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UNTERNEHMEN REGION Ausgabe 1|2013 Glück auf! Über die Kraft der Kohle und neue Ressourcentechnologien aus Freiberg

Ausgabe 1|2013 UNTERNEHMENREGION · Referat „Regionale nnoI vations initiativen; Neue Länder“ ... Freiberg hat eine lange Bergbau tradition. Heute ist die Stadt eines der wichtigsten

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UNTERNEHMENREGIONAusgabe 1|2013

Glück auf!Über die Kraft der Kohle und neue Ressourcentechnologien aus Freiberg

Über die Kraft der Kohle und neue Ressourcentechnologien aus Freiberg

Impressum

HerausgeberBundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)Referat „Regionale Innovations initiativen; Neue Länder“11055 Berlin

BestellungenPublikationsversand der BundesregierungPostfach 48 10 0918132 RostockE­Mail: [email protected]

Tel.: 01805 77 80 90Fax: 01805 77 80 94(14 Cent/Min. aus dem deutschen Festnetz, Mobilfunk max. 42 Cent/Min.)Internet: www.bmbf.de

Redaktion und GestaltungPRpetuum GmbH, Münchenredaktion@unternehmen­region.de

Bildnachweis© Chefkoch – Fotolia (Titel, S. 3, 32) ,Inner Life of the Cell‘, © 2006 President and Fellows of Harvard College. Created by Alain Viel, PhD and Robert Lue, PhD in collaboration with XVIVO, LLC and John Liebler, Lead Animator. Made possible through the generous support of the Howard Hughes Medical Institution’s Undergraduate Science Education Program. (S. 2, 10), Nordic Yards (S. 4)© Tatiana Popova – istockphoto (S. 4)© phager – photocase.com (S. 5)Katrin Boes, Social Media and Photography Editor, CRTD, TU Dresden (S. 12), Till Korten, B CUBE (S. 11)© Patrick Pleul – picture alliance / ZB (S. 23) Forstbotanischer Garten Eberswalde (S. 23)Malte Wördemann (S. 24)© vege, © earlytwenties, © rdnzl – Fotolia (S. 38)Lurgi GmbH (S. 38)© Andrew Rich – istockphoto (S. 42), Privat (S. 46) alle anderen Fotos: BMBF/Unternehmen Region – Thilo Schoch, Berlin

DruckereiGrafisches Centrum Cuno GmbH und Co. KG, Calbe

Bonn, Berlin 2013

„Unternehmen Region“ erscheint 3­mal im Jahr und wird unentgeltlich abgegeben.

Inhalt

RundblickSeite 6Medizintechnik MagdeburgAus der Stadt des Schwermaschinen­baus wurde ein bedeutender Forschungs standort der Medizintechnik

Seite 10Bodybuilder mit KöpfchenDresdner Forscher wollen mit winzigen Motorproteinen die Leukämie­Diagnose revolutionieren

EinblickSeite 14 Stresstest bestandenUnterm Dach fing alles an. Heute arbei­tet die Greifswalder Physiolution GmbHfür internationale Pharmakonzerne.

Seite 18Auf dem Holzweg in die ZukunftDie Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde

Seite 27Nur noch kurz die Welt rettenEin Tag im Leben von Dr. Véronique Blanchard

DurchblickSeite 42InnovationsrouletteDie Evolution als Vorbild für das Innovationsmanagement Eine Außenansicht von Dr. Ulf Pillkahn

Seite 45Wissenschaft ist kinderleichtProf. Peter Langendörfer über „Kritische Infrastrukturen“

Rundblick

Einblick

Durchblick

RubrikenSeite 2

Impressum

Seite 3Editorial

Seite 4Panorama

Seite 13Zahlen bitte!

Seite 48eingeORTnet

Seite 46Mein Schreibtisch + ich

Dipl.–Ing. Axel Boese

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Seite 50Ansprechpartner

Editorial

SchwerpunktFreiberg – Die Ressourcen-Stadt

Seite 33Glück auf!Freiberg hat eine lange Bergbau­tradition. Heute ist die Stadt eines der wichtigsten deutschen Zentren für die Nutzung und Erforschung von Energie und Rohstoffen.

Seite 35Geballte Energie­ und Rohstoffkompetenz

Seite 37Gespräch mit Freibergs OB Bernd­Erwin Schramm

Seite 39Von Kohle zum Kunststoff – stoffliche Nutzung statt Verbrennung

Grußwortvon Johanna Wanka

Liebe Leserinnen und Leser,

Innovationen sind der Schlüssel für die Zukunft Ost. Innovationen treiben die Wirtschaft an, erschließen Märkte und eröff­nen neue Perspektiven – das ist bekannt. Auch von dem, was Innovationen und Fortschritt möglich macht, hat man mehr als einmal gehört: Entdeckerfreude, Mut zum Risiko, Weitsicht, Kreativität und strategische Planung zählen beispielsweise dazu.

Ein entscheidender, immer wieder überraschender Baustein des Erfolgs wird aber oft vergessen: die Vergangenheit. Viele Innova­tionen fußen auf traditionellen, ja teilweise uralten Ressourcen und Prinzipien. Einige besonders spannende Beispiele stellt die aktuelle Ausgabe des Magazins „Unternehmen Region“ vor.

Vor mehr als 180 Jahren begann beispielsweise im brandenburgi­schen Eberswalde die forstliche Lehre im Zeichen der Nachhaltig­keit. Auf dieser Basis hat die „Hochschule für nachhaltige Ent­wick lung Eberswalde“ in den vergangenen Jahren ein unverwech­selbares und zukunftsweisendes Profil entwickelt.

Das sächsische Freiberg verfügt über mehr als acht Jahrhunderte Bergbautradition und die älteste montanwissenschaftliche Universität der Welt. Heute setzen Forscher und Unternehmer dieses Wissen für innovative Ansätze in der Ressourcennutzung und Energiegewinnung ein.

Und in Dresden nutzen Physiker, Chemiker und Ingenieure sogar ein Prinzip, das seit rund einer Milliarde Jahren in unseren Zellen abläuft. Auf dieser Grundlage entstehen nanotechnologische Anwendungen, die zum Beispiel die medizinische Diagnostik revolutionieren sollen.

Unternehmen Region hat viele inspirierende Beispiele gefördert und damit Geschichte geschrieben. Entdecken Sie mit dieser Ausgabe des Magazins „Unternehmen Region“ die besonderen technologischen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Kompetenzen in ostdeutschen Regionen!

Prof. Dr. Johanna WankaBundesministerin für Bildung und Forschung

Rubriken

Schwerpunkt

P a n o r a m a

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Russland im Boot

Durch innovative Beschichtungen sollen zwei neue Eisbrecher aus Wismar fast so eisfrei bleiben wie in der Computer grafik.

Im Auftrag der russischen Regierung baut die Wismarer Werft Nordic Yards zwei Rettungs­ und Bergungsschiffe für die Arktis. In die Konstruktion der beiden 86 Meter langen Eisbrecher sollen auch erste technische Bausteine aus der Initiative „POLAR“ einflie­ßen. Der vom BMBF geförderte Wachs tums­kern POLAR (Production, Opera tion and Living in Arctic Regions) entwickelt System­lösungen für die Gewinnung und Verarbeitung sowie den Transport von Roh stoffen unter extremen Witterungs bedin gungen. Durch spezielle Beschichtun gen soll Eis selbst bei minus 50 Grad Celsius nicht mehr so ein­fach an der Schiffsoberfläche haf ten können;

auch neue Enteisungssysteme für eingefro­rene Rohre auf Deck sollen bei den jeweils rund 75 Millionen teuren Eis brechern zum Einsatz kommen. Auf Kälte, Eis und hohe Wellen werden die beiden Eis brecher dann nach ihrer Fertigstellung ab 2015 auf der nördlichen Polarmeer­Route treffen.

Gleichzeitig weitet Nordic Yards seine Kon­tak te nach Russland aus. Mit dem staatli chen Krylov­Forschungsinstitut in Sankt Peters­burg hat die Werft eine Kooperations verein­barung geschlossen, aus der innovative Produkt lösungen für arktische Regionen her­vorgehen sollen.

Mit schwerem Geschütz

Die Dresdner Hochschulmedizin baut ihre national führende Rolle in der Krebs for­schung aus – und lässt Krebspatienten hof­fen: Mit dem im Februar eingetroffenen Zyklotron sollen ab kommendem Frühjahr Tumoren hochwirksam bekämpft werden. Der Teilchenbeschleuniger aus belgischer Produktion wiegt 220 Tonnen und bringt Protonen auf eine Geschwindigkeit von 180.000 Kilometer pro Sekunde. Über eine 13 mal 11 Meter große und nochmals über 100 Tonnen schwere Stahlkonstruktion ge ­langt der Protonenstrahl höchst präzise zum Patienten, zerstört effektiv Tumorzellen und schont dabei gesundes Gewebe. Die Proto­nen therapie ist das Herzstück des neuen Nationalen Zentrums für Strahlenforschung

in Dresden. Den Zentren für Innovations­kompetenz „OncoRay“ und „ultra optics“ bietet sie die Möglichkeit, konventionelle und laserbasierte Protonenbeschleunigung zu vergleichen.

Der 220 Tonnen schwere Teilchenbeschleuniger kommt in Dresden an.

Pigmente gegen Piraten

Die Produkt­ und Markenpiraterie boomt: Für das Jahr 2015 erwartet die OECD einen weltweiten Schaden von rund 300 Milliarden Euro. Sechs Millionen Euro büßt allein die sächsische Textilindustrie im Jahr an Umsatz ein, rund 1.300 Arbeitsplätze gin gen da durch verloren. Bisher konnten sich die Marken­piraten ziemlich sicher fühlen, denn gerade Fäl schungen von Textilprodukten sind nur mit hohem Aufwand nachzuweisen.

Gerade auf dem wachsenden Markt techni­scher Textilien können Fälschungen – etwa von Sicherheits gurten oder Schutzkleidung – fatale Auswir kungen haben.

Einen vielversprechenden Weg hat jetzt das Chemnitzer Innovationsforum MPTK einge­schlagen: Das Bündnis aus sächsischen Textil ­unter nehmen und Forschungsein rich tungen will Produkte fälschungssicher kenn zeich nen und technische Verfahren und Geräte entwi­ckeln, um Fälschungen zu entdecken. So kön ­nen etwa lumineszierende Pig mente oder Mikrofarbpartikel in die Fasern eingearbeitet und unter UV­Licht ausgelesen werden – ein vielversprechender Ansatz, um Produkt piraten den Wind aus den Segeln zu nehmen.

In Zeiten globaler Vernetzung reichen herkömmliche Instrumente zum Markenschutz oft nicht mehr aus. Deshalb setzt die Textilindustrie heute unter anderem auf Mikrofarbpartikel.

P a n o r a m a

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59 Zukunftsprobleme für die Jury

Das neue Förderprogramm „Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation“ ist auf große Reso nanz gestoßen. 59 Konsortien bewar­ben sich bis zum Stichtag 3. April mit ihren Initial konzepten. Eine unabhängige Exper­ten jury prüft nun, ob die eingegangenen Konzepte ein volkswirtschaftlich hochrele­vantes Zu kunfts problem identifiziert haben – und eine innovative Lösung versprechen.

Für den Juryvorsitz konnte Professor Mat thias Kleiner gewonnen werden. Der designierte Präsident der Leibniz­Gemein­schaft wird im Sommer die bis zu zehn über zeugendsten Konzepte zusammen mit Bundes forschungsministerin Johanna Wanka bekannt geben.

Mit „Zwanzig20 – Partnerschaft für Inno­vation“ fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) bis 2019 multi disziplinäre Konsortien aus ost­ sowie westdeutschen Partnern. Das Programm ist Teil der BMBF­Innovationsinitiative „Unter­nehmen Region“ und mit bis zu 500 Millio­nen Euro ausgestattet.

Sonne, Gas und zurück

Im Jahr 2050 soll unser Strom zu 80 Prozent aus regenerativen Quellen stammen. Um das ambitionierte Ziel der Bundesregierung zu erreichen, sind effiziente Speicher tech­no logien nötig. Neue Ideen, wie Sonnen­energie auch nachts und Wind energie auch bei Flaute zu nutzen ist, kommen vom Leip­ziger Inno vationsforum „Power to Gas to Power“. Mit überschüssiger Sonnen­ und Windenergie kann Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff ge spalten werden. Durch Zu gabe von Kohlen dioxid entsteht im nächs ten Schritt Methan. Das unscheinbare

farb­ und geruchlose Gas kann in das Erd­gasnetz eingespeist werden und bei Bedarf zurück zu Strom verwandelt werden. „Power to Gas to Power“ bringt wichtige For schungs­ und Praxispartner aus Mittel­deutsch land zusammen. Das sich formieren­de Kompetenznetzwerk klärt unter ande­rem, welche Techniken heute und in Zukunft zur Verfügung stehen und erarbeitet Stand­ort vorschläge für Pilotprojekte. Gleich zeitig gibt es Bestrebungen, im Chemie dreieck Bitter feld–Leuna–Wolfen eine Was ser stoff­Modell region zu etablieren.

Der schlaue Reiter

Rund 90.000 Unfälle im Jahr gehen allein in Deutschland auf das Konto des Reit sports. So mancher verunglückte Reiter schafft es nicht mehr selbst, einen Hilfe ruf abzusetzen oder den Unfallort eindeutig anzugeben; wertvolle Zeit verstreicht. Das Innovationsforum Auxilium in Magdeburg arbeitet deshalb an einem intelligenten Rettungsassistenten, der den Reiter unterwegs über­wacht. Im Fall des Falles aktiviert er – etwa über das Mobilfunknetz – auto­matisch die Rettungs kette und überträgt Vitaldaten und Standort des Verletzten an die Leitstelle. Anstelle herkömmlicher und meist unkomfortab­ler Sensorgurte setzt Auxilium dabei auf neue Ideen wie Sensoren in techni­schen Textilien oder indirekte Messtechnik am Pferd. Von den Ideen der Sachsen­Anhalter könnten in Zukunft dann auch andere Outdoor­Sportler wie Ski­ oder Radfahrer profitieren.

R u n d b l i c k M e d i z i n t e c h n i k M a g d e b u r g

Nur wenige deutsche Großstädte wurden so von der Industrie geprägt wie Magdeburg. Auch nach 1945 gab es kaum einen Schiffsdiesel oder eine Bergbauför der anlage, die nicht aus der Elbe stadt kam. Doch auch wenn seit 1990 die „Dinosaurier Maschinenbaukombinate“ langsam starben – die Aus bil dung exzellenter Ingenieure ging weiter. Ihr neues Thema ist die Medizintechnik. 6

M e d i z i n t e c h n i k M a g d e b u r g R u n d b l i c k

Der Arzt sieht auf den Bildschirmen die zwei­ und dreidimensionale Darstellung der Gehirngefäße des Patienten sowie den erkrankten Gefäßabschnitt, zu welchem er den Katheter hinbewegt. Mithilfe des ca. 1 mm dünnen Katheters wird er auch die Therapie durchführen, d. h. z. B. ein verschlossenes Gefäß wie­der eröffnen bzw. ein Aneurysma mit Metalldrähten ausfüllen.

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Magdeburg ist ein GlücksfallPräzise setzt der Operateur einen feinen scharfen Schnitt in die Flanke der Patientin. Sie leidet unter unkontrolliert in den Bauch laufenden Harn, eine Diagnose, die mit einer „konventionellen“ Operation nicht therapiert werden kann. In vielen dieser Fälle kommt das Team um Prof. Dr. Jens Ricke zum Einsatz. Er leitet die Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin am Universitätsklinikum Magdeburg. Vor sieben Jahren machte auch er einen Schnitt in seiner wissen­schaftlichen Karriere. Sie lief bis dahin optimal. An der renommierten Berliner Charité hatte er sich eine Mannschaft aufgebaut, deren medizinische Referenzen erstklassig waren. Aber wie so oft im prallen Leben kommen die Dinge dann anders, als man plant. Jens Ricke stieß auf Magdeburg. Durch eine Stellenanzeige, die ihn nicht mehr los ließ. Und er ließ sich darauf ein, zog von der Spree an die Elbe und hat es bis heute nicht einen Tag bereut: „Magdeburg ist für mich ein Glücksfall! Die Bedingungen, die ich hier vorfand und alles, was wir an der Uni­klinik aufbauen konnten, wären so in Berlin nicht möglich gewesen.“

Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne

„Jetzt geht’s los!“, war sich Georg Rose sicher, als er sich 2006 einließ auf Magde­burg. Der frischgebackene Leiter des Lehrstuhls für Medizintechnik und medizi­ni sche Telematik machte eine Entdeckung, die es in sich haben sollte – zur OVGU, wie die Uni Magdeburg liebevoll genannt wird, gehört auch eine medizi­nische Fakultät mit einem Klinikum, das sich mit der Neurologie einen ersten bundesweit beachteten Forschungsschwerpunkt erarbeitete. Und das z. B. mit dem Leibniz­Institut für Neurobiologie auf dem Campus ein Achtungszeichen für den Wissenschaftsstandort an der Elbe gesetzt hatte. Diesen Schub wollte Prof. Dr. Georg Rose sofort nutzen: „Zu einem ersten Workshop kamen 30 Pro­fessoren und Kliniker aus der medizinischen Fakultät. Und ebenso viele Pro­fessoren aus dem Ingenieurbereich.“ Das war ein ganz besonderes Rendezvous: Arzt trifft Tüftler. Menschenretter meets Maschinenerfinder – eine Liaison für ein neues Miteinander? Oder nur ein neuer Trick aus dem universitären Marketing baukasten? Georg Rose kann nicht schmunzeln beim Blick zurück: „Die Wahrheit liegt immer mitten im Leben. So euphorisch, wie wir aus dieser Runde gingen, so tief war das Loch, in dem wir uns alle wenige Monate später wiederfanden.“ So ziemlich alle Ideen erwiesen sich im Lichte von Haushalt und Fördermitteln erst einmal als Träume. Ob er es so gewollt hatte oder nicht; sein Büro stand voller dicker Bretter, für die er den passenden Bohrer finden musste.

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Geballte Kompetenz in Magdeburg v.l.n.r.Prof. Dr. Georg Rose führte in Magdeburg Medinziner und Ingenieure zusammen.Prof. Dr. Martin Skalej ist Direktor des Instituts für Neuroradiologie. Hier wurde Artis Q im Sommer 2012 weltweit zum ersten Mal eingesetzt. Das Gerät liefert schärfere Bilder und belastet den Patienten mit geringerer Röntgenstrahlung.Prof. Dr. Jens Ricke kam vor sieben Jahren von der Berliner Charité nach Magde­burg und leitet die Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin am Universitäts­klinikum Magdeburg.

Und dann haben wir uns verstanden

Jens Ricke hat in der Landeshauptstadt der Frühaufsteher sein neues Kapitel als Arzt und Wissenschaftler aufgeschlagen. Ein offener Magnetresonanzthomograph (MRT) steht ihm und sei­nem Team dabei nicht nur zur Seite – es ist die Maschine, die für viele Patienten eine buchstäblich letzte Hoffnung ist. Übrigens die einzige in Deutschland, die in dieser Form eingesetzt wird. Im Unterschied zur inzwischen bekannten „Röhre“ liegt hier der Patient in einem Magnetfeld, das von je einem Magneten über und unter ihm aufgebaut wird. Dr. Katharina Fischbach

blickt konzentriert auf die Bildschirme. Mit einer ausgefeilten Kopf­, Körper­ und Fingersprache verständigt sie sich aus dieser OP­Regie heraus mit dem Operateur. Die Patientin mit dem unkontrolliert in den Bauchraum laufenden Harn hofft trotz Vollnarkose und großer Schmerzen auf ihr Leben. Millimeter für Millimeter wird ein Katheter, der weniger als 1 mm im Durch­ messer misst, vorbei an Blutgefäßen und Nerven durch die Bauchhöhle gesteuert. Nichts wird dem Zufall überlassen, Hand und Finger des Operateurs drehen mit der Präzision eines Schwei zer Uhrwerks den schlanken Katheterdraht in Richtung des Operationsziels. Diese kleinen „Zauberstäbe“ sind gut auf den Monitoren von Katharina Fischbach zu erkennen. Und was vor wenigen Jahren sich noch keiner zu denken traute – einige der neuesten Modelle stammen nicht von den etablierten Platz­hirschen der Medizintechnik. Nein, sie kommen sozusagen von den Ingenieuren von schräg gegenüber. Prof. Dr. Ricke nennt diese Zusammenarbeit „einmalig“ an deutschen Universitäten: „Die Nachwuchsforschergruppe des BMBF­Innoprofile­Pro jek­tes „Intelligente Katheter (INKA)“ heißt nicht nur so – die jun­gen Nachwuchswissenschaftler liefern uns echte Innovationen, die wir nach Abstimmung mit der Ethikkommission auch testen.“ Natürlich seien die ersten Arbeitstreffen schon eine Heraus­

forderung gewesen, schließlich kämen Ärzte und Ingen ieu re zwar vom gleichen Planeten, sprechen aber verschiedene Spra­chen. „Um aber dauerhaft von Dolmetschern unabhängig zu sein, überwanden wir unser Sprachenwirrwarr“ – für beide Seiten eine echte Entdeckung, so Jens Ricke heute. Für Dipl.­Ing. Axel Boese, der das INKA­Team leitet, schmeckt dieses Lob nicht nur süß, es ist ihm auch eine Ehre. Die Mediziner­Familie rund um Jens Ricke hat schließlich nicht nur einen Ruf zu verlieren, sondern bereits mehrere hundert Patienten minimalinvasiv im offenen MRT therapiert – letzte Ausfahrt Magdeburg sozusagen. Mit gutem Grund zur Hoffnung.

Wahrscheinlich auch deshalb führt das Uniklinikum Magdeburg jetzt die bisher weltgrößte unabhängige klinische Onkologie­studie in 10 Ländern mit 700 Patien ten. Von nichts kommt eben nichts!

Magdeburg hat noch immer Pioniergeist

Sanft streicht er über die Knöpfe und Hebel von „Artis Q“. Behutsam bringt Martin Skalej die Maschinerie in ihre Aus­gangslage – Präzision und Ordnung müssen sein. Der Direktor des Instituts für Neuroradiologie ist ein sehr netter und gemüt­licher Mensch – ein Pfälzer, wie er im Buche steht. Muss man nach dem ersten Kennenlernen schon sagen. Aber sein „Baby“ lässt er keine Sekunde aus den Augen: „Artis Q gibt es so auf der ganzen Welt nur in Magdeburg. Wir mussten schweigen wie ein Grab, als dieser Prototyp einer weltweit neuen Angiographie­anlage im Sommer 2012 bei uns aufgestellt wurde. Und wir haben geschwiegen!“ Bis zum weltgrößten Röntgenkongress RSNA in Chicago, auf dem die neue Kombination von Röntgen­röhre und Detektor präsentiert wurde. Nicht nur Prof. Dr. Skalej, sondern auch die Fachwelt geriet ins Schwärmen: „Trotz deut­lich geringerer Belastung mit Röntgenstrahlen ist die Qualität

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der Bilder aus dem Körperinneren atemberaubend.“ Binnen weniger Sekunden können die Gefäße in 3­D dargestellt wer­den, ohne dass der Patient bewegt werden müsste. Ein Joystick genügt, um z. B. ein lebensgefährliches Aneurysma im Gehirn zu erkennen und von allen Seiten zu betrachten. Diese krankhafte Vergrößerung eines Blutgefäßes im Kopf kann schnell zu einer tödlichen Blutung führen. Auch bei dieser Diagnose kommen intelligente Katheter zum Einsatz. Bis zu 1,5 m muss der Opera­teur vom Einschnitt in der Leiste bis hinauf ins Hirn mit dem hauchdünnen Draht zurücklegen, wenn er beispielsweise dieses Blutgefäß „trockenlegen“ will. Am Ziel angekommen, schnüren

unfassbar feine Fäden das Aneurysma ab, bis kein Blut mehr hindurchzirkulieren kann. Ein ebenfalls mit dem Katheter her­antransportierter Stent, der sich wie ein Mini­Regenschirm im Hirn entfaltet, verstärkt das Abschnüren des kranken Gefäßteiles. Ein durch den Katheter gespritztes Kontrastmittel zeigt Ent war­nung – das Aneurysma hat verloren. Bei all’ diesen Operations ­vorgängen ist der Operateur ausschließlich auf das Bild auf seinem Monitor angewiesen. Dessen Präzision entscheidet über Erfolg oder Misserfolg der OP, über Leben oder Tod.

„Nur 8 Wochen haben wir in Magdeburg gebraucht, um Artis Q in unserer Klinik zu installieren. Das nenne ich Pioniergeist. Und Siemens hätte auch in die USA oder nach Asien mit dieser neuen Maschine gehen können.“ Genau diese Einstellung lockte Martin Skalej von Tübingen an die Elbe. Bis heute findet er die­sen Pioniergeist an der OVGU.

Jetzt wollen wir in die Bundesliga

Offensichtlich hat Prof. Dr. Georg Rose die Bohrer gefunden, die er für die dicken Bretter brauchte. Sein Büro jedenfalls macht heute einen ganz aufgeräumten Eindruck. Er selbst wirkt entspannt,

ohne selbstzufrieden zu sein: „Das BMBF hat mit seiner Inno va ­ t ions initiative Unternehmen Region echte Aufbau hilfe geleistet und verhalf unseren Medizintechnik­Projekten zum Durch bruch.

Seit sich nun Mediziner und Ingenieure aufeinander zubewegen, ist an der Uni Magdeburg eine völlig neue Dynamik entstanden.“ Die Medizintechnik stellt heute einen Forschungs schwer punkt dar. So war es wahrscheinlich nur ein logischer Schluss, dass die OVGU aus dem „Forschungscampus“­Wettbewerb des Bundes ­forschungsministeriums siegreich hervorging. Mit dem Projekt STIMULATE (Solution Centre for Image Guided Local Therapies) gehört sie zu zehn Forschungs vorhaben, die von über 90 bundes­weit gestellten Anträgen ver schie dens ter For schungs bereiche aus­gewählt wurden. „Unser Ziel ist der Aufbau des Deutschen Refe ­renz zentrums für bildgestützte minimal­invasive Medizin in Magdeburg. Inner halb von rund 10 Jahren wollen wir zusammen mit der Siemens Health care AG sowie lokalen Partnern, wie dem Deutschen Zentrum für Neuro degenerative Erkrankungen, dem Fraun hofer­Institut für Fabrikbe trieb und ­automatisie­rung sowie mittelständischen Unternehmen aus Sachsen­Anhalt dieses ambitionierte Vorhaben schultern“, gibt sich Georg Rose selbstbewusst. Grund zum Zwei feln gibt es nun nicht mehr. Wer sich heute in der Bundesrepublik mit bildge­führten minimal­invasiven Opera tionsmethoden beschäftigt, kommt um die Landes hauptstadt Sachsen­Anhalts nicht mehr herum. Und das ist auch gut so !

INFORMATION

Der Forschungscampus STIMULATE wird neben dem schon existierenden Master­Studiengang „Medical Systems Engineering“ auch einen neuen Bachelor­Studiengang anbieten. Zusammen mit der Deutschen Akademie für Mikrotherapie (DAfMT) finden außerdem berufsbegleitende Qualifizierungen für Mediziner und Techniker statt, die sowohl im Uniklinikum Magdeburg als auch auf dem Forschungscampus der Experimentellen Fabrik angeboten werden.

Im Rahmen der BMBF­Innovationsinitiative Unternehmen Region wurden bis­her an der Universität Magdeburg die Vorhaben ASTER (Akut­Schlaganfall­Telematikplattform für den Rettungswagen), INKA (Intelligente Katheter) sowie TASC (Telemedizinisches Notfallnetzwerk für Schlaganfallpatienten, dessen Ergebnisse im Klinikalltag mit zurzeit 8 Krankenhäusern Anwendung finden), gefördert und realisiert.

„Artis Q gibt es so auf der ganzen Welt nur in Magdeburg.“

R u n d b l i c k Z I K B C u b e

BODYBUILDER MIT KÖPFCHEN

Ein Motorprotein läuft auf einer Eiweißstraße (Mikrotubulus) und befördert ein Membranvesikel – eine Art Transportsack, der etwa das Hormon Insulin enthalten kann.

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Seit einer Milliarde Jahren schleppen winzig kleine Motor proteine gewaltige Lasten durch Zellen. Am Dresdner

Zentrum für Innovationskompetenz „B CUBE“ nutzen Forscher die Kraft sportler jetzt für medizinische Diagnose-Chips und

andere nanotechnologische Anwendungen.

Z I K B C u b e R u n d b l i c k

Gräuliche Plattenbauten auf der einen, kalkweiße Fünfstöcker auf der anderen Straßenseite, die Elbe noch nicht ganz in Sichtweite, dafür zwei Bushaltestellen und ein „Netto“ nebenan. Die Arnoldstraße in Dresden­Johannstadt ist eine funktionale Wohngegend, in der man eher ein Fitnessstudio als internatio­nale Spitzenforschung erwartet. Konsequenterweise hat sich in

der Hausnummer 18 das „Thomas Sport Center“ eingerichtet. Wer hier trainiert, stählt seine Muskeln mit Kurz­ und Lang­hanteln, feilt an seinen Schritten im Aerobic­ oder Zumba­Kurs – und hat vermutlich keine Ahnung, dass der wahre Spitzensport drei Etagen weiter oben stattfindet. Dort werden am Zentrum für Innovationskompetenz (ZIK) „B CUBE – Center for Molecular Bioengineering“ beindruckende Lasten bewegt, werden Myria­den von Schritten mit beispielloser Präzision ausgeführt.

Athletischer Körper, riesige Füße

Hinter einer unscheinbaren Klarglastür im 4. Stock offenbart sich ein fast 1.000 Quadratmeter großes Labyrinth aus blauen Linoleumfluren, Laboren sowie Kühl­ und Büroräumen. Im fakultätsübergreifenden Forschungszentrum B CUBE der TU Dresden sind zwei Nachwuchsforschergruppen und zwei Professuren beheimatet. Eine von ihnen hat Stefan Diez inne. Der gelernte Physiker und Heisenberg­Professor für BioNano­Werkzeuge ist sozusagen einer der Übungsleiter am ZIK B CUBE; seine kraftstrotzenden Schützlinge sind nur wenige Nanometer große Proteine mit ganz speziellen Eigenschaften: „Wir forschen an so genannten Motorproteinen, die chemische

Energie direkt in Bewegung umwandeln können“, erklärt Stefan Diez. Doch nicht nur daraus resultierende Wirkungsgrade von über 50 Prozent machen die Motorproteine interessant: „Wir arbeiten mit Kinesinmotoren, die sich mit völlig gleichmäßigen Schritten entlang von so genannten Mikrotubuli vorwärts­bewegen.“

Das kommt Stefan Diez so locker über die Lippen wie den Aerobic­Trainern drei Etagen tiefer ihre Kommandos – ist aber dennoch erklärungsbedürftig: Proteine sind die Bausteine des Körpers, Bodybuilder im Wortsinn. In Zellen übernehmen sie die verschiedensten Aufgaben. Als Kinesinmotoren transportie­ren sie auf ihren Köpfchen Lasten wie etwa Hormonpakete, die um ein Vielfaches größer sind als sie selbst. Das andere Ende ihres athletischen Körpers bilden zwei überdimensionale Füße. Angetrieben von der zuckerhaltigen Verbindung Adenosin­triphosphat (ATP) laufen die Motorproteine auf den röhrenför­migen Proteinfasern, den Mikrotubuli. Schwerbepackt wandern sie diese Eiweißstraßen mit exakt 8 Nanometer langen Schritten entlang. Ein faszinierender Prozess – der seit rund einer Jahr­milliarde in pflanzlichen und tierischen Zellen abläuft. Was aber hat das mit der biotechnologischen Spitzenforschung zu tun, die das B CUBE für sich reklamiert?

Bildgebung dank Crowdsurfing

„Wir lösen die Motorproteine und Mikrotubuli aus ihrer natür­lichen Umgebung, der Zelle, heraus und untersuchen sie in einem künstlichen Umfeld“, erklärt Stefan Diez. Dadurch lernen

Motorproteine

Krankheitsmarker

für Diagnoseirrelevante Proteine

Mikrotubuli mit Antikörpern

Farbstoff

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Beim Drei-Kammer-Diagnosechip machen sich die B CUBE­Forscher die Transportkräfte der Motor ­proteine zunutze: In Kammer 1 befinden sich mit Antikörpern markierte Mikrotubuli. An ihnen heften sich die gewünsch­ten Krankheitsmarker an und wer­den durch die Motorproteine in Kammer 2 transportiert. Dort werden sie mit Farbstoffen markiert und in Kammer 3 gebracht, wo sie ausgelesen werden können.

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er und seine Kollegen, Funktion und Fehlfunktionen der Proteine besser zu verstehen, die auch bei Krankheiten wie Alzheimer eine Rolle spielen.

Die Dresdner Forscher gehen aber noch einen entscheidenden Schritt weiter und setzen Motorproteine für Prozesse ein, die so in der Natur gar nicht vorkommen. Sie kleben die Kinesinmoto­ren verkehrt herum auf ein Trägermaterial und lassen sie die Mikrotubuli mit ihren Füßen weitergeben. „Dabei entsteht ein Transporteffekt wie beim Crowdsurfing auf Rockkonzerten“, erläutert Stefan Diez. Die Mikrotubuli bestücken er und seine Kollegen mit Farbstoffen oder auch mit Antikörpern, an denen nur spezielle Stoffe haften und so bewegt werden können. Auf diese Weise entstehen ganz neue nanotechnologische Anwen­dungen wie z. B. Computer auf Proteinbasis. Auch für die opti­sche Bildgebung lassen sich Motorproteine und Mikrotubuli einspannen. Am reizvollsten finden Stefan Diez und sein Kollege Till Korten allerdings die molekularen Sortier maschinen.

Dreißig Minuten bis zur Leukämie­Diagnose

„Mit unseren molekularen Sortiermaschinen filtern wir aus dem komplexen Gemisch Blut genau die Bestandteile heraus, die man für eine Diagnose braucht“, sagt Till Korten. Am ZIK B CUBE forscht der promovierte Biochemiker an der Steuerung eines Chips, der die medizinische Diagnostik revolutionieren soll. Dafür kleben die Dresdner Forscher Hunderttausende von Motorproteinen in drei kleine Kammern. In die erste füllen sie Mikrotubuli, an denen Antikörper aus einem selbstentwickelten Baukastensystem haften. Geben die Mediziner nun einen Tropfen Blut dort hinein, lagern sich Krankheitsmarker an die Mikrotubuli an und werden durch die Motorproteine in die zweite Kammer gebracht. Dort werden sie mit Farbstoffen mar­kiert, die dann in der dritten Kammer ausgelesen werden kön­nen. Damit die Nano­Bodybuilder nicht bereits ohne Bluts­tropfen mit dem Workout beginnen, sind sie auf konsequente

Trainer angewiesen: „Über die Temperatur oder den Treibstoff ATP können wir die Motorproteine ein­ und ausschalten“, erklärt Till Korten.

Die Vorteile liegen für ihn auf der Hand: „Im Gegensatz zu her­kömmlichen Methoden brauchen solche Chips keine Pumpen, keinen Strom und nur einen Bruchteil der teuren Antikörper.“ Ihr Minimalismus soll die Diagnose­Chips später einmal zu günstigen Einwegprodukten machen, die fernab großer Labore funktionieren – in der Dresdner Hausarztpraxis genauso wie in der afrikanischen Savanne. Doch das ist für Till Korten noch nicht einmal der größte Vorzug: „Wir haben die Vision, später einmal Krankheiten wie etwa Leukämie innerhalb von 30 Minuten diagnostizieren zu können.“ Es gibt viele unterschied­liche und gerade bei Kindern sehr aggressive Leukämie­Arten, die jeweils eine spezielle Therapie erfordern. Heute verstreichen bis zur präzisen Diagnose oft unfassbare drei Monate – verlore­ne Behandlungszeit, die der Motorprotein­Chip in Zukunft fast komplett einsparen soll.

Umzug statt Zumba

Vier Jahre nach dem Beginn der Unternehmen­Region­Förderung gehört das ZIK weltweit zu den forschungsstärksten Gruppen auf dem Feld nanotechnologischer Anwendungen. Bald werden die knapp 80 B CUBE­Mitarbeiter neue Kollegen bekommen: „Wir planen eine dritte Professur und mittelfristig eine Aufstockung auf rund 150 Mitarbeiter“, stellt Stefan Diez in Aussicht. Rund 500 Meter östlich der Arnoldstraße soll deshalb bis 2016 der 2.700 Quadratmeter große Neubau für das ZIK entstehen. Das BIOTEChnologische Zentrum der TU Dresden, einer der wich­tigsten Forschungspartner, wird dann zu den neuen Nachbarn gehören. Auf ein Fitnessstudio im Haus müssen die B­CUBE­Forscher dann allerdings verzichten. Doch wen interessieren schon Hanteltraining und Zumba, wenn er Motor proteine in Nanometergröße zum Hochleistungssport antreiben kann?

Mit dem Fluoreszenzmikroskop können Stefan Diez (rechts) und Till Korten beobachten, welch enorme Lasten die winzig kleinen Motorproteine innerhalb und außerhalb der Zelle bewegen.

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Zahlen bitte !

3... Euro kostet es einen Automobilhersteller in der Herstellung,

ein Kilogramm Masse je Fahrzeug einzusparen. Doch das Sparen macht Sinn: Ein 100 Kilogramm leichteres Auto verbraucht rund 0,3 Liter weniger Kraftstoff auf 100 Kilometer. Das Eisenacher Innovationsforum „Campus Wartburgregion – Leichtbau“ unter­sucht und entwickelt Leichtbaumaterialien für die Automobil­industrie weiter – unter besonderer Betrachtung der Energiebilanz für Hersteller und Anwender.

11.000.000 11.000.000… Schweine mussten bei der bislang größten

Schweinepestepidemie im Jahr 1997 in den Niederlanden gekeult werden. Allein der volkswirtschaftliche Schaden betrug mehr als 2 Mrd. Euro. Das ForMaT­Vorhaben „VAKZiNOVA“ in Halle (Saale) entwickelt Impfstoffe auf der Basis gentechnisch ver­änderter Hefen, um Tiere in Massenhaltung

auf schonende und kostengünstige Weise gegen Viruserkrankungen wie Schweinepest zu

schützen.

1.700.000… Tonnen Biokunststoffe sollen im Jahr 2015 weltweit her­

gestellt werden, prognostiziert die Hochschule Hannover. In diesen Zukunftsmarkt stößt das Berliner Innovations­forum „Biopolymere und biobasierte Kunststoffe“, indem es Biomasse für die Kunst stoff produktion stoff­lich nutzen will. Auf Basis des regionalen Netzwerks soll

am Standort Schwarzheide mittelfristig ein „Innovations­zentrum Bioplastics Lausitz” entstehen.

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Z a h l e n b i t t e !

… Liter Wasser verbraucht der Durchschnittsbürger in Deutsch­land am Tag – und damit 17 Prozent weniger als noch im Jahr 1990. Den Abwasserkanälen bekommt die Sparsamkeit schlecht: Sie korrodieren, kämpfen mit Ablagerungen und verbreiten üble Gerüche. An Lösungen für diese und weitere Herausforderungen arbeitet das Innovationsforum „Energie­ und umwelteffiziente Abwasserfördersysteme“ (AWASYS) in Gera.

E i n b l i c k P h y s i o l u t i o n G m b H

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Die Physiolution­Väter Grzegorz Garbacz (rechts) und Werner Weitschies mit ihrem jüngsten Baby, dem „pHysio­stat“.

„ Die Konzerne kommen erst zu uns, wenn das Problem groß genug ist.“

P h y s i o l u t i o n G m b H E i n b l i c k

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StresstestJahrelang bastelt Grzegorz Garbacz in einem Dachlabor an seiner Erfindung. Als sein Stresstester zur Medikamentenaufnahme im Jahr 2009 marktreif ist, wagen er und sein Doktorvater die Unter-nehmensgründung. Heute hat die Greifswalder Physiolution GmbH fünf Mitarbeiter und internationale Pharmakonzerne auf der Kunden liste.Die Wirkung setzt etwa 30 bis 60 Minuten nach der Tabletten­einnahme ein. Dann beginnt der Arzneistoff Diclofenac damit, Schmerzen zu lindern und das Fieber zu senken. Ganz so schnell ging es bei der Gründung der Physiolution GmbH nicht – aber fast.

„Die Idee für die Firma hatten Werner Weitschies und ich gemein­sam“, erinnert sich Grzegorz Garbacz. Der junge Wissen schaftler und sein Doktorvater hatten damals mehrere Aufträge von Firmen angenommen. „Weil wir die aber nur über eine Firma ausführen konnten, haben wir praktisch über Nacht ein Unter­nehmen gegründet“ – die Physiolution GmbH. Dass es überhaupt dazu kam, ist allerdings langjährigen Forschungs arbeiten der bei­den Pharmazeuten zu verdanken, die im Rahmen der InnoProfile­Initiative „Drug­Delivery­Technolo gien“ durchgeführt wurden.Seit 2004 arbeitet der von der polnischen Medizinischen Uni­versität Wrocław (Breslau) kommende Garbacz am Institut für Biopharmazie und Pharmazeutische Technologie der Universität Greifswald. Der junge, umtriebige Wissenschaftler mit Forscher­drang hat es als Pharmazeut mit der Beschaffenheit, Wirksamkeit und Prüfung von Medikamenten zu tun. „Schon als Diplomand und auch später als Doktorand habe ich mich dafür interessiert, wie Tabletten ihre Wirkstoffe freisetzen“, erklärt Garbacz. Vor allem die Testverfahren unter realitätsnahen Bedingungen für die Pharmaindustrie könnten deutlich besser funktionieren, fand Garbacz damals.

Vom Dachlabor zum Nachwuchspreis

In einem kleinen Dachlabor an der Hochschule begann er des­halb, ein eigenes Testgerät zu entwickeln; im Jahr 2009 war es marktreif. Der Stresstester imitiert die mechanischen, physika­lischen und chemischen Bedingungen, denen Tabletten im Magen­Darm­Trakt ausgesetzt sind. Sie entscheiden darüber,

wo und wann Wirkstoffe wie etwa Diclofenac im Körper freige­setzt werden. Erst eine präzise Vorhersage dieser Vorgänge ermöglicht es den Pharmafirmen, Medikamente zu entwickeln. Das von Garbacz entwickelte In­Vitro­Testsystem arbeitet dabei exakter als herkömmliche Testsysteme, beschleunigt so die Ent­wicklung neuer Arzneimittel und spart damit Herstellungskosten.

Für diese Innovation erhielt Garbacz mehrere Auszeichnungen, darunter im Jahr 2009 den Ludwig­Bölkow­Nachwuchspreis der Schweriner Industrie­ und Handelskammer. Der Preis und vor allem das Preisgeld von 2.500 Euro kamen zur rechten Zeit. Zu ­ s am men mit den Ersparnissen aus seiner Doktorandenzeit floss es einen Monat später in sein Startkapital zur Firmen gründung ein. So musste keiner der beiden Gründer einen Kredit aufnehmen. Drei Jahre später im Physiolution­Labor am Rande des Greifs­walder Universitätscampus: der Stresstester steht noch immer mitten im Labor des Unternehmens. Mit ihm untersucht Kathrin Hannemann seit zwei Jahren für Pharmaunternehmen das Auflösungsverhalten von Tabletten. In diesem Jahr hat die Chemi­kerin eine neue Kollegin bekommen: ohne die Biologin Anne Deuter wären die steigenden Auftragszahlen einfach nicht mehr zu bewältigen. Auch zwei weitere Gesellschafter haben das kleine Unternehmen inzwischen verstärkt: Sandra Klein, die neu berufene Professorin für Pharmazeutische Technologie am Institut für Pharmazie und Werner Müller, Inhaber der Firma Erweka, die pharmazeutische Laborgeräte herstellt und weltweit vertreibt.

Unmögliches sofort, Wunder innerhalb einer Woche

Auch für Grzegorz Garbacz ist die Selbstständigkeit zum Vollzeit­job geworden: Schon im Jahr 2010 hat er sich erst einmal aus der Hochschulforschung zurückgezogen. Doch um sein Fernziel Habi­ li tation nicht aus den Augen zu verlieren, hat er einen Lehrauftrag

bestanden

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an der Greifswalder Universität angenommen. Die theoretische Vorlesung ist ein deutlicher Kontrast zu seinem Unternehmeralltag: „Bei Physiolution bin ich im Prinzip für alles zuständig, von der Konzeptphase bis über die Entwicklung von analytischen Metho­den, Messverfahren und Prototypen“, erklärt Garbacz und fügt hinzu: „Von meiner Forschungsarbeit an der Uni unterscheidet sich das hier kaum. Nur muss ich hier darauf achten, dass die Liquidität stimmt.“

Das ist nicht immer einfach. Die Aufträge sind zwar da, doch manchmal schafft die Zahlungsmoral eines Kunden finanzielle Engpässe – eine bittere Pille für ein so kleines Unternehmen, das auf diese Weise auch schon Krisen kennengelernt hat. Da passiert es dann schon einmal, dass Aufträge angenommen werden, die nicht so ganz zum eigenen Geschäft passen, nur um Umsatz zu machen. Kein Problem – dank des inoffiziellen Firmenmottos „Unmögliches sofort – Wunder innerhalb einer Woche“ und Talent: „Grzegorz kann fast alles!“, sagt schmun­zelnd der fast zwanzig Jahre ältere Weitschies, der den Lehrstuhl für Biopharmazie und Pharmazeutische Technologie an der Greifswalder Universität innehat.

Doch hinter dem Augenzwinkern verbirgt sich auch eine Portion unternehmerischer Stolz – und das durchaus berech­tigt: „Physiolution ist nämlich eine echte Ausgründung und kein Subventionsobjekt“, erzählt Weitschies. „In den letzten drei Jahren wurde jeder ausgegebene Euro auch selbst verdient“. Und davon gibt es seit Anfang des Jahres wieder ein paar mehr. Grund ist eine Neuentwicklung, die ebenfalls in der pharma­zeutischen Entwicklung zum Einsatz kommt.

Ein unscheinbarer Hoffnungsträger

Der neue Hoffnungsträger heißt „pHysio­stat“ und ist ein unscheinbarer, 20 Zentimeter langer Kasten. Er macht es mög­lich, den pH­Wert eines kohlesäurehaltigen Mediums über län­gere Zeit konstant zu halten. Das klingt einfach, ist aber nur mit komplizierter Regelungstechnik zu leisten. Die Geräte werden für die Tests von Medikamentenwirkstoffen benötigt, die ioni­sierbar sind; also entweder basisch oder säurehaltig sind. Mit dem pHysio­stat kann das Freisetzungsverhalten derartiger Wirkstoffe aus Medikamenten realitätsnah bestimmt werden. Nur mit dem pHysio­stat, wie Garbacz erklärt: „Kein anderes Gerät liefert im Bereich der pharmazeutischen Analytik so prä­zise Messergebnisse“, freut sich Garbacz.

Seit einiger Zeit leistet sich die Firma einen eigenen Labor­techniker in Teilzeit. Frank Scheffter ist sonst am Institut für Physik angestellt, bei Physiolution GmbH realisiert er die Ideen in Bezug auf die Hardware, die Garbacz gemeinsam mit ihm entwi­ckelt. Die Zusammenarbeit schätzen beide sehr; ohne Scheffter würde es den pHysio­stat so nicht geben. 2010 entstand die erste Kleinserie aus sechs Anlagen, die bei Koopera tionspartnern in Slowenien und in der Schweiz installiert wurden. „Wir suchen bei unseren Forschungs­ und Entwicklungs aufträgen die unmittelba­re Auseinandersetzung mit den Anwendern“, erläutert Garbacz. „Die Geräte werden von ihnen getestet, und wir kriegen dann ein Feedback, ob es gut war oder nicht.“ Der pHysio­stat war gut, hier und da wurden noch Kleinigkeiten verbessert. Inzwischen sind 30 Stück gebaut und werden nun verkauft.

Pfizer, Novartis und Merck auf der Kundenliste

Die Physiolution GmbH möchte noch bekannter werden mit ihren Produkten und Dienstleistungen. Zwar stehen schon heute Pharmaunternehmen wie Pfizer, Hexal, Novartis, Johnson & Johnson und Merck auf ihrer Kundenliste. „Aber“, berichtet Weitschies, „die Konzerne kommen erst zu Grzegorz, wenn das Problem groß genug ist. Vorher versuchen sie lange, es selbst zu lösen.“ Der Ruf als Problemlöser eilt Physiolution voraus, dank Mund­zu­Mund­Propaganda und diverser Publikationen. Eine Publikation zum pHysio­stat ist im Herbst erschienen, eine wei­tere ist kurz davor und eine ist noch in der Beurteilung – ein großes Renommee für die kleine Firma. „Das Beste wäre, wenn die Kunden mit unseren Geräten Daten erzeugen, die publiziert werden und Physiolution dann auch genannt wird“, wünscht sich Weitschies.

Auf dem Weltkongress für Pharmazie, Biopharmazie und Pharmazeutische Technologie 2014 in Lissabon sollen der Stresstester und eine Weiterentwicklung des pHysio­stat der breiten Fachöffentlichkeit vorgestellt werden. Darauf setzt das mittlerweile fünfköpfige Physiolution­Team seine Hoffnungen. „Wir bauen das Unternehmen weiter aus“, kündigt Weitschies an, „ bis wir am Ende einen ganzen Strauß an Prüfmöglichkeiten haben, den wir unseren Kunden anbieten können.“ Und die wissen genau: Die Physiolution GmbH kann fast alles . ..

Käfighaltung für Tabletten: Mit Edelstahlsieben taucht der Stresstester die Medikamente in Flüssigkeiten und bestimmt so ihr Auflösungsverhalten.

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Getestet, poliert und gestapelt: Sieben frisch produzierte „pHysio­stat“ warten auf die Auslieferung.

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Auf dem Holzweg in die Zukunft

In den vergangenen Jahren hat die Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde ein unverwechselbares Profil entwickelt: nachhaltig, aber pragmatisch. Das zeigt sich beim Bodenbelag einer Fußgängerbrücke genauso wie beim Bohnenanbau im Plattenbauviertel oder der Forschung an mobilen Hühnern.

Prägende Gestalt: Wilhelm­Günther Vahrson amtiert seit 1998 als Hochschulpräsident, aus dem

selben Jahr stammt die Bibliotheks­fassade aus bedrucktem Glas.

Die thermisch modifizierten Hölzer lagern hingegen erst wenige Monate auf

dem Waldcampus (rechts).

Feuchtigkeitscremes, Buntwaschmittel, Ölkonzerne und sogar Autobahnen: Alles, was sich leichter verkaufen oder vermitteln lassen soll, schmückt sich heute mit dem Prädikat „nachhaltig“. Im Jahr 2010 eroberte sich das Modewort ein weiteres Terrain: Die Fachhochschule Eberswalde nahm es als erste und bisher einzige deutsche Hochschule in ihren Namen auf und nennt sich seither „Hochschule für nachhaltige Entwicklung Ebers walde“ (HNEE). Wer dahinter einen plumpen Versuch vermutet, durch eine grün­gefärbte PR­Strategie auf sich aufmerksam zu machen, der irrt sich – und zwar nachhaltig.

Crashkurs in Nachhaltigkeit

Wilhelm­Günther Vahrson kennt das Vorurteil inhaltsleerer Nachhaltigkeits­PR gegen seine Hochschule. Wer den Präsi den­ten der HNEE in seinem grün durchrankten Büro am Stadt­campus besucht, bekommt deshalb einen historischen Crash kurs zum Thema Nachhaltigkeit in Eberswalde. Aus einem armdicken, vergilbten Wälzer trägt Vahrson vor: „Aus den Waldungen des Staates soll jährlich nicht mehr und nicht weniger Holz genom­men werden, als bei guter Bewirt schaftung mit immerwährender Nachhaltigkeit daraus zu beziehen möglich ist.“ Die Zeilen stam­men aus dem Jahr 1804 und von Georg Ludwig Hartig. Er veran­lasste 1821 die Begrün dung der Forstwissenschaft durch Friedrich

Wilhelm Leopold Pfeil an der Universität zu Berlin. Aus ihr ging im Jahr 1830 die Königliche Preußische Höhere Forstlehranstalt in Eberswalde hervor, aus der sich schließlich die HNEE entwi­ckelte. „Schon immer spielt Nachhaltigkeit an unserer Hochschule eine große Rolle“, sagt der seit 1998 amtierende Vahrson, „also der Gedanke, sämtliche Ressourcen so zu nutzen, dass sie den kom­menden Generationen auch noch zur Verfügung stehen.“

Um dieses komplexe Ziel zu verfolgen, setzt die HNEE an den verschiedensten Hebeln an. „Eine wichtige Frage ist: Wie können wir als Hochschule unseren eigenen ökologischen Fußab druck kleiner machen?“, sagt Vahrson. Deshalb traf der habilitierte Geo­graph die strategische Entscheidung, einen völlig neuen Posten an der Hochschule zu schaffen.

Brandenburgische Eiche statt Tropenholz

Mit Kerstin Kräusche könnte man sich beinahe an jedem Ort der Hochschule treffen. Seit 2007 ist sie die erste Umwelt managerin der HNEE und hat fast überall ihre Finger im Spiel: bei der Holz­hackschnitzelheizung, die den gesamten Waldcampus beheizt – den zweiten Standort der Hochschule; bei einem der ungezählten Kopierer, die ausschließlich Recyclingpapier bedrucken oder bei der frisch sanierten Neuen Forstakademie, die durch eine auf­

wendige Wärmedämmung ohne Klimaanlage auskommt. Doch für eine Verabredung schlägt die Umweltmanagerin die kleine Fußgängerbrücke über das Flüsschen Schwärze vor, das den Stadtcampus durchzieht: „Ursprünglich hätten hier Bodenplanken aus Tropenholz liegen sollen“, erklärt Kerstin Kräusche schwung­voll. „Nachhaltig ist nun aber was anderes. Deshalb habe ich mich darum gekümmert, dass brandenburgische, FSC­zertifizierte Eiche verlegt wurde.“ Im Jahr 2009 wurden die vielfältigen Bemühungen belohnt: Als eine von nur 14 deutschen Hoch­schulen erhielt die HNEE das EMAS­Zertifikat der EU für geprüf­tes Umwelt manage ment, nur ein Jahr später als erste deutsche Hochschule überhaupt den europäischen EMAS­Award für klei­nere Organisationen der öffentlichen Verwaltung.

„EMAS verlangt einen sparsamen Umgang mit Ressourcen, eine hohe Transparenz – und dass wir uns ständig weiterentwickeln“, sagt Kerstin Kräusche beim Mittagessen in der Mensa, die man über die Schwärze­Brücke erreicht. Die Vollkorn­Spaghetti mit Bolognese von roten Linsen auf ihrem Teller sind ein schmack­haftes Beispiel dafür. Seit 2010 hat sich die Studentenkantine zur Nachhaltigkeitsmensa weiterentwickelt, mit vielen vegetari­schen, veganen und fair gehandelten Produkten, allesamt aus­führlich deklariert. Doch eines ist der Umweltmanagerin wichtig:

„Wir wollen frische und regionale Produkte – aber keine Scheuklappen“, sagt Kräusche. Und weil Nachhaltigkeit in an der HNEE pragmatisch statt dogmatisch interpretiert wird, findet man in der Mensa auch Produkte aus konventioneller Land­wirtschaft: „Bevor wir so genannte Bio­Erdbeeren aus Süd afrika einfliegen, nehmen wir lieber welche aus einem regionalen Betrieb, der konventionell wirtschaftet.“ Am liebsten ist Kräusche aber, wenn ein regionaler Betrieb ökologisch arbeitet – so wie das „Ökodorf Brodowin“, das etwa 20 Kilometer nordöstlich von Eberswalde liegt.

Ein Dorf fasst einen mutigen Entschluss

Peter Krentz steht im Hofladen des Ökodorfs – vor sich ein Sechserpack Brodowiner Freilandeier, hinter sich eine zwanzig­jährige Erfolgsgeschichte. „Nach der Wende haben wir erst mal eine Rosskur durchgemacht – das kann man sich gar nicht vor­stellen!“, poltert der Geschäftsführer des Ökodorfs Brodowin los. Nur 23 von 120 Mitgliedern der landwirtschaftlichen Produktions­genossenschaft konnten nach der Wende weiterarbeiten, alle anderen wurden in den Vorruhestand geschickt oder über Nacht arbeitslos. Peter Krentz erinnert sich, wie schließlich ein ganzes Dorf einen mutigen, visionären Entschluss fasste: „Wir wollten

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Zufriedener Geschäftsführer im Hofladen: Peter Krentz zeigt sechs von 100.000 Eiern,

die das „Ökodorf Brodowin“ jedes Jahr ökologisch produziert.

Glückliche Henne im Hühnermobil: Forschungsprojekte der HNE Eberswalde zeigen,

wie 400 Brodowiner Hühner günstiger satt werden. (rechts)

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ein Ökodorf werden, mit ökologischem Tourismus, grüner Energie und Abfallwirtschaft und mit nachhaltiger Land­schaftspflege und Naturschutz – vor allem aber mit hundertpro­zentig ökologischer Landwirtschaft.“

Was folgte, war ein radikaler Umbau vor allem der landwirt­schaftlichen Infrastruktur und ein kleines demografisches Wunder: Im Gegensatz zur großen Mehrheit schrumpfender Dorfgemeinschaften leben heute 430 Menschen in Brodowin – rund ein Zehntel mehr als noch 1990. Allein im „Ökodorf Brodowin“ arbeiten 80 Menschen, kümmern sich um 400 Hühner, 220 Milchrinder, 200 Ziegen und 12,5 Quadratkilometer Land, veredeln Frischmilch in der hofeigenen Schaumolkerei und ver­treiben 60 hofeigene Produkte. „Wir wollten von Beginn an Wertschöpfungsketten aufbauen, um möglichst viele Arbeits­plätze zu schaffen“, erklärt Peter Krentz.

Die Hochschule macht Hühner mobil

Deshalb ist ihm auch die Zusammenarbeit mit der HNEE so wichtig. Zum Studiengang Ökolandbau und Vermarktung bestehen Verbindungen, die weit über die obligatorische Hof­führung für die Erstsemester hinausgehen. „Seit wir vor fünf

Jahren Praxispartner der Hochschule geworden sind, gibt es viele gemeinsame Projekte“, stellt Peter Krentz fest. „Am wich­tigsten sind aber die mobilen Hühnerwagen.“ Seit dem Frühjahr 2011 bewohnen mehrere Hundert Legehennen die mobilen Geflügelställe auf einer Brodowiner Streuobstwiese. Ausgerüstet mit hochauflösenden Kameras und elektronischer Tier er­kennung sind die von der HNEE angeschafften Hühnermobile Ansatzpunkt für eine Vielzahl von Forschungsarbeiten. HNEE­Studenten haben z. B. festgestellt, dass die freilaufenden Hühner bis zu einem Sechstel ihrer Nahrung als Gras, Würmer und Käfer aufnehmen. Diese Menge an Biokraftfutter kann in Brodowin nun eingespart werden – wenn die Hühner rechtzei­tig umziehen. „Wir sind sehr dankbar, dass hier jemand forscht, denn im Tagesgeschäft haben wir dafür nicht so viel Zeit“, freut sich Krentz.

Doch nicht nur von der Forschung profitiert das Ökodorf. Am 1. September fängt hier ein HNEE­Absolvent als Bereichsleiter Ackerbau an – „ein junger Mann, mit Freundin hier in der Region und vielleicht bald auch Familie“, ist Krentz optimis­tisch. „Das macht uns schon ein bisschen stolz, denn hier hat er auf jeden Fall eine Perspektive.“

„Wir wollten ein Ökodorf werden, mit ökologischem Tourismus, grüner Energie und Abfallwirtschaft und mit nachhaltiger Landschafts-pflege und Naturschutz – vor allem aber mit hundert-prozentig ökologischer Landwirtschaft.“

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„Wir sind eine sehr forschungsstarke Fachhochschule.“

Holztechniker Alexander Pfriem vor einem Stapel thermisch modifizierter Hölzer und einem Holztrockner.

Top Ten der FHs

Über die Perspektiven, die die Eberswalder Hochschule bietet, spricht man am besten mit Alexander Pfriem. „Unsere Haupt­aufgabe als FH ist es, Fachkräfte für die Wirtschaft auszubilden“, ist der Professor für Chemie und Physik des Holzes über zeugt. „Und gerade in meinem Fachbereich können wir den Bedarf in der Region gar nicht befriedigen.“ Pfriem freut sich über die Nachfrage nach den Holztechnik­Studenten: „Fast alle Absol­venten kommen schnell bei Unternehmen unter – in der Region, aber auch in ganz Deutschland und im europäischen Ausland.“

Dieser Erfolg bei der Jobsuche liegt an der überschaubaren Konkurrenz unter den deutschen Hochschulen, aber auch an der Nähe zu den Anwendern: „Von allen Fachbereichen ist die Holztechnik am nächsten dran an der Industrie, auch im Forschungsbereich“, sagt Pfriem, zugleich Vizepräsident für Forschung und Technologietransfer. Mit einem süddeutschen Holzbauunternehmen optimieren die Holztechniker den Brandschutz und die Akustik von Systemwänden. Auch Kleb­stoffhersteller, mit denen die Eberswalder neuartige Holzkleber entwickeln, gehören mittlerweile zum Netzwerk. „Wir sind eine sehr forschungsstarke Fachhochschule“, erklärt Pfriem. Bei 46 Pro fessuren kommt die HNEE auf Dritt mitteleinnahmen von knapp fünf Millionen Euro und gehört damit in dieser Kategorie zu den Top Ten der deutschen FHs.

„Im vergangenen Jahr hat die Hochschule ihre Forschungs­aktivitäten nochmals gebündelt“, erklärt Pfriem. Neben der nachhaltigen Entwicklung des ländlichen Raumes stehen Verfahrenstechniken im Bereich pflanzlicher Materialien im Fokus. Zum zweiten Schwerpunkt gehört auch das „Wood Modification Network“, das Pfriem in den vergangenen Jahren aufgebaut hat. Neun Partner, darunter die Landwirt schafts­

universität im schwedischen Uppsala und die estnische Tartu Universität, gehen den unterschiedlichsten Forschungs fragen zur Holzmodifikation nach: Wie lassen sich auf chemische oder physikalische Weise biologische Dauerhaftigkeit, Dimen sions­stabilität oder das Emissionsverhalten von Hölzern beeinflus­sen? Für dieses Jahr ist außerdem eine gemeinsame „Summer School“ mit den Studenten der Partnerhochschulen geplant.

Etwa zur gleichen Zeit soll auch das neue Transferzentrum ent­stehen. Dann sollen der „Career Service“, das Gründungszentrum sowie Pfriems Innovations­ und Transferberatungsstelle (TIB) unter einem Dach gebündelt werden – und so gemeinsam die jüngste HNEE­Einrichtung bilden. Am südlichen Stadtrand und nur wenige Schritte vom Waldcampus entfernt liegt indes der Eingang zur mit Abstand ältesten Institution der Hochschule.

Im kalabrischen Eichenwald

„Der Forstbotanische Garten Eberswalde ist einer der ältesten in Deutschland und die HNEE die einzige deutsche Fach hoch­schule mit einer solchen Einrichtung“, erzählt Harald Schill bei einem Spaziergang zwischen Setschuan­Fingeraralien und knorrigen Eichen. Manche von ihnen stehen schon seit 1830 hier, als Friedrich Pfeil den Garten und die Forstlehranstalt Eberswalde gründete. Heute leitet Schill das acht Hektar große Areal. 21 Jahresringe haben „seine“ Bäume angesetzt, seit der Oberbayer aus Freising nach Eberswalde übersiedelte. Längst sind die Russen verschwunden, die einst noch mit Maschinen­pistolen am Rande des Waldcampus patrouillierten. Stattdessen wuseln heute Studenten des Fachbereichs „Wald und Umwelt“ durch den Forstbotanischen Garten, bestimmen Pflanzenarten oder steigen in das Wurzellaboratorium hinab.

Seit mehr als 70 Jahren werden hier Stoffflüsse in zehn so genannten Lysimetern erfasst. Die zwei Meter hohen und oben offenen Glaszylinder sind in den Boden eingelassen, mit Erde gefüllt und bepflanzt. Die gläsernen Schächte erlauben es, die Vorgänge im Wurzelbereich unter Tage zu beobachten. Auf ein Zehntel Gramm genaue Waagen am unteren Ende können zudem den Wasserbedarf der Pflanzen exakt ermitteln. Von dieser Möglichkeit machen vor allem die Studenten des 2006 gestarteten Masterstudiengangs „Global Change Management“ Gebrauch, die sich mit der Auswirkung des Klimawandels auf die Nutzung natürlicher Ressourcen spezialisieren. „Wir wissen z. B. heute, dass die Buche mindestens 500 Millimeter Nieder­schlag im Jahr braucht“, sagt Harald Schill, Professor für Botanik und Pflanzenkrankheiten. „Eberswalde liegt aktuell bei 570 Milli­ metern. Wenn die Sommer durch die Klimaerwärmung noch trockener werden, könnte dies langfristig zu sehr negativen Folgen für die heimischen Buchenwälder führen.“

H N E E b e r s w a l d e E i n b l i c k

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Der forstbotanische Garten in Eberswalde ist einer der ältesten Deutschlands. Wer

die acht Hektar durchkämmt, findet auch das brasilianische Mammutblatt und bis­

weilen den Garten­Leiter Harald Schill. (oben)

Durch das Wurzellaboratorium gelangt man zu den Lysimetern. Diese unter­

irdischen Glaszylinder sind mit verschie­denen Messvorrichtungen gekoppelt

(unten rechts) und geben zum Beispiel Aufschluss über den Wasserbedarf der

Pflanzen.

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Den Auswirkungen der Klimaveränderung auf die Natur wid­met sich auch ein Eberswalder Projekt, das dem Forstbotanischen Garten direkt gegenüberliegt: die Stiftung WaldWelten. Auf einer 50 Hektar großen Forschungsfläche sollen Bäume über Jahrzehnte Aufschluss über die Folgen der Klimaerwärmung geben. „Bäume als Bioindikatoren über einen so langen Zei t­raum zu erforschen, ist einzigartig“, freut sich Harald Schill. Als Präsident der Stiftung WaldWelten sind ihm die beiden anderen Arbeitsbereiche aber genauso wichtig. „Unsere WalderlebnisWelt soll die wichtigsten Waldformationen der Erde an einem Punkt erlebbar machen“, kündigt Schill an. „Innerhalb weniger Schritte können große und kleine Besucher später einmal zwischen kalabrischem Eichen­ und mexikanischem Kiefernmischwald wandeln“. Nicht zu vergessen die „KulturWelt“: Durch kulturelle Veranstaltungen wie gemeinsame Feste, Theater und Musik möchte die Stiftung die tiefgehende Beschäftigung mit Wald, Kultur und Natur fördern. Bemerkenswert an der Stiftung ist aber nicht allein die enge Verknüpfung eines einzigartigen Forschungsansatzes mit Erlebnis­ und Kulturangeboten, son­dern bereits ihre Gründung.

Mit Bohnen gegen Brachland

Am 22. Oktober 2010 wurde die Stiftung WaldWelten von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung und der Stadt Ebers­walde gemeinsam ins Leben gerufen – eine nicht alltägliche, für Eberswalde aber gar nicht ungewöhnliche Kombination. So finden etwa auch das Stadtfest und der Tag der offenen Tür an der HNEE traditionell gleichzeitig statt. Hochschulpräsident Wilhelm­Günther Vahrson freut sich über die „sehr enge Kommunikation und Zusammenarbeit mit der Stadt Ebers­walde.“ Die zeigt sich auch in der Arbeitsgemeinschaft für Land­schaftspflege, Naturschutz, Umweltbildung und Stadt ökologie – kurz ALNUS. Eberswalder Studenten gründeten den gemein­nützigen Verein im Jahr 1999. Heute hat ALNUS 90 Mitglieder und arbeitet eng mit lokalen Behörden, Verbänden und Institutionen zusammen.

Auf diese Weise entstanden Projekte wie der alljährliche Ebers­walder Stadtputz oder auch der Gemeinschaftsgarten namens „ZusammenWachsen“: Auf einem Grundstück des ALNUS e. V. im Brandenburgischen Viertel gärtnern seit vergangenem Jahr Pflanzenfreunde verschiedener Nationalitäten und von drei bis 70 Jahren gemeinsam, harken Unkraut, schneiden Apfelbäume und ernten Bohnen. Das ökologisch­soziale Projekt basiert auf der Magisterarbeit „Stadtbrachland in Bürgerhand“ einer Eberswalder Absolventin und will für die Bewohner des Platten­bauquartiers einen „selbstgestaltbaren Aktivitätsraum schaf­fen“, wie die Trägerinitiative „wandelBar“ beschreibt. Die Stadt Eberswalde erhofft sich daraus Konzepte, die sie auf andere Brachflächen übertragen kann – und unterstützt den Gemein­schaftsgarten durch die kostenlose Lieferung neuer Pflanzen.

Ebenso kostenlos, aber beileibe nicht umsonst, ist die Ebers­walder „KinderUni“ – da ist Wilhelm­Günther Vahrson über­zeugt: „Das ist ein tolles Projekt, das vor allem den Spaß am Lernen fördert.“ Weit über tausend Fünft­ und Sechstklässler folgten im vergangenen März der Einladung von HNEE und der Bürgerstiftung Barnim­Uckermark und hörten Vorlesungen wie „Braucht der Wald den Förster?“

Die Neue Forstakademie auf dem Stadtcampus kommt dank aufwendiger

Wärmedämmung ohne Klimaanlage aus.

Die HNEE im ÜberblickMit der Gründung der Höheren Forstlehranstalt beginnt in Eberswalde die forstliche Lehre.

Auf dieser Basis wird 1992 die Fachhochschule Eberswalde neugegründet; im Jahr 2010 wird sie in „Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde“ (HNEE) umbenannt.

46 Professoren betreuen rund 2.000 Studierende.

In vier Fachbereichen (Wald und Umwelt, Landschaftsnutzung und Naturschutz, Holztechnik, Nachhaltige Wirtschaft) werden 16 Studien gänge angeboten; darunter sind Exoten wie die Global Change Management oder Nachhaltiges Tourismusmanagement.

Forschungsschwerpunkte sind die nachhaltige Entwicklung des ländlichen Raumes sowie Verfahrenstechniken im Bereich von Lignozellulose­Materialien.

Die HNEE verteilt sich auf eine Stadt­ und einen Waldcampus und verfügt als einzige deutsche Fachhochschule über einen eigenen Forstbotanischen Garten.

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„Nachhaltigkeit braucht Konflikte“

Soviel nachhaltig angelegtes Engagement ist selten an klein­städtischen Hochschulen. Doch eine Institution, die die „Nachhaltigkeit“ bereits im Namen führt, muss sich gesteigerte Ansprüche an sich gefallen lassen. Ansprüche, wie sie zum Beispiel der Leiter des Eberswalder Filmfest „Provinziale“ for­muliert: „Ich erwarte schon, dass die HNEE eine aktive Rolle in der Landschaftsgestaltung spielt“, sagt Kenneth Anders. Land­

schaftsgestaltung ist das beherrschende Thema des Kultur­wissen schaftlers. Mit seinem „Büro für Landschafts kom muni­kation“ fördert und begleitet Anders die Diskurse darüber und arbeitet die unterschiedlichen Wissenswelten von Landwirten, Naturschützern oder Bewohnern heraus – auch in Kooperation mit der Hochschule.

„Es gibt an der HNEE einige Leute, die bereit sind, eine aktive Rolle in den Diskursen spielen“, sagt Anders, „unabhängig davon, ob es gerade finanzielle Anreize dafür gibt.“ Die Zusam men arbeit mit dem Fachbereich Landschaftsnutzung und Naturschutz funktioniert gut, etwa im Innovationsnetzwerk Klimaanpassung Brandenburg Berlin „INKA BB“ oder in den Sommerschulen: In diesem Rahmen geht Anders gemeinsam mit HNEE­Studenten neue Wege in der Landschaftskommuni ka tion, entwirft Zeitun­gen, Ausstellungen oder Theaterstücke. „Trotzdem habe ich das Gefühl“, gibt Anders zu bedenken, „dass die maßgeblichen Im pulse für die Entwicklung der Region anderswo gesetzt werden.“ Und noch etwas stört Kenneth Anders; etwas, das in erster Linie mit

dem vorherrschenden öffentlichen Diskurs zum Thema zu tun hat: „Nachhaltigkeit wird uns immer in freundlichen und harmo­nischen Farben präsentiert. Aber Nachhaltigkeit braucht kriti­sches Denken, braucht Auseinandersetzung, braucht Kon flikte.“

Wenn es um Nachhaltigkeit geht, hat sie ihre Finger im Spiel: Umweltmanagerin Kerstin Kräusche in der „Nachhaltigkeitmensa“ auf dem Stadtcampus.

Ein euphorisches Fazit

So drastisch würde HNEE­Präsident Vahrson das nicht ausdrü­cken, doch auch ihm sind Diskussion und Partizipation wichtig. Deshalb war die FH Eberswalde 1999 die erste deutsche Hoch­schule, die einen Studenten als Vizepräsidenten berief. „Wir wollen die Mitbestimmung der Studierenden auch in dem Gremium, dem der Ruf als Kungel­Gremium vorauseilt“, erklärt Vahrson. „Man muss sich immer wieder Ideen von Leuten holen, die eine neue Perspektive haben und den Finger in die Wunden legen.“

Deshalb müssen alle Erstsemester an der Vorlesungsreihe „Einführung in die nachhaltige Entwicklung“ nicht einfach nur teilnehmen, sondern sich aktiv Gedanken zur Entwicklung der Hochschule selbst machen. „Uns ist es wichtig, das Thema Nachhaltigkeit immer wieder mit Lehre und Forschung zu ver­knüpfen und Eigeninitiative einzufordern“, sagt Umwelt­managerin Kerstin Kräusche. Vor drei Jahren hat sie mit der Familienbeauftragten den Runden Tisch „Nachhaltige Entwick­lung der HNE Eberswalde“ ins Leben gerufen, an dem Dozenten, Studenten und Vertreter der Verwaltung sowie des Studenten­werks zusammenkommen. Aus diesem regelmäßigen Austausch entwickelten sich bis heute unter anderem die Nachhaltigkeits­mensa oder die vom Senat gebilligten „Grundsätze zur nachhal­tigen Entwicklung“ der Hochschule. Sie umfassen die verschie­densten Aspekte der Nachhaltigkeit – vom eigenen ökologischen Fußabdruck über Forschung und Lehre, Kommunikation und Vernetzung bis hin zum gemeinsamen Lern­ und Gestal tungs­prozess. „In den nächsten Jahren kommt es darauf an, alle diese Ziele mit Leben zu füllen“, gibt Präsident Vahrson die Richtung vor.

Die Brandenburgische Hochschulstrukturkommission hat die HNEE bereits überzeugt. In ihrem letzten Bericht zog sie ein geradezu euphorisches Fazit: Der HNEE sei es überzeugend gelungen, sich im Kreis der Fachhochschulen „in bemerkens­werter Weise weit überregionale Sichtbarkeit zu verschaffen.“ Heute habe die Hochschule „ein im Zusammenhang mit dem Begriff der Nachhaltigkeit weiter geschärftes Lehr­ und For­schungs profil, dessen konsequente Fortführung und Weiter ent­wicklung auch aus Sicht der Kommission äußerst zukunftswei­send ist.“

Von wegen grüngefärbte PR­Strategie!

9.00–

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16.30–

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Nur noch kurz die Welt rettenSie entschuldigt sich manchmal noch. Für ihre Aussprache. Dabei klingt es doch so charmant: die schlimmsten Krankheiten hören sich nicht ganz so furchtbar an, wenn dieser französische Akzent im Spiel ist. Véronique, „Véro“, wie sie am Institut jeder nennt, also Madame Blanchard, nahm das „Unternehmen Region“-Magazin-Team einen Tag lang mit in ihre heiligen Hallen – und wir folgten der Leiterin der Forschungsgruppe Glykodesign und Glykoanalytik an der Charité unauffällig.

E i n Ta g i m L e b e n E i n b l i c k

9.00 Uhr

Der Tag fängt ja gut an: Stau. Aber eigent­lich normal im morgendlichen Berufs­verkehr, wenn man die Abfahrt Seestraße von einer der meistbefahrenen Autobah­nen Deutschlands nimmt. Wenigstens scheint die Sonne und auch im Wedding blühen die Bäume, dass es eine helle Freude ist. „Rufen Sie mich an, wenn Sie im Gebäude sind“, sagte sie am Telefon. Wir sind da und das Gebäude auf dem Virchow­Campus macht es einem leicht: Die Architektur ist klar, großzügig und übersichtlich. Dr. rer. nat. Blanchard, eine zierliche 35­Jährige mit hochgesteckten Haaren, begrüßt uns mit einem freund­lichen Lächeln und einem herzhaften Händedruck. „Kommen Sie mit“, und natürlich machen wir das.

9.30 Uhr

Erst mal einen Kaffee – für die Besucher. Véronique Blanchard dagegen wirkt ein bisschen so, als müsste sie den ganzen Tag nichts zu sich nehmen – sie ist bereits höchstkonzentriert am Schreibtisch, checkt Mails und Korrespondenz. Mails gibt es viele momentan, denn sie bereitet Anträge mit neuen Kollaborations part­nern vor. Sie lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Ideale Voraussetzungen für eine Forscherin: ruhig Blut. „So war ich schon immer“, sagt sie mit einem Lächeln, und dann: „Wir müssen los, wenn wir zum Meeting wollen“, sagt sie, und natürlich gehen wir ohne Umschweife los.

10.00 Uhr

Teambesprechung der Arbeitsgruppe Gly­ko design und Glykoanalytik am Insti tut für Laboratoriumsmedizin, Klini sche Chemie und Pathobiochemie, so die voll­ständige Bezeichnung der Arbeitsgruppe: Véro hört sich aufmerksam an, was die ein zelnen Mitarbeiter – Assistenten, Stu­den ten, Doktoranden, Postdoktor an den, wissenschaftliche Mitarbeiter – zu berich­ten haben. Jeder erzählt von seinen Erfol­gen oder auch Misserfolgen, z. B. dem „Stau“ an einigen Geräten“ – ja, da muss neu organisiert werden, denn an man chen der hochempfindlichen Appara tu ren herrscht großer Andrang. „Die Durch­führung der Untersuchungen in grö ße ren Probandenkohorten setzt eine weitere Mechanisierung der Analytik voraus, die auf den bisherigen Ergebnissen meiner Arbeit der apparativen und methodischen Grundlagen aufbaut“, erklärt Dr. Blanchard.

Das Treffen dauert nicht länger als 40, 45 Minuten und findet einmal in der Woche statt. Hier wird nicht um den heißen Brei herumgeredet, hier formulieren alle knapp und klar, es geht nur ums Thema: Im Mittel punkt der Arbeitsgruppe stehen die For schungen am Ovarialkarzinom – den meisten dürfte eher der Begriff Eier­stockkrebs bekannt sein. „Unser besonde­res Interesse galt in den letzten Jahren den

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Veränderungen des Serumglykoms bei Ovarial karzinomen. Dieser Tumor kann erst in einem sehr späten Stadium diagnos­ti ziert werden, oft zu spät“, so Dr. Blan chard. „Es besteht einfach ein klinischer Bedarf für einen spezifischen und sensitiven Tumormarker, mit dessen Hilfe das Karzi ­nom in einem früheren Stadium be merkt und behandelt werden kann.“

Und obwohl es bereits einige Studien und Untersuchungen gab, die sich dieses Pro­blems angenommen haben, waren die Ergebnisse für Véronique Blanchard nicht zufriedenstellend: „Strukturverände run­gen der Glykane zellulärer Glykoproteine und Glykolipide in allen bislang unter­suchten Malignomen wurden zwar schon dokumentiert, es lagen zu Beginn meiner Untersuchungen aber nur sehr wenige ausführliche Arbeiten zum Serumglykom bei Malignomen vor“, so die Wissenschaft­lerin. Der routinemäßig eingesetzte Tu mor marker CA 125 war nicht ausrei­chend sensitiv und spezifisch, aber in Blanchards Arbeitsgruppe konnten dann signifikante Unterschiede im Serum gly­kom von Patientinnen mit Ovarial­Karzi­nom festgestellt werden.

Die Besprechung ist zu Ende, die Mitar­beiter begeben sich an ihre Arbeitsplätze. Wir gehen zurück in Véros Büro, in dem nur wenige persönliche Gegenstände zu finden sind.

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11.00 Uhr

Das Bild des kleinen Jungen aber, der einen riesigen Sponge Bob­Schwamm­kopf im Arm hält, interessiert uns natür­lich: „Das ist mein Sohn, 18 Monate alt. Er zahnt gerade, das ist echt anstrengend. Es bedeutet wenig Schlaf. Und dann waren wir alle ständig erkältet.“ „Wir“ – das ist ihr Ehemann, ebenfalls in der Wissenschaft tätig.

Sie gerät ins Schwärmen, als sie von des­sen Arbeit erzählt, wir können irgend­wann nicht mehr folgen und haben wenigstens abgespeichert, dass er etwas gegen Entzündungen im Rahmen der Makuladegeneration der Augen unter­neh men will. Beide Eltern kümmern sich um den Kleinen, tagsüber ist er in einer zweisprachigen Kita. „Aber er wächst dreisprachig auf, zu Deutsch und Fran­zösisch kommt auch immer wieder Englisch.“ Und dann lächelt sie wieder so charmant, wie nur Französinnen es kön­nen: „Und ein bisschen Luhya, von sei­nem Vater. Genauer gesagt einen bestim­mten Dialekt seines Stammes.“ Ja, nein, ist klar, eine Forscherin, die in jungen Jahren bereits aufgrund hervorragender Leistun­gen an einem Aufbau studien gang teil­nehmen durfte und innerhalb von sechs Jahren ihren Master an der renommier­ten Ecole Nationale de Chimie de Toulouse gemacht hat, würde sich ja auch schnell langweilen, wenn nicht immer

wieder eine neue Herausforderung auf sie zukommen würde. Und da sind wir wie­der beim Thema Sprache: „Wenn mir mal etwas nicht einfällt, dann gucke ich noch heute in meinem ,Cahier D’Allemand‘ nach“, und schwupps – hat sie es aus der Schub lade gezogen. Am Rand des Schulheftes für Deutsch unterricht steht – naturellement – die in Lehrer­Rot gehaltene An merkung „Bien, Véro !“. Wir haben nichts anderes erwartet !

12.00 Uhr

Mittagessen? Fehlanzeige. Auf dem Weg zu einem Labor erzählt sie uns, dass sie erst mal in die Niederlande ausgewandert ist, bevor sie nach Deutschland kam. Sie war in Utrecht und hat dort am Institut für Bioorganische Chemie 2006 promo­viert. „In Deutschland bin ich mit den Menschen schneller warm geworden, keine Ahnung warum, egal woher sie kommen: im Labor gibt es nicht nur Deutsche, sondern auch internationale Mitarbeiter.“ Sie strahlt. Und, was macht sie, die deutsch­französische Freund­schaft? „Ich kann nicht meckern, ich bin hier extrem freundlich und hilfsbereit von den Kollegen empfangen worden. Das war schon so, als ich noch in der Arbeitsgruppe von Dr. Markus Berger am Campus Berlin Mitte geforscht habe, und das war hier am Virchow genauso.“ Diese

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Arbeitsgruppe hatte es in sich: Berger legte bereits vor Jahren großen Wert dar­auf, dass seine Nachwuchswissenschaftler zu den besten des Landes gehören.

Selbstverständlich war Blanchard in die­ser Gruppe und hat nun, nach Bergers Weg gang, die ehrenvolle Aufgabe, das Werk weiter zu führen. Im Labor ange­kommen bespricht sie sich mit Doktoran­din Houda Hamouda, die über Glykane, die an Peptide gebunden sind, berichten will, aber das Gerät hat heute nicht so ganz mitgespielt, wie die junge Frau sich das vorgestellt hatte. In ihrem Projekt geht es um die Glykanstrukturanalyse von humanen Stammzellenpräparationen in verschiedenen Differenzierungsstufen. Die Stammzellenforschung benötigt neue Verfahren, z. B. glykanbasierte Biomarker, zur Prädiktion und Qualitätssicherung für mögliche therapeutische Anwen dun­gen. Es kann leider sein, dass sich ein paar Zellen davon zu Krebszellen entwickeln. „Für eine zukünftige therapeutische An wen dung müssen wir und unsere Kolla borationspartner sicher sein, dass die Stammzellenpräparationen einheit­lich und reproduzierbar sind“, erklärt Blan chard. Keine Spur von Ungeduld zeigt sich in ihrem Gesicht, wahrschein­lich kann sie sich zu gut an ihre eigene Zeit als Doktorandin erinnern. „Ich weiß noch, dass das Jahr 2006 ganz ausschlag­gebend für uns war mit der Förderung des BMBF. Wir haben so viel machen können und gelernt, auch, wie wir mit Partnern aus Industrie und Wirtschaft zusammenarbeiten können.“

13.00 Uhr

So, jetzt doch mal raus an die frische Frühlingsluft. Der Campus der Charité Virchow bietet genug Platz für einen kurzen Spaziergang oder um sich mit Kollegen draußen zum Mittagessen zu treffen. Auf dem Weg zur Kantine erzählt Doktor Blanchard, dass sie vor nicht allzu langer Zeit mit einer verschleppten Lungenentzündung hier in einem der Gebäude gelegen hat. „Dieser Hausarzt, bei dem ich war, hat das nicht richtig erkannt“, so die Forscherin, die 1977 in Orléans geboren wurde. Man möchte nicht der Kollege sein, der ihre Schelte abbekommt, denn da schimmert ihr Temperament durch und die Gewissheit, sich in diesen Dingen – anders als ein Nicht­Mediziner­Patient – auszukennen.

„Die Luft tut gut“, findet Blanchard. Kommt sie denn überhaupt noch zu einem Ausgleich bei so einem Arbeitstag

in verantwortlicher, leitender Position? „Nicht wirklich“, lacht sie, „aber ich muss meinem Sohn am Wochenende hinter­her rennen, das muss reichen im Mo ­ment. Früher hab ich mal ganz passabel Tennis gespielt,“ sagt sie. „Jetzt gehen wir ins Aquarium oder in den Zoo.“ Für Salsa, das sie vor der Geburt leidenschaft­lich getanzt hat, bleibt jetzt nur noch wenig Zeit. „Vielleicht mal, wenn meine Eltern in Berlin sind“, so die Französin. Kommt sie aus einem Medizinerhaushalt? „Non, pas de tout“, entgegnet sie. „Meine Mutter arbeitet bei der französischen Arbeitsagentur, und mein Vater ist jetzt, nachdem er eigentlich Feinmechaniker war, zu einem selbst ständigen Taxiunter­nehmer gewor den.“ Sie lacht: „Nein, das Interesse für Chemie habe ich allein in der Schule entwickelt, und dann wollte ich es immer mit Medizin und Menschen verbinden. Et voilà – jetzt bin ich hier.“

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„Keine Ahnung. Ich bin nicht dran. Mein Mann kocht.“

14.15 Uhr

„Zieht eure Kittel wieder an, wir müssen ins Labor!“ Wir eilen. Mit strammem Schritt geht Blanchard durch die Gänge des Instituts, grüßt hier, gibt da einen Rat, und weiter geht’s. Mit einer weiteren Doktorandin geht sie Ergebnisse durch („Die Fragmentierung hast du gemacht? Das ist gut!“), sie wirkt nicht viel älter als die jungen Forscher, und doch strahlt sie eine ganz spezielle Autorität aus.

14.45 Uhr

Véronique Blanchard ist zurück in ihrem Büro, sie würde gern etwas lesen, in einem Handbuch für Klinische Chemie: „Manchmal möchte ich da gewisse Dinge einfach nochmal nachschlagen, damit ich mir sicher sein kann, wenn ich bei­spielsweise einen Vortrag halte.“ Doch sie kommt nicht dazu, das Telefon klingelt. Das Gespräch klingt zuerst recht sach­lich und fachlich, dann wird sie immer schneller in ihren Ausführungen, am Ende wird gelacht. Spaß bei der Arbeit ist ihr wichtig, gerade wenn es um so ernste Themen geht oder man eine Stunde in einem Labor war, das künstlich gekühlt wird, weil die Geräte so empfindlich sind. „Diese Kälte mag ich gar nicht. Mir ist seit dieser Lungenentzündung sowieso immer kalt“, stöhnt sie und wickelt den Schal fester um sich.

15.30 Uhr

Nochmal in den Kittel, wir besuchen zuerst einen jungen Mitarbeiter, der eine Ausbildung zum Chemielaboranten macht: „Try and error“, ermutigt sie ihn, und dann gehen wir zu Karina Biskup ins Labor. Diese bereitet gerade eine Probe vor. „Ich packe hier ein paar Gly­kane rauf, und die werden mit MALDI­ToF Massenspektrometrie (Matrix­assisted laser desorption/ionization­Time Of Flight) gemessen.“ Eine Matrix wird mit der Probe kokristallisiert, dann werden die ionisierten Moleküle mit Hochspannung beschleunigt und die Glykane detektiert“, erzählt die junge Mit arbeiterin unbefangen. Natürlich, nichts leichter als das. „Mir ist schon pas­siert, im Rahmen des Ovarialkarzinom­ Projekts, dass wir die Glykane aus dem Serum einer theoretisch gesunden Frau als Kontrolle untersucht haben und die Ergebnisse waren nicht im Normbereich. Wir haben später erfahren, dass sie Brust­ krebs hatte.“

16.00 Uhr

Jetzt wird es wieder kalt: Wir sind noch ein paar Laborräume weiter gegangen, der Maldi­ToF­Massenspektrometer wird repariert, und da der Kollege aus Kalifor­nien kommt, redet Madame Blan chard nun ganz selbstverständlich Englisch mit ihm. „Eigentlich würden wir Deutsch sprechen, aber wenn es um Fachtermini geht, dann ist es auf Englisch einfacher“, erklären beide. Sie plaudern über das Gerät wie andere über die letzten Ferien oder die Kinder, man kann nicht anders, als erstaunt zu sein und Respekt zu haben.

16.30 Uhr

Ein langer Arbeitstag neigt sich dem Ende zu: „Um 8 Uhr fange ich meist an, dann reicht es jetzt um diese Zeit auch“, erklärt Blanchard und hängt ihren wei­ßen Kittel in den Schrank. Und was gibt’s heute zu essen? „Keine Ahnung. Ich bin nicht dran. Mein Mann kocht“, lacht sie. Da setzt sie die Maßstäbe der Qualitäts­kontrolle übrigens nicht ganz so hoch an, „aber wir achten schon darauf, was wir essen.“ Wie französische Frauen es schaf­fen, nicht dick zu werden trotz Baguette, Rot wein und Käse oft zu fortgeschritte­ner Stunde, fragen wir Doktor Véronique Blanchard dann nächstes Mal ...

Dr. Véronique Blanchard wurde in Orléans (Frank­reich) geboren und absolvierte nach ihrem Abitur ein Studi um der Chemie an der Ecole Natio nale de Chimie de Toulouse und schloss mit dem Master und dem Ingenieurs diplom ab. Ihre Master arbeit führte sie auf dem Gebiet der Chemie der pflanz­lichen komplexen Kohlehydrate bei der AgroTechno­logical Organization (Wageningen, Niederlande) durch. Von 2001 bis 2006 promovierte sie am Institut für bio organische Chemie der Uni versi tät Utrecht (Nieder lan de). Die Ergebnisse ihrer Doktorarbeit publizierte Blanchard in vier Ver öffent lichungen, die auch in internationalen Zeit schrif ten erschienen. Eine ihrer Veröffentlichungen war ein Durchbruch in der Glyko biologie und zählt zu den am meisten herunter­geladenen Artikeln des Glycocon jugate Journal.

Nach Abschluss ihrer Dissertation im Jahr 2006 wechselte sie aus Utrecht nach Berlin an das Institut für Laboratoriumsmedizin, Klinische Chemie und Patho biochemie der Charité. Hier forscht sie an den Verän de rungen des Serumglykoms vor allem beim Ovarial karzinom. Véronique Blanchard ist verheiratet und hat ein Kind.

Dr. Véronique Blanchard wurde in Orléans (Frank­reich) geboren und absolvierte nach ihrem Abitur ein Studi um der Chemie an der Ecole Natio nale de Chimie de Toulouse und schloss mit dem Master und dem Ingenieurs diplom ab. Ihre Master arbeit führte sie auf dem Gebiet der Chemie der pflanz­lichen komplexen Kohlehydrate bei der AgroTechno logical Organization (Wageningen, Niederlande) durch. Von 2001 bis 2006 promovierte sie am Institut für bio organische Chemie der Uni­versi tät Utrecht (Nieder lan de). Die Ergebnisse ihrer Doktorarbeit publizierte Blanchard in vier Ver ­öffent lichungen, die auch in internationalen Zeit­schrif ten erschienen. Eine ihrer Veröffentlichungen war ein Durchbruch in der Glyko biologie und zählt zu den am meisten herunter geladenen Artikeln des Glycocon jugate Journal.

Nach Abschluss ihrer Dissertation im Jahr 2006 wechselte sie aus Utrecht nach Berlin an das Institut für Laboratoriumsmedizin, Klinische Chemie und Patho biochemie der Charité. Hier forscht sie an den Verän de rungen des Serumglykoms vor allem beim Ovarial karzinom. Véronique Blanchard ist verheiratet und hat ein Kind.

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Glück auf!

„Glück auf!“ hört man in Freiberg öfter als „Guten Tag!“ In der kleinen sächsischen Stadt am Rande des Erzgebirges hat der Bergbau seit über 800 Jahren Tradition. Hier wurde die erste montanwissenschaftliche Universität der Welt gegründet. 1969 ist das letzte Bergwerk geschlossen worden, doch die jahr-hundertelange Expertise bleibt. Freiberg ist heute eines der wichtigsten deutschen Zentren für die Nutzung und Erforschung von Energie und Rohstoffen.

Das erste „Berggeschrey“ war bereits 1168 in Christiansdorf zu hören, damals ein winziger Ort, heute das Zentrum Freibergs. Berggeschrey wird die frohe Kunde vom Fund eines Bodenschatzes genannt. Handelsleute hatten in den vom Regen aufgeweichten Spuren ihrer Wagen glänzende Steine entdeckt. Es stellte sich heraus, dass diese Steine einen sehr hohen Silberanteil hatten. Kurz darauf entstanden die ersten Silbererzbergwerke.

Mit dem Bergbau wuchsen die kleinen Dörfer der Region zur Stadt Freiberg zusammen, die es ohne die Silberfunde vielleicht nie gegeben hätte. Wohlstand und Wissenschaft entwickelten sich. 1765 wurde die Bergakademie Freiberg als Ausbildungsstätte für Bergleute gegründet.

Neben den Rohstoffen waren in Freiberg immer auch die Erkundung und Nutzung von Energiequellen wichtig. Schließlich ist Bergbau ohne Energie undenkbar. Schon im Mittelalter brauchten die Bergleute Energie, um an das wertvolle Silbererz heranzukommen. Die eigene Körperkraft und Pferde, die damals unter Tage arbeiteten, genügten dafür nicht. Um Rohstoffe ab bauen, transportieren und verarbeiten zu können, ist eine Menge Energie notwendig. Zunächst war es Holz, das als Energieträger genutzt wurde, später dann die Kohle und heute spielen Sonne, Wind und Wasser eine zunehmend wichtige Rolle. Doch eins ist geblieben, damals wie heute: die enge Verknüpfung von Energie und Rohstoffen. Die heimische Kohle spielt dabei wieder eine wichtige Rolle.

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„Unser Ziel ist es, die Akzeptanz der Kohle

zu fördern ...“

Dr. Heiner Gutte, Koordinator des Deutschen EnergieRohstoffzentrums, hat die Vision, Kohle nicht mehr zu verbrennen, sondern nur noch stofflich zu nutzen.

Besser als ihr Ruf

Allerdings soll die Kohle künftig sinnvoller genutzt werden. Momentan wird sie überwiegend verbrannt, um Strom und Wärme zu erzeugen. „Wenn Elektrizität aus erneuerbaren Energien gewonnen wird, können wir den frei werdenden Kohlen stoff stofflich nutzen“, erläutert Dr. Heiner Gutte, Koordi­nator des Deutschen EnergieRohstoffzentrums (DER) in Frei­berg. Schließlich steckt in der Kohle wertvoller Kohlenstoff, nicht nur in Erdöl und Erdgas. So könnte aus Braunkohle bei­spielsweise Kunststoff oder Kraftstoff hergestellt werden (siehe S. 39).

Am DER, das vom BMBF im Rahmen des Programms „Spitzenfor­schung & Innovation in den Neuen Ländern“ gefördert wird, ent­wickeln die Wissenschaftler Technologien zur stofflichen Nutzung der Kohle. Die Kohle nicht zu verbrennen, hat viele Vorteile. Zum einen landet der Kohlenstoff nicht in Form von CO2 in der Luft, sondern im Produkt. Zum anderen könnte die mitteldeutsche Braunkohle in Zukunft das immer knapper wer­dende importierte Erdöl ersetzen.

Die Kohlenstoffgewinnung soll mit möglichst wenig Energie und geringem CO2­Ausstoß geschehen. Deshalb kümmern sich die Wissenschaftler des Zentrums für Innovationskompetenz VIRTUHCON um die Optimierung dieser Prozesse, insbesondere der Vergasung der Kohle. Dabei wird der Kohlenstoff durch die Zuführung von Energie in Gas umgewandelt, wie beispielsweise Synthesegas, das dann weiter genutzt werden kann. (siehe S. 39)

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Die VIRTUHCON-Wissenschaftler untersuchen dafür die Eigenschaften der Kohle und die physikalisch-chemischen Vorgänge in einem Synthesegas-Reaktor. Diese Vorgänge werden dann über mathematische Modelle auf Hochleistungsrechnern simuliert. „Das ist wie ein hoch auflösendes numerisches Experiment, durch das ich die Prozesse verstehen kann“, so Prof. Dr. Christian Hasse, einer der Nachwuchsgruppenleiter bei VIRTUHCON. Diese Simulationen sind die einzige Möglichkeit, die Vorgänge im Reaktor genauer zu betrachten, die bei über 2000 Grad Celsius ablaufen. Die virtuellen Experimente ersparen teure und langwierige Praxisversuche. Die Ergebnisse der Simulationen werden erst in einer späteren Phase mit Experimenten abgesichert.

Das ZIK VIRTUHCON und das DER arbeiten inhaltlich und räumlich eng zusammen. Die Wissenschaftler sitzen Tür an Tür im Institut für Energieverfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen der Freiberger Universität. In den letzten drei Jahren hat ihre Forschung international an Sichtbarkeit gewonnen. „Unsere Ergebnisse erregen Aufmerksamkeit“, so Christian Hasse. „Wenn die Frage gestellt wird, wer sich mit der mathematischen Simulation der Kohlevergasung beschäftigt, fällt der Standort Freiberg in einem Atemzug mit dem MIT in Boston.“ Die jahrzehntelange Braunkohleforschung in Freiberg kommt den Wissenschaftlern dabei zugute. „Wir greifen auf den großen Erfahrungs- und Wissensschatz der Experten zurück, die uns vermitteln können, was nicht im Lehrbuch steht“, sagt Hasse.

Die chemisch-physikalischen Möglichkeiten der stofflichen Kohlenutzung sind aller-dings nur eine Seite der Medaille, die wirtschaftliche Umsetzung die andere. Deshalb haben Wirtschaftswissenschaftler am Deutschen EnergieRohstoffzentrum ihre Büros direkt neben den Laboren der Chemiker und Ingenieure. Sie kümmern sich um die bes-sere Vernetzung von Forschung und Industrie sowie um die Weiterbildung von Nachwuchs- und Führungskräften. Außerdem betreiben sie Akzeptanzforschung. Dafür haben die Betriebswirtschaftler verschiedene Bevölkerungsgruppen befragt, wie sie fos-sile und regenerative Energieträger bewerten. Kohle ist dabei nicht gut weggekommen.

Auch die Arbeit von Prof. Dr. Chrsitian Hasse, Nachwuchsgruppenleiter des ZIK VIRTUHCON, hat dazu beigetragen, dass Freiberg als Standort für Rohstoff- und Energiekompetenz international immer stärker wahrgenommen wird.

Geballte Energie- und Rohstoffkompetenz in Freiberg

TU Bergakademie

Deutschlandweit einmalig umfassende Forschung und Lehre in:- Erkundung, Gewinnung, Aufbereitung

und Verar beitung von Rohstoffen- Recycling der Rohstoffe- Gewinnung und Speicherung

regenerativer Energien

Deutsches Brennstoffinstitut – DBI

(Mit 12 Professuren und 12 For schungs -gebieten an der Universität, u. a.:- Umwandlungsverfahren für

Kohle und Biomasse- Werkstoff-Forschung- Strategie, Kommunikation und

Beratung

Deutsches EnergieRohstoff-Zentrum – DER

BMBF-Projekt „Spitzenforschung & Innovation in den Neuen Ländern“ mit Fokus auf:- stofflicher Nutzung von Kohle

und Biomasse- Analyse der strukturellen

Veränderungen beim Umwandlungsprozess

- Entwicklung neuer Vergasungsverfahren für die Gewinnung von Kohlenstoff

Zentrum für Innovationskompetenz VIRTUHCON

Initiative des BMBF-Förderprogramms „Unternehmen Region“ zur Erforschung von:- Umwandlungsprozessen von Stoffen

bei hohen Temperaturen- Ziel: effizientere, kohlendioxidarme

Umwandlungsprozesse

Helmholtz-Institut für Ressourcentechnologie

Forschungsziele:- Effizientere Gewinnung und Nutzung

von Strategischen Metallen und Seltenen Erden

- Recycling dieser wichtigen Rohstoffe

Geokompetenzzentrum e. V.

Mit 130 Mitgliedern aus Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung Deutschlands größtes Geonetzwerk, Know-how in:- Geotechnologie, Sanierungsbergbau- Rohstoffwirtschaft und Recycling

u. v. m.

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„Unser Ziel ist es, die Akzeptanz der Kohle zu fördern, indem der Rohstoff in seiner Gänze dargestellt wird“, sagt Gutte. „Die stoff­liche Nutzung kennt man in der Bevölkerung noch zu wenig.“ Das wollen die Freiberger Forscher ändern. Ihre Vision ist eine „Low Carbon Economy“. D. h., der Kohlenstoff soll aus Prozessen verschwinden, wo er eigentlich nicht hingehört. Dazu gehört die Gewinnung von Elektrizität. Stattdessen könnte er für Produkte genutzt werden, die idealerweise auch recycelbar sind. So würde sich der Stoffkreislauf schließen und gleichzeitig die CO2­Emission erheblich sinken. Für die Stromgewinnung gibt es mitt­lerweile andere, ganz natürliche und leicht anzapfbare Quellen.

Prof. Dr. Bernd Meyer, Rektor TU Bergakademie Freiberg, plädiert für einen schonenderen Umgang mit Rohstoffen und Energie, für mehr Bewusstsein statt Wegwerfmentalität.

Heiter statt wolkig

„Wir haben die technischen Möglichkeiten, Elektrizität im Überschuss zu erzeugen“, stellt Prof. Dr. Bernd Meyer, Rektor der TU Bergakademie Freiberg fest. „Auf der Erde wird gerade einmal ein Zehntausendstel der Sonnenenergie verbraucht.“ Die kleine sächsische Stadt macht sich das zunutze. Nicht unbedingt, weil Freiberg besonders sonnenverwöhnt ist, sondern weil es hier das Know­how gibt. Schon seit dem Ende des aktiven Bergbaus in den 1960er­Jahren wurden in Freiberg Siliziumkristalle für die Halbleiterindustrie des gesamten Ostblocks produziert. „Das war der ideale Nährboden für die Entwicklung der Photovoltaik­industrie“, so Dr. Gunter Erfurt, Geschäftsführer der Solarworld Innovations GmbH in Freiberg. „Bereits 1994 wurde der erste Betrieb mit Fokus auf die Photovoltaik aus dem früheren Halbleiterkombinat ausgekoppelt.“ Inzwischen macht die anhal­

tende große Branchenkrise auch den Freiberger Töchtern der international agierenden Solarworld AG zu schaffen. Am Standort Freiberg wird jedoch festgehalten. Hier betreibt die Firma Forschung, Entwicklung und Produktion in großem Stil. Europaweit werden hier die meisten Solarzellen hergestellt. Das bringt den Menschen in der Region Arbeitsplätze. Und die Freiberger Innovationen können der deutschen Solarindustrie zugute kommen. Dafür nutzt die Solarworld lokale Synergien. So hat sie zusammen zwei weiteren Freiberger Halbleiterunter­nehmen das Fraunhofer­Technologiezentrum Halbleiter materia­lien in Freiberg gegründet. Außerdem arbeitet das Unternehmen eng mit der TU Bergakademie zusammen und beteiligt sich am Deutschlandstipendium. Damit werden begabte Studenten von privaten Förderern und dem Bund unterstützt. Die Firma betreut überdies auch Doktoranden der Universität, die an ihrer Promo­tion im Bereich Photovoltaik arbeiten.

Trotz der weiterhin schwierigen Situation für Solarunternehmen in Deutschland bleibt Gunter Erfurt optimistisch: „Nach Jahren des Wachstums haben wir es momentan mit der ersten schweren Krise der Solarindustrie zu tun. Es wäre völlig falsch, den Kopf in den Sand zu stecken, sondern wir müssen diese Situation als Chance erkennen und Innovationen noch schneller auf den Markt bringen.“

Der Physiker, der an der Freiberger Uni promovierte, hat die Vision von der Demokratisierung der Energiewirtschaft – weg von der zentralen, hin zur dezentralen Produktion und Nutzung

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von Energie. Die Photovoltaik soll dabei eine wichtige Rolle spie­len – auch um das Ziel der Bundesregierung zu erreichen, 80 Prozent des Stroms bis zum Jahr 2050 aus erneuerbaren Energien zu gewinnen. „Wir sind überzeugt davon, dass wir in Deutschland auch weiterhin Solarstrom produzieren und zwar mit Modulen, die hier hergestellt werden“, meint Erfurt.

Verfügbarkeit durch Speicherung

Mit modernsten Technologien erneuerbare Energien zu nutzen – das klingt zunächst vielversprechend. Die Frage ist jedoch: wie verfügbar ist die Energie? Sonne und Wind gibt es zu manchen Zeiten im Überfluss, manchmal sind sie rar. Der Strom sollte also

„Wir könnten die Stromerzeugung revolutionieren!“Freibergs Oberbürgermeister Bernd­Erwin Schramm ist seit 2008 im Amt. Der parteilose Diplom­Ingenieurökonom studierte an der TU Bergakademie Freiberg und war viele Jahre im Bergbau­ und Hüttenkombinat der Stadt tätig.

„Wir könnten die Stromerzeugung revolutionieren!“Freibergs Oberbürgermeister Bernd­Erwin Schramm ist seit 2008 im Amt. Der parteilose Diplom­Ingenieurökonom studierte an der TU Bergakademie Freiberg und war viele Jahre im Bergbau­ und Hüttenkombinat der Stadt tätig.

Was verbinden Sie mit den Stichworten Freiberg und Energie? Freiberg ist vor allem eine Stadt mit Energie!

Welche Auswirkungen hat die Energiewende auf die Stadt? Wir haben davon nicht nur profitiert, sondern wir sind auch

in besonderem Maße geprägt von der Energiewende. Mit den Unternehmen der Solarworld­Gruppe ist Freiberg die Solar haupt­stadt Europas, was die Produktion von Solarmodulen betrifft. Wir sind die Stadt der erneuerbaren Energien und des effizienten Energieeinsatzes – das ist unser Leitbild. Bereits im Jahr 2007 haben wir den European Energy Award gewonnen. Unser Ziel ist es, bis 2020 15 Prozent der gesamten Energieversorgung der Stadt aus Erneuerbaren zu gewinnen. Damit liegt die Messlatte für uns ziemlich hoch, denn wir haben einen hohen Energiebedarf durch große Industrieansiedlungen. Aktuell liegen wir aber schon bei 10 Prozent und schon seit 2008 werden in Freiberg alle kommuna­len Gebäude mit zertifiziertem grünen Strom versorgt.

Warum haben sich Solarunternehmen ausgerechnet hier in der Bergbaustadt angesiedelt?

Aktuelle Technologien, wie die Herstellung von Siliziumwafern für die Photovoltaik, sind Folgetechnologien von Hütten. Schmelzpro­zesse, die der Modul­Produktion vorangehen, kommen ursprüng­lich aus der Hüttenindustrie. Freiberg war ja weniger für seine Innovationen im Bergbau bekannt als für seine Hüttentechno­logien. Hier gab es schon im 18. Jahrhundert ein Amalgierwerk, das damals von Zeitgenossen als Weltwunder bezeichnet wurde.

Welches Interesse haben die Freiberger am Thema Energie? Die Freiberger haben schon 1991 in Eigeninitiative den Ener­

gie stammtisch gegründet. Dort wird mit Fachleuten über Energie­fragen diskutiert. Der Stammtisch findet zehnmal im Jahr statt, inzwischen unter der Schirmherrschaft der Stadtwerke und mit gro­ßer Resonanz über unsere Region hinaus. Vertreter aus Wissenschaft und Wirtschaft halten dort Vorträge und die Leute können sich über das Aktuellste aus der Energiewelt informieren. Das gibt es in dieser Regelmäßigkeit und Dauerhaftigkeit nur in Freiberg !

Wie beteiligt sich Freiberg künftig an der Produktion und Bereitstellung von Energie?

Neben regenerativen Energien wie Photovoltaik und Wind spielt Geothermie bei uns eine Rolle – beispielsweise bei der Ausstattung kommunaler Wohngebäude. Außerdem haben wir im Dreibrüder­schacht eines der ersten Kavernenkraftwerke der Welt. Schon 1914 wurden dort über große Gefälle unterirdische Grubenwässer ge ­nutzt, um Strom zu erzeugen. In den Stauräumen der ehemaligen Silbererzgrube wurde das Wasser auch gespeichert. Solche Ideen können wieder aufgenommen werden. Es gibt verschiedene Ansätze, mit Wasserkraft Strom zu erzeugen und in Reservoirs unter Tage mit modernen Technologien zu speichern. Das könnte die Stromerzeugung revolutionieren. Die Voraussetzungen dafür sind da. Einer der intelligentesten und wichtigsten Beiträge ist aber, weniger Energie zu verbrauchen, anstatt mehr zu produzieren.

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gespeichert und am besten nur dort erzeugt werden, wo er tatsächlich von Nutzen ist. „Wir verfolgen deshalb in Freiberg eine klare Strategie und die lau­tet: Erzeugung der Elektrizität vor Ort“, so der Vorstandsvorsitzende der Freiberger Stadtwerke, Axel Schneegans. Geplant ist, einen eigenen Windpark zu bauen, mit dem ein großer Teil des Energiebedarfs der Stadt gedeckt werden soll. Damit kön­nen Übertragungsverluste vermieden sowie Angebot und Nachfrage aufeinan­der abgestimmt werden. „Das ist für uns der nächste Schritt in der Entwicklung erneuerbarer Energien und der Energie­wen de“, so Schneegans.

Vor allem sind neue Speichertechnologien gefragt, denn gespeicherte Energie geht nicht verloren und ist verfügbar, wenn sie gebraucht wird. Ideen dafür gibt es viele, gerade in Freiberg. So bietet der ehemali­ge Bergbau Chancen, unter Tage Pump­speicherwerke zu betreiben. Im Freiberger Dreibrüderschacht war das schon vor 100 Jahren gängige Praxis (siehe Interview mit dem Oberbürgermeister).

Chemiker an der Universität untersuchen spezielle Materialien, so genannte PCM, die sich besonders gut als Speichermedium eignen. PCM bedeutet Phase Change Materials, also Materialien, die ihre Aggre­gatzustände ändern – meist zwischen Schmelzen und Erstarren. Dazu gehören Paraffine oder Salzhydrate. Diese Materia­

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Von Kohle zum Kunststoff – stoffliche Nutzung statt Verbrennung

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Ausgangsprodukt ist die Braunkohle, die alternativ zum Erdöl als Kohlen­stoffquelle genutzt wird.

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Bei Temperaturen von 700° Celsius und Drücken bis 100 bar wird die Kohle mit­hilfe der so genannten Pyrolyse zu Koks, Öl oder Teer.

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Durch spezielle Extraktions­verfahren wird die gesamte organische Substanz der Kohle in Lösung gebracht, wodurch beispielsweise Wachse gewonnen werden können.

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In solchen Anlagen wird aus der Kohle Synthesegas erzeugt. Damit wiederum kann in Gas­ und Dampf­turbinen Strom und Wärme gewonnen oder Methanol produziert werden.

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Durch alle gewonnenen Vorprodukte aus der Kohle können dann Dinge des täg­lichen Lebens wie Kunststoff, Kraftstoff oder Kosmetika hergestellt werden.

lien besitzen eine wesentlich höhere Speicherdichte als beispiels­weise Wasser, das heutzutage überwiegend als Speicher einge­setzt wird. Das Prinzip ist einfach: Beim Schmelzen nehmen die PCM Wärme auf, die z. B. durch Sonnenenergie erzeugt wird, und speichern diese. Sobald sie erstarren, geben sie die Wärme wieder ab. Salzhydrate eignen sich dafür besonders gut, denn sie haben eine sehr hohe Speicherdichte. D. h., die Schmelzwärme, die ge ­speichert wird, ist sehr hoch. Bis zu fünf Wochen lässt sich auf diese Weise die Energie speichern.

Eine andere Möglichkeit ist die Umwandlung des überschüssigen, regenerativen Stroms in Wasserstoff oder Methan. Wasserstoff entsteht durch Elektrolyse – die Aufspaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff durch die Zuführung von Strom. Wird Wasserstoff mit Kohlendioxid verbunden, entsteht wiederum Methan, das ähnliche Eigenschaften hat wie Erdgas. Sowohl Methan als auch Wasserstoff können in das vorhandene Erdgas­netz eingespeist, verteilt und vom Endverbraucher genutzt wer­den. Auch die Speicherung im Untergrund ist möglich. So geht die Energie aus den erneuerbaren Quellen nicht verloren. Ent spre­chende Projekte sind in mitteldeutschen Netzwerken mit großem Freiberger Engagement gestartet. Um Energie speichern und gewinnen zu können, sind jedoch immer auch Rohstoffe nötig.

Von der Energie­ zur Rohstoffwende

„Wir wollen nicht zurück in Erdhöhlen ziehen, deshalb brauchen wir Rohstoffe“, so Rektor Prof. Dr. Bernd Meyer. „Und es wird nicht gelingen, alle Rohstoffe durch Kreisläufe wiederzugewinnen.“ D. h., es müssen Bodenschätze gewonnen werden und dabei geht es vor allem um so genannte strategische Metalle wie Gallium, Germanium und Indium sowie Seltene Erden. Das sind Elemente, die für die Produktion von Hightech­Produkten gebraucht wer­den. Ob in Mobiltelefonen, Computerdisplays, Solarmodulen oder Generatoren von Windrädern; überall sind diese Rohstoffe ent­halten. Und sie werden immer knapper, immer teurer.

In den sächsischen Böden schlummern allerdings noch einige Schätze. Neben Seltenen Erden sind das vor allem Kupfer, Nickel, Wolfram, Zinn, Schwer­ und Flußspat. Letzterer wird schon jetzt im Erzgebirge wieder abgebaut. Flußspat, auch Fluorit genannt, kann für die Stahlindustrie oder zur wetterfes­ten Beschichtung von Textilien genutzt werden. 40 Jahre nach der Schließung der letzten Erzbergwerke wird in Sachsen wie­der ganz aktiv Erkundungsbergbau betrieben. Angesichts stei­gender Preise auf dem Rohstoffmarkt lohnt sich das.

Die Experten für den modernen Bergbau sitzen in Freiberg. Ihr Wissen und ihre Erfahrung haben sie im größten deutschen Netzwerk gebündelt – dem Geokompetenznetzwerk e. V. 130 Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung sind hier vereint. Doch auch wenn die Experten vor Ort sind und Investoren gefunden werden – einfach ist es nicht, im dicht besiedelten Sachsen neue Bergwerke zu eröffnen. „Aber wir haben als eine der führenden Industrienationen eine große Verantwortung für unsere Rohstoffe und für die Wirtschaft“, sagt Prof. Bernhard Cramer, Chef des Sächsischen Ober­bergamtes. Schließlich gäbe es in Deutschland die höchsten Sicherheits­ und Umweltstandards weltweit im Bergbau. „Wenn Sie die Rohstoffe von anderswo in der Welt kaufen, weil sie günstiger sind, wissen Sie nicht, unter welchen Bedingungen sie abgebaut wurden“, warnt Cramer.

Außerdem gibt es inzwischen Technologien, die umweltscho­nender und sicherer sind, wie beispielsweise Bohrgeräte mit neuartigen Bohrköpfen, die viel verschleißfreier in größere Tiefen gehen können. Selbst Roboter, die Menschen unter Tage ersetzen sollen, werden derzeit entwickelt. Inzwischen laufen in Sachsen etwa 20 Erkundungsvorhaben für den Erz­ und Spatabbau. „Unser Ziel ist es, 10 bis 20 Prozent dieser Vorhaben ins Laufen zu bringen“, erläutert Cramer. „Das wäre ein toller Erfolg.“

S c h w e r p u n k t F r e i b e r g

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Dringend benötigte Hightech­Metalle wie Gallium, Germanium und Indium sind allerdings nicht so leicht zu gewinnen. Sie fin­den sich oft nur in sehr kleinen Mengen in natürlichen Erzen. Deshalb bemüht sich das vor zwei Jahren gegründete Helmholtz­Institut Freiberg für Ressourcentechnologie, Methoden zu finden, diese wichtigen Metalle aus den komplexen Mineralen herauszu­lösen. Selbst auf den Abraumhalden des Altbergbaus liegen noch wertvolle Rohstoffe ungenutzt herum. Auch um deren wirt­schaftliche Nutzung bemühen sich die Freiberger Helmholtz­Wissenschaftler. Außerdem suchen sie nach Technologien, Rohstoffe aus Energiesparlampen oder Monitoren zurückzuge­winnen. Bislang landen diese zumeist auf dem Schrottplatz.

Freiberger Exportschlager

Nachhaltigkeit ist also gefragt in der Energie­ und Rohstoffstadt Freiberg. Ein Begriff, der inzwischen beinahe inflationär ge ­braucht wird, der jedoch seinen Ursprung in Freiberg hat. Der damalige Direktor des Sächsischen Oberbergamtes, Hans Carl von Carlowitz, prägte diesen Begriff erstmals vor 300 Jahren. Als das Holz knapp wurde, das als Energiequelle für den Bergbau diente, verfasste er ein Buch zur nachhaltigen Nutzung der Wälder. Die „Haußwirthliche Nachricht und Naturmäßige Anweisung zur Wilden Baum­Zucht“ ist ein 432 Seiten dicker Wälzer, in dem von Carlowitz zu einem respektvollen Umgang mit der Natur und ihren Rohstoffen aufruft. Er kritisiert den auf kurzfristigen Gewinn ausgelegten Raubbau der Wälder und gibt Anweisungen zur Wiederaufforstung. Obwohl das Wort „nach­haltend“ in seinem Werk nur einmal vorkommt, gilt von Carlowitz als Schöpfer des Begriffes „Nachhaltigkeit“: „Wird derhalben die größte Kunst/Wissenschaft/Fleiß und Einrichtung hiesiger Lande darinnen beruhen ... daß es eine continuierliche beständige und nachhaltende Nutzung gebe ...“

Seine Gedanken sind bis heute aktuell und werden in Freiberg lebendig gehalten. So hat das Interdisziplinäre Ökologische Zentrum (IÖZ) der TU Bergakademie Freiberg gemeinsam mit dem Verein der Praxispartner vor 10 Jahren den Hans Carl von Carlowitz­Preis ins Leben gerufen.

Verliehen wird er für die besten Abschlussarbeiten, vom Bachelor bis zur Promotion, die Bezug zu Umweltschutz und Nachhaltigkeit

haben. „Eine interdisziplinäre Jury des Vereins bewertet die Arbei­ten und wählt den Preisträger aus“, erläutert Prof. Dr. Jörg Mat­schullat, Direktor des IÖZ, das Prozedere. Der Verein der Praxis­partner ist ein Zusammenschluss kleiner und mittelständischer Unternehmen der Region aus der Recyclingbranche, der Geo­, Bio­ und Bergbautechnologie. Die Verbindung zwischen Industrie und Universität ist dabei nicht nur für die Preisvergabe von Bedeutung. Die Studenten bekommen in den Firmen auch die Möglichkeit für Praktika oder gar Jobs nach dem Studium. Die Universität wiederum erfährt, was den Unternehmen bei der Aus ­bildung der Studenten für die Praxis wichtig ist. „Auf diese Weise haben wir eine gesunde Mischung aus ehrgeiziger Wissen schaft und sehr praxisorientierter Ausbildung“, freut sich Matschullat.

300 Jahre nach Carlowitz wird der Nachhaltigkeitsbegriff in Freiberg aber auch kritisch gesehen. „Ist es nicht noch nachhalti­ger, Bedürfnissen, die nur künstlich geschürt werden, gar nicht erst nachzugehen?“, fragt sich Uni­Rektor Bernd Meyer. „Es geht dabei nicht um Verzicht, sondern um den intelligenten, schonen­den Umgang mit Produkten, um ein besseres Rohstoff­ und Energiebewusstsein, weg von der Wegwerfgesellschaft“, fährt er fort.

Auch sein Kollege Jörg Matschullat sieht das so. Bequemlichkeit, Effizienz und eine lebenswerte Umwelt sollten seiner Meinung nach vereinbar sein. „Eine Universität wird zwar keine Weltre vo­lution auslösen“, so Matschullat. „Aber ich bin sicher, dass wir von der TU Bergakademie Freiberg ganz konkrete Lösungsvorschläge erwarten können.“

Das Weltforum der Ressourcenuniversitäten für Nachhaltigkeit (WFRUS) könnte ein erster Schritt sein. Es wurde 2012 von der TU Bergakademie Freiberg und der Bergbau­Universität St. Peters­burg ins Leben gerufen. Schon jetzt haben sich 84 Universi täten aus aller Welt dem Forum angeschlossen. Ihr gemeinsames Ziel ist es, Rohstoffe besser zu nutzen, dafür entsprechende Fachkräfte auszubilden und ein neues Rohstoffb ewusstsein in der Gesell­schaft zu schaffen. Aus Freiberg kommen also nicht nur Defini ­ ti o nen wie die für Nachhaltigkeit, sondern auch kluge Ideen und starke Impulse für deren Umsetzung. Denn wo, wenn nicht hier, weiß man, wie wichtig ein vorausschauender Umgang mit Roh­stoffen und Energie ist.

F r e i b e r g S c h w e r p u n k t

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„Es geht dabei nicht um Verzicht, sondern um den intelligenten, schonenden

Umgang mit Produkten, einem besseren Rohstoff- und Energiebewusstsein, weg von der

Wegwerfgesellschaft.“

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Innovations-Roulette Die Evolution als Vorbild für das Innovationsmanagement

Eine Außenansicht von Ulf Pillkahn

Es ist verdammt schwer, Inno vationen gezielt zu realisieren – und es wird trotz­dem in der Regel von den Beteiligten immer unterschätzt. Oftmals sind es die Innovationsmanager, die mit der Aufgabe betraut sind und das Thema Innovationen vorantreiben sollen. Was die Innovations manager unterscheidet, sind die Qualifi ka tionen – die es so nicht gibt. Während man für eine Herz­OP einen Spezialisten erwartet, fühlt sich beim Thema Inno vatio nen irgendwie jeder berufen, der schon mal einen Schraubenzieher in der Hand hatte. Was die Innovationsmanager jedoch eint, ist der Wunsch, die Inno vations kraft­ und ­fähigkeit der Unter neh men, für die sie tätig sind, zu stärken.

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Drei Erfolgsmuster für erfolgreiche Innovationen

Und an diesem Bemühen scheiden sich die Geister. Der for­schungsintensive Aktionismus führt kaum zu Erkenntnissen. Dabei könnte ein Blick zurück helfen: Nicht erst seit Schumpeters Prägung der ‚schöpferischen Zerstörung‘ gelten Innovationen als Motor des technischen Fortschritts – und es lassen sich drei Erfolgs muster erkennen:

1. Besessenheit: Exemplarisch hierfür sind Thomas Alfa Edison und Steve Jobs.

2. Zufall: Die bedeutendsten Entdeckungen des 20. Jahrhunderts basieren auf Zufall, etwa die Entdeckung des Penicillins durch Flemming, der Röntgenstrahlung durch Röntgen und sogar das Internet.

3. Systematik: Hierzu zählen die Entwicklung des Flachbild­schirms und der GPS­Navigationsgeräte.

Das Interessante ist nun, dass wohl die meisten Unternehmen am vehementesten den systematischen Ansatz verfolgen. Unter su­chun gen zeigen jedoch eindeutig, dass die Prozesse, welche der Innovationssystematik zugrunde liegen, vor allem Innovationen in kleineren Schritten fördern und radikale Innovationen verhin­dern. Das führt dazu, dass mittelmäßige Innovationssystematiken mit mittelmäßigen Innovationsmanagern im Innovations wett be­werb mit Besessenen stehen. Das Besondere an denen ist, dass sie eine Idee verfolgen ohne die hemmenden Innovations blockaden, wie wir sie von den großen Unternehmen kennen. Dort sind viele Zauderer und Bedenkenträger entlang des Inno vations prozesses positioniert und haben viele Gelegenheiten, die wirklichen Neu­erun gen – welche Veränderung bedeuten – zu verhindern. Die Be sessenen hingegen verfolgen eine Idee („Wir wollen den besten Computer bauen“) mit einer Leidenschaft und eben auch der Besessenheit, die tatsächlich für Veränderungen im Nutzer­verhalten sorgt und die technokratisch­bürokratisch ausgerichte­ten Innovations­Systematiken regelmäßig blass aussehen lässt. Ganz erstaunlich finde ich daran eigentlich nur, dass jede Gene ra­tion von Managern und Innovationsmanagern wieder und wieder große Innovationssysteme ersinnt, die zwar immer wieder aufs Neue gut gemeint sind, aber immer wieder aufs Neue wenig her­vorbringen. Ich vermute, es hängt mit dem Selbstverständnis von Management und eben insbesondere des Innovationsmana ge­ments zusammen. Und da gibt es eben kaum etwas, was nicht auch gemanagt werden könnte, selbst wenn es wenig oder nichts bringt. Wesentlich Erfolg versprechender wäre es, mehrere Entstehungs­möglichkeiten für Innovationen zu kultivieren. Richtige Inno­vationskulturen vertragen sowohl Besessene, die für eine Idee brennen, als auch eine Systematik – aber eben auch den dritten Weg, den Zufall.

Innovation als Erneuerung

Die Evolution ist ein erfolgreicher Innovationsmotor. Seit Darwin wissen wir, dass die Artenvielfalt nicht das Ergebnis eines Schöpfers ist, sondern durch das Phänomen der Ab ­stammung und Verer bung über Jahrmillionen entstand. Der zugrunde liegende Mechanismus der Mutation ist im Kern ein zufallsgesteuertes Losverfahren. Hier wird quasi ‚ausgewürfelt‘, welches genetische Material von den Eltern an die Nachkommen weitergegeben wird. Über die natür liche Auslese in Form von Selektion und Stabilisierung wird ge steuert, ob sich Neu e run­gen bewähren oder ob sie wieder verworfen werden.

Trotz kontroverser Diskussionen in Detail fragen ist die Evolu­tionstheorie inzwischen als Grundlage des Lebens auf der Erde anerkannt und die am besten erforschte wissenschaftliche Theorie. Sie besagt im Wesentlichen, dass Lebewesen unter­schiedlich gut an ihre Umwelt angepasst sind. Durch den ständi­gen Wettbewerb um Futter, Brutplätze, Reviere und Lebens­bedin gungen streben sie immer nach optimaler Anpassung und befinden sich somit in einem kontinuierlichen Veränderungs­ und Adaptionsprozess. Einige Merkmale der Evolution:

• Evolution findet immer statt• Es gibt keinen dauerhaften Wett bewerbs vorteil (nur temporär) • Der Vorgang ist selbstgesteuert, es gibt keine Bewertung

(und kein Management!)• Die Auslese erfolgt nur im Wettbewerb• Evolution ist nicht zielgerichtet

Über den Autor

Dr. Ulf Pillkahn, 45, ist Dozent am Lehr ­stuhl für Innovation und Entre preneur­ship an der Zeppelin Universität und Experte für Zukunftsfragen und Inno va­tionen bei der Siemens AG in München.

Er hat Elektro­ und Informations technik studiert, lebte und studierte längere Zeit in Norwegen und Groß britannien und erwarb einen MBA­Ab schluss in London.

2011 promovierte er an der LMU in Psychologie (Titel der Promo tion: ‚Innovation zwischen Zufall und Pla­nung‘). Die Dissertation ist Grund lage für das 2013 erscheinende Buch „Die Weisheit der Roulettekugel“ (Publicis Verlag 2013). Darüber hinaus ist er Autor des Buches – inzwischen einem Fore sight­Stand ardwerk: „Trends und Szenarien als Werkzeuge zur Strategie­entwicklung“ (Publicis Verlag 2007).

D u r c h b l i c k A u ß e n a n s i c h t

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Die Weiterentwicklung beruht auf dem Zusammenspiel von Evolutionsfaktoren wie beispielsweise Mutation, Rekombination, Selek tion, Isolation oder Gendrift. Neue Kom binationen von Genen entstehen während der Fortpflanzungsphase. Sie sorgen zunächst für eine große Variation im Genpool. Durch die Anzahl neuer Genmutationen werden Mög lichkeiten zur Erneuerung erzeugt. Welche der Neuerungen sich dauerhaft etablieren kön­nen, zeigt sich in der Adaption an die Umwelt bedingungen. Im Wettbewerb setzen sich die am besten auf die Umweltbedingungen angepassten Arten durch. Das Verblüffende ist nun, dass es in der Natur keinen Masterplan und keine Strategie für die Entwicklung der Populationen gibt. Instinkt und Überlebenstrieb des Individuums und der Mecha nismus der Evolution funktionieren seit Jahrmillionen recht effizient und sorgen für eine ständige kreative Erneuerung.

Genau das ist der Unterschied zum betrieblichen Innovations ­wesen. In der Regel wird durch eine Innovationsstrategie die Richtung der Innovationsbemühungen vorgegeben. Das führt jedoch – wie zahlreiche Untersuchungen belegen – zu tunnel­blickartigen Reaktionen. Statt für möglichst viele Neuerungen offen zu sein, sucht man gezielt nach Lösungen für bekannte Probleme. Die Fixierung auf das vorgegebene Ziel verhindert die neutrale Beurteilung von Ideen. Es hätte sicher keine nennens­werte Evolution stattgefunden, wenn bestehende Populationen die Zukunft der Arten strategisch festlegen. Dann würden heute noch die Menschen auf den Bäumen leben, da es erst einmal kei­nen Sinn macht, sich auf allen vier Gliedmaßen fortzubewegen, um später aufrecht gehen zu können. Der aufrechte Gang war sicher kein geplanter Schritt in der Entwicklung des Menschen.Die These lautet daher: Um die Innovationskraft zu steigern, sollte es weniger Strategie und dafür mehr Evolution im Inno va­tions managementsystem geben.

Wie bekommt man nun die Evolution ins Innovationssystem eines Unternehmens?

Der innovative Schritt in der Neugestaltung liegt darin, sich an den Verfahren der Natur zu orientieren und den Zufall zur Steigerung der Variation ins Spiel zu bringen. Ähnlich wie bei der Rekombination während der Fortpflanzungsphase muss man mehr Variationen zulassen und diese zunächst ohne Bewertung weiterentwickeln, auch wenn sie zunächst unlogisch erscheinen

und nicht zur Strategie passen. Eine Neutralität ist im Prinzip nur durch eine Zufallsauswahl gegeben. Konkret bedeutet das, Ideen werden – zumindest teilweise – ausgewürfelt (d. h. ‚Innovations­ Roulette‘) statt wie üblich von Innovationsmanagern oder –boards zu bewerten. Dadurch erhöht sich das Innovationsspektrum und man beschäftigt sich tatsächlich mit nicht ganz so offensicht­lichen Ideen – man spricht auch von Serendipity.

Planst du noch oder innovierst du schon?

Venture Capitalists setzen bei ihren Investments nicht alle Einsätze auf ein Unternehmen oder eine Geschäftsidee. Vielmehr werden viele kleinere Investments getätigt; wohlwissend, dass die weitere Entwicklung schwierig bis gar nicht zu beurteilen ist. Wenn sich von zehn vielversprechenden Beteiligungen lediglich eine als erfolgreich durchsetzen wird, zählt das als Erfolg. Im Inno vations­management möchte man jedoch Flops vermeiden und prüft und analysiert lieber so lange, bis vermeintlich ein Misserfolg auszu­schließen ist. Gerade im Hinblick auf die Evolution erweist sich bei unübersichtlichen und von Unsicherheit geprägten Situationen der Ansatz mit den pfadunabhängigen und gestreuten Investments als Erfolg versprechender.

Wie Louis Pasteur einmal sagte: ,Luck favors the prepared mind‘. Und so ist jedes abgebrochene Innovationsprojekt ein Lernfort­schritt. Wer keine Fehler macht, ist nicht innovativ genug. Ins­besondere in Design­Thinking­Ansätzen wird genau die Ansicht vertreten, dass frühzeitig angefertigte Prototypen und Experi­mente zu hohem Erkenntnisgewinn führen und bei Inno vations­bemühungen eigentlich unverzichtbar sind. Dezen trali sierung, Gaming und vor allem viel mehr Experimente steigern die Möglichkeiten der Variation und zwingen zur Selektion, was wie­derum zur Steigerung der Agilität und der Anpassungsfähigkeit des Unternehmens beiträgt.

Die Ausführungen zeigen, dass man durch eine höhere Vielfalt im Innovationsmanagement der Mittelmäßigkeit entkommen könn­te (hinreichend, jedoch nicht ausreichend). Das bedeutet: wenn man Innovationen nicht nur mit der typischen Innovations­Systematik verfolgt, sondern auch dem Zufall eine Chance gibt, wird sich das Innovationsverhalten verbessern. Wenn man dar­über hinaus noch dem einen oder anderen Besessenen den Frei­raum für Innovationen bereitstellen kann, wäre es noch besser !

W i s s e n s c h a f t i s t k i n d e r l e i c h t D u r c h b l i c k

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Prof. Dr. Peter Langendörfer arbeitet am Leibniz­Institut für inno­vative Mikroelektronik (IHP) in Frankfurt (Oder) und hat eine Professur an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus. Er leitete das ForMaT­Forschungs­projekt „ESCI – Erweiterte Sicherheit für Kritische Infrastruk turen“.

Prof. Dr. Langendörfer, was

sind ...

„Kritische Infrastrukturen“?

Bei uns fängt doch fast jeder Tag so an: Frisches Trinkwasser spru­delt aus dem Hahn in die Kaffeemaschine. Es dampft und zischt und wenig später steht duftender Kaffee auf dem Tisch. Sauberes Wasser steht uns unbegrenzt zur Verfügung. Aber ist das tatsäch­lich so? Computer steuern das Gewinnen von Trinkwasser und seine Entsorgung. Sie steuern Kraftwerke, Flughäfen und den Straßenverkehr – also alle Infrastrukturen, die unseren Alltag am Laufen halten.

Clever programmierte Computer steuern z. B. mit ihren Netzen die Ampeln an großen Kreuzungen. Durch eine immer dichter wer­dende Videokontrolle und permanente Messungen der Fahrzeug­bewegungen kann so der Verkehrsstrom geleitet werden. Alle diese Daten füttern laufend die Rechner systeme, um z. B. bei Unfällen schnell und richtig zu entscheiden. In den letzten Jahren verwendet man dafür immer mehr drahtlose und offene Netzwerke. Durch diese Verbindung werden Infrastruktur­Systeme über das Internet zugänglich und angreifbar: sie bieten „Angreifern“ neue Möglichkeiten der Sabotage – bis hin zum Totalausfall der Systeme. Von besonderer Bedeutung sind die „kritischen Infrastrukturen“. Darunter versteht man Organi sationen oder Einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beein trächtigung nachhaltig wirkende Versorgungs­engpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder

andere dramatische Folgen eintreten würden. Hacker, die sich in fremde Computernetze einschleichen, um möglichst großen Schaden anzurichten, gibt es nicht nur in Hollywood­Filmen. Leider sind sie kein Phänomen von Einzeltätern mehr, sondern bilden inzwischen eine kriminelle, aber professionelle „Berufs­gruppe“. In den USA brachten sie den Verkehr mit Bus und Bahn in großen Städten bereist komplett zum Erliegen. Und in den balti­schen Staaten waren die Computer der Regierungen stundenlang nicht zu erreichen.

Auch Unternehmen werden anfälliger, weil Mitarbeiter via Internet oder USB­Stick von außen bösartige Codes, Viren und Spionage­programme einschleusen können. Als Gegengift haben wir eine neue „Verteilte Reaktive Sicherheitsplattform“ entwickelt. Das hört sich genau so kompliziert an, wie es ist. Bildhaft gesprochen haben wir ein Netz wie in der Zirkusmanege gebaut. Wenn dem Artisten ein Fehler passiert, endet der Unfall nicht tödlich, sondern er wird aufgefangen und bleibt unverletzt. Unser Sicherheitsnetz sind neu entwickelte Computerprogramme. Wenn nun wieder mal ein Motor spinnt und ein Sensor unsinnige Daten liefert, dann kann das ein Angriff von außen sein oder schlicht und einfach ein tech­nischer Defekt. Dies können wir mithilfe unserer neuen Platt ­ form erkennen, die Art des Fehlers interpretieren und den Betrei­bern rechtzeitig signalisieren.

Mein Schreibtisch + ich Dipl.-Ing. Axel Boese

Axel Boese ist Chef der INKA-Nachwuchsforscher an der Uni Magdeburg. Damit steht der Diplom-ingenieur aber keinem indigenen Wissenschafts-projekt vor, sondern einem interdisziplinär arbei-tendem Team für innovative Medizintechnik. Sie soll neuartige, minimal-invasive, katheter-gestützte Eingriffe in den Bereichen Neuro-radiologie, Tumortherapie und Orthopädie ermöglichen.

M e i n S c h r e i b t i s c h + i c h

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Mate-Tee„Argentinien ist schuld. Dort habe ich dieses Getränk schätzen und lieben gelernt. Weil es schmeckt und richtig gute Laune macht. Und soviel gesünder als schnöder Kaffee ist. Wie viele Tassen pro Tag im Boese­Büro aufge­brüht werden, entzieht sich meiner Statistik. Und das ist auch gut so.“

Kästchen „Trendjäger“ „Dieses Kästchen für diverse Stifte ist auch im Computerzeitalter für mich etwas sehr Besonderes. Mein achtjähriger Sohn hat es nämlich mit eigenen Händen und nur für mich gebastelt. Ein großes Stück Liebe auf dem Schreibtisch. Immer einen Augenblick wert.“

Vorhängeschloss„Nichts geht bei mir über einen tollen Proto­typenbau, da bin ich mir bis heute sicher. Ich finde es phänomenal, wie aus einer virtuellen Idee die erste Probe aus Kunststoff wird. Wenn ich das Prototypen­Schloss auf mei­nem Schreibtisch immer mal wieder in die Finger nehme, leuchten meine Augen. Und wenn ich eine gute Gelegenheit finde, mache ich mich auf den Weg zu den Magdeburger Kollegen, die wie mit Zauberhänden diese Erstlingswerke erschaffen.“

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Fachbuch „Anatomie des Menschen“„Als zukünftiger Ingenieur hatte ich während meines Studiums wohl mehrere Pläne, aber die Medizintechnik bis dahin eher nicht auf der Rechnung. Bis eines Tages die alt­ehrwürdige Otto­von­Guericke­Universität entdeckte, dass zu ihrem Campus auch ein Klinikum gehört. Mit dieser Erkenntnis im Rücken hatten wir Ingenieure eine Idee: Nicht nur Förderanlagen und Motoren können wir, son­dern bestimmt auch kleinste, feinste Geräte, die das Leben der Ärzte und Patienten besser machen. Seitdem weicht dieses Buch nicht mehr von meiner Seite.“

Fahrrad„Radfahren in Magdeburg ist seit fast 100 Jahren ,in‘. Für mich startet ein Tag genau richtig, wenn ich in die Pedale treten kann. Auch wenn ich nur ,Gelegenheits­ Triathlet‘ bin, so bewege ich mich doch mit dem Rad und schöner Regelmäßigkeit zwischen drei Orten: meinem Büro auf dem Campus, dem Forschungslabor in der Experimentellen Fabrik und dem Universitätsklinikum – so komme ich auf locker 6.000 km im Jahr.“

e i n g e O R Tn e t

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MECKLENBURG-VORPOMMERN

SACHSEN-ANHALT

BERLIN

BRANDENBURG

SACHSENTHÜRINGEN

 ultra optics → S. 4BASIS → S. 4

Deutsches EnergieRohstoff-Zentrum (DER) → S. 32–41 VIRTUHCON → S. 32–41

Eberswalde

Frankfurt/Oder

Dresden

Chemnitz

Freiberg

Leipzig

JenaGera

EISENACH

Magdeburg

Halle

GreifswaldPhysiolution → S. 14–17Drug-Delivery-Technologien → S. 14–17

ESCI – Erweiterte Sicherheitfür Kritische Infrastrukturen → S. 45

      

Wachstumskern

WK Potenzial

Zentrum für Innovationskompetenz

InnoPro�le Transfer

InnoPro�le

ForMaT

Spitzenforschung und Innovation

Innovationsforum

Biopolymere und biobasierte Kunststoffe → S. 13   Glykodesign und Glykoanalytik → S. 26–31

B CUBE → S. 10–12OncoRay → S. 4

MPTK → S. 4

Campus Wartburgregion – Leichtbau → S. 13 Energie- und

umwelteffiziente Abwasserfördersysteme(AWASYS) → S. 13

Power to Gas to Power → S. 5 

Auxilium → S. 5 ASTER → S. 6–9 INKA → S. 6–9, 46–47 TASC → S. 6–9 

   

VAKZINOVA → S. 13

   

Die Unternehmen-Region-Initiativen in dieser Ausgabe

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Weiterführende Informationen zur BMBF­Innovations initia tive Neue Länder im Internet unter www.unternehmen-region.de

• Porträts und Profile der regionalen Initiativen• Aktuelle Nachrichten rund um „Unternehmen Region“• Publikationen zum Downloaden und Bestellen

Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit vom Bundes­ministerium für Bildung und Forschung unentgeltlich abge geben. Sie ist nicht zum gewerblichen Vertrieb bestimmt. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerberinnen/Wahlwerbern oder Wahlhelferinnen/Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zweck der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Bundestags­, Landtags­ und Kom mu nal wahlen sowie für Wahlen zum Europäischen Parlament.

Missbräuchlich ist insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen und an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Unter sagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Unabhängig davon, wann, auf welchem Weg und in welcher Anzahl diese Schrift der Empfängerin/dem Empfänger zugegangen ist, darf sie auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl nicht in einer Weise verwendet werden, die als Parteinahme der Bundesregierung zugunsten einzel ner politischer Gruppen verstanden werden könnte.

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Unternehmen Region – die BMBF­Innovationsinitiative Neue Länder

Der Ansatz von Unternehmen Region beruht auf einer einfachen Erkenntnis: Innovationen entstehen dort, wo sich Part ner aus Wirtschaft und Wissenschaft, Bildung, Verwaltung und Politik in Innovationsbünd nissen zusammenschließen, um die Wertschöpfung und Wettbewerbsfähigkeit ihrer Regionen zu erhöhen.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unter­stützt regionale Kooperationsbündnisse dabei, ein eigenes zukunfts­fähiges technologisches Profil zu entwickeln und konsequent die Stärken und Potenziale ihrer Region zu nutzen und auszubauen. Kernstück jeder regionalen Initiative ist eine klare Inno vations­strategie, die von Anfang an auf die Umsetzung der neu entwickel­ten Produkte, Verfahren und Dienstleistungen im Wettbewerb aus­gerichtet ist.

Unternehmen Region umfasst die folgenden Programme:• InnoRegio (1999 bis 2006)• Innovative regionale Wachstumskerne mit Modul WK

Potenzial• Innovationsforen• Zentren für Innovationskompetenz • InnoProfile• ForMaT• Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation

Für die Förderung stellt das BMBF in diesem Jahr rund 106 Mio. Euro zur Verfügung.

DLR

Ansprechpartner

Bundesministerium für Bildung und ForschungRegionale Innovationsinitiativen; Neue Länder (114) Hannoversche Straße 28–30 · 10115 Berlin Tel.: 030 1857­5273 · Fax: 030 1857­85273info@unternehmen­region.de

Projektträger Jülich – PtJZimmerstraße 26–27 · 10969 BerlinTel.: 030 20199­482 · Fax: 030 20199­400 Projektträger im DLR Deutsches Zentrum für Luft­ und Raumfahrt e.V.Rosa­Luxemburg­Straße 2 · 10178 BerlinTel.: 030 67055­481 · Fax: 030 67055­499