et al., 2013). Auch schulübergreifende Netzwerke stellen für die Entwicklungsarbeit von Schulen in deprivierter Lage wichtige Unterstützungsressourcen dar (Ainscow et al., 2006). Interschulische Vernetzung bietet den Beteiligten Raum für intensiven Austausch über eigenes Wissen sowie die Teilhabe an anderen Praxen (Berkemeyer et al., 2009). Dadurch werden gemeinsame Lernprozesse der Akteure begünstigt. Inwieweit dabei einzelschulische Entwicklungsprozesse angestoßen werden, hängt davon ab, ob es Netzwerkmitglieder schaffen, die Inhalte der Netzwerkarbeit in die Einzelschule zu transferieren (Jäger, 2004) und zu rekontextualisieren (Fend, 2008). Somit stellt speziell die Kombination schulübergreifender Netzwerke und evidenzbasierter Arbeitsweisen eine flexible und adaptive Möglichkeit dar, kontextspezifisch und adaptiv an den jeweiligen Entwicklungsbedarfen und -interessen von Schulen kooperativ zu arbeiten (van Ackeren, 2008). Beiden Ansätzen wird das Innovationspotenzial zugesprochen, insbesondere Prozesse der Qualitätsentwicklung von Schulen mit herausfordernden Standortbedingungen voranzutreiben und dadurch zur Verbesserung schulischer Lehr- und Lernprozesse beizutragen (Dedering, 2007). Vor diesem Hintergrund verfolgt der Beitrag das Ziel, Konzepte und Strategien evidenzbasierter Netzwerkarbeit von Schulen in schwierigen Lagen vorzustellen und zu diskutieren, die im integrierten Schulforschungs- und Schulentwicklungsprojekt Potenziale entwickeln – Schulen stärken umgesetzt werden. Folgende Forschungsfragen werden fokussiert: 1. Inwiefern können anhand schulischer Kontextmerkmale und pädagogisch-organisatorischer Merkmale der schulischen Ausgestaltung Schulgruppen mit ähnlichen Entwicklungsprofilen identifiziert werden, um daraus Schulnetzwerke zu bilden sowie Themen für die Netzwerkarbeit abzuleiten? 2. Wie schätzen die Netzwerkbeteiligten die evidenzbasierte Netzwerkarbeit ein? Zur Beantwortung der ersten Fragestellung dienen die aggregierten Angaben von 1105 Lehrkräften, 3183 Schüler/innen und 2145 Eltern an 36 Schulen der Metropole Rhein-Ruhr, die an herausfordernden Schulstandorten arbeiten, als Datengrundlage. Die Schulen werden mittels latenter Profilanalyse anhand 14 ausgewählter Schulqualitätsmerkmale klassifiziert und die Schulgruppen über einen Schülerkompositionsindex geteilt. Die Analyseergebnisse zeigen, dass insgesamt drei schulformübergreifende und überregionale Schulgruppen identifiziert werden können: 1. Schulen mit unterdurchschnittlicher Kooperation zwischen Lehrkräften und geringerer leistungsbezogener Differenzierung im Unterricht, 2. Schulen mit geringerer Unterrichtsqualität und unterdurchschnittlicher Teamarbeit im Kollegium, 3. Schulen mit mehr defizitorientierten Einstellungen von Lehrkräften gegenüber der Schülerschaft, niedriger kollektiver Selbstwirksamkeit im Kollegium und weniger Schule-Elternhaus-Kooperation. Durch die Aufteilung dieser Schulgruppen mit eher privilegierterer und deprivilegierter Schülerkomposition resultieren sechs Schulgruppen mit je fünf bis sieben Schulen. Auf diese Weise werden evidenzbasiert Schulen mit ähnlichen Entwicklungsprofilen und Ausgangsbedingungen in Schulnetzwerken gruppiert. Datengestützt ermittelte Stärken und Schwächen werden zur Erarbeitung von Arbeitszielen und Schwerpunkten für die Netzwerkarbeit genutzt. Zur Beantwortung der zweiten Forschungsfrage wird die Evaluation der Netzwerktreffen hinzugezogen (n = 51). Die deskriptiven Befunde verdeutlichen, dass ein Großteil der am Netzwerk beteiligten Schulvertreter/innen berichtet, die evidenzbasierte Netzwerkarbeit biete einen schnellen Einstieg in das Thema und fördere zielorientiertes Arbeiten. Abschließend werden Chancen und Grenzen einer evidenzbasierten Ermittlung schulischer Entwicklungsbedarfe und -interessen auf Ebene von Schulnetzwerken und auf Ebene von Einzelschulen mit Blick auf die Initiierung und Implementation einzelschulischer Entwicklungsprozesse von Schulen in herausforderndem Umfeld diskutiert. Literaturverzeichnis Ainscow, M., Muijs, D. & West, M. (2006). Collaboration as a strategy for improving schools in challenging circumstances. Improving Schools, 9 (3), 192–202. van Ackeren, I. (2008). Schulentwicklung in benachteiligten Regionen. Eine exemplarische Bestandsaufnahme von Forschungsbefunden und Steuerungsstrategien. In W. Lohfeld (Hrsg.), Gute Schulen in schlechter Gesellschaft (S. 47–58). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Baumert, J., Stanat, P. & Watermann, R. (Hrsg.) (2006). Herkunftsbedingte Disparitäten im Bildungswesen: Differenzielle Bildungsprozesse und Probleme der Verteilungsgerechtigkeit. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Berkemeyer, N., Manitius, V., Müthing, K. & Bos, W. (2009). Ergebnisse nationaler und internationaler Forschung zu schulischen Innovationsnetzwerken. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 12 (4), 667–689. Dedering, K. (2007). Schulische Qualitätsentwicklung durch Netzwerke. Das Internationale Netzwerk Innovativer Schulsysteme (INIS) der Bertelsmann Stiftung als Beispiel (Schule und Gesellschaft, Bd. 37). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Fend, H. (2008). Schule gestalten: Systemsteuerung, Schulentwicklung und Unterrichtsqualität. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Holtappels, H. G. (2008). Failing Schools – Systematisierung von Schultypologien und empirischer Forschungsstand. Journal für Schulentwicklung, 12 (1), 10–19. Jäger, M. (2004). Transfer in Schulentwicklungsprojekten. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Muijs, D., Harris, A., Chapman, C., Stoll, L. & Russ, J. (2004). Improving Schools in Socioeconomically Disadvantaged Areas – A Review of Research Evidence. School Effectiveness and School Improvement, 15 (2), 149–175. Racherbäumer, K., Funke, C., van Ackeren, I. & Clausen, M. (2013). Datennutzung und Schulleitungshandeln an Schulen in weniger begünstigter Lage. In I. van Ackeren, M. Heinrich & F. Thiel (Hrsg.), Evidenzbasierte Steuerung im Bildungssystem? (S. 226–254). Münster: Waxmann.

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15.00 –15.30 Kaffeepause (im Foyer des Gebäudes L)

Mittwoch 28.09.16 15.30-17.30h L2.201: Round Tables

Feldzugang - im Rahmen von Schul- und Unterrichtsforschung Martina Diedrich & Knut Schwippert Eingeladene Expertinnen und Experten: Knut Schwippert, Detlef Fickermann (kann leider nicht teilnehmen) , Bernhard Gödde & Svenja Bundt Abstract: Im Kern geht es bei diesem Round Table um die zunehmenden Probleme der Bildungsforschung, im Rahmen von empirischen Untersuchungen Zugang zum schulischen Feld zu bekommen. Angesichts der gestiegenen Zahl von Erhebungen im Rahmen großer internationaler wie nationaler Studien (PISA, IGLU, IQB-Ländervergleich, usw.) und zahlreicher Vorhaben der empirischen Bildungsforschung fühlen sich die Schulen zunehmend „überforscht“. Sie haben keine Kapazitäten mehr, um weitere Befragungen, insbesondere mithilfe schriftlicher Fragebögen, an ihren Schulen zuzulassen. Für die Forschungsseite erwächst daraus zunehmend das Problem, Primärdaten nicht mehr in ausreichender Quantität und Qualität generieren zu können, keine hinreichend großen Stichproben bzw. Rückläufe mehr zu erhalten und bei Längsschnitten mit erheblichen Ausfallraten rechnen zu müssen. Dieses Problem soll aus unterschiedlichen Perspektiven diskutiert werden.

Mittwoch 28.09.16 15.30-17.30h L2.202: Round Tables

Bildungsoptionen auf der Flucht? Zur Handlungskoordination von Bildungspolitik, Bildungsforschung und pädagogischer Praxis mit Blick auf die Beschulung von Flüchtlingen Martin Heinrich Eingeladene Expertinnen und Experten: Sigrid Beer (MdL), Anette Seyer & Andreas Zick Abstract: Schülerinnen und Schüler mit Fluchterfahrung im deutschen Schulsystem aufzunehmen, stellt kein Novum dar. Gleichwohl erscheinen sowohl Bildungspolitik, Bildungsforschung als auch pädagogische Praxis derzeit von den Entwicklungen überrollt zu werden. Governanceanalytisch betrachtet erfolgt die neue Handlungskoordination auf ganz unterschiedlichen Wegen und mit divergierenden Medien, je nachdem, welcher Akteursgruppe man angehört. Im Roundtable möchten wir die unterschiedlichen Perspektiven der Akteurinnen und Akteure aus Bildungspolitik, Bildungsforschung und pädagogischer Praxis zusammenführen. Als Mitglied des Schulausschusses wird die Landtagsabgeordnete Sigrid Beer (Bündnis 90/Die Grünen) von den bildungspolitischen Bemühungen und Aktivitäten im Land Nordrhein-Westfalen berichten, die wiederum gespiegelt werden mit Erfahrungen aus der Praxis der Schulleiterin eines Bielefelder Berufskollegs aus dem Übergangssystem, das derzeit ca. 200 Jugendliche mit Fluchterfahrung aufgenommen hat, Anette Seyer (BAJ e.V.). Die Perspektive der Bildungsforschung auf das Phänomen „Flucht“ wird von Prof. Dr. Andreas Zick, dem Leiter des interdisziplinären Instituts für Konflikt und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld sowie Preisträger des DFG-Communicator Preises 2016, vertreten. Moderiert wird der Roundtable vom Wissenschaftlichen Leiter der NRW-Versuchsschule Oberstufen-Kolleg, an der ebenfalls Schülerinnen und Schüler mit Fluchterfahrung aufgenommen wurden, Prof. Dr. Martin Heinrich. An den Bielefelder Versuchsschulen Laborschule & Oberstufen-Kolleg sollen im Rahmen von Forschungs- und Entwicklungsprojekten weiterführende Konzeptionen zur Beschulung von Schülerinnen und Schülern mit Fluchterfahrung erarbeitet werden. Damit sind im Roundtable die unterschiedlichen Perspektiven auf Bildungspolitik, Bildungsforschung und Bildungspraxis mehrfach vertreten, so dass sehr wahrscheinlich ein nicht unbedingt kohärentes, wohl aber sehr ausdifferenziertes Bild des Phänomens in seiner derzeitigen Konstellation sichtbar werden sollte.

17.45 – 18.45 Mitgliederversammlung der KBBB (L1.202)

19.30 – offen Gesellschaftsabend mit Verleihung des Posterpreises Der Gesellschaftsabend findet im Paderborner Ratskeller statt (in der Innenstadt, Rathausplatz 1, 33098 Paderborn)

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Tagungsprogramm von Donnerstag, 29.09.2016

Donnerstag 29.09.2016

9.15 –10.15 Keynote: Prof. Dr. Johannes Bellmann, Westfälische Wilhelms-Universität Münster (Hörsaal L-Gebäude) Selbstregulation im ständigen Abgleich von Sein und Sollen - Ansätze zu einer Theorie der Wirkungen und Nebenwirkungen datengetriebener Steuerung

10.15 – 10.30 Kurze Kaffeepause

   

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Donnerstag 29.09.16 10.30-12h L1.202: Session 2.1 StEG-Bildungsmonitoring

Konzeption und Ziele des StEG-Bildungsmonitorings Janine Hannemann Stichworte: Bildungsmonitoring, StEG, Nutzung durch Bildungsadministration Die Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen (StEG) erfasst seit 2005 den Stand und die Veränderungen der Deutschen Ganztagsschullandschaft. Der hiesige Beitrag befasst sich mit dem StEG-Bildungsmonitoring der zweiten Projektphase von 2012-2015. Ziel dieses Beitrages ist es, die Konzeption, Zielsetzungen und methodische Umsetzung des StEG-Systemmonitorings darzulegen. Konzeption Der Ausbau der Ganztagsschulen hat auch elf Jahre nach dem Start des IZBB-Programms weder an Dynamik noch an Relevanz verloren. Zwischen 2003 und 2009 hat sich die Zahl der ganztägig organisierten Schulen mehr als verdoppelt. Laut KMK-Statistik waren 2013 bereits über 58 Prozent der schulischen Verwaltungseinheiten Ganztagsschulen (gegenüber 28% in 2005, KMK 2015). Die Ganztagsschullandschaft ist jedoch nicht nur größer, sondern auch vielfältiger geworden. Hier setzt die StEG-Schulleitungsbefragung an, mithilfe der die Entwicklung der Ganztagsschulen erstmals bundesweit repräsentativ im Trendvergleich für die Jahre 2012 und 2015 anhand von ausgewählten Indikatoren betrachtet werden kann. Um über die Statistik der KMK hinausgehendes Wissen über den Ausbau der Ganztagsschulen zu generieren, die vielfältigen Ausformungen von Ganztagsschule einzubeziehen, sowie die unterschiedlichen Definitionen von Ganztagsschule in den Ländern zu berücksichtigen beantworten Schulleitungen u.a. Fragen zu der pädagogischen Programmatik ihrer Schule, ihrer Arbeitsweise und den Ganztagsangeboten. Im Mittelpunkt des Berichts stehen also die Fragen, wie weit die Ganztagsschullandschaft in Deutschland 2015 ausgebaut, wie sie organisatorisch und pädagogisch ausgestaltet ist, wo sich Veränderungen gegenüber 2012 abzeichnen und welche Herausforderungen sich (u. U. nach wie vor) ergeben. Ergänzend zu dem Bundesbericht erhalten die beteiligten Länder jeweils einen länderspezifischen Anhang, in dem die Ergebnisse auf Landesebene im Trendvergleich 2012 und 2015 dargestellt werden. Ziele Das zentrale Ziel der Studie liegt in der repräsentativen Darstellung der Ergebnisse auf Systemebene über die Zeit mit einem Trendvergleich, wodurch politisches Handlungswissen zur Steuerung des Bildungssystems generiert wird (ähnlich wie in anderen Large-Scale-Assesments wie z.B. PISA). Ziel beider Schulleitungsbefragungen war es, relevante Daten zur jeweils aktuellen Ganztagsschulsituation zusammenzutragen, um die Struktur und die Bil-dungskonzeption sowie die Organisation und Gestaltung von Ganztagsschulen in Deutschland zu beschreiben: Bildungspolitische Erfolge der Bemühungen des Bundes und der Länder in den letzten Jahren, als auch - und dies ist die Aufgabe wissenschaftlicher Begleitforschung - politische Handlungsbedarfe aufzuzeigen. Die Daten der Studie spiegeln dabei die Sicht der Schulleitungen wider. Auf der Grundlage dieser Perspektive lassen sich sowohl ein beachtlicher Überblick über wichtige Eckpunkte der aktuellen Ganztagsschullandschaft gewinnen als auch Hinweise auf weiteren Entwicklungsbedarf ableiten. Methodische Umsetzung Auf Bundesebene wurde die Stichprobe als eine proportional geschichtete Stichprobe konzipiert, in der die Schulanteile der einzelnen Bundesländer (mind. 25 Schulen pro Bundesland) entsprechend ihrer Verteilung in Deutschland abgebildet werden sollten. Berücksichtigt wurden dabei öffentliche Schulen mit ganztägigen Angeboten auf Grundlage der Definition des jeweiligen Bundeslandes. Die Bruttostichprobe umfasste insgesamt 1.937 Schulen sowie pro gezogene Schule zwei sogenannte Ersatzschulen, die kontaktiert werden konnten, um den Ausfall einer ursprünglich gezogenen Schule ggf. zu ersetzen. Insgesamt konnten somit mehr als 1.500 (2015) Schulleitungen befragt werden. Die Ausschöpfungsquote von 2015 liegt mit rund 78 Prozent insgesamt über dem Wert von 2012 mit 68 Prozent und ist sehr zufriedenstellend. Um die Repräsentativität aufgrund von Ausfällen zu gewährleisten, wurde zum Ausgleich der entstandenen Disproportionalitäten das zuvor beschriebene Designgewicht mit einem sogenannten Ausfallgewicht kombiniert. Das Ausfallgewicht übernimmt dabei die Aufgabe, die in der realisierten Stichprobe vorhandenen Teilnehmerdaten umso stärker in die Auswertungen einzubeziehen, je mehr Schulen in einem Bundesland pro Schulgruppe ausgefallen sind. Durch diese Maßnahme wird die Repräsentativität der Ergebnisse für die gesamte Bundesrepublik sichergestellt. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse des Monitorings sowie ein Resümee dieser werden im anschließenden Beitrag vorgestellt. Literatur: StEG-Konsortium (Hrsg.) (2015). Ganztagsschule 2014/2015. Deskriptive Befunde einer bundesweiten Befragung. StEG-Konsortium (Hrsg.) (2013). Ganztagsschule 2012/2013. Deskriptive Befunde einer bundesweiten Befragung. KMK (2015): Ganztagsschulen in Deutschland. Bericht der Kultusministerkonferenz vom 03.12.2015.

   

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Donnerstag 29.09.16 10.30-12h L1.202: Session 2.1 StEG-Bildungsmonitoring

Ergebnisse der StEG-Schulleitungsbefragung Markus Sauerwein Stichworte: Bildungsmonitoring, StEG, Nutzung durch Bildungsadministration Der nachfolgende Beitrag schließt an den vorliegenden Beitrag, in dem die Konzeption der StEG-Schulleitungsstudie dargestellt wurde an. Die wichtigsten Ergebnisse werden zusammengefasst und resümiert, auch vor dem Kontext bisheriger Ergebnisse der StEG-Studien. Der Fokus liegt hierbei vor allem auf der Trendentwicklung der Ganztagsschullandschaft zwischen 2012 und 2015. Ergebnisse Die Ergebnisse der StEG-Schulleitungsbefragung zeigen u.a., dass Ganztagsschulen ein reichhaltiges Bildungsangebot vorhalten, welches sich von sport- und fachbezogenen Angeboten bis hin zu Angeboten zur musischen und kulturellen Förderung erstreckt. Im Vergleich zu 2012 sind Ganztagsangebote in den Bereichen Mathematik und neue Medien rückläufig. Des Weiteren kann eine schulformspezifsche Ausformung konstatiert werden: Nicht-gymnasiale Sekundarschulen sind häufiger gebunden und bieten verstärkt sozial-erzieherische und alltagspraktische Angebote an. Demgegenüber setzen Gymnasien vor allem auf fachbezogene Ganztagsangebote. Diese spielen in Grundschulen eine untergeordnete Rolle, mit Ausnahme von lesebezogenen Angeboten. Zudem sind die durchschnittlichen Öffnungszeiten dieser Schulen mit 8,5 h vergleichsweise hoch. Allen Schulgruppen ist jedoch gemein, dass die Ganztagsangebote wenig mit dem Unterricht verbunden sind – ein Kriterium der KMK, welches nach Angeben der Schulleitungen nicht hinreichend erfüllt wird. Insgesamt scheinen unterschiedliche landesspezifische Definitionen von Ganztagsschule dazu beizutragen, dass sich die einstmals strukturbildenden Definitionen von Ganztagsschule auflösen. So haben mittlerweile 10 Prozent der „Ganztagsschulen“ an weniger als drei Tagen geöffnet. Als weitere Herausforderungen für die Schulen erweisen sich die personelle, räumliche und materielle Ausstattung, die an rund ¼ der Ganztagsschulen nicht hinreichend vorhanden ist, um das Ganztagskonzept der Schulen umzusetzen. Insbesondere Schulen im ländlichen Raum berichten über Probleme bei der Rekrutierung von zusätzlichem Personal, während städtische Schulen eher mit Raumproblemen kämpfen. Probleme in der materiellen Ausstattung werden immerhin im Vergleich zu 2012 von weniger Schulen berichtet. Positiv zu erwähnen ist die Tendenz, dass 2015 insgesamt seltener generelle Kosten für die Teilnahme am Ganztagsbetrieb erhoben werden als noch 2012 und somit Zugangshürden zum Ganztagsbetrieb für Kinder aus ökonomisch schlechter gestellten Familien reduziert werden. Gleichzeitig sehen viele Schulleitungen Ganztagsschule als eine Möglichkeit Inklusion umzusetzen, wobei Inklusion und Ganztagsbetrieb Hand in Hand einhergehen. Resümee Resümierend hält das StEG-Konsortium fest, dass der breite Ausbau von Ganztagsschulen als bildungspolitischer Erfolg gewertet werden kann, nun jedoch die Qualität der einzelnen Schulen verbessert werden sollte und politische Handlungsbedarfe bestehen. Dies betrifft zum einen die große Vielfalt der landesspezifischen Ganztagsschuldefinitionen sowie den Verlust der strukturbildenden KMK-Definitionen für Ganztagsschule. So darf befürchtet werden, dass zumindest einige Ganztagsschulen auf ihre Betreuungszeiten reduziert werden und pädagogische Ziele, wie die Erweiterung der Lernkultur aus dem Blick geraten. Auch die schulgruppenspezifische Ausformung könnte dazu führen, dass Vorstellungen von Ganztagsschule den schulformspezifischen Problemen geopfert werden. Auf bildungspolitischer Ebene fordern die Autoren daher eine Reformulierung und Vergewisserung der Ziele von Ganztagsschule. Darüber hinaus besitzen jedoch auch die einzelnen Schulen Handlungsspielräume, die sie als Ganztagsschule weiter ausschöpfen könnten (trotz der ihnen gegeben Grenzen), beispielsweise durch eine Rhythmisierung des Schulalltags, das Setzen eigener thematischer Schwerpunkte oder durch die Anreicherung der Lernkultur. Hierfür brauchen Schulen jedoch auch Unterstützung, etwa durch ein Online Unterstützungsportal zum Referenzrahmen Schulqualität NRW, wie im anschließenden Beitrag exemplarisch ausgeführt. Literatur StEG-Konsortium (Hrsg.) (2015). Ganztagsschule 2014/2015. Deskriptive Befunde einer bundesweiten Befragung. StEG-Konsortium (Hrsg.) (2013). Ganztagsschule 2012/2013. Deskriptive Befunde einer bundesweiten Befragung. KMK (2015): Ganztagsschulen in Deutschland. Bericht der Kultusministerkonferenz vom 03.12.2015.

   

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Donnerstag 29.09.16 10.30-12h L1.202: Session 2.1 StEG-Bildungsmonitoring

Nutzung der Schulleitungsbefragung in der Bildungsadministration am Beispiel des Online-Unterstützungsportals zum Referenzrahmen Schulqualität NRW Saskia Koltermann Stichworte: Bildungsmonitoring, StEG, Nutzung durch Bildungsadministration Qualitätsentwicklung ist laut Schulgesetz in Nordrhein-Westfalen eine der zentralen Aufgaben der Schulen. Im Referenzrahmen Schulqualität NRW (2015) sind Qualitätsaussagen mit dem Ziel zusammengestellt, allen an Schule Beteiligten transparent zu machen, was unter Schulqualität zu verstehen ist. Der Referenzrahmen bündelt in einem zentralen Dokument die vielfältigen Vorstellungen und Ansprüche an ‚gute Schule‘ und ‚guten Unterricht‘ aus der Sicht der Bildungs- und Lernforschung sowie der aktuellen bildungspolitischen Diskussion. Anhand von Kriterien und aufschließenden Aussagen zeigt er auf, was in wesentlichen Inhaltsbereichen und Dimensionen unter Schulqualität verstanden wird. Darüber hinaus führt der Referenzrahmen die Qualitätsvorstellungen von Projekten und Initiativen zur Qualitätsentwicklung des Landes NRW zusammen. So gibt der Referenzrahmen in seiner Ausdifferenzierung einen umfassenden Überblick über die unterschiedlichen Facetten von Schulqualität. Allen an Schule beteiligten Akteurinnen und Akteuren wird durch differenzierte Qualitätsaussagen im Referenzrahmen Schulqualität NRW ein Bezugsrahmen für ihr konkretes Handeln an die Hand gegeben. Um für den Prozess der Schulentwicklung Unterstützung anzubieten, wird der Referenzrahmen parallel in einem Online-Unterstützungsportal (http://www.schulentwicklung.nrw.de/unterstuetzungsportal/) mit Materialien hinterlegt, das von einem Projektteam in der Qualitäts- und UnterstützungsAgentur – Landesinstitut für Schule (QUA-LiS NRW) auf- und ausgebaut wird. Das Online-Unterstützungsportal soll den schulischen Akteurinnen und Akteuren helfen, mit diesem umfassenden Referenzsystem arbeiten und umgehen zu können. Dazu werden die Qualitätsaussagen des Referenzrahmens anhand ausgewählter Arbeitsmaterialien, Literatur und Hintergrundinformationen, unter besonderer Berücksichtigung multiperspektivischer Sichtweisen, erläutert und auf Registerkarten angeboten. Ebenso werden Hinweise auf Schulen gegeben, die in dem entsprechenden Bereich Erfahrungen gemacht haben, als Ansprechpartnerinnen zur Verfügung stehen und Unterstützung anbieten. Am Beispiel der Veröffentlichung der Ergebnisse der Schulleitungsbefragung in StEG kann gezeigt werden, wie Materialien für alle an Schule und Schulentwicklung Interessierte zusammengestellt, aufbereitet und im Sinne des Referenzrahmens kontextualisiert werden, um sie für Schulen nutzbar zu machen. So finden sich im Referenzrahmen thematische Anknüpfungspunkte u.a. in der Dimension 2.11 Ganztag und Übermittagsbetreuung als auch in der Dimension 4.1 Pädagogische Führung. Literatur: MSW (Hrsg.) (2015). Referenzrahmen Schulqualität NRW. Schule in NRW Nr. 9051. Düsseldorf. [www.schulentwicklung.nrw.de/referenzrahmen] www.schulentwicklung.nrw.de/online-unterstuetzungsportal

   

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Donnerstag 29.09.16 10.30-12h L1.201: Session 2.2 What works

How Does ‚What works‘ work? Aktuelle Schulgesetze im Blick Rahel Hünig In der Ausschreibung zur diesjährigen Herbsttagung der Kommission Bildungsplanung, Bildungsorganisation und Bildungsrecht (KBBB), ist im Zusammenhang der Reformen im Schul- und Bildungsbereich von einer Wiederannäherung im Verhältnis zwischen Erziehungswissenschaft und Politik die Rede. Ob als Dokument bereits vollzogener oder als Gegenstand künftiger Reformen verdienen m.E. in diesem Zusammenhang die aktuell geltenden Schulgesetze besondere Aufmerksamkeit. Sich heute Gestaltungsfragen des Bildungswesens zuzuwenden, ist zentral von einer aktuell ungelösten Problemlage des allgemeinbildenden staatlichen Schulwesens motiviert: Die nach dem „PISA-Schock“ 2001 – welcher nicht nur in pädagogischer und bildungssoziologischer Perspektive, sondern auch im öffentlichen Diskurs als neue deutsche Bildungskatastrophe deutlich wahrgenommen wurde (vgl. u.a. Gruschka 2015, S. 14; Löw und Geier 20143, S. 92) – in Gang gesetzten Bildungsreformen sollten dazu führen, dass die bestehenden Schulen in ihrer bisherigen institutionellen Form unter dem Paradigma größerer Selbstständigkeit effizienter arbeiten und durch eine Umstellung des bisherigen Unterrichtens auf Kompetenzorientierung mehr qualifizierten Schüler-Output als bislang liefern. Zugleich sollte unter dem Paradigma der Inklusion in den einzelnen Schulen die in den PISA-Studien ebenfalls monierte gravierende soziale Diskriminierung im Bildungswesen reduziert werden. Dies ist bislang nicht gelungen, wie bspw. der aktuelle Bildungsbericht 2014 hinsichtlich der „weiterhin (…) starken sozialen Ungleichheit bei der Bildungsbeteiligung“ (Bildungsbericht 2014, S. 6) belegt, durch welche „Schülerinnen und Schüler mit einem niedrigen soziökonomischen Status (…) erheblich seltener das Gymnasium“ besuchen „als diejenigen mit hohem soziökonomischen Status“ (ebd.). Das wird vor „dem Hintergrund der demografischen Perspektive, die eine bessere Entwicklung und Nutzung aller Bildungspotentiale dringend erforderlich macht“ (ebd., S. 11) hinsichtlich der „Bildungserträge“ (ebd., S. 8) als ökonomisches Problem des Arbeitsmarktes bzw. der Arbeitsmarktintegration perspektiviert (vgl. ebd., S. 8, S. 11-12). Der Bildungsbericht 2014 weist daher darauf hin, dass hinsichtlich der Tendenz zu einer „dysfunktionalen Konkurrenz um (…) zurückgehende Schulabsolventenzahlen zwischen den großen Ausbildungssektoren“ (ebd., S. 12), eine „Neubestimmung“ (ebd., S. 6) und „eine Verständigung (…) über das zukünftige Verhältnis der Schularten und Bildungsgänge des allgemeinbildenden Schulwesens“ (ebd., S. 11) nötig sei. Trotz des nun schon seit über 10 Jahren anhaltenden „Reformgewitters“ (Gruschka 2011, S. 7) werden aktuell also noch immer nahezu gleich lautende „Herausforderungen“ und „Handlungsbedarfe“ (Bildungsbericht 2014, S. 1-2) mit Blick auf nicht ausreichende „Bildungserträge“ des öffentlichen schulischen Bildungswesens als ökonomisches Problem des Arbeitsmarktes bzw. der Arbeitsmarktintegration festgestellt. Innerhalb der Erziehungswissenschaft gilt die Aufmerksamkeit dabei dem „Zusammenhang von Bildung und sozialer Ungleichheit“ (Helsper und Kramer 2007, S. 439; sowie u.a. Ditton 2010; Amos et al. 2011 u.a.). Vor dem Hintergrund, dass angenommen wird, dass auch die juridisch im Schulrecht fixierte normative Orientierung der Bildungsinstitution in der ausgeführten institutionellen Praxis Auswirkungen haben muss (vgl. Tenorth 2014, S. 20), sowie anknüpfend an das von Jeannette Böhme ausgewiesene Desiderat der schulpädagogischen Forschung, die „Rekonstruktion der Wechselwirkungsbeziehungen“ zwischen der Unterrichtspraxis an den „Einzelschulen“ mit den Rahmenbedingungen „des Schulsystems in seiner regionalen, landesspezifischen und nationalen Strukturiertheit“ (Böhme 2008, S. 141-142) künftig gezielt vorantreiben zu können, halte ich es für interessant, sich die Deutung des Bildungsauftrags im Text zweier aktueller Schulgesetze exemplarisch zu vergegenwärtigen, da diese ja den juridisch verbindlichen Rahmen bilden, der dafür sorgt, dass das, was offensichtlich nicht so funktioniert, wie es sollte, gleichwohl funktioniert. Forschungsgegenstand ist damit das die normativen Kriterien gebende „Bildungsprogramm“ des „institutionellen Akteurs ̀ Bildungswesen´“ (Fend 2008, S. 179) wie es in öffentlich zugänglichen Dokumenten u.a. von Schulgesetzen vorliegt. Da gemeinhin gilt, dass zu den Erfolgsaussichten eines Lösungsmodells zunächst die Qualität des zu lösenden Problems klar werden muss, halte ich es mit Blick auf die Tagungsausschreibung nicht für irrelevant, nach der Qualität dieser in den Schulgesetzen vorliegenden aktuellen Rahmenbedingung schulischen Handelns zu verstehen, biete ich an, Rekonstruktionsergebnisse aus meiner noch unveröffentlichten Dissertation vorzustellen. Literatur: Amos, Karin et al (Hrsg.): Öffentliche Erziehung revisited. Erziehung, Politik und Gesellschaft im Diskurs, Wiesbaden 2011. Böhme, Jeanette: Qualitative Schulforschung auf Konsolidierungskurs, in: Werner Helsper und Jeanette Böhme (Hrsg.): Handbuch der Schulforschung (2., durchgesehene und erweiterte Auflage), Wiesbaden 2008, 125-156. Ditton, Hartmut: Wie viel Ungleichheit durch Bildung verträgt eine Demokratie? In: Zeitschrift für Pädagogik 56 (2010) 1, S. 53-68. Fend, Helmut: Neue Theorie der Schule. Einführung in das Verstehen von Bildungssystemen, Wiesbaden 2008. Gruschka, Andreas: Der Bildungs-Rat der Gesellschaft für Bildung und Wissen e.V., Opladen, Berlin, Toronto 2015. Helsper, Werner und Rolf-Torsten Kramer: Selektion und Übergänge im Bildungssystem. Einleitung in den Thementeil, in: Zeitschrift für Pädagogik 53 (2007) 4, S. 439-443. Löw, Martina und Thomas Geier: Einführung in die Soziologie der Bildung und Erziehung, Opladen u.a. 2014. Tenorth, Heinz-Elmar: „Schulrecht" - eine erinnerungswürdige Tradition und die Perspektive ihrer Historiographie, in: Sabine Reh und Hans-Peter Füssel (Hrsg.): Recht und moderne Schule. Beiträge zu ihrer Geschichte, Bad Heilbrunn 2014. Quellen aus dem Internet: ARD 2014: „Handwerksbetriebe und Hochschulen beklagen gleichermaßen ein sinkendes Bildungsniveau der Schulabgänger.“ Aus dem Programmtext des Bayerischen Fernsehens vom 08.07.2014 zu der Sendung „Abschluss ja, Bildung nein: Wie schlecht sind Bayerns Schulen?“ moderiert von Rainer Maria Jilg, siehe: http://programm.ard.de/?sendung=2810712384815731, zuletzt abgerufen am 15.1.2016. Bildungsbericht 2014: http://www.bildungsbericht.de/daten2014/bb_2014.pdf, zuletzt abgerufen am 15.1.2016. Mannheimer Morgen 2011: „IHK prangert zu gut gemeinte Zeugnisnoten an“, in: der Mannheimer Morgen, vom 05.08.2011, http://www.morgenweb.de/region/mannheimer-morgen/metropolregion/ihk-

   

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Donnerstag 29.09.16 10.30-12h L1.201: Session 2.2 What works

Perspektiven auf die Nützlichkeit von ‚what works‘ Inka Bormann, Wolfgang Böttcher Stichworte: Nützlichkeit, Evidenz In dem Vortrag beschäftigen wir uns mit theoretischen Perspektiven auf die Frage nach der Nützlichkeit von „what works“. Ziel ist es, eine Diskussion anzustoßen, in der Fragen zu den Implikationen einer an evidenzbasierter Nützlichkeit ausgerichteten Forschung aufgeworfen und empirisch untersucht werden. Dazu werden im Vortrag zunächst aktuelle und für die Erziehungswissenschaft relevante Debatten zur Frage der Nützlichkeit wissenschaftlicher Evidenzen skizziert: Die einschlägigen Aktivitäten der OECD, neuere Veröffentlichungen der American Educational Research Association, Tagungsankündigungen u.a.m. sollen daraufhin befragt werden, ob bzw. inwiefern darin ein mangelnder Anwendungsbezug empirischer Forschung postuliert wird. Ein zweiter Argumentationsstrang wird diese Analyse aufnehmen und mit neueren Entwicklungen in der Erziehungswissenschaft verknüpfen. Denn spätestens mit der empirischen Wendung der Erziehungswissenschaft seit den 1990er Jahren sind ein Wachstum und eine Ausdifferenzierung der Erziehungswissenschaft zu beobachten, die von einer Annäherung von Bildungsforschung und Bildungspolitik begleitet wird. Der Analyse von Aljets (2015) zufolge führt diese Entwicklung zu einer Rollenhybridisierung der Bildungsforschung. Aus einer systemtheoretischen Sichtweise irritiert diese Annahme allerdings. Wie kann es sein, dass zwei mit so unterschiedlichen kommunikativen Codes operierende gesellschaftliche Teilsysteme wie Wissenschaft und Politik aneinanderrücken, wie es im Call for Papers heißt? Aljets‘ Antwort lautet: Funktionieren kann dies im Rahmen struktureller Kopplung, also der aufgrund ihrer informationellen Offenheit bestehenden, grundsätzlichen Fähigkeit von Systemen, sich irritieren zu lassen und diese Irritationen in kommunikativ anschlussfähige Informationen zu übersetzen. Daran schließen sich zwei Fragen an: Worin kann eine solche Irritation bestehen, und welche Implikationen hat sie? Im Vortrag möchten wir dazu der These nachgehen, dass eine produktive Irritation in eingangs skizzierten Forderungen nach evidenzbasierter, nützlicher Forschung zur Frage „what works (in what contexts)?“ besteht. Vor dem Hintergrund der grundlegenden Beobachtung einer Transformation des Verhältnisses von Bildungsforschung und Bildungspolitik befassen wir uns dann damit, wie bzw. in was eine anschlussfähige Information übersetzt werden kann und entfalten dazu die These, dass die Rede von der ‚evidenzbasierten Nützlichkeit‘ das Resultat solcher Irritations-, Übersetzungs- und der dabei stattfindenden Umdeutungsleis-tungen ist (Kaldewey 2013). Diese Rede kann gewissermaßen als generative Metapher verstanden werden (Schön 1995) – diese sind mehrdeutig und gerade deshalb kommunikativ anschlussfähig, sie deuten gleichermaßen Problemlagen vor wie sie auch deren Lösungen präformieren. Aber gleichzeitig eröffnen sich neue Fragen: In welchem System gelingt denn der kommunikative Anschluss der Forderung von evidenzbasierter Nützlichkeit auf welche Weise? Ist Nützlichkeit für bildungspolitische Akteure etwas Ähnliches wie für Akteure aus der Bildungspraxis? Und was bedeuten unterschiedliche Vorstellungen von evidenzbasierter Nützlichkeit für Akteure in der Bildungsforschung? Statt empirisch fundierte Antworten auf diese (und weitere) Fragen zu geben, möchten wir den Vortrag nutzen, um Fragen aufzuwerfen und darüber mögliche Konturen für nützliche Forschung zu entwickeln. Literatur Aljets, E. (2015). Der Aufstieg der Empirischen Bildungsforschung. Wiesbaden: SpringerVS. Kaldewey, D. (2013). Nützlichkeit und Wahrheit. Selbstbeschreibungen der Wissenschaft zwischen Autonomie und gesellschaftlicher Relevanz. Bielefeld: transcript. Schön, D.S. (1995). Generative metaphor. A perspective on problem-setting in social policy. In A. Ortony (ed.), Metaphor and thought (pp. 137-163). Cambridge: Cambridge University Press.

   

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Donnerstag 29.09.16 10.30-12h L1.201: Session 2.2 What works

Umfang und Merkmale empirischer Studien an Hamburger Schulen Detlef Fickermann Stichworte: Empirische Untersuchung, Hamburg, Schulen, Untersuchungsart, methodischer Zugang Für empirische Untersuchungen an Hamburger Schulen muss eine Genehmigung beantragt werden. Pro Jahr werden ca. solcher Anträge gestellt, der überwiegende Teil der beantragten Erhebungen wird genehmigt. In dem Beitrag werden die Ergebnisse einer Umfrage bei den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vorgestellt, die in den Jahren 2013 bis 2015 eine solche Genehmigung erhalten haben. Dargestellt werden die Art der Untersuchungen (Qualifikationsarbeit, Dissertation, Forschungsprojekt, Evaluation, ...), die Art der Finanzierung (Drittmittel, Eigenfinanzierung, Auftragsforschung), die methodischen Zugänge und die eingesetzten Instrumente. Ferner wird berichtet, wie viele Schulen bzw. Klassen jeweils beteiligt waren. Die Ergebnisse werden zusätzlich verglichen mit einer ähnlichen Erhebung für die Jahre 2010 bis 2012 (vgl. Doll/Fickermann, 2014). Bei der aktuellen Umfrage wurden die Leiterinnen und Leiter der genehmigten Erhebungen zusätzlich zu ihren Erfahrungen beim Feldzugang befragt, um zwei immer wieder geäußerte Thesen einer ersten empirischen Überprüfung unterziehen zu können: Bildungsforscherinnen und Bildungsforscher äußern sich zunehmend häufiger, der Feldzugang gestalte sich immer schwieriger. Gleichzeitig klagen die Schulen, sie seinen überforscht und hätten kaum noch Kapazitäten, um sich an empirischen Untersuchungen beteiligen zu können. ´ Literatur: Doll, J. & ann, D. (2014) Umfang und Merkmale empirischer Untersuchungen an Hamburger Schulen. In: D. Fickermann & N. Maritzen (Hrsg.) Grundlagen für eine daten- und theoriegestützte Schulentwicklung. Konzeption und Anspruch des Hamburger Instituts für Bildungsmonitorring und Qualitätsentwicklung (IfBQ). HANSE – Hamburger Schriften zur Qualität im Bildungswesen, Band 13. Münster u.a.: Waxmann

   

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Donnerstag 29.09.16 10.30-12h L2.202: Session 2.3 Akteure im bildungspolitischen Feld

Stiftungen im Bildungsbereich und ihre Vorstellungen von guter Bildung Inka Bormann, Nina Kolleck Stichworte: Stiftungen, Innovation, Bildung Der Vortrag befasst sich mit dem Einfluss nicht-staatlicher Akteure auf Reformen im Bildungsbereich sowie dem Stiftungen zugrunde liegenden Bildungsverständnis. Er basiert auf einer diskursanalytisch fundierten sowie feldtheoretisch gerahmten Untersuchung jener programmatischer Aussagen von parteipolitisch unabhängigen Stiftungen bürgerlichen Rechts, mit denen diese ihr Engagement im Bildungsbereich begründen. Im Zentrum des Beitrags stehen zwei Fragen: Mit welchen (argumentativen) Mitteln legitimieren Stiftungen ihr Handeln im Bildungsbereich? Inwiefern versuchen sie damit, an einer funktionalen Umdeutung von Bildung teilzunehmen? Dabei weisen unsere Analysen darauf hin, dass das Verhältnis von Stiftungen zu Bildungspolitik und Bildungsforschung eine entscheidende Rolle im Hinblick auf die Legitimation von Stiftungshandeln im Bildungsbereich spielt. Der Einfluss von Stiftungen im Bildungsbereich kann insofern als eine Nebenwirkung der Delegation von Verantwortung diskutiert werden. Stiftungen haben ihr Engagement im Bildungsbereich in den vergangenen Jahren durch ihre Finanzierung von operativen Vorhaben und durch Projektförderung stetig erweitert. Ihre Aktivitäten finden in einer Zeit statt, in der staatliche Regulierung (z.B. im Rahmen outputorientierter Steuerung) und De-Regulierung (z.B. erleichterte Zulassung von Schulbüchern) parallel erfolgen und in der nicht-staatliche Akteure mehr Möglichkeiten haben als neue Akteure, im Bildungsbereich einflussreiche Plätze - z.B. bei der Kommunikation der Vorstellungen „guter“ Bildung - einzunehmen. Der Beitrag gliedert sich in die folgenden Blöcke: (1) Zunächst wird erläutert, welche Stiftungen im Bildungsbereich auf welche Weise tätig sind und wie finanzkräftig diese sind. (2) Anschließend wird die These entfaltet, nach der Stiftungen durch ihr Engagement an einer funktionalen Umdeutung von Bildung beteiligt sind bzw. sich diese zunutze machen. Um diese These zu fundieren, werden zunächst der theoretische Zugang zur Analyse und die strukturelle, die relationale und die diskursive Dimension von Stiftungshandeln erläutert; ausführlicher wird dabei auf die diskursive Dimension eingegangen. (3) Schließlich wird anhand der systematischen Analyse der Selbstbeschreibungen ausgewählter Stiftungen erörtert, mit welchen argumentativen Strategien diese ihr Engagement im Bildungsbereich begründen. Dabei zeigt sich, dass Stiftungen zum einen ihr Engagement durchaus nicht als selbstverständlich deklarieren, sondern es explizit legitimieren und zwar in Abgrenzung zu anderen im Bildungsbereich wirkenden Akteuren, wie insbesondere Akteuren aus Bildungsforschung und Bildungspolitik. Ihren Einsatz rahmen Stiftungen in diesem Zusammenhang oftmals mit einer Krisenmetaphorik, die eine besondere Dringlichkeit engagierten Handelns nicht-staatlicher Akteure für die Reform des Bildungssystems suggeriert. Umgekehrt versuchen Stiftungen ihr Handeln gesellschaftspolitisch zu rahmen, indem sie proklamieren, gesellschaftlich erwünschte Ziele im Bildungsbereich umzusetzen, wobei sie sich als besonders kompetente Akteure im Bildungsbereich darstellen. (4) In der abschließenden Diskussion wird erörtert, dass und inwiefern Stiftungen hinsichtlich ihres Engagements im Bildungsbereich keineswegs neutral sind, sondern vielfach Unternehmensinteressen oder einem an rationalistischen Werten orientiertem Bildungsverständnis folgen und dadurch mit zu einer funktionalen Umdeutung von Bildung beitragen. Literatur Kolleck, N., Bormann, I. & Höhne, T. (2015). Zum Innovations- und Bildungsverständnis von Stiftungen. Zeitschrift für Pädagogik, 61 (6), 793-807. Lukes, S. (2005, 2nd ed.). Power. A Radical View. London: Palgrave.

   

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Donnerstag 29.09.16 10.30-12h L2.202: Session 2.3 Akteure im bildungspolitischen Feld

Transfer zwischen Bildungsforschung und Bildungspolitik und -administration: die europäische Dimension und Diskussion Sieglinde Jornitz , Annika Wilmers Stichworte: Europäische Union; Evidenzbasierung; Nationalstaaten; Deutschland, Niederlande, Vereinigtes Königreich; Bildungspolitik Der Vortrag wird sich mit der europäischen Dimension der Evidenzbasierung auseinandersetzen, um von dort aus die nationalen Lösungen an ausgewählten EU-Länderbeispielen zu erläutern. Dabei steht im Vordergrund zu klären, inwieweit die Europäische Kommission als politischer Akteur auch in den nationalen Bildungssystemen eine Rolle übernimmt, ohne von rechtsstaatlicher Seite mit den entsprechenden Kompetenzen ausgestattet zu sein. Gezeigt werden soll anhand von Fallbeispielen, wie das EU-Modell eines evidence-informed policymaking in education (EC 2007) von den Mitgliedstaaten aufgenommen und umgesetzt, aber auch je anders akzentuiert wird (Parreira do Ameral 2015, 2016). Die Analyse schließt sich der Diskussion um educational governance im Hinblick darauf an, zu klären, welche Rolle die EU beim Aufbau von nationalen Strukturen des knowledge transfers zwischen Bildungsforschung und Bildungspolitik einnimmt, wie sie dies stützt und mit welchen Schwierigkeiten der Autorisierung und damit Legitimierung dies behaftet ist (Fulge et al. 2016). Deutschland hat in seiner EU-Ratspräsidentschaft 2007 dem Thema der Evidenzbasierung in der Bildungspolitik einen prominenten Platz eingeräumt, indem das BMBF eine Tagung zu diesem Thema ausrichtete (BMBF 2008). Dies war der Tatsache geschuldet, dass die Europäische Kommission auch im Bildungsbereich anfing, ihre Dokumente und Expertisen nicht mehr nur mit hauseigenen Referenzen auszuzeichnen, sondern dezidiert dazu aufforderte, die EU-eigene Politik unter Rückgriff auf gesichertes und das heißt: durch wissenschaftlich erstelltes Wissen zu begründen (EC 2007, CERI 2007). Als Folge hieraus entstand auf europäischer Ebene ein Netzwerk aus Institutionen der Bildungsforschung und Bildungspolitik, welches sich der Verbreitung der Idee eines evidence-informed policymaking in education verschrieb (Gough et al. 2011) und über mehrere Jahre von der Europäischen Kommission gefördert wurde. Hierfür wurden europaweit Stakeholder aus Erziehungswissenschaft / Bildungsforschung und Bildungspolitik zusammengebracht, um auf europäischer Ebene einen Ideenfluss und eine Diskussionsbasis zu schaffen. Von Beginn an wurde das EU-Netzwerk EIPPEE (evidence informed policy and practice in education in Europe) nicht unter der Maßgabe der Durchsetzung eines bestimmten Forschungsparadigmas geführt, sondern unter der Maßgabe der Zugänglichkeit von Studien und best practice-Beispielen für eine Evidenz der jeweiligen Handlungsentscheidungen im Bildungsbereich. Damit unterscheidet sich diese Diskussion auch von derjenigen, wie sie in Deutschland geführt wurde (Jornitz 2008/2009, Forster 2014, auch Dedering 2016). Das Wechselspiel von EU-Ebene und nationaler Ebene bildet den Kern des Vortrags. Es geht um die Frage, in welcher Beziehung die je nationale und die europäische Diskussion um Evidenzbasierung der Bildungspolitik stehen. Im Vortrag wird dazu zunächst die europäische Diskussion anhand verschiedener europäischer Netzwerke, wie bspw. das EIPPEE-Netzwerk oder die Campbell Collaboration, dargestellt, um von dort aus spezifische nationale Diskussionen und Umsetzungen nachzuzeichnen, beispielsweise aus Deutschland, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich, weil sie je anders auf die EU-Diskussion reagiert haben Die Einreichenden hoffen, mit diesem Vortragsvorschlag das Tagungsthema um eine europäische Dimension ergänzen zu können.

   

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Donnerstag 29.09.16 10.30-12h L2.202: Session 2.3 Akteure im bildungspolitischen Feld

Zum Verhältnis von Bildungspolitik, Bildungsverwaltung und Bildungsforschung im Kontext der Etablierung regionaler Bildungslandschaften Nina Kolleck, Angelika Rieck, Zola Kappauf Stichworte: Bildungsreformen, regionale Bildungslandschaften, Bildungsgerechtigkeit, Mixed Methods 

Der Beitrag diskutiert die sozialen Beziehungen zwischen Bildungspolitik, Bildungsverwaltung und Bildungsforschung im Zuge der Etablierung regionaler Bildungslandschaften. Im Mittelpunkt steht die Beantwortung der Fragen, was Bildungsakteure dazu bewegt, sich an Kooperationsvorhaben unter Einbezug der unterschiedlichen Akteursgruppen zu beteiligen und inwiefern die zu Beginn einer Bildungsinitiative vereinbarten Ziele auch nach einigen Jahren des Bestehens einer Bildungsinitiative noch verfolgt werden. Nicht zuletzt hängt der Erfolg komplexer bildungspolitischer Initiativen wie bspw. regionalen Bildungslandschaften maßgeblich davon ab, inwiefern es den involvierten Akteuren gelingt, Komplexität zu reduzieren und einheitliche Ziele zu entwickeln. Die gemeinsame Zielentwicklung kann jedoch durch unterschiedliche Präferenzen der Akteure erschwert werden. Angesichts der vergleichsweise großen Heterogenität der in Bildungslandschaften involvierten Akteure, bspw. bezüglich ihres Tätigkeitsfeldes (z.B. frühkindliche Bildung, Schule, Hochschule, Verwaltung, Politik, Stiftungen), kann vermutet werden, dass die angestrebten Ziele zwischen unterschiedlichen Akteursgruppen selbst längere Zeit nach der Implementierung der Initiative noch beträchtlich variieren. Präsentiert werden erste theoretisch geleitete empirische Ergebnisse aus der wissenschaftlichen Begleitung der Bildungsinitiative „RuhrFutur“. Die Bildungsinitiative RuhrFutur wurde gemeinsam von der Stiftung Mercator sowie dem Land NRW entwickelt, um das Bildungssystem im Ruhrgebiet auf seinem Weg hin zu mehr Bildungsgerechtigkeit zu unterstützen. Dabei sollen insbesondere Kooperationen zwischen Bildungsakteuren von frühkindlichen bis zum hochschulischen Bereich und der Bildungsverwaltung sowie –politik gestärkt werden. Während der Einfluss von Vertrauen und sozialen Beziehungen auf schulische Kooperationen bereits aufgezeigt wurde (Katz & Earl 2010, Tschannen‐Moran 2001), berücksichtigt der vorliegende Beitrag die Zusammenarbeit von formalen und nonformalen Bildungsakteuren mit Bildungsforschung, Kommunalverwaltung und Bildungspolitik. Auf der theoretischen Ebene greift der Beitrag in einem ersten Schritt auf erwartungswerttheoretische Überlegungen zurück. Auf der Basis rationalistischer Erwägungen werden insbesondere die subjektiven Einschätzungen des Nutzens sowie die Kosten und Erfolgswahrscheinlichkeiten bei der Entscheidung für die Beteiligung an RuhrFutur in den Mittelpunkt gerückt. Hier wird jedoch davon ausgegangen, dass anhand eines Rational-Choice-Ansatzes die tatsächlichen Beweggründe für die Beteiligung an RuhrFutur nur unzureichend erfasst werden können. Vor diesem Hintergrund kombiniert der Beitrag die erwartungswerttheoretischen Überlegungen mithilfe netzwerktheoretischer Ansätze, nach denen die Struktur sowie die Eigenschaften des Umfeldes eines Akteurs zentral zu berücksichtigen sind. Basierend auf dem Begriff des Sozialkapitals gelingt es netzwerktheoretischen Ansätzen, die Wechselwirkungen zwischen Akteuren und Strukturen zu erfassen und dabei die reziproken Interpretations- und Konstruktionsprozesse sowie die sich aus strukturellen Positionen ergebenden individuellen Handlungsoptionen miteinzubeziehen. Auf der methodischen Ebene wird sowohl auf quantitative als auch auf qualitative Verfahren zurückgegriffen. Implementiert wird ein „sequential mixed design“ (Onwuegbuzie & Johnson 2006). Daten, die in einer Phase des Projektes gesammelt wurden, dienen als Grundlage für weitere, konsekutive Phasen. Für die Datenerhebung greifen wir auf Methoden der Netzwerkanalyse sowie auf qualitative Interviews und Netzwerkkarten zurück. Darüber hinaus werden Fragen nach den Zielen der involvierten Akteure, der Motivation zur Mitwirkung an RuhrFutur sowie den Vertrauensbeziehungen gestellt. Die Erhebung von Vertrauen erfolgt u.a. auf der Basis erprobter Skalen zur Messung des generalisierten und relationalen Vertrauens (u.a. Beierlein et al. 2014; Yamagishi & Sato 1986). Für die quantitative Datenanalyse werden sowohl Verfahren der Gesamtnetzwerkanalyse als auch traditionelle statistische Verfahren eingesetzt. Qualitative Daten werden anhand der Grounded Theory analysiert, um die Tiefenstrukturen des Vertrauens und der Motivation der an RuhrFutur beteiligten Akteure zu eruieren und die den Beziehungsstrukturen zugrunde liegenden Wahrnehmungen zu ergründen. Erste Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass etwa vier Jahre nach Aufnahme der operativen Arbeit der Initiative sowohl akteursbezogene Merkmale (z.B. hauptberuflicher Tätigkeitsbereich) als auch Merkmale der sozialen Beziehungen (z.B. die Anzahl von Personen mit denen zusammengearbeitet wurde) mit den angestrebten Zielen signifikant in Zusammenhang stehen. Rationalistische Modelle erklären die Etablierung von Bildungslandschaften sowie Kooperationen zwischen Bildungsforschung, Bildungspolitik und Bildungsverwaltung nur unzureichend, da soziale Beziehungen und interpersonelles Vertrauen eine zentrale Bedeutung bei der Etablierung der Bildungsinitiative spielen. Literatur: Beierlein, C., Kemper, C., Kovaleva, A., J. & Rammstedt, B. (2014). Interpersonales Vertrauen (KUSIV3). In D. Danner & A. Glöckner-Rist (Eds.), Zusammenstellung sozialwissenschaftlicher Items und Skalen. doi:10.6102/zis37 Bien, W. (1983): Die Erfassung von kognitiven sozialen Strukturen: Ein Vergleich von Erhebungsverfahren. Zeitschrift für Sozialpsychologie 14, 34-43. Bourdieu, P. (1983): Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital, in: Kreckel, R. (Ed.): Soziale Ungleichheiten. Soziale Welt: Sonderband 2. Göttingen: Schwartz, pp. 183-198. Coleman, J. S. (1958): Relational Analysis. The Study of Social Organizations with Survey Methods. Human Organization 17, 28-36. Creswell, J. W. (2008). Research design: Qualitative, quantitative, and mixed methods approaches (3rd ed.). Thousand Oaks, CA: Sage. Katz, S., & Earl, L. (2010). Learning about networked learning communities. School Effectiveness and School Improvement, 21(1), 27–51. Kramer, R. M. (1999). Trust and distrust in organizations: Emerging perspectives, enduring questions. Annual Review of Psychology, 50, 569-598. Onwuegbuzie, A. J., & Johnson, R. B. (2006). The Validity Issue in Mixed Research. Research in the Schools, 13(1), 48–63. 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12.00 – 12.45 Mittagspause (Stehcafé mit Imbiss im Foyer des Gebäudes L)

Donnerstag 29.09.16 12.45-14.15h L1.202: Session 3.1 Schulqualität, Standards und externe Evaluationen

Implementation von Schulqualität? - Governanceanalytische Studien zum Orientierungsrahmen Schulqualität in Niedersachsen Beate Kasper Stichworte: Paradigmenwechsel, Neue Steuerung, Orientierungsrahmen - Schulqualität, Behauptung Der Beitrag nimmt Bezug auf Forschungsergebnisse einer noch unveröffentlichten Dissertationsschrift mit dem Thema: "Implementation von Schulqualität? - Governanceanalytische Studien zum Orientierungsrahmen Schulqualität in Niedersachsen" Es wurden folgende Fragestellungen untersucht: 1. Welche Interdependenzen zwischen einer Verbesserung der Schulqualität und der Implementation des Instrumentes Orientierungsrahmen lassen sich feststellen? 2. Lässt sich mit der Governance-Analyse abbilden, welche Akteure in welcher Weise am Prozess der Verbesserung von Schulqualität beteiligt sind bzw. waren? Die oben genannte Dissertationsschrift hat sowohl das Instrument Orientierungsrahmen als auch die Erwartungen der Akteure (Bildungspolitik, Bildungsadministration, Bildungsforschung) in Bezug auf die Implementation im Mehrebenensystem von Schule erforscht. Da die Thematik bisher wissenschaftlich nicht bearbeitet ist, wurden interdisziplinäre Verfahrensweisen und theoretische Zugänge angewendet. Auf der Basis von sprachanalytische Untersuchungen (vgl. Searle 2013) des Gegenstandes Orientierungsrahmen im Kontext von Verfahrensweisen des Qualitätsmanagements erfolgte eine Auswertung von quantitativ und qualitativ erhobenen Datenmaterialien in zwei Sekundärstudien. Als Methode für das quantitativ erhobene Datenmaterial wurde eine deskriptive Auswertung gewählt, die sich an der Vorlage der Primärstudie orientierte. Während für die zweite Sekundärstudie die qualitative Inhaltsanalyse zur Auswertung von Interviews mit Schulleitungen und Lehrkräften durchgeführt wurde. Die anschließende Einordnung der Ergebnisse mit den Methoden einer Governance-Analyse ermöglichte eine Zuordnung koordinierter Handlungen in der Akteurskonstellation im Mehrebenensystem von Schule im Prozess der Implementation des Instrumentes Orientierungsrahmen Schulqualität in einem Bundesland. Die Studie verdeutlicht, dass sich intendierte Erwartungen der Administration im Hinblick auf die Einführung des Instrumentes auf der Mesoebene von Schule zu erfüllen scheinen, aber die Mikroebene von Schule nicht erreichen. Die Ergebnisse zeigen eine Konstellation der Akteure, die darauf schließen lässt, dass alle Akteure ihren eigenen Interessen nachgehen, ohne tradierte Muster zu verlassen. Der Orientierungsrahmen Schulqualität als Instrument eines Qualitätsmanagement verfehlt insofern seine Wirkung zur Verbesserung der Qualität von Schule, insbesondere von Unterrichtsqualität beizutragen. Der Paradigmenwechsel von der Input - zur Outputsteuerung findet im Modus der Behauptung statt. Literaturangaben: Altrichter, H./Maag Merki, K. (Hrsg.) (2010): Handbuch Neue Steuerung im Schulsystem. Wiesbaden : VS Verlag Heinrich, M. (2007): Governance in der Schulentwicklung. Wiesbaden : VS Verlag Searle, J. (2013): Sprechakte. Frankfurt/M. : Suhrkamp

   

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Bildungsstandards in der Grundschule. Rezeption und Impulse für Schul- und Unterrichtsentwicklung. Manuela Gamsjäger, Regina Steiner, Herbert Altrichter, Christine Plaimauer, Eva Prammer-Semmler Stichworte: Bildungsstandards, Rekontextualisierung, Schulentwicklung, Unterrichtsentwicklung, Grundschule In Österreich wurden 2008 Bildungsstandards im Rahmen einer neuen Schulsteuerung als Element einer evidenzbasierten Bildungspolitik eingeführt und seit 2012 durch nationale Lernstandserhebungen und Datenfeedback evaluiert (Altrichter & Kanape-Willingshofer 2012), um – in der Vorstellung des „neuen Steuerungsmodells“ – „Schule“ durch evidenzbasierte Datenrückmeldung an schulische Akteure zu verändern. Übergeordnete Erwartung dieser Outputsteuerung ist die Ausrichtung der Einzelschule und ihrer Akteure auf die Ziele der Bildungsstandards. Diese sollen durch rationale Rückmeldungen zielgerichtet und schnell erreicht werden. Die Bildungsstandards-Politik verbindet damit die Hoffnung, dass durch außerschulische Inputs (Implementierungsmaßnahmen und Datenfeedback) die schulische Arbeit und demzufolge der schulische Output – Vermittlung grundlegender Kompetenzen – verbessert wird (vgl. Altrichter, 2016, S. 222). Für die Bildungsstandards wird daher als grundlegendes Ziel formuliert „im österreichischen Schulsystem mehr Verbindlichkeit anzustreben und grundlegende Kompetenzen bei allen Schülerinnen und Schülern sicherzustellen“ (Bifie, 15.06.2016). Durch die Implementation des „Struktur-Angebots“ (Fend, 2010) wird eine Veränderung des Systems angestrebt. Dazu zählen i) ausformulierte Bildungsstandards bzw. zu erreichende Kompetenzen, ii) begleitende Unterstützungsmaßnahmen, iii) zentrale Lernstandserhebungen aller Schüler/innen der 4. und 8. Schulstufe in Mathematik und Deutsch und iv) die Rückmeldung dieser Ergebnisse (in tlw. aggregierter Form). Im Sinne der Governance-Forschung wird dieses Struktur-Angebot durch verschiedene Prozesse und Handlungskoordinationen der Akteure im Bildungssystem rezipiert und transformiert. In Bezug auf die Einführung der Bildungsstandards-Politik stellt sich nun die Frage, in welcher Weise die schulischen Akteure diese Bildungsstandards-Politik rezipieren und ob die Umsetzung die gewünschten Impulse hinsichtlich Schul- und Unterrichtsentwicklung zu setzen vermag. Für die Analyse der Rezeption und der Wirkungen der Bildungsstandards wurde die Analyse von Ehren et al. (2013) für sechs europäische Schulinspektionssystems als Ausgangspunkt gewählt. Auf der Basis einer Dokumentenanalyse von Schulinspektionssystemen kommen die Autor/innen zum Schluss, dass es länderübergreifend drei zentrale Mechanismen von Schulinspektionen gibt, mit denen produktive Schulentwicklung angestoßen werden soll, die auch allgemeiner als Wirkungselemente einer evidenzbasierten Bildungsreform überprüfenswert sind: i) setting expectations, ii) accepting feedback, iii) involving stakeholders. Der Beitrag geht diesen Fragen mittels qualitativer Inhaltsanalyse (Mayring, 2007) dreier Einzelfallstudien nach. Im Zeitraum von 2013 bis 2016 wurden dazu in drei Grundschulen im Raum Oberösterreich zu drei Erhebungszeitpunkten (vor der Testung, nach der Testung, ein Jahr nach Veröffentlichung der Ergebnisse) qualitative Interviews von Schulleiterinnen, Lehrpersonen, Eltern und Schüler/innen durchgeführt. Für jede Schule wurde eine Einzelfallstudie erstellt und anschließend eine Cross Case Analyse durchgeführt, um die Rexontextualisierung (Fend, 2006) der Bildungsstandards-Politik in Grundschulen und die Wirkungen der Reform zu untersuchen. Die vorgestellten Ergebnisse fokussieren im Sinne des „setting expectations“ (ad i) das Verständnis von Bildungsstandards und welche Orientierung die formulierten Lernergebnisse geben und welche Impulse für Schul- und Unterrichtsentwicklung die durch die Bildungspolitik gesetzten Erwartungen vor der Testung haben. Weiter wird die Nutzung und Rezeption des Datenfeedbacks (ad ii) nach der ersten Testung fokussiert und (ad iii) ob die Akteure der Einzelschule durch die Bildungsstandards animiert werden, Schule und Unterricht zur Weiterentwicklung zu bewegen. Dazu werden in einem ersten Schritt theoretische Überlegungen aus der Perspektive der Governanceforschung zur Wirkungsmechanismen evidenzbasierter Bildungsreformen sowie zu den Zielen und Maßnahmen der Bildungsstandards-Politik vorgestellt. Nach der Darlegung des methodischen Vorgehens und Beschreibung der drei Einzelschulen werden die empirischen Ergebnisse mittels der drei zentralen von Ehren et al. (2013) vorgestellten Mechanismen, mit denen produktive Schulentwicklung angestoßen werden soll, präsentiert. Literatur Altrichter, H. & Kanape-Willingshofer, A. (2012). Bildungsstandards und externe Überprüfung von Schülerkompetenzen: Mögliche Beiträge externer Messungen zur Erreichung der Qualitätsziele der Schule. In B. Herzog-Punzenberger (Hrsg.), Nationaler Bildungsbericht 2012 (S. 22-61). Leykam: Graz. Altrichter, H. & Maag Merki, K. (2016). Steuerung der Entwicklung des Schulwesens. In H. Altrichter & K. Maag Merki (Hrsg.), Handbuch Neue Steuerung im Schulsystem (S. 1-27). Wiesbaden: Springer VS. Bifie. (06. Mai 2016). Bildungsstandards. BIFIE – Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation & Entwicklung des österreichischen Schulwesens. Zugriff am 06. Mai 2016 unter https://www.bifie.at/bildungsstandards Fend, H. (2006). Neue Theorie der Schule. Einführung in das Verstehen von Bildungssystemen. VS: Wiesbaden. Ehren, M.C.M., Altrichter, H., McNamara, G. & O’Hara, J. (2013). Impact of school inspections on teaching and learning – describing assumptions on causal mechanisms in six European countries. Educational Assessment, Evaluation and Accountability 25, 1, 3-43.

   

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Donnerstag 29.09.16 12.45-14.15h L1.202: Session 3.1 Schulqualität, Standards und externe Evaluationen

Lernstandserhebungen – Kommunikationsanlass oder Ärgernis? Das Beispiel KERMIT Markus Lücken, Franziska Thonke, Tobias Brändle Stichworte: Lernstandserhebungen, datengestützte Schul- und Unterrichtsentwicklung Lernstandserhebungen sind immer wieder Gegenstand von Kritik oder kritischer Berichterstattung. Wahlweise stehen dabei die Unverhältnismäßigkeit der Aufgaben, die „Testeritis“, das vermeintlich schwache Abschneiden von Schülerinnen und Schülern oder die Mängel des Schulsystems im Zentrum. Fraglich ist in diesem Zusammenhang auch, inwiefern Lernstandserhebungen zu Verbesserungen im Bildungswesen oder zu einer Intensivierung des Dialogs zwischen verschiedenen Akteuren beitragen (können). Auf Basis der KERMIT-Erhebung werden wir im Vortrag aufzeigen, inwieweit Rückmeldungen zu einer Lernstandserhebung gleichzeitig Gegenstand von Kritik wie auch Kommunikationsanlass sein können. Bei KERMIT (Kompetenzen ermitteln) handelt es sich um eine Untersuchung zur regelhaften Erfassung der Leistungen und Leistungsentwicklungen aller Hamburger Schülerinnen und Schüler in der Grundschule und in der Sekundarstufe I der weiterführenden Schulen. Getestet wird in den Klassenstufen 2, 3, 5, 7, 8 und 9 (nur Gymnasien) bzw. 10 (nur Stadtteilschulen). In der Grundschule werden die Leistungen in den Bereichen Deutsch (Leseverstehen) und Mathematik erfasst. In der weiterführenden Schule kommen die Kompetenzbereiche Englisch (Hör- bzw. Leseverstehen) und die Naturwissenschaften hinzu. In diesem Verfahren gehen die bundesweiten Vergleichsarbeiten für die Jahrgänge 3 und 8 auf. Primäres Ziel ist es, die Schulen in ihrer Schul- und Unterrichtsentwicklung zu unterstützen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Testentwicklung und die damit verbundene Kompetenzmodellierungen aktuellen wissenschaftlichen Verfahren und Erkenntnissen folgen. Im Anschluss müssen die Ergebnisse für die verschiedenen Adressatengruppen so aufbereitet werden, dass die Adressaten in die Lage versetzt werden, daraus Erkenntnisse für die Schul- und Unterrichtsentwicklung abzuleiten. Die Ergebnisrückmeldungen für die Schulen bieten Anlass für eine schulinterne Kommunikation. In der gemeinsamen Ergebnisreflexion im Kollegium werden mögliche Ursachen für Leistungsunterschiede identifiziert, diskutiert sowie konkrete Ziele und Maßnahmen für die weitere Schul- und vor allem Unterrichtsplanung besprochen. So entsteht an den Schulen im Idealfall ein rekursiver Qualitätszyklus einer internen Evaluation, bei dem die Schulen von Kolleginnen und Kollegen des KERMIT-Teams und des Landesinstituts unterstützt werden. Die Ergebnisse von KERMIT werden zusätzlich außerhalb der Schulen in einem externen Qualitätszyklus genutzt. KERMIT ist Gegenstand im Amt für Bildung, indem die Schulaufsichtsbeamten über die Ergebnisse informiert werden und mit den Schulen regelhaft über ihre Ergebnisse reflektieren. Darüber hinaus kann die Behördenleitung die Ergebnisse im Zuge eines Systemmonitorings zur Steuerung im Bildungsbereich verwenden. Das Verfahren KERMIT steht damit in einem Spannungsfeld zwischen psychometrischen, schulischen, und politischen Anforderungen. Zur eigenen Qualitätssicherung des Instruments KERMIT werden die Erhebungen von einer Onlinebefragung flankiert. Dabei werden die Kollegien an den Schulen um eine Rückmeldung zur Erhebung und zur Nutzung der Ergebnisrückmeldungen zur datengestützten Schul- und Unterrichtsentwicklung gebeten. Mittlerweile liegen Daten von acht Online-Befragungen mit insgesamt knapp 1000 Befragten vor. Auf Basis dieser Online-Befragungen werden wir der Frage nachgehen, inwiefern KERMIT eher ein Kommunikationsanlass oder ein Ärgernis ist. Die Ergebnisse dieser Befragungen zeigen, dass die Rückmeldungen von den Befragten zwar verstanden und in Ansätzen auch im Kollegium diskutiert werden, doch die verschiedenen Akteure noch zu wenig voneinander wissen, um gemeinsam konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Schul- und Unterrichtsqualität zu planen und umzusetzen. Zum Abschluss des Vortrags werden Maßnahmen vorgestellt, die flankierend zu KERMIT aufgebaut werden, um den Dialog zwischen den verschiedenen Akteuren innerhalb und außerhalb der Schulen zu stärken.

   

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Anerkennung als Gesundheitsressource?! Lehrkräfte zwischen Würdigung und Gratifikationsdefiziten Sebastian Meißner, Sascha Roth, Nils Berkemeyer Stichworte: Anerkennung, Lehrergesundheit, Gratifikationsdefizite im Lehrerberuf Die Gesundheit von Lehrkräften, ihre Leistungsfähigkeit, Arbeitssituation sowie ihre Belastungen und Beanspruchungen sind seit den alarmierend hohen Raten krankheitsbedingter Frühpensionierungen zu Beginn der 1990er Jahre wieder verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit und Forschung zum Lehrerberuf gerückt (Lehr, 2014). In der aktuellen Diskussion um die Zusammenhänge zwischen Arbeit und Gesundheit im Lehrerberuf kommt dem Modell beruflicher Gratifikationskrisen (Siegrist, 1996, 2009) eine zunehmende Bedeutung zu. Stress resultiert demnach aus einer Imbalance zwischen arbeitsbezogenen Verausgabungen und den dafür erhaltenen Erträgen, d.h. einer Verletzung der dem Arbeitsverhältnis zugrundeliegenden Reziprozitätsnorm. Neben Arbeitsplatzsicherheit, beruflichen Aufstiegen oder dem Gehalt, umfassen berufliche Gratifikationen auch die Dimension sozialer Anerkennung. Anhaltende Ungleichgewichte führen nicht nur zu chronischem Dauerstress, sondern erhöhen langfristig auch die Wahrscheinlichkeit des Auftretens psychischer und physischer Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Störungen, Despressionen oder Typ-II-Diabetes (Hillert et al., 2012; Siegrist, 2009). Studien zur Lehrergesundheit (Hillert et al., 2012; Lehr, Hillert, & Keller, 2009; Rothland, 2013) verweisen darauf, dass die einzelnen Gratifikationsarten hinsichtlich ihrer subjektiven Bedeutsamkeit unterschiedlich gewichtet werden. Da die Spielräume für berufliche Aufstiege und Gehaltssteigerungen im deutschen Schulsystem nur begrenzt möglich sind, stellt Anerkennung, in Form sozialer Wertschätzung, insbesondere durch die Schulleitung und KollegInnen – und in bisher ungeklärtem Maße für SchülerInnen – für Lehrkräfte die wichtigste Belohnungsform dar (Lehr et al. 2009, S. 382). Zusätzlich zu einem positiven Selbstwertgefühl, kann die Anerkennung durch eben diese Personen nicht nur zu einer gelingenden Identitätsbildung, sondern auch zur Stressreduktion beitragen und das Belastungserleben aufwiegen (Hillert et al. 2012, S. 24). Neben den gesundheitsförderlichen Aspekten sozialer Wertschätzung wird jedoch auch auf die Ambivalenzen und Probleme schulischer Anerkennungsverhältnisse verwiesen (Rothland, 2013). Während auf den zentralen Stellenwert von Anerkennungsprozessen in Schulen für die Gesundheit von Lehrkräften bereits hingewiesen wurde, bleibt in der Lehrergesundheitsforschung bislang unklar, welche organisationalen Muster und „Institutionen der Anerkennungszuweisung“ (Voswinkel, 2014, S. 8; Voswinkel & Wagner, 2013) in Schulen implementiert sind, d.h., wie im schulischen Alltag Anerkennung und Wertschätzung zum Ausdruck gebracht, verhandelt, gewährt oder verhindert wird. Schulen erscheinen in dieser Perspektive demnach nicht nur als Handlungseinheiten, sondern auch als „Arenen der Anerkennung“ (Voswinkel, 2014, S. 6; Voswinkel & Wagner, 2013). Ausgehend von diesen Desiderata werden wir in unserem Beitrag den gesundheitsbezogenen Stellenwert von Anerkennungsprozessen in Schulen aus tausch- und anerkennungstheoretischer Perspektive diskutieren. Angereichert wird die Diskussion durch erste empirische Ergebnisse einer qualitativen Interviewstudie im Rahmen des Teilprojektes 3 „Gesunde Lehrkräfte durch Gemeinschaft“ des BMBF-geförderten Verbundprojektes „VorteilJena“. Im Fokus steht die Perspektive der am Lehrkräftenetzwerk teilnehmenden LehrerInnen. Der Vortrag verfolgt hierbei eine doppelte Fragestellung: Während unter Bezugnahme auf das Modell beruflicher Gratifikationskrisen zum einen nach dem arbeitsbezogenen Aufwand-Ertrags-Verhältnis und den Stellenwert sozialer Wertschätzung für die Gesundheit von LehrerInnen gefragt wird, gilt es zum anderen zu eruieren, wie sich diejenigen Anerkennungsverhältnisse, die sich auf die Gesundheit von LehrerInnen auswirken, auf interpersonaler und organisationaler Ebene ausgestaltet und verankert sind. Abschließend werden die Folgen subjektiv wahrgenommener Anerkennungsdefizite in Schulen thematisiert. Literatur: Hillert, A., Lehr, D., Koch, S., Bracht, M., Ueing, S., & Sosnowsky-Waschek, N. (2012). Lehrergesundheit: AGIL - das Präventionsprogramm für Arbeit und Gesundheit im Lehrerberuf. Stuttgart: Schattauer. Lehr, D. (2014). Belastung und Beanspruchung im Lehrerberuf - Gesundheitliche Situation und Evidenz für Risikofaktoren. In E. Terhart, H. Bennewitz, & M. Rothland (Eds.), Handbuch der Forschung zum Lehrerberuf (S. 947–967). Münster, New York: Waxmann. Lehr, D., Hillert, A., & Keller, S. (2009). What Can Balance the Effort?: Associations between Effort-Reward Imbalance, Overcommitment, and Affective Disorders in German Teachers. International Journal of Occupational and Environmental Health, 15(4), 374–384. Rothland, M. (2013). Soziale Unterstützung: Bedeutung und Bedingungen im Lehrerberuf. In M. Rothland (Ed.), Belastung und Beanspruchung im Lehrerberuf. Modelle, Befunde, Interventionen (S. 231–250). Wiesbaden: Springer VS. Siegrist, J. (1996). Soziale Krisen und Gesundheit: Eine Theorie der Gesundheitsförderung am Beispiel von Herz-Kreislauf-Risiken. Reihe Gesundheitspsychologie: Vol. 5. Göttingen: Hogrefe Verl. für Psychologie. Siegrist, J. (2009). Soziale Gratifikationskrisen und chronische Erkrankungen. In P.-M. Wippert, J. Beckmann, & B. Borgetto (Eds.), Stress- und Schmerzursachen verstehen. Gesundheitspsychologie und -soziologie in Prävention und Rehabilitation (S. 147–154). Stuttgart: Thieme. Voswinkel, S. (2014). Formwandel von Institutionen der Anerkennung in der Sphäre der Erwerbsarbeit. http://www.ethik-und-gesellschaft.de/mm/EuG-1-2014_Voswinkel.pdf (Zugriff am 06.05.2016). Voswinkel, S., & Wagner, G. (2013). Vermessung der Anerkennung: Die Bearbeitung unsicherer Anerkennung in Organisationen. In A. Honneth, O. Lindemann, & S. Voswinkel (Eds.), Frankfurter Beiträge zur Soziologie und Sozialphilosophie - Band 18. Strukturwandel der Anerkennung. Paradoxien sozialer Integration in der Gegenwart (S. 75–120). Frankfurt am Main: Campus.

   

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Im Auge des Sturms: Schulleiter/innen im Spannungsfeld zwischen Politik, Forschung und Alltag Iris Hohberg Stichworte: Schulleitung, Belastung, Beanspruchung, Bewältigung, Coping Wie gelangen Erkenntnisse aus Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung in die Schule? Pfade sind administrative Vorgaben, Lehrerausbildung, Fachliteratur etc. Vor Ort bedeutet die Auseinandersetzung mit den Inhalten dann in der Regel Schulentwicklung. Grundsätzlich entwickeln Schulen sich durch selbst initiierte und gesteuerte Prozesse und/oder durch Impulse von außen. Hier sind alle schulischen Gruppen in wechselndem Ausmaß beteiligt. Der vorliegende Beitrag lenkt den Blick auf die zentralen Akteure in der Schule: Schulleiterinnen und Schulleiter. Sie haben eine Schlüsselposition inne, denn sie sind es, die vor Ort dafür sorgen müssen, dass bildungspolitische Vorgaben umgesetzt werden und Entwicklung voranschreitet, aber auch der Alltag organisiert wird. Im Beitrag wird entwickelt, welche Gelingensbedingungen notwendig sind, damit Schulleitung dieser Aufgabe gerecht werden kann. Ausgangspunkt der zu Grunde liegenden Forschungsarbeit (Hohberg 2015) sind die fundamentalen Veränderungen in Schule in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten. Diese Entwicklungen geben den Schulen mehr Autonomie, Gestaltungsspielräume und Rechenschaftspflichten. Gleichzeitig veränderte sich der Schulleiterberuf hochgradig: War es früher vornehmlich ein Lehrer oder eine Lehrerin mit Verwaltungsaufgaben, so ist es heute eine Führungskraft mit umfassender Verantwortung für Unterricht, Personal, Budget, Organisation, Schulprogramm etc. Schulleiterinnen und Schulleiter haben zudem eine Schlüsselrolle für die Entwicklung ihrer Schule. Gleichzeitig ist zu beobachten, dass Schulleiterinnen und Schulleiter eine zunehmende Beanspruchung beklagen. Am Beispiel der Grundschule wird diese Thematik näher untersucht: Grundschulleitungen haben grundsätzlich die gleichen Aufgaben wie Schulleitungen anderer Schulformen. Sie sind jedoch verantwortlich für eher kleinere Schulen, und sie haben geringere Ressourcen zur Verfügung als Leitungen größerer Schulen. Damit erhält der Umgang mit den auftretenden Belastungen eine höhere Brisanz. Im Blick auf die Leistungsfähigkeit dieser Berufsgruppe ist es von hoher Bedeutung wirksame Strategien zur Bewältigung von Belastungen zu entwickeln und zu nutzen. Trotz der großen Bedeutung der Professionsgruppe der Schulleiterinnen und Schulleiter war diese bislang nur selten Forschungsgegenstand, Grundschulleiterinnen und Grundschulleiter noch seltener. Zum Themenbereich „Bewältigung von Beanspruchungen im Grundschulleiterberuf“ liegen lediglich fragmentarisch Forschungsergebnisse vor, die eher ein Spektrum an Bewältigungsstrategien aufzeigen als ein konsistentes Bild entstehen lassen. Die zuvor vorliegenden empirischen Untersuchungen waren überwiegend quantitativ konzipiert. Demgegenüber wählt die dem Vortrag zu Grunde liegende Studie (Hohberg 2015) einen anderen Zugang. Im Mittelpunkt des qualitativ konzipierten Forschungsprojektes stehen 15 nordrhein-westfälische Grundschulleiterinnen und Grundschulleiter. Dieses Sample hat eine sehr hohe Variationsbreite. Zur Datenerhebung wurden problemzentrierte Interviews nach Witzel (1982) geführt. Zentrale Themen waren Arbeitszufriedenheit und Beanspruchung dieser Professionsgruppe. Die Auswertung erfolgte einerseits inhaltsanalytisch mit der induktiven Kategorienbildung nach Mayring (2008), sowie andererseits mit der dokumentarischen Methode in der Anwendung auf Interviews nach Nohl (2009). Die Ergebnisse der Studie zur Bewältigung von Belastungen im Grundschulleiterberuf zeigen auf, dass die untersuchten Schulleiterinnen und Schulleiter die Verdichtung ihres Berufsfeldes deutlich spüren. Häufig sind Zeitmangel und Beanspruchung die Folge. Sie dokumentieren, dass die untersuchten Schulleiterinnen und Schulleiter in der Summe – nicht aber im Einzelfall - über vielfältige Strategien und Handlungsoptionen im Umgang mit Belastungen verfügen. Professionelle Arbeitsweisen spielen hier ebenso eine Rolle wie der teilweise extreme Einsatz von Zeit oder ein Ausgleich zum Beruf. Deutlich wird auch, dass die Bewältigung des Alltags prioritär ist und andere Aufgaben, zum Beispiel die Schulentwicklungsarbeit, dahinter zurückstehen müssen. Der vorliegende Beitrag zeigt auf, welche Mechanismen und Strategien Grundschulleiterinnen und Grundschulleiter anwenden, um die auftretenden Belastungen zu bewältigen. Exemplarisch wird herausgearbeitet, welche Strategien hilfreich sind. Weiterhin werden Empfehlungen abgeleitet, die die Arbeitssituation von Schulleiterinnen und Schulleitern verbessern und ihnen eine stärkere Fokussierung auf schulische Entwicklungsprozesse ermöglichen können. Letztlich könnte, mit Blick auf das Problem des Nachwuchsmangels im Schulleitungsbereich (insbesondere der Grundschule), durch geeignete Veränderungen auch die Attraktivität des Schulleiterberufes gesteigert werden. Literatur: Hohberg, Iris (2015): Arbeitszufriedenheit und Beanspruchung von Grundschulleitungen. Eine empirische Studie in NRW. Wiesbaden: Springer VS Mayring, Philip (2008): Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken (10. Aufl.). Pädagogik. Weinheim [u.a.]: Beltz. Nohl, Arnd-Michael (2009): Interview und dokumentarische Methode. Anleitungen für die Forschungspraxis. 3. Aufl. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften Witzel, Andreas (1982): Verfahren der qualitativen Sozialforschung: Überblick und Alternativen. Campus: Forschung: Vol. 322. Frankfurt [u.a.]: Campus-Verl.

   

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Rahmenbedingungen nachhaltiger Entwicklungen im System Schule - Deutungsmuster von Lehrkräften zu Implementierungsproblemen im Reformprozess Lisa Schäfer, Albrecht Wacker Stichworte: Implementierung, Innovation, Schulreform, Schulentwicklung In den vergangenen Jahren wurde mit der Einführung neuer integrierter und teilintegrierter Schulformen in der Sekundarstufe das Thema der(strukturellen) Bildungsreformen wieder neu akzentuiert. Die Implementierung von Reformen verläuft in der nationalen Diskussion häufig Hand in Hand mit begleitenden Evaluationsstudien, die sich zumeist auf die Wirkung oder Effizienz einzelner spezifischer Reformmaßnahmen konzentrieren. International verweisen Studien im Rahmen von Schulinnovation und Implementierungsforschung dagegen seit nunmehr 25 Jahren darauf, neben den inhaltlichen Zielen der einzelnen Reformen insbesondere die grundlegenden Voraussetzungen für Veränderung, Innovation und nachhaltige Implementierung zu berücksichtigen (Fullan, 1993). Bisherige Erkenntnisse der Implementierungsforschung lassen diesbezüglich ein dichtes Geflecht an Einflussfaktoren deutlich werden, bei dem Voraussetzungen über das gesamte System Schule hinweg eng ineinandergreifen und retikular verwoben sind (Altrichter & Wiesinger, 2004). Mitunter kommt den eingesetzten Steuerungsstrategien im Bildungssystem eine zentrale Rolle bei der Einführung von Reformen zu. Im Kontext gestiegener Schulautonomie in Verbindung mit Rezentralisierungsprozessen stellen sich neue Herausforderungen an die Entwicklung und Organisation der Einzelschulen, im Besonderen hinsichtlich des konstruktiven Umgangs mit anhaltender Veränderung (z.B. Feldhoff, 2011; Hopkins, 2016). Mit dem vorliegenden Beitrag soll am Beispiel der Einführung der Gemeinschaftsschule in Baden-Württemberg die Auseinandersetzung mit den Gelingensfaktoren und Hemmnisgründen für eine Implementierung von Schulreformen thematisiert werden. Als Ausgangspunkt dient die Analyse subjektiver Sichtweisen und Deutungsmuster beteiligter Lehrkräfte auf den Implementierungsprozess. Diese werden im Kontext der spezifischen Gestaltung reformbedingter Entwicklungsprozesse auf Einzelschulebene anhand der folgenden Fragen interpretiert: Im Rahmen welcher spezifischen schulorganisatorischen Voraussetzung findet eine Implementierung von Reformen auf Schulebene statt? Welche Rahmenbedingungen und Prozesse, auf welchen Ebenen werden von Lehrkräften für Implementierungsprobleme ursächlich gemacht? Die Datengrundlage der Untersuchung bilden knapp 50 teilstrukturierte Interviews mit Lehrkräften aus neun Baden-württembergischen Gemeinschaftsschulen. Die Daten wurden im Rahmen des Projekts „Wissenschaftliche Begleitforschung der Gemeinschaftsschulen Baden-Württemberg (WissGem)“ erhoben. In zwei voneinander abzugrenzenden Verfahren der Qualitativen Inhaltsanalyse wurden zum einen deskriptive Aussagen zum reformbedingten Schulentwicklungsprozess (v.a. zu Kooperationsstruktur und Konzeptentwicklung) zum anderen subjektive Deutungsmuster zur Innovation und deren Implementierung analysiert. Die Ergebnisse beider Ansätze wurden typisierend in einem Mixed-Methods-Design auf der Schulebene zusammengeführt. Mittels des induktiven und rekonstruktiven Vorgehens bei der Analyse subjektiver Deutungsmuster wird die Relevanz spezifischer, wiederkehrender Implementierungsprobleme deutlich. Dabei bestätigt sich die These, dass aus Sicht der Lehrkräfte nicht nur konkrete Anliegen der Operationalisierung von Reformideen, sondern vor allem grundlegende Rahmenbedingungen im Kontext von Steuerung und Entwicklung zu Implementierungsproblemen führen. In den Daten finden sich dementsprechend umfassend Aussagen zu Auswirkungen ungünstiger Steuerungsstrategien auf der Makroebene sowie zur Zieldiversität, struktureller Unstetigkeit, fehlenden Kooperationsstrukturen und ineffektivem Steuerungs- und Entwicklungshandeln auf Schulebene. Das weiterführende Typisierungsverfahrens im Rahmen der Datenanalyse gibt Anhaltspunkte dazu, dass sich die Einschätzung über die Relevanz bestimmter Implementierungsprobleme von Schule zu Schule deutlich unterscheiden kann. In Abhängigkeit vom Umfang gemeinsamer reformspezifischer Konzepte sowie der Komplexität der Kooperationsstrukturen treten so anhand der Aussagen der Lehrkräfte schulspezifisch unterschiedliche Probleme in den Vordergrund, die auch eine divergierende Gewichtung der Rolle der verschiedenen Systemebenen aufweisen (Schäfer, Reinhoffer & Wacker, 2016). Die Ergebnisse liefern bezogen auf das Steuerungshandeln entwicklungsrelevante Erkenntnisse und damit zugleich Befunde für den Diskurs um die mögliche weitere Ausrichtung einer Reformmaßnahmen begleitenden Bildungsforschung. Als ein Befund unter weiteren kann ausgewiesen werden, dass eine ersichtlich breite Varianz der Einzelschulen bezüglich ihrer Entwicklungsstrategien im Reformprozess die Notwendigkeit einer stärkeren Differenzierung von Unterstützungsmaßnahmen und der Gestaltung zentraler Vorgaben evoziert. Literaturangaben: Altrichter, H. & Wiesinger, S. (2004). Der Beitrag der Innovationsforschung im Bildungswesen zum Implementierungsproblem. In G. Reimann & H. Mandel (Hrsg.), Psychologie des Wissensmanagements. Perspektiven, Theorien und Methoden (S. 220–233). Göttingen: Hogrefe. Feldhoff, T. (2011). Schule organisieren. Der Beitrag von Steuergruppen und Organisationalem Lernen zur Schulentwicklung (Educational Governance, Bd. 15, 1. Aufl, ). Wiesbaden: VS-Verlag Fullan, M. (1993). Change forces. Probing the depth of educational reform [School development and management series, 10]. London: Falmer Press. Hopkins, D. (2016). School Improvement and System Reform. In C. Chapman, D. Muijs, D. Reynolds, P. Sammons & C. Teddlie (Hrsg.), The Routledge International Handbook of Educational Effectiveness and Improvement. Research, policy and practice (The Routledge international handbook series, S. 124–148). London: Routledge. Schäfer, L., Reinhoffer, B. & Wacker, A. (2016). Schulkultur. Zur Bedeutung der Schulebene für die Implementierung der Gemeinschaftsschule. In T. Bohl & A. Wacker (Hrsg.), Die Einführung der Gemeinschaftsschule in Baden-Württemberg. Abschlussbericht der wissenschaftlichen Begleitforschung (WissGem) (S. 173–192). Münster: Waxmann.

   

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Donnerstag 29.09.16 12.45-14.15h L2.202: Session 3.3 Evidenz und Reichweite

Besser ohne Evidenz oder bessere Evidenz? Anregungen aus der Evaluationsforschung Sebastian Niedlich Stichworte: Evidenzbasierung, Evaluationsforschung, Programmtheorie Begriffe wie Evidenzbasierung und Wirkungsorientierung sind im Bildungsbereich mittlerweile weit verbreitet und eine Reihe von Instrumenten und Steuerungsansätzen wird unter diesem Label diskutiert. Gleichzeitig wird diese Reformrichtung immer wieder kritisiert, auf negative Nebenwirkungen hingewiesen und ihre Tauglichkeit prinzipiell in Frage gestellt. Dabei fällt auf, dass Argumente für wie gegen die „Neue Steuerung“ häufig auf dünner empirischer Basis fußen und mit sehr einfachen Modellannahmen arbeiten. Der Beitrag wirbt demgegenüber für eine differenziertere Betrachtung. Ziel ist es, Möglichkeiten und Grenzen evidenzbasierter Steuerung genauer einzuschätzen und einen alternativen methodischen Zugang zur Wirkungsforschung aufzuzeigen. Zu diesem Zweck wird auf Erfahrungen und Theorien aus einem Bereich zurückgegriffen, der selbst häufig pauschal der Neuen Steuerung zugeordnet wird: der Evaluationsforschung. Ausgangspunkt der Überlegungen ist, dass die Auseinandersetzung mit Evidenzbasierung zwei Seiten berücksichtigen muss: 1. die Generierung steuerungsrelevanten Wissens. In der Diskussion wird hier insbesondere kritisiert, dass die Neue Steuerung einen zu engen Evidenzbegriff verwende und zu wenig kontextsensibel sei. 2. die Rezeption des produzierten Wissens durch steuerungsrelevante Akteure. Die Kritik verweist hier insbesondere auf die spezifischen Relevanzsysteme unterschiedlicher Akteure, die die Umsetzung politischer Interventionen ebenso beeinflussen wie die Anschlussfähigkeit wissenschaftlicher Befunde. Beide Seiten werden in dem Beitrag mithilfe von Befunden aus der Evaluationsforschung zunächst genauer betrachtet. Dabei wird gezeigt, dass – insbesondere im angelsächsischen Kontext – eine Reihe von Erfahrungen und Ansätzen vorliegt, die ein weit differenzierteres Bild liefern, als es die Debatte in Deutschland vermuten ließe (z.B. Stame 2010; Patton 2008; Mayne 2004). Vor diesem Hintergrund werden Anforderungen an eine evidenzbasierte Gestaltung des Bildungsbereichs formuliert, die sowohl die Generierung als auch die Rezeption steuerungsrelevanten Wissens betreffen. Anstatt auf die Übernahme „überlegener“ Einsichten aus der Wissenschaft durch die Politik zu setzen, so die Schlussfolgerung, muss Wissenschaft sensibel für gesellschaftliche Interessen sein und die Konsequenzen ihrer Arbeit reflektieren. In diesem Zusammenhang werden alternative Herangehensweisen vorgeschlagen, die ausdrücklich über experimentelle Verfahren als „Goldstandard“ der Wirkungsforschung hinaus verweisen. Damit zeichnen sich methodische Ansatzpunkte ab, um angemessenere Formen von Evidenzen zu generieren und die Chancen, dass diese bei Politik und Professionellen Gehör finden, zu erhöhen. Als vielversprechend erscheinen insbesondere „theoriebasierte“ Evaluationsansätze (vgl. Funnell/Rogers 2011), die die Ziele und zugrundeliegenden Kausalannahmen von Steuerungsinstrumenten und Programmen differenzierter nachzeichnen als allgemeine Wirkungsmodelle (oder kritisch: Produktionsmodelle). Die Arbeit mit solchen in der Governance- und Bildungsforschung bislang zu wenig berücksichtigten „Programmtheorien“ erscheint auch aus weiteren Gründen attraktiv: - Erstens kann ihre Entwicklung und Anwendung Anlass bieten, um verschiedene Stakeholder (z.B. Steuerungsadressaten, umsetzende Akteure) einzubeziehen und ihre Sichtweisen und Bewertungen zu erfassen, sodass Forschungsbefunde eher an diese anschließen können (ebd.). - Zweitens können Programmtheorien für die Analyse kausaler Zusammenhänge herangezogen werden. Wenngleich keine „Nettoeffekte“ beziffert werden können, liegen mittlerweile Vorschläge vor, wie ein kausaler Wirkungsbeitrag von Interventionen plausibel aufgezeigt werden kann (ebd.; Mayne 2001; Yin 2000). - Drittens eröffnen sich durch Programmtheorien Ansatzpunkte für eine weiterreichende Verknüpfung von qualitativer Forschung und Evaluationsforschung. Hier können bestehende Überlegungen aus der qualitativen Literatur (Kelle 2006) aufgegriffen und systematisiert werden. Dem Beitrag liegt eine pragmatische Betrachtungsweise zugrunde, die die vorhandene Kritik an Evidenz- und Wirkungsorientierung ernst nimmt, derartige Ansätze aber nicht prinzipiell ausschließen will, sondern um deren Weiterentwicklung bemüht ist. Gleichzeitig werden die vorgeschlagenen Ansätze auch nicht als Allheilmittel begriffen. Abschließend wird daher auf mögliche Schwierigkeiten und Einschränkungen – vor allem auf Fragen des Umgangs mit Komplexität (Rogers 2008) – eingegangen. Literatur Funnell, Sue C./Rogers, Patricia (2011): Purposeful Program Theory: Effective Use of Theories of Change and Logic Models. San Francisco: Jossey-Bass Kelle, Udo (2006): Qualitative Evaluationsforschung und das Kausalitätsparadigma. In: Flick, Uwe (Hrsg.): Qualitative Evaluationsforschung. Konzepte – Methoden – Umsetzung. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. S. 117-134 Patton, Michael Quinn (2008): Utilization-Focused Evaluation. 4th Edition. Los Angeles/London/New Delhi/Singapore: Sage Mayne, John (2001): Addressing attribution through contribution analysis: Using performance measures sensibly. The Canadian Journal of Program Evaluation, 16 (1), S. 1-24 Mayne, John (2004): Reporting for Outcomes. Setting Performance Expectations and Telling Performance Stories. In: The Canadian Journal of Program Evaluation, 19. Jg., H. 1, S. 31–60 Rogers, Patricia (2008): Using Programme Theory to Evaluate Complicated and Complex Aspects of Interventions. In: Evaluation 14 (1), S. 29-48 Stame, Nicoletta (2010): What Doesn’t Work? Three Failures, Many Answers. In: Evaluation 16 (4), S. 371–387 Yin, Robert K. (2000): Rival Explanations as an Alternative to Reforms as „Experiments“. In: Bickmann, Leonard (Hrsg.): Validity & Social Experimentation. Donald Campbell‘s Legacy. Volume 1. Thousand Oaks: Sage

   

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Donnerstag 29.09.16 12.45-14.15h L2.202: Session 3.3 Evidenz und Reichweite

Öffentliche Aushandlung von Evidenz-Begriffen Christel Jungmann Stichworte: PISA, Diskurs, Bildungspolitik, Evidenz Hintergrund Mit dem Konstanzer Beschluss von 1997 erklärte die KMK ihre Absicht, aus internationalen Studien der Bildungsforschung künftig Steuerungswissen zur Sicherung der Qualität schulischer Bildung ableiten zu wollen. Dieser Beschluss war nicht zuletzt den Ergebnissen der TIMS-Studie geschuldet. Eine Konsequenz aus diesem Beschluss ist die Beteiligung Deutschlands an der wiederkehrenden internationalen Schulleistungsstudie PISA. Schon TIMSS hatte ein für eine Studie der Bildungsforschung bis dahin nicht bekanntes breites öffentliches Echo hervorgerufen. Mit der Veröffentlichung der Ergebnisse der ersten PISA-Studie (PISA 2000) steigerte sich die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit für die Ergebnisse der empirischen Bildungsforschung noch weiter. Landesregierungen und Parlamente, Gewerkschaften, Wirtschaftsverbände, Kirchen, Lehrer- und Elternorganisationen beteiligten sich an einem öffentlichen Diskurs über ein Produkt der empirischen Bildungsforschung. Für Foucault (1988: 259ff.) liegt die Bedeutung von Diskursen darin, dass diese die Gegenstände, von denen sie handeln, als Wissen neu konstituieren. Diese Neukonstituierung von Wissen erfolgt durch unterschiedliche gesellschaftliche Teilsysteme (hier: Politik und Massenmedien), die nach ihren jeweils eigenen Regeln agieren (Luhmann 1996). Vor diesem Hintergrund ist der öffentliche Diskurs über PISA deshalb von Bedeutung, weil er einen ursprünglich dem Teilsystem Wissenschaft (Bildungsforschung) zuzurechnenden Gegenstand in anderen Teilsystemen (Politik/Massenmedien) neu konstituierte und entsprechend neue Wissensformen über diesen schuf. Methode Die Studie basiert auf der Analyse von 17 Plenarprotokollen aus 4 ausgewählten Bundesländern sowie 299 Artikeln aus 5 ausgewählten überregionalen Zeitungen. Methode ist die qualitative Inhaltsanalyse mit quantitativen Anteilen (Früh 2007; Mayring 2010). Sie folgt dem Ansatz von Gerhards/Lindgens (1994), indem sie mit der Kategorie „Idee-Element“ als kleinster problemdeutender Einheit arbeitet, diese jeweils einem Deutungsrahmen (Blickwinkel) zuordnet und die zugrunde liegenden Deutungsmuster analysiert. Ergebnisse Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass der öffentliche Diskurs über PISA die Ergebnisse der Studien in ein politisches und gesellschaftliches Ereignis überführte. Sowohl für das politische System als auch das System der Massenmedien konnten zwei Diskurslager nachgewiesen werden, die die Ergebnisse der Bildungsforschung für eine Darlegung ihrer Positionen zu Bildungs- und Erziehungsfragen sowie Fragen der Organisation des Bildungswesens nutzten. Dabei treten unterschiedliche Evidenzbegriffe zutage, die jeweils mit dem Bezug zu unterschiedlichen Teilergebnissen von PISA korrespondieren und daraus wiederum zum Teil konträre Vorschläge für entsprechende „evidenzbasierte Reformen“ ableiten. Es zeigt sich hierbei, dass der Evidenz-Begriff von unterschiedlichen politischen Gruppierungen sowie unterschiedlichen Medien in deren themenübergreifende und bereits vorhandene Deutungsmuster integriert wird. Literatur: Foucault, M.: Archäologie des Wissens. Frankfurt a. : 1988: Suhrkamp Früh, W.: Inhaltsanalyse. Konstanz 2007: UVK Verlagsgesellschaft Gerhards, J./Lindgens, M.: Diskursanalyse im Zeit- und Ländervergleich. Methodenbericht über eine systematische Inhaltsanalyse zur Erfassung des öffentlichen Diskurses über Abtreibung in den USA und in der Bundesrepublik Deutschland in der Zeit von 1970 bis 1994. Discussion Paper FS III (1994), S. 95-195 Luhmann, N.: Soziale Systeme. Grundrisse einer allgemeinen Theorie. Frankfurt a. M. 1996: Suhrkamp Mayring, P.: Qualitative Inhaltsanalyse – Grundlagen und Techniken. 11. Aktualisierte und überarbeitete Auflage. Weinheim und Basel 2010: Beltz

   

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Rückmeldung an Schulen im Rahmen von Large-Scale Assessments – Chancen und Grenzen aus methodischer Sicht Sabine Meinck Stichworte: Large-scale assessments, Methodik, Teilnahmeraten, Schulrückmeldungen Die Anzahl durchgeführter nationaler und internationaler Large‐Scale Assessments im Bildungswesen (LSA) hat im vergangenen Jahrzehnt deutlich zugenommen. Die Bereitschaft von Schulen, Schülern, Eltern und Lehrpersonen zur Teilnahme an diesen Studien ist im gleichen Zeitraum gesunken (Meinck et al., 2015). Hohe Teilnahmeraten und Motivation der Teilnehmer sind jedoch von herausragender Bedeutung für die Qualität und Validität der erhobenen Daten. Rückmeldungen zu Studienergebnissen können einen wichtigen Anreiz für Schulen darstellen, sich für eine engagierte Teilnahme an LSA zu entscheiden. Daher wurden bspw. in Deutschland für nahezu alle LSA des vergangenen Jahrzehnts Schulrückmeldungen in variierenden Formaten und Inhalten erstellt (Van der Gathen, 2011). Allerdings wird diese Inzentivmethode selten aktiv durch die Institution unterstützt, die die jeweiligen LSA durchführt. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Zum einen sind Studiendesigns von LSA generell ungeeignet für die Ableitung von Individual‐ oder Kleingruppenschätzern, sondern vielmehr optimiert für die Evaluation auf Systemebene. Zum anderen behindern eng getaktete Prozessabläufe und strenge Regularien hinsichtlich der Vertraulichkeit der Daten – insbesondere vor Veröffentlichung der Studienergebnisse – den Einbau eines zentralen Rückmeldesystems in den Studienablauf. Dieser Beitrag benennt wichtige Faktoren, die bei der Erstellung von systematischem Feedback an Schulen berücksichtigt werden sollten und auf den methodischen Besonderheiten von LSA beruhen. Ein herausragendes Merkmal aller LSA ist ihr komplexes Stichprobendesign, das durch eine mehrschrittige stratifizierte Ziehung mit ungleichen Ziehungswahrscheinlichkeiten gekennzeichnet ist. Der hieraus resultierende Stichprobenfehler wird unter Anwendung spezieller Verfahren geschätzt, die nicht Bestandteil statistischer Standardsoftware sind. Zudem werden i.d.R. nicht allen Teilnehmern alle Items bspw. eines Leistungstests vorgelegt, woraus der sog. Messfehler resultiert. Der Beitrag wird Empfehlungen ableiten, wie bei der Erstellung von Schulrückmeldungen mit diesen Herausforderungen umgegangen werden kann. Hierbei wird auf die unterschiedlichen Stichprobendesigns bezüglich der Ziehung innerhalb der Schulen (Ziehung von Individuen wie bspw. in PISA und ICILS vs. Ziehung von Klassen wie bspw. in den Bildungsstandards, IGLU, TIMSS und ICCS), sowie die Berechnung und der Effekt des Messfehlers beim Bezug auf Ergebnisse aus Leistungstests eingegangen. Es wird anhand illustrativer Beispiele gezeigt, wie einem Laienpublikum statistische Maßzahlen (wie bspw. Standardfehler) allgemeinverständlich erläutert werden können und wie Leistungsvergleiche zwischen Schulen auch unter Berücksichtigung verschiedener Ausgangssituationen (z.B. sozio‐ökonomischer Hintergrund der Schülerschaft) dargestellt werden können (Helmke & Schrader, 2001). Weiterhin werden konkrete Empfehlungen zu Inhalt, Format und Zeitpunkt der Schulrückmeldungen gegeben. Eine wichtige Anforderung besteht darin, die Berichte in Sprache und Länge auf diese Zielgruppe zuzuschneiden (Rolff, 2002; Gray, 2002). Die Rückmeldungen sollten Lesern ermöglichen, die wichtigsten Ziele, Rahmenbedingungen und Methoden der Studie zu verstehen; die Hauptergebnisse (evtl. national und international) abzulesen; sowie die eigene Schule im nationalen (und internationalen) Kontext zu bewerten. Das Feedback sollte geeignet sein, kritische Diskussionen unter Schulmitarbeitern über die Lern‐ und Lehrstrategien und somit den Schulentwicklungsprozess anzuregen. Rückmeldungen sollten so früh wie möglich nach der Datenerhebung zur Verfügung gestellt werden, da nur dann eine inhaltliche Referenz zur Studie etabliert werden kann (Von der Gathen 2011; Gandal & McGiffert, 2003). Selbstverständlich muss bei jeder Form von Rückmeldung das Vertraulichkeitsversprechen beachtet werden. Der Beitrag wird entsprechende Vorgehensweisen referieren. Literatur Gandal, M. & McGiffert, L. (2003). The Power of Testing. Educational Leadership 60 (5), S. 39‐42. Gray, J. (2002). Jolts and Reactions: Two Decades of Feeding Back Information on Schools’ Performance. In A.J. Visscher & R. Coe (Eds.), School Improvement through Performance Feedback (S. 142‐162). Lisse. Helmke, A. & Schrader, F.‐W. (2001). Von der Leistungsevaluation zur Unterrichtsentwicklung – Neue Herausforderungen für die Pädagogische Psychologie. In R.K. Silbereisen & M. Reitzle (Eds.), Psychologie 2000. Bericht über den 42. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie in Jena. S. 594‐606. Lengerich: Pabst. Meinck, S., Cortes, D. & Tieck, S. (2015). Can school nonresponse questionnaires reduce the risk of nonresponse bias in IEA studies? Paper Presentation at the 6th IEA International Research Conference, Cape Town, South Africa. Rolff, H.‐G. (2002). Rückmeldung und Nutzung der Ergebnisse von großflächigen Leistungsuntersuchungen. Grenzen und Chancen. In H.‐G. Rolff, H.G. Holtappels, K. Klemm, H. Pfeiffer & R. Schulz‐Zander (Eds.), Jahrgang der Schulentwicklung. Band 12 (S. 75‐98). Weinheim und München: Juventa. Von der Gathen, J. (2011). Leistungsrückmeldungen bei Large‐Scale Assessments und Vollerhebungen. Waxmann, Berlin.

   

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14.15 – 14.30 Wechselpause

14.30 – 16.00 Ausblick: Impulsvortrag und Abschlussdiskussion (L1.202) Impulsvortrag: Prof. Dr. Nils Berkemeyer, Friedrich-Schiller-Universität, Jena Schulentwicklungsforschung – Quo vadis? Moderation der Diskussion: Prof. Dr. Martin Heinrich