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Aussage Verweigerung Rote Hilfe e.V. Bitte sagen Sie jetzt nichts! Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V. Bundesarbeitstreffen »Aussageverweigerung« (Hrsg.) Thema: und verhörmethoden

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Thema:

und verhörmethoden

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Als Angler liebe ich die Stille

und die Schweigsamkeit der Fische

Auch am Haken

hört man sie nie quaken

Funny van Dannen

(»Der Fisch«, Album Basics)

Bitte sagen Siejetzt nichts!

Rote Hilfe e.V.02

V.i.S.d.P. M. Krause über Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V. Postfach 3255 37022 Göttingen

Druck Eigendruck im Selbstverlag

Stand September 2007

Nachdruck, auch auszugsweise, ausdrücklich erwünscht (bitte Belegexemplar zusenden).

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inhalt

Vorweg • 04

1 … Polizei und

Staatsanwaltschaft

Nichts sagen – aber auch nichts unterschreiben! • 06

Im alltäglichen Konflikt mit der Polizei • 07

Während einer Freiheitsentziehung • 08

Hausdurchsuchung • 09

Nach einer Festnahme • 09

Ermittlungen gegen Beschuldigte/Angeklagte • 09

Im Fall einer drohenden DNA-Analyse • 10

Im Verhör • 10

›Entlastende‹ und ›harmlose‹ Aussagen • 11

In Haft • 12

Vorladungen • 12

Vorbereitet sein! • 13

2 … vor Gericht

Aussageverweigerung als BeschuldigteR vor dem Haftrichter • 15

Situation als BeschuldigteR/AngeklagteR vor Gericht • 16

Die Rolle von Aussagen in laufenden Verfahren • 16

Aussageverweigerung und die Anforderungen an RechtsanwältInnen • 16

EntlastungszeugInnen • 17

Politisch geführte Prozesse • 17

Aussageverweigerung in Schnellverfahren/Hauptverhandlungshaft • 19L Wie verhalte ich mich, wenn ein

Schnellverfahren auf mich zukommt? • 20

Umgang mit der Jugendgerichtshilfe • 20

03

3 … Verhalten als

Zeugin/Zeuge

Polizei • 23

Staatsanwaltschaft /RichterIn • 23

Vor Gericht • 23L Verhalten als ZeugIn der Verteidigung • 24L Das Auskunftsverweigerungsrecht

nach §55 der Strafprozessordnung • 24L Das Aussageverweigerungsrecht

nach §52 StPO • 24

Erzwingungshaft (›Beugehaft‹) als Zwangsmittel • 26L Venceremos! • 28L Aussage konsequent verweigert –

was erwartet eine/n im Knast? • 21

4 … Verhalten beiAnquatschversuchen des

Verfassungsschutzes

Der Verfassungsschutz • 32

Anquatschversuch • 32L Wer wird angesprochen? • 32L Wie verhalte ich mich,

wenn ich angesprochen werde? • 33L Grundsätzliches zum Umgang

mit dem Verfassungsschutz • 35

5 ... Fazit

Es gibt keine entlastenden Aussagen! • 37

Es gibt keine harmlosen Aussagen! • 37

Es gibt keine banalen Fragen! • 38

Begriffserklärungen • 39

Literatur + Quellen • 44

Die Rote Hilfe e.V. • 45

Mitglied werden! • 48

Anhang: Dokumentation • 49

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Vorweg••• Die Erkenntnis, dass jede fortschrittlichepolitische Bewegung, die gegen die herrschendenZustände kämpft, über kurz oder lang mit denRepressionsorganen des Staates konfrontiert wird,ist so alt wie die Geschichte dieser Bewegungenselbst. Denn Proteste und Widerstand – etwa gegenKriegspolitik, Abschiebungen, die kapitalistischeGlobalisierung oder Atomtransporte – werden auchimmer wieder dazu führen, dass Menschen nichtnur gegen diese Missstände angehen, sondern sieals Resultat aus dem kapitalistischen Systembegreifen und damit auch beginnen, die bestehen-den Machtverhältnisse zu hinterfragen.

Ebenso wie aber Ausbeutungs- und Unterdrü-ckungsverhältnisse zwangsläufig aus der vorherr-schenden kapitalistischen Profitwirtschaft resul-tieren, sind auch die Angriffe des Staates auf die-jenigen, die sich der bestehenden Ordnung ent-gegenstellen, systemimmanent. So ist auch dieLinke in der BRD seit eh und je mit Einschüchte-rungsversuchen, Hausdurchsuchungen, (politischer)Strafverfolgung und Knast konfrontiert. Um denRepressionsorganen des Staates keinen Einblick indie eigenen Strukturen zu gewähren und sichselbst und andere vor Repression zu schützen, galtin der Linken lange Zeit strömungsübergreifend das»Anna und Arthur halten’s Maul«-Prinzip.

Seit einigen Jahren aber nehmen wir als RoteHilfe zur Kenntnis, dass viele Menschen bei derPolizei Aussagen machen, um entweder ihre eige-ne ›Unschuld‹ zu beweisen oder weil sie einge-schüchtert sind. Auch bei der Staatsanwaltschaftwird geredet, vor Gerichten werden Zeugenaussa-gen gemacht. Beispielhaft hierfür sind sowohl dieEinlassungen im Berliner Verfahren gegen mut-maßliche Mitglieder der Revolutionären Zellen(03/2001–03/2004), als auch Aussagen, die imZusammenhang mit den Anti-Globalisierungspro-testen in Göteborg oder Genua (2001) gemachtwurden. Doch auch nach lokalen Aktionen gegen

Naziaufmärsche, Bildungsreform o.ä. sehen sichAnti-Repressionsgruppen immer häufiger damitkonfrontiert, dass zu dem Zeitpunkt, an demjemand zur Beratung kommt, der/die Betroffenesich bereits zur Sache eingelassen und Aussagengemacht hat. Dann ist das Kind quasi schon in denBrunnen gefallen.

Gefördert wird ein solches Verhalten von Grup-pen die einen »kreativen Umgang mit Polizei undJustiz« propagieren und damit von RepressionBetroffenen das Gefühl vermitteln, die Polizei mitharmlosen Aussagen im Verhör ›austricksen‹ zukönnen. Aber: Es gibt keine ›harmlosen‹ Aussagen!Jede Äußerung hilft der Polizei bei ihren Ermitt-lungen, entweder gegen dich oder gegen andere.Scheinbar ›entlastende‹ Aussagen können entwederandere belasten, oder der Polizei Tipps geben, nachweiteren Beweisen gegen dich zu suchen oder sie zuerfinden. Deshalb: Bei Polizei und Staats-anwaltschaft konsequente Aussageverweigerung!

Der Trend sich bei der Polizei, der Staatsan-waltschaft oder vor Gericht zur Sache einzulassenzeigt, dass Wissen und Bewusstsein über den rich-tigen Umgang mit Polizei und Justiz nicht selbst-verständlich sind. Das liegt vor allem daran, dassdie Linke in ihrer Vielfältigkeit eher über lose alsverbindliche Strukturen verfügt und damit einegenerationsübergreifende Vermittlung bestimmterGrundsätze in der Regel nicht stattfindet.

Deshalb muss das Thema Aussageverweigerungein permanenter Bestandteil der politischen Arbeitsein. Nur wenn wir diesen Grundsatz kontinuierlichan die neuen GenossInnen weitergeben, können wiruns und unsere Strukturen schützen. Die vorlie-gende Broschüre soll ein Beitrag hierfür sein. Siesoll aufzeigen welche Rechte wir als BeschuldigteRoder ZeugIn gegenüber Polizei, Staatsanwaltschaftund Gerichten haben, welche Konsequenzen eineAussageverweigerung haben kann und warum estrotzdem richtig ist, die Klappe zu halten.

Bitte sagen Siejetzt nichts!

Rote Hilfe e.V.04

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... Polizei und

Staatsanwalt-

schaft

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••• Grundsätzlich empfiehlt es sich, mit Poli-zeibeamtInnen nur das allernotwendigste zu reden(Verlangen nach Anwaltstelefonat, Toilettengangetc.) bzw. am besten einfach durchgängig zuschweigen. Es empfiehlt sich dringend, jeden Kon-takt auf eine ausschließlich formale Ebene zu zie-hen, das heißt z.B. sich nicht duzen zu lassen unddie BeamtInnen zu siezen.

Der Polizei gegenüber besteht lediglich die Ver-pflichtung, »Angaben zur Person« zu machen. Dassind:• Name, ggf. Geburtsname• (Melde-)Adresse• Familienstand (z.B. »ledig«)• Staatsangehörigkeit• allgemeine Berufsbezeichnung (z.B. »Angestellte«, »Student«).

Diese Angaben kannst du natürlich verweigern,nur wird den PolizistInnen damit ein Vorwandgegeben, dir Fingerabdrücke abzunehmen, dich zufotografieren und zur Identitätsfeststellung festzu-halten. Generell ist die Verweigerung der Persona-lien eine Ordnungswidrigkeit und kostet ein paarHunderter Bußgeld.

Auch wenn dir Sachen vorgeworfen werden, mitdenen du gar nix zu tun hast, möglicherweise auchSachen, die du nie tun würdest – halte bitte trotz-dem die Klappe. Was dich entlastet, kann jeman-den anderes belasten. Hat von zwei Verdächtigeneine/r ein Alibi, bleibt der/die andere übrig. AuchInformationen darüber, was du nicht getan hast,helfen dem Staatsschutz, ein Gesamtbild gegendich und andere zu konstruieren. Zu schweigen istnicht nur ein Gebot der Solidarität gegenüberanderen und der Vernunft im Hinblick auf eineventuell anstehendes eigenes Strafverfahren. Ineiner solchen Situation ist es darüber hinaus auchschlichtweg am einfachsten, am bequemsten undam schmerzlosesten, von vorneherein den Verneh-merInnen klar zu machen, dass du umfassend die

Aussage verweigerst. Wenn sie merken, dass du aufganz ›unverfängliche‹ Fragen – vielleicht auchwiderwillig – noch eingehst und antwortest, werdensie ihre Chance wittern und auch dann gnadenlosweiterbohren, wenn du auf andere Fragen schonnicht mehr antworten willst: Sie werden keineRuhe geben, solange du überhaupt auch nur aufdas Gespräch eingehst. Völlig anders ist die Situa-tion, wenn du unmissverständlich klar machst,dass du die Aussage verweigerst: Auf jede, aberauch jede Frage Schweigen oder eintönig wie einekaputte Schallplatte wiederholen: »Ich verweigeredie Aussage!«. »Wollen Sie eine Zigarette?« »Ichverweigere die Aussage!« »Regnet es draußen?«»Ich verweigere die Aussage!« Keine Angst, nie-mand wird dich für blöd halten, auch wenn deinGegenüber so tun wird. Er/sie wird im Gegenteilsehr schnell kapieren, dass es dir ernst ist, dass dunicht zu übertölpeln bist und genau weißt, was dutust. Das heißt für dich auf jeden Fall erstmal rausaus der Verhörmühle und im besten Fall, dass dunach Hause gehen kannst.

Nichts sagen – aber auch nichtsunterschreiben!

Du bist nicht verpflichtet, Beschlagnahmeproto-kolle, Verhörprotokolle usw. zu unterschreiben.Nichts unterschreiben heißt, nicht zu bestätigenwas dir angeblich gehört oder was du gesagt odergetan haben sollst. Auch nichts »zur Kenntnisnah-me« unterschreiben! Im Zweifelsfall werden solcheAngaben nur gegen dich verwendet. Falls dubeschlagnahmte Gegenstände zurückhaben möch-test, kannst du dich immer noch später bzw. nachRücksprache mit deiner Anwältin oder deinemAnwalt darum kümmern, wenn die Risiken besserabschätzbar sind.

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Im alltäglichen Konflikt mit der Polizei

Die meisten von euch werden die häufigsten Erfah-rungen mit Polizei und Repression auf Demonstra-tionen machen – um hier gut vorbereitet undgeschützt zu sein, empfiehlt es sich:• die Nummer des Ermittlungsausschusses (EA)zu notieren• auf Durchsagen der Demo-Leitung zu achtenund• sich möglichst innerhalb seiner Bezugsgruppezu bewegen – es hilft im Falle eines Falles unge-mein, von Menschen umgeben zu sein, die dukennst!• kein Alkohol und keine Drogen vor und wäh-rend der Demo, du brauchst einen klaren Kopfund gefährdest sonst dich und andere.

Dabei gibt es vielfältige Situationen, in denendie Gefahr besteht, Informationen preiszugeben.

Am Rande von Kundgebungen und Demons-trationen, bei Vorkontrollen und bei Alltagseinsät-zen wie z.B. Verkehrskontrollen – immer wieder istein sorgloser Umgang mit den polizeilichen Ein-satzkräften zu beobachten. Fröhliche Plaudereien,

politische Diskussionen, aber auch Versuche, diePolizistInnen zu verarschen, sind einfach unange-bracht und gehen nach hinten los.

Beispiel Vorkontrolle: Die bei einer Vor-kontrolle offensichtlich scherzhaft geäußerteBemerkung »Wir wollen zum Winterschlussver-kauf« – über die die BeamtInnen ebenfalls lachten– fand Eingang in den polizeilichen Bericht überden Vorgang und wurde vom erstinstanzlichenGericht als Täuschungsmanöver interpretiert, dasdie wahren Absichten verschleiern sollte.

Neben den Verhörsituationen nach einer Fest-nahme oder Vorladung versuchen die Ermittlungs-behörden über vielfältige Anquatschversuche anInformationen zu kommen. JedeR kennt sie wohl,die ›Deeskalationsbeamten‹, die mittlerweile beijeder größeren Demo aufkreuzen und nett ihre Flu-gis verteilen. Und während den einen in Arbeits-teilung das Prügeln und Dreschen überlassen wird,labern die anderen dich voll: Demo und so sei jaein gutes Recht, der Zweck legitim, aber bitte ohneGewalt usw. usf. ... und dann, so nebenbei: »Vonwelcher Schule seid ihr denn?«, »Wie viele seid ihrdenn?«, »Wohin geht’s denn?«. Leider fallenimmer noch zu viele auf diese Masche rein, abermach dir nichts vor: Es handelt sich hier umpsychologisch besonders geschulte PolizistInnen,die die erhaltenen Informationen sammeln undauswerten. Und nur darum geht es: Informationen!Informationen! Und die sollten sie von dir nichtbekommen. Nichts spricht dagegen, sich ein Flug-blatt zu sichern bevor ein Argloser darauf reinfällt,aber rede nicht mit ihnen!

Denn auch wenn kein Ermittlungsverfahrenläuft, du nicht gerade festgenommen wurdest usw.ist es ratsam, sich einen bewussten Umgang mitder Polizei anzugewöhnen, wobei das Prinzip der»Aussageverweigerung« eine gute Richtschnur ist,denn alles was bei Polizei und Staatsanwaltschaftgesagt wird, kann gesammelt und als Beweismittel

... Polizei und Staatsanwalt-schaft

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»Trotz entscheidender Fortschritte der Krimi-naltechnik zur Optimierung des Sachbeweiseshat der Personalbeweis nicht an Bedeutungverloren. Insbesondere zur Erforschung dessubjektiven Tatbestandes hat er nach wie vorgroße Bedeutung. Dazu sind Aussagen desBeschuldigten direkt oder aber auch Aus-sagen, die er gegenüber Zeugen gemacht hat,eine wichtige Erkenntnisquelle.«(aus Brockmann/Chedor, Vernehmung – Hilfe für den Praktiker, Hilden 1999)

• Ein blick in die Fachliteratur ...

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in einen zukünftigen Prozess eingeführt werden.Niemand ist gezwungen, Polizei und Staatsanwalt-schaft bei ihrer ›Arbeit‹ auch noch zu unterstützen!

Auch untereinander empfiehlt es sich, in Anwe-senheit der Polizei keine Plaudereien zu führen –nicht darüber, wo man solche Kontrollsituationenschon mal erlebt hat, ob die anwesenden Polizei-kräfte freundlicher/unfreundlicher, schlauer/düm-mer usw. usf. als anderswo sind – denn all das wer-den diensteifrige BeamtInnen bei Bedarf vermer-ken und evtl. gegen euch verwenden. Auch Anspie-lungen von Seiten der Polizei auf die gleicheregionale Herkunft oder auf ›gemeinsame‹ Über-zeugung und ›Betroffenheit‹ (»... wir sind dochauch gegen Nazis.«) und damit einhergehende›Verbrüderungsangebote‹ bzw. Drohungen sindbesser zu ignorieren.

Bei »alltäglichen« Kontrollsituationen fällt es inder Regel noch schwerer als z.B. in Festnahme-oder Verhörsituationen, sich nicht auf Kommuni-kationsversuche seitens der Einsatzkräfte einzu-lassen. Gerade hier ist es äußerst wirkungsvoll, sichbetont distanziert und formal höflich zu geben,sich z.B. nicht duzen zu lassen, Wert auf das for-melle »Sie« zu legen und ein »lockeres Gespräch«mit den Repressionsorganen abzulehnen.

Während einer Freiheitsentziehung

Bei einer Festnahme während einer Demonstration,auf der Fahrt zum Gefangenensammelplatz oderdem Polizeirevier sprich ggf. mit den anderen Fest-genommenen über eure Rechte, aber mit keinemWort über das, was ihr oder du gemacht habt/hast.Das wäre nun wirklich nicht das erste Mal, dass daein Spitzel unter euch ist, auch wenn du ein gutesGefühl zu allen hast. Achte auf andere und zeigedich verantwortlich, wenn jemand mit der Situationnoch schlechter klarkommt als du, das beruhigtauch dich. Redet darüber, dass es Sinn macht, ab

sofort konsequent die Schnauze zu halten. Tauschemit deinen Mitgefangenen Namen und Adressenaus, damit der/die zuerst Freigelassene den EAinformieren kann.

Dass die PolizistInnen dabei IMMER auf deranderen Seite stehen, wird manchmal schnellübersehen. Es ist unmöglich, sich einem Verhör-versuch nach einer Festnahme zu entziehen – dasVerhalten in der Situation ist entscheidend. DasWissen um eigene Rechte (auch auf der Wache bistdu gegenüber der Polizei nur verpflichtet, Angabenzu deiner Person zu machen, siehe oben) wirdüberlagert und beeinflusst vom Verhalten der Poli-zistInnen.

Nach einer Verhaftung kann es sein, dass diePolizistInnen dich gleich in der Wanne in dieMangel nehmen – vielleicht mit der Zusicherung,dass sei ja noch kein Verhör (... sie nennen dasdann später Informelle informatorische Befragung– VORSICHT!).

Auch sonst keine ›harmlosen‹ Plaudereien›außerhalb‹ des Verhörs, z.B. beim Warten aufdem Flur o.ä., keine politischen Diskussionen mitden PolizeibeamtInnen, denn:

Jedes Wort nach deiner Ingewahrsamnahme/Festnahme ist eine Aussage!

Bitte sagen Siejetzt nichts!

Rote Hilfe e.V.08

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Hausdurchsuchung

Während einer Hausdurchsuchung werden diePolizistInnen vielleicht fragen »Wer wohnt hierdenn noch?« und in dieser beschissenen Situation,im Gefühl des Ausgeliefertseins, der Angst, ent-steht das Bedürfnis nach einem Gespräch – genaudarauf warten die darauf ausgebildeten Ermitte-rInnen. Auch werden Betroffene – vor ›Zeugen‹und in Situationen, in denen es ihnen sehr übelergehen kann – massiv unter Druck gesetzt um siezu Eingeständnissen bringen. Dies sind Situatio-nen, die die PolizistInnen bestimmen, in denen esaber besonders darauf ankommt, einen klaren Kopfzu bewahren und um seine formalen Rechte wiss-sen. Entscheidend ist:• Ruhig bleiben, auf Provokationen und Beleidigungen nicht reagieren, • jeden Kontakt auf eine ausschließlich formaleEbene ziehen: Sich nicht duzen lassen, • den Durchsuchungsbeschluss verlangen und lesen,• nach Telefonaten mit Anwalt oder Anwältinverlangen, • auf der Hinzuziehung von Zeugen bestehen(am besten des eigenen Vertrauens – auch wenndies verweigert wird) – hierbei sind Polizeibeamteoder Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft nicht alsZeugen zugelassen! • in einer WG: Die einzelnen Zimmer nament-lich kenntlich machen (damit nicht alle Zimmerdurchsucht werden dürfen).

Das Wissen um formale Rechte kann dir Selbst-sicherheit verschaffen und einen ersten Schutzbieten!

Nach einer Festnahme

Sollte es dir nicht gelungen sein, Freundinnen undFreunde von deiner Festnahme zu informieren, so

hast du das Recht, auf der Wache ein erfolgreichesTelefongespräch zu führen! • Informiere Menschen deines Vertrauens oderden Ermittlungsausschuss (EA) von deiner Fest-nahme, damit du Kontakt zu zuverlässigen Anwäl-tInnen bekommst.

Ist ein Kontakt aus bestimmten Gründenunmöglich oder willst du ausschließen, evtl.irgendwelche Leute als deine Kontaktpersonen indas Visier der Ermittler zu ziehen, so besteht ineinigen Regionen und Großstädten die Möglichkeit,eine Anwältin/einen Anwalt über den ›Rechtsan-waltlichen Notdienst‹ zu bekommen. Diese Vertei-digerInnen können dir erst einmal helfen, bis duKontakt zu Freunden und/oder AnwältInnen deinesVertrauens bekommen hast; sie können diesenKontakt auch herstellen.

Nach einer Festnahme hast du das Recht, dieGründe zu erfahren – die Behörden sind verpflich-tet, dir den Tatvorwurf bekanntzugeben. • Gebe Widerspruch gegen die Festnahme zuProtokoll, aber unterschreibe nichts!

Ermittlungen gegen Beschuldigte/Angeklagte

Beschuldigte (so heißt das im Ermittlungsverfah-ren) oder Angeklagte (im Strafprozess) haben dasRecht, die Aussage zu verweigern, und zwar injeder Phase des Verfahrens. Das solltest du zuBeginn der Verfolgung auch auf jeden Fall tun,nach Festnahme, Hausdurchsuchung, beim Verhörniemals ein Wort »zur Sache«! Wirst du von derPolizei vorgeladen, bist du nicht verpflichtet zuerscheinen, zur Staatsanwaltschaft und zumErmittlungsrichter (und natürlich ggf. zu deinemeigenen Prozesstermin) musst du erscheinen, abernichts sagen. Ob du in einem Prozess eine Erklä-rung, »politisch« oder »zur Sache«, abgeben willst,kannst du später immer noch in Ruhe mit Genoss-

... Polizei und Staatsanwalt-schaft

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sInnen, Ermittlungsausschuss (EA), Roter Hilfeund Rechtsanwältinnen/Rechtsanwälten bespre-chen (siehe Seite 15ff, »... vor Gericht«).

Alle möglichen Verteidigungsstrategien, wirk-lich alles ist auch nach umfassenden Gesprächenund nach Akteneinsicht durch deine Verteidige-rInnen noch möglich! Das verfrühte Ausplaudernvon Alibis oder entlastenden Tatsachen kann dirselbst und anderen ein Bein stellen – und denGenossinnen und Genossen die dich unterstützensowie der Verteidigung kostbare Zeit nehmen.

Im Fall einer drohenden DNA-Analyse

Zunehmend wird versucht, Festgenommenen DNA-Proben zu entnehmen. Wie immer gilt: Keine Auss-sagen, keine Unterschriften! Besonders keine Ein-willigung zur freiwilligen Speichelprobe unter-schreiben!• Wie gegen jede erkennungsdienstlicheBehandlung, legt explizit auch gegen eine Spei-chelprobe Widerspruch ein und lasst diesenschriftlich festhalten, unterschreibe aber nichts!• Anwesende AnwältInnen können solche recht-lich fragwürdigen Maßnahmen manchmal verhin-dern. Informiere eine Anwältin/einen Anwalt dei-nes Vertrauens oder den EA über eure Festnahmeund die geplante DNA-Analyse. • Lass dich von eventuellen Drohungen der Poli-zeibeamtInnen nicht einschüchtern, sondernbehalte einen klaren Kopf. Bedenke die Konse-quenzen einer Speicherung in der DNA-Datei.• Und das war’s dann aber auch maximal! Kei-nen Ton mehr! Nichts über Eltern, Schule, Firma,Wetter ...; einfach: Gar nix!

Wenn die PolizeibeamtInnen mit einer zwangs-weisen Blutentnahme drohen: Dies stellt einenEingriff in die gesetzlich geschützte körperlicheUnversehrtheit dar und muss deshalb von einem/r

RichterIn oder StaatsanwältIn angeordnet werden(bei »Gefahr im Verzug« auch Anordnung von DNA-Analysen durch die Polizei.1 Dieses Vorgehen istumstritten – insbesondere nach der höchstrichter-lichen Feststellung, dass die bei der Polizei aus-ufernde Anwendung der »Gefahr im Verzug«-Ein-griffbefugnisse rechtswidrig ist). Die Blutentnahmemuss von einem Arzt/einer Ärztin durchgeführtwerden.

Im Verhör

Ein Verhör ist eine kommunikative Situation, in derdie Verhaltensweisen des zu Vernehmenden beob-achtet werden und die jeweilige Vernehmungs-technik bestimmen. Es ist kaum möglich, sich die-ser Situation zu entziehen und selbst wenn dunichts sagst, keinen Kaffee und keine Zigarettenannimmst, so lieferst du damit doch ein Bild vondir, auf das sich die PolizistInnen in aller Regelschnell einstellen.

Da, wo die Betroffenen die Aussage total ver-weigern, ist es für die PolizistInnen entscheidend,die Beschuldigten zum Reden zu bringen – egal,über was. Ist erst einmal der Anfang gemacht undaus der Sicht der PolizistInnen der Durchbruchgeschafft, ist schnell nichts mehr zu retten. DieseEinschätzung wird so auch in Bezug auf politischeVerfahren in der entsprechenden Fachliteratur derPolizei vertreten.

Die Schwierigkeit liegt darin, dass du einerseitsnicht einfach nur dasitzen und den Mund haltenkannst. Du willst den Grund der Festnahme erfah-ren, willst Angehörige, Rechtsbeistand oderBekannte anrufen, brauchst vielleicht einen medi-zinische Versorgung ... und andererseits sind dasgenau die Punkte, an denen die PolizistInnen

Bitte sagen Siejetzt nichts!

Rote Hilfe e.V.10

1 • Beachte: Hier gelten auf polizeirechtlicher Ebene unter-

schiedliche Bestimmungen in den einzelnen Bundesländern!

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ansetzen und eine kommunikative Situation nachihren Vorstellungen beeinflussen und aufbauenkönnen. Die ErmittlerInnen kommen dir nur entge-gen, wenn sie dies als günstig erachten – deineRechte kümmern sie nämlich einen Scheiß.

Wie die BeamtInnen mit dir umgehen ist immerauch eine Frage des Tatvorwurfs und des Interessesder Repressionsorgane an deinem Fall. UnterUmständen kannst du die PolizistInnen solangenerven, bis sie ein Telefonat mit deiner Anwältin/deinem Anwalt erlauben. Bei Festnahmen oder inSituationen, bei denen du misshandelt wurdest,wirst du dagegen alles vermeiden, was als Provo-kation ausgelegt werden könnte. Bei geringen Vor-würfen wird oft nur kurz gefragt, ob der Tatbestandeingeräumt wird. Bei gravierenden Anlässen ist dieLage um einiges schärfer und bedrohlicher. Dannhilft nur eins: Gib ihnen zu erkennen, dass sie mitihren Methoden nicht durchkommen werden.

›Entlastende‹ und ›harmlose‹ Aussagen

Im Verhör können Fragen gestellt werden, beidenen das Gefühl entsteht, wenn du das jetzt nichtbeantwortest, bekommt jemand anderes Schwie-rigkeiten. Dadurch wird ein enormer Druck aufge-baut und eine Hoffnung erzeugt, mit einer Aussa-ge zu entlasten. Aber scheinbar entlastende Aus-sagen während der Ermittlungen führen nur dazu,dass die Ermittlungsbehörden sich bessere Kon-strukte ausdenken können oder dass die Ermitt-lungen auf die übrigen Verdächtigten beschränktwerden können. Alibis bieten den Ermittlungsbe-hörden eine Art ›Negativ-Auslese‹. Wenn klar ist,wer nicht bei einer Aktion dabei gewesen seinkann, schränkt sich für Staatsschutz und Polizeidie Zahl der Tatverdächtigen ein. So wächst dieGefahr, dass Zusammenhänge klar und andereerwischt werden.

... Polizei und Staatsanwalt-schaft

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Auch passiert es immer wieder, dass Leute aufFragen Antworten geben, wo jedeR denkt, »dieInformationen haben die eh’ schon« und damitscheinbar Bekanntes bestätigen. Das Problemdabei ist, dass überhaupt nicht klar ist, wo dieStaatsanwaltschaft Informationen her hat, und obdiese überhaupt offiziell verwertbar sind. Es kannauch sein, dass sich die Staatsorgane einfach waszusammenreimen. Und oft genug stochert dieStaatsanwaltschaft im Trüben und braucht dieBestätigung von uns.

Selbst wenn es so aussieht, als hätten die Fra-gen gar nichts mit dem Thema zu tun – es gibtkeine banalen Fragen in Verhörsituationen! AlleFragen haben für die ErmittlerInnen einen Sinn,ansonsten würden sie nicht gestellt.

Eine Möglichkeit, der psychischen Drucksitua-tionen bei Verhören zu entkommen ist, sich diewesentlichen Ziele und Aspekte von Vernehmungenzu vergegenwärtigen: • dass die Justiz belastendes Material sammelt, • dass jede Frage die sie dir stellen nur mit demZiel gestellt wird, die erlangten Informationengegen dich und andere verwenden zu können, • dass sie keine harmlosen Fragen stellen, son-dern nur versuchen, in ein Gespräch einzusteigen.

Und generell gilt:

• Lass dich im Verhör nicht einwickeln.• Lass dich weder von Brutalos einschüchternnoch von verständnisvollen Onkel-Typen weich-labern.• Glaube nicht, die BeamtInnen austricksen zukönnen.

Um sich was Schlaues zu überlegen ist jedeSituation günstiger als die, wenn du auf der Wachesitzt. Auch wenn dir die PolizistInnen erzählen,dass es besser für dich wäre, jetzt sofort Aussagenzu machen: Das ist gelogen! Alles – wirklich alles(an Verteidigungsstrategie) – ist auch nach Abspra-che mit GenossInnen und AnwältIn noch möglich.

In Haft

Bei Leuten im Gefängnis ist die Verhörsituation inder Regel noch einmal mehr zugespitzt: DasGefühl des Ausgeliefertseins, das Gefühl, dass siealles mit dir machen können was sie wollen, ver-schärft sich. Meist wirst du unerwartet aus derZelle geholt und dem vernehmenden PolizistInnenoder der Staatsanwaltschaft vorgeführt.

Die bekanntesten und immer noch häufig ange-wandten Methoden seien hier kurz noch einmalerwähnt:

Die PolizistInnen machen dich glauben, siewüssten sowieso schon alles, erzählen dir, einGenosse hätte ausgesagt oder sie hätten den Stein-wurf gefilmt. Das sind billige Tricks! Und selbstwenn sie gefälschte Geständnisse deiner Genos-sinnen und Genossen oder von Mitgefangenen vor-legen – fall nicht drauf herein ... und verweigerealle Aussagen!

Bei Jüngeren wird oft noch die Methode ›GuterBulle-Böser Bulle‹ (einer droht, der andere schütztdich vor seinem Kollegen: »Der dreht leicht durch,sag’ mir lieber, was wir wissen wollen, sonst lassich dich mit ihm alleine ...«). Mach dir in dieserSituation klar, dass dies eine erprobte und häufigangewandte Verhörmethode ist – du wirst keinePolizistInnen treffen, die Interesse daran hätten,dir zu helfen!

Dabei dürfen wir nicht vergessen: Die Liste ver-botener Verhörmethoden ist lang! Essens- und/oder Schlafentzug, Blenden mit Schreibtischlam-pen, Bedrohen und Täuschen, körperliche Über-griffe etc. kommen nicht nur im Kino vor!

Vorladungen

Oft Wochen oder Monate nachdem du dich aneiner Aktion oder Demo beteiligt hast, manchmalaber auch völlig ohne offensichtlichen Zusammen-

Bitte sagen Siejetzt nichts!

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hang, kann es vorkommen, dass Post von den Poli-zistInnen oder der Staatsanwaltschaft im Briefkas-ten liegt. Hierbei kann es sich um ganz unter-schiedliche Schriftstücke handeln, die auch eineunterschiedliche Reaktion erfordern:• Es kann ein polizeilicher Anhörungsbogen sein(muss nicht ausgefüllt werden), • eine Vorladung als ZeugIn oder als Beschul-digteR (sorgfältig lesen), • ein Strafbefehl (Beachte: FormaljuristischeFristen laufen ab Datum der postalischen Zustel-lung – auch wenn du im Urlaub bist! RechtzeitigEinspruch einlegen!) • oder aber auch nur ein Bußgeldbescheid (Fristbeachten und Widerspruch einlegen!).• Manchmal rufen die Ermittlungsbehörden aberauch zu Hause an.

Egal welches Schreiben dir zugeht, es ist wich-tig, nicht in Panik zu verfallen und sich nicht ein-schüchtern zu lassen. Zunächst sollte frühzeitig(!)das Gespräch mit der Roten Hilfe e.V. oder einerAnti-Repressionsgruppe gesucht und das weitereVorgehen besprochen werden. Vielleicht bist du janicht die/der einzige Betroffene. Dabei sollte über-legt werden, ob es bereits jetzt sinnvoll wäre,Öffentlichkeit herzustellen und Solidarität einzu-werben. Grundsätzlich gilt, dass du zu Vorladungender Polizei nie erscheinen musst.

Bei Vorladungen durch die Staatsanwaltschaftsollte unterschieden werden, ob du als Beschul-digteR oder ZeugIn vorgeladen bist. Einer Vor-ladung zur Staatsanwaltschaft solltest du Folgeleisten, da du sonst unter Umständen zwangsweisevorgeführt werden kannst. Gehe aber nie alleineund ohne Absprache mit deiner Anti-Repressions-gruppe, dem örtlichen Ermittlungsausschuss (EA)oder der Roten Hilfe zu einer Vorladung. Bereitedich vor! Besprich dich mit AnwältInnen!

Aber auch bei Vorladungen gilt: Keine Aus-

sagen vor der Staatsanwaltschaft (siehe 4)!

Vorbereitet sein!

Wichtig ist, dass du die Rahmenbedingen, mitdenen die ErmittlerInnen dadurch, dass sie dichfesthalten, Druck ausüben können, so weit wiemöglich selbst reduzierst. Dafür solltest du im Vor-aus all die in dieser Situation beunruhigendenBereiche soweit wie möglich regeln: • Kläre vor einem Termin ab, wer sich um eureKinder kümmert. Du wirst ruhiger sein, wenn duweißt dass deine Kinder bei Leuten sind, beidenen sie sich wohl fühlen, • Check’ ab, wer sich um deine FreundInnenoder (wenn dir deine Familie wichtig ist) umdeine Verwandtschaft kümmert, • Organisiere jemanden, die/der sich umFristen bei Schriftkram, um Wohnung, Arbeit,Arbeitsagentur, Ämter usw. kümmert,• Überlege, wer wichtige Sachen erledigt, wenndu verhindert sein könntest.

... Polizei und Staatsanwalt-schaft

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Hier wollen wir kurz auf die Ermittlungsakteeingehen; bei vielen Verfahren mag der Anlassund der Vorwurf ja auf der Hand liegen, abergenerell kann bis zur Einsicht in die Ermitt-lungsakte (über Anwältin /Anwalt) NIEMAND

wissen, in welchem Zusammenhang genauermittelt wird. Erst nach Einsicht in diese(manchmal – natürlich aus Versehen – unvoll-ständig(!) oder nachlässig geführte) Aktekannst du und deine Anwältin/dein Anwaltermessen, was wann Bedeutung erlangenkann.

• Ermittlungsakte

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Rote Hilfe e.V.14

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... Vor Gericht

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••• Vor Gericht gibt es unterschiedliche Mög-lichkeiten der Betroffenheit:• als BeschuldigteR/AngeklagteR• als ZeugIn der Anklage• (als ZeugIn der Verteidigung)

Je nach der Rolle im Prozess bestehen unter-schiedliche Rechte und Einschränkungen.

Um eine sinnvolle Anti-Repressionsarbeit vorGericht zu machen, sehen wir zwei mögliche Her-angehensweisen: 1. Die konsequente Weigerung, vor Gericht Ein-lassungen zu machen bzw. überhaupt vor Gerichtzu agieren, 2. Ein zielgerichteter, politisch geführter Prozess.

Aussageverweigerung alsBeschuldigteR vor dem Haftrichter

Bei bestimmten Vorwürfen besteht nach einerFestnahme die Gefahr der Untersuchungshaft, diedurch einen Haftrichter verhängt werden muss.Spätestens achtundvierzig Stunden nach einerInhaftierung muss eine so genannte Haftprüfungstattfinden: Hier entscheidet ein/e RichterIn, ob duin Untersuchungshaft kommst oder freigelassenwirst.

Hier ist zu beachten: Selbst wenn eine Aussagevor dem Haftrichter die U-Haft abwenden könnte –es ist zu diesem Zeitpunkt nicht klar, ob die bis-herigen Ermittlungen überhaupt genug verwertbareErkenntnisse für einen späteren Prozess hergeben.Wenn alle Betroffenen schweigen, kommt es even-tuell gar nicht zu einem Prozess.

Ein Haftbefehl kann »außer Vollzug« gesetztwerden. Das heißt jedoch nicht, dass damit die Tat-vorwürfe aus der Welt geschafft wären, sondern derHaftbefehl wird gegen Auflagen – regelmäßigeMeldung bei der Polizei, kein Kontakt zu anderenMitbeschuldigten (§ 116 Strafprozessordnung) oderKaution – zunächst nicht ausgeführt.

HaftrichterInnen erlassen den Haftbefehlwegen »dringenden Tatverdachts« (dringender Tat-verdacht besteht dann, wenn nach dem gegenwär-tigen Stand der Ermittlungen die Wahrscheinlich-keit groß ist, dass der/die Beschuldigte schuldigeRTäterIn oder TeilnehmerIn ist). Zu den Tatvorwür-fen, die auf den Ermittlungen der Repressions-organe beruhen und die zum Haftbefehl führenkönnen, kommen noch so genannte ›Haftgründe‹dazu.

»Haftgründe« gibt es vier: »Fluchtgefahr«, »Ver-dunkelungsgefahr« (damit sind Versuche gemeint,Beweise verschwinden zu lassen oder Zeugen unterDruck zu setzen), »Wiederholungsgefahr« oder be-sonders schwere Tatvorwürfe (bei Vorwürfen wie»Mord«, »Totschlag« oder 2Unterstützung einerterroristischen Vereinigung« wird oft grundsätzlichHaftbefehl erlassen).

Für eine angenommene Fluchtgefahr spricht»ohne festes soziales Umfeld«, ohne Kinder, keineeingetragene Partnerschaft /Ehe etc. Sagst duetwas zu den Punkten Verdunkelungs- oderWiederholungsgefahr, dann hast du ruck-zuck eineDiskussion über die Tatvorwürfe am Hals. Sagst duetwas zum Thema Fluchtgefahr, zu deinen Part-nern, Bindungen oder deiner Wohngemeinschaft,liegt die Gefahr auf der Hand: Du nennst Namenund gibst Hinweise. Sollten diese »Haftgründe«nicht in dem für eine Inhaftierung notwendigenMaß zutreffen, wird als Argument gerne angeblichfehlendes soziales Umfeld bzw. fehlende polizeili-che Meldeadresse (»Ohne festen Wohnsitz« – OfW)genommen.

Aber aufpassen, es kann so ablaufen, dass derHaftrichter sagt, »erzählen Sie mir etwas oder Siebleiben hier«. Es besteht immer die Gefahr, dassman dir die Freilassung gegen Aussage anbietet –was zwar rechtswidrig ist, aber erst Mal verlockenderscheint. Verlange hier am besten eineN Rechts-anwalt /Rechtsanwältin deines Vertrauens! Wie

... Vor Gericht 15

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schon ausgeführt haben sie durch diese Aussagenmöglicherweise erst genug ermittelt um dich zuverurteilen, so dass du dann im Nachhinein – fürlange Zeit – in den Knast musst. Nach einer Verur-teilung auf Grund deiner Aussage merkst du dann,dass es der größte Fehler war, ein Paar Tage U-Haftgegen eine eventuell lange Freiheitsstrafe einge-tauscht zu haben. Denk’ mal drüber nach ...

Es ist immer sinnvoller, nach umfassenderInformation über den eigentlichen Sachverhaltüber Anwälte deines Vertrauens gegen einenerlassenen Haftbefehl Beschwerde einzulegen, alssich in dieser fremdbestimmten, beängstigendenSituation um Kopf und Kragen zu reden.

Glasklar ist: Eine Aussage zur Sache wendetkeine U-Haft ab! Deshalb gilt auch hier: KeineAussagen machen.

Situation als BeschuldigteR/AngeklagteR vor Gericht

Es besteht die Möglichkeit mit einem Rechtsbei-stand vor Gericht zu erscheinen. Der/die Beschul-digte hat das Recht die Aussage zu verweigern.Aussageverweigerung darf vom Gericht nicht gegeneineN BeschuldigteN ausgelegt werden.

Ein besonderes Problem stellt das oft von derJustiz geforderte Formulieren einer Reueerklärungdar. Diese gefährdet beim ersten Hinsehen keinenanderen Menschen und mag als nebensächlichesBlabla erscheinen. Eine Reueerklärung bedeutetaber konkret das öffentliche Ausdrücken desBedauerns über das eigene Handeln, also die offi-zielle, öffentlichkeitswirksame Distanzierung vonlinkem, eigenem, z.B. antifaschistischem Han-deln. Anders ausgedrückt: Es handelt sich umeinen Schritt der Entsolidarisierung mit linkenStrukturen und Zusammenhängen und einenöffentlich formulierten Bruch mit der eigenenGeschichte. Bei Unterstützungsanträgen in Fällen,

wo vor Gericht Reueerklärungen abgegeben wur-den, lehnt die Rote Hilfe die Unterstützung ausgenau diesen Gründen in der Regel ab.

Die Rolle von Aussagen in laufenden Verfahren

Anders als gegenüber Polizei und Staatsanwalt-schaft ist die Strategie der konsequenten Aussage-verweigerung vor Gericht differenzierter zubetrachten. Am Anfang sollte immer die Frage ste-hen, ob Aussagen wirklich notwendig sind, welchespolitische und persönliche Ziel hinter einer Aussa-ge vor Gericht steht und zu welchem Ergebnis einsolches Verhalten führen soll.

Auch alle Stellungnahmen vor Gericht solltenauf dem Grundsatz beruhen: Keine Zusammenar-beit mit der Justiz.

Aussageverweigerung und die Anforderungen an RechtsanwältInnen

Bei der Wahl des Anwalts /der Anwältin mussunbedingt darauf geachtet werden, dass dieseRnicht nur juristisch fit ist, sondern den/die Ange-klagte und sein Umfeld auch in politischen Ent-scheidungen wenn nicht unterstützt, dann wenigs-tens respektiert. RechtsanwältInnen sollten die

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Rote Hilfe e.V.16

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Entscheidung zur Aussageverweigerung akzeptie-ren, auch wenn sie in ihren Augen juristisch vonNachteil sein mag! Außerdem muss klar sein, dassAussagen von VerteidigerInnen im Prozess, dienicht in der festgelegten Prozessstrategie einge-bettet sind, ebenso gefährlich sein können wieAussagen des/der Beschuldigten. Sie sollten daherunbedingt vermieden werden. Das Vorgehen unddie Ziele müssen schon im Vorfeld mit der Vertei-digung abgeklärt und besprochen werden.

Die gesetzliche Regelung, dass bei einem Ver-fahren mit mehreren Angeklagten keine gemeinsa-me Vertretung durch eine Anwältin/einen Anwaltmöglich ist, zwingt zu teuren und kompliziertenEinzelvertretungen durch mehrere AnwältInnen. Insolchen Fällen ist eine genaue Absprache unterallen Beteiligten und ihren VerteidigerInnen sehrwichtig – sollten die einen die Aussage verweigern,die anderen aber munter drauflos plaudern, gehtdies mit Sicherheit für alle Beteiligten schief!

EntlastungszeugInnen

»EntlastungszeugInnen« zu benennen ist grund-sätzlich abzulehnen und meist gefährlich! Erstenshilft das ohnehin nichts, und zweitens werden nurandere mit in die Ermittlungen hineingezogen. Eshaben schon ZeugInnen, die von unverteidigten,unvorsichtigen Angeklagten benannt wurden,genau dasselbe Verfahren bekommen und außer-dem noch eins wegen »Meineides« in dem Verfah-ren, in dem sie ZeugInnen waren (siehe 4).

Politisch geführte Prozesse

Unklare Zuständigkeiten, Konkurrenzdenken unterDiensten, Behörden und/oder Funktionsträgern,Profilierungsversuche usw. können zu unterschied-lichen Reaktionen des Machtapparates führen:Staatliche Repression ist zwar eine feste Größe, in

ihrem Auftreten aber nicht berechenbar. Die Artund Weise sowie der Grad ihrer Schärfe hängen vonvielerlei Umständen ab; sie ist nicht wirklich vor-hersehbar, etwa in dem Sinne von »für dieses undjenes gibt es das und das«. Je nach RichterIn,StaatsanwältIn, politischer Großwetterlage, Ort(Bundesland) des Verfahrens, Prozessstrategie unddeinem persönlichem Verhalten vor Gericht kanndas Strafmaß für gleiche Vorwürfe völlig unter-schiedlich ausfallen.

Es will gut überlegt sein, ob und wie einRechtsstreit geführt werden soll. Weil in gewisserWeise jedem Gerichtsverfahren ein ›politischerKern‹ innewohnt – sei es im sozialen Sinn alsRepression gegen Arme, Widerständige und Unan-gepasste oder weil es im Zusammenhang steht mitPolizeiaktionen gegen politische Strukturen oderWiderstandszusammenhänge – sprechen wir imFolgenden nicht von »politischen Prozessen«, son-dern von »politisch geführten Prozessen«. Damitwird deutlich, dass bewusst entschieden wurde,den Prozess zu führen.

Zentrales Ziel des Prozesses ist das Öffentlich-machen bzw. das Durchsetzen bestimmter politi-scher Positionen und Forderungen (z.B. »Wir lassenuns keine Parole verbieten! Wir nennen Kriegstrei-ber auch so«). Im Vordergrund steht hier nichtunbedingt ein möglichst geringes Strafmaß odergar ein Freispruch. In einem politisch geführtenProzess entschließen sich die Angeklagten gezieltin Absprache mit ihrem politischen Umfeld mittelsGerichtsverfahren eine Öffentlichkeit anzuspre-chen, zu informieren, etwas zu erkämpfen, zu ver-ändern bzw. zu erhalten.

Es lohnt oft, für bestimmte kriminalisierteParolen und Meinungsäußerungen oder gegenBeschneidungen der Demonstrationsfreiheit vorGericht zu kämpfen, auch wenn es dabei häufig›nur‹ um geringe Geldstrafen geht. Die Höhe des zuerwartenden Strafmaßes – egal ob Geldstrafe oder

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Knast – sollte bei der Beantwortung der Frage, obund wie ein Prozess politisch geführt wird, nicht imMittelpunkt stehen.

Es darf keine Unterschiede im gemeinsamenUmgang mit Aussageverweigerung und dem Auf-treten vor Gericht, auch nicht festgemacht an der›Wichtigkeit‹ oder ›Schwere‹ des Repressions-Fall-les, geben. Bei einem einfachen Verstoß gegen dasVersammlungsrecht muss ebenso gemeinsam dis-kutiert, überlegt und bewusst entschieden undgehandelt werden wie bei mehrfach angedrohterBeugehaft wegen kollektiver Aussageverweigerungvon Zeuginnen und Zeugen, einem Ermittlungsver-fahren wegen §129a StGB (›Bildung‹, ›Unterstüt-zung‹ oder ›Werbung‹ für eine ›terroristische‹ Ver-einigung) oder bei skandalösen Massenverhaftun-gen.

In jedem Fall ist absolut wichtig, dass dieBetroffenen nicht alleine dastehen und dass ihnennicht isoliert von den politischen Zusammenhän-gen stellvertretend für alle anderen der Prozessgemacht wird. Kollektive politische Prozessarbeitist sozusagen Pflicht! Es hat sich einfach gezeigt,dass es sehr viel weiterhilft, vorher mit FreundInn-nen zu reden, alle Ängste zu besprechen, Hoffnun-gen zu diskutieren, mitzukriegen, wie es den ein-zelnen geht und alles anzusprechen, was euch inden Kopf kommt, auch wenn es blöd erscheint. Essind solche Dinge, die uns in Verhörsituationen aufdie Füße fallen, wenn wir alleine oder nur mitAnwältin/Anwalt vor Staatsanwaltschaft und Rich-terIn sitzen.

In der Praxis zeigt sich, dass bei politischgeführten Prozessen mit der Frage, ob und welcheAussagen, Einlassungen und Erklärungen vorGericht gemacht werden, sehr differenziert umge-gangen werden muss. Alle Äußerungen, die vonSeiten der /des Angeklagten gemacht werden,besitzen eine politische Tragweite, sowohl in derProzessführung als auch nach außen. Dabei muss

immer bedacht werden, dass Aussagen hier auchbesonders viel Schaden anrichten können.

Unter politisch geführten Prozessen ver-

stehen wir (im Idealfall):

• kollektiv vorbereitete, durchgeführte und nach-bereitete Prozesse, und zwar durch Soli- und Pro-zessgruppen, EA oder Rote Hilfe, • die juristische Vertretung erfolgt durch Rechts-anwältInnen, die mit dem politischen Umfeld des/der Angeklagten konstruktiv zusammenarbeiten,• vor, während und nach dem Prozess wirdÖffentlichkeitsarbeit gemacht, • Voraussetzung dafür ist eine Grundüberein-stimmung zwischen Angeklagten, Rechtsbeistandund Unterstützungsgruppen.

Um eine passende und möglichst erfolgreicheProzesstaktik zu entwickeln, ist eine Vielzahl vonpolitischen und individuellen Aspekten zu klären: • Wer strebt den Prozess an – die eigenen politi-schen Zusammenhänge oder die Gegenseite? • Vor welchem politischen Hintergrund findet derProzess statt? (Antifa, Sozialabbau, Anti-Atom ...) • Welche persönliche, juristische und politischeZielsetzung gibt es – was soll /kann erreicht wer-den? (z.B. Schadensbegrenzung, Freispruch, Auf-decken von Konstrukten oder Vertuschungen vonRepressionsorganen und/oder Geheimdiensten,Widerstand, Zuspitzung oder Nutzen für die Linke) • Wie ist die politische und persönliche Situation,wie sehen die persönliche Bereitschaft und dieKapazitäten des/der Angeklagten aus? • Welche juristischen und politischen Möglich-keiten bieten sich nach eingehender Analyse undAbwägung der bekannten Fakten? • In welchem Maße soll Öffentlichkeitsarbeitgemacht werden? • Gibt es Presse- und Bündnisarbeit? • Welches Verhältnis hat die Prozessführung zumGrundsatz der Aussageverweigerung?

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Aussageverweigerung in Schnellverfahren/Hauptverhandlungshaft

Das Schnellverfahren (oder auch »BeschleunigteVerfahren« §§417ff. StPO) gibt es in dieser Formseit 1994. Es wurde hauptsächlich für so genann-te »reisende Gewalttäter«, also für DemonstrantIn-nen, eingeführt. Es wurde bisher beispielsweise beiAnti-Castor-Aktionen und Antifa-Aktionen ange-wandt. Das deutsche Rechtssystem wirbt für diesesVerfahren, da es angeblich schnell, einfach undbillig sei. Diese Verfahren werden bei einfachenTatvorwürfen praktiziert, wie z.B. bei Verstößengegen das Versammlungsverbot, Haus- und Land-friedensbruch und Sachbeschädigung. Auf »fri-scher Tat« erfasste StraftäterInnen sollen nachMöglichkeit sofort nach der Festnahme, häufig amnächsten Tag, vor Gericht gestellt und verurteiltwerden können. Nur so könnten die Strafen »erzie-herisch wirksam« und »abschreckend« sein. BeiSchnellverfahren werden die Verteidigungsrechteder Angeklagten massiv eingeschränkt, da u.a.

keine schriftliche Anklage vonnöten ist. Außerdemhaben die Angeklagten keine angemessene Vorbe-reitungszeit für ihre Prozessführung. Die Anklagewird vom Staatsanwalt erhoben, muss aber nichtschriftlich erfolgen. Auch ist die Beweiserhebungeingeschränkt, weil ZeugInnen nicht unmittelbaraussagen müssen, sondern die Angeklagten aufGrund von vorgelesenen Vernehmungsprotokollenverurteilt werden können. Dies gilt aber NUR dann,wenn der/die Angeklagte damit einverstanden ist.Deshalb: Der Verlesung widersprechen, damitmehr Zeit zur Verfügung steht und die Möglichkeitzur Beratung gegeben ist!

Seit 1997 gibt es dazu noch die Hauptverhand-lungshaft (§127b StPO), da viele Angeklagte nichtzum Prozesstermin erschienen sind, weil sie diesen›kurzen Prozess‹ nicht freiwillig mitmachen woll-ten. In der Hauptverhandlungshaft kann der/dieFestgenommene, welche/r für das Schnellverfahrenvorgesehen ist, ohne einen Haftgrund wie z.B.Flucht- und/oder Verdunklungsgefahr bis zu eineWoche in Haft genommen werden.

... Vor Gericht 19

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Voraussetzungen für das beschleunigte Verfah-ren sind: • ein nach Meinung von Staatsanwaltschaftund/oder Gericht einfacher Sachverhalt • angeblich klare Beweislage • ein, wie behauptet, nicht allzu schweres Delikt.

• Wie verhalte ich mich, wenn einSchnellverfahren auf mich zukommt?

Du solltest auf jeden Fall immer einen Anwalt/eineAnwältin deines Vertrauens verlangen! Es steht direin Telefonanruf zu. Diesen solltest du nutzen umjemanden draußen zu verständigen, eventuell eineAnwältin /einen Anwalt (auch über Anwaltsnot-dienst), eine Rechtshilfegruppe wie den EA oderdie Rote Hilfe oder FreundInnen, die sich umrechtliche Unterstützung kümmern können. Auchim Rahmen von Schnellverfahren kann es sehrgefährlich sein irgendwelche Aussagen zu machen.Eine konsequente und umfassende Aussageverwei-gerung ist auch hier allemal besser, selbst wennein gestellter Anwalt etwas anderes rät! Du

brauchst während des Schnellverfahrens nur Anga-ben zu deiner Person zu machen. Wenn es zur Ver-handlung kommt, solltest du auch nichts sagen(auch nicht zum Tatvorwurf oder zur Festnahmesi-tuation) und nichts unterschreiben. Du solltestkeine Anträge stellen und auch keine Einverständ-niserklärung abgeben, aber unbedingt Widerspruchgegen eine Verlesung von Zeugenaussagen etc.einlegen. Wirst du verurteilt, kannst du innerhalbeiner Woche Berufung dagegen einlegen. Danachist genügend Zeit, dich auf den Berufungsprozessvorzubereiten.

Umgang mit derJugendgerichtshilfe

Zunächst solltest du dir bereits bei der Vorberei-tung von Aktionen die Frage stellen, was du deinenEltern erzählst, falls die Sache anders verläuft, alsdu es dir vorgestellt hast. Denn unter 18 bzw. teil-weise bis zur Vollendung des 21. Lebensjahresweichen einige Punkte eines Strafprozesses beiJugendlichen (14 bis 17 Jahre) und Heranwach-

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senden (18 bis 21 Jahre) von dem Erwachsener ab. Für alle gilt zwar die Strafprozessordnung (StPO),bei Jugendstrafverfahren werden jedoch Teile derStPO durch das Jugendgerichtsgesetz (JGG)ersetzt.

Bei Strafverfahren von Jugendlichen, also von14- bis 17jährigen, werden die Eltern oder dererziehungsberechtigte Elternteil von dem Verfahreninformiert und auch zur Verhandlung geladen. Des-halb macht es Sinn, sich hiermit bei Zeiten aus-einanderzusetzen. In der Regel wird das Jugend-gerichtsgesetz JGG auch für Heranwachsende imAlter von 18 bis 21 Jahren angewandt, hier bestehtaber keine Anwesenheitspflicht der Eltern wäh-rend des Verfahrens und sie werden von den Jus-tizbehörden auch nicht über das Verfahren infor-miert.

Neben dir als angeklagter Person sind dannevtl. deine Erziehungsberechtigten, die Jugendge-richtshilfe, die Staatsanwaltschaft und der /dieRichterIn während des Prozesses anwesend. DieVerhandlungen sind bei Jugendlichen im Alter von14 bis 17 Jahren nicht öffentlich.

Die Jugendgerichtshilfe (JGH) ist verpflichten-der Teil des Verfahrens. Sie hat die Aufgabe derErmittlungshilfe, der Betreuung und der Überwa-chung. Sie klärt nicht die Tat auf, sondern sieerforscht deine Persönlichkeit, deine Lebensum-stände und Familienverhältnisse, deine Biografieund alle anderen Umstände, die für eine Beurtei-lung deiner ›seelischen und geistigen Eigenart‹von Bedeutung sein könnten. Das Ergebnis dieserErmittlungshilfe hat die JGH in einem Berichtzusammenzufassen; hier soll sich die JGH auch zuden zu ergreifenden Maßnahmen und ›Zuchtmit-teln‹ äußern. Bei den Betreuungsaufgaben geht esz.B. darum, bei der Suche nach einer Lehrstelle zuhelfen und bei Problemen im Elternhaus beratendzur Seite zu stehen. Vor allem bei der Überwachungvon gerichtlichen Auflagen hat die JGH die Aufga-

be, dem Gericht von dir begangene Verstöße zumelden. Die JGH ist ein ausgefeilter Teil des Kon-troll- und Überwachungssystems und hat die Auf-gabe, dich wieder in die Gesellschaft ›einzuglie-dern‹ und zu verhindern, dass du weiter an denAktivitäten festhältst, die dir den Ärger mit denStrafverfolgungsbehörden erst eingebracht haben.

Es ist nicht auszuschließen, und auch schonvorgekommen, dass die Ergebnisse der Ermittlun-gen der Jugendgerichtshilfe dem Verfassungss-schutz als Arbeitsgrundlage dienen. Die Mitarbei-terinnen und Mitarbeiter der JGH haben vorGericht kein Zeugnisverweigerungsrecht, dassheißt, falls sie gefragt werden, sind sie zur Aussa-ge über alles, was sie über dich zusammenge-schnüffelt haben, verpflichtet. Deshalb gilt: Auchbeim Umgang mit der Jugendgerichtshilfe: Machkeine Aussagen zur Sache. Die MitarbeiterInnender JGH haben sogar das Recht, sich in der Ver-handlung selbstständig zu äußern, auch wenn sienicht gefragt werden. Die ›Nachforschungen‹anstellenden MitarbeiterInnen sollen während derVerhandlung anwesend sein.

Alles, was du den ›netten Leuten‹ von der JGHvielleicht im Vertrauen erzählt hast, kann vorGericht für dich von Nachteil sein – vielleicht istdann plötzlich von ›Verwahrlosung‹ die Rede odervon einem ›geschlossenen politischen Weltbild‹ ...Das bedeutet, dass du gegenüber der JGH ambesten keinerlei Aussage zur Sache oder zu betroff-fenen Personen machst. Distanz zu den Vertrete-rinnen und Vertretern der JGH ist daher dringendgeboten – sie sind Teile des Repressionsapparatesund auch als solche zu behandeln.

Deshalb solltest du auf gar keinem Fall etwas zueinem vermeintlichen Tatgeschehen sagen. Wirlegen dir nahe, dich gerade als JugendlicheR voneiner Rechtshilfegruppe bzw. deiner Rote-Hilfe-Ortsgruppe beraten zu lassen, bevor du zur JGHgehst.

... Vor Gericht 21

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... Verhalten

als

Zeuge/Zeugin

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••• Zeuglnnenbefragungen finden in der Regelals Frage- und Antwort-Spiel statt, d.h. die Zeugln-nen bekommen keinen Fragenkatalog vorgelegt, wosie von vornherein einen Überblick über die ein-zelnen Fragen und deren mögliche Bedeutung ha-ben und eventuell in Ruhe entscheiden können,welche Frage sie beantworten. Die Vernehmendenbemühen sich um die Atmosphäre eines Gesprä-ches. Blockieren ZeugInnen an einzelnen Punktendieses Gespräches, müssen sie dies häufig begrün-den. Diese zermürbende Situation hat z.B. im Fal-le eines Hamburger Zeugen drei Stunden gedauert.Die wenigsten Zeuglnnen werden sich nach einersolchen Prozedur noch erinnern können, welcheInformationen sie dem Staatsschutz gegeben haben.

Als ZeugIn besteht – außer bei der Polizei –grundsätzlich die Pflicht zur Aussage. Die Konse-quenzen einer Aussageverweigerung als ZeugIn rei-chen von Ordnungsgeldern über Zwangsvorführungbis hin zur Beugehaft (zur Beugehaft siehe unten).

Es ist unbedingt notwendig, sich durch dieRote Hilfe, andere Rechtshilfegruppen und eineRechtsanwältin /einen Rechtsanwalt beraten zulassen! Darüber hinaus ist ein Öffentlichmachender Repression sinnvoll.

Polizei

Auch als ZeugIn solltest du in der ersten Phase desVerfahrens – unmittelbar nach der Aktion, nachFestnahme, Durchsuchung, im Verhör – die Aussa-ge verweigern (s.o.). Bei polizeilichen Vorladungenzur Zeugenvernehmung besteht nicht die Pflicht zuerscheinen – deshalb noch mal der dringende Rat:Nicht hingehen!

Staatsanwaltschaft / RichterIn

Vorladung der Staatsanwaltschaft, der Richterin/des Richters solltest du befolgen, sonst können sie

dich zwangsweise vorführen. Wir raten dringenddazu, mit einem Rechtsbeistand dort zu erschei-nen.

Die Aussagepflicht (gegenüber Gericht undStaatsanwaltschaft) kann mit Ordnungsgeld undBeugehaft durchgesetzt werden. Daher dürfengerade ZeugInnen der Anklage nicht alleine stehen.Solidarität und Unterstützung sind wichtige Bedin-gungen. Aber trotz allem: Auch als ZeugIn keinWort zur Staatsanwaltschaft! Lassen wir sie ruhigim Dunkeln tappen! Es gibt immer bessereMomente für entlastende Aussagen als währendeiner staatsanwaltlichen Vernehmung – so z.B. beieinem politisch geführten Prozess!

Grundsätzlich gilt: Informationen, wer mit wemin einer Gruppe ist, wer mit wem welche Art vonKontakt hat, wie bestimmte linke Zusammenhängeoder Strukturen aufgebaut sind etc. gehen denStaat nichts an! Solche Infos sollten niemals frei-willig (oder versehentlich) preisgegeben werden.Schweigen ist Gold!

Auch solltest du keine irrationale Angst vorStrafen bzw. Beugehaft haben. Von der Androhungeines Ordnungsgeldes durch die Staatsanwalt-schaft bis zur Verhängung von Beugehaft (dies istnur durch Richterin /Richter möglich) vergehenimmer ein paar Tage, in denen du dich mit Anwäl-tInnen, FreundInnen und GenossInnen beratenkannst und solltest.

Vor Gericht

Wirst du später als ZeugIn zum Gerichtsprozessgeladen, solltest du dich im Vorfeld genau mit dei-nen VerteidigerInnen beraten, welche Konsequen-zen eine Aussage oder eine Aussageverweigerunghaben könnte. Weil die Staatsschutzjustiz in poli-tischen Prozessen nicht nur die Überführung undVerurteilung Einzelner sondern immer auch dasAusforschen von Widerstandszusammenhängen,

... Verhaltenals Zeuge/Zeugin

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Spaltung durch das Fordern von Unterwerfungs-gesten usw. usf. zum Ziel hat, ist auch während desProzesses konsequente und umfassende Aussage-verweigerung oft das einzige richtige Verhalten alsZeugIn. In den Fällen, in denen sich Betroffenenicht an die zwischen ihnen gemeinsam getroffe-nen und gemeinsam beschlossenen Absprachenhalten und damit eine Entsolidarisierung unter denBeteiligten fördern, kann die Rote Hilfe eineUnterstützung ablehnen.

• Verhalten als ZeugIn der Verteidigung

Es gibt keine ungefährlichen Aussagen! Daher istes immer heikel, für die Verteidigung ZeugInnen inden Prozess einzuführen. Vor allem Alibi-Aussagenvon ZeugInnen der Verteidigung sind gefährlich.Sollte sich trotzdem für die Benennung von Zeu-ginnen für die Verteidigung entschieden werden,muss dies sehr gut überlegt werden. Aussagen vonZeugInnen der Verteidigung sollten ausschließlichgemacht werden, wenn dies wirklich notwendigund unumgänglich erscheint, also nur für zielge-richtete, unvermeidliche Aussagen. Und: ZeugIn-nen der Verteidigung sollten grundsätzlich NUR mitEinverständnis der Betroffenen benannt werden!

Bitte denkt daran: Auch Zeuginnen oder Zeugender Verteidigung können in Situationen geraten, indenen von ihnen die Preisgabe von Informationenverlangt wird, die sie nicht geben wollen. Auch dieStaatsanwaltschaft und eventuell auftretende geg-nerische AnwältInnen können Fragen stellen, diedann beantwortet werden müssten ...

• Das Auskunftsverweigerungsrechtnach §55 der Strafprozessordnung

Bei Antworten auf Fragen, die dich selbst oderdeine Angehörige eventuell belasten und damitder Gefahr aussetzen könnten (nicht: würden!),

wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeitverfolgt zu werden, besteht nach §55 Strafprozess-sordnung (StPO) das das sog. Auskunftsverweige-rungsrecht.

Beispiel: In einem §129a-Verfahren (K.O.M.I.T.E.E.-Verfahren) 1994 beriefen sich z.B. ZeugInnen aufden §55. Begründet wurde dies mit der Unüber-sichtlichkeit eines 129a-Verfahrens, damit, dassdie Aktenlage nicht bekannt sei und deshalb unklarwäre, ob eine ZeugIn sich nicht selber belastenwürde. Insbesondere, weil in 129a-Verfahren auchgegen das Umfeld ermittelt würde. Daraufhinwurde die Befragung abgebrochen und die Reaktionder Bundesanwältin ließ fünf Wochen auf sich war-ten. Obschon Ordnungsgeld verhängt wurde, warder Vorteil in diesem Fall ein Zeitgewinn von fünfWochen.

Bitte sagen Siejetzt nichts!

Rote Hilfe e.V.24

Zeuginnen und Zeugen sind zu wahrheitsge-mäßer Aussage verpflichtet. Vor der Staatsan-waltschaft gibt es zwar keinen Straftatbe-stand der »Falschaussage«, möglich ist aber,dass sie euch dann »Strafvereitelung« anhän-gen wollen! (Tatbestand: Falsche uneidlicheAussage, Strafrahmen laut Gesetz: Drei Mona-te bis fünf Jahre. Meineid vor Gericht: Nichtunter einem Jahr.) Von ›Falschaussagen alsVerteidigungsstrategie‹ raten wir ab. Falsch-aussagen sind immer ein Wagnis und könnenunter Umständen zu Verwicklungen oder garNamensnennungen führen, sie sind gefährlichund können schnell nach hinten losgehen! DiePolizistInnen sind auch nicht so blöde, wie siegerne dargestellt werden; angesichts ihrerMöglichkeiten – gerade auch technischer Art– können Falschaussagen zu einer enormenGefahr werden.

• Ach übrigens ... Falschaussagen

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Welche Spielräume wir durch solche juristi-schen Finessen gegenüber der Bundesanwaltschaft(BAW) haben, ist schwer einzuschätzen, amSchluss stehen wir dann doch wieder vor der Frage,ob wir die Aussage konsequent verweigern.

Einige empfehlen den §55 als Mittel, um Aus-sagen zu vermeiden und trotzdem einer drohendenBeugehaft zu entgehen. Da aber unter Umständenbegründet werden muss, warum die Antwort aufdiese Frage dich belasten würde, wird meist dochähnlich viel ausgesagt wie bei der direkten Beant-wortung der Frage.

Im Gegenteil werden damit der Gegenseitesogar meist weitere Informationen geliefert. Außer-dem gibt es immer Fragen, bei denen eine Selbst-belastung völlig undenkbar ist und bei denen eineAntwort verlangt wird, die du bei dieser ›Taktik‹also beantworten müsstest. Und schon bist du imGespräch und die Praxis zeigt, dass in dieser Situ-ation niemand mehr eine selbstbestimmte Grenzeziehen kann. Schließlich lieferst du der Staats-schutzjustiz damit auch die von ihr geforderteUnterwerfungsgeste und trägst ggf. zu einer Spal-tung innerhalb der Gruppe der ZeugInnen undAngeklagten bei, denn eine gemeinsame Prozess-strategie ist dann meist nicht mehr möglich.

Daher warnen wir vor dem Versuch, sich mit derMethode »Aussageverweigerung wegen Selbstbe-lastung« leichtfertig aus der Affäre ziehen zu wol-len! Jede kleine Mitteilung, auch im Zusammen-hang mit dem §55, kann ein Stück in ihrem Puzz-le sein.

Deswegen: Je stärker wir uns in unseren Posi-tionen fühlen, desto sicherer können wir die Aus-sage ohne eine solche Begründung verweigern. Injedem Fall aber nie ohne vorherige Rücksprachemit deinem Rechtsbeistand bzw. der Roten Hilfeoder dem EA eine solche Entscheidung treffen.

• Das Aussageverweigerungsrecht nach §52 StPO

Von der Aussagepflicht gibt es noch eine Ausnah-me: Die ZeugIn ist mit dem/der Angeklagten ver-wandt oder würde sich oder seine Angehörigedurch die Aussage in die Gefahr bringen straf-rechtlich verfolgt zu werden (§52 StPO).

Nach §52 der StPO genießen mit dem/derBeschuldigten verlobte, verheiratete, in einer gleich-geschlechtlichen Lebensgemeinschaft lebendeoder verwandte Personen ein Zeugnisverweige-rungsrecht. In der Vergangenheit wurde in einigenFällen bei politischen Verfahren auch von diesemParagrafen Gebrauch gemacht, so dass eineanderenfalls vielleicht bevorstehende ZeugInnen-vorladung und sich daraus eventuell ergebendeZwangsmittel abgewendet werden konnten.

Wir freuen uns über jede und jeden, die/dernicht in den Knast muss und wir finden, dassdiese Möglichkeit, da wo es geht, auch genutztwerden sollte. Aber: Manchmal wundern wir unsdoch, wie schnell politische Kriterien ausgerechnetan dieser Stelle zugunsten eines eher »flexiblen«Umgangs mit der Justiz über Bord geworfen wer-den, wo doch bei vielen anderen Entscheidungenzu Recht die Notwendigkeit einer politischen Hal-tung betont und eine entsprechende Konsequenzeingefordert, zumindest aber eine politische Erklä-rung erwartet wird.

Der Gebrauch des §52 und das damit verbun-dene Beziehen auf eine Institution, die patriarcha-le und heterosexistische Verhältnisse aufrecht-erhalten soll, bleibt eine zwielichtige Sache. Eskönnen nur wenige den §52 nutzen: Es kann sichimmer nur die oder der Verlobte darauf berufen. Eskann also keine ganze WG sagen, sie wäre ver-wandt, verlobt oder verschwägert, selbst wennmehrere Personen ein näheres Verhältnis zu derbeschuldigten Person haben als die Familie.

... Verhaltenals Zeuge/Zeugin

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Gut – wir müssen nicht immer zu jeder Zeit undin jeder Situation 100%ig unsere ganze politischeEinstellung zum Ausdruck bringen. Wir könnenauch taktisch vorgehen. Einem taktischen Verhal-ten geht eine Entscheidung für einen bestimmtenZweck voraus. In diesem Fall heißt der Zweck:Schutz der eigenen Person und der, über die aus-gesagt werden soll, Schutz vor ZeugInnenvorla-dung, Schutz vor Knast. Die Voraussetzung, einesolche Entscheidung fällen zu können, ist aller-dings eine solidarische Diskussion. Hierbei mussoffen diskutiert werden, ob die Berufung auf den§52 StPO lediglich die Entscheidung für den Wegdes geringsten Widerstandes ist. Geht es dochdarum, Aussageverweigerung politisch zu begrün-den und durchzustehen, und nicht darum, dassjedeR sofort jeden sich bietenden Strohhalmergreift.

Erzwingungshaft (›Beugehaft‹) als Zwangsmittel

Wer nicht als ZeugIn aussagt, obwohl er /sie müss-te, wer weder Zeugnis- noch Auskunftsverweige-rungsrecht hat, kann mit dem Zwangsinstrumenteines einmaligen Ordnungsgeldes (abhängig vomEinkommen – ersatzweise Haft) oder Beugehaftbelegt werden, beides nach §70 der Strafprozess-ordnung. Damit sollen Aussagen erzwungen wer-den. Beugehaft wird aber auch als reine Schikaneund Repressionsmaßnahme genutzt, gerade wenndie Ermittelnden sehr wohl wissen, dass sie auchnach der Beugehaft keine Aussagen bekommenwerden.

Wenn eine Zeugin/ein Zeuge erst zu einem unddann zu einem anderen Komplex Angaben machensoll, und auch für diesen zweiten Komplex dieAngaben verweigert, so darf die Erzwingungshaftzwar mehrmals verhängt werden. Sie darf aber dieObergrenze von sechs Monaten für das gesamte

Ermittlungsverfahren, in dem die Zeugin/derZeuge Aussagen machen soll, nicht übersteigen.

Beugehaft wird manchmal bereits von derStaatsanwaltschaft angedroht. Aber auch hier gilt:Ruhe bewahren. Nur der/die RichterIn darf Beuge-haft anordnen, nicht die Staatsanwaltschaft. Voreiner eventuellen Beugehaft steht also in der Regeldie Möglichkeit, sich darauf vorzubereiten, mitFreundInnen und GenossInnen zu reden, Verteidi-gerInnen zu Rate zu ziehen, eine Kampagne zu pla-nen und auch ganz praktisch für Miete u.ä. zu sor-gen, die Folgen für Arbeitsplatz, Schule etc. zuminimieren.

Oftmals bleibt es jedoch bei der Androhung derBeugehaft. In den vergangenen Jahren wurde dieseDrohung unseres Wissens nach hauptsächlich ingroßen politischen Prozessen umgesetzt, genauergesagt bei solchen, bei denen (hohe) Haftstrafen zuerwarten waren.

Trotzdem muss davon ausgegangen werden,dass RichterInnen weiterhin von diesem MittelGebrauch machen werden – auch um der Diskus-sion um Aussageverweigerung etwas entgegen zusetzen. Deshalb sollten sich alle, die als ZeugInnenin politischen Ermittlungen befragt werden mitdem Thema Beugehaft auseinandersetzen – v.a.wenn es um §129a geht.

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Die Aussageverweigerung als ZeugIn geht daheraller Erfahrung nach nicht ohne Ängste vor persön-lichen Konsequenzen über die Bühne. Wir sind allenur zu gerne bereit, unser bisschen Freiheit hierdraußen unter allen Umständen zu behalten. Trotz-dem bzw. gerade deshalb gilt es, den persönlichenBedürfnissen die politischen Notwendigkeiten ent-gegenzusetzen.

Anders als oft unterstellt wird, bedeutet einsolches Vorgehen keinesfalls, die Ängste undSchwierigkeiten zu leugnen, die angesichts einerdrohenden Inhaftierung auftauchen, oder sie gareinfach als »bürgerliche Kacke« abzutun. Es gehtvielmehr darum, sie nicht zur Grundlage derDebatte zu machen und damit den Anschein zuerwecken, das jeweilige Verhalten von »ZeugIn-

... Verhaltenals Zeuge/Zeugin

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Der §129 Strafgesetzbuch (StGB) ist ein Kern des politischen Strafrechts in der Bundesrepublik. Mitdem §129a wurde 1976 ein Organisationsverbrechen eingeführt. Es muss nun keine konkrete Straf-tat mehr nachgewiesen werden, sondern die bloße »Mitgliedschaft« in einer Organisation, die fürbestimmte Straftaten verantwortlich gemacht wird, reicht aus. Es handelt sich um einen »Verein-igungstatbestand«, d.h. die »Mitgliedschaft« oder lediglich die »Unterstützung« bzw. »Werbung« füreine als »kriminell« oder »terroristisch« definierte Gruppierung kann strafrechtlich verfolgt werden.

Mit dem §129a als Ermittlungsparagrafen wurde ein strafprozessuales Sonderrecht mit Erweite-rung der Ermittlungsbefugnisse und der Einschränkung der Verteidigerrechte entwickelt. Es reichtaus, einen Verdacht gegen eine Person oder eine Gruppe zu konstruieren, um willkürlich Telefoneabzuhören, Wohnungen zu durchsuchen, Material zu beschlagnahmen sowie Menschen zu schika-nieren und zu inhaftieren.

Mit dem Strafrechtsänderungsgesetz vom 30.08.2002 wurde der §129b in das Strafgesetzbuchaufgenommen und damit der ohnehin umstrittene §129a StGB auf Vereinigungen im Ausland aus-geweitet. Damit kann die BRD gegen Vereinigungen, die es in Deutschland nicht gibt und die inDeutschland nicht aktiv sind, vorgehen und deren Mitglieder überwachen und bestrafen, ohne selbstim Ausland ermitteln zu können. In Verfahren nach §129b StGB können die Ermittlungsbehördenund die Gerichte eine Organisationsstruktur nur mit Hilfe von Beweismitteln feststellen, die von aus-ländischen Strafverfolgungsbehörden oder Geheimdiensten ermittelt wurden. Dies führt dazu, dassz.B. die Erkenntnisse türkischer Polizei oder Geheimdienste, auch durch Einsatz von Folter in Ver-hören gewonnene Informationen, in Verfahren nach §129b ohne Überprüfung übernommen werden.

Von diesem Paragrafen sind in erster Linie MigrantInnen betroffen. Eine Verfolgung setzt immereine Qualifikation einer bestimmten Gruppe als »terroristisch« voraus. Dies ist schon im Inland pro-blematisch und bei einer Organisation im Ausland erst recht willkürlich. Schon immer haben Macht-haber Oppositionsgruppen aller Art als »terroristisch« bezeichnet, um sie zu delegitimieren. In derPraxis dient eine solche Vorschrift vor allem dazu, Solidaritätsarbeit mit ausländischen Opposi-tionsgruppen zu kriminalisieren. Dazu kommen ausländerrechtliche Sanktionen gegen Flüchtlingeund MigrantInnen, die für eine ›falsche‹ Gruppe politisch aktiv sind.

• Schnüffelparagraf 129

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nen« sei Ergebnis ihrer persönlichen Lebensum-stände – denn ob sich jemand entscheidet, in Beu-gehaft zu gehen oder mit so genannten ›begrenztenAussagen‹ den Weg zur Kooperation zu beschrei-ten, ist in erster Linie eine Frage des politischenKopfes. Und so muss das Ganze vor dem Hinter-grund möglicher Probleme und Folgen für dasLeben der/des Betroffenen diskutiert werden. Wiesinnvoll ein gemeinsames und entschlossenes Vor-gehen bei ZeugInnenvorladungen vor Gericht ist,zeigt sich am Beispiel des Magdeburger §129a Ver-fahrens. Hier sollten 2005 zwölf Leute vor Gerichtals ZeugInnen gegen zwei beschuldigte Genossenaussagen. Die Betroffenen verweigerten kollektivmit einer gemeinsamen Erklärung die Aussage. Dieangedrohte Beugehaft wurde aufgrund der gelebtenSolidarität und der geschaffenen Öffentlichkeitnicht angeordnet. Einzig ein bereits verurteilterund erneut vorgeladener Genosse musste inErzwingungshaft.

• Venceremos!

Wir müssen davon ausgehen, dass nicht alleselbstverständlich die praktische Zusammenarbeitbei Verfahren und Aburteilungen verweigern. Umdie Konfrontation mit den Repressionsorganen auf-zunehmen brauchen wir eine ehrliche Diskussionüber unsere Ängste, z.B. in Zusammenhang mitmöglichen Verlusten von Beziehungen und/oderArbeitsplatz, Sorge um Kinder, persönliche Un-sicherheiten etc. Aussageverweigerung als bloßepolitische Direktive ist zu wenig. Um dahin zukommen, konsequente Aussageverweigerung mög-lich zu machen, bedarf es einer grundsätzlichenAuseinandersetzung mit FreundInnen und dempolitischen Umfeld über sich selbst und diemomentane Situation, in der jedeR gerade steckt.Dazu gehören auch Ängste, Fragen der materiellenAbsicherung, der eigenen politische Identität und

Solidarität. Zu dieser Solidarität gehört auch, dasswir die Beugehaft als ein Druckmittel zur Denunzi-ationspflicht gesellschaftlich ins Gerede bringenund sie schlussendlich kippen.

Unsere Erfahrungen in der letzten Zeit habenaber auch gezeigt, dass eine Auseinandersetzungüber Knast und mit Leuten, die schon mal längereZeit in Haft waren, das Schreckgespenst Beugehaftetwas relativiert hat. Die Berichte haben unsgezeigt, dass der Druck auszuhalten ist. Es gibtauch ein Leben im Knast, auch wenn der einenoder dem anderen die vermeintliche Einsamkeitschwer fällt. Gut ist es, wenn Freundinnen undFreunde eineN im Vorfeld, während der Knastzeitund auch noch danach begleiten.

Wer in diese miese Situation gerät, sollte sofortKontakt zur Roten Hilfe aufnehmen. Wir lassen nie-manden, der/die in Beugehaft sitzt, alleine! • FÜR EINE OFFENE UND SOLIDARISCHE

AUSEINANDERSETZUNG!

• AUSSAGEVERWEIGERUNGSRECHT FÜR ALLE!

• SOLIDARITÄT IST EINE WAFFE!

• Aussage konsequent verweigert – was erwartet eine/n im Knast?

Gefangene im Knast werden mit einer ungeheuerenBürokratisierung der Abläufe konfrontiert. Grund-sätzlich gelten in der Beugehaft laut Strafvollzugs-gesetz (StVollzG) hauptsächlich die Bedingungender Strafhaft (Vollzug der Freiheitsstrafe, §§3–122StVollzG), was bedeutet, dass die Bedingungen inder Beugehaft gegenüber den Bedingungen für dieU-Häftlinge lockerer sind. Es ist aber auch schonvorgekommen, dass der zuständige Ermittlungs-richter die Haftbedingungen festgelegt hat. Aus-nahmen regeln die §§171–175 StVollzG, diebesondere Rechte für Beugehäftlinge beinhalten.So unter anderem, dass kein Zwang zur Arbeitbesteht, dass eine »Unterbringung« zusammen mit

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anderen Gefangenen nur mit Zustimmung erfolgenkann und dass der Einkauf im Knast (Lebensmittel,Tabak, etc.) mit »Eigengeld« erlaubt ist, d.h. überein persönliches Knastkonto erfolgt, auf das Geldvon außen überwiesen werden darf. Für diese ›Vor-zugsbehandlung‹ müssen die Betroffenen aberauch zahlen: Für Unterkunft und Verpflegung 20,– Euro/Tag.

Nach dem Strafvollzugsgesetz bestehen außer-dem bei Verheirateten besondere Besuchsrechte fürGefangene. So können Kontakte nach außengewährleistet und emotionale Wärme nach drinnentransportiert werden.

Das Strafvollzugsgesetz (StVollzG) bestimmtPflichten und Rechte von gefangen gehaltenenMenschen. Über die Pflichten werden die Betroff-fenen, wenn auch unzureichend, informiert. Mitden Informationen über die gesetzlich festgelegtenRechte wird dagegen richtig gegeizt bzw. sogarregelrecht desinformiert. Durch das StVollzG inVerbindung mit den (vor der Föderalismusreformnoch bundeseinheitlichen) Verwaltungsvorschrif-ten und der »Hausordnung« der jeweiligen Anstaltist der alltägliche Ablauf und die Rahmenbedin-gungen peinlich genau geregelt. Die Unterschiedevon Knast zu Knast können deshalb sehr groß sein.Dies betrifft vor allem Anzahl, Ablauf und Dauervon Besuchen, ob ein zweiwöchentlicher oderwöchentlicher Einkauf gestattet wird etc.

Im Knastalltag werden permanent die Rechtevon Gefangenen verletzt. Um sich dagegen wehrenzu können und die bestehenden Rechte durchzu-setzen gehört das Wissen um diese Rechte zurGrundausstattung. Es ist wichtig sich auf jeden Fallvorher zu informieren, was im Rahmen von ange-drohter oder zu erwartender Beugehaft möglich ist.Und ein paar konkrete Fragen sollten schon vorhergestellt bzw. mit FreundInnen durchgesprochenwerden. Z.B. wäre es bei der ärztlichen Eingangs-untersuchung von Vorteil zu wissen, was »sie«

genau wollen (Welche Fragen werden gestellt?Welche Untersuchungen werden durchgeführt?)und welche Konsequenzen kann eine, auch teil-weise, Verweigerung mit sich bringen. Wichtig istauch, sich vorher zu überlegen, welche Informatio-nen gleich in der ersten Zeit im Knast wichtig sind.Hier nur ein Beispiel: Der Einkauf ist nur an einemfestgelegten Wochentag möglich, meist auch zueiner bestimmten Uhrzeit – wird dieser versäumt,weil der Einkauf z.B. direkt am Morgen vor der Ein-lieferung ist, muss sich ausschließlich mit demKnastfraß zufrieden gegeben werden.

Empfehlenswert für die Vorbereitung auf denGefängnisalltag sind der »Ratgeber für Gefangene«(nicht mehr erhältlich, also nach alten Exemplarenrumfragen) und Gespräche mit Leuten, die Knast-erfahrung haben. Zum einen nimmt es ein StückUnsicherheit, schwarz auf weiß zu sehen, welcheRechte bestehen. Zum anderen hilft eine gute Vor-bereitung, sich bei den gerade am Anfang ver-mehrt zu führenden Auseinandersetzungen mit derKnastbürokratie zu behaupten. Und es besteht dieMöglichkeit, sich Respekt gegenüber Wachpersonalund PolizeibeamtInnen zu verschaffen, wenn klarist, dass nicht jeder Mist geglaubt und gefressenwird, mit dem sie eineN abspeisen wollen.

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4Verhalten bei

Anquatsch-

versuchen des

Verfassungs-

schutzes

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Der Verfassungsschutz

Die Aufgabe des Bundesamtes für Verfassungss-schutz (BfV) und der sechzehn Landesämter fürVerfassungsschutz (LfV) ist es, möglichst vieleInformationen über echte oder vermeintliche ›Ver-fassungsfeinde‹ und ›Extremisten‹ zu sammeln.Während die Verfassungsschutzbehörden keinerleipolizeiliche Befugnisse haben, steht ihnen jedochein breites Spektrum an Überwachungs- und Aus-forschungsmöglichkeiten zur Verfügung. Sie arbei-ten auch mit der politischen Polizei und der Justizzusammen. Der Verfassungsschutz liefert Informa-tionen und bastelt sich Material für die staatlicheRepression zusammen. Als einfache und kosten-günstige Möglichkeit, linke Zusammenhänge aus-zuforschen, nutzt der Verfassungsschutz Spitzelund InformantInnen in allen möglichen politischenZusammenhängen und deren Umfeld.

Anquatschversuch

Am Anfang jeder Informationssuche steht die Kon-taktaufnahme. Meist arbeiten Verfassungsschutz-beamte zu zweit, nicht selten Mann und Frau. Sielauern potentiellen Opfern an deren Wohnungstürauf, aber auch manchmal auf dem Weg zumArbeitsplatz, in der Kneipe, beim Sport etc.Manchmal rufen sie auch an und wollen ein Treff-fen vereinbaren. Sie stellen sich oft als Mitarbei-terInnen einer Bundesbehörde vor, können sichaber auch als was ganz anderes ausgeben, z.B. alsfreieR MitarbeiterIn einer Arbeitsagentur.

›Heroische‹ Versuche auf die Spitzelwerbungzum Schein einzugehen, um was »raus zu finden«sind prinzipiell falsch und gefährlich. Erstens weißniemand, was bei einem ›Scheingespräch‹ allesgequatscht wurde, zweitens ist das erstmalige Ein-gehen auf Kontaktsuche für sie ein Zeichen zumWeiterbohren. Dann steht der Vorwurf im Raum,

mit Spitzeln längere Gespräche geführt zu haben. Wenn dich Verfassungschutz-MitarbeiterInnen an-sprechen, ist es ihr Ziel, von dir Informationen überkonkrete Aktionen, politische Zusammenhängeund Strukturen zu erhalten. Und zwar möglichstumfangreich, lange und kontinuierlich. Dabei wer-den sie sich nicht scheuen, zu bestechen, dir zudrohen oder Verständnis und Sympathie vorzuheu-cheln.

• Wer wird angesprochen?

JedeR kann von interessierten Behörden (Verfas-sungsschutz, Landeskriminalamt oder Staats-schutz der Polizei) angesprochen werden. Gernewerden jüngere Leute angequatscht, die einempolitischen Umfeld zugerechnet werden. Es istaber durchaus auch schon vorgekommen, dasslangjährige PolitaktivistInnen angequatscht wur-den (siehe Kasten). Die VerfassungsschützerInnennutzen die individuelle Situation der Angespro-chenen. Vor einer Kontaktaufnahme informiertsich der Verfassungsschutz in der Regel sehr gutüber seine Opfer. Es wird versucht »Schwachstel-len« ausfindig zu machen. Soziale und private Pro-bleme, persönliches Umfeld, die ›offizielle‹ Straf-kartei, Geld- und Drogenprobleme werden als Auf-hänger für Anquatschversuche genommen. DieBehördenmitarbeiterInnen zeigen, dass sie um-fassend informiert sind und geben bei Anquatsch-versuchen gezielt Informationen aus dem privatenBereich preis. Das soll die angesprochene Personeinschüchtern und verunsichern. Sie bieten dannzuerst Hilfe an, sei es bei Behördengängen, beifinanziellen Problemen (so wird einer/m Erwerbs-losen, die /der Schulden hat, vielleicht eineArbeitsstelle in Aussicht gestellt). Sie bieten an,bei laufenden Ermittlungsverfahren z.B. wegenVerstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz, einAuge zuzudrücken. Auch die Minderung einer

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Haftstrafe wurde schon angeboten – obwohl eszweifelhaft ist, ob der Verfassungsschutz daraufüberhaupt Einfluss hat. Wer auf Bestechung nichtreagiert, wird dann auch unter Druck gesetzt, z.B.damit, eineN in der nächsten Zeit genau ins Visierzu nehmen, Eltern oder Arbeitgeber zu informieren.Als Gegenleistung für ihre ›Hilfe‹ fordern sie Infor-mationen über linke Strukturen und das politischeUmfeld.

• Wie verhalte ich mich, wenn ich angesprochen werde?

Meistens kommt der Anquatschversuch überra-schend. Bevor der Verfassungsschutz (VS) jeman-den anspricht, werden genaue Erkundigungen überdie Zielperson eingeholt. Deshalb wissen dieBeamtInnen im Gespräch oft viele Details, dieeine/n im ersten Augenblick überraschen und ver-unsichern. Sie hoffen so, die angesprochene Per-

son leichter zum Reden zu bringen. Die Mitarbei-terInnen des Verfassungsschutzes sind psycholo-gisch geschult und können auch durch scheinbarharmlose Gespräche Erkenntnisse über Personenund linke Strukturen gewinnen.

Wenn also der Verfassungsschutz plötzlich voreuch steht, ist es erst einmal wichtig ruhig Blut zubewahren. Wer von den Schnüfflern angesprochenwird, hat nichts falsch gemacht! Das ist erstmalnichts Tragisches und nichts, wofür Betroffenesich schämen müssten.

Auch wenn VSler im Auftreten anders agierenals PolizistInnen, auch sie wollen Informationengegen dich und deine Zusammenhänge sammeln.Sie wollen dich benutzen und aushorchen. Wenndu durch VerfassungsschützerInnen angesprochenwirst, beende das Gespräch sofort. Schlag ihnendie Tür vor der Nase zu oder geh einfach weg.Macht den VS-BeamtInnen klar, dass du mit ihnenin keinerlei Hinsicht zusammenarbeiten wirst und

Anquatsch-versuche desVerfassungs-schutzes

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sie schleunigst zu verschwinden haben. Lasst euch keine Angst machen. Wenn es geht,

den Ausweis zeigen lassen, den Namen, das Aus-sehen der Person, gegebenenfalls Auto und Auto-kennzeichen möglichst genau einprägen. Diesschützt zwar nicht davor, dass sie ihren Namen unddas Auto wechseln, macht es ihnen aber bei Veröf-fentlichung schwerer, weiterhin Leute zu belästigenund herumzuschnüffeln. Prinzipiell ist es sehrnützlich nach dem Vorfall ein schriftliches Ge-dächtnisprotokoll anzufertigen.

Und ganz wichtig: Redet mit FreundInnen,Bekannten und GenossInnen über den Anquatsch-versuch. Unsere wirksamste Waffe ist ein offener,vertrauensvoller und solidarischer Umgang mitein-ander. In einer solidarischen Atmosphäre unterGenossInnen sollte es dabei auch möglich sein ein-zugestehen, wenn Fehler gemacht wurden – derVerfassungschutz eventuell etwas erfahren hat. Einsolcher Vorfall macht Angst, und auch wenn ihreuch nicht vorbildlich verhalten habt: Es ist nie zuspät, mit jemandem darüber zu reden.

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Als ein seit Mitte der 70er Jahre aktiver Genosse aus autonom-antifaschistischen Zusammenhängenmorgens seine Wohnung verließ, um mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren, spielte sich eine Szeneaus einem drittklassigen Actionfilm ab. Mit hoher Geschwindigkeit überholte ihn ein Auto und setz-te sich wenige Meter vor ihm quer. Zwei Männer sprangen aus dem Wagen und gingen auf ihn zu.Der Wagen fuhr ums Carré und parkte in Sichtweite. Der ältere Mann – Ende vierzig, Anfang fünf-zig – sprach den Genossen an. Der jüngere – höchstens Mitte zwanzig – schwieg während der gan-zen sich nun abspielenden Szene. »Guten Morgen Herr ..., wir kommen vom Verfassungsschutz undmöchten Ihnen ein Angebot machen.« Als der Genosse meinte, dass dies nicht in Frage käme, setz-te der Beamte nach. »Wir wissen, dass es Ihnen beruflich nicht gut geht und sind bereit, Sie finan-ziell großzügig zu unterstützen.« Noch bevor der Genosse reagieren konnte, wurde das Angebot kon-kreter. Er könne zwischen einer höheren einmaligen Zahlung oder regelmäßiger Zahlung wählen.Wenn es zu knapp wäre, könne man darüber reden noch mal 10 000 Euro draufzulegen. Als derGenosse abweisend reagierte und bemerkte, wie billig diese Anmache sei, folgten peinliche Aus-führungen über vermeintliche Schnittpunkte im Denken und über punktuelle Gemeinsamkeiten.Dabei gab sich der Beamte scheinbar harmlos. Erst als der Genosse wieder losradeln wollte, gab eseinen schwachen Versuch der Einschüchterung. Man wisse, mit wem er arbeitet, wo er wohnt undwo er sein Mittagessen einnimmt. Dies ist eine typische Methode solcher Anquatschversuche um zusignalisieren, dass man Bescheid wisse und dass man schon länger beobachte. Insgesamt machteder Verfassungsschützer einen harmlosen, nicht besonders engagierten Eindruck. Auch die Gesamt-situation, mitten auf der Strasse im Berufsverkehr und viele Fußgänger in der Nähe, war nicht gera-de furchterregend. Das ist allerdings kein Grund, diese Geschichte auf die leichte Schulter zu neh-men. Verfassungsschützer geben sich manchmal ganz anders als sie sind oder haben mehrere Vari-anten drauf. Oft gibt es auch einen oder mehrere weitere Versuche, die sich dann anders abspielen.Um dagegen gewappnet zu sein, ist es sinnvoll sich vorher über die Möglichkeit eines Anquatsch-versuches Gedanken zu machen!

• Verfassungsschutz wieder unterwegs: Ein typisches Beispiel.

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Um dich und deine Zusammenhänge vorRepressalien zu schützen ist es sinnvoll, denAnquatschversuch nach Rücksprache mit Genos-sInnen öffentlich zu machen. Öffentlichkeit ist dereinzige Schutz vor Anquatschversuchen. Es istwichtig, dass diese Vorfälle nicht verschwiegenwerden – geheime Dienste scheuen das Licht!

• Grundsätzliches zum Umgang mit dem Verfassungsschutz

1. Als von staatlicher Repression Betroffene triffteuch keine Schuld, ihr habt nichts falsch gemacht;ihr seid nicht mit den ›falschen‹ Leuten zusamm-men gekommen; ihr seid aus den unterschiedlich-sten Gründen vom staatlichen Repressionsapparat›ausgewählt‹ worden. 2. BeamtInnen des Verfassungsschutzes, derenArbeit sich im Gegensatz zum polizeilichenStaatsschutz ausschließlich auf geheimdienstlicheErkenntnisse bezieht, haben keinerlei Befugnisse,eine Aussage oder Mitarbeit zu verlangen; siehaben keine Macht, juristischen oder sonstigenDruck auf dich auszuüben (auch wenn sie inExtremfällen damit drohen); deshalb verweist sieam Besten gleich des Hauses. 3. Bei VS-BeamtInnen handelt es sich immer umgeschultes, professionell ausgebildetes Personal,das euch in jeder Hinsicht immer um mehrereSchritte voraus ist. Zu denken, ihnen bei einemGespräch etwas ›vorspielen‹, sie auf falsche Fähr-ten locken zu können, ist fatal – ihr wurdet ja ebendeshalb ausgewählt, weil sie genauestens übereuch, euren (ehemaligen) Freundeskreis und überFreizeitverhalten etc. Bescheid wissen. Ihr werdetniemals zufällig ausgewählt. 4. Übertriebene Vorsicht oder gar Verfolgungs-wahn bei der politischen Arbeit sind genau soschädlich wie Arglosigkeit und Naivität. Unbewie-sene Spitzelvorwürfe und Gerüchte schaden und

sind um keinen Deut besser als Spitzeltätigkeit sel-ber. Angst vor totaler Überwachung, vor Spitzelnund Provokateuren können die politische Arbeithemmen und der Bewegung schaden und fügensich nahtlos in das Konzept polizeilicher undgeheimdienstlicher Zersetzungsarbeit! 5. Macht den Anquatschversuch öffentlich, dennder Verfassungsschutz ist ein Geheimdienst undscheut nichts so sehr wie die Öffentlichkeit! Sonstversuchen sie es auch immer wieder. Auch solltenlokale Antirepressionsstrukturen, der Ermittlungs-ausschuss (EA) und soweit vorhanden auch dieOrtsgruppe der Rote Hilfe informiert und gegebe-nenfalls auch aufgesucht werden.

Wie bei allen anderen Strafverfolgungsbehördengilt auch beim Verfassungsschutz: Keine Aussagen!

Anquatsch-versuche desVerfassungs-schutzes

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... FAzit

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••• Wir sollten uns nichts vormachen: Ermitt-lungs- oder Gerichtsverfahren sind das ureigensteTerrain des Staates – nicht das unsere. In allerRegel sind wir im Konflikt mit der Justiz auf dieHilfe von Menschen angewiesen, die dafür ausge-bildet sind und/oder über dementsprechendeErfahrung – oder auch nur einen nüchternen Blickvon außen – verfügen. Wer sich mit Aussagever-weigerung und Verhörmethoden auseinanderge-setzt hat, kann sich auf etwas stützen, wenn er odersie in eine dementsprechende Situation kommt –es hilft ungemein, wenn dich nichts mehr wirklichüberraschen und überrumpeln kann. Trotz der ansich schon unangenehmen Situation kann dasWissen um die eigenen Rechte, um das Vorgehender Ermittlungsbehörden und das Lernen ausErfahrungen Anderer Sicherheit geben und helfen,gegen derlei Angriffe besser gewappnet zu sein!

Es gibt keine entlastenden Aussagen!

Es gibt keine entlastenden Aussagen. Das Interes-se der Ermittlungsbehörden besteht gerade darin,Belastendes gegen dich und andere zu finden.Anscheinend entlastende Aussagen können schnellin ihr Gegenteil verkehrt werden. Zumal es kaumabsehbar ist, welche Informationen von den Re-pressionsorganen in Verfahren, in denen es häufignoch nicht einmal einen konkreten Tatvorwurf gibt,zu Indizien gemacht werden können. Die Ermitt-lungsbehörden sind in dieser Hinsicht sehr phan-tasievoll!

Gilt ihre Aufmerksamkeit doch linken Struktu-ren im allgemeinen und politisch aktiven, system-kritischen Menschen im besonderen!

Der Schutz unserer Strukturen muss unser allerAnliegen sein!

Es gibt keine harmlosen Aussagen!

Schon aus der Begründung laufender Ermittlungs-verfahren wird ersichtlich, dass es in den Augen derStaatsschützer kaum Unverdächtiges gibt.So müssen z.B. als Indizien herhalten: • das Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln,obwohl ein eigenes Auto vorhanden ist, • die Beschäftigung mit so genannten ›anschlags-relevanten Themen‹ wie Gentechnik und Human-genetik, Rüstungs- und Repressionstechnologieetc., • das Verabreden im Hinterzimmer einer Kneipeohne am Telefon ausdrücklich den Zweck desTreffens zu nennen, • die Bekanntschaft mit Personen, die ihrerseitseiner dieser Unverschämtheiten bezichtigt werden. In der Begründung einiger in Prozessen gestellterBeugehaftanträge hieß es z.B., dass »Umständeaus dem persönlichen Lebensbereich« beweis-erheblich seien, oder dass »durch persönliche,berufliche oder gesellschaftliche Interessen erklär-bares Verhalten der Beschuldigten ermittelt werdenmuss, um es von Verhaltensweisen zu unterschei-den, die ihre Erklärung in dem Engagement derBeschuldigten für die Vereinigung XYZ finden«.Auch im privaten Bereich, z.B. dem Zusammen-wohnen in einer WG, wird es schwierig auf schein-bar harmlose Fragen nach FreundInnen, Bekann-ten, Aufstehgewohnheiten, Krankheiten, Lese- undTelefoniergewohnheiten der beschuldigten Personzu antworten. Dass diese Dinge nicht bekanntseien, kann für die Ermittlungsbehörden denSchluss nahelegen, dass diese Person konspirativgehandelt habe.

Beispiel Telefongespräche: Eine Zeugin wirdgefragt, ob ihre Mitbewohnerin X mit Y bekannt ist.Im Bemühen möglichst schwammig und unver-bindlich zu antworten, sagt die Zeugin: »Ich weißnicht«. Nun hat aber das Bundeskriminalamt (BKA)

... Fazit 37

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die Person X schon länger bespitzelt und ein Tele-fongespräch zwischen X und Y abgehört. Vor die-sem Hintergrund, der der Zeugin nicht bekannt ist,wird die Aussage »ich weiß nicht« zur relevantenInformation. Verheimlicht die Zeugin die Bezie-hung, weil sie ihr heikel erscheint, oder hat gar Xselbst gegenüber der Zeugin die Beziehung zu Y ver-heimlicht? Beides deutet auf eine möglicherweisekonspirative Beziehung zwischen X und Y hin.

Beispiel Rasterfahndung: Auch scheinbar ba-nale Aussagen können zur Aufstellung von Rasterndienen. Die harmlose Eigenschaft, Leser der Frank-furter Rundschau zu sein, ließ XY in das Fangnetzdes Bundeskriminalamtes laufen. Durch Observie-rung der Zeitungskioske in einer bestimmten Stadtwurde er beim Kauf einer solchen festgenommen.

Im Rahmen von Fahndungen ergeben dannauch Aussagen nach Krankheiten, Medikamenten,Allergien, Kontaktlinsen, Musikgeschmack, nachbevorzugten Genussmitteln usw. usf. einen Sinn.

Sie können den Repressionsorganen bei Fahndun-gen wichtige Anhaltspunkte liefern.

Es gibt keine banalen Fragen!

Auch scheinbar banale Fragen und solche, auf diees amtliche Antworten gibt, erfüllen ihren Zweck!Prinzipiell gilt, dass die MitarbeiterInnen der Re-pressionsorgane keine dummen Fragen stellen.

Beispiel Verhörsituation: Die Staatsanwalt-schaft stellt eine Reihe Fragen wie: »Wo hat X zueinem bestimmten Zeitpunkt gewohnt?« – natürlichwo er gemeldet war –, »Wo hat X gearbeitet?« etc.Die Zeugin überlegt angestrengt, welche Frage ihrrelativ harmlos erscheint, welche nicht. Ihr Zögern,Ausweichen, ihre schnelle Antwort bieten den Ver-nehmenden Hinweise auf für sie möglicherweiseinteressante Punkte in der Biographie der gesuch-ten Person.

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Aussage • »Aussage ist im Verfahrensrecht jedesprachliche Mitteilung ...« (aus: Köbler – Juristi-sches Wörterbuch. Für Studium und Ausbildung.München, 1977) »Aussage ist eine sprachlich ge-fasste Mitteilung, ein kurzer Bericht, eine Erklä-rung vor einer Behörde.« (aus: Wahrig – Wörterbuchder deutschen Sprache. München, 1978)Aussagebereitschaft • »Geht es um die Aus-sage- und auch Geständnisbereitschaft, stellt sichdie Frage nach den entscheidenden psychischenAbläufen eines Beschuldigten und der optimalenSituationsgestaltung im Rahmen einer Verneh-

mung, die den Beschuldigten dazu veranlassen,keine, absichtlich falsche oder entsprechend seinertatsächlichen Erinnerungen wahrheitsgemäßeAngaben zu machen.« (aus: Brockmann/Chedor –Vernehmung – Hilfe für den Praktiker. Hilden1999)Aussageerpressung • »Die Herbeiführung einerAussage unter Anwendung verbotener Verneh-mungsmethoden durch Strafverfolgungsorganestellt regelmäßig eine Aussageerpressung (§343StGB) dar. Daneben können, je nach Art und Fol-gen der angewandten verbotenen Vernehmungsme-

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Begriffserklärungen

Immer wieder ist festzustellen, dass mit der Verwendung von Begriffen aus der bürgerlichen Justiz in derAnti-Repressionsdiskussion oft sehr unterschiedliche Inhalte verbunden werden. Im Gegensatz zur bür-gerlichen Justiz werden Begriffe oft sehr unkonkret und politisch verschwommen verwendet. Daher an die-ser Stelle eine knappe Begriffsklärung, um Missverständnissen vorzubeugen und eine inhaltlich klare Aus-einandersetzung zu erleichtern.

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thoden §§223ff. [Körperverletzung, d.Red.] und§ 340 StGB [Körperverletzung im Amt, d.Red.] ein-schlägig sein.« (aus: Clages (Hrsg.): Der rote Faden– Grundsätze der Kriminalpraxis. Heidelberg 2004)Beugemittel • [Beugemittel sind: Zwangsgeld(Ordnungsgeld) und Erzwingungshaft (Ordnungs-haft), die so genannte Beugehaft.] »Beugemittel istein staatliches Mittel zur Erzwingung bestimmterHandlungen, Duldungen oder Unterlassungen sei-tens einer Person. Beugemittel sind insbesondereim Verfahrensrecht zulässig (z.B. zur Erzwingungeiner Zeugenaussage).« (aus: Köbler – JuristischesWörterbuch. Für Studium und Ausbildung. Mün-chen, 1977) Behördeninterne Akten • »Berichte über ver-deckte Informationsgewinnung wie Observationen,Einsatz von V-Personen, Verdeckten Ermittlern,Erkenntnisgewinnung unter Einsatz von Informan-ten, Überwachung der Telekommunikation usw.gehören im Original nicht in die Hauptakte. Sieenthalten Angaben, die der Geheimhaltung bedür-fen und regelmäßig auch unter die eingeschränkteAussagegenehmigung (§62 BBG) des Beamtenfallen.« (aus: Clages (Hrsg.): Der rote Faden –Grundsätze der Kriminalpraxis. Heidelberg 2004)Beschuldigte • »Beschuldigter ist derjenige,gegen den das Strafverfahren konkret betriebenwird. Dieses geschieht durch die förmliche Einlei-tung eines Ermittlungsverfahrens. (...) Es müssenTatsachen vorliegen, die auf eine nahe liegendeMöglichkeit der Täterschaft oder der Teilnahmeschließen lassen. Das beurteilt die entsprechendeStrafverfolgungsbehörde nach pflichtgemäßem Er-messen. Ist aber die Einleitung eines Ermittlungs-verfahrens geboten, so darf der Verdächtige nichtals Zeuge vernommen werden. (...) Ist der Sach-verhalt aber so gelagert, dass mehrere Personenhinreichend tatverdächtig sind, so müssen diesealle als Beschuldigte behandelt werden, auch wennsich ihre Täterschaft gegenseitig ausschließt.«

(aus: Brockmann/Chedor – Vernehmung – Hilfe fürden Praktiker. Hilden 1999) Einlassung • »Einlassung ist die Verhandlung(Zugestehen, Bestreiten, Vorbringen von Einreden)des Beklagten (bzw. Angeklagten) im Verfahren.Sie ist gegeben, sobald nicht mehr nur Prozessfra-gen, sondern auch Sachfragen behandelt werden.« (aus: Köbler – Juristisches Wörterbuch. Für Stu-dium und Ausbildung. München, 1977)Gerichtsverfahren • »Gerichtsverfahren ist dasvor und von Gerichten durchgeführte Verfahren. Esist in den Prozessgesetzen geregelt.« (aus: Köbler –Juristisches Wörterbuch. Für Studium und Ausbil-dung. München, 1977)Geständnis • »Geständnis ist das Zugestehen derWahrheit einer von einer anderen Seite behaupte-ten Tatsache durch einen Verfahrensbeteiligten.« (aus Köbler, Juristisches Wörterbuch. Für Studiumund Ausbildung. München, 1977) »Das Wesen desGeständnisses besteht darin, dass der Beschuldig-te einen Sachverhalt einräumt und Umstände dar-stellt, mit denen er sich selbst der Begehung einerStraftat bezichtigt. (...) Ermittlungstechnisch istdie Bedeutung des Geständnisses dadurch begrün-det, dass es aufgrund des gewonnenen Informa-tionsgehaltes prinzipiell weitere Ermittlungs- undBeweisansätze erlangt werden können.« (aus Cla-ges (Hrsg.): Der rote Faden – Grundsätze der Kri-minalpraxis. Heidelberg 2004)Kooperieren • »Auf wirtschaftlichem oder politi-schem Gebiet zusammenarbeiten.« (aus: Duden,Fremdwörterbuch 1997)Kooperation mit dem Repressionsapparat •

Kooperation/Zusammenarbeit meint mehr als»nur« eine Aussage zu machen. Zusammenarbeitmeint aktive Unterstützung der bürgerlichenJustiz. Sie beginnt mit der bewussten Herausgabevon geforderten Informationen bzw. mit dem Han-deln im Interesse von Staat und Justiz. Zusam-menarbeit geschieht häufig zwischen Rechtsan-

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wälten und Richtern/Staatsanwaltschaft und findetoft hinter dem Rücken der Betroffenen statt.Zusammenarbeit kann auch die Voraussetzung fürZugeständnisse der Justiz sein (z.B. Verringerungdes Strafmaßes) und es ist ein Handel im Sinne derbürgerlichen Justiz bzw. des Staates. Lügen • »Lügen ist die bewusste Verdeckung derWahrheit. (...) Auch eindeutig erkennbare Lügensollten zunächst unwidersprochen entgegengenom-men werden. Jede Lüge zieht i.d. Regel weitereLügen nach sich. Je mehr die Aussageperson mit-teilt und Teilwahrheiten, unwahre oder geschönteDarstellungen gibt, desto eher wird sie sich inihrem Lügengewirr verfangen und selbst zur Über-führung beitragen.« (aus: Clages (Hrsg.) – Der roteFaden – Grundsätze der Kriminalpraxis. Heidel-berg 2004)Prozess/Gerichtsverhandlung/Hauptverhand-

lung • »Prozess ist ein rechtlich geordneter, vonLage zu Lage sich entwickelnder Vorgang zurGewinnung einer richterlichen Entscheidung überein behauptetes materielles Rechtsverhältnis.«(aus: Köbler – Juristisches Wörterbuch. Für Stu-dium und Ausbildung. München, 1977)Das Ritual der Hauptverhandlung vor Gericht ist inder Prozessordnung festgelegt. Im Groben läufteine Verhandlung wie folgt ab: Vernehmungdes/der Angeklagten zu den persönlichen Verhält-nissen durch die vorsitzende Richterin oder denRichter (Identitätsfeststellung); Verlesung derAnklage durch die Staatsanwaltschaft; Verneh-mung der/des Angeklagten zur Sache; eine Aussa-geverweigerung sollte vorher unbedingt mit derRechtsanwältin oder dem Rechtsanwalt bzw. derBetroffenengruppe besprochen werden. Aussage-verweigerung Angeklagter darf vom Gericht nichtnegativ bewertet werden. Es ist auch möglich, erstdie Beweisaufnahme abzuwarten, um dann geziel-te Aussagen zu machen. Weiter geht es mit derBeweisaufnahme durch Vernehmungen von Zeu-

gInnen und Sachverständigen, Urkundenverlesungund In-Augenscheinnahme der Beweise. Auch dieAngeklagten haben das Recht, ZeugInnen undSachverständige zu befragen. Bei einer nochmali-gen Vernehmung der Angeklagten zur Sache könn-nen alle ihre Position darlegen. Wer bis hierher dieAussage verweigert hat und nun aussagen möchte,kann das tun, dabei besteht dann keine Gefahr, frü-heren Aussagen zu widersprechen. Prozessbegleitung • Prozessbegleitung bedeuteteine möglichst breite und vielfältige Einbeziehungvon Menschen, um den Prozess öffentlich zumachen. Öffentlichkeitsarbeit zu einem Prozessist wichtig und notwendig, um möglichst vieleMenschen über Hintergründe, undemokratischeVerfahrensweisen etc. in politischen Prozessen zuinformieren und so eine möglichst weitreichendeSolidarität zu entwickeln. Dabei geht es auchdarum, dass am konkreten Fall mehr Menschen einkritisches Verhältnis zum bürgerlichen Recht undzu den Gerichten entwickeln. Die Prozessbeglei-tung hat oft wenig Einfluss auf die Prozessführung.Es sollte aber auf jeden Fall eine Vertrauensbasisvorhanden sein. Prozesshandlung • »Prozesshandlung ist eineprozessgestaltende Beteiligung der Partei derStreitgehilfen bzw. ihrer Vertreter (im weiterenSinne auch des Gerichts) an einem Verfahren. DieProzesshandlung kann in einem Tun oder Unter-lassen bestehen. Sie ist meist einseitig (z.B.Klage, Einspruch, Anerkenntnis, Behauptung,Gestehen, Bestreiten, Beweisantritt, Antrag an dasGericht).« (aus: Köbler – Juristisches Wörterbuch.Für Studium und Ausbildung. München, 1977)Rasterfahndung • »Charakteristisch für die Ras-terfahndung ist der automatisierte Abgleich perso-nenbezogener Daten aus Dateien, die für andere alsfür Zwecke des Strafverfahrens gespeichert wordensind. (...) Zur Durchführung der Rasterfahndungwerden fallspezifische tätertypische Merkmale i.S.

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eines Verdächtigenprofils in der Form eines Rasterszusammengestellt und als Suchkriterien mit Daten,die an anderen Stellen und aus anderen Gründengespeichert sind, maschinell abgeglichen. DerZweck liegt in dem Herausfiltern von Personen, diedem vorgegebenen Raster entsprechen und diesodann durch weitere Ermittlungsmaßnahmen kri-minalistisch abgeklärt werden müssen.« (aus:Clages (Hrsg.) – Der rote Faden – Grundsätze derKriminalpraxis. Heidelberg 2004)Reueerklärung/Entsolidarisierung vor Gericht

• Eine oft von der Justiz geforderte Handlung, diebeim ersten Hinsehen keinen anderen Menschengefährdet und als nebensächliches Blabla erschei-nen mag, ist das Formulieren einer Reueerklärung.Dies bedeutet aber konkret das öffentliche Ausdrü-cken des Bedauerns über das eigene Handeln, alsodie offizielle Distanzierung von linkem, eigenem,z.B. antifaschistischem Handeln – anders ausge-drückt ein Schritt der Entsolidarisierung mit linkenStrukturen und Zusammenhängen und ein öffent-lich formulierter Bruch mit der eigenen Geschichte.Verbotene Vernehmungsmethoden • »Darunterfällt jedes Mittel, das geeignet ist, die Freiheit derWillensentschließung und Willensbetätigung innicht unerheblichem Maß zu beeinträchtigen. Dienach dem Gesetz verbotenen Vernehmungsmetho-den überschneiden sich im Einzelnen auch in Artund Wirkung. Das Verbot der im §136 I&II StPOnäher bezeichneten Vernehmungsmethoden giltunabhängig von der Einwilligung des Vernomme-nen. Zu den verbotenen Mitteln zählen insbeson-dere: Körperliche Misshandlung, Quälerei, (...),Ermüdung, Täuschung, Zwang, Versprechen oderGewährung von Vergünstigungen oder Vorteilen,Drohung, (...).« (aus: Clages (Hrsg.) – Der roteFaden – Grundsätze der Kriminalpraxis. Heidel-berg 2004)»Wichtig für den Vernehmenden ist, zu beachten,dass falsche Rechtserklärungen Täuschungen

gleichgesetzt und damit verboten sind. Verbotenist, den Beschuldigten als Zeugen zu vernehmenoder zu erklären, er sei zur Aussage verpflichtet.Verboten ist auch, dem Beschuldigten zu offenba-ren, der Mittäter habe schon gestanden. – KeineTäuschung ist das Vorspiegeln einer freundlichenGesinnung. Zulässige kriminalistische List ist es,Fangfragen zu stellen oder doppeldeutige Erklä-rungen abzugeben.« (aus: Brockmann/Chedor –Vernehmung – Hilfe für den Praktiker. Hilden1999)Vernehmung • »Vernehmung ist die strafprozes-sual bestimmte und zum Teil geregelte, beweis-orientierte Gestaltung personenzentrierter sozial-kommunikativer Einflussnahmen und Maßnahmenmit dem Ziel der Gewinnung selbst bestimmter,wahrheitsgemäßer (und identifikationssicherer)Aussagen, ihrer Bewertung und beweisrelevantenDokumentation. (...) Das alles setzt (eigentlich)kommunikatives Basis- und Spezialtraining voraus(...).« (aus: Clages (Hrsg.) – Der rote Faden –Grundsätze der Kriminalpraxis. Heidelberg 2004)Vernehmungstaktiken • »Sieht sich ein Verneh-mender z.B. mit dem Hinweis eines Beschuldigtenkonfrontiert: ›Ich sage überhaupt nichts aus!‹, istes wesentlich zu wissen, was denjenigen dazu ver-anlasst, die Aussage zu verweigern. (...) Erst dasWissen um die Beweggründe des in der Verneh-mung gezeigten Verhaltens ermöglichen es demVernehmenden, adäquat damit umzugehen undden Beschuldigten hinsichtlich seiner Aussagebe-reitschaft und seines -verhaltens mittels der Aus-wahl geeigneter Vernehmungstaktiken und -strate-gien zu beeinflussen.« (aus: Brockmann/Chedor –Vernehmung – Hilfe für den Praktiker. Hilden1999)Verwertungsverbot • »Nach §136a III S. 2StPO dürfen Aussagen, die unter Verletzung desVerbotes zustande gekommen sind, nicht verwertetwerden. Das trifft auch zu, wenn der Beschuldigte

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(ebenso der Zeuge oder Sachverständige) der Ver-wertung zustimmt. Das Verwertungsverbot gilt füralle Abschnitte des Strafverfahrens und sowohl fürbelastende als auch entlastende Aussagen. Sindzunächst bei der Vernehmung unzulässige Metho-den angewandt worden, kann die Vernehmung spä-ter in ordnungsgemäßer Weise wiederholt werden.Die erneute Aussage kann verwendet werden.«(aus: Clages (Hrsg.) – Der rote Faden – Grundsätzeder Kriminalpraxis. Heidelberg 2004) »Eine Fern-wirkung, die darauf abzielt, andere durch die Aus-sagen bekannt gewordene Beweismittel nicht ver-werten zu dürfen, besteht nicht. Diese Auffassungist allerdings äußerst umstritten. Die Prüfung desVerfahrensverstoßes muss von Amts wegen durch-geführt werden. Wird der Verstoß nicht bewiesen,ist die Aussage verwertbar. Der Grundsatz: ›ImZweifel für den Angeklagten,‹ gilt nicht.« (aus:Brockmann/Chedor – Vernehmung – Hilfe für denPraktiker. Hilden 1999)Zeuge • »Zeuge ist eine Person, die über Tat-sachen, die sie wahrgenommen hat, aussagen soll.Der Zeuge ist ein Beweismittel. Er ist grundsätzlichzum Erscheinen, zur Aussage und zur Beeidigungder Aussage vor Gericht verpflichtet.« (aus: Köbler– Juristisches Wörterbuch. Für Studium und Aus-bildung. München, 1977)Zeugenpflichten • »Zeugen haben die Verpflich-tung, vor Gericht und vor der Staatsanwaltschaft zuerscheinen und auszusagen (§51 StPO). DieseErscheinungspflicht haben sie nicht vor der Polizei.Dieses gilt für alle deutschen Staatsangehörigen,auch wenn sie sich im Ausland aufhalten. Für Aus-länder und Staatenlose gilt diese Verpflichtungnur, wenn sie sich in Deutschland aufhalten. DieErscheinungspflicht kann mit staatlichen Zwangs-maßnahmen durchgesetzt werden. Zeugen habendie Verpflichtung, Wahrnehmungen zur Prüfungder Glaubwürdigkeit oder der Zuverlässigkeit indem konkreten Sachverhalt oder allgemein zu

machen (§68 Abs.4 StPO). Für Zeugen bestehtauch die Verpflichtung, an Gegenüberstellungenteilzunehmen (§58 Abs.2 StPO). Darüber hinausbesteht die Verpflichtung zur Teilnahme an In-augenscheinnahme, z.B. Tatrekonstruktionen. DerZeuge ist ebenfalls verpflichtet, körperliche Unter-suchungen entsprechend den Bestimmungen des§81c StPO zu dulden.« (aus: Brockmann/Chedor –Vernehmung – Hilfe für den Praktiker. Hilden1999)Zeugenrechte • »Von den genannten Zeugen-pflichten ist befreit, wer Weigerungsrechte für sichin Anspruch nehmen kann. Weigerungsrechtekönnen sich aus unterschiedlichen Gründen erge-ben. Das Zeugnisverweigerungsrecht für Angehöri-ge (§52 StPO) räumt dem Schutz der engeren fa-miliären Situation eine größere Bedeutung ein, alsdie Verpflichtung, zu Zwecken der Strafverfolgunggegen einen nahen Angehörigen aussagen zumüssen. (...) Das Auskunftsverweigerungsrecht(§55 StPO) regelt, dass derjenige nicht auszusagenbraucht, der sich oder einen nahen Angehörigenmit der Aussage der Gefahr aussetzen würde,wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeitverfolgt zu werden.« (aus: Brockmann/Chedor –Vernehmung – Hilfe für den Praktiker. Hilden1999)Zeugnisverweigerungsrecht • »Zeugnisverwei-gerungsrecht ist das Recht eines zu einemRechtsstreit geladenen Zeugen, sich der grund-sätzlich bestehenden Pflicht, als Zeuge eine Aus-sage zu machen, zu entziehen. Das Zeugnisverwei-gerungsrecht kann auf persönlichen Gründen (z.B.Verwandtschaft) oder auf sachlichen Gründen (z.B. Gefahr, sich durch Aussagen einer strafrecht-lichen Verfolgung auszusetzen) beruhen.« (aus:Köbler – Juristisches Wörterbuch. Für Studium undAusbildung. München, 1977)

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• AutorInnenkollektiv (Hrsg.): Wege durchdie Wüste – ein Antirepressions-Handbuch für diepolitische Praxis (Unrast-Verlag, Münster, 2007).ISBN-13: 978-3897714496• Brack, JÜrgen; Thomas, Norbert:

Kriminaltaktik (Boorberg Verlag, Stuttgart, 1986).vergriffen • Brockmann, Claudia und Chedor, Reinhard:

Vernehmung – Hilfen für den Praktiker. (VerlagDeutsche Polizeiliteratur GmbH, Hilden, 1999).ISBN-13: 978-3801104054• Clages, Horst (Hrsg.): Der rote Faden – Grundsätze der Kriminalpraxis (Kriminalistik-Verlag, Heidelberg, 2004). ISBN-13: 978-3783200119• Dettenborn, H.: Täter, Opfer, Zeuge. Streifzüge durch die Gerichtspsychologie, 1988.• Egg, R.: Brennpunkte der Rechtspsychologie,1991.• Gössner, Rolf: Widerstand gegen dieStaatsgewalt. Handbuch zur Verteidigung der Bürgerrechte (Konkret Literatur Verlag, Hamburg, 1988).ISBN-13: 978-3922144786• Gössner, Rolf: Erste Rechts-Hilfe (Verlag Die Werkstatt, Göttingen, 2004). ISBN-13: 978-3895332432• Gundlach, Rainer: Die Vernehmung des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren. Europäische Hochschulschriften. Reihe 2:Rechtswissenschaft, Band 375 (Lang Verlag, Frankfurt /M, 1984). ISBN 978-3-8204-8025-2• Lösel, F.: Kriminalpsychologie. Grundlagen und Anwendungsbereiche, 1983.

• Schneider, Heinz-Jürgen; Schwarz, Erika

und Schwarz, Josef: Die Rechtsanwälte derRoten Hilfe Deutschlands, S. 316ff, komplett im Faksimile wiedergegeben: Halle, Felix, 1931: Wie verteidigt sich der Proletarier (Pahl-Rugenstein Verlag, Bonn, 2002).ISBN-13: 978-3891443309• Schuster, Leo: Polizeiliche Vernehmung. Formen – Verhalten – Protokollierung. (Band 7, BKA-Forschungsreihe PraxisbezogeneAuswertung, Wiesbaden, 1. Auflage, 1977). vergriffen• Uwer, Thomas/Organisationsbüro (Hrsg.):

Bitte bewahren Sie Ruhe. Leben im Feindrechtsstaat (Vereinigung Berliner Strafverteidiger, Berlin, 2006). ISBN-13: 978-3980827560• Wenn die Sache irre wird, werden die irren

zu profis – infos und Texte zu Aussageverwei-

gerung und Beugehaft, Broschüre

(3. erweiterte Auflage, Zürich, 1987). www.freilassung.de /div/texte/aussagev/irre/irre0.htm• Zeug_Innen-AG der Soligruppen zum 13.6.95

(HRSG.): We’ll never give up – Ergänzung zur Diskussion um Aussageverweigerung, Neumünster, 1996• Zimbardo, P. G.: Psychologie. 5. Aufl., 1992

Gerichtsurteile zum §55 StPO• KG Berlin, vom 19.07.2001, Az: 1 AR 1424/96– 4 Ws 109/01 • BGH, vom 04.02.1993, Az: 1 StR 917/92 • BGH, vom 01.06.1994, Az: StB 10/94, 1 BJs 182/83

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Rote Hilfe e.V.44

Literatur + Quellen

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»Die Rote Hilfe e. V. isteine parteiunabhängige,strömungsübergreifendelinke Schutz- und Soli-daritätsorganisation. DieRote Hilfe unterstütztnach ihren Möglichkei-

ten die Solidarität für alle, unabhängig von Partei-zugehörigkeit und Weltanschauung, die in der BRDauf Grund ihrer politischen Betätigung verfolgtwerden. Politische Betätigung in diesem Sinne istz.B. das Eintreten für die Ziele der ArbeiterInnen-bewegung, der antifaschistische, antisexistische,antirassistische, demokratische oder gewerkschaft-liche Kampf und der Kampf gegen die Kriegs-gefahr. Unsere Unterstützung gilt denjenigen, diedeswegen ihren Arbeitsplatz verlieren, Berufsver-bote erhalten, vor Gericht gestellt oder zu Geld-und Gefängnisstrafen verurteilt werden oder son-stige Nachteile erleiden. Darüber hinaus gilt dieSolidarität der Roten Hilfe den von der ReaktionVerfolgten in allen Ländern der Erde.« (§2 der Sat-zung der Roten Hilfe)

Im August 2007 sind bundesweit etwa 4300Menschen in der Roten Hilfe organisiert, und dieaktive Arbeit wird von fast 40 Orts- und Regional-gruppen getragen. Damit ist die Rote Hilfe inner-halb der letzten Jahre zu einer der mitgliederstärks-ten Organisationen der Linken geworden. Die Mit-glieder der Roten Hilfe kommen aus den unter-schiedlichsten Teilbereichen der Linken in derBRD, z.B.:• aus der kommunistischen, sozialistischen,anarchistischen Bewegung• aus der Friedensbewegung und dem antimili-taristischen Spektrum• aus der Anti-Atom- und Anti-Castor-Bewegung

• aus internationalistischen und antiimperialis-tischen Zusammenhängen• aus der Ökologie- und Umweltbewegung• aus Rechtshilfegruppen sowie BürgerInnen-und Menschenrechtskreisen• aus der antifaschistischen Bewegung• aus der feministischen Bewegung und ausFrauenLesben-Zusammenhängen• aus antirassistischen Zusammenhängen undder Flüchtlingsbewegung• aus den Gewerkschaften• aus Arbeits- und weiteren vielfältigen sozialenKämpfen.

Es ist der Roten Hilfe somit gelungen, dem strö-mungsübergreifenden Charakter der Organisationgerecht zu werden und zu beweisen, dass auf einersolchen Basis gemeinsam politisch agiert werdenkann.

Solidarität ist eine Waffe

Eine bundesweit vernetzte Organisation wie dieRote Hilfe bietet die Möglichkeit, durch Überblickund Vergleich Repressionsmaßnahmen zu analy-sieren (z.B. in der vierteljährlich erscheinendenRote-Hilfe-Zeitung) und gemeinsam dagegen vor-zugehen (z.B. durch bundesweite Kampagnen).Als Rote Hilfe wollen wir lokale Antirepressions-gruppen (Ermittlungsausschüsse, Bunte Hilfen,Rechtshilfefonds, Gefangenen-Komitees etc.) nicht»ersetzen«, sondern durch gemeinsame Arbeit er-gänzen. In der Regel erhalten von Repression Be-troffene Unterstützung aus dem politischen Um-feld, in welchem die verfolgte Aktion gelaufen ist.Wir meinen, dass diese nahe liegende Form derSolidarität die wichtigste überhaupt ist. Es gibtaber immer auch Menschen, die als Einzelne z.B.

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Die RoTe Hilfe E.V.

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an einer Demonstration teilnehmen und im Falleihrer Festnahme nicht unbedingt auf einen Unter-stützungskreis zurückgreifen können. Manchmalsind aber auch die Belastungen durch Prozesskos-ten oder auch für die Öffentlichkeitsarbeit so hoch,dass sie von einer Gruppe allein nicht getragen wer-den können. Hier kann durch eine bundesweite,mitgliederstarke Organisation geholfen und unter-stützt werden. Oftmals ziehen sich politische Ver-fahren aber auch über Jahre hin und werden erstdann aktuell, wenn die ehemaligen politischenZusammenhänge nicht mehr in ihrer alten Formexistieren. Durch die kontinuierliche Arbeit derRoten Hilfe soll verhindert werden, dass Repressionals individuelles Problem empfunden wird undsich Einzelpersonen oder Gruppen mit Prozesskos-ten oder Knaststrafen alleingelassen fühlen. DieUnterstützung für die/den Einzelne/n soll zugleichein Beitrag zur Stärkung der Bewegung sein. Jedeund Jeder, die/der sich an politischen Kämpfenbeteiligt, soll dies in dem Bewusstsein tun, dasssie/er später bei eventueller Strafverfolgung nichtalleine dasteht. Durch das Herausgreifen Einzelnerwollen Staat und Reaktion exemplarisch gegenlinke Politik vorgehen. Dieser Strategie liegt dieIsolierung bestimmter Personen/Gruppen von an-deren Teilen der Linken und der Gesellschaft zu-grunde. Die Rote Hilfe setzt diesem Isolierungs-und Spaltungsversuch das Prinzip der Solidaritätentgegen. Der von den Herrschenden betriebenenSpaltung und Einschüchterung wollen wir gemein-sam (jenseits aller innerlinken Differenzen hin-sichtlich politischer Theorie und Praxis) entgegen-treten und damit alle ermutigen, weiterhin für ihrepolitischen Ziele zu kämpfen.

Was leistet die Rote Hilfe?

Die wohl wichtigste Aufgabe der Roten Hilfe ist diekonkrete finanzielle Unterstützung bei Anklagen

und Prozessen. Wir streben an, dass der finanziel-le Druck durch Prozesskosten, Bußgelder, Anwäl-tInnenkosten kollektiv getragen wird. Deshalb leis-tet die Rote Hilfe auf Antrag eine Gesamtkosten-beteiligung (d.h. von allen anfallenden Kosten) vonzurzeit 40% (Regelsatz der Roten Hilfe; in begrün-deten Einzelfällen kann auch ein höherer Satzdurch einen zweiten Antrag angefragt werden). ImJahr 2005 hat die Rote Hilfe so insgesamt ca.150000 Euro an Unterstützungsgeldern auszahlenkönnen. Auch weiterhin gehört es zu den Grund-sätzen der Roten Hilfe, auch Nicht-Mitgliedern, diewegen ihrer politischen Betätigung staatlich ver-folgt werden, Unterstützung zu leisten. Neben dembundesweiten Unterstützungsfonds gibt es häufignoch zweck- und themengebundene Spendenkon-ten.

Die Rote Hilfe versteht sich allerdings nicht als»Rote Caritas« oder linke Rechtsschutzversiche-rung. Die Rote Hilfe leistet daher nicht nur mate-rielle, sondern auch politische Unterstützung. Diesgeschieht in Form von Spendensammlungen, Soli-daritätsveranstaltungen, Prozessbeobachtungen und-begleitungen, Betreuung von politischen Gefange-nen. Darüber hinaus sieht die Rote Hilfe ihre Auf-gabe darin, sich im allgemeinen Sinne an der Ab-wehr politischer Repression zu beteiligen. So ver-suchen wir seit Gründung der Roten Hilfe schonweit im Vorfeld von Demonstrationen über die ver-schiedenen Formen politischer Repression und diedamit beauftragten Institutionen (Polizei, Staats-schutz, Geheimdienste, Militär, Justiz) aufzuklä-ren. Mit Veranstaltungen, Flugblättern und Bro-schüren wollen wir darauf hinwirken, dass die Akti-vistInnen sich selbst und andere möglichst effektivvor Verletzungen und Verhaftungen schützen undum ihre jeweiligen (jedenfalls formalen) RechteBescheid wissen. Die Rote Hilfe engagiert sich all-gemein gegen Verschärfungen im Versammlungs-recht, gegen Staatsschutzgesetze, gegen den

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Rote Hilfe e.V.46

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Abbau von VerteidigerInnenrechten, gegen Isola-tionshaft und Folter, gegen Beschränkungen imBereich der Meinungsfreiheit und anderer Bürge-rInnenrechte.

Schafft Rote Hilfe!

Die Rote Hilfe fordert alle auf, politische Unter-drückung und Verfolgung – nicht nur in der BRD –nicht hinzunehmen, sondern sich zu organisierenund dagegen anzugehen! Nur eine kontinuierlicharbeitende und überparteiliche Solidaritätsorgani-sation, die mitgliederstark ist, bietet die Gewährdafür, dass möglichst allen politisch Verfolgten inmöglichst großem Umfang geholfen werden kann.Eine bundesweite Solidaritätsorganisation ist not-wendig, da sie unabhängig von politischen Kon-junkturen kontinuierlich arbeiten und auf Grundeines regelmäßigen Spenden- und Beitragsauf-kommens verlässlich und langfristig Unterstüt-

zungszusagen machen kann. Eine bundesweiteSolidaritätsorganisation wie die Rote Hilfe ist not-wendig, um sich für die politisch Verfolgten auchim kleinsten Dorf und aus allen Teilen der linkenBewegungen verantwortlich zu fühlen. Die RoteHilfe ist notwendig, um auf Gesetzesverschärfun-gen und Prozesswellen bundesweit reagieren zukönnen und in der Lage zu sein, bundesweite Kam-pagnen finanziell und politisch zu initiieren oder zuunterstützen.

Solidarisch sein.Mitglied werden.Aktiv sein!

Jeder Mitgliedsbeitrag oder auch jede einmaligeSpende ist Ausdruck von Solidarität, hilft undermutigt, trotz politischer Repression weiter zukämpfen. Fast alle Mitglieder der Roten Hilfe ar-beiten und kämpfen noch in anderen Gruppen und

Die Rote Hilfe E.V. 47

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Rote Hilfe e.V.48

Organisationen. Die Rote Hilfe kann nur dann ihrevolle Kraft entwickeln, wenn sich viele bewusst dar-über sind, dass jeder einzelne Mitgliedsbeitragzählt und sich nicht darauf verlassen wird, dassandere bereits bezahlen. Die Rote Hilfe kann ihrevolle Kraft nur dann entwickeln, wenn sich die Mit-glieder nicht darauf verlassen, dass es die anderensind, die Arbeit leisten. Die Arbeit der Roten Hilfemuss auf vielen Schultern ruhen. Darum gilt:Mitglied der Roten Hilfe werden!

In der Roten Hilfe aktiv sein!

Schafft Rote Hilfe!

• Als Mitglied durch den Mitgliedsbeitrag• Durch Mitarbeit in einer Orts- oder Regional-gruppe• Durch Beteiligung an konkreter Arbeit, wiez.B. die Betreuung politisch Verfolgter oder dieBeteiligung an einer politischen Kampagne• Durch Werbung für unsere Arbeit – Verkauf derRote Hilfe-Zeitung, Auslegen unserer Broschürenund Faltblätter.

Weiteres Informationsmaterial bekommt Ihr von:

Rote Hilfe e.V.

BundesgeschäftsstellePostfach 3255 · 37022 GöttingenTel.: 0551 -770 80 08 (Di + Do 15:00–20:00 Uhr)Fax: 0551 -770 80 [email protected]: Rote Hilfe e.V.Kontonummer: 19 11 00 - 462BLZ: 440 100 46 – Postbank Dortmund

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häftlingstraum

packen Sie Ihre sachen

Sie werden sofort entlassen

Ihr richterhat gestanden

Peter-Paul Zahl 1983

Eigentumsvorbehalt • Nach diesem Eigentumsvorbehalt ist die Broschüre solange Eigentum des Absen-

ders, bis sie der/dem Gefangenen persönlich ausgehändigt worden ist. »Zur-Habe-Nahme« ist keine per-

sönliche Aushändigung im Sinne des Vorbehalts. Wird die Broschüre der/dem Gefangenen nicht persönlich

ausgehändigt, ist sie dem Absender unter Angabe des Grundes der Nichtaushändigung zurückzusenden.

Wird die Broschüre der/dem Gefangenen nur teilweise persönlich ausgehändigt, so sind die nicht aus-

gehändigten Teile, und nur sie, dem Absender mit dem Grund der Nichtaushändigung zurückzusenden.

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Ro

te

Hil

fe

e.V

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• Keine Aussagen bei Polizei und Staatsanwaltschaft!

• Keine Zusammenarbeit mit den staatlichen Repressionsorganen!

• Solidarität ist eine Waffe!

www.aussageverweigerung.info

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