32
1,50 Euro, davon 90 Cent für den Verkäufer Mit Hartz-IV-Ratgeber! strassen| feger Ausgabe 2 Januar 2011 „Sigmar Polke – Eine Hommage“ - Bilanz einer Künstlerfreundschaft Das „Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung“ Eiskalte Leidenschaft: Eissegeln

Ausgabe 2, 2011 KÄLTE - strassenfeger

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Die Straßenzeitung strassenfeger bietet nichts anderes als „Hilfe zur Selbsthilfe“.

Citation preview

Page 1: Ausgabe 2, 2011 KÄLTE - strassenfeger

1,50 Euro, davon 90 Cent für den Verkäufer

Mit Hartz-IV-Ratgeber!

strassen|fegerAusgabe 2 Januar 2011

„Sigmar Polke – Eine Hommage“ - Bilanz einer Künstlerfreundschaft

Das „Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung“

Eiskalte Leidenschaft: Eissegeln

Page 2: Ausgabe 2, 2011 KÄLTE - strassenfeger

2

strassen|feger2/2011

2 strassen|feger Partner imMitglied im

Edit

oTitel

art strassenfeger

strassenfeger radio

Kulturtipps

Mittendrin

Sport

Hartz-IV-Ratgeber

Verein

Vorletzte Seite

Aktuell

Brennpunkt

Aus unserer Redaktion 22

Eiskalte Leidenschaft: Eissegeln 24

S-Bahn: Berlin im Ausnahmestand 26

Wohnen: Wenn die Fakten auf den Kopf gestellt 28werden

Hartz V oder von der Leyen (3) 29

strassenfeger hilft! 20

strassenfeger unplugged auch im kommenden Jahr 21

Der Selbstzweck ist tot, es lebe das Medium 21

Wer war Sigmar Polke? 16

„Sigmar Polke – Eine Hommage“ - Bilanz einer 17Künstlerfreundschaft zwischen Sigmar Polke und Klaus Staeck Ausstellung in der Akademie der Künste

Leserbriefe, Impressum, Vorschau 31

Von Kptn Graubär 30

Das Paradox: Kälte 3

Im Winter kommt es doppelt hart 4

Das Projekt „Taldice“ 7

Das „Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung“ 8

Jerusalem im Schnee 11

„Die Zeitung in den steifen Fingern!“ 12

Soziale Kälte 13

Ernährung in der Eiszeit 14

Innere Kälte 15

Lieber Leser,

Puh, ist es kalt draußen! Na gut, es ist ja auch Winter – zum zweiten Mal schon hintereinander (!) - da sollte es auch richtig kalt sein oder? Das der Winter mit Dauerfrost, Schnee und Eis allerdings schon so früh und so hart zuschlägt - alle Achtung! Schneeschieber und Eisschaufeln sind Mangelware, den Straßenräumdiensten geht das Streusalz und den Flughäfen die Enteisungsmittel aus! Wow! War das früher auch so oder gehörten harte Winter einfach dazu zum Wechsel der Jahreszeiten? Was ist eigentlich mit „Global Warming“ und der von Wissenschaftlern beobachteten Erderwämrung?

„Kälte“ – heißt das Titelthema der aktuellen Ausgabe. Unsere Autoren haben wie immer versucht, viele spannende Fragen zum Thema für Sie zu beantworten. Einer der führenden deutschen Klimaforscher erklärt z.B. wie der Klimawandel zustandekommt. Kälte ist aber auch ein soziales Problem: Gerade die obdachlosen Menschen leiden extrem darunter. Wir haben einige Einrichtungen der Obdachlosenhilfe besucht.

Über das Winter-Chaos bei der Berliner S-Bahn ist schon viel geschrieben worden. Wir haben für Sie auch mal nachgefragt und ein paar inte-ressante Antworten erhalten. Leider werden die aber auch nichts an der Unfähigkeit der zuständigen Bundespolitiker bzw. Bahnmanager ändern. Unverändert wird an der Renditeerwartung von 500 Millionen Euro festgehalten! Und zu Jahresbeginn werden auch noch frech die Preise erhöht! Ein Skandal!

Sehr gefreut haben wir uns über ein Angebot von unserem langjährigen Freund und Partner, dem Präsidenten der Akademie der Künste, Klaus Staeck: Wir sollten doch Medienpartner bei der Ausstellung „Sigmar Polke – Eine Hommage“ - Bilanz einer Künstlerfreundschaft werden. Da haben wir natürlich sofort zugesagt. Und nun ist es soweit: Am 14. Januar wird die Polke-Aussellung eröffnet und wir berichten ausführlich darüber.

Übrigens: Eissegeln ist momentan unsere Lieblingssportart!

Ein glückliches und erfolgreiches Jahr 2011 wünscht Ihnen Andreas Düllick

Foto

: And

reas

Dül

lick

Winter 2010/2011

Page 3: Ausgabe 2, 2011 KÄLTE - strassenfeger

3

strassen|feger2/2011

3

Tite

lDas Paradox: KälteKennt ein Physiker überhaupt Kälte?

Kälte als ParadoxAls ich zur Schule ging, hatte man mich gelehrt, dass es eigentlich nur Wärme gebe. Die Moleküle, die in meinen Lehrbüchern aus fest defi -nierten Teilchen bestanden, würden sich bewegen und die Heftigkeit der Bewegung sei das Maß der Wärme. Das Thermometer würde also anzeigen, wie schnell die Atome fl itzten oder, bei Metal-len und anderen Feststoffen, zitterten. Am absoluten Nullpunkt, so meine Lehrer damals, würde die Bewegung aufhören. Da die Moleküle immer in Bewegung sind, könnte die Menschheit den absoluten Nullpunkt nie erreichen. Aber Mann, wieso waren meine Physiklehrer allesamt Kerle, sagte mir, einen genauen Wert für diesen magischen nie zu erreichenden Wert: -273,15 °C. Das sei 0 °K (Grad Kelvin) wurde mir erklärt.

Heute weiß ich, dass die Physiker mitt-lerweile so manches anders sehen und auch das Ersterben jeder Bewegung der Moleküle am absoluten Nullpunkt wurde infrage gestellt. Als mein kritischer Geist damals andere Quellen der wissenschaft-lichen Information als die Schulbücher entdeckt hatte, gab es einige Dispute mit diesen Lehrern. Ich entdeckte, dass die Schulbuchweisheiten eine Sache sind, die Wirklichkeit oft eine andere. So absolut wie meine Lehrer taten, sind die Naturgesetze nicht. Ich rede hier von Modellen, die einen Teil der Wirklichkeit zeigen.

Negative WärmeAls Student hatte ich von der negativen Wärme gehört. Ein Professor für Thermodynamik sprach über Kreisprozesse. Die Erzeugung von elek-trischer Energie durch Erhitzen von Dampf im Kraftwerk ist ein solcher Kreisprozess. Hier wird im Kessel Wasser verdampft, der Dampf erzeugt in der Turbine mechanische Energie, durch Abkühlung kondensiert, worauf

der Prozess neu starten kann. Ein anderer Kreisprozess sorgt dafür, dass unsere Lebensmittel im Kühlschrank gekühlt werden. Mit diesen Prozessen befasste sich zum ersten Mal der junge Franzose Nicolas Leo-

nardi Sadi Carnot (1796-1832), der sich aus Faszination über die Dampfmaschine mit dem Dampf-Kraft-Prozess befasste. Dessen 1824 veröffentlichte Schrift „Betrachtungen über die bewegende Kraft des Feuers und die zur Entwicklung dieser Kraft geeignete Maschinen“ wurde erst Jahre nach dem Tode Carnots beachtet. Zu seinen Lebzeiten begnügte man sich mit kleinen Veränderungen an der Maschine. Parallelen zum „Neuerer-Wesen“ der untergegangenen DDR sind nicht zufällig. Doch zurück zu Carnot. Er fand heraus, dass mechanische Arbeit aus Wärme nur gewonnen werden kann, wenn eine Wärmequelle und eine Wärmesenke den Prozess antreiben und die Temperaturen von Wärmequelle und Wärmesenke den maximalen Ausnutzungsgrad der Umwandlung der in der Wärmequelle enthaltenen Energie bestimmen. Der Quotient aus der Temperaturdifferenz geteilt durch die Temperatur der Wärme-quelle wird Carnotfaktor genannt.

Kälte - wertvoller als WärmeAls ich noch Schüler war, erzählte mein Vater, dass in Israel Trinkwasser durch Ausfrieren von Salzwasser gewonnen wurde. Er hatte das bestimmt im „Spiegel“ gelesen. Die Idee faszinierte ihn, ist doch hier die Tempe-raturdifferenz gegenüber dem Verdampfen wesentlich geringer. Ich sah das ein, habe ich doch den Ausspruch „Kälte ist wertvoller als Wärme“ Jahre später als Student in der Vorlesung für Themodynamik von dem besagten Professor im Zusammenhang mit dem Carnotfaktor gehört.

Jan Markowsky

Es ist kalt geworden in Deutschland, der Winter hält uns in seinem Bann. Kälte ist ein individuelles Gefühl: Ich fühle mich noch warm und gut, da kommt ein klagendes „Mir ist kalt!“. Im Internetlexikon Wikipedia ist zu lesen: „Kälte beschreibt meist einen subjektiven Zustand vergleichsweise niedriger Temperatur. Umgangssprachlich wird daher mit Kälte das Fehlen von Wärme bezeichnet, das heißt, ein Gegenstand besitzt weniger Wärmeenergie als das Bezugssystem (zum Beispiel die Umgebungsluft). Auch in der Literatur gilt Kälte als „Abwesenheit von Wärme".“ Wenn ich mich auf Wikipedia verlassen würde, wäre hier der Artikel zu ende. Gefühl ist eine Seite, doch was sagt die Physik dazu? Die Antwort ist zunächst gar nicht so eindeutig.

Nicolas Leonardi Sadi Carnot (1796-1832)

Restaurant Huippu in Inari ca. 250 km nördl. des Polarkreises

Quelle: Wikipedia

Foto

: Wik

iped

ia

Page 4: Ausgabe 2, 2011 KÄLTE - strassenfeger

4

strassen|feger2/2011

4

Tite

lEiskalte Gesellschaft, eiskalte Temperaturen. Im Winter kommt es doppelt hartNeben der Gefühlskälte einer oft gnadenlosen stets auf den eigenen Vorteil schielenden Gemeinschaft sind Obdachlose im Winter auch echter Kälte ausgesetzt.

Eine Studie der Universität Bielefeld legte unlängst zutage, mit welcher Gefühlskälte und Verachtung die Ärmeren und andere Minderheiten in Deutschland insbesondere von Reichen bedacht werden. Weil sie – so irrsinnig das klingen mag – als Konkurrenten angesehen werden. Dabei kann es jeden treffen. Jeder kann abstürzen. Das lernte ich aus einem Gespräch mit der Ärztin Jenny de la Torre, die in der Pflugstraße das Gesundheitszentrum für Obdachlose betreibt. Zu ihr kommen Arbeits- und Obdachlose genauso wie Akademiker, die eben noch einen gut bezahlten Job hatten und durch ein unerwartetes Ereignis aus der Bahn geworfen wurden. Meist dreht es sich um hohe finanzielle Verluste, die den Ruin bedeuten oder den Verlust eines liebgewonnenen Menschen, durch Scheidung etwa oder ein Unglück. Wer nicht stark genug ist und sich nicht helfen lässt, landet schnell auf der Straße. Ich mache mich auf den Weg in die Stadt, um Orte zu suchen, die Menschen ohne Hab und Gut bei dieser Kälte aufsuchen können.

Am Bahnhof ZooIn der Bahnhofsmission am Zoo werden gerade die Tische geputzt, die letzten Bedürftigen verlassen den Raum. Hans-Jürgen Papke steckt das schnurlose Telefon in seine Hemdtasche. Er koordiniert heute und muss immer erreichbar sein. Er bestätigt mir, was in den letzten Wochen in der Presse zu lesen war: Die Zahl der Bedürftigen steigt stetig. Komisch, wo doch von Aufschwung die Rede ist und den geringsten Arbeitslosen-zahlen seit zwanzig Jahren. Wo fließt das ganze Geld nur hin? Soziale Projekte jedenfalls sind zunehmend von Kürzungen betroffen. Die Leute von der Bahnhofsmission tun, was sie können, aber es gibt zurzeit viel zu wenige ehrenamtliche Helfer. Auf die ist die Mission angewie-sen. Zwar kommen vormittags auch ein paar Ein-Euro-Jobber und schmieren Brote vor –

„Sonst schaffen wir später den Ansturm gar nicht alleine“, sagt Papke – aber das Gros der Mitarbeiter besteht aus unbezahlten Helfern. Die Bahnhofsmission gibt nur Essen aus, Schlafplätze bietet sie nicht an, aber jede Menge Infomaterial und Tipps, wo man am besten hingehen sollte. Papke empfiehlt mir, doch mal in der Lehrter Straße am Hauptbahnhof reinzuschauen.

Ich will gerade los, als ich Manfred entdecke. Das erste Mal sah ich ihn eine Tag zuvor mit dem Kleingeldpappbecher in der Hand im Vorraum einer Bank im Prenzlauer Berg, wo er sich aufgewärmte. „Die Notunterkünfte sind ja alle belegt“, berichtete er mir da. Jetzt hat er einen neuen Rucksack mit ein paar Klamot-ten und einer Isomatte von der Mission bekommen, außerdem wurde ihm ein Platz in der Notunterkunft Franklinstraße vermittelt. Ich darf ihn dorthin begleiten.

Auf dem Weg zur Linie U2 erzählt er mir, dass er seit sechs Tagen in Berlin ist und seither auf der Straße lebt. Angeblich hat er in Hamburg eine Wohnung und eine Arbeit als Scherenschleifer. Sein Gesicht ist faltig, traurig, der Schnauzbart zersaust. Wie jemand, der letzte Woche noch ein Auskom-men hatte, sieht er eigentlich nicht aus, aber ich weiß nicht, was ich

von dem glauben soll, was er erzählt. Er ist wegen der Beerdigung seiner Mutter nach Berlin gekommen. Die ist übermorgen. „Weil ich der älteste Sohn bin, musste ich fast das ganze Begräbnis bezahlen. Mein Bruder kriegt Hartz IV, da ist nichts zu holen. Weißt du, was so ein Begräbnis kostet? Mehr als ’ne Hochzeit!“, beschwert er sich.

Die Notübernachtung FranklinstraßeZehn Minuten Fußmarsch vom Ernst-Reuter-Platz entfernt befindet sich die Notübernachtung Franklinstraße der Caritas und der Stadtmission.

Mit wenigen Unterbrechungen wird hier seit über 55 Jahren Obdachlosen ein Schlafplatz angeboten, inzwischen sind es über 73 Betten in kleinen Mehrbettzimmern. Es mutet gemütlich an, fast wie ein Hostel. Jürgen Mark, ein großer Mann mit grauen Haaren und akkurat gestutztem Bart sitzt am Empfang. „Keine Zeit“, sagt er, jetzt trudeln ständig Gäste ein. Zwei kommen gerade zur Tür rein, einer schwankt etwas. „Erst eintragen“, sagt Mark und stemmt den Zeigefinger auf eine Liste. Der Angetrunkene spricht nur gebrochen Deutsch und versteht die Parole wohl nicht. „Was?“, zischt er und nickt dabei in Richtung Emp-fang. Es klingt aggressiv, ich sehe schon die Fäuste fliegen. „Da lasse ich auch nicht mit mir reden“, erwidert Mark bestimmt. Ich bin erstaunt, wie wenig kooperativ einige Bedürftige sind und für wie selbstverständlich sie die Hilfeleistungen betrachten. „Für manche ist das hier eine große Party“, sagt Mark.

„Gibt es mehr Stress mit Ausländern?“, will ich wissen. „Überhaupt nicht, das hält sich die Waage.“ Denke ich mir. Die Armen bilden vermutlich einen ähnlichen Schnitt durch die Gesellschaft wie die oberen

Zehntausend. Und Arschlöcher gibt es eben überall. Der Gast trägt dann übrigens brav seinen Namen ein und darf sich hernach auf ein gemachtes Bett freuen, bis er um 8 Uhr morgens wieder das Haus verlassen muss.

Foto

: Bag

a Ga

m

Dieter Puhl leitet die Bahnhofsmission am Bahnhof Zoo

Page 5: Ausgabe 2, 2011 KÄLTE - strassenfeger

5

strassen|feger2/2011

5

Tite

l

Die Lehrter StraßeIch hingegen mache mich auf den Weg in die Lehrter Straße, dort gibt es eine große Schlafgelegenheit für Obdachlose. Vor der blauen Eisentür im Keller stehen ein knappes Dutzend Männer, drei haben ordentlich Hoch-prozentiges intus, ich höre nur osteuropäische Sprachfetzen und blicke in müde, aber freundliche Gesichter, viele mit sehr schlechten Zähnen. Daniel, ein hauptamtlicher Mitarbeiter der Stadtmission sagt mir an der Tür, dass erst ab 21 Uhr Einlass ist und dass im Hinter-grund gerade viel Betrieb herrscht. Es wird wieder übervoll werden heute Nacht. Die 60 Plätze sind zu dieser Jahreszeit immer mehr als doppelt überbe-legt. Aber wer sich an die Regeln hält – kein Alkohol, keine Gewalt, keine Drogen oder Waffen – der wird hier nicht abgewiesen. Es findet sich immer eine Lösung.

„Jesus-Peter"Ein Mann schlüpft durch die Türe ins Innere, den ich schon einmal gese-hen habe. Ich erkenne ihn am grauen Rauschebart, seinen freundlichen Augen und ... natürlich an seinem Koffer. „Jesus-Peter“, zwinkert mir Daniel zu. Peter Salzmann ist einer der ehrenamtlichen Helfer, die diese Einrichtungen so dringend brauchen. Vor knapp zwei Jahren habe ich

Peter schon einmal getroffen. Am Ostbahnhof fiel er mir mit diesem rie-sigen Koffer mit der Aufschrift „Frage mich nach Jesus“ auf. Stattdessen fragte ich ihn, ob ich ein Bild von ihm machen dürfe. Er verabschiedete mich damals mit einem Händedruck so kräftig, dass ich wortwörtlich beeindruckt war. Wie gut, dass es starke Menschen gibt, die etwas von ihrer Kraft an andere weitergeben, indem sie helfen.

Am HansaplatzDrei U-Bahnhöfe halten die Berliner Verkehrs-betriebe (BVG) in den kalten Monaten nachts offen und bieten so einen Unterschlupf für Obdachlose. Richtig warm ist es dort auch nicht und es zieht wie Hechtsuppe, aber man ist wenigstens nicht der unmittelbaren Kälte ausgesetzt. Bei minus zehn Grad und abwärts kann das tödlich sein, ohne dass man es merkt. Man schläft einfach ein, vielleicht noch vom Alkohol etwas betäubt. Der spielt in der „Szene“

eine große Rolle. Am Hansaplatz an der U9 stehen drei Männer neben dem Kiosk, ein Hund liegt in Decken gehüllt in der Ecke. Auf dem weißen Bistrotisch steht billiger Fusel in kleinen Fläschchen. Beim Türken hole ich mir ein Bier und geselle mich dazu. Über das Bier kommt man ins Reden, aber Misstrauen ist da. „Bist wohl auf Elend und Sensationen aus, was?“, fragt einer der Männer, während er sich eine Zigarette rollt. „Dafür sind die zuständig“, antworte ich und deute auf die zusammen-

Foto

: And

reas

Dül

lick

Foto: Boris Nowack

„Jesus-Peter“ alias Peter Salzmann ist ehrenamtlicher Helfer

In der Notunterkunft in der Lehrter Straße übernachten derzeit bis zu 170 Obdachlose

Page 6: Ausgabe 2, 2011 KÄLTE - strassenfeger

6

strassen|feger2/2011

6

Tite

lgefaltete B.Z. vor

ihm. „Die les’ ich gar nicht“, antwortete er trot-zig, „die dient mir nur als Unterlage“, und stellt zum Beweis den dampfenden Plastikbecher darauf ab. Keiner der drei ist obdachlos und trotzdem stehen sie seit 13 Uhr hier in der Kälte. Kleine Rente, Arbeitslosigkeit, Knasthi-storie, eine sichere und glückliche Existenz sieht anders aus. Der Rentner erzählt mir mit heftiger Schlagseite, dass es ihm mal richtig gut ging. Ich schwanke im Takt, um ihm zu folgen. Studium an der Militärakademie, Soldat, dann Selbständiger. Neue Autos waren kein Problem. Dann die Scheidung. Ich muss an das denken, was mir die Ärztin de la Torre über ihre Klientel und die Gründe für den sozialen Abstieg erzählt hat.

Der Rentner und Helmut Schmidt„Kennst Du Helmut Schmidt?“, fragt mich der Rentner. „Den Politiker? Sicher.“ „Hat bei uns im Haus Orgelspielunterricht genommen. Später war er dann mein Verteidigungsminister. Da stand ich also zum Gelöbnis am Brandenburger Tor, als mich Schmidt in den Ellenbogen kniff und fragte ‚Wie geht’s dem Vater?’“

Wie klein die Welt doch ist. Da kreuzen sich mehrmals die Wege zweier Menschen, und am Ende des Lebens ist der eine ein weltberühmter Politi-ker und der andere Alkoholiker. „Willst du mal einen echten Obdachlosen sehen?“, fragt mich der mit der Zigarette, die er inzwischen raucht. „Ich weiß, wo einer liegt.“ Ich komme mir vor wie in einem Zirkus. Einer

Freakshow. Und fange plötzlich an, mich zu schämen, dass ich etwas über die Sorgen dieser Menschen erfahren wollte. „Nein, danke“, lehne ich ab. Allein vom Rumstehen ist mir eiskalt geworden. Wie das wohl erst nachts ganz ohne Bewegung sein muss. Und ohne Obdach. Ich trete die Heimreise an und wünsche den Herren noch eine gute Zeit. „Weichei“, sagt der Raucher zum Abschluss. Recht hat er.

Boris Nowack

www.berliner-stadtmission.dewww.notuebernachtung-berlin.dewww.kaeltehilfe-berlin.deKältebus (21 Uhr bis 3 Uhr) 0178-523 58 38

Obdachlose vor der Bahnhofsmission am Bahnhof Zoo

Kleiderspenden für Obdachlose gibt es bei mob e.V.

Foto

: And

reas

Dül

lick

Foto

: And

reas

Dül

lick

Page 7: Ausgabe 2, 2011 KÄLTE - strassenfeger

7

strassen|feger2/2011

7

Tite

l1.620 Meter langer Eiskern aus der Antarktis untersuchtWissenschaftler bestätigen erstmals „bipolare Klimawippe“ am Ende der letzten Eiszeit

Ein 1.620 Meter langer Eiskern, der im Rahmen des „Talos Dome Ice Core Projects“ (TALDICE) im Rossmeersektor der Antarktis gebohrt wurde, hat Vermutungen der Forscher bestätigt: Das Klima am Ende der letzten Eiszeit hat sich nach dem Muster der so genannten „bipolaren Wippe“ verändert.

Aus bisherigen Untersuchungen grönländischer und antarktischer Eiskerne ist bekannt, dass sich der Süden während einer Kaltphase im Norden erwärmt hat, während der nachfolgende rapide Tem-peraturanstieg auf der Nordhalbkugel immer mit dem Beginn der Abkühlung im Süden einsetzte. Dieses Phänomen, das als „bipolare Wippe“ bezeichnet wird, haben Wissenschaftler jetzt erstmals für das Ende der letzten Eiszeit nachgewiesen.

Im Zeitraum von 16.000 bis 14.500 Jahren vor heute zeigen sich zudem in der Antarktis deutliche Unterschiede im Verlauf der Temperaturschwankungen zwischen dem indisch-pazifi schen und dem atlantischen Sektor. „Diese Schwankungen sind von einem verlangsamten Anstieg des Kohlendioxidgehalts in der Atmosphäre und einer leichten Abkühlung auf Grönland begleitet“, sagt der Gla-ziologe Dr. Sepp Kipfstuhl vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in der Helmholtz-Gemeinschaft, der die deutsche Vertretung bei TALDICE übernommen hat. Das Verständnis und die Simulation der „bipolaren Wippe“ sowie des klimatischen Verlaufs in den der Antarktis vorgelagerten Meeresgebieten und ihr Wechselspiel mit den Kohlenstoffkreisläufen sei gerade für die Modellierung des Erd- und Klimasystems von großer Wichtigkeit, so Kipfstuhl.

Der neue, auf dem Talos Dome gebohrte Eiskern eignet sich für die Untersuchungen besonders gut, da er eine ungestörte Klimazeitreihe der vergangenen 250.000 Jahre bietet. Es ist die bisher längste Zeitreihe aus einem küstennahen Gebiet der Antarktis. Der Glaziologe Hans Oerter vom Alfred-Wegener-Institut hat schon viele Eiskerne gezogen und auf seinem Labortisch untersucht, aber dieser neue Kern sei tatsächlich ein Glücksfall für die Wissenschaft: „Der Eiskern erlaubt die atmosphärischen und klimatischen Veränderungen der Vergangenheit mit einer so hohen zeitlichen Aufl ösung zu beschreiben, wie sie bislang bei keinem Kern der Ostantarktis möglich gewesen ist.“ Behutsam wurde der Kern dann auch im Eislabor des Alfred-Wegener-Instituts zersägt, um die einzelnen Probestücke an die unterschied-lichen Labore der am Projekt beteiligten Institute zu versenden. Diese Arbeiten nahmen insgesamt drei Monate in Anspruch. Bei den anschließenden Untersuchungen gelang es den Wissenschaftlern, die neuen Klimazeitreihen präzise mit den bereits vorliegenden Zeitreihen aus anderen antarktischen und grönländischen Eiskernen zu synchronisieren. Sie benutzten dazu die globalen Schwankungen der Methankonzentration, die in den Luftblasen im Eis archiviert sind und in Grönland und in der Antarktis gleichzeitig auftreten. Basierend auf diesem neuen syn-chronisierten Altersmodell konnten die Wissenschaftler die zeitlich hoch aufgelösten Zeitreihen der Tempe-raturdaten innerhalb der Antarktis und auf Grönland dann miteinander vergleichen.

Die Studie, die am 5. Dezember 2010 vorab auf der Internetseite von Nature Geoscience veröffentlicht wird, fasst die Arbeit der Wissen-schaftler, die in TALDICE kooperiert haben, zusammen und zeigt ihre vielfältige Erfahrung bei der Analyse von Eisbohrkernen. Beteiligt waren Institute aus fünf europäischen Ländern (Italien, Frankreich, Deutschland, Schweiz und Groß Britannien). Die Logistik für die Arbeiten auf dem Talos Dome in der Antarktis wurde hauptsächlich vom italienischen „Nationalen Programm

für Antarktisforschung“ bereitgestellt. Margarete Pauls

Quelle: Informationsdienst Wissenschaft

Das Alfred-Wegener-Institut forscht in der Arktis, Antarktis und den Oze-anen der mittleren und hohen Breiten. Es koordiniert die Polarforschung in Deutschland und stellt wichtige Infrastruktur wie den Forschungs-eisbrecher Polarstern und Stationen in der Arktis und Antarktis für die internationale Wissenschaft zur Verfügung. Das Alfred-Wegener-Institut ist eines der 16 Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands.

Infos: www.taldice.orgwww.awi.de

Das Talos Bohrcamp

Foto

: F. V

aler

o

Das Talosdome

Eine Eisscheibe wird begutachtet

Foto

: F. V

aler

o

Foto

: Sep

p Ki

pfst

uhl

Page 8: Ausgabe 2, 2011 KÄLTE - strassenfeger

8

strassen|feger2/2011

8

Tite

l

Prof. Dr. Friedrich-Wilhelm Gerstengarbe ist Vertreter des Vorstands des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und tätig im Forschungsbereich II Klimawirkung und Vulnerabilität. Er arbeitet an Problemlösungen zu Fragen des Klimaeinfl usses (im globalen und regionalen Maßstab) auf Umwelt und Gesellschaft unter Ver-wendung dynamischer und statistischer Modellansätze, analysiert global und regional das Klima seit Beginn der Messwerterfassung, untersucht extreme meteorologische und klimatologische Ereig-nisse und entwickelt statistisch basierte Klimaszenarienmodelle zur Abschätzung zukünftiger regionaler Klimaentwicklungen. Er ist schlicht und ergreifend ein Spezialist, wenn es um unser Klima geht. Baga Gam sprach für den strassenfeger mit dem Meteorologen.

strassenfeger: In Anbetracht der weltweiten Klimaerwär-mung scheint es erstaunlich, dass unsere Winter wieder kälter werden. Als Ursache vermutet eine Studie deutscher und britischer Forscher eine derzeit niedrige Sonnen-aktivität, wie die Max-Planck-Gesellschaft in München mitteilte. Wurde eine verminderte Sonnentätigkeit in den letzten Jahren gemessen?Gerstengarbe: Dass es im Winter auch mal kalt wird, sollte niemand erstaunen, das ist schlicht normal. Die Aufregung über die Temperaturen in diesem Dezember ist ziemlich übertrieben. In den vergangenen hundert Jahren gab es Winter, die deutlich härter waren, als der dieses Jahres es bislang ist, und zwar auch in den 90er Jahren. Wer nun vom Anblick verschneiter Straßen derart erstaunt ist, dass er das Ende der Klimaerwärmung ausrufen möchte, liegt falsch. Denn auch jene Jahre, in denen es zuletzt bei uns Frostwinter gab, waren im Jahresmittel weltweit überdurchschnittlich warm. Das Jahr 2010 wird sogar als eines der wärmsten seit hundert Jahren in

„Dass es im Winter auch mal kalt wird, … das ist schlicht normal.“Das „Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung“ und die Kälte

die Geschichte eingehen, wie die neuesten Daten von Forschern der US-Weltraumbehörde NASA zeigen. Und das passt zu dem, was die Physik uns sagt: Wir verbrennen Kohle und Öl und stoßen dabei CO2 in die Atmosphäre aus. Dieses wirkt als Treibhausgas – die von der Sonne auf die Erde eingestrahlte Energie kann nicht mehr in gleichem Maße wie vorher ins Weltall entweichen, das CO2 hindert sie daran. Und unser Planet heizt sich langsam auf.

sf: Wir alle erinnern uns aber doch noch an die Riesenmengen von Schnee und Eis im vergangenen Winter?Gerstengarbe: Als im Januar 2010 bei uns die Bürgersteige dick vereist

waren, gab es in Australien eine Hitzewelle, auch in Grönland war es im vergangenen Winter vergleichsweise warm – erst dies alles zusammen ergibt die globale Durchschnittstemperatur, und die steigt. Fälschlich wird es hierzulande oft als Zeichen von Kälte wahr-genommen, wenn viel Schnee liegt. Die Temperaturen müssen hierfür aber nur unter null Grad sein, also nicht besonders niedrig. Entscheidend ist beim Schnee hingegen die Menge der Niederschläge. Die aber wächst mit der globalen Klimaerwärmung, weil wärmere Luft mehr Feuchtigkeit enthält. Also passt auch Schnee zu einem Anstieg der Durchschnittstemperaturen. Die in der wärmeren Luft enhaltene Feuchtigkeit transpor-tiert im Übrigen einfach sehr viel Energie von einer Stelle auf dem Globus zu einer anderen, viel stärker als bei trockener Luft. Das ist einer der Gründe dafür, dass

bei dem heute von uns Menschen verursachten Klimawandel Wetterex-treme vermehrt auftreten können – ungewöhnliche Kälte ebenso wie ungewöhnliche Wärme. Das Klima wird insgesamt weniger stabil. Die Ursachen beispielsweise kalter Winter sind dabei aber immer vielfältig. Sie sprachen die Sonnenaktivität an. Die kann ein Faktor sein, ist aber nicht der alles bestimmende.

Fast jeder hat es wahrscheinlich schon einmal gehört oder gelesen: Unser Erdklima verändert sich, es wird wärmer. Das dazugehörige Schlagwort lautet: Global Warming. Allerdings lassen der strenge Winter 2009/2010 und auch die derzeitige klirrende Kälte und die Unmengen von Schnee so manchen Menschen an dieser These zweifeln. Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) untersucht wissenschaftlich und gesellschaftlich bedeutsame Fragestellungen in den Bereichen globaler Wandel, globale Erwärmung und nachhaltige Entwicklung.

Foto: Kevin Saw, NOCS / Alfred-Wegener-Institut

Quelle: PIK

Ein stattlicher Eisberg, 60 m hoch und wenige hundert Meter breit wie lang. Er sah aus wie eine hockende Sphinx, bevor er vor uns zusammenbrach.

Prof. Dr. Friedrich-Wilhelm Gerstengrabe

Page 9: Ausgabe 2, 2011 KÄLTE - strassenfeger

9

strassen|feger2/2011

9

Tite

l

sf: Wissenschaftler vom National Ocea-onography Centre in Southampton haben im Wissenschaftsmagazin

"Nature" (Bd. 438, S. 655) behauptet, die Zirkulation des Golfstroms habe "sich zwischen 1957 und 2004 um etwa 30 Prozent verlangsamt". Der Ozeanograph Detlef Quadfasel von der Universität Hamburg hielt das für wahrscheinlich:  Im hohen Norden, weit vor der Küste Norwegens, kühle der Golfstrom ab und sinke als dichtes, salzhaltiges Meerwasser in die Tiefe ab, weil er mit abnehmender Temperatur schwerer würde. Wenn der Klimawandel dem Meer aber immer mehr und zugleich leichteres Süßwasser zuführe, würde die Golf-Strömung gestört und mit ihr ginge winterliche Heizkraft verloren. Halten Sie diese Erklärung für überholt? Verändert sich der Golfstrom überhaupt?Gerstengarbe: Der Nordatlantikströmung ist andauernd Schwankungen unterworfen, wie mir die Meeresforscher bei uns am Institut sagen. Das wäre also zunächst normal. Den Effekt des Zuflusses von Süßwasser in den Atlantik können sie noch nicht quantifizieren. Aber daran wird natürlich gearbeitet. Es gibt jetzt eine Messreihe quer über den Ozean, alle hundert Kilometer wird die Strömung gemessen. Wahrscheinlich wird eine Abschwächung der Strömung durch die Erderwärmung eintreten, sagen uns die Physiker. Ob er gänzlich abbricht, was dann Folgen weit über die Frage kalter Winter hinaus hätte, wissen sie noch nicht. Wenn es unerwartet schnell gehen sollte, dann würde das aber rund fünfzig Jahre dauern – der Nordatlantikstrom bricht also nicht von einem Jahr aufs andere ab und beschert uns urplötzlich einen kalten Winter.

sf: Aber eines Tages könnte ein Abbrechen des Golfstroms Abkühlung bringen und damit der Erderwärmung entgegen wirken?Gerstengarbe: Der Nordatlantikstrom produziert keine Wärme, er transportiert sie nur. Würde er stark gestört, könnte es in Europa kühler

werden – im Süden aber mit etwas Zeitverzögerung wärmer. Außerdem würden aber, sagen Biologen, die Ökosysteme im Atlantik teils zusam-menbrechen. Der Meeresspiegel würde wahrscheinlich steigen. Alles Dinge, die sich niemand wünscht.

sf: Ich las, dass Sie kalte Winter weniger auf ein Nachlassen des Golfstroms oder verringerte Sonnenaktivität zurückführen, sondern hauptsächlich auf eine drastische Verkleinerung der Eisdecke der Barents-Kara-See nördlich von Norwegen. Können Sie das genauer erklären?Gerstengarbe: Es klingt seltsam, aber tatsächlich ist in manchen Fällen die Erderwärmung der Grund, wenn wir im Winter auf der Straße frieren. Wer denkt, das Schmelzen der Eisdecke auf einem weit entfernten Meer kann ihm egal sein, der täuscht sich. Forscher unseres Instituts haben kürzlich entdeckt, welchen Einfluss Veränderungen der Eisdecke auf Teilen des arktischen Meeres für uns in Europa haben könnten. Die Klimaerwärmung lässt das Eis dort tendenziell schrumpfen. Dadurch verliert das Meereswasser Wärme an die Luft. Diese örtliche Erwärmung stört die Luftströmungen – im Ergebnis werden kalte Winde umgelenkt und können bis zu uns kommen. Dadurch kann es bis zu dreimal öfter als bisher hierzulande zu besonders kalten Wintern kommen, so das Ergebnis einer Simulation mit Hochleistungsrechnern. Keineswegs aber ist es so, dass alle Winter kälter werden. Nur die Zahl der Extreme nimmt zu. Das zeigt eindrucksvoll, wie komplex der Klimawandel ist. Deshalb sollten wir das Menschenmögliche versuchen, ihn zu begrenzen Foto: Kevin Saw, NOCS / Alfred-Wegener-Institut

Quelle: Wikipedia Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

Page 10: Ausgabe 2, 2011 KÄLTE - strassenfeger

10

strassen|feger2/2011

10

Tite

l– indem wir weniger Öl und Kohle verbrennen. Wir reden hier

über die Wirkungen der Erderwärmung, etwa auf die Winterkälte, aber der Klimawandel ist kein unabwendbares Schicksal.

sf: Ist es möglich, dass zukünftige Winter wieder wärmer werden, tenden-ziell sogar immer wärmer werden?Gerstengarbe: Grundsätzlich nimmt wie gesagt die globale Durch-schnittstemperatur langfristig zu, wenn wir nichts dagegen tun. Wir werden vielfach milde Winter haben, und auf der anderen Seite auch kalte Wetterextreme. Wer nun aber glaubt, milde Winter seien gute Winter, der irrt. Nach einem eher warmen Winter überleben beispiels-weise manchmal mehr Insektenlarven, die unsere Wälder schädigen können.

sf: Messen Sie kontinuierlich die Temperaturen und konnten Sie in den letzten Jahren immer stärkere Temperaturschwankungen feststellen?Gerstengarbe: Die Temperaturen werden von hunderten Wetterstati-onen auf der ganzen Erde gemessen. Und in der Tat wachsen, schaut

Info:Das PIK wurde 1992 mit Hans Joachim Schellnhuber als Direktor gegründet. Es befindet sich in Potsdam auf dem Telegraphenberg, im Wissenschaftspark Albert Einstein, in der Nähe des Hauptbahnhofs. Das Hauptgebäude des PIK, heute Michelsonhaus genannt, wurde 1879 als erstes Astrophysikalisches Observatorium der Welt eingeweiht.

Forscher aus den Natur-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften arbeiten zusammen, um fächerübergreifend Einsichten zu gewinnen, welche zur Grundlage für Entscheidungen in Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft genutzt werden können. Die wichtigsten methodischen Ansätze am PIK sind System- und Szenarienanalyse, quantitative und qualitative Modellierung, Computersimulation und Datenintegration. Das PIK ist u. a. tätig im International Geosphere-Biosphere Programme (IGBP), es unterstützt das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) bei seiner Darstellung des wissenschaftlichen Kenntnisstandes über die Globale Erwärmung und half beim Erstellen des Millennium Ecosystem Assessment. Am PIK angesiedelt ist auch die Arbeitsgruppe III des Weltklimarats IPCC, die sich mit der Vermeidung des Klimawandels befasst. Das PIK beschäftigt derzeit etwa 300 Mitarbeiter.

man auf’s Ganze, die Schwankungen. Örtlich kann es dabei aber sehr spezielle Gründe geben – und sehr unterschiedliche Auswirkungen. In der einen Region wird es durch die Erderwärmung möglich, Wintergetreide anzubauen. In einer anderen hingegen kommt es zu Dürren. Auch das zeigt, wie vielfältig das Bild ist, nicht nur beim Thema Winter.

sf: Wird dieser Winter in Europa lang werden? Vermuten Sie, dass dieser Winter in Europa eher kälter, eher länger oder kälter und länger zugleich wird?Gerstengarbe: Wir machen am Potsdam-Institut Klimaforschung, keine Wettervorhersagen. Die kann in Wahrheit auch niemand mehrere Monate im Voraus verlässlich treffen. Schon die für mehrere Tage sind oft wenig zuverlässig, das hat doch jeder von uns schon am eigenen Leib erfahren. Da will man am nächsten Wochenende mit den Kindern Schlittenfahren gehen, und dann ist aus dem Schnee wieder Matsch geworden. Die Klimaforschung will keine Aussagen etwa für die Temperaturen in Berlin im Februar 2011 treffen. Was aber die Mitteltemperatur des gesamten Planeten über Jahrzehnte hinweg betrifft, so sind die Aussagen der Kli-maforschung sehr klar. Es wird wärmer. Und das ist keine gute Nachricht.

„Klimamaschine Golfstrom“

Quel

le: w

ww

.klim

afit.

at/b

ilder

/gol

fstr

om_g

ross

.jpg

Page 11: Ausgabe 2, 2011 KÄLTE - strassenfeger

09.007_anzeige_motz_100321.indd 1 30.03.2010 10:15:31 Uhr

11

strassen|feger2/2011

11

Tite

l

Jerusalem im SchneeAn Schnee und Eisglätte denkt man kaum, wenn man über das Wetter in Jerusalem redet. Da herrscht immer eitel Sonnenschein, und die goldene Kuppel des Felsendoms überstrahlt die ganze Stadt. So ist es in der Tat die meiste Zeit des Jahres, aber manchmal zeigt sich auch in Jerusalem der Winter von seiner ungemütlichen Seite.

In der Bibel wird Schnee nur ein halbes Dutzend Mal als Wetterphänomen erwähnt, häufi ger dient das Wort Schnee zur Beschreibung eines weißen Sachverhalts, wie zum Beispiel die weiße Haut eines Aussätzigen. Sicher hat es jedoch auch in biblischer Zeit schon geschneit in Jerusalem. Die Stadt liegt 826 Meter über dem Mee-resspiegel. Da kann es schon mal recht frisch werden im Winter, und dann fällt eben auch Schnee.

Für die durchschnittlich acht bis zehn Tage im Jahr, an denen eine geschlos-sene Schneedecke aus der goldenen Stadt eine weiße Stadt macht, ist die Stadtverwaltung gut vorbereitet. Wenn die Meteorologen Schneefall ankündigen, wird schon vorher Salz auf die Straßen gebracht, damit sich erst gar keine Rutschbahn bilden kann. Die Stadt ist ja sehr bergig und fast alle Straßen sind sehr abfällig. Winterreifen sind für israelische Autofahrer auch purer Luxus, wenn sie nicht gerade auf den Golanhöhen zuhause sind, wo es schon mal öfter und länger winterlich ist.

Droht Schneefall, tritt im Lagezentrum am Safra-Platz ein Krisenstab zusam-men und koordiniert die notwendigen Maßnahmen. Vierzig Schneepfl üge, Traktoren und Streuwagen werden über die Stadt verteilt. Der Verkehr kann weiter durch die weiße Pracht rollen. Nur auf den Fußwegen hapert es mit der Schneeräumung. Da wird der Gang durch die Stadt zu einer riskanten Schlitterpartie, und die Krankenhäuser haben jedes Mal einen Rekordeinsatz bei der Behandlung von Knochenbrü-chen. Der Krisenstab informiert die Bürger über richtiges Verhalten bei

Schnee, damit keine Wasserleitungen einfrieren (Warmwasser tröpfeln lassen!), keine Bäume unter der ungewohnten Schneelast brechen und Versorgungsleitungen beschädigen und niemand im Ernstfall im Dunkeln sitzen muss (Kerzen und Taschenlam-pen bereit halten!). Schneefall ist immer ein wenig Katastrophenfall.

Das Sozialamt liest an solchen Tagen die zahlreichen Obdachlosen in der Stadt auf und quartiert sie in die um diese Zeit meist leeren Touristenhotels ein. Das ist nicht nur komfortabler für

die Obdachlosen, es ist auch wirtschaftlicher für die Stadt, weil Notun-terkünfte nur relativ selten in Anspruch genommen werden müssen.

Schnee ist nicht nur Last, es ist auch Freude. In der Regel lässt die Verwaltung an solchen Tagen die Schulen geschlossen, um den Kindern den gefährlichen Schulweg zu ersparen. Da ist dann reichlich Zeit zum Rodeln auf den zahlreichen Hügeln, und im Sacher-Park fi ndet jedes Mal ein Wettbewerb statt, wer wohl den schönsten Schneemann baut.

In der Altstadt gibt es etwas zu lächeln. Endlich haben die großen Pelzmützen einen Sinn, mit denen einige ortho-doxe Juden sonst selbst bei sengender Hitze zur Klagemauer eilen.

In diesem Winter kam der Schnee über-raschend früh. Schon Mitte Dezember lag Jerusalem für ein paar Tage unter einer weißen Decke, und am Berg Hermon wurde die Skisaison eröffnet.

Manfred Wolff

Möbel, Haushaltsgeräte, Küchen, Hausrat, Wohndeko, Geschirr, Fernseh-, Audio-/Videogeräte, CDs, Schallplatten, Bücher, allerlei zum Stöbern, Nostalgisches und Kurioses

Ringbahn

trödel|point

www.strassenfeger.org

Prenzlauer Allee 87Telefon: 030 - 24 62 79 35Email: [email protected]

Montag bis Freitag: 8.00 Uhr — 18.00 Uhr

s Pren

zlau

er A

llee

Planetarium

Bezirks-amt

Tram

M2

Die Bedürftigkeit muß unaufgefordert nachgewiesen werden!

Quel

len:

wik

iped

ia

Page 12: Ausgabe 2, 2011 KÄLTE - strassenfeger

12

strassen|feger2/2011

12

Tite

l„Die Zeitung in den steifen Fingern!“Kälte & Zeitungsverkauf trotz Handschuh und Stiefel

Jedes Jahr beginnt mit dem Winter und endet auch mit ihm. Und in der Schule lernte ich schon: Im Winter ist es kalt! So war es früher als ich noch Kind war. So ist es auch wieder: im Winter 2009/2010 und jetzt 2010/2011. Wir sind in Berlin die letzten Jahre immer mit Kälte und Schnee gut weggekommen, bis auf die genannten Winter. Viele mussten Urlaub machen und weit aus Berlin rausfahren, wollten sie Wintersport betreiben. Jetzt können sie es vor der Haustüre und auch auf dem Weg zur Arbeit, so sie denn wollen. Doch was machen Menschen, die von Berufs wegen im Freien arbeiten müssen?

Die Winterdienste und Müllfahrer z. B. arbeiten sich derzeit richtig warm. Aber es gibt auch eine Berufsgruppe, an die wohl die wenigsten Menschen denken: Es sind die Zeitungshändler, die jetzt noch im Freien arbeiten und versuchen die Zeitung an die Frau bzw. den Mann zu bekommen, meine werten Kollegen von der sozialen Straßenzeitung strassenfeger.

Wie oft müssen sich meine Kollegen miese Sprüche anhören wie „Faules Pack, geh‘ arbeiten! Such‘ Dir eine Arbeit! Lieg‘ mir nicht auf der Tasche!“. Es gibt noch Schlimmeres, da wiederstrebt es mir, dies hier wiederzugeben. Wenn ich so was höre, frag ich mich: „Hat sich der Mensch, der diese Meinungen so äußert, jemals die Mühe gemacht, es selbst mal zu versuchen, eine soziale Straßenzeitung wie den strassenfeger zu verkaufen?“ Ich glaube nicht! Denn dann wüsste er, dass das Verkaufen nicht so leicht ist, wie es für Außen-stehende immer aussehen mag. Außerdem denken diese Menschen wohl nicht darüber nach, ob der jeweilige Verkäufer auf dem Arbeitsmarkt überhaupt noch reale Chancen hat.

Jeder Verkäufer gibt mit dem Verkauf nach Außen auch zu erkennen, das er sozial und fi nanziell nicht auf Rosen gebettet ist, das er zur Randgruppe der Obdachlosen gehört. Dadurch machen sich die Verkäufer für ihre Umwelt mit ihren Vorurteilen angreifbar. Ich muss hier wohl nicht sagen, wie verletzend Vorurteile sein können. Vorurteile bekommen Zeitungsverkäufer von sozialen Straßenzeitungem reichlich zu hören, das können Sie mir glauben. Aber arbeitsscheu ist meiner Meinung nach keiner von ihnen.

Im Herbst mag es ja noch gehen mit dem Verkauf der Straßenzeitung. Aber jetzt im Winter in der Kälte bei Schnee ist es sehr, sehr schwer! Stellen Sie Sich vor, Sie wären ein Verkäufer des strassenfeger und aus fi nanziellen Gründen wäre Sie gezwungen, mit Hilfe des Zeitungsverkaufes einige

Euro hinzuzuverdienen. Sie stehen morgens auf und schauen auf das Thermometer am Fenster. Es zeigt minus zehn Grad an. Jeder Mensch, der nicht zu einer festen Arbeit oder aus anderen dringenden Dingen raus muss, dreht sich jetzt vielleicht um und verkriecht noch mal in seinem warmen Bett. Wenn Sie aber darauf angewiesen sind, eine Handvoll Euro zu verdienen, kleiden Sie sich also nach der Morgentoilette an: vier Paar Strümpfe, drei lange Strumpfhosen oder Unterhosen unter der Jeans, dazu noch zwei - drei Pullover! Sie frühstücken und ziehen sich die wärmsten Stiefel an, nehmen mindestens zwei Paar Handschuhe mit, denn Sie wissen: In vier Stunden sind Sie ein gefrusteter Eisklotz,

der nur noch mit einem Gasbrenner von der Straße gelöst werden kann.

Aber: Sie müssen verkaufen, Sie brauchen die paar Euro für Zahlungen von Rechnungen, die Sie wie der Blitz getroffen haben. Dann stehen Sie an Ihrem Standplatz, mögliche Kunden gehen vorbei und übersehen Sie gewollt. Möglicherweise und wenn Sie viel Glück haben, kommt nach einer Stunde jemand und gibt Ihnen zwanzig Cent. Sie fangen an im Kopf zu rechnen, wie viel Geld noch fehlt, bis Sie bezahlen können. Kopfrechnen hält wenigstens Ihr Gehirn warm,

denn der Rest des Körpers scheint schon nicht mehr zu existieren. Die Zehen, wo waren sie doch gleich? Dort wo sie sein sollten, spüren Sie schon nach dreißig Minuten nichts mehr. Die Ohren halten Sie für Eisplatten am Kopf. Ja und die Finger: Sie denken nur noch, konnte ich diese Enden an den Armen irgendwann mal bewegen und was ist jetzt damit? Ein undefi nierbares Etwas, trotz der zwei Paar Handschuhe.

Urteilen Sie nun selbst, werte Leser, ob es leicht ist, den strassenfeger bei klirrender Kälte und Bergen von Schneee zu verkaufen und dadurch ein paar Euro zu verdienen.

CaDa (verkauft den strassenfeger, auch im Winter 2010/2011!)

OL

auf

Seit

e 12

K

Den strassenfeger bekommen die Verkäufer auch im strengsten Winter am Bahhof Zoo Foto

: And

reas

Dül

lick

Page 13: Ausgabe 2, 2011 KÄLTE - strassenfeger

13

strassen|feger2/2011

13

Tite

l

Soziale KälteÜber Gefühlskälte der Menschen untereinander

Das fast völlige Verschwinden von Gefühlsäußerungen der Menschen zugunsten der Rationaltät, was man schon fast als Sozialdarwinismus bezeichnen kann, erzeugt in mir eine tiefe Trauer und Melancolie. Alles wird nur noch danach beurteilt, ob es Profit abwirft; die Regeln des Kapitalismus haben uns fest in Kraft und nicht wir sie.

Menschen, die es schaffen, eine soziale Einstellung zu entwickeln, werden von anderen Menschen und der Gesellschaft ausgenutzt und regelrecht ausgebrannt. Oft werden Menschen, die Gutes tun wollen, maßlos überfordert, wenig bis garnicht anerkannt und ihr soziales Arrangement auch noch blockiert. Ich finde, es sehr schlimm, dass gerade in Berlin die Hilfe für Obdachlose nur sehr unzureichend ist. Vereine wie „Unter Druck e.V.“ oder „mob – Obdachlose machen mobil e. V.“, die in der Sache sehr engagiert sind uns unter anderem Notunterkünfte und Aufhalts- und Kontaktmöglich-keiten für Obdachlose zur ver-fügung stellen, werden in ihrem Engagement nur geringfügig unterstützt. Es grenzt meiner Meinung nach an seelische Grausamkeit, dass z.B. dem Verein „Unter Druck e.V.“ die Gelder für das „Nachtcafé, dass bisher ein sehr wichtiges Angebot für die Obdachlosen darstellte, vom Bezirksamt Mitte wegen der „Situation der Bezirksfinanzen“ gestri-chen werden. Gerade im Winter war dies eine Möglichkeit für Menschen ohne Wohnung, sich wenigstens einmal die Woche aufzuwärmen und auch um Kommunikation mit anderen Menschen zu betreiben. Es ist schon traurig, dass es zur Privatsache wird, notleidenden Menschen zu helfen, und dass diese Arbeit ehrenamtlich geleistet werden muss, der Staat sich vor der Verantwortung drückt.

Man könnte natürlich sagen, dass jetzt die bösen Kapita-listen, unterstützt von den Politikern, wieder mal nur ihre Pfründe sichern wollen und man dagegen sowieso nichts unternehmen kann. Damit ist die Problematik aber nur unzureichend erfasst. Ich bin der Meinung, wir alle sind dafür verantwortlich, dass es auch Obdachlosen in unserer Gesellschaft gut geht. Es ist schon traurig genug, dass es in einem der reichsten Staaten der Welt überhaupt Obdachlose geben muß. Mich erschreckt vor allem, wie gleichgültig und im höchsten Maße desinteressiert die Masse der Bevölkerung, der es ja wesentlich besser geht, damit umgeht. Da wird eben von der Bevölkerung wenig bis gar keine Solidarität geübt. Selten, sehr selten unterstützen Nichtbetroffende die Obdachlosen. Dabei geht es nicht nur um materielle Hilfe. Man kann die Obdachlosen auch durch Rat und Tat unterstützen. Ich erwarte mehr Betroffenheit, Engagement und massenhafte Proteste aus der „normalen“ Bevölkerung, die den entsprechenden Druck auf die Politik erzeugt und sie dazu zwingt, die entsprechenden Mittel für die wirklich engarierten Vereine zur

Verfügung zu stellen – und zwar so, dass auch wirklich richtig geholfen werden kann.

Ich sage: Eine Gesellschaft, die sich nicht um Menschen in Not kümmert, die nicht jede erdenkliche Hilfe – auch im materiellen Bereich – zur Beseitigung dieser Not zur Verfügung stellt, die stattdessen lethargisch, abgestumpft und gleichgültig vor sich hin dämmert und diese Not als gegeben und nicht überwindbar ansieht, ist krank, sozial unfähig und

emotional kalt. Die Diskredi-tierung der Betroffenden als Penner, Asoziale und Arbeits-scheue durch poltisch Ver-antwortlichen ist schlichtweg unverschämt. Ich empfinde das auch als beleidigend. Solche Leute, die oft wieder besseren Wissens lästern, hetzen und andere gegen Betroffene aufhetzen, sollten aus dem Amt gedrängt werden.

Wir alle müssen uns unser Verantwortung bewußt sein und uns gegen diese Mißstände wehren. Die Haltung: „Mir geht es ja gut! Was interessieren mich die anderen!“, darf einfach nicht geduldet werden. Solidarität mit den armen Menschen muss einfach selbstverständlich sein. Seinen Protest kann jeder Mensch äußern, sei es nur, dass er einen Brief an den Berliner Senat schreibt, dass er nicht bereit ist, derartige Zustände zu akzeptieren. Der Druck auf

die Politik wäre dann ungeheuer groß. Und es würden garantiert auch mehr Mittel fließen. Unsere Steuergelder sind auch dazu da, um den Ärmsten der Armen zu helfen. Dies muß den Verantwortlichen mit Nachdruck klar gemacht werden und dass das passiert, liegt in der Verantwortung von uns allen.

Detlef Flister

So leben obdachlose Menschen im Winter 2010/2011 Foto

: And

reas

Dül

lick

Foto

: And

reas

Dül

lick

Page 14: Ausgabe 2, 2011 KÄLTE - strassenfeger

14

strassen|feger2/2011

14

Tite

l Wie hat sich der Mensch in der Eiszeit ernährt? Wollnashorn, Erdkastanie und Eicheln – was der Mensch zur Urzeit verspeist hat

In der erdgeschichtlichen Periode des Quartärs war der Planet großen klimatischen Schwankungen ausgesetzt. Abhängig von der sich verschiebenden Neigung der Erdachse zur Umlaufbahn um die Sonne, veränderten sich die Temperaturen in Mitteleuropa in den letzten zwei Millionen Jahren ständig und erheblich. Ob wir momentan in einer Interstadialen Zeit zwischen zwei Glazialen leben oder ob sich unser Klima langfristig hält und somit ein neues Erdzeitalter bedeutet, wird erst in ferner Zukunft zu entscheiden sein. Käme eine neue Eiszeit, wäre das Holozän nur ein weiteres Interglazial.

Tatsache ist, dass die Urmenschen in der Lage waren sich den relativ raschen Veränderungen ihrer Umweltbedingungen anzupassen – sonst hätten sie nicht überleben können. Die Erfindung des Faustkeils stand am Anfang. Ohne Werkzeug wäre es nicht möglich gewesen große Beu-tetiere zu Nahrung zu zerlegen. Fleisch war der Eiweißlieferant ersten Ranges des Menschen im vorgeschichtlichen Europa. (Eiweißhaltige Pflanzen waren unbekannt).

Eine zweite Innovation ist die Nutzung des Feuers. Paläologen schließen aus der sukezessive geringeren Abnutzung der Backenzähne an den gefundenen Schädeln, dass die Menschen begannen ihre Nahrung durch Garen leichter essbar zu machen. Schon seit dem Altpaläolithikum wurde das Feuer zur Nahrungsbereitung genutzt. Natürlich gilt auch, dass den Gruppen der frühen Menschen ohne die Feuerstelle als Wärmequelle in den Kaltphasen des Klimas eine kontinuierliche Besiedelung Europas unmöglich gewesen wäre.

Was haben die Menschen gegessen?An den Fundstätten in Europa, egal wie alt, lassen sich vor allem Spuren von der Herstellung von Jagdwaffen und den Resten der tierischen Jagdbeute in Form von Knochen nachweisen. Über die Isotopenanalyse – Isotope sind Eiweiße, die sich im Collagen der Knochen einlagern und die über die Nahrung aufgenommen werden, die Gewichte der Atome unterscheiden sich, die pflanzlichen sind leichter – wurde nachgewiesen, dass unsere Vorfahren vor dem letzten Hochglazial (vor 24.000 Jahren) sich hauptsächlich von großen Säugern ernährt haben. Wollnashorn, Steppenmammut, Höhlenbär (übrigens nach der Isotopenanalyse ein

Vegetarier im Gegensatz zu seinem Nachfahre dem Braunbär) standen auf der Speisekarte. Erst später werden kleinere Säugetiere wichtig, Ren, Pferd, Hirsch, aber auch Fisch und in der Nähe vom Meer Muscheln.

Nicht nur vom Fleisch alleinDie berühmten Jäger- und Sammlerpolulationen verdienten ihren Namen nicht, wenn sie nicht auch gesammelt hätten: Pflanzen, Früchte, Nüsse und Beeren, Knollen und Wurzeln. Da pflanzliche Abfälle schnell verrot-ten, läßt sich über diesen Teil der menschlichen Ernährung viel weniger aussagen. Nur vereinzelt wurden beispielsweise Haselnussschalen in einem Lager gefunden, allerdings dort in solchen Mengen, dass auf eine Überschussproduktion geschlossen werden kann.

Die Menschen haben sich immer selbstverständlich von dem ernährt, was Mutter Natur auftischte. Dabei haben sie sich an die Notwendigkeiten angepasst und Methoden gefunden, ihren Nahrungsbedarf zu decken. Gemeinsame Jagd auf Großwild, das Haltbarmachen des Fleisches durch Trocknen oder Einfrieren (zu Zeiten, in denen die Sommer kurz waren9 zum Beispiel.

Die Menschen brachten eine große Kompetenz in Bezug auf die Nützlichkeit, Nährwert und Verzehr von Pflanzen mit. Leider ist nichts über die Zubereitung überliefert. Jedoch haben unsere Vorfahren in verschiedenen Lebensbereichen so viel Innovationskraft und Kreativität bewiesen, die sich an den Kunstwerken des Eiszeitmenschen ablesen lassen, dass man sicher davon ausgehen darf, dass sie in Bezug auf die Reproduktion der eigenen Kräfte mindestens ebenso einfallsreich waren.

Ruth Dell-Messier

Quel

le: W

ikip

edia

Jagdszenen, Höhlenmalerei aus Algerien

Page 15: Ausgabe 2, 2011 KÄLTE - strassenfeger

15

strassen|feger2/2011

15

Tite

l

Warum ein Fuchs gezähmt werden sollInnere Kälte

Abgewiesen, abgelehnt und nicht beachtet zu werden, das erzeugt innere Kälte. Manch einer wächst darin auf, andere erfahren sie vielmehr akut als ein Zusammenziehen bis zum Erhärten des eigenen Körpers. Man wird steif bis schockstarr und anderen gegenüber unbeweglich. Wärme bedeutet dagegen ein Strömen von Energie und Durchflutet-werden, ein Aufgehen, sich-Weiten und Hineinreichen in andere. Indem uns Kälte verschließt und abgrenzt bis hin zu undurchdringlichen Mauern, isoliert sie uns auch. Wir brauchen sie, um uns herauszulösen, entscheiden und abzutrennen. Sie hilft uns stehen zu bleiben, nicht weiter mitzugehen, Erlebtes einzuordnen und stellt sich ein, wo wir verlassen, überfordert und enttäuscht worden sind. Erst ein gewisser Grad empfundener Kälte setzt Denkprozesse in Gang. Aber sie kann auch tödlich werden und bis ins Mark dringen, wenn man unser Dasein missbraucht.

Kältesignale Kalt sind die Augenblicke der Verweigerung, der Berechnung, Kontrolle und Distanz. Wir ziehen Wärme vor, weil nur sie Lebensfreude ermöglicht und einen gemeinsamen Sinn erkennen lässt. Wir dehnen uns in die Wärme der Geborgenheit, des Vertrauens und Mitempfindens, wo wir sein dürfen, wahrgenommen werden und einbezogen sind. In der Kälte

ziehen wir uns zusammen und erfahren Distanz. Während uns die Kälte das Blut aus den Adern presst, kontrolliert unser Kopf, vergleicht und schätzt ein. Herangetragene Gefühle anderer irritieren uns dann oder lassen uns gar erbleichen. Eingeschlossen in die Reglosigkeit innerer Kälte können wir zwar unsere Gedanken tauschen, Gefühle aber nicht. Unsere Bewegungen werden mechanisch, unsere Stimmen ton- und unsere Gesichter ausdruckslos. Weil Kälte auf andere abschreckend wirkt, täuschen wir fehlende Wärme gern vor. Dann lächeln wir unnahbar mit zusammengebissenen Zähnen, zeigen uns betont freundlich oder überreichen Geschenke.

KälteempfindenDas Empfinden von Kälte ist relativ: Sind wir einen gewissen Kältegrad gewohnt, empfinden wir ihn nicht mehr. Das kann sowohl für uns selbst als auch für andere gefährlich werden. Andererseits kann ein

Temperaturabfall nötig sein, um etwas, das uns beschäftigt, vor einem übermächtigen Vorgang zu schützen. Wer jemanden als kalt empfindet, kommt offensichtlich aus wärmeren Zusammenhängen: Er wird sich zurücknehmen müssen. Wer selbst als kalt empfunden wird, kann gewin-nen, indem er sich in die Stellung des Anderen hineindenkt, dessen Ausdruck vergegenwärtigt, ihm nachspürt. Wir gehen nahe oder auf Abstand. Um aber selbstständig Nähe schaffen und verlassen zu können, brauchen wir die Erfahrung wechselseitiger Beziehungen. Denn ohne sie verflüchtigt sich jede Wärme und lässt uns kalt zurück, gleichgültig gegenüber anderen, fremd vor uns selbst. Am Ende werden wir zu angepassten Marionetten, erkranken am eigenen Kontaktbedürfnis oder setzen uns gnadenlos über Schwächere hinweg: Wir finden in keinem anderen uns selber wieder.

Folgen menschlicher KälteDer versteinerte Mensch leugnet jede Bedeutung, die ein anderer für ihn haben könnte und trachtet danach, zu zerstören, was er anderen an Bedeutung je eingeräumt hat. Ein totaler Wärmeverlust verwandelt den Menschen in ein feindseliges Monster, das eifersüchtig über jede Entfernung wacht, neidisch über jedes Entgegenkommen, das nicht ihn

erreicht und hasserfüllt über eine mögliche Ablehnung. In einer kalten Welt sind wir nicht in der Lage, Bedürfnisse anderer wahrzunehmen, müssen uns an Materiellem orientieren.

Je kälter unsere Welt, desto unnahbarer, berechnender und grausamer geben wir die Ablehnung zurück, die wir erfahren oder erfahren haben. Gleich einem Alien, der seine sinnlose Einsamkeit für gegeben hält oder gleich einem Vampir, der seine Mitmenschen benutzt, weil er sie nicht wahrnehmen kann, bleiben unsere Gefühle eingefroren - oder wir erkranken am Versuch, unsere Isolation zu sprengen, in der uns Sehnsucht nach menschlicher Nähe in die Enge treibt. Wir brauchen Geduld, um Wärme zu sammeln, wie der Fuchs in „Der kleine Prinz“, der sich zähmen lässt: jeden Tag ein wenig näher, bis man den anderen erkennt.

Baga Gam

Quel

le: A

ntoi

ne d

e Sa

int-

Exup

éry

Der kleine Fuchs lässt sich nur langsam zähmen

Page 16: Ausgabe 2, 2011 KÄLTE - strassenfeger

16

strassen|feger2/2011

16

art s

tras

senf

eger

Sigmar Polke: Stilpluralist, Chamäleon und Alchemist Er gehört zu den bekanntesten, innovativsten und am höchsten gehandelten Künstlern der Gegenwart, obwohl er sich selten in der Öffentlichkeit zeigte und nie um die Gunst der Medien, Museen, Galerien oder Kuratoren warb. Der am 6. Juni 2010 im Alter von 69 Jahren in Köln verstorbene Maler, Zeichner, Grafiker, Objektkünstler und Fotograf Sigmar Polke drückte der Kunst der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts seinen Stempel auf. Er war immer auf der Suche nach neuen Materialien und Ausdrucksformen, bedruckte synthetische Flauschdecken und Plastikfolie mit Motiven aus Werbung, Film und Popkultur, benutzte Dekora-tionsstoffe als Bildträger, integrierte ganze Kleidungsstücke in seine Leinwände, baute Kartoffelpyrami-den und malte wärmeempfindliche Wandbilder, die unter dem Einfluss der Temperatur ihre Farben verän-derten. Für die letzteren wurde er 1986 auf der Biennale von Venedig mit dem Goldenen Löwen, dem Großen Preis für Malerei ausgezeich-net. Wegen seiner Vielseitigkeit und Experimentierfreudigkeit bezeich-nete ihn die Kritik als „Meister des Stilpluralismus“, „Chamäleon unter den deutschen Malerstars“ oder als

„Großen Alchemisten“. Sein Atelier in einem ehemaligen Fabrikgebäude in Köln-Zollstock glich einem Chemiela-bor, in dem er mit Lacken, Pigmenten, Kunstharz, Kopiergeräten und Com-putertechniken experimentierte, um sie in seiner Kunst einzusetzen. Sein umfangreiches und vielschichtiges Werk ist ein kritisches und oft ironisches Panorama der Alltagskultur und der Ereignisse, die den Künstler und die Gesellschaft in den letzten

fünfzig Jahren bewegten: angefangen von der Konsumbegeisterung und der Reiselust der bundesdeutschen Kleinbürger, über ihre verdrängte Mitschuld am Nationalsozialismus bis zum „Aufschwung Ost“ und der ewigen Angst vor dem Fremden.

Höhere Inspirations-quellen Für Aufsehen sorgte Polke, der am 13. Februar 1941 im niederschlesischen Oels (heute Oleśnica in Polen) zur Welt kam und dessen Familie 1945 zuerst nach Thüringen flüchtete und von dort 1953 über Westberlin nach Nordrhein-Westfallen zog, bereits als Student der Kunstakademie in Düsseldorf: 1963 rief er zusammen mit seinen Künstlerkollegen Gerhard Richter, Manfred Kuttner und Konrad Lueg den Kapitalistischen Realismus aus, der einerseits eine ironische Anspielung auf den Sozialistischen Realismus und die US-amerikanische Pop Art war, sich andererseits mit der bundesdeutschen Gesellschaft kritisch auseinandersetzte. Die ersten Ausstellungen dieser neuen Kunstrichtung fanden in einem Düsseldorfer Metzgerladen und einem Möbelhaus statt. Sie waren Persiflagen des ritualisierten Museumsbetriebs und des Kults um die anerkannten, damals vor allem informellen Künstler.

Die jungen Kunstrebellen kamen in die Schlagzeilen und stiegen in kurzer Zeit zu museumswürdigen und international gefeierten Kunstikonen auf. Bekannt wurde Polke zuerst vor allem durch seine charakteristischen

Rasterbilder mit großen Punkten, die er auf der Grundlage von Werbung sowie Zeitungs- und Illustriertenfotos fertigte und in denen er sich über das Konsumverhalten, die Alltagsklischees, die in der Boulevardpresse artikulierten Wünsche und Träume der Deut-schen lustig machte. Er stellte auch anerkannte Autoritäten in Frage. Ein ironischer Seitenhieb auf Joseph Beuys ist das mit Filz überzogene Bild von 1966, worauf sein damaliger Student schrieb: „Ich stand vor der Leinwand und wollte einen Blumenstrauß malen. Da erhielt ich von höheren Wesen den Befehl: Keinen Blumenstrauß! Flamingos malen! Erst wollte ich weitermalen, doch dann wusste ich, dass sie es

Edition Klaus Staeck © VG Bild-Kunst

Foto: Klaus Staeck © VG Bild-Kunst

Porträt Sigmar Polke, 1995

„Filmverführung“, 1998, Serigraphie auf Karton

Page 17: Ausgabe 2, 2011 KÄLTE - strassenfeger

17

strassen|feger2/2011

17

art s

tras

senf

eger

„Er neigte dazu, langweilige Regeln zu brechen“ Kirsten Klöckner über ihre Zusammenarbeit mit Sigmar Polke, den die Akademie der Künste mit einer großen Ausstellung ehrt. Kirsten Klöckner wurde 1962 in Braunschweig geboren, von 1983-86 studierte sie Bildhauerei in der Klasse Ruthenbeck an der Kunsta-kademie Münster, 1990 eröffnete sie in Düsseldorf die Verlagsgalerie Edition Klöckner mit Grafiken und Multiples u.a. von Felix Droese, Panamarenko, A.R. Penck, Sigmar Polke, Klaus Staeck. Für den strassenfeger sprach Urszula Usakowska-Wolff mit der seit 2002 in Berlin lebenden Künstlerin, die hintergründige Objekte fertigt und Aquarelle malt.

strassenfeger: Frau Klöckner, Sie sind Künstlerin und treten jetzt neben Klaus Staeck als Mitkuratorin der Aus-stellung „Sigmar Polke – Eine Hommage. Bilanz einer Künstlerfreundschaft Polke/Staeck“ auf, die in der Akademie der Künste am Pariser Platz gezeigt wird. Wie ist es dazu gekommen? Kirsten Klöckner: Weil ich nicht nur Künstlerin sondern auch Verlegerin bin. Klaus Staeck und ich haben oft zusam-men gearbeitet, ich als Künstlerin für seine Edition, oder eben auch als seine Verlegerin. Er fand es gut, jemanden dabei zu haben, der das gezeigte Mate-rial kennt. Diese Ausstellung dokumen-tiert viele Jahre der Zusammenarbeit zwischen Klaus Staeck und Sigmar Polke, ein Paar Punkte, an denen ich mitarbeiten konnte, und natürlich auch Polkes politisches Interesse, das zum Beispiel deutlich wird bei der Betrachtung der Editionen „Entartete Kunst“ oder „Kölner Bettler“. Er war nicht unpolitisch, kein Spaßkünstler. Seine Kunst ist keine Dekoration.

sf: Wie viele Arbeiten von Sigmar Polke haben Sie in Ihrer Edition veröffentlicht? Klöckner: Acht Editionen von Sigmar Polke habe ich herausgegeben. Sie

werden in dieser Ausstellung gezeigt, auch die „Kulturschablone“, die am Anfang unserer Zusam-menarbeit stand. Es ist ein Blatt, das von einer Seite der Zeitung Kölner Stadtanzeiger ausgeht, worin zwei Löcher ausgestanzt sind. Es heißt „Kulturschablone“, denn Sigmar Polke wollte, dass jeder es mit dem füllen kann, was er will, denn jeder Mensch sollte die Freiheit besitzen, sich seine Kultur selbst zusammen zu stellen. Der Künstler gibt nur den Rahmen. Die „Kulturschablone“ ist mein Lieblingsblatt, denn es zeigt, dass Kultur kein Gedanke ist, der von oben nach unten gereicht wird, sondern jedermanns Sache.

sf: Sigmar Polke soll recht men-schenscheu gewesen sein und die Öffentlichkeit gemieden haben. Wie konnten Sie sein Vertrauen gewinnen? Klöckner: Dass er menschenscheu gewesen sein soll, ist mir nicht aufgefallen. Ich habe Klaus Staeck häufig bei seinen Terminen in Polkes Atelier begleitet. Bei diesen Gelegenheiten

ernst meinten.“ Drei Jahre später entstand das Gemälde „Höhere Wesen befahlen: rechte obere Ecke schwarz malen!“, welches immer wieder genannt wird als Inbegriff der Polke-schen Haltung zur Kunst und zu den angeblich „höheren“ künstlerischen Inspirationsquellen. Spätestens mit diesem schwarzen Dreieck auf weißem Hintergrund schaffte er den dau-erhaften Einstieg in die von ihm belächelte Kunstwelt.

Kultfenster im Großmünster Die Kunstwelt liebte Sigmar Polke, obwohl er dieses Gefühl nicht immer erwiderte. Nachdem er an der 5., 6. und 7. documenta in Kassel teilgenommen hatte, blieb er später, trotz wie-derholten Einladungen, diesem renommierten Kunst-Event fern und bezeichnete es als „Möbelmesse“. Er erhielt mehrere angesehene und hochdotierte Auszeichnungen, darunter 2000 den japanischen „Praemium Imperiale Award“, 2007 den „Rubenspreis“ der Stadt Siegen und 2010 den Schweizer „Roswitha-Haftmann-Preis“. Sein letztes, zugleich größtes Werk vollendete Sigmar Polke, der vor seinem Kunststudium ein Jahr lang Glasmalerei lernte, in Zürich. 2006 gewann er den Wettbewerb zur Erneuerung des dortigen Großmünsters und konnte im November 2009 die von ihm gestalteten fünf Glas- und sieben Achatfenster der Öffentlichkeit präsentieren. Sie

beweisen, sagte Polke, „dass die Furcht vor falscher Bilderverehrung nunmehr unbegründet ist und unsinnig.“ Gegen Ende seines Lebens akzeptierte er, dass Kunst, wenn sie denn richtig ist, zum Kultobjekt werden darf.

Urszula Usakowska-Wolff

Foto: Olaf Pascheit © VG Bild-Kunst

Baumhaus aus dem Zyklus „Wir Kleinbürger“, 1976, Gouache, Acryl, Trockenstifte, Sprayfarben auf Papier

Die Kuratorin Kirsten Klöckner

Foto

: Urs

zula

Usa

kow

ska-

Wol

ff

Page 18: Ausgabe 2, 2011 KÄLTE - strassenfeger

18

strassen|feger2/2011

18

art s

tras

senf

eger

zeigte er sich eher als ein Mensch mit breiten Interessen und enormen Wissen – und dabei ausge-sprochen neugierig und gesprächsfreudig.

sf: In der Ausstellung „Sigmar Polke – Eine Hommage“ werden nicht nur die von Klaus Staeck und Ihnen editierten Blätter des am 6. Juni 2010 in Köln verstorbenen Künstlers gezeigt, sondern auch Faxe, die die Herren sich geschickt hatten. Man weiß, dass Sigmar Polke selten ans Telefon ging, es war fast nicht möglich, sich spontan mit ihm zu treffen… Klöckner: An spon-tane Treffen kann ich mich nicht erinnern. Wenn eine Auflage fertig war und signiert werden musste, hat Klaus Staeck ständig Faxe an Polke geschickt, denn er brauchte einen Termin mit dem Künstler, der mehrere Stunden Zeit zum Signieren haben musste. Wenn der Künstler nicht antwortete, wiederholte er das, und war nicht beleidigt, sondern machte das so lange, bis doch eine Antwort kam. Und Sigmar Polke hatte viele Termine, zwischendurch wollte er arbeiten. Die Ausstellung in der Akademie der Künste ist nicht zuletzt auch das Dokument einer Künstlerfreundschaft. Es werden Siebdrucke und Lithografien, Ausstellungsplakate, Postkarten und Faxe gezeigt, die Klaus Staeck an Polke geschrieben hat. Sie machen klar, was alles unternommen werden musste, damit ein Termin zustande kam. Sehr wichtig ist auch die Werkserie „Wir Kleinbürger! Zeitgenossen und Zeit-genossinnen“ von 1974-76, die die Michael & Susanne Liebelt-Stiftung aus Hamburg ausgeliehen hat. Es ist etwas ganz Besonderes, dass diese zehn großen Arbeiten in der Akademie der Künste gezeigt werden dürfen.

sf: Was für ein Mensch war der Künstler Sigmar Polke?Klöckner: Er war ironisch und humorvoll, dabei hoch interessiert am gesamten Weltgeschehen. Ich mochte ihn. Es gibt ein Tondokument in der Ausstellung, das beim Signieren, einer sehr langweiligen Tätigkeit, entstanden ist. Stellen Sie sich vor, Sie haben mehrere Grafikauflagen von siebzig Stück und Sie müssen jedes Mal Ihren Namen darunter schrei-ben und vor allem die Nummerierung einhalten. Das ist anstrengend für den Künstler. Für die anderen auch, und alle müssen aufpassen, dass nichts durcheinander geht. Und Sigmar Polke neigte dazu, langweilige Regeln zu brechen, einen falschen Namen zu schreiben oder einfach keine Lust mehr zu haben. Wir haben also Spiele daraus gemacht, wir haben die Titel gesungen, die er schreiben musste, die Nummerierung angesagt. Einen kleinen Eindruck von dieser Situation vermittelt unser Tonband, das wir einmal zufällig aufgenommen haben. Ich bin immer gern zu Sigmar Polke gefahren: Ich wusste, dass es anstrengend sein

Foto Klaus Staeck © VG Bild-Kunst

Edit

ion

Stae

ck ©

VG

Bild

-Kun

st

„Der zweite Fall“, 1995

Sigmar Polke bei Klaus Staeck

Page 19: Ausgabe 2, 2011 KÄLTE - strassenfeger

19

strassen|feger2/2011

19

art s

tras

senf

eger

Sigmar Polke – Eine Hommage.Bilanz einer Künstlerfreundschaft Polke/Staeck. 14.01.-13.03.2011Akademie der Künste, Pariser Platz 4, 10117 BerlinDi-So 11-20 UhrEintritt 6/4 Eurobis 18 Jahre und am 1. Sonntag im Monat Eintritt frei. www.adk.de

Mehr Informationen über Kirsten Klöckner: www.kirsten-kloeckner.dewww.edition-kloeckner.com

wird. Auch wenn wir einen Termin hatten, wussten wir nicht, ob er pünktlich kommen wird. Wir wussten, dass wir warten mussten. Wir haben uns ein Picknick mitgenommen und vor der Tür kampiert, bis er kam. Man musste schon recht flexibel sein, Zeit haben und sich darauf einlassen, dass etwas Unerwartetes passieren kann. Ein Treffen mit Sigmar Polke war immer ein Abenteuer.

Anzeige

Edition Staeck © VG Bild-Kunst

Edit

ion

Stae

ck ©

VG

Bild

-Kun

st

„Bargeld lacht“, 2002, Offsetlitographie, Siebdruck auf Karton

„I got the blues“, 2008, Serigraphie auf Karton

Page 20: Ausgabe 2, 2011 KÄLTE - strassenfeger

Quel

le: d

ojo

Page 21: Ausgabe 2, 2011 KÄLTE - strassenfeger

21

strassen|feger2/2011

21

stra

ssen

fege

r-ra

dio

88,4

MH

z

strassenfeger unplugged auch im kommenden JahrEs entwickelt sich

Der Startschuss für strassenfeger unplugged fiel bereits im April 2010. Im Oktober erhielten wir eine Sende-schiene. Seit dem produzieren wir nun eine Sendung monatlich und schon gab es die erste grundlegende Änderung im Konzept. Für die Aufzeichnung am 17. Dezember 2010 mit „Haase & Band“ gaben wir das bisherige Bühnen-Set auf. Von nun an wird das Publikum um eine kleine Mittelbühne herum platziert, erlebt die Künstler somit wirklich hautnah. Christian Haase, Tina Powi-leit, René Schostak und Daniela Schwabe ließen sich nicht lang bitten. Zwischen den Songs erst kleine Wortgefechte auf der Bühne, gefolgt von Plaudereien mit dem Publikum bis schließlich alle Anwesenden

mit Rotwein auf einen gelungenen Abend anstießen. Selbst am Abbau nach der Aufzeichnung, waren dann noch viele helfende Hände beteiligt. Vielen Dank auch allen Mitarbeitern vom „ALEX“-Team, die uns in jeder Phase dieses Projekts mit Rat und Tat und unendlich viel persönlichem Engagement zur Seite stehen.

Hinter der Kamera oder im PublikumAber um insgesamt noch unabhängiger und professio-

neller zu werden, suchen wir noch immer die Kamerafrauen und –männer, die Produzenten und Aufnahmeleiter, die Ton- und Lichttechniker unter Euch. Wer also Lust hast bei der Entwicklung und Etablierung von strassenfeger unplugged zukünftig dabei zu sein, wer Fertigkeiten und

Techniken bei „ALEX“ erlernen möchte, von denen er bisher nur insgeheim glaubte sie zu verwirklichen, wer einfach eine gute Show mit verantworten möchte, schreibt uns eine Mail an radio@s tr assenfeger.org. Ist es Euer Interesse, einfach nur mal bei einer der kommenden Aufzeichnungen mit im Publikum dabei zu sein, schreibt uns ebenfalls an [email protected]. Der Eintritt ist kostenlos. Zu sehen gibt es Lou Dynia, „Suboptimal“, Adwoa Hackmann und viele weitere.

dominotalk und strassenfeger radioDer Selbstzweck ist tot, es lebe das Medium

Das wirklich Wunderbare an allen medialen Projekten des strassenfeger, ist das Zusammenspiel der beteiligten Redaktionen. Inhalte werden gemeinsam besprochen, auch miteinander geteilt und für Leser, Zuschauer und Hörer jeweils maßgeschneidert präsentiert. Dass diese Arbeit nicht umsonst ist haben uns ihre Mails vor allem auch in der Vor-weihnachtszeit bewiesen. Das strassenfeger radio wird auch im Jahr 2011 seinem Magazincharak-ter treu bleiben, sich an den jeweiligen Inhalten der Print-Ausgabe des strassenfeger orientieren, aber auch aktuelle Geschehnisse unserer Region beleuchten. Es wird wieder Live-Musik geben, wir werden mit Ihnen den Hörern telephonieren und uns Gäste ins Studio einladen. An jedem Mittwoch ab 18 Uhr für sechzig Minuten und nur auf 88vier.

Hörertalk für TalkhörerAuch dominotalk hat inzwischen eine Akzeptanz erreicht, mit der wir im Mai des vergangenen Jahres nie gerechnet haben. Mal als reiner

Hörertalk geplant, geben sich inzwi-schen in regelmäßigen Abständen illustre Gäste aus Kunst, Politik und dem gesellschaftlichen Leben dieser Stadt und Brandenburg, die Studioklinke in die Hand. Dort stellen sie sich sechzig Minuten lang den redaktionellen Fragen, sowie den Fragen der Hörer. Auch für das Jahr 2011 haben bereits Dieter Moor, Manfred Lehmann, Rolf Zacher usw. einen Studiobesuch zugesichert. Zu kleiner Berühmtheit gelangte auch unser Hörer David. Seine lockere und freche Art, seine kleinen Geschichten am Telefon und seine spitzen Provokationen haben schon so manche Mail bis hin zu Fanpost zu verantworten. Gelebte Radiokultur

ist eben auch Interaktion. Vielen Dank

Guido Fahrendholz

Soundcheck vor der Sendung

Quel

le: w

ww

.sbz

-ros

tock

.de

Foto

: Gui

do F

ahre

ndho

lz

Adwoa Hackman

Page 22: Ausgabe 2, 2011 KÄLTE - strassenfeger

22

Kult

urti

pps

Schicken Sie uns Ihre schrägen, skurrilen, famosen und preiswerten Veranstaltungstipps an: [email protected]

Theater„Premiere: Achterbahn“

Er ist verheiratet. Seine Frau und sein Sohn haben die Stadt für eine Woche verlasen, um Urlaub zu machen- und haben ihn allein zurück gelassen. Sie ist eine attraktive Brünette, um einiges jünger als er - was weder sie noch ihn stört. Dass er verheiratet ist, hat er ihr verschwiegen… Ihn reizt die Aussicht auf ein kleines amouröses Abenteuer: Die beiden landen auf ein letztes Glas in seinem Appartement. Eigentlich ist klar, was nun geschehen wird- doch dann kommt alles auf einmal ganz anders: Denn die junge Dame übernimmt zunehmend die Regie des Abends... Das Schlosspark Theater versprich mit Achterbahn, eine französische Komödie, mit umwerfendem Wortwitz und nachdenklichen Zwischentönen. Und, da eine Achterbahn selten nur geradeaus fährt, geben die Schauspieler Robert Atzorn und Lisa Maria Potthoff dem Stück viele überraschende Wendungen.

20. Januar,20 Uhr

Eintritt: 25 bis 40 Euro

Tickethotlines : 030 - 789 56 67-100 oder 030 - 30 67 30 11

Schlosspark TheaterSchlossstr. 4812165 Berlin

Kinder„Märchenhütte: Fischer un sin Fru“

„Manntje, Manntje, Timpe Te, Buttje, Buttje in der See, myne Fru de Ilsebill will nich so, as ik wol will.“ So pflegte der Fischer den verwunschenen Butt zu rufen.

Er hatte den Fisch gefangen und auf dessen Bitte wieder frei gelassen. Der Butt gab sich als verwunschener Prinz aus, der in der Lage wäre, dem Fischer jeden Wunsch zu erfüllen. Und so muss der arme Fischer immer wieder den Zauberfisch rufen, damit dieser die Wünsche seiner Frau Ilsebill erfüllt. Die wünscht sich erst statt der Hütte ein Haus und dann ein Schloss. Bald reicht ihr das aber nicht mehr. Sie wünscht sich König, Kaiser und Papst zu sein. Als sie sich wünscht, wie der liebe Gott zu sein, zaubert der Fisch die Ilsebell wieder zurück in ihre armselige Hütte. Dieses und andere Märchen können kleine und große Theatergänger im Januar in der Märchenhütte sehen.

15. Januar, um 14 und um 16 Uhr und zu verschiedenen weiteren Terminen

Eintritt: Kinder: fünf Euro/ Erwach-sene: acht EuroMittwoch bis Freitag ab 10 Uhr für Kinder und Erwachsene: vier Euro

Tickethotline: 030 - 288 86 69 99 oder im Internet unter www.maer-chenhuette.de

Märchenhütte Monbijoupark10178 Berlin

Infos und Bildnachweis: www.maerchenhuette.de

Vortrag„Studium des Buddhismus”

Unter der Leitung von Rodrigo Gonzalez, Mitwirkender des

„Buddhistischen Hauses Frohnau”, werden die Besucher in den Buddhismus eingewiesen. Dieses

Laienstudium soll eine Analyse des „Palikanon”, der Lehrreden Buddhas, sowie anderer ausge-wählter buddhistischer Schriften sein. Meditationsübungen und weitere Vorträge können unter dem Veranstaltungslink auf der Homepage eingesehen werden. Zur regelmäßigen Meditation sind die Besucher täglich eingeladen.

Dienstags, um 17 Uhr 30

Eintritt: frei, aber ein Spende von fünf Euro ist erbeten.

Bibliothek des HausesDas Buddhistische Haus FrohnauEdelhofdamm 5413465 Berlin

Info und Bildnachweis: www.das-buddhistische-haus.de

Party„Her mit dem Schotter! “

Die linke Initiative „Fels-Berlin“ veranstaltet eine Solidaritäts-Party, um mit dem Erlös die Castor-Proteste zu finanzieren. Auf dem 1st Floor des Festsaales Kreuzberg kommen Techno-Liebhaber unter anderem mit Herr Mine und Elliver Twist zu ihrem Recht. Auf dem zweiten Floor vertreten Lindas Tante und B.D.P. den Geschmack der Fans von Beats& Pieces.

14. Januar, ab 23 Uhr

Eintritt: Bitte erkundigen!

Festsaal KreuzbergSkalitzer Str. 13010999 Berlin

Info und Bildnachweis: www.fels-berlin.de

Page 23: Ausgabe 2, 2011 KÄLTE - strassenfeger

23

Kult

urti

pps

Zusammengestellt von L. F.

Schicken Sie uns Ihre schrägen, skurrilen, famosen und preiswerten Veranstaltungstipps an: [email protected]

© Peter Lindbergh

Festival „Japan-Festival 2011“

Das Land der aufgehenden Sonne präsentiert sich von der Tradition bis zur Moderne. Im Mittelpunkt stehen japanische Kultur, Produkte, Vorführungen, japanische Gastro-nomie, Reise- und Hintergrund-Informationen sowie darstellende Künste, die einen Eindruck der kulturellen Bandreite des Landes der aufgehenden Sonne vor dem historischen Hintergrund glei-chermaßen wie dem modernen Japan bekommen oder vertiefen möchten. Dazu gibt es umfassende Informationen zu Japan-Reisen sowie Tourismus-Seminare in Zusammenarbeit mit dem japa-nischen Fremdenverkehrsamt JNTO und Japan-Reiseveranstalter GEOPLAN. Auch im gastrono-mischen Bereich hat Japan eine Menge zu bieten: Insbesondere Sushi ist weltweit zu einem der kulinarischen Trends geworden. Es wird von Meisterkoch Takao Udagawa frisch zubereitet, ebenso wie Yakitori und Udon-Suppen.

Dazu gibt es japanischen Tee, Sake, japanische Limonade, Grüntee, japanisches Bier und japanische Fingerfood-Spezialitäten.

15. und 16. Januar, 10 bis 18 UhrEintritt: Tageskarte: 13 Euro/ Zwei-tageskarte: 23 EuroErmäßigt an der Tageskasse (Schüler, Studenten, Senioren und Fans in Cosplay-Kostümen): neun Euro

Karten sind im Vorverkauf an allen Theaterkassen erhältlich, im Japan-ShopBerlin in der Hubertusstr. 8a in 12163 Berlin oder online unter www.japanfestival.de

Urania BerlinAn der Urania 1710787 Berlin

Info und Bildnachweis: www.japanfestival.de

Kleinkunst„Lieder in Russisch und Esperanto”

Die „Egon-Kisch- Bibliothek“ und die „Esperanto-Liga“ veranstalten gemeinsam einen Liederabend mit Liedern in russischer Sprache und Esperanto. Der aus St.-Petersburg stammende Michail Bronstein schreibt und singt nicht nur Lieder auf Russisch. Sein Repertoire

umfasst neben ukrainischen, p o l n i s c h e n und jiddischen Liedern, auch Lieder auf Esperanto, die er auf seiner Gitarre beglei-tet. Michail Bronstein hat hunderte von Gedichten und

Liedtexten geschrieben, sowie etliche davon vertont. Mehrere seiner Bücher erschienen in der künstlichen Plansprache Espe-ranto. Um kostenlos an dem Lie-derabend teilnehmen zu können, sollte man vorher Freikarten bei der „Esperanto-Liga“ bestellen.

11. Januar, 19 Uhr

Eintritt: ein Euro

Karten sind bei der unten stehenden Adresse erhältlich. Telefonische Vorbestellungen werden unter der Tel.: 030 - 555 6719 entgegen genommen.

Egon-Kisch-BibliothekFrankfurter Allee 149/ Ecke Rat-hausstr.10365 Berlin

Fotografie„Peter Lindbergh. On street“

„What's so striking about black and white photography is how it really helps a sense of reality to come through. “– Peter Lindbergh

Kraftvoll und fragil, gradlinig und verspielt, sinnlich – Peter Lindberghs Fotografien zeigen mehr als künstliche, unterkühlte Modeaufnahmen. Hinter künst-lichem Styling und Make-up macht er in seinen melancholischen, ungeschönten Bildern die Intimität und das Wesen der meist weiblichen Porträtierten sichtbar. Ob Sharon Stone, Madonna, Linda Evange-lista, Naomi Campbell, Jeanne Moreau, Penélope Cruz, Catherine Deneuve – die Fotografien heben das Individuum hinter dem Starkult in all seiner Stärke und zugleich Zerbrechlichkeit hervor. „C/O Berlin“ präsentiert mehr als 200 Bilder und Filme aus dem Gesamtwerk von Peter Lindbergh – von seinen Klassikern und Ikonen der Modefotografie bis hin zu den Invasion-Bildern und der Berlin-Serie aus der Vogue von 2009. Die Ausstellung ist wegen ihres großen Erfolgs um eine Woche verlängert worden. Besucher der Ausstellung sollten sich auf lange Wartezeiten einstellen

Verlängert bis zum 16. Januar, täglich von 11 bis 20 Uhr

Eintritt: zehn Euro/ ermäßigt: fünf Euro

PostfuhramtOranienburger Str. 35/36 10117 Berlin

Info: www.co-berlin.info

Ausstellung„Papier hat viele Seiten“

Vom Teebeutel über den Fahrschein bis zur Gute-Nacht-Geschichte: Papier ist aus unserem Leben nicht wegzudenken. Wie aber wird Papier hergestellt? Und was macht es für uns auch in Zeiten der elektro-nischen Kommunikation so uner-setzlich? Die Ausstellung „Papier hat viele Seiten“ präsentiert Wissenswer tes wie Überraschen-des über die Herstellung und Verwendung von Papier − von A wie „Altpapier“ bis Z wie „Zeitung“. Ein Besuch der Homepage lohnt sich in jedem Fall: Regelmäßig finden im Museum für Kommuni-kation Workshops für Familien, Erwachsene und Kinder rund um das Thema Papier statt.

Dienstags, 9 Uhr bis 20 UhrMittwochs bis Freitag 9 bis 17 Uhr undSamstags und sonntags 10 Uhr bis 18 Uhr

Eintritt: drei Euroermäßigt: 1,50 Euro

Museum für KommunikationLeipziger Str. 1610117 Berlin

Info und Bildnachweis: www.mfk-berlin.de

Page 24: Ausgabe 2, 2011 KÄLTE - strassenfeger

24

strassen|feger2/2011

24

Spor

tUnterwegs auf drei Kufen - Eissegeln ist Adrenalin pur Über die Faszination des Eissegelns

Auf den messerscharfen Kufen hat man kaum einen Widerstand auf dem Eis. Adrenalin pur und nichts für Weicheier. Man muss sich warm anziehen und man darf keine Angst haben.

Etwas später gab es eine kleine Flaute, der Wind hatte sich gelegt und die Eissegler machten eine Pause. Wir fuhren dicht an die Kufenfl itzer ran und bestaunten, mit welchem technischen Sachverstand, mit wel-cher Liebe und Detailveressenheit die Segel-Schlitten gebaut wurden.

„Man muss es einfach mal selber erlebt haben, um schon nach kurzem Eingewöhnen zu spüren, warum es uns Eissegler nicht mehr losläßt“, erzählte uns einer der Eissegler, ein älterer Herr, ein Routinier, der diesen Sport schon seit Jahren betreibt. „Am besten sind natürlich

fl ache Gewässer, die schnell zufrieren.“ Manchmal fährt er auch nach Mecklenburg-Vorpommern an den Schweriner - oder den Goldberger See. Beliebt sind auch die Müritz, das Achterwasser und die Bodden rund um Rügen.

Wahre Eissegelfreaks sind immer auf der Suche nach dem besten Eis

Die Eissegler vom Wandlitzsee haben zumeist schon ein paar Jahre auf dem Buckel. Sie sind mit viel Liebe und Sinn für’s Detail gestaltet, insbe-sondere die geschnitzten Bugfi guren lassen ahnen, mit wieviel Herzblut Eissegler unterwegs sind. Hunderte von Arbeitsstunden haben ihre

Besitzer meist in ihre schnieken Modelle investiert. Einige tausend Euro soll so ein Eissegler kosten. Wir glauben es gerne.

Übrigens: Die wahren Freaks reisen dem Eis kilometerweit hinterher, bis nach Schweden oder hinauf nach Finnland. Gute Eissegel-Reviere fi ndet man auch in Holland oder den Masuren in Polen. Viele Eissegler sind mit einem Campingbus unterwegs, um möglichst unabhängig von Unterkünften und sonstiger Infrastruktur zu sein und direkt an die besten Stellen fahren zu können. Wann die Saison beginnt und wie lange sie dauert, das hängt natür-lich ganz vom Winter ab. Meistens geht es in der letzten Dezemberhälfte los und dauert bis Ende Februar. Eissegeln kann man von einer Eisdicke von ca. zwölf cm an und natürlich nur ohne Schnee auf dem Eis. Wo das beste Eis zu fi nden ist, darüber können sich die Eissegler in der Saison jeweils ab Donnerstag 19 Uhr unter einer Telefonhotline (06979-124 35 98) oder im Internet informieren.

Es war im vergangenen Winter, ich hatte mich mit Freunden zum Schlittschuhlaufen auf dem Wandlitzsee verabredet. Saukalt war es und verdammt windig, aber die Sonne strahlte und ein stahlblauer Himmel liess unser Wintersportherz höher schlagen. Wir schnallten auf einem Bootssteg unsere Schlittschuhe an, tranken noch schnell einen Schluck Glühwein aus der Thermoskanne und dann ging es los. Wir fl itzten wie der Wind über die spiegelglatte Eisfl äche – es war einfach wunderbar. Wir waren schnell und genossen es alle, so dahinzubrausen. Doch dann sahen wir ein Segel und dann zwei und dann drei. Sie kamen in einem irren Tempo auf uns zugeschossen, zogen an uns vorbei und wendeten dann fast auf der Stelle. Cool!

Eissegeln auf dem Wandlitzsee

Warten auf die nächste Brise

Foto

s: A

ndre

as D

üllic

kFo

tos:

And

reas

Dül

lick

Page 25: Ausgabe 2, 2011 KÄLTE - strassenfeger

25

strassen|feger2/2011

25

Spor

t

Übrigens kann man sich in Deutsch-land – wie sollte es auch anders sein (!) – nicht einfach so dem eiskalten Vergnügen hingeben: Denn eigentlich benötigt man dafür einen „Eissegel-schein“. Schließlich kann es duch die hohen Geschwindigkeiten schnell zu Zusammenstößen kommen. Deshalb wird bei der Führerscheinprüfung für Eissegler gerade den Ausweichregeln großes Augenmerk geschenkt. Doch richtig gefährlich ist die Sportart nicht - dafür sorgen u.a. die Helm-pflicht und Eispickel, zwei Hölzer mit spitzen Metallenden, die die Segler normalerweise um den Hals hängen haben sollen, um sich im Falle eines Einbruchs am Eis hochziehen zu können.

Kaltes Vergnügen mit langer Geschichte

Die Ursprünge des Eissegelns liegen im Holland des 17. Jahrhunderts, wo Seeleute einen Weg suchten, um ihre Boote auch auf zugefrorenen Wasserflächen nutzen zu können. Die ersten Eissegler waren kleine Lastensegler, an deren flache Unterseite Kufen montiert wurden. Mit diesen einfachen Mitteln war es möglich, die Boote weiterhin normal im Wasser, aber auch auf dem Eis zu segeln. Zunächst als Transport-mittel genutzt, gewann der sportliche Aspekt des Eissegelns zusehends an Bedeutung. 1865 entstand in den USA, am Hudson River, der erste Eissegelclub der Welt, und 1881 fand, ebenfalls in den USA, die erste Weltmeisterschaft statt. Aber auch in den osteuropäischen Ländern hat das Eissegeln eine große Tradition. Besonders die großen Eisyachten kreuzten schon in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts die Eisflächen vor Reval (Tallinn) Riga und Hapsal (Haapsalu). Als die Winter noch hart waren, wurden auch in Ostpreußen und um Berlin schon Europäische M e i s t e r s c h a f t e n ausgerichtet.

Das Jahr 1937 hat in der Geschichte des Eissegelsports eine ganz besondere Bedeutung: Die amerikanische Zeitung „Detroit News" veranstaltete einen Konstruktionswettbewerb mit dem Ziel, einen preiswerten und leichten Eissegel-Schlitten zu entwi-ckeln. Das Ergebnis wurde nach der Zeitung „DN-Yacht“ genannt. Einige technische Daten der heute international populärsten Klasse: Länge: 3,60 m, Mast: 4,70m, Segel: 6,50 qm, Planke: 2,40 m, Rumpfgewicht mind. 21 kg, Tempo ca. 100 km/h. Der Weltrekord liegt übrigens bei ca. 230 km/h, angeblich aufgestellt im Jahr 1938 von der „Debutante“ von John D. Buckstaff auf dem Lake Winnebago.

Heute ist der „DN-Schlitten“ der bekannteste und verbreitetste Eissegel-Schlitten der Welt. Der „Eisoptimist“ ist eine inzwischen von der „Europäischen DN EisYachtRacingAssocition“ (EDNIYRA) anerkannte Eissegelklasse für die Jüngsten von zehn bis 16 Jahren. 1928 entstand übrigens die „Europäische Eissegel Union“, der alle eissegelnden Länder beitraten. In Deutschland übernahm der Eissegelausschuß des „Deut-schen Segler Verbandes“ die Festlegung der Wettsegelbestimmungen. Unter www.eissegeln.de finden Interessierte alle relevanten Adressen, Telefonnummern und Termine.

In Berlin gibt es u.a. im Verein „Fahrten-Segler Wannsee“ (VFSW) einige Eissegler. Die sollen mit 200-Kilo-Geschossen mit Sechs-Quadratmeter-Segeln mit bis zu 100 km/h über den Wannsee heizen, heisst es. In manchen Jahren gibt es sogar Wettrennen, Regatten. Allerdings ist die

Havel meist ein eher schwieriges Gewässer für Eissegler, weil sie selten spiegelglatt zugefroren ist.

Weil es auch uns so richtig gepackt hatte, wollten wir den Eissegler des älteren Herren auf dem Wandlitzsee mal ausborgen. Aber er wollte sein Spielzueg nicht hergeben und,

na ja, eigentlich konnten wir ihn vestehen. Aber vielleicht bauen wir uns ja mal selber so ein cooles Sportgerät.

Andreas Düllick

Tipp: Wer noch mehr über die Geschichte des Eissegelsports wissen möchte, für den lohnt sich ein Besuch des Europäischen Eissegel-Museums in Rangsdorf bei Berlin, eröffnet am 1. April 2001. Über 4.000 Dokumente, ein Yachtregister, 1.000 historische Fotos und Ehrenmedaillen zeugen von der langen Geschichte des kalten Sports. Infos unter www.buecker-

museum.de

Literatur: Markus Joachim Tidick: „Auf rasender Kufe. Ein heiteres und ernstes Eissegelbuch.“ „Grenzlandverlag“ G.Boettcher, Pillkallen (Ostpreußen) 1936.Markus Joachim Tidick: „Schneller als der Wind. Handbuch des Eisse-gelns. Rennen, Training, Klassen, Wettfahrt-Bestimmungen.“ 1. Auflage,

„Klasing“, Bielefeld 1939; 4. Auflage, 1977, in: „Kleine Yacht-Bücherei.“ Band 12.Erik von Holst: „Die Eisyacht.“ (= Yacht-Bibliothek, Band 18.) Klasing & Co., Berlin 1925.Willy Göpferich: „Eisjacht.“ Verlag Hermann Beyer, Leipzig 1924. Nach-druck 2007 im Verlag „Survival Press“, Radolfzell-Liggeringen

Liebevoll geschnitzte Bugfiguren

Kurze Aufwärmpause

Page 26: Ausgabe 2, 2011 KÄLTE - strassenfeger

26

strassen|feger2/2011

26

Bren

npun

kt Berlin im AusnahmezustandAlle Räder stehen still, wenn der kalte Winter oder die gierige „Bahn AG“ es will

Es war im vergangenen Winter 2009/2010 so und jetzt ist es wieder genauso: Die S-Bahn, das wohl beliebteste Verkehrsmittel in Berlin und Brandenburg steht mehr, als sie rollt. Da fällt ein wenig Schnee – zugegeben, es ist etwas mehr als gewöhnlich – und die Temperaturen sinken ein paar Grad unter Null, schon fährt sie nicht mehr oder nur noch stark eingeschränkt. Den Fahrgästen stinkt das mittlerweile ganz gewaltig. Denn eigentlich sollte die Deutsche Bahn AG, Eigentümerin der S-Bahn, doch aus den katastrophalen Zuständen des vergangenen Winters gelernt haben. Das hatte man zumindest auch behauptet: Man habe seit Juli 2010 ein „Winterkonzept“ erarbeitet, hieß es vor einigen Wochen. Danach sollten Fahrmotore verbesserte Isolierungen und Abdeckungen erhalten, um so gegen Flugschnee geschützt zu werden. 90 Motoren sollten als Reserve bereit stehen. Und da die Konstruktionsprobleme mit den vereisten Türen nach Aussage der S-Bahn-Verantwortlichen nicht so einfach zu beheben seien, sollten sogenannte „mobile Einteisungsteams“ an zehn Bahnhöfen die Türen von Eisschichten befreien. Leider blieb es bei den vollmundigen Ankündigungen.

Zu wenig Ersatzteile und überforderte Werkstätten monierte der Geschäftsführer des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB), Hans-Werner Franz bereits im Oktober. Und wie wir jetzt täglich leidvoll erfahren müssen, vollkommen zu Recht. Vereiste Weichen, Signalstörungen auf dem von der Deutschen Bahn betriebenen Stre-ckennetz und eine Vielzahl von Antriebsstörungen legen derzeit die S-Bahn lahm. Die Fahrplanpünktlichkeit stürzt gerade in ungeahnte Rekordtiefen ab. Einige Strecken werden gar nich mehr befahren, auf anderen Strecken geht es nur noch im 20-Minuten-Takt.

Ab 1. Januar 2011 hat die S-Bahn nun auch noch die Tarife erhöht. „In jeder Hinsicht falsch und nicht vermittelbar“ ist das für Christfried Tschepe, Vorsitzender des Berliner Fahrgastverbands IGEB.Andreas Düllick sprach für den strassenfeger darüber mit Christfried Tschepe:

strassenfeger: Geht‘s eigentlich noch schlimmer bei der S-Bahn?Christfried Tschepe: Im Sommer und Herbst 2009 standen noch weniger Züge zur Verfügung. Da wurde sogar die Stadtbahn nicht mehr befahren. Aber das ist kein Trost im jetzigen Chaos.

sf: Woran liegt es in Berlin? In Bayern und Baden-Württemberg, Sachsen und Thüringen gehören Frost und Schnee doch zum Alltag, auch bei der Personenbeförderung?C. T.: Auch in anderen Bundesländern gab es durch das Winterwetter umfangreiche Ausfälle und Verspätungen. Die Deutsche Bahn hat überall bei der Instandhaltung gespart, um für den Börsengang hohe Gewinne bilanzieren zu können. Aber nirgends sind so viele Menschen auf Bahnen und Busse angewiesen, weil sie kein Auto haben. Und nirgends fahren so viele Journalisten mit öffentlichen Verkehrsmitteln wie in Berlin.

sf: Ist die Baureihe 481 von ‚Bombardier‘ noch zeitgemäß oder benö-tigt Berlin neue, moderne Bahnen, die auch mit extremen Plus- und Minusgraden fertig werden?

Der aktuelle Stand auf der nach oben offenen Skala der Ausfälle ist dramatisch: Laut S-Bahn gelten seit 2. Januar 2011 folgende Einschränkungen: „Ab Sonntag, 2. Januar 2011, 6 Uhr, können voraussichtlich nur etwa 200 Viertelzüge eingesetzt werden. Auf der Ringbahn fahren die Züge der Linien S 41 und S 42 im 10-Minuten-Takt, auf allen anderen Linien im 20-Minuten-Takt. Die S 45 und S 85 verkehren weiterhin nicht. Die Streckenab-schnitte Strausberg-Strausberg Nord, Spandau-Westkreuz, Wartenberg-Springpfuhl und Hennigsdorf-Schönholz können ab diesem Zeitpunkt vorübergehend nicht bedient werden. Zwischen Hennigsdorf, Tegel und Wilhelmsruh sowie zwischen Strausberg und Strausberg Nord wird Busersatzverkehr eingerichtet.“ So etwas nennt man wohl das Eingeständnis eines Total-Versagens!

Das Chaos bei der Berliner S-Bahn hält an

Es kommt ein Zug aus dem Nirgendwo

Foto

s: A

ndre

as D

üllic

k

Page 27: Ausgabe 2, 2011 KÄLTE - strassenfeger

27

strassen|feger2/2011

27

Bren

npun

kt

C. T.: Ja, Berlin braucht neue Fahrzeuge, die robuster sind. Aber die Entwicklung und Produktion einer neuen Baureihe dauert mindestens fünf Jahre. Deshalb muss sich der Berliner Senat schnell-stens mit der S-Bahn zusammensetzen, um einen Zeitplan für neue Fahrzeuge zu entwickeln. Dass die S-Bahn GmbH von sich aus nicht aktiv wird, muss man verste-hen, weil sie nicht weiß, ob die Länder Berlin und Brandenburg sie auch nach dem auslaufenden Vertrag 2017 noch beauftragen.

sf: Immer wieder frieren Weichen oder Signalanla-gen ein. Kann man die im Jahre 2010/2011 nicht beheizen? Deutschland ist doch ein Hochtechno-logieland, eine der reichsten und führenden Industrienationen der Welt!C. T.: Die Mehrzahl der Weichen ist beheizt. Aber wenn man zu stark heizt, besteht die Gefahr von Schienenbrüchen. Deshalb braucht man bei großer Kälte oder großen Schneemengen zusätzlich Personal, und das hat die Deutsche Bahn an allen Ecken und Enden eingespart.

sf: Trotz dieser unhaltbaren Zustände will die S-Bahn jetzt auch noch die Preise erhöhen, das ist doch ein schlechter Witz oder?C. T.: Die Entscheidung im Juni, zum 1. Januar 2011 die Fahrpreise zu erhöhen, war ein großer Fehler. Schon damals war absehbar, dass weder die S-Bahn noch der BVG-Busverkehr im Winter zuverlässig fahren können. Für diese Preiserhöhung ist aber auch der Berliner Senat verantwortlich. Er hätte sie verhindern können, da durch die stabilen Preise die Zahl der Fahrgäste trotz S-Bahn-Krise gestiegen war, was zu höheren Einnahmen bei S-Bahn und BVG führte – ohne Fahrpreiserhöhung.

sf: Was raten Sie denn aus Ihren Erfahrungen heraus den Chefs von S-Bahn und Deutscher Bahn?C. T.: S-Bahn-Chef Buchner muss seiner Linie treu bleiben, nichts zu beschönigen und weiterhin den Dialog mit den Fahrgästen zu

suchen, auch wenn manche ihn persönlich und seine Mitarbeiter für das Desaster verantwortlich machen - nach meiner Meinung zu Unrecht. DB-Chef Grube ist Opfer und Verantwortlicher. Er muss ab 2011 jährlich 500 Millionen Euro an die Bundesregierung abführen, die dringend für bessere Strecken und Bahnhöfe gebraucht würden. Andererseits hat er die Mehdorn-Politik fortgesetzt und Gelder, die die Deutsche Bahn aus Steuermitteln erhält, für Einkäufe im Ausland eingesetzt, anstatt die Strecken und Fahrzeuge in Deutschland zuverlässiger und attraktiver zu machen.

sf: Was raten Sie den Fahrgästen?C. T.: Bitte unterstützen Sie unsere Forderung nach Wiederholung der Entschuldigungsregelung vom November/Dezember 2010. Beschweren Sie sich außerdem bei den Verantwortlichen "ganz oben", zum Beispiel bei Bundesverkehrsminister [email protected] Und bleiben Sie trotz allem der S-Bahn treu. Die Zahl der Berlinerinnen und Berliner, die sich kein Auto leisten können oder wollen, wird künftig noch zunehmen. Deshalb braucht Berlin die S-Bahn und die BVG.

Warten auf die S-Bahn oder auf Godot?

Nix geht mehr!

Page 28: Ausgabe 2, 2011 KÄLTE - strassenfeger

28

strassen|feger2/2011

28

Im „Berliner Kurier“ vom 24. November 2010 wurde wieder einmal Stimmung gegen Hartz IV-Bezieher gemacht. Unter der süffi santen Überschrift „Wohnungssuche in Berlin: Wehe du kriegst kein Hartz IV“ wurde in dem Artikel sehr richtig festgestellt, dass „Kleine Wohnungen immer teurer“ werden.

Aktu

ell Wenn die Fakten auf den Kopf gestellt werden

„Immer mehr einkommensschwache Berliner fi nden keinen Wohnraum. Ihr böser Verdacht: Schuld daran könnten Hartz IV Empfänger sein.“ Es wird Dieter Blümmel vom Eigentümer-Verband „Haus und Grund „zitiert. „Hartz IV-Bezieher sind solvente Mieter, weil die Jobcenter die Zahlungen übernehmen. Vermieter orientieren sich eben immer an der Zahlungsfähigkeit.“ Die „RBB-Abendschau“ schlug ein paar Tage vorher in die selbe Kerbe. Tenor: Weil für alleinstehende Hartz IV-Bezieher vom Senat die Mietobergrenzen erhöht wurden, fi nden andere Mieter keine Wohnung. Schon war die Schuldfrage geklärt. Kein Wort davon, dass die Erhöhung ganze 18 Euro betrug und die einzige innerhalb von sechs Jahren Hartz IV war. Was der Herr Blümmel unter den Tisch fallen ließ, ist die Tatsache, dass es Vermieter gibt, die überhaupt nicht an die „solventen“ Hart IV-Bezieher vermieten. Manche Vermieter nehmen nur einen bestimmten Prozentsatz, um einer Ghettobildung vorzubeugen.

Die 378 Euro sind für alleinstehende Hartz IV-Bezieher die Höchstmiete inklusive Nebenkosten und Heizung. Die steigenden Mieten und die Explosion der Nebenkosten, insbesondere der Heizkosten wurde mit 18 Euro Erhöhung angeblich aufgefangen. Fakt ist, dass in den vergangenen sechs Jahren viele Hartz IV-Bezieher von der Arbeitslosenbehörde eine Aufforderung zur Mietsenkung erhalten haben. Hatten die Betroffenen das grosses Glück, fanden eine neue Wohnung. Doch geht der „Trend“ zwangsläufi g zu immer kleineren Wohnungen. Die Wohnkloküche wird immer mehr zur Normalität. Doch auch hier herrscht Wohnungsmangel.

Für den Teil der Betroffenen, die nachweisen können, dass sie keine billigere Wohnung fi nden können, muss die tatsächliche Miete weiter gezahlt werden. Und dann gibt es immer mehr Hartz IV-Bezieher, die keine billigere Wohnung fi nden und die Differenz zwischen der Miete, die das Jobcenter übernimmt und der tatsächlichen Miete aus dem Regelsatz oder Ein-Euro-Jobs oder den Freibeträgen aus der Erwerbstätigkeit begleichen müssen.

Fakt ist also, dass die 378 Euro für die kleinen Wohnungen nicht einmal für alle Hartz IV-Bezieher reichen. Aber auch bei größeren Perso-nenzahlen müssen die Betroffenen auf immer kleinere Wohnungen ausweichen, um die volle Miete vom Amt bezahlt zu bekommen. Natürlich betrifft dass auch andere Wohnungssuchende, wie Geringverdiener und Studenten. Die aber gegen die Hartz IV-Bezieher auszuspielen, ist reine

Stimmungsmache! Es fehlen einfach zehntausende billigere Wohnungen für Menschen mit geringem Einkommen!

Verursacher ist jedoch die Wohnungspolitik des Berliner Senats. Mit dem massenhaften Verkauf von Wohnungen in städtischem Eigentum beraubte sich der Senat jeder Möglichkeit der Mietpreisregulierung.

Jahrzehntelang hat der eine Bauherrenförderung betrieben, die sich „Sozialer Wohnungsbau“ nannte. So richtig es war, dass der Senat aus der Subvention der Immobilienbesitzer ausstieg, so verheerend ist der Verzicht des Senats auf nachhaltige Hilfen für die betroffenen Sozial-mieter und jede andere Kompensierung des Verlustes preisgünstiger Wohnungen. Die jahrzehntelang geförderten Bauherren holten und holen natürlich aus den Mietern raus, was rauszuholen ist. Und das ist eben mehr, als sich Geringverdiener und Hartz IV-Bezieher leisten können.

Mit dem „Rückbau Ost“ wurde ein weiteres Instrument geschaffen, um preisgünstigen Wohnraum zu vernichten. Denn es wurde kaum „rückge-baut“. Die städtischen Wohnungsgesellschaften nutzten das Programm fast ausschließlich, um sich von unsanierten Plattenbauten zu befreien, indem die komplett abgerissen wurden. Der Abriss wurde als Erfolg durch Senkung des Leerstands verkauft.

Der Berliner Senat hat keine verlässlichen Zahlen, wieviel Wohnraum überhaupt den Mietern zur Verfügung steht. Seit die Umwandlung von Wohnraum in Gewerberaum nicht mehr genehmigungspfl ichtig ist, weiß niemand, wieviel Wohnungen zu Arztpraxen, Anwaltskanzeien, Ferienwohnungen u.ä. umgewandelt wurden. Trotzdem hat der Senat jahrelang an der These, dass der Berliner Wohnungsmarkt ausgeglichen sei, festgehalten, um die Hände tatenlos in den Schoß zu legen. Den Preis zahlen die armen Haushalte, egal ob Geringverdiener, Hartz IV-Bezieher oder Studenten!

Rothunde Dödeleit

Immer mehr Wohnungen werden verkauft, statt vermietet!

Foto

: And

reas

Dül

lick

Page 29: Ausgabe 2, 2011 KÄLTE - strassenfeger

Rechtsanwältin Simone Krauskopf

im Kaffee Bankrott bei mob e.V.Prenzlauer Allee 87, 10405 Berlin

Jeden Montag von 11 bis 15 Uhr

Bei Bedürftigkeit wird von der Rechtsanwältin ein Beratungsschein beantragt. Bitte entsprechende Nachweise mitbringen (z. B. ALG-II-Bescheid)!

Allgemeine Rechtsberatung

29

strassen|feger2/2011

29

Ratg

eber

Mehr zu Alg II und Sozialhilfe

› Der Leitfaden Alg II/Sozialhilfe von A-Z›› mit Ergänzungsblatt • Stand Mai 2010

Im Büro von mob e.V., Prenzlauer Allee 87für 10,– Euro erhältlich

oder zu bestellen bei: AG TuWas, Gleimstr. 3, 60318 Frankfurt/M; E-mail: [email protected]

› www.tacheles-sozialhilfe.de

› www.erwerbslosenforum.de

ACHTUNG!

Für die Richtigkeit der Aussagen kann keine Garantie übernommen werden.

 Der Hartz IV-Ratgeber vom strassenfeger steht auf unserer Internetseite kostenlos zur Verfügung

– auch zum Ausdrucken und Weiterleiten.

Hartz V oder von der Leyen 1 Teil 3Dies ist der dritte und letzte Teil von „Hartz IV oder von der Leyen“ über die Änderungen beim Alg II sein. Die drei Teile sollen nur ein grober Überblick sein. Der Ratgeber wird sich noch oft und ausführlicher mit den Änderungen des SGB II befassen. Zu diesen Änderungen werden zwangsläufig weitere Änderungen kommen, weil die Gesetze der Aus-legung bedürfen, weil die Gerichte Änderungen erzwingen werden und weil sich die Gesetze teilweise widersprechen,

Wichtig! Ab 1.1.2011 wirken Anträge auf den Monatsanfang zurück. Das heißt, wer am 25.1.2011 einen Antrag stellt (damit ist auch der Erstantrag gemeint), der erhält ab 1.1. rückwirkend sein Alg II. Das ist auf jeden Fall ein Vorteil. Die Antragsteller sollten nur darauf achten, dass das dann auch von den Sachbearbeitern so gehandhabt wird. Nachteil gegenüber der alten Regel ist aber, dass Gelder, die im selben Monat zufießen, dann als Einkommen angerechnet werden. Bei der alten Regelung wurde Geld, das vor der Antragstellung zufloss, generell zu Vermögen. Also aufpassen, manchmal kann es sich lohnen, den Alg II-Erstantrag erst im Monat nach Zufluss irgendwelcher Gelder zu stellen.

Vorteilhaft ist bei der neuen Regelung ebenfalls, dass auch andere Anträge auf den Monatsanfang zurückwirken werden, z.B. bei Klassen-fahrten, obwohl die Kosten eigentlich vorher beantragt werden müssten. Findet die Klassenfahrt z.B. vom 3. bis 5. Januar statt, wirkt der Antrag vom 30. Januar auf den Monatsbeginn zurück. Hier ist auf diese Weise noch Geld zu retten.

Neu wird auch sein, dass Alg II-Bezieher per Gesetz verpflichtet werden, Rücklagen für unregelmäßig anfallende Bedarfe zu bilden, gemeint sind werden in erster Linie Möbel, Waschmaschine und andere recht teure Güter. Bei vielen Betroffenen ist das Geld zwar schon lange vor dem 30. des Montas zu Ende, aber jetzt sind sie per Gesetz verpflichtet, am Monatsende noch Geld übrig zu haben. Das wird den Leuten unheimlich weiterhelfen. Ob und wenn welche Folgen dieses Gesetz haben wird, ist mir nicht klar.

Im nächsten Jahr können die Länder die Kommunen ermächtigen, die Kosten der Unterkunft und Heizung zu pauschalieren. Insbesondere die Pauschalierung der Heizkosten hat das Bundessozialgericht immer

wieder zurückgewiesen. Der Berliner Senat hat das trotzdem gemacht. Es ist zu befürchten, dass die Länder und Kommunen die Pauscha-lierungsermächtigung dazu nutzen werden, um die „angemessenen“ Wohn- und Heizkosten drastisch zu senken. Nicht unwahrscheinlich sind Absenkungen der angemessenen“ Größe der Wohnung. Hier wurde ja im Laufe des Jahres von Politikern schon laut gedacht; insbesondere für junge Betroffene, also die U 25 (unter 25-Jährigen) die zulässige Größe der Wohnung auf 25 oder 30 qm zu reduzieren. Also praktisch auf Größe von Wohnklo mit Herdplatte! Auch wenn die Pauschalierung vom Gericht überprüft werden kann, ist nicht voraussehbar, wie die Entscheidungen ausfallen werden. Absehbar ist, dass es eine Reihe von Haushalten die Wohnung kosten wird, wenn sie eine zu niedrige Pauschale finanziell nicht irgendwie auffangen können.

Ab 1. Januar 2011 ändert sich der Einkommensfreibetrag. Er liegt dann nicht mehr bei einmal jährlich 50 Euro, sondern bei monatlich zehn Euro. Wenn Einkommen von mehr als zehn Euro in einem Monat erzielt wird, wird die ganze Summe angerechnet.

Die Regelsatzerhöhung, die eigentlich für Juli 2011 geplant war, wurde auf 2012 verschoben. Nix ist mit einer „Erhöhung“ der Unsumme von 364 Euro.

Zum Schluss noch ein paar gute Nachrichten:Für Erwerbstätige gibt es für das Bruttoeinkommen zwischen 800 und 1.000 Euro zehn Prozent mehr Freibetrag, dann also 20 Prozent von 100 Euro. Somit beträgt die großartig angekündigte Erhöhung der Erwerbstätigenfreibeträge ganze 20 Euro – WENN der Betrag von 1.000 Euro Bruttoeinkommen denn erreicht wird! Wer weniger als 800 Euro brutto hat, geht eben leer aus.

Für Alg II-Bezieher, die mit ihrem Einkommen den eigenen Bedarf decken können, darüber hinaus jedoch nicht den Bedarf der gesamten Bedarfsgemeinschaft, besteht keine Pflicht mehr, die Bedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaft zu verringern. Damit folgt die Gesetzesänderung endlich der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Dann sollten für diese Personen die Schikanen, die Hilfe genannt werden, einschließlich der Eigenbemühungen, endlich beendet sein.

Jette Stockfisch

Page 30: Ausgabe 2, 2011 KÄLTE - strassenfeger

30

strassen|feger2/2011

30

Mit

tend

rin

Prüs

tel a

uf S

eite

30

KDer 22. November 2010 hatte es wirklich in oder an sich, der Tag des Jahres zu werden. Wann hat man schon mal ein Datum mit zwei Schnapszahlen! Bisher haben die Freunde des Karnevals und der närrischen Ausgelassenheit sich immer auf den 11. 11. 11 Uhr 11 berufen, um die närrische Jahreszeit zu eröffnen. Daran musste ich sofort denken, als unser Innenminister mit ernster Miene, gerade so wie die Sitzungspräsidenten eines Elferrats, nur ohne eine lustige Mütze, uns diesen 22.11. ans Herz legte. An diesem Tag könnte so richtig was los sein. Seine Schlapphüte hatten herausgefunden, dass gerade am 22.11. Terroristen ihren schrecklichen Trieben nachgehen wollten. Leider fehlte in seiner Ankündigung die genaue Uhrzeit - 22 Uhr 22 hätte die Sache noch realistischer gemacht.

Da auch kein Ort angegeben wurde, wo das Ereignis nun steigen sollte, war im ganzen Land Alarmzustand. Na ja, nicht wirklich im ganzen Land. In Bad Liebenwerder und Bad Pyrmont, im holsteinischen Tarp und im schwäbischen Blaubeuren war nichts von Terroralarm zu hören. Dafür wurde in Berlin umso heftiger aufgepasst. Nicht in ganz Berlin. In Frohnau und am Müggelsee war nichts zu erkennen, was auf erhöhte Sicherheitsanstrengungen hinwies. Aber am Hauptbahnhof, auf den Flugplätzen und rund um den Reichstag signalisierten Polizisten mit Maschinenpistolen den anreisenden Terroristen, dass sie mit heftigem Sperrfeuer zu rechnen hatten.

Doch wie sollten die Terroristen erkannt und entlarvt werden? Dazu hatte unser Innensenator einen guten Rat an alle Berliner. Sie sollten auf Leute aufpassen, die sie nicht kennen, die eine unverständliche Sprache sprechen und merkwürdig gekleidet sind. Das trifft nicht nur auf viele Berliner zu, das hat auch andernorts zur Vorsicht angehalten. Der sorbische Trachten-verein aus der Lausitz hat seine traditionelle Fahrt zum Berliner Weihnachtsmarkt abgesagt, weil das vielleicht zu gefährlich für die Damen werden konnte.

Verdächtig ist einfach jeder. Wir wissen zwar, dass es fast ausschließ-lich junge muslimische Männer mit Zauselbärten sind, die für ihr Leben gern Flugzeuge mit einer Ladung Sprengstoff außer Betrieb setzen oder Menschenansammlungen mit einem großen Knall auflösen oder

Untergrundbahnen unverhofft stoppen. Dieses Wissen schützt aber nicht die 82-jährige katholische Oma vor gründlichen Kontrollen am Flughafen, auf die sie stundenlang warten

muss, und auch das vorschulpflichtige Enkelkind an der Hand mag noch so viel quengeln, es muss durch die Schleuse, um

sich auf Waffen oder waffenfähige Gegenstände untersuchen zu lassen. Man sollte es nicht für möglich halten …

Am 22. November ist nichts passiert, es wurde auch kein verdäch-tiger Terrorist gesichtet. Das musste nichts bedeuten. Das sind ja Schläfer, die nur auf ihre Chance oder ihren Einsatzbefehl aus Afghanistan warten. Sicherheitsmaßnahmen sind auch danach

noch notwendig. Was man uns als Schneekatastrophe verkauft, ist sicher eine der vom Innensenator ange-kündigten Maßnahmen verdeckter Art, die Terroristen hemmen sollen. Auf den ungeräumten Gehwegen kann

so ein Terrorist nicht schnell weglaufen, die Polizisten haben ein leichtes Spiel mit ihm. Unsere S-Bahn ist ein besonders perfides Instrument der Terrorabwehr. Wenn so ein Attentäter sich auf dem überfüllten Bahnsteig beim Warten kalte Füße geholt hat und es ihm auch nicht gelungen ist, einen Platz in der überfüllten Bahn zu kriegen, wird er sicher unverrichteter Dinge nach Hause gehen oder dahin zurückkehren, wo es wärmer ist.

Nun dürfen wir gespannt sein, was sich die Terrorbekämpfer für die wärmere Jahreszeit ausdenken werden. Wachsamkeit ist geboten. Am besten wären wohl flächendeckende Personenkontrollen. Da solche Terroristen sich immer raffiniertere Mimikri zulegen, darf man auch vor Regierungsmitgliedern und Mandatsträgern nicht zurückweichen. Unter denen scheinen ja auch einige zu sein, die uns Angst und Schrecken einjagen können.KptnGraubär

Page 31: Ausgabe 2, 2011 KÄLTE - strassenfeger

31

strassen|feger2/2011

31

Les

erbr

iefe

& Im

pres

sum

strassen|feger

Partner im

Mitglied im

ISSN 1437-1928

Herausgebermob – obdachlose machen mobil e.V.Prenzlauer Allee 87, 10405 BerlinTel.: 030/ 46 79 46 11Fax: 030/ 46 79 46 13Email: [email protected]

Vorsitzende: Dr. Dan-Christian Ghattas, Lothar Markwardt, Andreas Düllick (V.i.S.d.P.)

Chefredakteur Andreas Düllick

Redaktionelle Mitarbeit: Boris Nowack, Ruth Dell-Messier, CaDa, Andreas Düllick, Baga Gam, Detlef F., Guido Fahrendholz, r.Werner Franke, L. F., Jan Markowsky, Christoph Mews, Urszula Usakowska-Wolff, Manfred Wolff

Titelbild Andreas Düllick

KarikaturenAndreas Prüstel, OL

Satz und LayoutIns Kromminga

Belichtung & DruckUnion Druckerei Berlin

Redaktionsschluss der Ausgabe: 5. Januar 2011

Namentlich genannte Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Es war nicht möglich, bei allen Bildern die Urhe-berrechte festzustellen. Betroffene melden sich bitte bei uns. Für unverlangt eingesandte Fotos, Manuskripte oder Illustrationen übernehmen wir keine Haftung.

Der strassenfeger ist offen für weitere Partner. Interessierte Projekte melden sich bei den Herausgebern.

RedaktionPrenzlauer Allee 87, 10405 BerlinTel.: 030/ 41 93 45 91eMail: [email protected]

Abo-Koordination & Anzeigenmob – obdachlose machen mobil e.V.Tel.: 030/ 41 93 45 91

Treffpunkt Kaffee Bankrott Prenzlauer Allee 87, 10405 BerlinTel.: 030/ 44 73 66 41Öffnungszeiten: Mo. – So. 8:00 – 20:00 UhrZeitungsverkauf: bis 20:00 UhrKüchenschluss: 19:00 Uhr

NotübernachtungPrenzlauer Allee 87, 10405 BerlinTel.: 030/ 41 93 45 93Öffnungszeiten: 17:00 – 8:00 UhrAnmeldung: 17:00 – 23:00 Uhr

Trödelpoint bei mob e.V.Prenzlauer Allee 87, 10405 Berlingegenüber dem S-Bahnhof Prenzlauer AlleeMo – Fr: 8:00 – 18:00 UhrTel.: 030/ 246 279 35Email: [email protected]

Liebe Redaktion!Der strassenfeger freut sich über Leserbriefe. Wir behalten uns den Abdruck und die Kürzung von Briefen vor. Die abgedruckten Leserbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der strassenfeger-Redaktion wieder.

Der strassenfeger ist Mitglied im Internationalen Netzwerk der Straßenzeitungen (INSP)

Ihr interessiert Euch dafür, selbst mal einen Artikel zu schreiben, beim Radioprojekt mitzumachen oder Euch auch anderweitig an der Redaktionsarbeit zu beteiligen? Dann seid Ihr herzlich eingeladen zu unserer Redaktionssitzung, jeden Dienstag um 17 Uhr in der Prenzlauer Allee 87, 10405 Berlin. Weitere Infos: 030/ 4193 4591 Redaktion strassenfeger

VORSCHAU ab 24. Januar 2010

In letzter Sekunde! Prüstel auf Seite 31K

Interview mit dem Traumforscher Michael Schredl

Berufung: Tätowierer - Daniel Krause erzählt

Interview mit „AdK“-Präsident Klaus Staeck zur Sigmar-Polke-Ausstellung

„Traum“„Albtraum“ von Johann Heinrich Füssli

Page 32: Ausgabe 2, 2011 KÄLTE - strassenfeger

Vielen Dank für Ihre Spende! Bitte senden Sie den Coupon an: »Ein Dach über dem Kopf«, c/o mob e.V., Prenzlauer Allee 8710405 Berlin, Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft BLZ 100 205 00 Konto 328 38 - 01 Kennwort: »Ein Dach über dem Kopf«

Bitte schicken Sie mir eine Spendenbescheinigung zu. Einzugsermächtigung (Die Einzugsermächtigung gilt bis auf Widerruf)

Name, Vorname

Straße

PLZ, Ort

Bank

Konto-Nr.

Unterschrift

BLZ

Inhaber

EinmaligAuch Sie können mit 2 Euro pro Tag helfen!Buchen Sie einen Platz bei der Aktion »Ein Dach über dem Kopf«. Weniger als eine Schachtel Zigaretten kostet ein Platz für einen Menschen pro Tag!

Ja, ich möchte für eine Woche einem Menschen »Ein Dach über dem Kopf« ermöglichen und zahle 14 Euro. Ja, ich möchte für zwei Wochen einem Menschen »Ein Dach über dem Kopf« ermöglichen und zahle 28 Euro. Ja, ich möchte für einen Monat einem Menschen »Ein Dach über dem Kopf« ermöglichen und zahle 60 Euro.

PatenschaftGarantieren Sie einem Menschen »Ein Dach über dem Kopf«. Nur 2 Euro am Tag oder 60 Euro im Monat kostet ein Schlafplatz.

Ja, ich möchte einem Menschen dauerhaft »Ein Dach über dem Kopf« ermöglichen und zahle monatlich 60 Euro. Ja, ich möchte die Aktion »Ein Dach über dem Kopf« regelmäßig unterstützend begleiten und zahle monatlich Euro ( mindestens 3 Euro ).

Die Aktion »Ein Dach über dem Kopf« wurde von uns ins Leben gerufen, um Mitmenschen, die in Not und ohne Bleibe sind, wirksam helfen zu können. Damit wir diesen Menschen weiterhin helfen können, benötigen wir nach wie vor Ihre Hilfe und Unterstützung.

Renate Künast ist Fraktionsvorsitzende der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen und unterstützt die Aktion „Ein Dach über dem Kopf“

Ein Dach über

dem Kopf

Fo

to: r

. Wer

ner F

rank

e